Zehn Ansätze für die Intervention gegen Prüfungsangst

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Arbeitsmaterial für BeratungslehrerInnen
Zehn Ansätze für die Intervention gegen Prüfungsangst
(nach: Stöger & Ziegler in „jurnal für begabtenförderung“ 1/2005)
1. Schaffung eines angstfreien Klassenraums
Der erste Schritt gegen Prüfungsangst besteht darin, sie zu erkennen, LehrerInnen
zur Kenntnis zu bringen und ggf. auch das Urteil von BeratungslehrerIn /
SchulppsychologIn einzuholen.
Wenn Prüfungsangst vorliegt, können durch die Gestaltung des Unterrichtes und der
Prüfungssituation bewährte Maßnahmen zu deren Reduktion eingesetzt werden:
 Das prüfungsängstliche Kind wird keiner öffentlichen Bewertung ausgesetzt (die
Noten der Klassenarbeit werden beispielsweise nicht öffentlich verlesen; keine
Gruppenbildung aufgrund des Leistungsniveaus; kein Abfragen an der Tafel),
 Prüfungen werden unter geringem Zeitdruck durchgeführt,
 die Kriterien der Leistungsbewertung werden transparent gemacht,
 LehrerInnen werden vermeiden, auf Prüfungssituationen mehr als notwendig
hinzuweisen und auf die Bedeutung guter/schlechter Zensuren, (Es gibt übrigens
einen statistisch nachgewiesenen Zusammenhang zwischen der bloßen Häufigkeit
der Nennung von Worten wie Note, Klassenarbeit etc. und der Höhe der
Prüfungsangst in der Klasse.),
 LehrerInnen werden weniger autoritär unterrichten.
2. Kompetenzaufbau
Die Vermittlung geeigneter Lernstrategien und Arbeitstechniken hat eine doppelte
Wirkung: Kinder, die über geeignete Lernstrategien verfügen, haben erstens
 ein höheres Selbstvertrauen, was sie weniger anfällig gegen Prüfungsangst und
insbesondere gegen Gedanken der Besorgnis macht und zweitens
 sichern viele Lernstrategien und Arbeitstechniken eine höhere Aufmerksamkeit.
Ein prägnantes Beispiel ist die Beleuchtung des Arbeitsplatzes je nach Händigkeit.
Sie sollte beim Rechtshänder von der linken Seite kommen, weil ansonsten der
Schatten der Hand ablenkend wirken könnte.
3. Aufklärung, dass Aufgeregtheit in Leistungssituationen normal ist
Was die Leistungsfähigkeit bei ängstlichen Personen beeinträchtigt, ist ihre
Überzeugung, dass Aufgeregtheit ihre Leistungen verschlechtere. Sie sollten erklärt
bekommen, dass Aufgeregtheitssymptome kein Grund zur Beunruhigung sind,
Leistungsbeeinträchtigungen nicht durch diese Symptome verursacht werden,
sondern aufgabenirrelevante Gedanken der Besorgnis die Aufmerksamkeit von der
Aufgabenbearbeitung abziehen.
4. Modellwirkungen
Einen prüfungsängstlichen Schüler sollte man neben einen niedrig
prüfungsängstlichen Schüler setzen.
Auch Lehrkräfte und Eltern können ein Modell sein, von dem Kinder im ungünstigen
Fall Prüfungsangst erlernen. Positiv wirken Modelle, die zwar ihre Aufgeregtheit in
Prüfungssituationen zugeben, aber gleichzeitig verdeutlichen, wie sie selbst damit
erfolgreich umgehen. Wichtig ist also, dass ein Modell, das seine Aufgeregtheit
beschreibt, gleichzeitig veranschaulicht, wie es diese bewältigt.
5. Vorsicht: Anteilnahme kann Prüfungsangst verstärken!
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Häufig wird versucht, durch Trösten ein positives Gefühl zu vermitteln,
möglicherweise erfolge die Freistellung von häuslichen Verpflichtungen,
Unternehmungen zur Ablenkung vor der bevorstehenden Prüfungssituation usw.
Eine positive Atmosphäre, Anteilnahme und Unterstützung helfen sicherlich
kurzfristig mit der Angst umzugehen, aber ein großes Problem besteht darin, dass
diese Kinder in Zukunft mit Prüfungssituationen nicht nur das unangenehme Gefühl
der Angst verbinden, sondern gleichzeitig mit einem besonderen Maß an Zuwendung
und Verständnis von Seiten der Eltern und Lehrkräfte rechnen! Im ungünstigsten Fall
kann es dazu führen- wenn auch nicht bewusst- das sie Prüfungsangst zeigen, um
besondere Anteilnahme und Unterstützung zu erhalten. Dieser äußerst ungünstige
Zirkel kann zu einer stetigen Steigerung und Verfestigung der Prüfungsangst
beitragen. Das bedeutet aber nicht, dass man mit Unverständnis oder
Vernachlässigung reagieren sollte. Wenn jedoch eine langfristige Reduktion der
Prüfungsangst erreicht werden soll, sollte man weniger mit Anteilnahme und
Zuwendung reagieren, sondern mit bewusst konstruktiven Vorschlägen:
Beispielsweise kann man:
 erläutern, dass Prüfungen eine Lerngelegenheit bietet, in der man selbst
feststellen kann, wie gut die Steigerung der eigenen Kompetenz seit der letzten
Klassenarbeit gelungen ist;
 sachlich über den Lernstoff, der in der Prüfung abgefragt wird, sprechen;
 Strategien besprechen, wie die Prüfungsanforderungen gut zu meistern sind
(Fragestellung gut durchlesen; wenn man etwas nicht auf Anhieb weiß, überlegen,
ob Ähnliches im Unterricht behandelt wurde;...)
 dann besondere Aufmerksamkeit entgegenbringen, wenn Kind /Jugendliche/r
davon berichtet, eine Prüfungssituation mit relativ wenig Aufregung gemeistert zu
haben.
Motto aller Maßnahmen: Prüfungsangst ernst nehmen, aber unbedingt auf der
sachlich- konstruktiven Ebene handeln und nicht auf der mitfühlendemotionalen Ebene.
6. Senkung des Erwartungsdrucks
Überzogene Leistungsanforderungen führen zu Erwartungsdruck, der auch durch
das Kind selbst gesetzt werden kann. Dies gilt besonders für begabte Kinder. Die
einfachste Maßnahme für Eltern und Lehrkräfte ist die Senkung des
Anspruchsniveaus, sowohl bezüglich der Noten, mit denen man gerade noch
zufrieden ist, als auch bezüglich der Note, die als Erfolg gewertet wird.
Es muss unbedingt überprüft werden, wie zu Hause auf schulische Erfolge /
Misserfolge reagiert wird.
Praktisches Beispiel:
Ein Kind hat eine gute Note geschrieben. Die Eltern freuen sich sehr und
loben/belohnen überschwänglich. Beim nächsten Mal schneidet das Kind weniger
gut ab, die Eltern sind betrübt und ärgerlich, eine extra Lernschicht wird eingelegt.
Je größer die Stimmungs- und Reaktionsunterschiede nach guten und schlechten
Leistungen sind, desto mehr steht für ein Kind bei Prüfungssituationen auf dem Spiel;
und je mehr auf dem Spiel steht (negativ wie auch positiv), desto leichter entwickelt
sich Prüfungsangst.
7. Perspektivenwechsel
Prüfungsängstliche Schüler nehmen Prüfungssituationen wahr, als würde sie als
Person auf dem Prüfstand stehen und nicht ihr Lernen. Deshalb muss konstruktiv mit
den Ergebnissen umgegangen werden, d.h. Prüfungsergebnisse geben Aufschluss
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darüber, was beim Lernen gut und was weniger gut geklappt hat. Wenn Eltern über
Leistungsergebnisse spreche, sollten sie die Gründe schlechter Noten nicht in der
Person des Kindes suchen, sondern stets in seinem Lernprozess, der verbessert
werden kann.
8. Selbstinstruktionen
Während der Prüfungssituation ist die Aufmerksamkeit prüfungsängstlicher Schüler
mehr auf die körperlichen Symptome der Aufgeregtheit, auf die Folgen eines
schlechten Abschneidens etc. gerichtet als auf die Aufgabenstellungen.
Selbstinstruktionen stellen eine wirksame Methode zur Lenkung der Aufmerksamkeit
auf die Aufgabe dar und müssen eingeübt werden. Sie beinhalten Anweisungen, wie
man handeln soll bzw. woran man denken soll (nicht, wie man nicht handeln und
woran man nicht denken soll!). Wichtig ist , dass klare Auslösesituationen und feste
Formeln zur Selbstinstruktion definiert sind. (z.B. „Immer wenn ich merke, ich
schweife ab, dann sage ich mir:...“)
9. Langsames Gewöhnen an Leistungssituationen
Schrittweise Gewöhnung an Leistungssituationen kann beispielsweise durch
häusliches Diktatschreiben, durch Mathematikaufgaben, zunächst mit
großbemessener Zeitvorgabe, erreicht werden, aber nur wenn ein konstruktives
Übungsklima (siehe Maßnahme 1) herrscht. Im Sinne der Desensibilisierung wird die
Ähnlichkeit mit einer Prüfungssituation allmählich gesteigert, dient als Lern- und
Rückmeldegelegenheit: Fehler liefern Informationen, was noch geübt werden muss
und sind somit keinesfalls Anzeichen von Leistungsversagen.
10. Einüben von Entspannungstechniken
Entspannungstechniken können das Gefühl der Aufgeregtheit, -das aber nur in sehr
eingeschränktem Maße für Leistungsbeeinträchtigungen sorgt-, reduzieren. Wenn
Kinder mit hoher Besorgnis auf körperliche Aufgeregtheitssymptome reagieren und
die Aufklärung (siehe Maßnahme 3) nicht die gewünschte Wirkung erzielt hat, kann
ein Entspannungstraining zumindest diese Quelle der Besorgnis mildern. Handelt es
sich aber um ein Verfahren, das während der Prüfungssituation wiederholt
Aufmerksamkeit für selbstberuhigende Maßnahmen erfordert, kann das allerdings
schädlich sein, weil der angestrebte Effekt – die Aufmerksamkeit auf die Aufgabe
statt auf die Symptome der Aufgeregtheit zu richten – verloren geht. Bevor man
Prüfungsängstlichen ein Entspannungstraining empfiehlt, solllte man die genaue
Anwendung der Methode in der Prüfungssituation kennen.
 Die beschriebenen Maßnahmen können von Lehrkräften und Eltern durchgeführt
werden und reduzieren in den meisten Fällen Prüfungsangst, wenn sie sich noch
nicht dauerhaft manifestiert hat. Dann wird professionelle Hilfe notwendig, wobei
SchulpsychologInnen die ersten Ansprechpartner sind.
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