1 Akademie psychologischer Berater (ApsyB) Ausbildung zum psychologischen Berater im Zeitraum September 2014 – Juli 2016 PRÜFUNGSANGST Beraterische Intervention zur Prävention eines Blackouts Facharbeit vorgelegt von Karin Keller Erstellt im Zeitraum: Betreut durch: Abgabetermin: 19.04.2016 – 15.06.2016 Sandra Neumayr (leitende Dozentin) 15.06.2016 2 INHALTSVERZEICHNIS E I N L E I T U N G ........................................................................................................... 3 H A U P T T E I L ............................................................................................................. 4 1 Woher kommt die Prüfungsangst ................................................................... 4 1.1 Theorien der Angstentstehung ........................................................................... 4 1.1.1 Behaviorale Lerntheorien (verhaltensorientiert) .................................................. 4 1.1.1.1 Klassische Konditionierung (John B. Watson) ................................................ 5 1.1.1.2 Operantes Konditionieren (Burrhus Frederic Skinner) ..................................... 6 1.1.1.3 Modell-Lernen (Albert Bandura) ...................................................................... 7 1.1.2 Die Angstverarbeitungstheorie (Richard Lazarus) .............................................. 8 2 Definition Prüfungsangst .............................................................................. 10 2.1 Was verursacht Prüfungsangst ........................................................................ 10 2.2 Prüfungsangst – Wie der Stress im Körper wirkt .............................................. 11 2.2.1 Der Blackout (Denkblockade)........................................................................... 12 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 Symptome der Prüfungsangst .......................................................................... 12 Emotionale Ebene (Gefühle) ............................................................................ 13 Kognitive Ebene (Gedanken) ........................................................................... 13 Physiologische Ebene (Körperlich) .................................................................. 13 Verhaltensebene ............................................................................................. 14 3 Beraterische Intervention zur Prävention eines Blackouts......................... 15 3.1 Kognitive Umstrukturierung außerhalb der Heilkunde ...................................... 16 3.1.1 Sokratischer Dialog .......................................................................................... 16 3.1.2 Rational Emotive Verhaltensbezogene Beratung ............................................. 17 3.2 Entspannungsmethoden .................................................................................. 18 3.3 Zeitmanagement .............................................................................................. 18 3.4 Konkrete Vorbereitung auf die Prüfungssituation ............................................. 19 4 Exkurs zum Schluss ...................................................................................... 21 F A Z I T ....................................................................................................................... 22 Eigenständigkeitserklärung ..................................................................................... 23 Abbildungsverzeichnis ............................................................................................. 24 Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................ 24 Literaturverzeichnis .................................................................................................. 25 Stichwortverzeichnis ................................................................................................ 27 Anhang ...................................................................................................................... 28 3 EINLEITUNG PRÜFUNG!? Bei vielen Menschen löst dieses Wort sowohl vor, als auch während der Prüfung einen inneren Spannungszustand aus. Während manche Menschen nur eine leichte Anspannung verspüren, haben andere schon Wochen vor der Prüfung Angst, die sich unter anderem in Konzentrationsschwierigkeiten, Schlaflosigkeit, Zittern oder muskulären Verspannungen bemerkbar machen kann. Viele sind verzweifelt, weil sie keine Lösungsstrategien zur Bewältigung ihrer Angst haben. So schreibt z.B. kleineblume in einem Internetforum über ihre Prüfungsangst: „Hallo, ich leide seit einiger Zeit unter Prüfungsangst. Zum ersten Mal ist das bei mir in der Führerscheinprüfung aufgetreten. Ich habe zwar bestanden - allerdings war die Angst schon massiv. Ich hatte Atemnot und mir wurde total heiß. Seitdem habe ich auch Probleme bei Referaten an der Uni wo ich jetzt bin. Das war vorher nicht. Ich habe den Eindruck es wird immer schlimmer. Jetzt wollte ich gerne etwas dagegen tun. Hat jemand von euch Erfahrung mit den verschiedenen Hilfen. Oder kann sonst etwas zum Thema schreiben? Eine Strategie die geholfen hat?“ 1 In der folgenden Facharbeit wird erklärt, was sich hinter der Prüfungsangst verbirgt, welche Theorien es dazu gibt, wie sie entsteht und welche Ursachen und Auswirkungen sie hat. Für den Beratungsprozess werden Wege aufgezeigt, wie präventiv mit der Prüfungsangst umgegangen werden kann, um einen Blackout vorzubeugen. Es wird ausdrücklich betont, dass eine Beratung nur dann erfolgen kann, wenn in der ersten Beratungsstunde die Abgrenzung zur Heilkunde geklärt wurde. 1 http://www.tassilo-training.de/forum/thema.php?board=4&thema=1 [Stand: 14.05.2016] 4 HAUPTTEIL 1 Woher kommt die Prüfungsangst Um ein besseres Verständnis dafür zu bekommen, was sich hinter der Prüfungsangst verbirgt, werden zunächst die Begrifflichkeiten Angst und Prüfung näher definiert. Im Anschluss werden die in der Psychologie vorhandenen Theorien, die die Entstehung von Angst fördern und die daraus resultierenden Konsequenzen dieses emotionalen Zustandes für das Erleben und Verhalten kurz erklärt. „Angst ist ein Grundgefühl, welches sich in als bedrohlich empfundenen Situationen als Besorgnis und unlustbetonte Erregung äußert. Auslöser können dabei erwartete Bedrohungen etwa der körperlichen Unversehrtheit, der Selbstachtung oder des Selbstbildes sein. Krankhaft übersteigerte Angst wird als Angststörung bezeichnet.“ 2 „Eine Prüfung ist ein Verfahren, bei dem Kenntnisse oder eine Leistung durch bestimmte Aufgabenstellungen oder Fragen festgestellt werden.“ 3 1.1 Theorien der Angstentstehung 1.1.1 Behaviorale Lerntheorien (verhaltensorientiert) Der klassische Behaviorismus erforscht, welche Auswirkungen ein Reiz (Input), der auf das Individuum von außen einwirkt, auf sein Verhalten (Output) hat. Dabei wird nur der Zusammenhang zwischen dem Reiz und dem anschließenden Verhalten betrachtet, da dieses sichtbar und somit messbar ist. Unberücksichtigt bleibt im Behaviorismus die dazwischen stattfindende Verarbeitung im Gehirn (Gedanken, Einstellung, Meinungen etc.), da diese Kognitionen nicht sichtbar und somit nicht messbar sind. Die Kernaussage des Behaviorismus kann wie folgt beschrieben werden: Verhalten wird durch die Erfahrung mit der Umwelt erlernt. Dies gilt nach der behavioristischen Theorie auch für die Angst, die – wie jedes menschliche Verhalten – durch Lernen entsteht. Im Folgenden werden einzelne Theorien vorgestellt, wie Angst gelernt wird. 4 2 3 4 https://de.wikipedia.org/wiki/Angst [Stand: 05.05.2016] https://de.wikipedia.org/wiki/Prüfung [Stand: 14.05.2016] vgl. Lindekrin Marina, Prüfungsangst bei Kindern und Jugendlichen (2010), S. 14 5 1.1.1.1 Klassische Konditionierung (John B. Watson) "Folgende Bedingungen müssen erfüllte sein, damit eine klassische Konditionierung eintreten kann. Ein Sinnesreiz (Stimulus), der zuverlässig eine Reaktion (Reflex) bedingt. Ein Sinnesreiz, der diese Reaktion normalerweise nicht bedingt. Die Darbietung dieser beiden Reize in einer systematischen und zeitlichen Anordnung, bis der normalerweise nicht bedingte Reiz in der Lage ist, eine ähnliche Reaktion wie der Originalreiz auszulösen.“ (vgl. Holland,1980, S. 109 ff.) 5 Wie sich das in Bezug auf das Lernen von Angst darstellt, haben Watson und Rayner in einem Experiment mit dem kleinen Albert verdeutlicht. Der kleine Albert zeigte vor dem Experiment keinerlei Angstreaktion gegenüber Tieren, was sich nach dem Experiment völlig anders darstellte. Das Experiment verlief wie folgt: Während des Experiments wurde Albert eine Ratte gezeigt und gleichzeitig wurde hinter seinem Kopf ein lauter Ton erzeugt. Albert zuckte erschrocken zusammen und fing an zu weinen. Dieser Vorgang wurde mehrmals die Woche wiederholt. Kurz darauf begann Albert bereits beim Anblick der Ratte (schon bevor der laute Ton ertönte) sofort zu weinen. Der ursprünglich neutrale Stimulus Ratte war somit in kürzester Zeit zu einem konditionierten, angstauslösenden Reiz geworden. Aber nicht nur die Ratte erzeugte Angst beim kleinen Albert, auch weitere Tiere wie Kaninchen, Hunde bzw. ein Pelzmantel und andere pelzartige Objekte lösten beim kleinen Albert eine Angstreaktion aus. 6 •Ratte (NS) wird immer wieder zusammen mit dem Ton (UCS) dargboten was die Angstreaktion auslöst (UCR) Nach der Konditionierung •Neuraler Stimulus (NS): Ratte (keine Angstreaktion) •Unkonditionierter Stimulus (UCS): Lauter Ton •Unkonditionierte Reaktion (UCR): Angst, weinen, erschrecken, etc. Während der Kondtionierung Vor der Konditionierung Ablauf der Konditionierung des kleinen Albert: •Allein der Anblick der Ratte, die nun zu einem konditionierten Stimulus (CS) geworden ist, löst die Angstreaktion aus, die zur konditionierten Reaktion (CR) wurde Abbildung 1 – Lernen von Angst Quelle: http://psychologyrats.edublogs.org/tag/little-albert [Stand: 14.05.2016] 5 6 http://lexikon.stangl.eu/3912/klassische-konditionierung [Stand: 14.05.2016] vgl. https://www.uni-due.de/edit/lp/behavior/watson.htm [Stand: 14.05.2016] 6 Bezieht man die klassische Konditionierung auf die Prüfungsangst, kann z.B. der unkonditionierte Reiz „Strafe“ der Eltern die unkonditionierte Reaktion „Angst“ erzeugen (ausgehend davon, dass für ein Kind die positive Beziehung zu den Eltern überlebensnotwendig, eine negative gefährdend ist). Kommt nun der neutrale Reiz „Prüfung“ dazu, verbindet sich der neutrale Reiz „Prüfung“ mit dem unkonditionierten Reiz „Strafe“, so dass sich die konditionierte Reiz-Reaktions-Kette „Prüfung“ erzeugt „Angst“ ergibt. 7 1.1.1.2 Operantes Konditionieren (Burrhus Frederic Skinner) Bei der operanten Konditionierung werden Lernprozesse untersucht, die auf den ersten Blick nicht reizausgelöst sind, wie bei der klassischen Konditionierung. Skinner war der Meinung, dass Konsequenzen (Belohnung/Bestrafung) das Lernverhalten entscheidend beeinflussen. Skinner geht davon aus, dass sich Angst, wie auch andere psychische Störungen, nach den gleichen Gesetzmäßigkeiten entwickelt wie das normale Verhalten. Nach den Prinzipien des operanten Konditionierens werden Angstreaktionen aufgrund der diesen Reaktionen unmittelbar folgenden Konsequenzen gelernt oder verlernt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Begriff „Verstärker“. Unter „Verstärkern“ versteht man alle Umweltreaktionen oder Reize, die das Verhalten in irgendeine Weise beeinflussen. Es gibt die folgenden Verstärkungsformen: • Positive Verstärkung Ein positiver Reiz (z.B. Lob, Belohnung), bei dem die Häufigkeit des Auftretens einer bestimmten Verhaltensweise zunimmt • Negative Verstärkung Ein unangenehmer Reiz wird entfernt (z.B. Prüfungsangst wird mit Beruhigungstabletten vermindert) • Bestrafung Ein negativer Reiz (z.B. Strafe für ein Fehlverhalten), bei dem die Häufigkeit des Auftretens einer bestimmten Verhaltensweise abnimmt • Löschung Ein positiver Reiz wird entfernt, die Häufigkeit der davor gezeigten Verhaltensweise nimmt ab (z.B. elterliche Ignoranz gegenüber dem weinenden Kind) 8 In Prüfungssituationen kann von operantem Lernen von Angst dann gesprochen werden, wenn durch die Angst entweder positive Konsequenzen (Lob, Anerkennung) erlangt und 7 8 vgl. Geist Alexander, Theorie der Prüfungsangst, S.2, http://www.schulberatung.bayern.de/imperia/md/content/schulberatung/pdfmuc/verschiedenes/angst_theorie.pdf [Stand: 14.05.2016] vgl. Lindekrin Marina, Prüfungsangst bei Kindern und Jugendlichen (2010), S. 15 - 16 7 negative Konsequenzen (Versagen, Durchfallen) vermieden werden oder wenn positive Anstrengungen keine positiven Konsequenzen bringen. 9 1.1.1.3 Modell-Lernen (Albert Bandura) Nach der Modelllerntheorie von Bandura lässt sich das Lernen und die Entstehung von Ängsten bzw. Prüfungsängsten wie folgt erklären: Beim Lernen am Modell handelt es sich um einen kognitiven Lernprozess (bei dem Kognitionen, Selbstregulierungsmechanismen und das soziale Umfeld eine Rolle spielen), bei dem ein Individuum das Verhalten und die daraus resultierenden Konsequenzen anderer Individuen beobachtet und sich so neue Verhaltensmuster aneignet bzw. schon bestehende Verhaltensmuster verändert.10 Das Lernen am Modell erfolgt in vier Phasen: • Aufmerksamkeitsphase Das Modell wird einer genauen Beobachtung unterzogen. Dabei werden nur die Verhaltensweisen wahrgenommen, die den Beobachter am meisten interessieren. • Behaltensphase In dieser Phase werden die beobachteten Verhaltensweisen die von Interesse sind im Gedächtnis gespeichert. • Reproduktionsphase Das beobachtete Verhalten wird abgerufen und nachgeahmt. • Verstärkungs- und Motivationsphase Das Verhalten wird vom Beobachter nur dann ausgeführt, wenn es sinnvoll erscheint. Die Ausführung ist also abhängig von den antizipierten Erwartungen des Beobachters, die dieser an das Verhalten knüpft. 11 Lernen Kinder durch Beobachtung, dass wichtige Bezugspersonen in sozialen oder Leistungssituationen mit Angst reagieren, lernen sie diese Reaktionen und entwickeln dadurch Prüfungsängste. Lernen Kinder durch Beobachtung, dass wichtige Bezugspersonen versuchen, ihre Angst mit Beruhigungsmitteln, Alkohol oder anderen Substanzen in den Griff zu bekommen, werden sie auch dieses Verhaltensmuster in ihren Lernprozess integrieren. Gefährdet sind auch Kinder, die aufgrund des nicht Vorhandenseins eines erfolgreichen Modells nicht die Möglichkeit haben, einen erfolgreichen Umgang mit Leistungssituationen zu beobachten. Diesen Kindern wird es schwerfallen, angemessene Bewältigungsstrategien zu entwickeln. (Elbing & Ellgring, 1977) 9 10 11 12 12 Ferner wird das Modell-Lernen der Angst stark von vgl. Kossak Hans-Christian, Prüfungsangst – Beraten aus sieben Perspektiven (2015), S. 17 vgl. Lindekrin Marina, Prüfungsangst bei Kindern und Jugendlichen (2010), S. 17 vgl. Handout ApsyB zur Kognitiven Entwicklung (2015), S. 53 vgl. Lindekrin Marina, Prüfungsangst bei Kindern und Jugendlichen (2010), S. 17 8 sozialen und interpersonalen Faktoren wie Familie, Gleichaltrigen, Lehrpersonal etc. beeinflusst. 13 1.1.2 Die Angstverarbeitungstheorie (Richard Lazarus) In der Angstverarbeitungstheorie nach Lazarus wird die Angst als Emotion dargestellt, die er unter dem Begriff „psychologischer Stress“ zusammenfasst. Angst ist also eine erweiterte Stressreaktion. Für Lazarus sind es kognitive Faktoren, die den Prozess der Emotionsauslösung und –regulierung steuern. Jede emotionale Reaktion (Angst), ist die Folge der Bewertung einer Situation und ihre mögliche Bewältigung durch Umdenken und Handeln. Ob und inwieweit ein Individuum Angst empfindet, hängt von seiner Einstellung und seinen individuellen Bewältigungsmaßnahmen ab. Vor dem Angstempfinden und der daran anschließenden Angstbewältigung steht die Bewertung eines Ereignisses: „Stress ist definiert als ein Spannungszustand, der durch die Befürchtung entsteht, dass eine stark aversive, zeitlich nahe oder bereits eingetretene subjektiv lang andauernde Situation als nicht vollständig kontrollierbar erlebt wird, deren Vermeidung aber subjektiv wichtig erscheint“. (vgl. Aichinger, 2003) 14 • Primäre Bewertung Bei der primären Bewertung überprüft das Individuum, ob das Ereignis positiv, stressend im Sinne von schädigend, bedrohlich oder herausfordernd ist oder ob das Ereignis als irrelevant eingestuft werden kann. Irrelevant ist das Ereignis dann, wenn es keine Bedrohung/Gefahr darstellt, also keine Auswirkungen auf das Wohlbefinden des Individuums zu erwarten sind. • Sekundäre Bewertung Bei der sekundären Bewertung wird überprüft, ob das Ereignis, das in der primären Phase als Bedrohung empfunden wurde, bewältigt werden kann, d.h. ob genügend Ressourcen zur Bewältigung der Situation zur Verfügung stehen. Kommt das Individuum zum Ergebnis, dass genügend Ressourcen zur Bewältigung des Ereignisses vorhanden sind, wird sich keine bzw. eine geringe Stresssituation ergeben. Kann das Ereignis aufgrund mangelnder Ressourcen nicht bewältigt werden, entsteht Angst (Stress). Zu einer Angstreaktion (Stressreaktion) kommt es nur dann, wenn im Rahmen der Primärbewertung die Situation als Bedrohung wahrgenommen wird und im Rahmen der Sekundär- 13 14 vgl. Kossak Hans-Christian, Prüfungsangst – Beraten aus sieben Perspektiven (2015), S. 16 http://psychologie.stangl.eu/definition/Stress.shtml [Stand: 17.05.2016] 9 bewertung festgesellt wird, dass keine Handlungsoptionen verfügbar sind, die zu einer erfolgreichen Bewältigung der Bedrohung führen. Im Falle eines Stressempfindens folgt nun die individuelle Angstverarbeitung (Coping) d.h. es wird nach einer angemessenen Reaktion auf das Ereignis gesucht. Unterschieden wird hierbei zwischen problemorientiertem Coping und dem emotionsorientierten Coping. Beim problemorientierten Coping wird versucht, die Situation/Umwelt zu ändern (z.B. für eine Prüfung lernen). Beim emotionsorientierten Coping steht die Regulation der Emotionen im Vordergrund. Dies erfolgt z.B. durch Uminterpretation von Situationen, Ablenkung oder der Einnahme von Beruhigungsmitteln. Welche Strategie zum Einsatz kommt, hängt vom Individuum ab. Die angewandten Stressbewältigungsversuche müssen nicht zwangsläufig zum Erfolg führen. In einem anschließenden Neubewertungsprozess wird die ursprüngliche Situation reflektiert und die eingesetzte Bewältigungsstrategie bewertet. Das Ergebnis dieser Neubewertung fließt dann in die Neubewertung künftiger Situationen ein. Konnten die angstauslösenden Ursachen erfolgreich beseitigt werden, ist der Prozess abgeschlossen. Angst entsteht nach Lazarus aus einem Wechselspiel zwischen der Person und der Situation, die zu einer neuen Einheit, einem System, zusammenwachsen. Die folgende Abbildung stellt schematisch dar, wie die Angstverarbeitung nach der Theorie von Lazarus zu verstehen ist. 15 Abbildung 2 – Transaktionales Stressmodell Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Stressmodell_von_Lazarus [Stand: 14.05.2016] Auch in der Psychoanalyse lassen sich Theorien zur Entstehung von Prüfungsängsten finden. Da diese jedoch nicht Bestandteil einer psychologischen Beratung sind, wir hier nicht näher darauf eingegangen. 15 vgl. Lindekrin Marina, Prüfungsangst bei Kindern und Jugendlichen (2010), S. 18 - 20 10 2 Definition Prüfungsangst In der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10) gehört die Klassifizierung von „Prüfungsangst“ nicht explizit zu den dort definierten „Störungen mit Krankheitswert“. Eine verbindliche und allgemein akzeptierte Definition liegt in der wissenschaftlichen Literatur nicht vor, daher erfolgt auch keine einheitliche Verwendung des Begriffs. In Anlehnung an die Definition von Salmon (1990) wird Prüfungsangst als 16 „anhaltende und deutlich spürbare Angst in Prüfungssituationen und/oder während der Zeit der Prüfungsvorbereitung, die den Bedingungen der Prüfungsvorbereitung und der Prüfung selbst nicht angemessen ist. Die Angst äußert sich auf den Ebenen Verhalten, Emotion, Kognition und Physiologie. Klinisch relevante Prüfungsängste liegen vor, wenn die Ängste das alltägliche Leben und/oder den Ausbildungsverlauf bzw. das berufliche Weiterkommen deutlich beeinträchtigen.“ 17 2.1 Was verursacht Prüfungsangst Die nachfolgenden Faktoren begünstigen die Entstehung von Prüfungsangst • Überzogene Erwartungen an sich selbst • Angst das Gesicht zu verlieren • Druck von außen (z.B. durch die Eltern) • Schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit • Schlechte Vorbereitung • Persönliche Grundüberzeugungen Jedoch betrifft die Prüfungsangst nicht nur unsichere, ängstliche oder furchtsame Menschen, sondern auch jene, • die zu hohe Ansprüche an sich stellen (Perfektionismus) Beispiel: Ich darf mir hier keinen Fehler erlauben • die sich selbst zu viel Aufmerksamkeit schenken und ihr Wirken und ihre Emotionen ständig kontrollieren Beispiel: Jetzt auf keinen Fall den Faden verlieren und stottern • deren Selbstbild vor allem von Misserfolgen geprägt ist und die deshalb in eine Art selbsterfüllende Prophezeiung steuern 16 17 vgl. Fehm Lydia, Fydrich Thomas, Prüfungsangst (2011), S. 5 Fehm Lydia, Fydrich Thomas, Prüfungsangst (2011), S. 7 11 Beispiel: Ich bin ein Versager, ich bekomme den Job bestimmt wieder nicht 18 Weitere Ursachen, die zu Prüfungsängsten führen, können sich durch den elterlichen Erziehungsstil ergeben. Hierzu zählen unter anderem • Überzogene Leistungserwartungen • Negative Leistungsbewertungen • Geschwisterrivalität • Mangelnder Glaube an die Leistungsfähigkeit des Kindes Auch schulische Einflüsse spielen bei der Entstehung von Prüfungsangst eine Rolle. Hierzu zählen unter anderem • Hoher schulischer Leistungsdruck • Schulischer Wettbewerb • Klassenkonstellationen • Sozialstatus 19 Nicht zuletzt können die Ursachen von Prüfungsangst auch in der Person selbst liegen wie z.B. • Fehlende Prüfungstaktiken • Fehlerhafte Lerntechnik • Geistige Überforderung • Mangelnde Lernaktivitäten 20 2.2 Prüfungsangst – Wie der Stress im Körper wirkt Bis zu einem gewissen Grad kann Angst leistungsfördernd wirken. Angst verursacht Stress, der im Körper die Hormone Adrenalin und Cortisol freisetzt. Dies führt 18 19 20 • zur Erweiterung der Bronchien und Pupillen • zur Beschleunigung des Pulses • zur Verbesserung der Sauerstoffversorgung und Denkleistung vgl. http://karrierebibel.de/prufungsangst-uberwinden-tipps [Stand 14.05.2016] vgl. Kossak Hans-Christian, Prüfungsangst – Beraten aus sieben Perspektiven (2015), S. 17 - 19 vgl. Geist Alexander, Theorie der Prüfungsangst, S.2, http://www.schulberatung.bayern.de/imperia/md/content/schulberatung/pdfmuc/verschiedenes/angst_theorie.pdf [Stand: 14.05.2016] 12 • zur Drosselung des Verdauungsapparats Somit steht innerhalb von Sekunden Energie zur Verfügung, um Spitzenleistungen erbringen zu können, z.B. in einer Prüfungssituation. Wenn der Stress jedoch zu groß wird und über eine längere Zeit andauert, gehen die positiven Wirkungen verloren und der Körper reagiert mit Widerstand was am Ende zum totalen Kontrollverlust und zum Blackout führen kann. 21 2.2.1 Der Blackout (Denkblockade) Ein Blackout ist eine heftige Angstreaktion in einer Stresssituation die dazu führt, dass das erlernte Wissen nicht mehr abgerufen werden kann. Die Vorgänge im Gehirn die zu einem Blackout führen, laufen wie folgt ab: Das limbische System filtert eingehende Informationen und ordnet allen Informationen ein Gefühl zu. Wird die Prüfungssituation als Bedrohung wahrgenommen, wird Angst empfunden. Die Amygdala - für das Zuteilen der Emotionen verantwortlich - aktiviert dann den Hypothalamus, das Steuerungssystem des Gehirns. Es kommt zur Ausschüttung der Stresshormone Adrenalin und Cortisol. Die Hormonkombination überschwemmt das Gehirn und legt den Hippocampus – der für die Übertragung von Informationen ins Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis verantwortlich ist - lahm. Sowohl das Langzeit- als auch das Kurzzeitgedächtnis verweigern dann den Zugriff auf ihre Inhalte. 22 2.3 Symptome der Prüfungsangst Prüfungsangst wird von jedem Menschen anders erlebt. Selbst innerhalb einer Person kann das Erleben und die Erfahrung von Prüfungsangst variieren, abhängig von der Prüfungssituation, der Prüfungsart, der Bedeutung der Prüfung, in Abhängigkeit von der Phase der Prüfungsvorbereitung oder auch der gemachten Erfahrungen in der Vergangenheit. Die Symptome der Prüfungsangst treten auf der emotionalen, der kognitiven, der physiologischen und der Verhaltensebene auf. Diese können sich wie folgt bemerkbar machen: 21 22 23 vgl. http://karrierebibel.de/prufungsangst-uberwinden-tipps [Stand 14.05.2016] vgl. http://karrierebibel.de/prufungsangst-uberwinden-tipps [Stand 14.05.2016] vgl. Fehm Lydia, Fydrich Thomas, Prüfungsangst, (2011), S. 7 23 13 2.3.1 Emotionale Ebene (Gefühle) Symptome: Angst Niedergeschlagenheit Hilflosigkeit/Ohnmacht Verzweiflung Depression Enttäuschung Panik 2.3.2 Abbildung 3 – Emotionale Ebene Quelle: Eigene Darstellung Kognitive Ebene (Gedanken) Symptome: Konzentrationsschwierigkeiten Leere im Kopf/Blackout Katastrophendenken Versagensängste Selbstzweifel Selbstabwertung Zukunftsängste 2.3.3 Abbildung 4 – Kognitive Ebene Quelle: Eigene Darstellung Physiologische Ebene (Körperlich) Symptome: Herzrasen/Bluthochdruck Hitzewallungen/Schweißausbrüche Magen- und Darmbeschwerden Innere Unruhe/Nervosität Zittern Schlafprobleme Muskuläre Verspannungen Abbildung 5 – Physiologische Ebene Quelle: Eigene Darstellung 14 2.3.4 Verhaltensebene 24 Symptome: Aufschieben Hektischer Aktionismus Exzessives Lernen Soziale Isolation Vernachläsigung von Ressourcen Vermeiden Flucht Abbildung 6 – Verhaltensebene Quelle: Eigene Darstellung 24 vgl. Köster Sabine, Rupp-Freidinger Cornelia, Dieker-Müting, Jürgen, Angst vor der Prüfung, Stuttgart, S. 11 - 12 http://www.studentenwerk-karlsruhe.de/media/?file=2982_pbs_selbsthilfetexte_dozenten.pdf [Stand: 14.05.2016] 15 3 Beraterische Intervention zur Prävention eines Blackouts Im ersten Beratungsgespräch mit dem Klienten ist abzuklären, ob eventuell eine Erkrankung beim Klienten vorliegt. Hat der Berater den Verdacht auf Vorliegen einer Erkrankung, hat er den Klienten auf wertschätzende Art und Weise an einen Mediziner zu verweisen (siehe auch Checkliste zur Diagnostik von Prüfungsängsten im Anhang S. 28). Kann eine Erkrankung ausgeschlossen werden, bzw. wurde vom Heilkundigen eine Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt, kann die Beratung fortgesetzt werden. Neben der konkreten Thematik Prüfungsangst, haben unter anderem die Persönlichkeitsstruktur des Klienten, die nicht erfolgreich verlaufenen Phasen der psychosexuellen Entwicklung nach Freud und die beim Klienten vorliegenden Abwehrmechanismen nach Freud Einfluss auf den weiteren Beratungsverlauf. Psychosexuelle Entwicklung: „Die menschliche Sexualität entwickelt sich bereits ab frühester Kindheit, wobei die psychosexuelle Entwicklung entlang jeweils vorherrschender, erogener Zonen (Mundschleimhaut, Darm- und Urogenitalschleimhaut, Genitalien) eine orale, anale (urogenitale) und phallisch-ödipale Phase durchlaufe; diese Entwicklung wird durch eine Latenzphase unterbrochen, um in der Pubertät wiederaufgenommen und vollendet zu werden.“ 25 Persönlichkeitsstörung: „Ist ein überdauerndes, um sich greifendes Muster innerer Erfahrungen und des Verhaltens, das von den Erwartungen der Kultur, in der die Person lebt, abweicht.“ 26 Abwehrmechanismus: „Mit ihm werden psychische Vorgänge bezeichnet, die den Zweck haben, miteinander in Konflikt stehende psychische Tendenzen (Triebe, Wünsche, Motive, Werte) mental so zu bewältigen bzw. zu kompensieren, dass die resultierende seelische Verfassung konfliktfreier ist. Dies erfolgt meist unbewusst.“ 27 Unbedenklichkeitsbescheinigung: Bescheinigung des Mediziners, dass keine psychische Erkrankung festgestellt wurde bzw. dass trotz des Vorliegens einer psychischen Erkrankung eine psychologische Beratung erfolgen kann. Im Folgenden werden Präventionsansätze in der Beratung beschrieben, die bei Prüfungsangst bzw. zur Vermeidung eines Blackouts eingesetzt werden können. 25 26 27 https://de.wikipedia.org/wiki/Triebtheorie [Stand: 03.05.2016] ApsyB, Handout zur Klinischen Psychologie (2015), S. 29 https://de.wikipedia.org/wiki/Abwehrmechanismus [Stand: 03.05.2016] 16 3.1 Kognitive Umstrukturierung außerhalb der Heilkunde Unter der kognitiven Umstrukturierung versteht man eine Veränderung/Umstrukturierung der gedanklichen/kognitiven Lebenskonzepte des Menschen. Die Denkweise eines Menschen soll zum Realismus hin verändert werden. 28 3.1.1 Sokratischer Dialog Mit Hilfe des Sokratischen Dialogs sollen Klienten ihre bestehenden dysfunktionalen Denkund Handlungsmuster (z.B. Ich bin ein Versager) in Frage stellen und die dadurch vorhandenen Blockaden gelöst werden. Der Berater nimmt bei der sokratischen Gesprächsführung eine naive Haltung ein - „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ (Sokrates), die den Klienten dazu bringen soll, scheinbare Selbstverständlichkeiten und Begriffe (z.B. Ich bin ein Versager) zu hinterfragen bzw. bestimmte Einstellungen (z.B. Ich darf in der Prüfung nicht versagen) und Handlungen anzuzweifeln. Ziel des Sokratischen Dialogs ist es, dass der Klient hilfreiche Denkmuster entwickelt und künftig auftretende dysfunktionale Gedanken, Einstellungen, Handlungen etc. identifiziert, hinterfragt und neu formuliert. 29 Ablauf des sokratischen Dialogs: Herausfinden einer hinderlichen Überzeugung Konkretisierung des Weltbilds und Herstellung des Alltagsbezugs Weitere Konkretisierung oder Umformulierung des Themas Sokratische Wendung: Zustand der inneren Verwirrung Gemeinsame Suche nach Alternativen und zielführenden Denkmustern Ergebnis des Dialogs Ziele benennen und Verbindung der Ziele mit Werten oder Lebenszielen Abbildung 7 – Ablauf Sokratischer Dialog Quelle: ApsyB, Handout 2015, S.8 Folgende Fragen können helfen, die dysfunktionalen Gedanken zu überprüfen: • Hilft mir dieser Gedanke, mich so zu fühlen/zu verhalten, wie ich will? • Entspricht dieser Gedanke den Tatsachen? Ist er realistisch? Ist er logisch? Wo ist der Beweis dafür, dass es so ist? Welche Daten sprechen dafür/dagegen? • 28 29 30 Was würde ich einem guten Freund/einer guten Freundin raten, der/die so denkt? 30 vgl. ApsyB, Handout zur Kognitiven Umstrukturierung außerhalb der Heilkunde (2015), S. 1 vgl. ApsyB, Handout zur Kognitiven Umstrukturierung außerhalb der Heilkunde (2015), S. 2 - 3 vgl. ApsyB, Handout zur Kognitiven Umstrukturierung außerhalb der Heilkunde (2015), S. 31, 34 17 3.1.2 Rational Emotive Verhaltensbezogene Beratung Eine Methode zur kognitiven Umstrukturierung ist die Rational Emotive Verhaltensbezogene Beratung (REVT). In der REVT geht man davon aus, dass Emotionale- und/oder Verhaltenskonsequenzen des Individuums nicht direkt durch auslösende Ereignisse verursacht werden, sondern vielmehr durch die Art der Bewertung dieser Ereignisse. Ziel der REVT ist es, irrationale Überzeugungen (dysfunktionale Glaubenssätze) zu rationalen Überzeugungen hin zu verändern, die zu einer Verbesserung der emotionalen Verfassung führen. 31 Ablauf der Rational Emotiven Verhaltenstherapie: Aktivierendes Ereignis ctivating Event Beispiel: XY denkt an eine Prüfung, die er bestehen möchte Überzeugung elief rational logisch und empirisch belegbar; situationsangemessen irrational logisch und empirisch nicht belegbar; situationsunangemessen Glaubenssatz: Mir wird überhaupt nichts einfallen Reaktion onsequence angemessen gemäßigter Affekt adäquates Verhalten unangemessen übermäßiger Affekt dysfunktionales Verhalten Gefühle: Unruhe, Aufregung, große Angst Disput isputation Infrage stellen der irrationalen Bewertung Beispiel: Wird mir wirklich nichts einfallen? Kann ich wirklich nichts? Fühle ich mich gut wenn ich so denke? Effekt ffekt Kognitive Umstrukturierung Annahme von Werten und Einstellungen, die zu realistischen (rationalen) Überzeugungen führen Beispiel: Du bist gut auf die Prüfung vorbereitet, also wird dir auch was einfallen Abbildung 8 – REVT Quelle: ApsyB, Handout, 2015, S. 23 Irrationale Überzeugen werden in die folgenden Kategorien eingeteilt: • Absolute Forderungen Beispiel: Ich muss diese Prüfung unbedingt schaffen • Globale negative Selbst- und Fremdbewertungen Beispiel: Wenn ich keine Eins schreibe, bin ich ein Versager 31 vgl. ApsyB, Handout zur Kognitiven Umstrukturierung außerhalb der Heilkunde (2015), S. 16 - 17 18 • Katastrophisieren Beispiel: Wenn ich einen Blackout bekomme ist alles aus • Niedrige Frustrationstoleranz Beispiel: Ich könnte es nicht ertragen, wenn ich eine schlechte Note bekomme Es sind nicht die Ereignisse selbst, die Angst auslösen, sondern die Bewertungen der Ereignisse, die zu mehr oder weniger Angst führen. Die Disputation kann unter anderem mit Hilfe des Sokratischen Dialogs, dem stellvertretenden Lernen, mit Überredung oder didaktischen Demonstrationen erfolgen. 32 Beispiele, wie dysfunktionale Gedanken in hilfreiche Gedanken umgewandelt werden können, sind im Anhang (S. 29) ersichtlich. 3.2 Entspannungsmethoden Um Prüfungsangst abzubauen, haben sich auch Entspannungsverfahren als hilfreich erwiesen. Regelmäßige Entspannungseinheiten wie z.B. Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen, Yoga oder Thai Chi können helfen, muskulärer Anspannung und körperlicher Erregung entgegen zu wirken, die ebenfalls Komponenten der Prüfungsangst sind. Es gibt auch eine Reihe einfacher Entspannungstechniken, die sich problemlos in den Alltag integrieren lassen und somit auch kurzfristig angewendet werden können (siehe auch Atemübung im Anhang S. 30). Auch sportliche Aktivitäten wie z.B. Joggen, Schwimmen, Radfahren etc. können unangenehme Spannungen vertreiben und lästige Gedanken beiseiteschieben. Ob und in welcher Form Entspannungsverfahren für den Klienten geeignet sind, hängt individuell vom Klienten ab. 33 3.3 Zeitmanagement Die Vorbereitungszeit auf eine Prüfung umfasst in der Regel mehrere Wochen oder Monate. Eventuell muss man sich sogar auf mehrere Prüfungen gleichzeitig vorbereiten und nebenbei alltägliche Routineaufgaben erledigen. Um Stress und Angst abzubauen bzw. erst gar nicht aufkommen zu lassen, kann hier im Rahmen der Beratung die Erarbeitung eines effektiven Zeitplans für die Prüfungsvorbereitung hilfreich sein. Der Klient erstellt über mindestens eine Woche einen Tagesplans, der in die Kategorien „Lernen“, „Studium/Beruf“, „Alltag“, „Erholung“, „Weiteres“ gegliedert ist und notiert, wieviel Zeit bestimmte Tätigkeiten in der jeweiligen Kategorie in Anspruch nehmen (siehe Tagesplan im Anhang S. 31). Im Rahmen der Auswertung mit dem Klienten wird deutlich, welche Kategorie wieviel Zeit in Anspruch 32 33 vgl. ApsyB, Handout zur Kognitiven Umstrukturierung außerhalb der Heilkunde (2015), S. 24 vgl. Knigge-Illner Helga, Prüfungsangst besiegen (2010), S. 85 - 113 19 nimmt. Somit können ungünstige Verteilungsmuster identifiziert und verändert werden, so dass die begrenzte Zeit sinnvoll eingesetzt wird und Ressourcen und Energien sinnvoll genutzt werden. Da bei der Prüfungsvorbereitung oftmals viel Zeit am Schreibtisch verbracht wird, können auch die folgenden Aspekte im Rahmen der Beratung mit dem Klienten besprochen und angepasst werden, um eine stressfreie Prüfungsvorbereitung zu ermöglichen. Hierunter fallen z.B. die Größe des Schreibtisches, die ausreichende Beleuchtung, die Aussicht aus dem Fenster oder auf ein schönes Bild oder das Ordnungs- und Ablagesystem. 34 3.4 Konkrete Vorbereitung auf die Prüfungssituation Sofern die Prüfungsangst erst kurz vor oder erst in der Situation auftritt, ist es hilfreich, sich im Vorfeld so weit wie möglich über die Umstände, Inhalte und Abläufe der Prüfung zu informieren. Bei mündlichen Prüfungen kann die Prüfungssituation in einem Rollenspiel mit dem Klienten eingeübt werden. Durch diese Art der Vorbereitung auf die Prüfungssituation, kann der Klient in der tatsächlichen Prüfungssituation mehr Ressourcen für die Wiedergabe von erlerntem Wissen verwenden, da die Situation bereits im Rollenspiel „durchlebt“ wurde und der Klient nicht mit einer komplett neuen Situation konfrontiert wird. Ferner beugt eine möglichst realitätsgestütze Erwartung auch die Entwicklung von katastrophisierenden Gedanken vor. Das Einüben der Prüfungssituation kann in drei Schritten erfolgen: • Simulation der Prüfungssituation • Antizipieren problematischer Situationen und Einübung entsprechender Reaktionen z.B. wie gehe ich mit einem Blackout um, wie gehe ich mit nicht verstandenen Fragen um, wie gehe ich mit abwertenden Äußerungen des Prüfers um • Planung des Tages vor der Prüfung und am Prüfungstag z.B. gezielt Entspannungstechniken anwenden, Vorbereitung welche Kleidung getragen wird etc. 35 Auf das Worst-Case-Szenario „Blackout“ in der mündlichen Prüfungssituation kann man den Klienten ebenfalls vorbereiten. Mögliche Handlungsmöglichkeiten beim Auftreten eines Blackouts können sein: 34 35 vgl. Knigge-Illner Helga, Prüfungsangst besiegen (2010), S. 136 - 138 vgl. Fehm Lydia, Fydrich Thomas, Prüfungsangst (2011), S. 78 - 81 20 • Die Ruhe zurückgewinnen, mehrmals tief ein- und ausatmen • Den Prüfer um eine kurze Pause bitten (z.B. Ich habe gerade einen Blackout und muss mich kurz neu sammeln) • Ordnung der Gedanken, um den roten Faden wieder zu finden • Den Prüfer bitten, eine Hilfestellung zu geben • Den Prüfer bitten, eine andere Frage zu stellen Wichtig im Umgang mit einem Blackout ist die innere Einstellung. Wenn man diesen als etwas akzeptiert, was zwar unangenehm ist, aber keine Katastrophe darstellt und man sich darauf besinnt, was man in der Situation Sinnvolles tun kann, dann bestehen gute Aussichten einen Blackout in den Griff zu bekommen. 36 Im Vorfeld kann mit Hilfe der in Punkt 3.1 erläuterten kognitiven Arbeit untersucht werden, welche Gedanken in einer solchen Situation auftreten (Katastrophisieren, dysfunktionale Gedanken und Einstellungen) und diese im Vorfeld bearbeiten. Die vorgestellten Präventionsmaßnahmen stellen keine abschießende Aufstellung möglicher Beratungsansätze dar. Im Beratungsprozess könnten weitere Ansätze sein: Mentaltraining, Stärkung des Selbstbewusstseins, das Erlernen aktiver Lernmethoden oder auch das Coaching von Lehrkörpern. 36 vgl. Knigge-Illner Helga, Prüfungsangst besiegen (2010), S. 202 - 204 21 4 Exkurs zum Schluss In den Exkurs zum Schluss sind abschließend noch folgende Überlegungen eingeflossen: Sind es tatsächlich nur die „klassischen Prüfungen“, wie Abiturprüfungen, Examen etc. die Prüfungsängste auslösen? Oder gibt es im Leben weitere Ereignisse, die einen prüfungsähnlichen Charakter haben und die durchaus im Stande sind, Ängste auszulösen die der Prüfungsangst sehr nahe kommen? Hierzu konnten folgende Beispiele ermittelt werden: • Frauen vor der Geburt • Väter im Kreissaal • Heiratsantrag • Das erste Mal • Vorstellungsgespräch • Gehaltsverhandlungen All diese Situationen, können bei manchen Menschen Stress, Angst oder dysfunktionale Gedanken auslösen Auch hier ergeben sich vielfältige Möglichkeiten im Rahmen einer psychologischen Beratung unterstützend tätig zu werden. 22 FAZIT Bei jedem Menschen mit Prüfungsangst sind es, wie in der vorliegenden Arbeit aufgezeigt, individuelle Faktoren, die diese Ängste auslösen. Daher ergeben sich auch für den Beratungsprozess vielerlei Möglichkeiten um individuelle Lösungen mit dem Klienten zu erarbeiten. Bleibt noch ein wichtiger Aspekt, der bislang noch nicht aufgegriffen wurde aber auch für die Entstehung von Prüfungsängsten mit verantwortlich ist: Der Druck unserer Leistungsgesellschaft. Leistung und Erfolg haben einen hohen Stellenwert in unserem Kulturkreis. In weiten Teilen entscheiden Zeugnisse darüber, welche Aufgaben und Tätigkeiten man in der Gesellschaft übernehmen darf. Menschen werden miteinander verglichen und bewertet und in Kategorien wie „High Potential“ oder „Low Potential“ eingeteilt. Dies hat zur Folge, dass Kinder von ihren Eltern zu Höchstleistungen getrieben werden, damit aus ihnen etwas Anständiges wird. Die Spirale beginnt, nämlich die Angst in wichtigen Prüfungen zu versagen und somit die Eltern zu enttäuschen und letzten Endes von der Gesellschaft als Versager abgestempelt zu werden. Solange hier kein Umdenken in unserer Gesellschaft stattfindet und auch Menschen die kein Abitur/Studium absolviert haben und nicht auf Knopfdruck funktionieren in unserer Gesellschaft als wertvolles Mitglied betrachtet werden, wird auch das Phänomen Prüfungsangst weiter zunehmen. 23 Eigenständigkeitserklärung Hiermit versichere ich, Karin Keller, dass ich die vorliegende Facharbeit mit dem Titel „Prüfungsangst – Beraterische Intervention zur Prävention eines Blackouts - selbständig und ohne fremde Hilfe verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Die Stellen der Arbeit, die dem Wortlaut oder dem Sinne nach anderen Werken entnommen wurden, sind in jedem Fall unter Angabe der Quelle kenntlich gemacht. München, 15.06.2016 Ort, Datum Unterschrift 24 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Lernen von Angst ………………………………………………………….. ..... 5 Abbildung 2: Transaktionales Stressmodell…………………………………………… ....... 9 Abbildung 3: Emotionale Ebene………………………………………………………… ..... 13 Abbildung 4: Kognitive Ebene…………………………………………………………… .... 13 Abbildung 5: Physiologische Ebene……………………………………………………. ..... 13 Abbildung 6: Verhaltensebene…………………………………………………………. ...... 14 Abbildung 7: Ablauf Sokratischer Dialog…………………………………………………... 16 Abbildung 8: REVT………………………………………………………………………....... 17 Abkürzungsverzeichnis ApsyB Akademie psychologischer Berater bzw. beziehungsweise CS Kontitionierter Stimulus CR Kontitionierte Reaktion d.h. das heißt etc. etcetera ff. fortfolgende ICD Internationale Klassifikation psychischer Störungen NS Neutraler Stimulus o.ä. oder ähnliches REVT Rational Emotive Verhaltensbezogene Therapie S. Seite UCS Unkonditionierter Stimulus UCR Unkonditionierte Reaktion vgl. vergleiche z.B. zum Beispiel 25 Literaturverzeichnis • ApsyB, Handout zur Vorlesung Kognitive Umstrukturierung außerhalb der Heilkunde, 2015 • ApsyB, Handout zur Vorlesung Arbeits- und Organisationspsychologie, 2015 • ApsyB, Handout zur Vorlesung Kognitive Entwicklung, 2015 • ApsyB, Handout zur Vorlesung Klinische Psychologie, 2015 • Dilling H., Mombour W., Schmidt M. H., Internationale Klassifizierung psychischer Störungen, 7. Auflage, Bern, Huber, 2010 • Fehm Lydia, Fydrich Thomas, Prüfungsangst, Band 44, Göttingen, Hogrefe, 2011 • Geist Alexander, Theorie der Prüfungsangst http://www.schulberatung.bayern.de/imperia/md/content/schulberatung/pdfmuc/vers chiedenes/angst_theorie.pdf [Stand: 14.05.2016] • Green Roslyn, A Rat`s History of Psychology, 2012 http://psychologyrats.edublogs.org/tag/little-albert [Stand: 14.05.2016] • Karrierebibel, Prüfungsangst überwinden – 15 wirksame Tipps http://karrierebibel.de/prufungsangst-uberwinden-tipps [Stand: 14.05.2016] • Knigge-Illner Helga, Prüfungsangst besiegen, Frankfurt/Main, campus, 2010 • Kossak Hans-Christian, Prüfungsangst – Beraten aus sieben Perspektiven, 1. Auflage, Heidelberg, Carl-Auer, 2015 • Köster Sabine, Rupp-Freidinger Cornelia, Dieker-Müting Jürgen, Angst vor der Prüfung, Stuttgart, 2005 http://www.studentenwerk-karlsruhe.de/media/?file=2982_pbs_selbsthilfetexte_ dozenten.pdf [Stand: 14.05.2016] • Lexikon online, Online-Enzyklopädie für Psychologie und Pädagogik http://lexikon.stangl.eu/3912/klassische-konditionierung [Stand: 14.05.2016] http://psychologie.stangl.eu/definition/Stress.shtml [Stand: 17.05.2016] • Lindekrin Marina, Prüfungsangst bei Kindern und Jugendlichen, Köln, Grin, 2010 • NLP Coaching, Forum Prüfungsangst – Hilfe zur Selbsthilfe http://www.tassilo-training.de/forum/thema.php?board=4&thema=1 [Stand: 14.05.2016] • Universität Düsseldorf, Klassische Konditionierung nach Watson https://www.uni-due.de/edit/lp/behavior/watson.htm [Stand: 14.05.2016] 26 • Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Angst [Stand: 05.05.2016] https://de.wikipedia.org/wiki/Prüfung [Stand: 14.05.2016] https://de.wikipedia.org/wiki/Stressmodell_von_Lazarus [Stand: 14.05.2016] https://de.wikipedia.org/wiki/Triebtheorie [Stand: 03.05.2016] https://de.wikipedia.org/wiki/Abwehrmechanismus [Stand: 03.05.2016] 27 Stichwortverzeichnis A Abwehrmechanismen .................................... 15 Angst ............................................................. 4 Angstverarbeitungstheorie ............................... 8 B Bandura ........................................................... 7 Behavorismus .................................................. 4 Blackout......................................................... 12 C Coping ............................................................. 9 E Entspannungsmethoden ................................ 18 K Klassische Konditionierung ............................. 5 Kognitive Umstrukturierung ........................... 16 L Lazarus............................................................ 8 M Modell-Lernen.................................................. 7 O Operante Konditionierung ................................ 6 P Persönlichkeitsstörung................................... 15 Prüfung ............................................................ 4 Prüfungsangst ............................................... 10 Psychosexuelle Entwicklung .......................... 15 R REVT ............................................................. 17 S Skinner ............................................................ 6 Stress .............................................................. 8 Sokratischer Dialog ....................................... 16 U Unbedenklichkeitsbescheinigung................... 15 V Verstärker ........................................................ 6 W Watson ............................................................ 5 Z Zeitmanagement ............................................ 18 28 Anhang Checkliste zur Diagnostik von Prüfungsängsten 37 37 Fehm Lydia, Fydrich Thomas, Prüfungsangst (2011) 29 Dysfunktionale und hilfreiche Gedanken 38 Dysfunktionale Gedanken Hilfreiche Gedanken „Alle anderen lernen schneller und leichter als „Es gibt einige denen das Lernen leichter fällt ich. Ich bin einfach zu doof für dieses Studi- als mir. Dies bedeutet aber nur, dass ich mehr um.“ Zeit fürs Lernen aufwenden muss als andere, und nicht, dass ich grundsätzlich für das Fach ungeeignet wäre.“ „Meine Eltern erwarten einen sehr guten No- „Dass meine Eltern mein Studium finanzieren, tendurchschnitt von mir – immerhin finanzieren ist deren Pflicht und keine persönliche Gnade. sie mein Studium.“ Ich kann meine Dankbarkeit darin ausdrücken, dass ich mich anstrenge und das Studium wichtig nehme; aber bestimmte Noten kann ich nicht versprechen, da diese oft nicht nur von meiner Leistung abhängen.“ „Wenn ich nicht mindestens mit einer zwei aus „Ich tue mir keinen Gefallen, wenn ich von mir dieser Prüfung gehe, bin ich ein Versager.“ bestimmte Noten fordere. Ich gebe im Studium mein Bestes, und das sollte ich mir selbst anerkennen!“ „Der Prüfer kann mich sowieso nicht leiden „Vielleicht habe ich tatsächlich Pech und der und wird mich runterprüfen.“ Prüfer verhält sich unprofessionell und ungerecht. Dagegen kann ich mich nur begrenzt wehren. Ich werde die Möglichkeiten der Prüfung trotzdem nutzen. Unabhängig davon weiß ich, dass die dann entstehende Note nur teilweise etwas mit meiner tatsächlichen Leistung zu tun hat.“ „Ich habe nicht genug gelernt!“ „Ich habe große Angst nicht genug gelernt zu haben, ich habe mich aber gut vorbereitet. Ob ich tatsächlich alle Fragen beantworten kann, hängt auch davon ab, wie fair die Fragen sind – ich für meine Teil habe mich gut vorbereitet.“ 38 Fehm Lydia, Fydrich Thomas, Prüfungsangst (2011), S. 71 30 Einfache Entspannungsübung für den Alltag 39 „Atemübung 1 Atmen sie tief ein und atmen sie ganz langsam wieder aus. Nach dem Ausatmen legen sie jeweils eine Pause ein, in der sie langsam bis drei zählen. Nach etwa fünf Atemvorgängen stellt sich bereits die Entspannung ein. Insgesamt sollten sie die Übung nicht länger aus zwei Minuten lang durchführen. Sie können die Atemübung auch ergänzen durch eine kleine Autosuggestion, indem sie während des Ausatmens zu sich sagen „Ich bin ganz ruhig und entspannt“. Atemübung 2 Atmen sie tief ein und aus. Zählen sie beim Einatmen langsam „Einundzwanzig“ und beim Ausatmen „Zweiundzwanzig“. Wiederholen sie dies zwei Minuten lang. Zur Unterstützung und Ergänzung können Sie sich die folgende Autosuggestion im Takt der Atmung sagen: Beim Einatmen „Ich werde es“ beim Ausatmen „schaffen“ Beide Atemübungen helfen auch gut beim Einschlafen.“ 39 Knigge-Illner Helga, Prüfungsangst besiegen (2010), S. 111 - 112 31 Tagesplan 40 40 Fehm Lydia, Fydrich Thomas, Prüfungsangst (2010), S. 50 - 51