Einführung in die Allgemeine Siedlungsgeographie

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Einführung in die Allgemeine Siedlungsgeographie
Die Siedlungen des ländlichen Raumes
Inhaltsverzeichnis:
Seite
1. Einführung
1.1. Die Stellung der Siedlungsgeographie innerhalb der Allgemeinen Geographie
1.2. Geographie der ländlichen Siedlungen und allgemeine Stadtgeographie
1.3. Unterschiedliche Definitionen
1.4. Die Merkmale des ländlichen Raums im Unterschied zum städtischen Raum
1.4.1. Stadtregionen
1.4.2. Verdichtungsraum
1.4.3. Siedlungsstrukturelle Gebiets-/Regionstypen
1.4.4. Die Gemeinde
1.5. Grundbegriffe der Geographie der ländlichen Siedlungen
1.6. Perspektiven der Allgemeinen Siedlungsgeographie
2. Der menschliche Siedlungsraum
2.1. Grundelemente der Bevölkerungsverteilung auf der Erde
2.1.1. Polare Grenzen
2.1.2. Trockengrenze
2.1.3. Höhengrenze
2.2. Differenzierung und Dynamik der agraren Siedlungsgrenzen
3. Siedlungsgestalt (-morphologie)
3.1. Die morphologische Betrachtung der ländlichen Siedlungen
3.1.1. Hausformen (Behausung)
3.1.2. Siedlungsform (-genese)
3.1.3. Flurformen
3.2. Phasen der Siedlungsentwicklung in Mitteleuropa
4. Siedlungsfunktion
4.1. Siedlungsweise
4.2. Allgemeine Siedlungsfunktionen
4.2.1. Die Wohnfunktion
4.2.2. Die Arbeitsstättenfunktion
4.3. Gemeindetypisierung
4.4. Die Erholungsfunktion
5. Die Versorgungsfunktion
5.1. CHRISTALLERsche Zentralitätsprinzip
5.2. Das zentralörtliche Konzept in der Landes- und Raumplanung (am Bsp. Bayern)
5.3. Zentralitätsmessung
6. Raumwirksame staatliche Steuermaßnahmen im ländlichen Raum
6.1. Flurbereinigung
6.2. Dorferneuerung
7. Siedlungsentwicklung und sozioökonomische/politische Entwicklungsprozesse
7.1. Das Stufenmodell nach BOBEK (1959)
7.2. Das prozessorientierte Modell von NITZ/WALLERSTEIN
8. Stadtgeographie
8.1. Der Begriff der Stadt
8.2. Verstädterung
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Einführung in die Allgemeine Siedlungsgeographie
1. Einführung
1.1. Die Stellung der Siedlungsgeographie innerhalb der Allgemeinen Geographie
- Allgemeine Geographie: Themengebiete, z.B. physische G., Humang.
[ Grundvorlesungen]
Regionale Geographie: einzelne Länder/Regionen werden zu allen Themen bearbeitet
- Siedlungsgeographie: Teil der Human-/Kulturgeographie ( Analyse der, durch den
Menschen bedingten Einrichtungen; Wirtschaft, Kultur, ... .)
- Verschiedene Ausgangspunkte der SG: entweder beim Menschen (Bevölkerung) oder bei
Bausubstanz (Bebauung)
der
1.2. Geographie der ländlichen Siedlungen und allgemeine Stadtgeographie
 Stadt
- Anstieg der Bevölkerung: Verstädterung [2000: ca. 62% der Bevölkerung in Städten]
- Was ist Stadt? Viele Definitionsmöglichkeiten!
z.B. nach Einwohnerzahl (Deutschland), Wohngebäude (Peru), Bevölkerungsdichte (Indien),
Bebauungsdichte (Frankreich), ...  statistisches Kriterium
Beispiel Einwohnerzahl: ab wie vielen Menschen ist Siedlung eine Stadt?
Island/Norwegen
200
Kanada/Venezuela
1.000
Deutschland
2.000
Schweiz/Malaysia
10.000
Japan
50.000
Aus: UNITED NATIONS (Ed.) (1999)
Demographic Yearbook, 1997, New York
 abhängig von jedem Land
(in D: kommunale Gebietsreform: Änderung der „Verstädterungszahl“)
 ländliche Siedlung [„Dorf“]
- = Siedlung im ländlichen Raum, also nicht mehr ausschließlich bäuerliche Siedlungen
- = alles was nicht städtisch besiedelt ist:
nicht besiedelter Raum
städtisch besiedelter Raum
ländlicher
Siedlungsraum
- früher: Land: Agrarwirtschaft; Stadt: Handel und Gewerbe
 durch Industrialisierung, Verstädterung, verändertes Freizeitverhalten,
- heute: Verdichtungsräume, keine klare Abgrenzung zwischen Stadt und Land mehr, Stadt
fügt sich in den ländlichen Raum ein
- Folgen:  kein einheitlicher ländlicher Raum mehr, nicht homogen; man spricht von
„ländlichen Räumen“
 Definition (ländlicher Raum) nur durch Merkmale:
(1) alles was nicht Verdichtungsraum ist
(2) Bezug zur Landwirtschaft und Natur, geringe Bevölkerungsdichte
(3) Strukturschwächen (Peripherraum, Passivraum)
 Unterscheidung Land – Stadt über Bevölkerungsdichte
(nach 1975: 75% Land (BRD), bewohnt von weniger als ⅓ der Bevölkerung)
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1.3. Unterschiedliche Definitionen
[aus Geographische Rundschau (GR), 51 (1999) H, 6:
Wiessner, R. (1999): Ländliche Räume in Deutschland. S.300]
-
-
„ ... naturnaher, von der Land- und Forstwirtschaft geprägter Siedlungsraum... “
Merkmale: • Naturraum
• geringe Bevölkerungsdichte
• (z.T.) Strukturschwäche wegen peripherer Lage
„ Ländliche Räume sind die Gebiete außerhalb der (...) Verdichtungsräume.“
Bayrische Staatsregierung
(1976)
 nicht verdichtet: alle Landkreise, mit Bevölkerungsdichte < 200 Personen/km²
1.4. Die Merkmale des ländlichen Raums im Unterschied zum städtischen Raum
Zentrum – Peripherie – Modelle:
 Funktionen der Peripherie
• Arbeitskräftereservoir für Stadt
• Reserveraum für Städtebaumaßnahmen (Stadtausbreitung)
• Erholungsraum für die Bevölkerung des Verdichtungsraums
• ökologischer Ausgleichsraum (z.B. für Wasserversorgung: „Wasserschutzgebiete“)
• ursprünglich: Agrarproduktion
 Prozesse (im Modell)
• Wanderungen:
1. früher: Landflucht (Verstädterung)
2. heute: Rückwanderung aus Stadt und Zuwanderung aus der Peripherie in die
„Urbanisation“ (Raum zwischen Stadt und Land); Ursache: Wandel in der
Lebensform
• Wandel von Nutzungsformen (Persistenz):
Bauform bleibt erhalten, Funktion/Zweck ändert sich (z.B. heute: Bauernhof als
reines Wohnhaus)
• Veränderung in der Arbeitsstruktur:
1. früher: Arbeit zuhause
2. heute: Arbeitsplatz meist im städtischen Raum (Pendler)
• Umgestaltung der Kulturlandschaft (Stilllegungsprämien für ländliche Betriebe
aufgrund von Überproduktion)
• Ländlicher Raum zunehmend wichtiger als Erholungsgebiet
 Funktionen werden durch Prozesse beeinflusst
 Merkmale des ländlichen Raums:
• Dominanz von land- und forstwirtschaftlich genützten Flächen
• geringe Bebauungs- und Einwohnerdichte
• geringe Arbeitsplatzdichte
• geringe Dichte von Industriebetrieben, wenn dann einseitige Branchenstruktur
• geringe Diversität von Berufsgruppen und geringes durchschnittliches Einkommen
• direkt abhängig vom städtischen Raum  dienstleistender Ergänzungsraum zur
Stadt (siehe Funktionen des LR)
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• erhält Entwicklungsimpulse vom städtischen Raum ( Passivraum)
 Eigenschaften der ländlichen Siedlungen
(nach: LIENAU, C.)
• Dominanz der Freiflächen im Gegensatz zu den bebauten Flächen
• geringe Größe der Siedlungen, innere Differenzierung fehlt, sehr geringe oder keine
Zentralität
• Distanz zum Oberzentrum groß  weite Anfahrtswege
• ländliche Siedlungen sind nicht verknüpft
• wenige Arbeitsplätze, keine Vielfalt, nicht hochqualifiziert
• Pendlerdefizit
• relativ geringe Wirtschaftskraft, kaum Wirtschaftsdynamik
• großer Anteil landwirtschaftlicher Arbeitsplätze
• wenig sozial gegliedert
• Dominanz von Ein-/Zweifamilienhäusern
• bauliches Erscheinungsbild geprägt aus der vorindustriellen Zeit
1.4.1. Stadtregionen (USA: metropolitan area; hispan.: area metropolitana)
(nach: BOUSTEDT 1953, 1975)
• städtischer Raum: Abfolge von konzentrischen Kreisen: Abfolge von Merkmalen
• Merkmale der Stadtregion:
1953:  Strukturmerkmal
Agrarquote: Anteil, der im I. Sektor arbeitenden Menschen < 50%
 Verflechtungsmerkmal
Auspendlerquote: Anteil, der nicht am Wohnort (sondern außerhalb der Stadt)
arbeitenden Menschen <= 60%
 Dichtemerkmal
Einwohnerdichte: > 200 Einwohner/ km²
 Überarbeitung von BOUSTEDT
1975: Agrarquote: < 50%
 Auspendlerquote: gestrichen
 Einwohner-Arbeitsplatz-Dichte [EAD]:
(Einwohner + Zahl der Arbeiter) / Fläche [km²] > 250
1.4.2. Verdichtungsraum
(in: MKRO 1968)
• nur noch drei Zonen (Kernstadt, Stadtregion, ländlicher Raum)
• Mindestanforderungen:  Fläche >= 100 km²
 Einwohnerzahl >= 150.000 Einwohner
 Einwohnerdichte >= 1.000 E/km²
 EAD >= 1.250 /km²
falls Kriterien nicht erfüllt: ländlicher Raum
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1.4.3. Siedlungsstrukturelle Gebiets-/Regionstypen
(ROB 1986/ BfLR 1997)
 Gebietstypen:
• Konzept der Verdichtungsräume
• Differenzieren nach:  ländlich geprägten Regionen:
Dichte <= 150 E/km² und kein Oberzentrum > 100.000 E.
 Regionen mit Verdichtungsansätzen:
Dichte >= 150 E/km² und Oberzentrum >100.000 E.
 Verdichtungsregionen:
Dichte >= 300 E/km² und Oberzentrum > 300.000 E.
• gültig bis 1997 (nach Wiedervereinigung nicht mehr passend  neues Konzept)
 Regionstypen:
• Drei Grundtypen:
III. „Ländliche Räume“: Dichte < 150 E/km² [ u.U. Oberzentrum < 100.000 E.]
oder Dichte < 100 E/km² und Oberzentrum > 100.000 E.
II. „Verstädterte Räume“: Dichte > 150 E/km² und Oberzentrum > 100.000 E.
I. „Agglomerationsräume“: Dichte > 300 E/km² und Oberzentrum > 300.000 E.
• Beispiel USA: bis 1940 Metropolitan Districts
ab 1950 Metropolitan Areas: Metropolitan Statistical Area [MSA]
 Standard Metropolitan Statistical Area [SMSA]
 Consolidated Metropolitan Statistical Area [CMSA]
1.4.4. Die Gemeinde
• moderne Abgrenzungsverfahren basieren auf statistischen Einheiten
• die kleinste administrative Einheit in Deutschland ist die Gemeinde
• eine Gemeinde besteht aus mehreren Dörfern und einer Vielzahl kleiner Weiler (Einzelhöfe)
• die Gemeinde muss nicht immer den Namen eines bestimmten Ortes tragen
• z.B. Gemeinde Birgland im Kreis Amberg: Zusammenschluss von mehreren Orten und Weilern, wobei
kein Ort den Namen Birgland trägt
• Gemeindeflächen oftmals Territorium mehrerer früherer Bemarkungen
• Kommunale Neugliederung der 70er Jahre: frühere eigenständige Siedlungen wurden zu Ortsteilen
von Gemeinden
• Siedlungen müssen aus mehr als 2.000 Einwohnern bestehen, um eine eigenständige Gemeinde zu
sein
1.5. Grundbegriffe der Geographie der ländlichen Siedlungen
 Siedlungen:
• sind Knotenpunkte der menschlichen Aktivitäten, des
Wirtschaftens und des Handeln
• Siedlungen sind definiert über ihre Funktionen:
wohnen (Schutz bieten)
arbeiten (früher: Landwirtschaft, allgemein: wirtschaften und handeln)
heute auch: erholen (Freizeit)
 Siedlung ist eine Lokalisierung von Funktionen
 Behausung:
• Behausung als kleinstes Element der Siedlung/ Siedlungen bestehen aus mehreren
Behausungen
• Behausung schließt mit ein: Gebäude, Haus- oder Hofstätten (mit wirtschaftlichen Zentrum),
Zelte,...
• Behausungen sind meisten in Verbänden (Ortschaften) oder Gebäudeverbänden
(Gebäudekomplexe) vorzufinden
• Verband, wenn Abstand zwischen Behausungen höchstens 150m (Rufweite), sonst kein
Verband, sondern Einzelbehausungen (Einzelhof- und Streusiedlung)
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 Siedlungsmerkmale:
• Siedlungsform: Bestimmungsmerkmale
1. Grundriss (ergibt sich aus der Lage der Behausung entlang von Straßen)
2. Aufriss (Aussehen der Behausung)
3. Bebauungsdichte (Anzahl der Häuser in einem bestimmten Gebiet)
• Siedlungsfunktionen: siehe oben
 Siedlungen können nach Funktion und Form untersucht werden
 Flur: • bezeichnet man die Fläche, die der Siedlung zugeordnet ist
• nicht bewohnt
• früher: funktionale Fläche, Landwirtschaft
 Modell einer Siedlung
(LIENAU, C.: siehe Abb. 9)
Kreis: von innen nach außen:
Behausungen
Flur (aufgeteilt in Parzellen nach Nutzung und Eigentum)
Allmende (nicht parzelliert)
 Allmende:
• einer Siedlung zugeordneten Fläche (Gemeinschaftsbesitz), z.B. Moor, Heide, Wald,
Ödland, ...
• im 19. Jhdt. aufgelöst, das Gebiet musste z.T. dem Staat abgegeben werden, blieb aber
auch der Gemeinde z.T. als Nutzfläche erhalten
• heute: Gebiet zur Freizeitnutzung (v.a. für Stadtbewohner)
1.6. Perspektiven der Allgemeinen Siedlungsgeographie
Aufgabe: wissenschaftliche Analyse von Siedlungen
untersuchen nach:
• Form: Äußere Gestalt steht im Vordergrund: Siedlungsgrund und –aufriss, Siedlungsgröße 
Siedlungsmorphologie
• Lage: 1. topographische Lage: Lage im Gelände; bezieht sich auf Relief, Wasser, ...;
Beispiele: Höhenlage (Akropolislage), Muldenlage (Tallage), Spornlage (Mündung
eines Flusses in einen anderen)
2. chorologische Lage: auch: geographische Lage; Lage im geographischen Netz und
Lagebeziehung der Siedlungen zueinander;
Beispiele: Lage im Verkehrsnetz
 physiognomische, topographische Betrachtungsweise:
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deskriptive Stufe der Betrachtung (keine Analyse) Vorstufe zur analytischen
Betrachtungsweise
• Funktion: Untersuchung nach Zweckausrichtung (Aufgabe); daraus erkennbar: Nutzungsdauer
(immer, temporale, saisonale Nutzung) und Lage (Fischersiedlung: am Wasser)
• innere Differenzierung: auch: Gliederung; ländliche Siedlungen haben keine; Städte haben innere
Differenzierung, d.h. Stadtviertel (definiert durch bestimmte Merkmale); Beispiel:
Industrieviertel  viel Industrie, ...
eines der wichtigsten Merkmale städtischer Siedlungen
 funktionale Betrachtungsweise:
explikative Betrachtung  Analyse
 prognostische Betrachtungsweise:
Erkenntnisse werden in die Zukunft umgesetzt  Planung
2. Der menschliche Siedlungsraum
2.1. Grundelemente der Bevölkerungsverteilung auf der Erde
 sehr ungleiche Verteilung:
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der Bevölkerung besiedelt 5 %
Ökumene
• griech. Erdteile
• Teil der Erde, der immer besiedelt ist
Anökumene
• Teil der Erde, der nie bewohnt ist
• vereinzelt bewohnte Inseln, die auf sich
gestellt nicht überlebensfähig sind
(z.B.Wetterstationen in der Antarktis)
Subökumene
• auch: Semiökumene
• teilweise besiedelt, je nach
Jahreszeit
• keine Dauerbesiedlung, erklärt sich durch unterschiedliche
Klimate
• z.B. Nomaden mit mobiler
Behausung
Siedlungsraum
 Außengrenzen:
Küstenlinien (Meeresgrenze)
2.1.1. Polare Grenzen: • auch: Eisgrenze
• entstehen durch Wärmemangel, daher:
abhängig von der Temperatur, also den Jahreszeiten
• dynamisch, oft stabil
 Innengrenzen:
2.1.2. Trockengrenzen: • entstehen z.T. aus Feuchtigkeitsmangel
• beeinflusst durch die Temperatur: hohe Temperatur – hohe
Verdunstung
2.1.3. Höhengrenze: • in allen Klimaten der Erde
• abhängig vom örtlichen Klima, dass durch die Lage entsteht,
z.B. Nordhang/ Südhang
• abhängig von Relief und Bodenentwicklung
Waldgrenze
[EHLERS, E. (1984): Bevölkerungswachstum – Naturspielraum – Siedlungsgrenzen der Erde;
LICHTENBERGER, E. (1979): Die Sukzession von der Agrar- zur Freizeitgesellschaftin den
Hochgebirgen Europas; in: Innsbrucker geographische Studien 5]
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2.2. Differenzierung und Dynamik der agraren Siedlungsgrenzen
[EHLERS, E. (1984): Erdkundliches Wissen, Heft Nr. 69]
• Besiedlung: 1. Gunstlagen (Böden guter Qualität)
2. schlechtere Bedingungen und z.T. ungeeignetere Räume
3. nicht agrare Flächen (Städte)
4. Zurückzug aus Ungunstlagen, wachsen nicht agrarischer Siedlungsflächen
5. Zurückzug aus Innenstädten an die Ränder der städtischen Siedlungsflächen
• Grenzen der Besiedlungen können expandierend, stagnierend oder kontrahierend sein
• Faktoren: Land; technische Hilfsmittel; städtische Bevölkerung,die durch Landwirtschaft versorgt
werden muss; sozial differenzierter Bereich
• Besiedlung in den Bergen (s. Abb.)
3. Siedlungsgestalt (-morphologie)
3.1. Die morphologische Betrachtung der ländlichen Siedlungen
• Hausbauten, Siedlungsgrundrisse, Straßennetze, ...
• frühere Formen lassen auf Lebensform schließen (Sozioökonomie)
• Erneuerungen: erhaltende Dorferneuerung  Elemente der regionalen Identität soll erhalten bleiben
(moderner Denkmalschutz)
3.1.1. Hausformen (Behausung)
• feste Wände und eigenständige Dachkonstruktionen, im Gegensatz zu Zelten
• bei höherentwickelten, sesshaften Kulturen
• Merkmale: Wandkonstruktion, Dachkonstruktion und Grundriss, abhängig von Klima und
naturräumlichen Voraussetzungen
Wandkonstruktion: - Adobe-Haus (sonnengetrocknete Lehmziegel), nur in semiariden
und ariden Gebieten (starker Regen zerstört Haus)
- Bruchsteinhaus, waldarme Gebiete, südlich der Alpen z.B. Italien
- Blockbau (Langhölzer, Fichten, ...; waagrecht aufeinander),
nördlich der Alpen, z.B. Skandinavien
- Fachwerkhaus (Laub- und Mischwälder; senkrechte Baumstämme/
Lehm und Holz), typisch Mitteleuropa, Türkei, Korea, Japan
- gebrannte Lehmziegel (Sedimente in Lehmform, künstlich Steine),
z.B. norddeutscher Raum
Dachkonstruktion: - kubanisches Flachdach (trockenes Klima und Holzmangel),
z.B. Orient, Nordafrika, Spanien
- Tonnendach (Trockengebiete), z.B. Sahara
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- Satteldach (viele verschiedene Formen), Gebiete mit vielen Niederschlägen (immerfeuchtes Klima): gemäßigte Breiten,
immerfeuchte Tropen
Grundriss: bäuerliche Gehöftformen
3.1.2. Siedlungsform (-genese)
Merkmale der Ortsform: Bebauungsdichte, Größe und Grundriss
Bebauungsdichte: nach Einwohnerzahl/ Anzahl der Haus- und Hofstätten
Größe: Einzelhof (-siedlung)
Weiler:
> 2 Hofstätten (- 20)
Kleindorf: 21-99 Hofstätten
Dorf:
100-400 Hofstätten (- 2000 Einwohner)
„Agrostadt“: > 2000 Einwohner (aber ländliche Struktur, keine Stadtmerkmale)
Ortsgrundriss: Klassifikationsschema
(LIENAU,C.)
regelmäßig/unregelmäßig
linear
dicht
polar
locker
dicht
flächig
locker
dicht
locker
unregelmäßig: zufällig entstanden
regelmäßig: Grundstücke geometrisch begrenzt, meist im flachen Gelände, fast immer
geplant
linear: Siedlungszeile, z.B. an der Straße/am Fluss entlang; „Hufe“
polar: rund oft Sackgassen ,z.B. Rundling oder Wurft
flächig: Haufendorf (unregelmäßig), Schachbrettgrundriss (sehr stark verbreitet)
 „Hufe":
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• Waldhufendorf: bei uns überall im Bayrischen Wald
• auch Moorhufendorf, Marschhufendorf, Hagenhufendorf (Hufen durch Hecken abgetrennt)
• Radialwaldhufendorf
Angerdorf: vor der Kollektivierung:
(LIENAU, C.: S.98/Abb.16)
Verschiedene Dörferformen in verschiedenen Stadien/Ausprägungen:
[HENKEL,G. (1999), Abb.40]
1. Initialform
5. Kümmerform
2. Grundform
6. Auflösungsstadium
3. Hochform
7. Zerfallsstadium
4. Ergänzungsform
8. Endstadium
3.1.3. Flurformen
• Flur: der Teil der Gemeinde, der parzelliert ist
• Parzelle: - kleinste Eigentumseinheit innerhalb der Flur
- meist Eigentumsparzellen, die z.T. noch einmal in Nutzungsparzellen (je nach
Anbau) unterteilt
- verschiedenen Formen:
 Block: Seitenverhältnis > 1: 35
groß/klein/(un-)regelmäßig
Streifen : Seitenverhältnis < 1: 35
Block Grundform, Streifen spätere Anordnung
- verschiedene Lage:
 Einödlage: nur ein Streifen, z.T. mit Hofanschluß
 Gemengelage: sehr verteilte dünne Streifen im Gemenge mit Feldern anderer
Bauern
- wichtig: Entstehung und Folgen
• Flurformen:
[HENKEL,G. (1999): Der ländliche Raum, S.216/Abb.41 Flurformen]
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• Esch-Kern-Theorie:
3.2. Phasen der Siedlungsentwicklung in Mitteleuropa
[SCHRÖDER, K.-H. & SCHWARZ, G.(1969): Die ländlichen Siedlungsformen
in Mitteleuropa;
BORN, M. (1974): Die Entwicklung der dt. Agrarlandschaft]
Altsiedelland (1. Phase)
Jungsiedelland
• Besiedelung bis ~ 8./9. Jhdt.
2. Phase: Rodungskolonisation
• Landnahme der Germanen abgeschlossen
• ab ~ 9. Jhdt.
• Besiedelung nicht immer auf freien
• Grund: Bevölkerungswachstum, daher
Flächen, z.T. schon vorher besiedelt,
mehr Siedlungsraum und Ackerland notz.B. Regensburg  Römer
wendig (Allmende wird kleiner)
• nach Abzug der Römer  Bajuwaren
• Rodung von Waldgebieten in den
(Streusiedlung mit Blockfeldern)
Mittelgebirgen  Entstehung von
• typische Haufendorfsiedlung erst später
Rodungsinseln und Rundlingen
• nach Sesshaftwerdung: Bevölkerungs(vgl. Ortsnamen: Rode, ...)
wachstum  Wachsen und Verdichten der
• Marschhufensiedlung durch Eindeichung
Siedlungen (Einzelhof  Weiler  Dorf)
(v.a. in den Niederlanden, später in D)
• Gewannbildung: (siehe unten)
3. Phase: Ostkolonisation
(a) Realerbteilung: bäuerliches Erbe wird in
• im Hochmittelalterlicher (1200-1400)
gleiche Teile geteilt (v.a. süddt. Raum)
• Kontinuierliches Vorrücken von West
Folge: immer kleinere Flächen
nach Ost, mit Hilfe von Rittern;
(b) Anerbrecht: meist ältester Sohn
Germanisierung von slawisch besiedelten
erbt alles (norddt. Raum)
Gebieten (gefestigtes Bauerntum im Osten)
Folge: keine Zersplitterung der Höfe
• soziale Differenzierung zwischen reichen
• fränkische Staatskolonisation (Karolinger):
Altbauern und armen Köttern (Seldner)
Plansiedlungsform
• Eiszerfallslandschaft:
weiter: nächste Seite...
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 nur regionale Forschungsbefunde – keine
allgemeinen Aussagen möglich (zu wenige
Informationen)
4. Phase: Wüstungsperiode
• Spätmittelalterliche (1400-1520)
• Wüstung: verlassene Siedlung
• Ortswüstung: verlassenes Dorf
Flurwüstung: ungenützte Flur
Totale Wüstung: Orts- und Flurwüstung
• Wüstung kann partiell, total, (semi-)permanent sein
• regional sehr unterschiedliche Auswirkungen (z.B. in
Norddt., Raum von Lehensherren übernommen)
• nach Wüstung: neue Besiedlung an alten/neuen Plätze
5. Phase: Landgewinnung
• Neuzeit (17.-19. Jhdt.)
• Landgewinnung auf landwirtschaftlich problematischen Flächen: Moor, Heide, Wald
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• unkontrollierte (= nicht gleichmäßige und gleichzeitige) Auflösung der früheren Allmende
(18. Jhdt.)
• Beginn: Holländer
• Trockenlegung von Hochmooren („Fehnkultur“  Holländer)
• Eindeichung (Landgewinnung an der Küste): Besiedlung der „jungen Marsch“
• Besiedlung von Heideflächen
• Rodung von Waldflächen:
- wurden schon z.T. in 2./3. Phase besiedelt
- jetzt Besiedlung von übrigen Waldflächen: schlechte und Grenzflächen
(um territoriale Ansprüche zu demonstrieren)
- Beispiel: Bayrischer Wald („Region der Passauer Bischöfe“)
Leopoldsreut
1618
Schwendreut
1618
Herzogsreut
1618
Phillipsreuth
1692
Bischofsreuth
1705
Firmiensreuth
1704
Auersbergreuth 1786
 Ortsnamen (-endungen)
- wichtiger Faktor zur Rekonstruktion des Siedlungsherganges
- mögliche Ermittlung: der Gründungszeit,
eines Gewerbes (frühere Funktion),
von Siedlungsschichten und soziale Verbreitung.
- gleiches gilt für Flur- und Flussnamen
- einzelner Name kein Beleg, immer nur, wenn mehrere Orte einer Region gleiche
Endungen haben
[siehe Tabelle 4, in: LIENAU, C.;
SCHNETZ, J. (1997): Flurnamenkunde, München (= Bayr.
Heimatforschung 5)]
4. Siedlungsfunktion
4.1. Siedlungsweise
(a) Benutzungsdauer
(b) Benutzungsfolge
(c) Benutzungsart
Zu (a): • bodenwage Siedlung: laufend verlegte Siedlung (Nomaden)
• bodenstete Siedlung: Dauersiedlung, Permanentsiedlung
wichtigste und am häufigsten vorkommende Siedlung
• temporäre Siedlungen:
- flüchtige Siedlung: an wenigen Tagen genützt
- zeitweilig genütze Siedlung (Nomaden), oft an Trocken- oder Polargrenzen
- saisonale Siedlung: Almwirtschaft, Karavansiedlung („Mobile Homes“), ...
generell Rückgang, werden aber in der Freizeitnutzung immer wichtiger
[ durch technischen Fortschritt überflüssig!]
 allgemein: temporäre Siedlungsform hat zwei Funktionen:
wirtschaftliche Funktion  und Freizeitfunktion 
4.2. Allgemeine Siedlungsfunktionen
4.2.1. Die Wohnfunktion
• Daseins – Grundfunktion
• verschiedene Perspektiven:
(1) Umfang: - Zahl der Wohnstätten / Zahl der Arbeitsstätten
z.B. (a) Wohnstätten > Arbeitsstätten  Wohnsiedlung
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(b) Wohnstätten = Arbeitsstätten  Wohn-Arbeits-Siedlung
(c) Wohnstätten < Arbeitsstätten  Gewerbegebiet
- Nachtbevölkerung (N) / Tagbevölkerung (T)
(Wohnbevölkerung) (Wohnbevölkerung-Erwerbstätige+Beschäftigte)
z.B. (a) N < 1: 1 (T)
 Gewerbegebiet
(b) bis 1,5 (N) : 1 (T)  Mischgebiet
(c) > 1,5 (N) : 1 (T)  Wohngebiet
- Erwerbstätige / Beschäftigte
[BOUSTEDT (1975)]
z.B. (a) = 0 – 0,84
 (Gewerbe-) Arbeiterviertel
(b) = 0,85 – 1,26  Mischgebiet
(c) > 1,26  Wohngebiet
- zur Abgrenzung von Stadtvierteln und Bestimmung deren Funktion
(Stadtgeographie)
(2) Wohnweise: - Eigentums- oder Mietwohnung, Ein- oder Mehrfamilienhaus
- aus entsprechenden Statistiken erkennbar, wo welche Wohnweise
dominiert
- Mietwohnungen vermehrt in der Stadt (kaum auf dem Land)
- Geschosswohnungen kaum auf dem Land
(Ausnahme: kommunistischer Wohnungsbau [DDR])
(3) Haushaltsgröße: - Mehr- oder Einpersonenhaushalte
- jung/alt (z.B. jung/Einpers.  Student; alt/Einpers.  Witwe(r))
- Ein-/Zweipers. meist in der Stadt; Mehrfam. häufiger am Land
 Wohnfunktion kann an verschiedenen statistischen Merkmalen festgelegt werden
4.2.2. Die Arbeitsstättenfunktion
• traditionelle, vorindustrielle Funktionen: Fischer, Schäfer, ...
• gewerbliche Funktionen:
(1) historisch: - Zuliefererfunktion (Spengler, ...)
- Hausproduktionsfunktion (Holzwaren, Textilien, ...):
immer dann, wenn Landwirtschaft unzureichend war
(2) industriell: aus Hausproduktion wird Industrie (Uhren, Textilien, ...)
(3) modern: - Wirtschaftssektoren
primär: Land- und Forstwirtschaft, Fischerei
sekundär: produzierendes Gewerbe (Industrie)
tertiär: Dienstleistungsgewerbe
4.3. Gemeindetypisierung
[FEHRE, H. (1961): Die Gemeindetypen nach der Erwerbsstruktur
und der Wohnbevölkerung; in: Raumforschung und Raumordnung]
• Grundlage: Gemeinde, kleinste statistische Einheit
• Bsp.1: ökonomischer Ansatz (Dreiecksdiagramm)
• Bsp.2: „Gemeindetypisierung mit Hilfe quantitativer statistischer Verfahren“
[BÄHR, J. (1971) in: Erdkunde 25, S.249-264]
- viele Variablen: demographische Merkmale (1-18)
wirtschaftliche Merkmale (19-30)
bauliche Merkmale (31-40)
- daraus werden viele Faktoren gebildet, z.B. Dienstleistungsfaktor, Industriefaktor, ...
- Probleme: (1) zu viele Variablen für eine einfache Nutzung
(2) zu viele unterschiedliche Gruppen, uneffektiv für Raumplanung
(3) Gemeinde als kleinste Einheit, keine Aussagekraft über kleine ländliche
Ortschaften
4.4. Die Erholungsfunktion
• gewann erst in der nachindustriellen Gesellschaft an Bedeutung; in dieser
Dienstleistungsgesellschaft hat der ländlicher Raum Erholungsfunktion
• Entstehung von Siedlungen die ausschließlich für den Fremdenverkehr gebaut werden:
14
Dorfbild (-form) weisen auf Erholungsfunktion hin
• zuerst: Wochenend-/Ferienhaussiedlungen haben nur Wohnfunktion
• heute: Siedlungen mit sehr vielen Dienstleistungen, in der Funktion auf Freizeit (nicht
Erwerbstätigkeit) ausgerichtet, meist abseits historisch gewachsener städtischer Kerne im ländlichen
Raum
• Beginn: Frankreich Côte d’Azur
- Port Grimaud (kleine künstliche Inseln, Haus mit Bootsanlegestelle)
- Marina Baie des Agnes
- Port la Galère (Steilküste, durch Serpentinenstraßen erschlossen)
[SCHOTT (1973) in: Marburger Geographische Schriften 59]
• neue Bewertung der topographischen Lage
- früher: Küste – Ungunstlage (Mückenplage, felsige Steilküsten, keine Landwirtschaft,
kein Schutz vor Seeräubern, ...)
- heute: Küste sehr im Wert gestiegen durch Tourismus: Meerblick
 Siedlungsnetz kehrt sich um: heute überfüllte Küsten
• Siedlungen an der Küste oftmals nur Zweitwohnsitz (saisonale Nutzung)
• häufiger Eigentümerwechsel der Immobilien
• permanenter (sozialer) Wandel der Nutzung der Ferienwohnungen (Villen, Hochhäuser)
• Bsp.(D): Feriendorf „Am Hohen Bogen“
Gäste meist Familien aus der Stadt für eine Woche (Wintersport, Wandern, ...)
• Ergebnisse:
(1) unterschiedliche Physiognomie und Funktion
(2) uneinheitliche Terminologie (unterschiedliche Fachbegriffe)
(3) keine eigene Bemarkung, keine statistisch administrative Einheit (Teil einer Gemeinde)
(4) Siedlungsnetze: Umbewertung der topographischen/geographischen Lage
(5) Saisonalität der Nutzung: Ressourcenverschwendung, Konstruktionen für max. Besetzung
(nur halbjährige Nutzung)  Verschwendung öffentlicher Gelder
(6) Gefährdung der Nachhaltigkeit (große Konkurrenz)
(7) nur für saisonale Nutzung und bestimmte Zielgruppe geplant: nicht geeignet als
Rentnersiedlung
Rentnersiedlungen
[PÖTKE, P. M. (1972): Retirement und Tourismus an der Westküste Floridas, Bochum (=
Materialien zur
Raumordnung 13)]
• Mobile Homes „Snow Birds“: Track von Mobile Homes, der im Winter von Norden in den Sunbelt
zieht (bei uns: Dauercampen im Wohnwagen)
• geplante „Retirement“ Siedlung: „Sun-City“ (im Süden von Arizona)
[Praxis Geographie 10/1991, S. 35]
- eine von vielen, die nach 1960 entstanden ist
- Lage: im Wüstengebiet
- von Mauern vom Umland abgetrennt („gated communities“): Abschottung nach außen
- geplante, exklusive Wohnsiedlung: Mindestalter 50 Jahre ( Durchschnittsalter: 70)
und nur bestimmte soziale Schicht (wohlhabende Mittel- und Oberschicht)
• Merkmale:
(1) soziale Homogenität:
keine Mietwohnungen, fast nur Weiße, oberhalb der Armutsgrenze
(2) altersaktiver Lebensstil (Golfplätze, Erholungsaktivitäten, ...)
(3) bewusste Ausgrenzung von anderen Altersstufen und sozialen Schichten
(keine Kinder  keine Schulen  weniger Steuern)
(4) ausgewogenes Sicherheitsbedürfnis
Sicherheitsdienst, „gated“, Überwachung (von Häusern, Fremden, ...)
(5) Übersteigertes Sauberkeitsbedürfnis
• vgl. Europa:
- ähnliches Wanderungsverhalten von Nord nach Süd (z.B. Spanien)
- eigenes Haus im Süden, meist in den Tourismushochburgen
(Interessenkonflikt: Senioren – junge Urlauber)
- Siedlungen nicht für Rentner geeignet (Bauweise, ...)
- kein Recht auf Exklusiv-Siedlungen, daher bleibt Interessenkonflikt jung - alt
- Sprachbarrieren
15
5. Die Versorgungsfunktion
[CHRISTALLER, W. (1933): Die zentralen Orte in Süddeutschland, Jena (Reprint:
Darmstadt 1968);
HEINRITZ, G. (1997): Zentralität und zentrale Orte, Stuttgart (=Teubner Studienbücher
Geographie)]
5.1. Christallersche Zentralitätsprinzip
(a) Zentralität: • Mittelpunkt eines Gebietes
• zentraler Ort muss zentrale Lage haben
• zentraler Ort muss keine Stadt sein (z.B. kann in dünnbesiedelten Gebieten ein
zentraler Ort nur 200 Einwohner haben): zentrale Orte definieren sich nicht
über die Einwohnerzahl, sondern über ihre zentralen Güter (Dienste);
aber: Zusammenhang: je mehr Einwohner, desto mehr zentrale Dienste
(b) Bedeutungsüberschuss:
• jede Stadt hat bestimmte Bedeutung für die Bewohner, wenn Bedeutung
größer als von Bewohnern benötigt, entsteht Bedeutungsüberschuss als Vorteil
für das Umland
• täglicher Bedarf: jeden Tag (z.B. Semmeln)
kurzfristiger Bedarf: ca. einmal im Monat (z.B. Frisör)
mittelfristiger Bedarf: alle paar Monate (z.B. Kleidung)
langfristiger Bedarf: alle paar Jahre und länger (z.B. Möbel)
Luxusbedarf (z.B. Schmuck)
• je seltener etwas gebraucht wird, umso größer ist das Einzugsgebiet:
Bedeutungsüberschuss (Einzugsgebiet nicht nur Stadt, sondern auch Umland);
Zentralität gegenüber dem Umland im Hinblick auf diesen Bedarf
Bedeutung
Versorgung
(mit Gütern und Dienstleistungen)
Bedeutungsüberschuss
verschiedene Bedarfsstufen
(täglicher, kurzfristiger, ...)
Zentralität
„zentrale“ Güter (Funktionen)
[unterschiedlich, je nach Zielsetzung]
unterschiedliche Reichweite
Hierarchie der Dienstleistungen
Modell
Zentrale Funktionen:
(1) Einrichtung der Verwaltung (Ämter, Gerichte, ...)
(2) Kulturelle Einrichtungen (Theater, Bibliothek, ...) und kirchliche Einrichtungen (Kirche,
Dekanat, ...)
(3) Einrichtungen des Gesundheitswesens (Krankenhäuser, spezialisierte Ärzte, ...)
(4) Einrichtungen von gesellschaftlicher Bedeutung (Kino, Radio, ...)
(5) Einrichtung zur Organisation des wirtschaftlichen Lebens (Handelskammer, ...)
(6) Einrichtungen des Handels und des Geldverkehrs (Markt, Einkaufszentrum; Banken, ...)
(7) Gewerbliche Einrichtungen zur Versorgung (Wasserwerk, E-Werk, ...)
(8) Einrichtungen des Verkehrs (Post, Bahn, ...)
• Hierarchie innerhalb der einzelnen Funktionen
• Kernbereich von zentralen Güter (nach Christaller): Kultur, Banken, Ämter, ...
[BOBEK (1969): tertiärer Sektor = Zentralität
BOESLER (1954): basic – nonbasic Aktivitäten 
Bedeutungsüberschuss]
16
• Bedingungen für Modell:
(1) ausschließlich rational handelnde Menschen (Verbraucher: so billig wie möglich /
Verkäufer: so teuer wie möglich)
(2) völlig homogener geographischer Raum (gleichverteilte Einwohner, ...); einziger Faktor:
Transportkosten
(3) Güter haben Reichweite: Ober- und Untergrenze
- Obere
Grenze (räumlich) – äußere Grenze (außerhalb Reichweite, Fahrtkosten zu
hoch)
- Untere
Grenze (räumlich) – innere Grenze (Mindestzahl von Konsumenten um Dienstleistung
anbieten zu können)
• Ziel: Möglichst wenig Filialen und möglichst größer Abstand zur Konkurrenz
• Modell: - Einzugsbereiche: um völlige Abdeckung zu erreichen: 6-Ecke
[aus: HEINRITZ, G. (1979): Zentralität und zentrale Orte (=Teubner
Studienbücher)]
- Verbraucher müssen so angeordnet sein, dass sie im gleichseitigen Dreieck liegen
(Seitenlänge: a = r 3 )
- trotzdem entstehen unterversorgte Gebiete  zusätzliche Standorte  in die Mitte der
Dreiecke
• Hierarchisch gestuftes System:
- Ranghöhere zentrale Orte liegen weiter auseinander
- Ranghöhere zentrale Orte sind die einzigen Standorte für ...
- Ranghöheren zentralen Orten sind rangniedrigere zugeordnet
- Ranghöhere zentrale Orte bieten alle Güter an die in rangniedrigeren auch angeboten
werden
• Prämissen (Bedingungen s.o.) entsprechen nicht der Wirklichkeit, trotzdem kann das Modell
in die Wirklichkeit umgesetzt werden, z.B. in der Raumplanung:
zentrale Einrichtungen werden nach dem Modell eingesetzt (Bebauung von unterversorgten
Gebieten/ entzerrende Maßnahmen)  positive zentrale Impulse setzen
• Kluczka (1970): Zentralörtliche Gliederung für Deutschland
zentraler Ort  Kleinzentren  Mittelzentrum  ...  zentraler Ort
unterer Stufe
oberster Stufe
Zusammenfassung:
(1) Modelle zur Konzeption zentraler Orte, die flächendeckend sein soll, muss ein
Hexagonalschema (Anordnung) sein
(2) Nach Zentralität differenzierte Orte unterscheiden sich nach Quantität und Qualität
(hierarchische Staffelung von Diensten, hierarchisch gestaffeltes Siedlungsnetz)
(3) Trotz wirklichkeitsferner Prämissen (Bedingungen s.o.), findet man das Christallersche
Zentralitätsprinzip in der Realität wieder (lässt sich nachweisen)
5.2. Das zentralörtliche Konzept in der Landes- und Raumplanung
- am Beispiel Bayern [RUPPERT, KARL (1987): Bayern - eine geographische Landeskunde
aus sozialgeographischer Sicht (= Wissenschaftliche Länderkunde – 8/2),
Darmstadt]
• aus Christallersche Zentralitätsprinzip lassen sich Regeln ableiten, die in der Raumplanung
Anwendung finden
• Landesentwicklungsprogramm (LEP) legt zentrale Orte fest (definiert sie nach: § 13, 3 Bayr.
Landesplanungsgesetz)
• Aufgabe zentraler Orte:
- wirtschaftliche Einrichtungen
- soziale Einrichtungen
- kulturelle Einrichtungen
• Staat greift in die Planung ein:
- Verhinderung zu großer Ballungsräume (entzerrende Maßnahmen)
- zumutbare Entfernung zu zentralen Diensten für alle (akzeptable Versorgung aller
Bürger)
- keine zu große Konkurrenz (Auslastung aller Dienste)
17
- Unterstützung leistungsfähiger Unternehmen
 Staat versucht mit Baumaßnahmen (z.B. Schulen, Krankenhäuser, ...) ein ausgeglichenes
Versorgungsnetz zu schaffen
• Stufen zentraler Orte für die Versorgung in Bayern
- Unterzentrum (z.B. (Teil-)Hauptschule, Bibliothek, Einkaufsmöglichkeiten, Ärzte, ...)
- mögliches Mittelzentrum
- Mittelzentrum (z.B. alle Schulen, Hallenbad, Krankenhaus, Leichtathletikanlage, ...)
- mögliches Oberzentrum
- Oberzentrum
 sehr genaue Festlegung, was die zentralen Orte jeweils enthalten müssen
Zentraler
Ort
Parsberg
Kelheim
Straubing
Regensburg
...
Zentralörtliche
nach LEP
Zuordnung 1968
1976
(nach Karte 37 aus RUPPERT 1987)
Kleinzentrum
Unterzentrum
Mittelzentrum
Mittelzentrum
Mittelzentrum
mögl. Oberzentrum
Oberzentrum
Oberzentrum
...
...
nach LEP
1994
mögl. Mittelzentrum
Mittelzentrum
Oberzentrum
Oberzentrum
...
 Kelheim und Regensburg keine Entwicklung, Zuwachs in Straubing (Entgegenwirkung der
Anziehung von Regensburg
5.3. Zentralitätsmessung
– Wie messen wir Zentralität empirisch –
1930: „Die Zahl der Telefonanschlüsse pro Ort“ (CHRISTALLER)
Telefon wurde damals nur geschäftlich genützt.
heute: jeder hat mindestens ein Telefon  nicht mehr brauchbar für Zentralitätsmessung
 Es reicht nicht mehr nur eine Komponente herauszunehmen (wie z.B. Telefon)
 heute gibt es hauptsächlich drei Methoden der Zentralitätsmessung
(1) Empirische Analyse der Ausstattung zentraler Orte mit zentralen Diensten
(2) Empirische Erfassung der Inanspruchnahme zentraler Dienste/Güter
(3) Indirekte Ableitung der Zentralität aus der Beschäftigtenzahlen (Statistik)
Zu (1) Methode („Katalogmethode“)
• Katalog von Ausstattungen/Einrichtungen erstellen
• Liste mit zentralen Einrichtungen hierarchisch ordnen
• Telefonbuch: welche zentralen Einrichtungen in welcher hierarchischen Stufe bietet
der Ort
Zu (2) • werden die zentralen Güter genützt?
• Abgrenzung von Einzugsbereichen („äußere Grenzen“):
- gebundene Zentralität: zentrale Dienste, die streng hierarchisch gestaffelt und die kaum
veränderbar sind  Einzugsbereich festgelegt (z.B. Amtsgericht)  nicht brauchbar für
diese Methode
- freie Zentralität: hier muss erst festgestellt werden, woher die Benutzer kommen;
aus zwei Perspektiven möglich:
 aus zentralem Ort: woher kommen sie?
Ermittlung: Befragung von Kunden, Verkäufern und anderen Personen (wie
z.B. Bürgermeister), Zählung der Kfz-Kennzeichen, ...
 aus Umland: wohin fahren sie, wenn sie ... brauchen?
(„empirische Umlandmethode“)
Ermittlung: Fragebögen verteilen, anonyme Daten über Faxverbindungen, ...
Zu (3) • Zahl der Beschäftigten = Zentralität:
18
Je mehr Angestellte, desto zentraler.
umstritten: Industriestädte überbewertet
• Beschäftigte im Tertiären Sektor = Zentralität
- z.B. Frisör kein Indiz für Zentralität, aber sehr viele Bereiche des III. Sektors werden
beachtet
- nur die sozialversicherungspflichtigen Unternehmer werden gezählt (Lücke)
Zusammenfassung:
Siedlungen kann man nicht nur nach Geologie, Lage, ... betrachten, sondern:
funktionale Betrachtung:
Versorgungsfunktion: Bevölkerung in Ort und Umland muss versorgt werden
daraus entsteht: hierarchisch gestaffeltes System der zentralen Dienste/Güter
 Versorgungsfunktion wichtigste raumordnende Funktion in der Siedlungslandschaft
6. Raumwirksame staatliche Steuermaßnahmen im ländlichen Raum
ländlicher Raum Ergebnis von historischen Prozessen (regionale Unterschiede)
seit 1950er Jahren: • Eintönige Flurformen
• teilweiser Verlust der Versorgungsfunktion (kl. Läden pleite)
• fehlende Attraktivität der Dorfkerne
• hoher Auspendleranteil
 Entwicklung zu Gunsten der Städte und zu Lasten des ländlichen Raums
 Staat muss versuchen, die Lebensqualität am Land zu erhöhen (der spontanen Entwicklung
entgegenwirken)
früher: Ziel gleiche Lebensqualität in Stadt und Land
heute: Stadt und Land müssen sich ausgleichen und ergänzen
Raumplanung
Gesamtplanung
• Raumordnungsplanung
• Hierarchie von Planungsebenen:
- Bundesebene (Bundesministerium
für Raumplanung)
- Landesebene (z.B. bayrisches Staatsministerium für Landesent. u. Umweltfr.
- Regionalbezirk: Regierungsbezirk
(Oberpfalz; Landkreise)
Bruch
- Städtebauliche Planung („lokale Plan-Eb.)
 unterliegt der Gemeinde
 Konkrete Handlungsanweisungen:
Realisiert Vorgaben der nächsthöheren
Ebene (Regionalebene)
 „Parzellenscharfe Regelungen“
(z.B. Baugenehmigungen)
Fachplanung
• fachlich gebundene Raumplanung
• Mitsprache aller Ebenen der Gesamtplanung (je nach fachlicher
Kompetenz): z.B. Straßenbau,
Wasserwirtschaft, ...
• „Planfeststellungsverfahren“:
alle betroffenen Bereiche der Fachplanung müssen gehört werden
anschließend:
• Realisierung:
z.B. für ländlichen Raum:
zentralörtliche Einstufung (a)
kommunale Gebietsreform (b)
Flurbereinigung (6.1)
Dorferneuerung (6.2)
19
zu (a) zentralörtliche Einstufung
• zuerst: ungeordneter ländlicher Raum
Umland mit vielen Pendlerströmen mit
dem zentralen Ort verbunden
 Verlust durch Abwanderung in Verdichtungsgebiet;
Investitionen nicht gezielt
• geplanter geordneter ländlicher Raum
Entgegenwirken des Sogs des zentralen
Ortes
 Stäkung eines Ortes im ländl. Raum als
Gegensatz zum zentralen Ort (z.B. mit
Krankenhaus, Gymnasium, ...)
Schwerpunktmäßige Förderung
zu (d) kommunale Gebietsreform
• Neuordnung von Verwaltungseinheiten
• keine Daueraufgabe: ständige Umformung von Grenzen bringt Unruhe
• Zuschnitt von Stadt- und Landgrenzen
• 1970-75: letzte große Eingemeindungen
• heute politisch nicht mehr durchführbar; nur noch kleine lokale Korrekturen
• problematisch als staatliches Planungsinstrument
6.1. Flurbereinigung
• Feldregulierung, Umlegung, ...
• Intension war die Um- oder Zusammenlegung von landwirtschaftlichen Zellen, um Besitze
mit
mehreren unwirtschaftlichen kleinen Zellen zu einem großen Feld zu machen
• Maßnahme zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Betriebsstruktur
• weitere Maßnahmen (Raumplanungsebene)
- neue Wegenetze, meistens begradigt und asphaltiert
- geregelte Be- und Entwässerung
- Aussiedlung von landwirtschaftlichen Betrieben aus dem engen Dorf in die Flur
Ziel:  Neubau in der Flur nicht durch bauliche Hindernisse beeinflusst
 Verbesserung der Wohnqualität im alten Dorf (da heute hauptsächlich Wohnfunktion: Geruchs- und Lärmbelästigung von Vieh und Maschinen)
vom Staat bezuschusst
 aus bloßer Zusammenlegung wurde größere Umformung
• Westdeutschland: 1953: Beginn
1955: Landwirtschaftsgesetz („grüner Plan“):
Förderung und Erhaltung bäuerlicher Familienbetriebe mit Hilfe der
Flurbereinigung; Verbesserung der Produktionsbedingungen, v.a.
Betroffen sind „Realerbteilungsbetriebe“:
• Realerbteilung: Besitz wird zu gleichen Teilen an alle Erben verteilt
 extreme Zersplitterung
• Anerbenrecht: nur einer erbt den Grund, „weichende“ Erben
erhalten Abfindung (Geld)
 Verhindert eine Zersplitterung
Bsp.: Schleswig-Holstein (mit Anerbenrecht): 1,23 ha
durchschnittliche
Rheinland-Pfalz (mit Realerbteilung): 0,13 ha
Parzellengröße
[Betriebe bis zu 100 Parzellen in Mischlage]
- 1/3 der Fläche wurde flurbereinigt
- ausgenommen: (Sonder-)Spezialanbaugebiete (hohe Investitionen), z.B. Wein, Hopfen
- Flurbereinigung wird zur Daueraufgabe: notwendig wegen Mechanisierung (größere Maschinen,
größere Flächen); sonst nicht wettbewerbsfähig
20
- Heute immer größere Flächen, Folge: immer mehr kleine Betriebe geben auf und verkaufen
Grund an Größere
• ehem. DDR: - Leitbild: Landwirtschaft – ein genossenschaftlicher Großbetrieb
- sozialistische Ideologie: Landwirtschaft und Industrie gleichgestellt: gleiche
Bedingungen für Land- und Stadtbevölkerung
- heute: größten Landwirtschaftlichen Betriebe in der EU (wettbewerbsfähig)
- „Flurbereinigung“ damals brutal durchgesetzt: alles wurde verstaatlicht und
heute wieder verkauft
• „Integrierende Maßnahme zur Verbesserung der ländlichen Struktur“
(Landschaftsschutz, Ausbau bzw. Beruhigung der Verkehrswege, ...)
Beispiel Winzer
[LEDERMANN (1996): Regensburger Reihe]
- Verkehrsberuhigung: B8 außerhalb Dorfes verlegt  Verbesserung der Wohnqualität
- Ausbau der Donau für die Schifffahrt (Anstieg der Donau  Höherlegung des Gebiets)
- Neuplanzungen: viel Natur zerstört durch Flussbegradigung und Straßenbau  Versuch durch
Neupflanzung Natur wiederherzustellen
• Fazit: Flurbereinigung hat als staatliche Maßnahme europaweit viel verändert
(Ergebnis: Blockparzellen, gerades Bewässerungs- und Wegenetz, Einzelhof als Streusiedlung, ...)
• historische Vorläufer
 „Vereinödung“:
- Stift Kämpten Zwang die damaligen Bauern ihre Höfe in die Flur zu
verlegen; verbunden mit Parzellenzusammenlegung
- einfach möglich, da alles dem Stift gehörte
- Folge: nicht mehr an Flurzwang gebunden
Flurzwang: nicht jeder Hof hatte eigene Zufahrt, daher Absprache unter den
Bauern, wo gepflanzt wird, damit immer alle Höfe erreichbar bleiben
- aus heutiger Sicht „moderne Maßnahme“
- so entstanden Einödhöfe im Allgäu (Familienbetriebe)
- Wettbewerbsvorteile bis in die 80er Jahre (die gesündesten)
 „Enclosure“- Bewegung
- in England (engl. enclosure: abgrenzen, einhegen): früheste Form
- um 1450: „alte Enclosures“
Landlords grenzen freies Land mit Hecken ein, um Besitzanspruch zu zeigen
- um 1750: „neue Enclosures“
Zusammenlegung von Grundstücken, Einzäunen und Heckenpflanzung
 Verkopplung (Weide):
Parzellenzusammenlegung und Einzäunen in Schleswig-Holstein
 Landgewinnung in den Niederlanden (modernste Form)
geplante Parzellen, Betrieb direkt auf Grundstück (kurze Wege)
 bei uns: Umsetzten einer alten Idee (z.B. im Gegensatz zu Skandinavien/England)
6.2. Dorferneuerung
[HENKEL, G. (1984): Dorferneuerung. In: Geographische Rundschau 36, S. 170-176)]
• Flurbereinigung hat Dorferneuerung erzwungen
• Aussiedlung von Höfen: was passiert mit freien Flächen?
• Maßnahme Flurbereinigung war betriebswirtschaftlich gedacht, hatte aber zur Folge, dass alte
funktionslose Höfe zurückgelassen wurden
• oftmals Abriss alter Häuser (Ortsauflockerung)  Zerstörung wertvoller Bausubstanz (in den
Städten Denkmalschutz, Dörfer ausgeklammert)
1975
Europäisches Denkmaljahr
1976 dt. Flurbereinigungsgesetz novelliert (§ 37)  „Dorferneuerung“ gesetzlich formuliert
1977
ZIP („Zukunfts-Investitions-Programm“): „Integrale Maßnahme“ der Veränderung der
Agrarstruktur (Verbesserung):
Dorferneuerung unter dem Begriff der Flurbereinigung:
- Denkmalschutz wird auf historischgewachsene Dörfer ausgeweitet
- bay. Richtlinien: erhaltende Dorferneuerung
1945-1985: „Abriss zerstörte mehr an historischer Bausubstanz als Krieg“
- Überbau alter Platzanlagen
21
- Bau großer Straßen durch Dörfer
- Zerstörung der baulichen Physiognomie durch Neubausiedlungen
(keine landschaftsgebundenen Bauten, ohne Rücksicht auf Umfeld)
- Zersiedlung der Dörfer: alter Dorfkern: Häuser an Straßen orientiert
Neubausiedlung: Einzelhäuser mit großen Gärten
- unterirdische Verrohrung der Gewässer
- Flächenversiegelung: Teeren der Flurstraßen
 großer Verlust der lokalen Identität zu Gunsten der wirtschaftlichen Effizienz der Betriebe
heute: Bewusstseinswandel, gesteigerte Wertsetzung
„ganzheitlich orientierte Dorferneuerung“ (= integrative Maßnahme)
• Fördersektoren: (1) Landwirtschaft
(2) nicht agrarisches Gewerbe und private Dienstleistungsbetriebe
(3) Verkehrsflächen
(4) kommunale Grundausstattung (seitens der Gemeinde)
(5) Begrünung und Gewässer
(6) Denkmalpflege (Bauordnung)
(7) Gemeinschaftsleben
 Ziele: - Individueller Charakter soll erhalten bleiben
- Steigerung der Dorfqualität (Begrünung, Verkehrsberuhigung, ...)
- Verbesserung der wirtschaftlichen Situation (nicht reineAuspendlersiedlungen)
- Freizeit- und Versorgungsfunktion (Sportplatz, Einkaufsmöglichkeiten, ...)
• Beispiele: - Verkehrsflächen:
früher: begradigt, verbreitet  für mehr, schnelleren Verkehr
heute: Verkehrsberuhigung (Bepflanzung, Hindernisse)
- Gewässer:
früher: unterirdisch verrohrt
heute: wieder freigelegt, Brückenbau
• aufwändiges Verfahren: Umsetzung (v.a. finanziell) liegt bei den Grundeigentümern (Baukosten für
Straßen, Gewässer, ... :Anliegerkosten)
 aufwändige Bürgerinformation
• Dorferneuerungsplan: (1) Bestandsaufnahme
(2) Bestandsbewertung (was ist historisch wertvoll?)
(3) Planungskonzept
(4) Umsetzung
[(2)-(4) nur mit Bürgerbeteiligung möglich]
Dorferneuerung – ein ganzheitlicher Prozess
Ziele: - Erhaltung
- Gestaltung
- Entwicklung
(1) Bestandsaufnahme
- Lage
- Geschichte
- Bevölkerung
- Wirtschaft
- Kultur
- Siedlungsentwicklung
- Bausubstanz
- Denkmalschutz
- Verkehr
- Freiflächen
- Ökologie
(2) Bewertung
Was muss erhalten bleiben?
(3) Ableitung des Konzepts
- Mängel/Potentiale
- Ziele
- Maßnahmen
- Mittelgerüst
Kostenplan
(4) Umsetzung
Bürger
Verwaltung
Alle Beteiligten wichtig für die Umsetzung!
Fazit: • Maßnahmen der Dorferneuerung sind umstritten
Planer
22
• Dorferneuerung kann nur diskutiv ablaufen (mit Bevölkerung)
• Funktionale Verödung muss verhindert werden
• Dorferneuerung darf keine Freilichtmuseen erschaffen
• Dorferneuerung oft von Planern getragen, die die Sicht der Bevölkerung nicht kennen;
 es entstehen Dörfer so, wie sie die Stadtbevölkerung gerne sieht
 schlecht für das Leben der Landbevölkerung
7. Siedlungsentwicklung
und sozioökonomische/politische Entwicklungsprozesse
7.1. Das Stufenmodell nach BOBEK (1959)
• Siedlungsweise abhängig von Kultur und sozialer Stellung
• Siedlungsstruktur abhängig von wirtschaftlicher Entwicklungsstufe:
- Entwicklungsländer – einfache Siedlungsstruktur
- hochentwickelte Länder – komplexe Siedlungsstruktur
sozioökonomische Entwicklungsstufen
1. Wildbeuterstufe
(heute nur noch Randgruppen,
Gruppen von 50-300 Menschen,
z.B. im inneren Amazonasbecken)
2. Stufe der Spezialisierten Sammler, Jäger
und Fischer
(z.B. Eskimos  Tauschhandel)
3. Stufe des Sippenbauerntums
(planmäßige Bewirtschaftung: Tiere und
Pflanzen)
3.a) Seitenzweig Nomadismus
(heute noch vorherrschend)
4. Stufe der herrschaftlich organisierten
Agrargesellschaft
(Grundherr organisiert Leben, Bauern
sind von ihm abhängig: Hierarchie!)
5. Stufe des älteren Städtewesens und des
Rentenkapitalismus
6. Stufe des produktiven Kapitalismus,
der industriellen Gesellschaft und
des jüngeren Städtewesens
(Zeitalter des Merkantilismus und
der Industrie)
Siedlungsart
ephemer
Struktur
vage
einfach
ephemer bis
episodisch/
periodisch
episodisch/
periodisch bis
permanent
episodisch/
periodisch
permanent
permanent
permanent
stete
komplex
23
7. Stufe der Dienstleistungs- und
Freizeitgesellschaft
(Postindustriell)
episodisch/
periodisch
semipermanent
[polypolar?]
unstet (?)
mobil (?)
?
7.2. Das prozessorientierte Modell von NITZ/WALLERSTEIN
[NITZ, H.-J. (1984): Siedlungsgeographie als historische gesellschaftliche Prozessforschung. In:
GR 36, S. 162-169;
WALLERSTEIN, J. (1974): The modern world system, I., New York (=Studies in Social
Discontinity); (1980): Bd.2]
Peripherie
hochgradig abhängig
C
Semiperipherie
Abhängig auf niedrigem Niveau
B
Kern („core“)
A
Intensität der Beziehung:
hoch
mittel
schwach
damals:
• Kernraum: im Niederländischen Raum (Amsterdam, Holland)
 kam zu Geld: Spezialisierung von Getreideanbau und Weidelandschaft
• Semiperipherie: Süddeutschland, Frankreich, ...
 etwas entwickelt, aber geringe Wirtschaftskraft
• Peripherie: Randlagen
 kaum/gar nicht entwickelt
Beginn der Neuzeit:
 Niederlande: Landgewinnung, Spezialisierung auf Gemüseanbau
 Norddt. Raum: Erschließung der Moore: Torf (Brennmaterial)
 Energiequelle für Manufaktur
Verschiedene Phasen der Entwicklung kann diesen drei Bereichen(A,B,C) zugeordnet werden:
Wirtschaftliche
Entwicklungsphasen
I. Merkantilismus
Kapitalismus
II. Industrialisierung
III. spät-, postindustrielle
Entwicklung
Siedlungsdynamische
Prozesse
betroffener
Raumtyp
Expansion
Neubesiedlung
B, C
Verstädterung
Umstrukturierung
Intensivierung
Expansion, Umstrukturierung
(Freizeitsiedlungen)
Umstrukturierung
(Agrarsiedlung)
Schrumpfungen
(Agrarsiedlungen)
A
B, C
A, B
B, C
• mit jeder Entwicklungsphase ist ein gesellschaftlicher Wandlungsprozess verbunden
 Siedlungsdynamik
24
• Kernraum: städtischer Raum
Abhängigkeit
Peripherie: ländlicher Raum
Land ist abhängig von ...
dynamisches
Dependenzmodell
... wirtschaftlichen
Kernraum
... gesellschaftlichen
Kernraum
8. Stadtgeographie
[HEINEBERG, H. (2000): Grundriss allgemeine Geographie. Stadtgeographie,
Paderborn (= UTB 2166)]
8.1. Der Begriff der Stadt
(1) Der statistische Stadtbegriff
• definiert über die Einwohnerzahl: sehr unterschiedlich, je nach Land
• Vorzüge: Stadtgrößenklassen
in D: Landstadt 2.000-5.000 Einwohner
Kleinstadt 5.000-20000 Einwohner
Mittelstadt 20.000-100000 Einwohner
Großstadt >100.000 Einwohner
Für globale Vergleiche wichtig:
Metropole: > 1 Mio.
> 2.000 Einwohner/km²
monozentrisch
 eindeutig definiert durch die drei Merkmale
Megastadt: > 5 Mio. Einwohner
[= Megalopolis] > 8 Mio. Einwohner (UN)
> 10 Mio. Einwohner [nach JAKOBSON/PRAKASH 1974]
 nicht eindeutig definiert, viel Möglichkeiten
(2) Der historische Stadtbegriff
• Rechtspraxis im europäischen Mittelalter: Lehensherr verlieh Titel „Stadt“
 hauptsächlich wirtschaftliche Vorteile (Märkte, ...)
 Übernahme rechtlicher Aufgabenbereiche
• 1935 in D aufgehoben: Titel blieb bestehen, Rechte nicht
 deshalb Zwergstädte, die die statistischen Anforderungen nicht erfüllen,
aber geschichtlich als Stadt festgelegt sind
 kreisangehörige Stadt: ist Landkreis untergeordnet
kreisfreie Stadt: übernimmt Funktionen eines Landkreises
(3) Der geographische Stadtbegriff
• Nachteil: sehr viele Merkmalskriterien  komplex und vielschichtig
im Gegensatz zum statistischen Stadtbegriff: ein Kriterium (Einwohnerzahl)
• zwei Klassen von Merkmalskriterien:
quantitative Merkmale
- große Einwohnerzahl
- hohe Bebauungsdichte
- viele mehrstöckige Häuser (v.a. im Stadtkern)
- hohe Wohn- und Arbeitsplatzdichte
- Einpendlerüberschuss
- Bevölkerungszuwachs, v.a. durch Zuwanderung (Entwicklungsländer: häufig generatives
Verhalten, hohe Geburtenzahlen)
- Dominanz der Erwerbstätigen im sekundären
und tertiären Sektor
qualitative Merkmale
- kompakter Siedlungskörper
- funktionale und soziale innere Gliederung
- Mindestmaß an Zentralität (mindestens
mittelzentrale Teilfunktion)
- hohe Verkehrswertigkeit (Dichte, ...)
- naturferne Umweltgestaltung (künstliche
Umweltgestaltung, z.T. hohe Umweltbelastung)
- vorherrschende städtische Lebens-,
Kultur- und Wirtschaftsform
 Probleme: • Variieren z.B. von Einwohnerzahl (Bevölkerungszuwachs)
• nicht kulturübergreifend: was ist städtisches Leben?
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 Beispiel „global city“ (Weltstadt):
Merkmale: - > 1 Mio. Einwohner (muss Metropole sein)
- Sitz von internationalen/nationalen Behörden
- Zentrale von transnationalen Konzernen
- internationales Finanzzentrum
- internationales Kultur-, Medien- und Pressezentrum
- internationale Verkehrsanbindung
- weltweiter Bekanntheitsgrad
8.2. Verstädterung
(1) Demographische Verstädterung
• Anteil, der in Städten lebenden Bevölkerung, bezogen auf eine Stadt oder Erdteil
• Problem: unterschiedliche statistischer Stadtbegriff (je nach Land)
• demographische Verstädterung kann Zustand oder Prozess sein:
- Zustand: Verstädterungsgrat/-quote
- Prozess: Verstädterungsrate
• Städteverdichtung:
- Zunahme der Städte in einem bestimmten Gebiet
- meist Ergebnis von Wanderungsbewegungen (Zuwanderungsgewinn: Stadt,
Zuwanderungsverlust: ländlicher Raum)
- selten: geplante Neugründung von Städten
Bsp. nach 1946: in UK 28 „new towns“
in F 9 “ville nouvelles”
in DDR z.B. Eisenhüttenstadt“
(2) Physiognonomische (funktionale) Verstädterung
• Flächenwachstum der Städte
• Gründerzeit (Europa): Entstehung von vielen neuen Häusern
• lässt sich noch anhand von alten Häusern nachweisen: je nach Epoche und Kulturkreis
bestimmter Hausbausstil
• heute Ausweitung kaum mehr möglich:
 Städte werden „überformt“: Auslagerung von Standorten in den benachbarten
Raum (Gemeinde)
 „Suburbanisierung“:
- ehemals ländliche Nachbargemeinden werden städtisch überformt
- bezieht sich auf die „Stadtrandgemeinden“
- Verlust des ländlichen Raums
- oftmals gleichzeitige Schwächung der Kernstadt
 „Periurbanisierung“:
- eizelne Bereiche, die nicht direkt an die Stadt angrenzen, werden
städtisch überformt
- nicht mehr flächendeckend
- hauptsächlich Wohnbevölkerung (Pendler: Impuls der Kernstadt),
kaum Industrie, höchstens IT-Branche (schöne Landschaft)
- statushohe Bevölkerung trägt Periurbanisierung
 „counterurbanisation“ [BERRY 1976]
- Gegenurbanisierung
- Bevölkerung aus großen Städten zieht wieder zurück in kleine Städte
- gilt eher in den USA, in Europa umstritten
 „gentrification“
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- dt. Veredelung
- Bevölkerung mit hohem Einkommen im mittleren Alter (30-45),
häufig kinderlos, zieht zurück in die Kernstadt
- alte Bausubstanz wird restauriert und modernisiert, häufig teurer als
Neubau (daher Schicht mit hohem Einkommen)
- Folgen: einkommensschwache Bevölkerung wird aus der Kernstadt
verdrängt,
Wohnen in der Kernstadt wird attraktiver
 spricht für Zykluscharakter (Entwicklungswellen):
erst Wohnen in der Stadt,
dann Suburbanisierung und Periurbanisierung,
dann „gentrification“: zurück in die Stadt, ...
Entwicklungswellen würde bedeuten, dass sich Entwicklungsländer
In 1. bzw. 2. Phase befinden, während wir in 3. Phase sind.
Begriffe Verstädterung – Urbanisierung
• in D oft: Verstädterung = Urbanisierung
• aber: BÄHR und HOFMEISTER sehen Unterschied:
- Verstädterung: Vermehrung, Vergrößerung und Ausdehnung von Städten nach
Zahl, Fläche (physiognomisch) und Einwohner (demographisch)  muss messbar sein
- Urbanisierung: Ausbreitung städtischer Lebens-, Wirtschafts- und Verhaltensweisen, d.h. nur qualitativer Prozess
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