Entwicklung in der Kindheit

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Entwicklung in der Kindheit
Als Kindheit bezeichnet man den Lebensabschnitt, der mit vier Jahren beginnt und
bis zum elften oder zwölften Lebensjahr andauert, in diesem Abschnitt sind
bestimmte Aufgaben zu bewältigen, während das Kind aber von der Verantwortung
der Erwachsenen frei bleibt.
Wenn man die Entwicklung von Persönlichkeit und Temperament betrachtet, ist es
zunächst wichtig einige grundlegende Begriffsklärungen vorzunehmen: Als
Temperament bezeichnet man die konstitutionell verankerten Wurzeln von
emotionalen, motorischen und aufmerksamkeitsbezogenen Reaktionen, sowie der
Selbstregulierung. Faktoren dafür sind der positive Affekt, die Annäherung, der
negative Affekt und das aktive Bemühen um Selbstkontrolle. Die
Persönlichkeitsvariablen werden als die „großen Fünf“ bezeichnet: Extraversion,
Agreeableness (ein angenehmes, gefallendes Wesen), Gewissenhaftigkeit,
Neurotizismus (Furchtsamkeit, Ängstlichkeit) und Offenheit bzw. Intellektualität
(Neugier, Explorierfreude). Diese Merkmale, und zu Typen vereinigte
Merkmalskonstellationen treten beim Kind sehr früh auf und zeigen sich durchaus
stabil, wenn auch nicht so stabil wie bei einem Erwachsenen.
Im Bereich Selbstkonzept und Selbstrepräsentation ist zu beobachten, dass Kinder
sehr früh Vorstellungen und Wissen über sich selbst entwickeln. Man unterscheidet
hier zwischen I und Me, das I ist das Selbst als Subjekt, das Me das Selbst als
Objekt: Das Kind übernimmt von der sozialen Umwelt vermittelte Vorstellungen über
sich selbst, wie beispielsweise Kategoriezugehörigkeiten, diese vereinigen sich im
Me, das I ist der aktiv damit handelnde, hier sitzt also die Freiheit und
Unvorhersagbarkeit. Manchmal werden diese beiden Persönlichkeitsteile auch als
existentielles und kategotiales Selbst bezeichnet. Kleinkinder und Vorschulkinder
beschreiben ihr Selbst meist durch körperliche Merkmale, Aktivitäten und soziale
Beziehungen. Späte Vorschul- sowie Grundschulkinder können Merkmale dagegen
schon verknüpfen, hier wird der Standpunkt anderer bereits handlungsleitend
wirksam. In der späten Kindheit werden einzelne Selbstrepräsentationen koordiniert,
auch gegensätzliche Eigenschaften können integriert werden, außerdem werden
soziale Vergleichsinformationen zur Selbstbewertung genutzt. Das Selbstkonzept teilt
sich in die Bereiche akademische Kompetenz, Leistungsmotivation, soziale
Kompetenz, Akzeptanz bei Gleichaltrigen, Depression bzw. Angst, und Aggression
bzw. Feindseligkeit. Ein differenziertes Selbstkonzept prägt sich sehr früh aus, im
Laufe der Jahre verfestigt es sich. Depressivität und Ängstlichkeit führen zu einer
Unterschätzung der eigenen Fähigkeiten, positive Kontrollüberzeugungen dagegen
führen zu mehr Engagement und damit zu besseren Schulleistungen und so zu einer
Stabilisierung der Kontrollüberzeugungen, dieser Prozess wird als Engelskreis
bezeichnet, ein Teufelskreis dagegen liegt vor, wenn bei negativen
Kontrollüberzeugungen die selben Prozesse wirksam werden und sie sich durch
schlechte Leistungen verfestigen. Beeinflusst wird dieser Kreislauf von der
Interaktion mit dem Lehrer, und dessen Bezugsnorm (individuell oder sozial).
Im Vorschulalter haben die Kinder meist ein Tüchtigkeitsselbst, sie beziehen sich
also darauf, was sie tun, in der Grundschule liegt dagegen ein Fähigkeitsselbst vor,
es geht also darum was man kann, man stellt einen Bezug zum Leistungsstand her.
Dieses Selbst wird von einem normativen Selbstbild abgelöst, das durch den
Vergleich mit signifikanten anderen entsteht, dann erfolgt der Übergang zu einem
normativ gesellschaftsbezogenen Selbstbild, das sich an wesentlichen Merkmalen
der Gesellschaft orientiert. Das Selbstbild des Kindes steht immer in Relation zu
seinem Menschenbild.
In der Kindheit ist das Spielen ein wichtiger Bestandteil, jedoch gibt es über die
Funktion des Spiels verschiedene Meinungen: Einige denken es ginge darum
überschüssige Energien aufzufangen, andere meinen das Spiel hätte
Erholungsfunktion, wieder andere behaupten es ginge um das Einüben wichtiger
Fähigkeiten und um die Ausbildung von Funktionen. Es wird zudem von Einigen die
Meinung vertreten, dass es sich nur um wirkliches Spielen handelt wenn ein
Spielobjekt vorhanden ist, das Spiel hat dann die Form eines Theaterstücks
bezüglich des Spannungsbogens. Der Sinn des Spiels besteht in einer existentiellen
Erregung die zum Bewusstwerden der eigenen Existenz führt oder in der Isolation
vom Leben durch das Entweichen in eine andere Welt. Merkmale des Spiels sind der
Selbstzweck, der zu einem flow-Erlebnis führen kann, der Wechsel des
Realitätsbezugs und Wiederholungen, die fast an Rituale erinnern. Freuds Theorie
zum Spiel dreht sich um Wunscherfüllung und Karthasis, tabuisierten Impulsen kann
nachgegeben werden, es herrscht das Lustprinzip, die Karthasishypothese nimmt an,
dass durch das Ausleben früherer Probleme und unerlaubter Triebwünsche eine
Reinigung geschieht, das Kind wird so zum Herrscher der Situation. Wygotski nimmt
an, das Spiel diene zur Realisierung unrealisierbarer Wünsche, die Kinder können
attraktive Tätigkeiten der Erwachsenen ausführen, ohne aufs Erwachsen werden
warten zu müssen. Piaget sieht im Spiel eine Assimilation als Gegenwehr, die
Umwelt wird an das Schema des Individuums angepasst, damit setzt es sich gegen
die Akkomodationszwänge der Wirklichkeit zu Wehr.
Es gibt verschiedene Formen des Spiels: das sensumotorische Spiel wird häufig bei
ein bis zweijährigen beobachtet, die Freude an bestimmten Körperbewegungen führt
zur Wiederholung, während der Zeit wird es immer mehr auf Gegenstände gerichtet.
Im Informationsspiel kommt Explorationsverhalten zum Ausdruck, hier steht der
Umgang mit Gegenständen im Mittelpunkt. Beim Konstruktionsspiel werden
Gegenstände genutzt um daraus einen Zielgegenstand herzustellen. Als-Ob-Spiele,
auch Symbol- oder Fiktionsspiele genannt sind die eigentliche kindliche Spielform,
Handlungen aus dem sozialen Umfeld, also aus der eigenen Erfahrungswelt werden
hier übernommen. Das Rollenspiel, in dem die Kinder fiktive Rollen bekleiden
erfordert bereits höhere soziale und kognitive Kompetenz. Regelspiele, meist
Wettkampfspiele (z.B. Fußball) erfordern meist spezifische Fähigkeiten oder
Kompetenzen die vorher erlernt werden müssen, hier geht es hauptsächlich um
Leistungsvergleiche. Welche Spielformen auftreten ist altersabhängig.
Beim Symbolsspiel bezieht sich der Akteur nicht mehr nur auf sich Selbst sondern
auch auf andere Personen, die Spielhandlungen sind im Vergleich mit den
vorherigen Spielformen (sensumotorisch, informativ, konstruierend) komplexer. Der
Spielgegenstand wird substituiert, was eine beträchtliche kognitive Leistung erfordert,
sowohl bei der bildhaften Vorstellung, als auch bei schlussfolgernden Denken. Beim
Sozialspiel beziehen sich alle auf den selben Gegenstand, dies erfordert
Metakommunikation also eine Einigung darüber was gespielt wird, diese Spielform
tritt erst mit etwa drei ein halb Jahren auf. Das Parallelspiel ist eine Zwischenform
zwischen Einzel- und Sozialspiel, die Kinder spielen nebeneinander her und
beobachten sich dabei gegenseitig.
Der Grund für das Spielen ist eine existenzsichernde und existenzsteigernde
Wirkung, es kommt zu einem Aktivierungszirkel: Aktivierung und Erregung steigern
sich bis zum Höhepunkt und fallen dann ab. Es findet ein intensiver Austausch mit
der Umwelt statt, spezifische Probleme können bewältigt werden, also Erfahrungen
die das Kind nicht einordnen kann, oder die unangenehm sind. Es werden sowohl
Entwicklungsthematiken, wie das Ausspielen von Macht und Kontrolle und
Allmachtsphantasien, als auch Beziehungsthematiken, wie Erfahrungen und
Probleme in der Sozialbeziehung zu Eltern , Geschwistern und Gleichaltrigen
bewältigt. Die Realitätsbewältigung erfolgt in drei Formen: Nachspielen der Realität,
Transformation der Realität und Realitätswechsel.
Die Schule ist für das Kind eine wichtige Umwelt, vor allem im Bereich der
Intelligenzentwicklung. Unter Intelligenz versteht man die Fähigkeit sich neuen
Gegebenheiten der Umwelt anzupassen und die Fähigkeit die Umwelt zu verändern.
Die Intelligenzverteilung entspricht der Gaußschen Normalverteilung, wobei dem
Mittelwert in den Tests der Wert 100 zugewiesen wird. Allen Einzelleistungen in den
verschiedenen Bereichen liegt eine gemeinsame Intelligenzbedingung zugrunde, die
als g-Faktor (Generalfaktor) bezeichnet wird. Die fluide Intelligenz entspricht am
ehesten dem g-Faktor, sie enthält Leistungen des Denkens, der Wahrnehmung, des
Gedächtnisses und der Motorik, sie nimmt ab einem bestimmten Alter ab. Die
kristalline Intelligenz bezieht sich auf die Bereiche Wissen und Sprache, ihr Wert
erhöht sich während der gesamten Lebensspanne. Die triarchische Theorie der
Intelligenz unterscheidet drei Bereiche: analytische, kreative und praktische
Fähigkeiten. Das individuelle Intelligenzniveau stabilisiert sich mit etwa elf Jahren,
was zum einen genetische Ursachen hat, sich aber zum anderen auf die Stabilität
der Umwelt, vor allem der schulischen Einflüsse zurückführen lässt. Mit der Dauer
des Schulbesuchs steigt die Intelligenzleistung an, bei zwei gleichaltrigen Kindern ist
im allgemeinen der intelligenter, der länger die Schule besucht hat. Bei der
Entwicklung der Intelligenz gibt es viele Risikofaktoren der Umwelt: Zum Beispiel
zeigt sich eine Abhängigkeit von Einflüssen durch die Mutter, ihr Verhalten, ihre
Theorien über Entwicklung, ihre Ängstlichkeit, ihre psychische Gesundheit und ihr
Bildungsniveau sind hier zu nennen. Auch soziale Unterstützung durch die Familie,
Familiengröße, stressreiche Lebensereignisse, Beruf der Eltern und benachteiligter
Minoritätsstatus machen sich bemerkbar. Wenn mehrere ungünstige Faktoren
zusammenkommen summiert sich ihr Einfluss. Die Umwelt entfaltet ein genetisch
bedingtes Ausgangspotential, Risikofaktoren beeinträchtigen diese Entfaltung.
Die Wechselwirkungen zwischen Intelligenz und schulischer Förderung erschweren
eine vorab Entscheidung über die Eignung und Zuweisung an eine bestimmte
Schulart. Die fördernde Wirkung der Schule bezieht sich aber nicht nur auf die
Wissensvermehrung, also die kristalline Intelligenz, es findet stattdessen eine
grundsätzliche kognitive Umstrukturierung statt, da Erfahrungen aus der persönlichen
Biographie nur im episodischen Gedächtnis gespeichert werden, während die Schule
Kategorien und eine wissenslogische Ordnung anbietet, die zu einer Speicherung im
semantischen Gedächtnis führt. Hier kommt der Schriftsprache eine wesentliche
Bedeutung zu, da sie eine maximale Dekontextualisierung bedeutet. Die
Schulbildung ist auch verantwortlich für das Verständnis von Syllogismen, also aus A
folgt B, was folgt dann aus nicht B? Zusammenhängen.
Der Kontakt und die Interaktion mit Gleichaltrigen fördert soziale Kompetenzen weit
mehr als der Umgang mit Erwachsenen, da die Interaktion hier symmetrisch erfolgt.
Bei der Informationsverarbeitung spielen sich folgende Prozesse ab: Der soziale
Stimulus wird kodiert, also in die kognitive Struktur eingefügt, dann gedeutet, danach
wird nach entsprechendem Antwortverhalten gesucht und dies bewertet, dann wird
das Antwortverhalten aktiviert, Rückmeldungen erlauben das Verhalten
einzuschätzen, zu verbessern oder zu korrigieren. Soziale Kompetenzen sind
bereichsspezifisch. Identität wird durch die Mitgliedschaft in einer Gruppe
mitbestimmt, man bezeichnet die als kollektive, oder soziale Identität, und meint
damit einen Teil des Selbstkonzepts, der aus dem Wissen resultiert zu einer Gruppe
zu gehören, die für das Individuum einen hervorgehobenen Wert und eine
emotionale Bedeutung hat. Der Wert der Gruppe ergibt sich aus dem sozialen
Vergleich mit anderen Gruppen, man spricht von Gruppenkohäsion, dem Wunsch zu
einer bestimmten Gruppe dazuzugehören.
Die soziale Kompetenz steht in engem Zusammenhang mit der emotionalen
Regulierung, also der Fähigkeit die eigenen Gefühle unter Kontrolle zu halten.
Freundschaften verändern sich im Laufe der Entwicklung, zunächst sind sie geprägt
von symmetrischer Reziprozität, also von gegenseitigem Geben, dann können Hilfe
und Gegenleistung über einen längeren Zeitraum koordiniert werden. Später ist eine
Freundschaft durch gegenseitiges Verstehen definiert. Bei der Wahl der Freunde
werden folgende Dimensionen berücksichtigt: Die Ähnlichkeit als Tiefenmerkmal, die
Altershomo-, bzw. –heterogenität als Oberflächenmerkmal und die räumliche Nähe
als sozioökonomisches Merkmal, welcher Dimension wie viel Bedeutung
beigemessen wird verändert sich mit dem Alter. Die Entwicklung weist eine Tendenz
zur zunehmenden Stabilität, zur größeren Differenziertheit von Verhaltensweisen und
zur Vermeidung von Wettbewerb unter Freunden auf.
Wachsende Empathie und Hilfsbereitschaft führt zu steigendem prosozialen
Verhalten, die Gründe für prosoziales Verhalten verändern sich jedoch mit dem Alter:
Der früheste Grund ist eine egozentrische Akkomodation, die aus dem Bedürfnis
resultiert eigenes Unbehagen zu vermeiden, dann kommt es zur instrumentellen
Kooperation, also zu einem Austausch von Hilfsleistungen, später bemüht sich das
Individuum um eine positive Bewertung durch andere, dann internalisiert es einen
Sinn für Verantwortung. Später zeigt sich ein autonomer Altruismus, der der
Optimierung des Nutzens für alle dient, es ergibt sich weiter ein ausbalanciertes
integriertes Netz aus sozialen Beziehungen, der höchste Entwicklungsschritt kann
dann als universelle Liebe bezeichnet werden. Prosoziales Verhalten ist gekoppelt
an bestimmte internale (psychische) und externale Bedingungen: Die Fähigkeit zur
Perspektivenübernahme muss gegeben sein und das Individuum muss eine
bestimmte Stufe im moralischen Urteil erreicht haben, wobei man hier beachten
muss, dass das Wissen nicht unbedingt zum Handeln führt, ist das moralische Urteil
noch hedonistisch geprägt hat dies einen negativen Einfluss auf prosoziales
Verhalten, ist es dagegen an den Bedürfnissen anderer orientiert zeigt sich ein
positiver Einfluss. Eine weitere Bedingung ist die Fähigkeit zu Mitgefühl, wobei hier
nicht Empathie sondern Sympathie gemeint ist, diese ist im Gegensatz zu Stress zu
sehen, der statt Hilfsbereitschaft eher den Wunsch weckt zu entfliehen. Auch
Persönlichkeitsmerkmale sind zu beachten, Selbstbehauptung und Selbstwertgefühl
haben einen positiven Einfluss, Dominanzstreben dagegen einen negativen, eine
hohe Emotionsregulation wirkt sich positiv aus. Auch Geschlechtsunterschiede
werden wirksam, Frauen zeigen zwar nur eine etwas stärkere Tendenz zu
prosozialem Verhalten aber die Art der Hilfe ist sehr unterschiedlich: Männer leisten
eher konkrete Hilfe, Frauen eher verbale, durch Trösten oder Ratschläge.
Familiengröße und soziale Schicht haben ebenfalls einen Einfluss auf prosoziales
Verhalten, und auch der auslösenden Situation kommt große Bedeutung zu, denn sie
muss zunächst als handlungsrelevant eingeschätzt werden, außerdem muss man die
eigenen Kompetenzen als hoch genug sehen um zu handeln.
In der Schule zeigt sich, dass Außenseiter nur sehr wenig prosoziales Verhalten
zeigen. Das soziale Zusammenleben ist von Kooperation und Wettbewerb bestimmt,
ab etwa neun bis elf Jahren wird der soziale Vergleich zur Normorientierung und zur
Selbstbewertung genutzt.
Jugendentwicklung
Die Jugend beginnt mit dem Eintritt der Geschlechtsreife, man unterteilt in frühe
Adoleszenz (11-14J), mittlere Adoleszenz (15-17J) und späte Adoleszenz (18-21J).
Die Forschung konzentriert sich auf die Bereiche Verlauf und psychische
Auswirkungen
der
Pubertät,
Bedeutung
adaptiver
und
konflikthafter
Bewältigungsmuster für die psychische Gesundheit, pubertärer Wandel und
Veränderungen in der Familieninteraktion.
Hall bezeichnet Adoleszenz als Sturm und Drang Periode, also eine Zeit extremer
Ausprägung des Erlebens und Verhaltens mit innerpsychischen und interpersonalen
Konflikten. Die Identität spielt in der Jugend eine wichtige Rolle, man bezeichnet mit
diesem Begriff eine Bindung an Sinnkonzepte, kulturelle Werte und die Orientierung
an Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft innerhalb der Gesellschaft. Hier ergibt
sich ein Problem in komplexen, sich rasch wandelnden Gesellschaften. Schule und
Subkultur der Gleichaltrigen werden in der Jugend zu einer wichtigen
Orientierungsinstanz, es kommt zu einer Entfremdung und zu Konflikten zwischen
der Jugend und der Elterngeneration. Dem Jugendlichen ist ein großes Spektrum
unterschiedlicher Wert- und Verhaltensalternativen geboten, dies führt aber auch zu
Ungewissheit und Entscheidungsunsicherheit und so zur Desorientierung. Dieser
Theorie klammert allerdings subkulturelle Unterschiede aus und pauschalisiert den
Generationenkonflikt. Die Theorie der sozialisierten Angst beschäftigt sich mit der
Verhaltensformung: Regelkonformes Verhalten wird von der Gesellschaft gebilligt
und belohnt, regeldiskonformes Verhalten dagegen missbilligt und bestraft, das führt
zu negativen Gefühlen, der sogenannten sozialisierten Angst, die durch
regelkonformes Verhalten reduziert und vermieden werden kann. Dadurch dass
Rollenerwartungen an Jugendliche aber unklar sind entsteht bei ihnen Unsicherheit
bezüglich des Verhaltens, die Jugendlichen sehen keine Möglichkeit die sozialisierte
Angst zu verringern und so kommt es zu einer emotionalen Beeinträchtigung.
Zur Jugendentwicklung gibt es eine Vielzahl von Theorien, die aus allen Bereichen
der Anlage Umwelt Dynamik stammen, einige legen das Gewicht auf die Anlage,
andere auf die Umwelt und wieder andere gehen von einer komplexen Interaktion
zwischen beidem aus.
Anna Freud beschreibt die Jugend über ein Ungleichgewicht aus Es und Ich, das
wegen der erhöhten Triebimpulse entsteht, zudem befinden sich Ich und Über-Ich in
Konflikt, das führt zu erhöhten Ängsten, die durch Abwehrmechanismen und durch
die Entwicklung neuer Formen der Impulskontrolle bewältigt werden können.
Abwehrmechanismen sind die Sublimation, also die Transformation von sexuellen
Impulsen in sozial akzeptierte Strebungen, die Verschiebung, also die Verlagerung
der Impulse auf andere Gegenstände und Personen und die Identifikation, wobei hier
die Eltern durch andere Modelle ersetzt werden, was zu einem Norm- und
Wertewandel führt. Neue Bewältigungsmechanismen sind die stärkeren kognitiven
Fähigkeiten und die Askese, also das Leugnen sexueller Bedürfnisse.
Erikson teilt jedem Lebensabschnitt spezifische Aufgaben zu die bewältigt werden
müssen, in der Jugend ist dies der Aufbau von Ich-Identität. Das Ich ist hier ein
System von Einstellungen, Motiven und Bewältigungsleistungen, die Bewältigung
von Krisen zeigt die wachsende Persönlichkeit. Die Entwicklung von Ich-Identität
bedeutet den Aufbau von Selbst-Konsistenz, man weiß also worin über Zeit,
Situationen und soziale Kontexte hinweg die Einheitlichkeit und Unverwechselbarkeit
der eigenen Person besteht. In der Adoleszenz müssen sexuelle und soziale
Veränderungen integriert werden, es muss eine Orientierung an der
Erwachsenenwelt erfolgen, wobei man eigene Werte und Positionen finden muss.
Werte, Ziele und Rollenübernahmen werden durch Krisen gefestigt. Die frühe und
mittlere Adoleszenz ist wegen dem Aufbrechen bestehender Identifikationen und
wegen dem Verlust der bisherigen Selbstidentifikation seht konflikthaft, eine
Synthese, also das Erlangen einer stabilen und integrierten Persönlichkeitsstruktur
gelingt erst in der späten Adoleszenz.
Havighurst definiert Entwicklungsaufgaben als Lernaufgaben. Hierbei ist die
physische Reifung eine universelle Basis dafür, wohingegen sich wegen
gesellschaftlicher Erwartungen kulturell relativ spezifische Entwicklungsaufgaben
stellen. Individuelle Ziele und Werte, die während des Lebens ausgebildet werden
sind die treibende Kraft für die aktive Gestaltung der eigenen Entwicklung.
Havighurst beschreibt sensitive Perioden die während der Lebensspanne für
bestimmte
Lernprozesse
besonders
geeignet
erscheinen.
Keine
der
Entwicklungsaufgaben in der Adoleszenz ist eine isolierte Thematik, alle sind
entweder die Fortsetzung einer Kindheitsaufgabe oder Vorbereitung auf eine
Aufgabe in der Erwachsenenzeit, der Jugendliche muss hier also multiple
Bewältigungsleistungen vollbringen.
Einige Entwicklungsaufgaben in der Jugend sind: Sich eine Peer herstellen, den
eigenen Körper akzeptieren, engere Beziehungen aufnehmen, sich eine Rolle
aneignen, sich von den Eltern lösen, sich über den Beruf Gedanken machen,
Vorstellungen über Familie und Partnerschaft entwickeln, sein Selbst kennenlernen
und Werte und eine Zukunftsperspektive entwickeln.
In der kognitiven Entwicklung zeigt sich in der Jugend eine unmittelbare Erweiterung
der Denkoperationen, eine quantitative Verbesserung der Informationsverarbeitung
und eine Veränderung bewusstseinsbildender Prozesse. Das Denken ist nun nicht
mehr länger auf die Wirklichkeit beschränkt, es können hypothetische Annahmen
gemacht werden, es bildet sich die Fähigkeit zur Abstraktion heraus, Metakognition
wird möglich, außerdem multidimensionales Denken, also das Einbeziehen von
mehreren Aspekten und die Relativität des eigenen Denkens wird erkannt.
Die kognitiven Veränderungen können mithilfe von Piagets Stufentheorie oder über
den Informationsverarbeitungsansatz erklärt werden, dieser differenziert
Teilfunktionen wie Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Metakognition und Strategien der
Informationsverarbeitung. Hier zeigt sich im Jugendalter eine Verbesserung in der
selektiven Aufmerksamkeit, in den Gedächtnisleistungen und in der Metakognition.
Auch die Fähigkeit zur sozialen Kognition nimmt zu und wird zunehmend
differenziert, der Jugendliche entwickelt Rollenverständnis und ein differenziertes
Verständnis im moralischen Urteil. Eine zunehmende Dekontextualisierung
ermöglicht formales Denken.
Bei körperlichen und psychosexuellen Veränderungen ist die säkulare Akzeleration
e8in wichtiges Phänomen, damit bezeichnet man die Vorverlagerung der Pubertät in
den Industrienationen. Dies führt dazu, dass die Kluft zwischen biologischem und
sozialem Erwachsensein immer weiter wächst. Vorverlagerte oder retardierte Reifung
innerhalb der Gesellschaft hat einen Einfluss auf die psychische Situation des
Betroffenen, so zeigen sich Spätreife unausgeglichener und unzufriedener und
haben zudem ein negativeres Selbstkonzept, während Frühreife ein erhöhtes Risiko
für Drogengebrauch und Devianz haben. Bei Jungs ist zu beobachten, dass
Frühreife oft eine übernommene Identität haben, während Spätreife eine erarbeitete
Identität vorweisen, bei Mädchen erweist sich Frühreife insofern als Nachteil, als das
sie von der Norm der Schlankheit und Grazie abweichen, Mädchen entwickeln so viel
häufiger ein negatives Körperbild als Jungs.
In der Grundschule erfolgt eine Geschlechtertrennung, Freundschaftsbeziehungen
und Cliquen bilden sich meist gleichgeschlechtlich, aufgrund gleicher Aktivitäten und
Vorlieben. Das andere Geschlecht wird zunehmend fremdartig und exotisch. Diese
Trennung ist ein notwendiger Entwicklungsschritt auf dem Weg zur sexuellen
Attraktivität des anderen Geschlechts in der Jugend und im Erwachsenenalter, denn
da wird das exotische erotisch.
Im Jugendalter zeigen sich bei der Partnersuche eher kurzfristige Strategien, z.B.
Dating. Junge Männer bezeichnen Sexualität oft als etwas das von der Beziehung
losgelöst existiert, in der Sexualität finden wir ein allgemeines Leistungsprinzip. Die
Koituserfahrungen haben sich in den letzten Jahrzehnten stark vorverlagert, die
Geschlechter nähern sich in ihrem Sexualverhalten einander an.
Erikson definiert die Identität als die Beantwortung der Frage wer man selbst ist, was
Kontinuität und Selbstsein beinhaltet, die sensible Phase für die Entwicklung von
Identität liegt in der Adoleszenz. Die Urteile bezüglich des Selbstkonzepts bleiben
über die Jugend hinweg vergleichsweise stabil, entgegen langläufiger Meinungen ist
es also keine Phase des Tumults oder des Umbruchs. Jedoch ist bei der
Identitätsentwicklung festzustellen, dass das Selbstbild zunehmend differenzierter
und organisierter wird, das Selbst wird kontextspezifisch konstruiert, Real- und
Idealbild werden stärker getrennt und auch authentisches und unauthentisches
Selbst werden unterschieden, außerdem lernen die Jugendlichen sich aus der Sicht
von anderen zu sehen und die Zeitdimension wird einbezogen.
Marcia unterscheidet vier Formen von Identität: Diffuse Identität, Moratorium, also
einen Zustand während dem man sich grade mit Identitätsfragen auseinander setzt,
übernommene Identität und erarbeitete Identität. Er urteilt mithilfe dreier
Dimensionen: Krise, Verpflichtung und Exploration, also der Erkundung des in Frage
stehenden Lebensbereiches. Nicht jeder durchläuft alle vier Formen und kommt am
Ende bei einer erarbeiteten Identität an, es gibt progressive, regressive und
stagnierende Verläufe. Beim Wechsel zwischen Identitätsformen ist meist folgender
Ablauf
zu
beobachten:
Lebensereignis,
Selbstwertsteigerung,
erhöhte
Kontrollüberzeugung. Bei der diffusen Identität lassen sich weiterhin vier Unterformen
unterscheiden: Entwicklungsdiffusion ist ein Übergangstadium zum Moratorium oder
zur erarbeiteten Identität. Menschen mit sorgenfreier Diffusion sind angepasst und
kontaktfreudig, aber ihre Kontakte sind meist oberflächlich, von kurzer Dauer und
ohne verbindliche Werte. Störungsdiffusion ergibt sich aufgrund eines Traumas oder
eines unbewältigten kritischen Lebensereignisses, diese Personen sind häufig isoliert
und haben unrealistische Größenphantasien. Der Grund für eine kulturell adaptive
Diffusion liegt in der multikulturellen Gesellschaft, die Offenheit, Unverbindlichkeit
und Flexibilität fordert, am letzten Typ kann noch eine Ausdifferenzierung
vorgenommen werden, hier findet sich der traditionelle Typ, der elterliche Muster
wiederholt, Normalität ist ihm wichtig, aber im Gegensatz zur übernommenen
Identität hält er sich an keine tieferen Verpflichtungen. Der „Surfer“ gleitet wach und
spielerisch dahin, während er ständige Positionskorrekturen vornimmt. Der Isolierte
ist dagegen rat- und hilflos, eine Patchworkidentität hat keinen festen Identitätskern.
Die Selbstdiskrepanztheorie beschäftigt sich mit den intrapersonellen Konflikten, die
das Individuum austrägt, hierzu werden Aktual-Selbst, also der augenblickliche
Zustand, Ideal-Selbst, also der angestrebte Zustand und Sollen-Selbst, also die
innere Repräsentation von Verpflichtungen unterschieden. Es gibt verschiedene
Formen der Selbstdiskrepanz: Stimmen Aktual- und Ideal-Selbst nicht überein führt
das zu Enttäuschung und Unzufriedenheit, Stehen Aktual-Selbst und Aktual-Andere,
also das Bild, das andere von einem haben in Konflikt führt das zu Scham und
Verlegenheit. Wenn Aktual-Selbst und Sollen-Andere Differenzen aufweisen wird das
als bedrohlich erlebt und ruft furcht hervor. Sind Aktual- und Sollen-Selbst in Konflikt
führt das zu Schuldgefühlen und Selbstverurteilung. Im Jugendalter sind
hauptsächlich Real-Ideal Diskrepanzen bedeutsam.
Die Theorie der symbolischen Selbstergänzung geht davon aus, dass für das eigene
Selbst Symbole verwendet werden, z.B. Kleidung, Accessoires, Frisuren, verbale
Ausdrücke, Musikvorlieben, etc. insbesondere wenn das Selbst verletzt oder
unsicher ist, werden sie zur Kompensation genutzt. In der Jugend führt die
beginnende Selbstreflexion zu einer erhöhten Selbstaufmerksamkeit und so zu einer
höheren Sensibilität für Defizite und Verletzungen des Selbst, die dann kompensiert
werden.
Eine weitere Theorie geht von zwei unterschiedlichen Identitäten aus: einer
autonomen und einer mutuellen. In der autonomen Identität wird der Mensch als
Wesen begriffen, das sich selbst und seine Möglichkeiten erkennt, feste Lebensziele
und Wertvorstellungen hat und über sich selbst Kontrolle besitzt. Dilemmata und
Konflikten wird in dieser Phase durch Geradlinigkeit aus dem Weg gegangen, die
Sozialbeziehungen sind von Respekt, Autonomie und Toleranz gegenüber anderen
geprägt. Beim Übergang zur mutuellen Identität findet eine qualitative
Strukturveränderung statt, es wird erkannt, dass der Widerspruch wesentlich zum
Menschen gehört, man befindet sich also in permanentem Konflikt. In den
Sozialbeziehungen werden Widersprüche und Unvereinbarkeiten aufgearbeitet.
Für den Suizid ist die Jugend ein besonders kritisches Alter, hier ist festzustellen,
dass Mädchen öfter Suizidversuche machen, Jungs ihn aber öfter vollziehen, als
Motiv sind meist soziale Konflikte anzuführen. Man kann den Weg zum Suizid in
verschiedene Stadien einteilen, zunächst wird er erwogen, aus sozialer Isolierung,
aus Stress, Identitätsverletzung und Aggressionshemmung, auch Modelle aus der
Umwelt sind hier entscheidend. Dann wird abgewogen, meist erfolgt jetzt eine
Ankündigung, die als Hilferuf oder Versuch der Kontaktaufnahme zu verstehen ist.
Als letztes erfolgt der Entschluss. Nach der Diskrepanztheorie liegt eine
Identitätsstörung vor, die den Wunsch nach Flucht vor dem Selbst weckt. Die Distanz
zwischen Real- und Idealbild ist zu groß, dann erfolgt eine Selbstattribuierung, also
man weist sich selbst die Schuld daran zu, es folgt erhöhte Selbstaufmerksamkeit
und negative Affekte, wie Angst und Depression. Die kognitive Destruktion des
Selbst führt dann zur Enthemmung.
Der Jugendliche hat die Position einer Marginalperson, also einer Randfigur, die sich
zwischen Kindheit und Erwachsensein befindet. Er bewegt sich zwischen zwei
Lebensregionen: der Familie und der Peer-group. Die Aufgabe die sich dem
Jugendlichen stellt, ist sich von der Familie zu lösen und ein eigenständiges Leben
aufzubauen, auf diesen Versuch kann die Familie in unterschiedlicher Weise
reagieren: Sie kann versuchen den Jugendlichen festzuhalten oder ihn zum Teil
festhalten, zum Teil ausstoßen, quasi an der langen Leine (Delegationsmodus), oder
sie kann ihn ganz vernachlässigen und ausstoßen (Ausstoßungsmodus). Der
Dissens zwischen Familie und Jugendlichem ist als normal anzusehen, fast bei
jedem verschlechtert sich das Wohlbefinden im Elternhaus zwischen dem Zwölften
und sechzehnten Lebensjahr. Eine Theorie besagt, dass die Pubertät zwangsläufig
zu einer emotionalen Distanzierung führt, dagegen steht die Dämpfungshypothese,
laut der eine stärkere Bindung an die Eltern zu weniger Ängstlichkeit und
Depressivität führt.
Auch bezüglich der Einflüsse der Berufstätigkeit der Mutter gibt es zwei Hypothesen,
die eine besagt, dass der erhöhte Stress der Mutter zu weniger Zuwendung für die
Kinder führt und die daher stärker gefährdet sind. Die andere geht davon aus, dass
sich durch die Berufstätigkeit der Mutter ihr Wohlbefinden erhöht, was sich dann
positiv auf die Familie auswirkt. Es ist zumindest nachzuweisen, dass sich in der
frühen Adoleszenz kein negativer Einfluss ergibt, und das höchstens die Ablösung
vom Elternhaus leichter vollzogen wird, da die Gefahr der Überbehütung nicht
gegeben ist. Außerdem ist besonders beim Einfluss auf die Töchter die
Modellfunktion der Mutter nicht außer Acht zu lassen.
Die Peer-Gruppen erfüllen eine wichtige Funktion, da hier im Gegensatz zur
Interaktion mit Erwachsenen Gleichheit und Souveränität gegeben sind. Innerhalb
der Peer zeigen sich klare Dominanzhierarchien, gepaart mit altruistischem Verhalten
um sich von anderen Gruppen abzugrenzen, es zeigt sich dass das dominanteste
Gruppenmitglied auch am prosozialsten ist. Die ausgeprägten Jugendstile sind mit
Lebensstilen nicht zu verwechseln, da sie später selten realisiert werden. Die
Kommunikation innerhalb der Gruppen erfolgt auch durch soziale Interaktion also
durch soziales Handeln oder durch nonverbale Kommunikation über materielle
Objekte. Der Jargon ist meist kurz, knapp und stark simplifiziert und erzeugt ein
Gefühl der Zusammengehörigkeit. Jugendliche die in Cliquen gebunden sind setzen
sich meist von den Leistungsnormen der Erwachsenenwelt ab, während Isolierte die
stärkste Erwachsenenorientierung zeigen. Freundschaften sind in der frühen
Adoleszenz noch nicht sehr tief oder wechselseitig, dagegen wird in der mittleren
Adoleszenz die Sicherheit in der Beziehung besonders akzentuiert, Loyalität und
Wechselseitigkeit sind wichtig. In der späten Adoleszenz wird Freundschaft wieder zu
einer entspannten gemeinsamen Erfahrung. Zusammen mit den Peers werden
immer mehr Ort aufgesucht, die es ermöglichen sich dem anderen Geschlecht zu
nähern, je erfolgreicher Jugendliche in ihren Partnerschaften sind, desto größer ist
der Zugewinn für ihr Selbstbewusstsein. Entgegen der Annahme das Elternhaus und
Peer einander entgegenwirkende Umwelten sind, zeigt sich dass ein enger
Zusammenhang zwischen den als positiv wahrgenommenen Beziehungen zu den
Eltern und den positiven Peerkontakten besteht.
Piaget und die Informationsverarbeitungstheorien
Die interne geistige Repräsentation der Welt verändert sich im Laufe der
Entwicklung, die menschliche Erkenntnis ist eine Konstruktion und kein Abbild der
Realität, diese Konstruktion ist eine aktive Leistung und verändert sich während der
Entwicklung. Die innere Strukturierung dieser Konstruktion liefert für
wahrgenommene Ereignisse mithilfe von Schemata und Skripts einen
Interpretationsrahmen, diese übergeordneten Denkstrukturen sind für die kognitiven
Leistungen, aber auch Beschränkungen verantwortlich. Die Entwicklung ist daher
eine Veränderung der kognitiven Gesamtstruktur. Die klassische Stadientheorie
besagt
das
die
Kognition
nicht
nur
quantitative,
sondern
durch
Restrukturierungsprozesse auch qualitative Veränderungen erfährt, die Stadien
bilden dabei eine invariante Sequenz, es können also keine Stadien übersprungen
werden, und auch ein Rückfall auf ein früheres Stadium ist ausgeschlossen. Auch ist
die Abfolge der Stadien universell, also nicht von kulturellen oder
Umweltgegebenheiten abhängig.
Piaget unterscheidet vier Hauptstadien, die sich durch charakteristische Geistige
Fähigkeiten und Einschränkungen unterscheiden. Das sensumotorische Stadium ist
das erste, die Aufgabe hier ist die Entwicklung eines Objektbegriffs, das Kennzeichen
hierfür ist die Objektpermanenz, also die Einsicht, das Dinge auch existieren, wenn
man sich nicht grade mit ihnen beschäftigt. Für ein kleines Kind gewinnen Objekte
nur durch Handlungen Existenz, denn sie konstruieren sich ihre Wirklichkeit durch
aktive, handelnde Auseinandersetzung mit der Umwelt. In den ersten zwei
Lebensjahren erfolgt dann eine zunehmende Differenzierung zwischen Objekt und
Handlung, die aber an den Handlungsspielraum gebunden ist. Die kognitive
Grundlage für die Auseinandersetzung mit der Umwelt ist das sensumotorische
Schema, dies ist eine spezifische Form der Interaktion mit der Umwelt , und enthält
alles Wiederholbare und Generalisierbare. Einzelne Schemata werden während der
Entwicklung modifiziert und miteinander kombiniert, können später auch koordiniert
werden. Durch diese Koordination entstehen Mittel-Ziel Verbindungen. Den
Übergang zur nächsten Phase kennzeichnet das symbolische Problemlösen, das auf
Denken basiert, und nicht auf Versuch und Irrtum. Bei diesem Übergang beginnt der
Spracherwerb, Imitationen können verzögert auftreten und das symbolische Spiel
wird möglich. Die Kinder haben jetzt eine Vorstellung von Objektpermanenz, wenn
man ihnen einen Gegenstand zeigt und ihn dann versteckt, suchen sie danach,
vorher wurde er nicht mehr beachtet. Die Kinder haben jetzt alles gelernt, was man
durch sensumotorische Schemata lernen kann. Die nächste Phase ist das
präoperationale Denken (2-7J), eine mentale Repräsentation der Welt ist zwar
vorhanden, Operationen, also eine mentale Manipulation der Repräsentation, sind
aber nicht möglich. Operationen sind internalisierte Handlungen, sie erfordern mental
symbolische Repräsentation, verinnerlichte Formen der Handlung, organisierte
Strukturen und logische Verknüpfungen. Beispiele dafür sind Reversibilität, Negation
und Kompensation. Viele Denkfehler, die bei Kindern in diesem Alter zu beobachten
sind, deuten auf eben dieses Fehlen von Operationen hin: Wasser wird von einem
schmalen in ein breites Gefäß gekippt, Kinder behaupten in dem Gefäß sei jetzt
weniger Wasser, weil es nicht mehr so hoch steht, die Repräsentation ist also nur
durch Anfangs- und Endzustand gegeben, nicht durch die Transaktion dazwischen.
Die Handlung ist so nicht reversibel, kann also nicht zurückverfolgt werden. Auch ist
es dem Kind nicht möglich mehr als nur eine Aufgabendimension zu betrachten, sie
merken also nicht, dass die Breite des Gefäßes, die fehlende Höhe ausgleichen
könnte. Auch zeigt sich in dieser Phase der kindliche Egozentrismus, sie können
nicht den Standpunkt eines anderen nachvollziehen, wenn sie eine Landschaft von
einer Position her sehen, ein anderes Kind von einer anderen, können sie sich nicht
vorstellen, dass das andere Kind die Landschaft anders sieht. Kausalität wird in
diesem Alter intentionalistisch und nicht mechanisch betrachtet, wenn sich leblose
Dinge bewegen wird ihnen ein eigener Wille zugeschrieben, die Kinder haben also
ein animistisches Weltbild.
Der Übergang zur nächsten Phase wird mit dem Erkennen der Invarianz von Masse
eingeleitet, diese kann über Reversibilität (man kann das Wasser ja auch wieder
zurückschütten) erklärt werden, transitive Schlüsse können gezogen werden (wenn
a=b und b=c dann a=c), eine soziale Perspektivenübernahme wird möglich, es zeigt
sich kein Animismus mehr und Klasseninklusion wird gezeigt. Logische Operationen
werden also möglich. Diese Phase nennt man konkret-operationales Denken,
allerdings sind diese Operationen nur auf einer konkreten Anschauungsebene
möglich, ab etwa 12 Jahren ist das formal operationale Denken erreicht,
hypothetisches und theoretisches Denken wird möglich, Operationen können auf
Operationen angewandt werden. Man kann jetzt ein wissenschaftliches Vorgehen
beobachten: Eine Hypothese wird aufgestellt und sie wird systematisch getestet (eine
Größe wird verändert, alle anderen konstant gehalten). Reflexionen über das eigene
Denken (Metakognition) ist möglich.
Der Entwicklungsmechanismus, den Piaget beim Übergang zwischen den Phasen
annimmt ist ein Äquilibrationsprozess, die strukturellen Veränderungen sind das
Ergebnis eines ständigen dynamischen Wechselspiels von Anpassungsprozessen.
Die Struktur wird verändert wenn ein Diskrepanzerlebnis auftaucht, also ein
Ungleichgewicht zwischen dem kindlichen Situationsverständnis und den
Anforderungen der Situation besteht, wenn also beispielsweise Vorhersagen nicht
eintreten. Das Kind strebt aber nach Gleichgewicht, ihm stehen hierzu zwei
Reaktionen zur Verfügung: Assimilation bedeutet die neuen Informationen in die
alten kognitiven Strukturen zu integrieren, wobei die unpassenden Komponenten
ignoriert werden. Eine Akkomodation bedeutet die Anpassung der kognitiven
Strukturen, an die neuen Erfahrungen, hier findet also eine Umstrukturierung statt,
einen neue Phase wird erreicht. Diese Wiederherstellung des Gleichgewichts nennt
Piaget Reäquilibration.
Für Piagets Theorie gibt es zwei Hauptkritikpunkte: Einige Untersuchungen haben
herausgefunden, dass Piaget den Ausgangszustand des Kindes, also die kognitiven
Möglichkeiten, die einem Säugling zur Verfügung stehen stark unterschätzt. Die
kognitiven Fähigkeiten, wie beispielsweise die Objektpermanenz waren bereits
vorhanden, entsprachen aber nicht den motorischen Möglichkeiten des Kindes, wenn
der Versuch entsprechend vereinfacht wird, kann das Suchen nach dem Gegenstand
durchaus gezeigt werden. Auch konnten die Einschränkungen bei den logischen
Operationen nicht immer bestätigt werden, auch wurden bereichspezifische
Unterschiede in den Stadien gefunden, ein Kind kann also im Bereich Mathematik
und Naturwissenschaften durchaus schon formal operieren, während es in
sprachlichen Bereichen noch in der konkret operationalen Phase ist. Beim
präoperationalen Denken konnten die Defizite durch eine Vereinfachung der
Aufgaben behoben werden, der Animismus zeigte sich nur bei mangelndem
Vorwissen, bei lösbaren Aufgaben wurde durchaus die Ursache für ein Ereignis
gesucht. Bei transitiven Schlüssen haben die Kinder vor allem Probleme sich die
Prämissen zu merken, dieses Defizit könnte also auch durch eine Erweiterung des
Gedächtnisses behoben werden.
Die Informationstheoretiker betrachten im Gegensatz zu Piaget das Kind nicht als
Forscher oder Wissenschaftler sondern als Computer. Sie erklären die Entwicklung
des Kindes über Unterschiede in der Informationsverarbeitung zwischen Kindern und
Erwachsenen, es geschehen also Veränderungen in der Repräsentation und
Verarbeitung. Die Grundannahme ist, dass die Informationsverarbeitung begrenzt ist,
die zunehmende geistige Leistungsfähigkeit sich aber durch eine Erweiterung der
Begrenzung, z.B. durch Strategien ergibt. Automatisierung erhöht die
Verarbeitungsgeschwindigkeit und die Kapazität: 2 Items bei zweijährigen, 5 Items
bei siebenjährigen und 7 Items bei Erwachsenen.
Neo-Piaget Theorien führen die qualitative Veränderung bei Piaget auf eine
quantitative Veränderung der Verarbeitungskapazität zurück. Auch bei Piaget war
beispielsweise die gleichzeitige Beachtung mehrerer Aufgabendimensionen
grundlegend für die Entwicklung. Differenzierte Aufgabenanalysen erfordern, je nach
Lösungsweg der Aufgabe und Menge der angewandten Schemata eine höhere
Kapazität. Die Stadien sind bei dieser Theorie weiterhin bereichsübergreifend, sie
werden aber über den Informationsverarbeitungsansatz reinterpretiert.
Case dagegen geht nicht von einem Anstieg der Kapazität sondern der Effizienz aus.
Im Kurzzeit- bzw. Arbeitsgedächtnis steht ein konstanter Platz zur Verfügung, aber
dadurch, dass immer weniger Platz für die Operationen benötigt wird, bleibt mehr für
das Ergebnis der Operationen übrig. Auch er nimmt vier Stadien an, die denen
Piagets ähneln (sensumotorische Operationen, repräsentationale Operationen,
logische Operationen und formale Operationen), sie zeichnen sich durch eine
fortschreitende Komplexität und Abstraktion aus. Die Übergangsmechanismen
unterscheiden sich jedoch deutlich von denen Piagets, Automatisierung, biologische
Reifung und die Veränderung zentraler begrifflicher Strukturen sind hier die
Entwicklungsmotoren. Die Repräsentation bereichsspezifischer Wissenskerne erfolgt
in semantischen Netzwerken, und kann auf domänspezifische Aufgaben angewandt
werden, aber auch bereichsübergreifende Zusammenhänge werden erkannt, so dass
man wieder von globalen Stadien der Entwicklung ausgehen kann. Welche
Wissenskerne vorhanden sind, und welche Strukturen bereits erworben wurden
beeinflussen den künftigen Wissenserwerb. Die Unterschiede zu Piagets Theorie
liegen darin, dass keine logischen, sondern semantische Strukturen angenommen
werden, außerdem liegt mehr Gewicht auf spezifischen Lernprozessen.
Siegler betrachtet die kognitive Entwicklung als adaptive Strategiewahl, die
Höherentwicklung erfolgt nicht Stufenweise, wie bei einer Treppe sondern durch sich
überlappende Wellen. Er beobachtete einen U-förmigen Verlauf der Entwicklung,
eine neue Strategie wird mal angewandt, und mal nicht, der Strategiegebrauch
variiert also intraindividuell. Auch interindividuelle Unterschiede in der Entwicklung
lassen sich ausmachen, eine breite Generalisierung ist also nicht möglich. Die von
Piaget angenommenen Quellen der Entwicklung konnten von Siegler nicht bestätigt
werden. In seiner Theorie steht nicht so sehr der Erwerb der Strategien, wie bei den
klassischen Informationsverarbeitungsansätzen, sondern die Auswahl zwischen den
Strategien, also die Selektion der Alternativen im Vordergrund.
Zur Entstehung des begrifflichen Wissens wird die Theorie Theorie herangezogen,
sie nimmt an, dass Wissen sich bereichspezifisch entwickelt, und das Wissen über
wichtige Bereiche theorieähnlich organisiert ist. Diese Theorien ähneln
wissenschaftlichen Theorien, sind aber von Laien selbst gebildet und können daher
wissenschaftlichen Tatsachen widersprechen. Die Laien bilden Theorien und
überprüfen sie in Auseinandersetzung mit ihren eigenen Erfahrungen und revidieren
sie gegebenenfalls. Diese intuitiven Theorien sind im Gegensatz zu
wissenschaftlichen nicht reflektiert, aber sie sind genauso bereichspezifisch,
enthalten ontologische Festlegungen, also Definitionen welche Arten von Dingen
existieren, und Kausalgesetze. Wenn also Ereignisse wahrgenommen werden,
werden diese Theorien darauf angewandt, was zu einer gewissen
Voreingenommenheit führen kann. Die kognitive Entwicklung wird als ein Prozess
des Theorienwandels begriffen, ähnlich einem Paradigmenwechsels in der
Wissenschaft. Neue Begriffe entstehen und können sowohl bekannte als auch neue
Phänomene erklären, so ersetzt die neue Theorie die alte. Diese Veränderungen
sind zwar dramatisch, spielen sich aber nur in der einen betroffenen Domäne ab, und
haben keinen Einfluss auf andere Bereiche. Die wichtigen Domänen dieser Theorie
sind intuitive Physik, Biologie und Psychologie.
Moralische Entwicklung und moralische Sozialisation (Kohlberg und Piaget)
Piaget begann bei seiner Untersuchung mit dem Verständnis von Spielregeln, auch
hier teilte er in Stadien ein: Zunächst sind sie motorisch-individuell, dann
egozentrisch, danach beginnt die Kooperation zwischen den Spielpartnern, dann
werden Regeln kodifiziert und zuletzt ausgehandelt. Wenn jüngere Kinder eine
Handlung beurteilen beachten sie die Größe des Schadens, ältere Kinder dagegen
die Absicht, der die Handlung folgte. Piaget beschrieb den Übergang von einer
heteronomen zu einer autonomen Moral. Eine heteronome Moral liegt bis etwa 10-12
Jahren vor, sie ist von einer starken Autoritätsorientierung geprägt, Regeln werden
als gegeben hingenommen, Egozentrismus ist vorherrschend, Strafe wird als
Vergeltung betrachtet, auch Unglück kann eine Strafe sein. Gerechtigkeit ist eine
Autoritätsentscheidung, Lüge ist nichts weiter als ein hässliches Wort. Die autonome
Moral entsteht mit etwa 10-12 Jahren und ist nicht länger an Autorität sondern an
Prinzipien orientiert, Regeln werden als Konventionen betrachtet, es liegt Reziprozität
vor, also eine Einbeziehung der Standpunkte des anderen. Strafe ist eine
Wiedergutmachung und ein Lernangebot, Unglück dagegen ist das Ergebnis von
Zufall
oder
Nachlässigkeit.
Gerechtigkeit
wird
als
Gleichheit
und
Bedürfnisentsprechung interpretiert, Lüge ist eine Unwahrheit, der eine
Täuschungsabsicht zugrunde liegt.
Kohlberg orientierte sich bei seiner Stufentheorie an Piaget, er entwickelte zunächst
drei
Stufen:
Autoritätsorientierung,
Konventionsorientierung
und
Prinzipienorientierung,
er
benannte
sie
dann
bezogen
auf
die
Konventionsorientierung um und teilte jeder Phase zwei Unterstufen zu: Die erste
Stufe der präkonventionellen Phase („Strafe und Gehorsam“) orientiert sich an
erfahrener Strafe und Belohnung, ohne die Autorität in Frage zu stellen, die zweite
Stufe („naiver instrumenteller Hedonismus“) folgt der Zweckmäßigkeit, wendet also
ein Kalkül an, so dass jeder einigermaßen gut wegkommt. Die zweite Phase ist
konventionell, in der ersten Stufe („Interpersonelle- Gruppenperspektive“) richtet sich
die Moral nach dem guter Junge, gutes Mädchen Stereotyp, die Absicht der
Handlung wird mitberücksichtigt, in der zweiten Stufe („Gesellschaftsperspektive“)
werden hierbei auch gesamtgesellschaftliche Aspekte miteinbezogen. In der
postkonventionellen Phase ist die erste Stufe („sozialer Kontakt“) gekennzeichnet
durch die Einsicht, dass eine Gesellschaft auch ungerecht sein kann, und dass
Gesetze, da sie nur Konventionen darstellen verändert werden können, die zweite
Stufe („universelle ethische Prinzipien“) bemüht sich darum universelle ethische
Prinzipien zu finden. Eingeteilt wurden diese Stufen nach den Begründungen, die
verschieden alte Kinder zu ihren Antworten auf das Heinz Dilemma gaben: Heinz
Frau ist sterbenskrank, es gibt nur ein Medikament, dass ihr das Leben retten würde,
Heinz hat aber nicht genug Geld es ihr zu kaufen, soll er es stehlen oder nicht? Nicht
die Antwort (Ja oder Nein) war für die Einteilung wichtig, sondern die Begründungen:
Nein weil es verboten ist, Ja, weil er es seinem Gewissen schuldig ist, Nein, weil die
Gesellschaft zusammenbrechen würde, wenn alle so handelten etc.. Die erste
Antwort wäre erste Phase, erste Stufe, die zweite dritte Phase, zweite Stufe, die
dritte Antwort zweite Phase, zweite Stufe.
Es zeigte sich eine hohe Korrelation mit Piagets Stufen der kognitiven Entwicklung.
Die Unabhängigkeit von der Art des Dilemmas ist aber nicht gegeben, es zeigte sich,
dass die Begründungen von der Nachvollziehbarkeit und von der Nähe zum
Lebensbereich der urteilenden Person abhängen. Auch konnte die Frage nach der
Abhängigkeit von internalisierten Autoritäten nicht beantwortet werden. Das Urteil
von Frauen zeigte sich in Untersuchungen von dem der Männer verschieden, Frauen
zeigen mehr Anteilnahme und beziehen die Komplexität der Situation mehr mit ein,
während das männliche Urteil abstrakter und distanzierter ist, und so mehr auf Logik
basiert. Die Universalität ist ebenfalls nicht gegeben, in einer kleinen dörflichen
Gemeinschaft ist die zweite Phase, erste Stufe durchaus ausreichend, die
Einbeziehung größerer gesellschaftlicher Zusammenhänge ist nicht nötig.
Für die moralische Erziehung zeigte sich, dass das zur Kenntnisnehmen höherer
Urteile keinen Effekt auf das eigene Urteil hat, dagegen die Diskussion über höhere
Argumente schon. Besonders wenn diese genau eine Stufe höher liegen (Plus eins
Methode) wirkt sich das auf eigenes argumentieren aus. Disäquilibrierung, also das
Schaffen von Diskrepanzerlebnissen wirkte sich ebenfalls positiv aus, weswegen
ähnliche Prozesse, wie bei Piagets Stufenübergang angenommen werden, die
höhere Stufe ist dabei in der Lage, die Widersprüche aufzulösen und zu integrieren.
Gedächtnisentwicklung
Die Informationsverarbeitungstheorien konzentrieren sich auf den Erwerb von
Gedächtnismechanismen und universelle Entwicklungsabläufe im Gedächtnis. Hierzu
werden verschiedene Gedächtnismodelle herangezogen, besonders untersucht sind
deklarative Gedächtnisinhalte, also bewusste, bzw. explizite Gedächtnisinhalte.
Indirekte, bzw. implizite Gedächtnisleistungen dagegen sind die verhaltenswirksamen
Nutzungen von Erfahrungen, dies läuft nicht bewusst ab. Der klassische Versuch zur
Untersuchung des Gedächtnisses ist das Auswendiglernen von Wortlisten, die sich
zum Teil in Kategorien einteilen lassen, das Reproduzieren kann durch freies oder
unterstütztes Erinnern (Wiedererkennen) geschehen. Untersuchte Bereichsfelder
sind so das strategische Lernen und das Erinnern nach absichtlichem (intentionalen)
Informationserwerb, weniger erforscht ist dagegen das langfristige Lernen, störende
Gedächtnisinhalte und das Lernen ohne Strategie.
Unterscheiden muss man das episodische und das semantische Gedächtnis, im
episodischen sind spezifische und raum-zeitlich lokalisierbare Ereignisse
gespeichert, im semantischen dagegen strukturiertes und organisiertes Wissen, das
vom Kernkontext unabhängig ist und langfristig erhalten bleibt. Informationserwerb
und Abruf sind eng verzahnt, das episodische Gedächtnis nimmt bis zum Alter von
20 Jahren steil zu, erreicht dort einen Höhepunkt und fällt dann langsam aber stetig
ab. Zur Beschreibung des Gedächtnisses gibt es drei verschiedene Modelle: Das
Speichermodell, das Prozessmodell und das Gedächtnissystemmodell. Das
Speichermodell nimmt drei verschiedene Teile des Gedächtnisses an: das
sensorische Register, in dem alle wahrgenommenen Informationen, wie eine analoge
Kopie für kurze Zeit gespeichert werden, das Kurzzeitgedächtnis, in das von der
Aufmerksamkeit ausgewählte Informationen aus dem sensorischen Register
gelangen, um weiterverarbeitet zu werden, und das Langzeitgedächtnis in dem die
Informationen dann abgelegt werden wenn sie sinnvoll assimiliert werden konnten.
Von hier ist ein erneuter Abruf in den Arbeitsspeicher, also das Kurzzeitgedächtnis
möglich.
Das
Prozessmodell
betrachtet
die
Verarbeitungsprozesse:
Informationserwerb, Speicherung und Abruf, die Verarbeitung kann auf
verschiedenen Ebenen geschehen: Eine bedeutungshaltige also tiefe Verarbeitung
bedeutet die semantischen Inhalte der Information zu erfassen, eine
bedeutungsarme oder oberflächliche Verarbeitung beschränkt sich auf die
perzeptiven Merkmale der Information. Eine tiefe Verarbeitung führt zu einer
besseren Behaltensleistung und zu einer besseren Abrufbarkeit. Das dritte Modell ist
ein Komplexes Gedächtnissystem, das auch nicht deklarative Gedächtnisinhalte mit
einbezieht. Darunter fallen Fertigkeiten, also prozedurale Gedächtnisinhalte,
außerdem perzeptuell semantische Inhalte, also alte und neue Informationen,
Dispositionen, wie Ergebnisse einer klassischen oder operanten Konditionierung und
nicht assoziative Inhalte, wie Habituierung und Sensitivierung. Durch
unterschiedliche Bedingungen in der Lern- und Abrufphase werden deklarative und
nicht deklarative Gedächtnisleistungen gehemmt oder gefördert, Amnesien betreffen
meist nur das deklarative Gedächtnis. Deklarative Speicherung ist erst ab dem dritten
bis zwölften Monat möglich.
Das Gedächtnis von Säuglingen wird über Präferenz oder Habituierungsmethoden
untersucht: Unbekannte Gegenstände werden von Säuglingen länger betrachtet, so
sind Rückschlüsse über die Repräsentationen im Gedächtnis möglich. In den ersten
Wochen und Monaten zeigt sich ein gutes Gedächtnis für statische Gegenstände
und ihre Merkmale, dynamische Informationen dagegen werden recht schnell wieder
vergessen: Wenn man bei einem Kind Verhaltensweisen operant konditioniert,
werden die erlernten Fähigkeiten bereits nach einer Woche wieder vergessen.
Objektpermanenz zeigt sich im Gegensatz zu Piagets Annahmen bereits mit vier
Monaten, verzögerte Nachahmung bereits mit 16 Monaten. Als kindliche Amnesie
wird der Umstand bezeichnet, dass sich Erwachsene nicht an Ereignisse vor dem
dritten Lebensjahr erinnern Können.
Der Umfang, bzw. die Kapazität des Gedächtnisses wird gemessen an der Zahl der
unverbundenen Einzelelemente die bei schneller Präsentation behalten werden, bei
einem Erwachsenen sind das 7 (+-2 Items). Die Kapazität variiert mit dem Alter, die
Kapazitätshypothese nimmt an, dass die Ursache für die unterschiedliche
Leistungsfähigkeit des episodischen Gedächtnisses hier zu suchen ist. Die Kapazität
steigt beim Kind stetig an, es ergeben sich allerdings Unterschiede beim Material
(Zahlen, Bilder, Worte) was wohl auf angewandte Gedächtnisstrategien
zurückzuführen ist.
Dass im Erwachsenenalter Ziffern immer gleich gut gemerkt werden, die Fähigkeit für
Wörter jedoch abnimmt, ist der Grund weswegen die Ressourcentheorie den
Leistungsabfall nicht der Kapazität sondern der Änderung der basalen Ressourcen
zuschreibt, z.B. der Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung.
Die Strategiehypothese dagegen sieht die Änderung der Strategienanwendung als
Grund für Änderungen in der Behaltensleistung. Strategien sind bewusstseinsfähige,
absichtlich verwendete und kontrollierbare kognitive Aktivitäten, die zur Optimierung
der Gedächtnisleistung führen, sie werden beim Enkodieren, Speichern und Abrufen
eingesetzt, Beispiele sind Wiederholen, Organisieren nach semantischen Klassen,
Elaboration des Lernmaterials und Benutzung von Gedächtnisstrategien. Kinder
können die Strategien bei immer komplexeren Aufgaben anwenden, aber einige
Fehler können die Behaltensleistung mindern: Das Produktionsdefizit meint, dass
das Kind die Strategie zwar kennt, sie aber nicht anwendet, das Mediationsdefizit
bedeutet, dass das Kind eine Strategie zwar lernt, sie aber nicht zu besseren
Behaltensleistungen führt, das Wirksamkeitsdefizit bedeutet, dass obwohl die
Strategie spontan produziert und verwendet wird kein Effekt zu beobachten ist. Nicht
nur die Kenntnis einer Strategie ist Voraussetzung für ihre Anwendung, sondern
auch
gedächtnisbezogenes
Wissen,
also
ein
Metagedächtnis.
Die
Strategieverwendung stellt eine Kosten Nutzen Rechnung dar, am Anfang ist das
Verwenden einer neuen Strategie mit einem hohen Aufwand verbunden, wegen der
Unvertrautheit der Strategie, deswegen sollte man, wenn man eine neue Strategie
beibringt deren Anwendung durch leichtes Material und Belohnung für erinnerte
Items fördern.
Im Erwachsenenalter nimmt die Behaltensleistung immer weiter ab, eine Theorie
nimmt an, dass das an der eher handlungsbezogenen Organisation der Items liegt,
eine andere besagt, dass durch Interferenz ganze Kategorien vergessen werden,
wieder eine andere nimmt an, dass die Informationsverarbeitung instabiler wird, und
eine letzte meint, dass die selbstinitiierte strategische Informationsverarbeitung
nachlässt.
Wissen ist die Grundlage für den Erwerb neuer Informationen, es unterteilt sich in
Weltwissen und bereichsspezifisches Wissen, das vorausgegangene Wissen bedingt
den Einsatz von Strategien. Die Wissenshypothese nimmt an, dass die Defizite in
den Erinnerungsleistungen jüngerer Kinder auf Defizite in ihrem Wissen
zurückzuführen sind. Deswegen kann auch die Menge an Vorwissen altersabhängige
Defizite ausgleichen, teilweise führt es sogar zu einer generellen Verbesserung des
Kurzzeitgedächtnisses, nicht nur zu einer bereichsspezifischen. Alltagsbezogene
Handlungen werden von allen Altersgruppen besser memoriert, das nennt man den
Handlungseffekt.
Das Metagedächtnis enthält gedächtnisbezogenes Wissen, auch hier kann man ein
deklaratives und ein prozedurales unterscheiden. Im deklarativen Metagedächtnis
befindet sich verbalisiertes Wissen über das Lernen und das Gedächtnis, hier kann
man weiter unterteilen in Personenwissen, also Wissen über die Güte des eigenen
Gedächtnisses und über das anderer, Aufgabenwissen, also Kenntnisse über
unterschiedliche Lern- und Gedächtnisaufgaben und Strategiewissen, also Wissen
über Lern- und Erinnerungsstrategien. Das prozedurale Metagedächtnis enthält
Informationen über die Nutzung des gedächtnisbezogenen Wissens bei der
Bewältigung von Lern- und Gedächtnisaufgaben, beide Teile des Metagedächtnisses
sind also eng miteinander verknüpft. Die Metagedächtnishypothese besagt, dass
Lernen und Erinnern um so besser funktionieren, je umfangreicher das
Metagedächtnis ist. Beim Kind wird das Metagedächtnis im Laufe der Entwicklung
immer umfangreicher und realistischer, sowohl im deklarativen als auch im
prozeduralen Teil, während kleine Kinder ihre Gedächtnisleistungen noch
unrealistisch optimistisch einschätzen, werden ihre Beurteilungen mit dem Alter
immer treffender. Im höheren Alter bleiben Aufgaben- und Strategiewissen konstant,
das Personenwissen dagegen wird zu pessimistisch, was auf eine Übernahme des
Rollenklischees zurückzuführen ist. Das implizite, also das nicht deklarative
Gedächtnis weist implizite Bahnungseffekte auf: Ein früher präsentiertes Material
kann verhaltensrelevant sein, auch wenn das Material selbst nicht erinnert wird. Das
implizite Gedächtnis verändert sich im Laufe des Lebens kaum.
Unterschiedliche Gedächtnisbereiche entwickeln sich also unterschiedlich, das
deklarative Gedächtnis ist abhängig von Welt- und bereichspezifischem Wissen, den
angewandten Strategien, dem Metagedächtnis und den Ressourcen.
Sprachentwicklung
Die Sprachentwicklung beginnt mit 10-12 Monaten und findet mit fünf Jahren einen
ersten Abschluss, das ist das Zeitfenster in dem das Sprachlernen am effektivsten
ist. Es entwickeln sich unterschiedliche Komponenten: Eine suprasegmentale
Komponente, die prosodische Gliederung und Betonung beinhaltet und zu
prosodischer Kompetenz führt. Prosodische Kompetenz bedeutet das Erkennen und
die Produktion von Rhythmik, von Spracheinheiten, Tonhöhe, Lautheit, Länge der
Sprachlaute und Pausengebung, sie wird als erstes entwickelt. Eine
grammatikalische Komponente, die Phonologie, also die Organisation von
Sprachlauten beinhaltet, sowie Morphologie, also Wortbildung, Syntax, also
Satzbildung und ein Lexikon, das Wortbedeutungen enthält. Die Ausprägung dieses
Bereichs führt zu linguistischer Kompetenz. Die Komponente Pragmatik enthält
Sprechakte, also sprachliches Handeln und Konversation und Diskussion, also die
Kohärenz in der Konversation, die Ausprägung dieses Bereichs führt zu
pragmatischer Kompetenz, also dem Wissen über angemessene und kommunikative
Verwendung von Sätzen. Diese bereiche sind eigenständige Wissenssysteme, die
interagieren, es werden Konzepte und Regeln erworben, auch bezüglich des
Zusammenspiels der Komponenten. Dies erfordert große kognitive Leistungen, die
das Kind in anderen Bereichen noch nicht vollbringen kann. Das Wort spielt eine
zentrale Rolle im Entwicklungsbarometer.
Die Entwicklung vom Laut zum Wort, beinhaltet auch Wörter ohne Bedeutungsinhalt,
die nur eine sozial- interpersonale Bedeutung haben. Sie beginnt mit ersten Lauten,
geht dann zu einem Gurren über, dieses expandiert, weitet sich also auf andere
Laute aus, es kommt dann zum kanonischen Lallen auf das erste Wörter folgen.
Säuglinge erkennen bereits ihre Muttersprache an prosodischen Merkmalen, aus
pränatalen Erfahrungen heraus.
Sprachentwicklung geschieht nicht isoliert, muss also im Kontext von kognitiver
sozialer und interaktionaler Entwicklung betrachtet werden. Bestimmte kognitive und
sozial-affektive Mechanismen haben eine Vorläuferfähigkeit (Fähigkeit, die auf das
entsprechende Phänomen vorbereitet, aber einfacher ist) und ermöglichen die
Wortproduktion und den Spracherwerb. Die Aufmerksamkeit des Säuglings richtet
sich sowohl auf die prosodischen Laute der Mutter, als auch auf ihre
Gesichtsbewegungen, Gesicht und Mimik werden also in Einheit mit der Sprache
begriffen, Affekt wird erkannt. Vorsprachliche Gesten erfordern Kognitionen, die nicht
sprachliche Vorraussetzungen für den Sprachenerwerb sind, Wörter dienen also zur
Kategorisierung von Objekten, Reize werden verarbeitet und Schemata entwickelt.
Die Gesten entwickeln sich von vor-symbolisch, nur aus dem Kontext erschließbar,
zu refferentiell, Zeigen auf einen bestimmten Gegenstand, und werden schließlich
konventionalisiert, z.B. Kopfschütteln, Winken. Die Geste ist also ein Vorreiter des
Spracherwerbs, jeder Meilenstein in der Sprachentwicklung bedeutet eine
Reorganisation in nicht linguistischen Kognitionsbereichen.
Angeboren ist dem Kind die Fähigkeit zur phonologischen Wahrnehmung und
affektive und kognitive Vorraussetzungen (Bedürfnis nach Kommunikation,
Aufmerksamkeit,
Differenzierungsfähigkeit,
Kategorisierungsfähigkeit
und
Regelsuche), nicht aber eine Art Universalgrammatik, sie ist Ergebnis des
Spracherwerbsprozesses.
Um den Spracherwerb erfolgreich zu bewältigen, müssen einige externe
Vorraussetzungen gegeben sein: Der Interaktionskontext schafft das Sprachangebot
und die Möglichkeit zur Nutzung der Kommunikationsfähigkeiten und bildet so die
Basis für den Spracherwerb. Der Passungsgedanke meint, dass das elterliche
Interaktionsverhalten auf die perzeptuellen und kognitiven Kompetenzen des Kindes
abgestimmt sein muss, es läuft ein intuitives Elternprogramm ab: Mimik, Gestik und
Sprechweise werden verdeutlicht und vereinfacht, es wird zwischen Wiederholungen
und Neuerungen gewechselt, die Anregung wird auf den kindlichen Zustand
abgestimmt, Blickkontakt wird unterstützt, auf das Verhalten des Kindes wird
kontingent eingegangen. Man kann drei Phasen der Entwicklung grammatikalischer
Kompetenz ausmachen: Zwischen 8-11 Monaten werden Gesten intentional
eingesetzt, die Gegenstände werden dann von der Mutter bezeichnet, und die Kinder
lernen das Benennen. Ab 16 Monaten sind die Kinder zu sprachlichen Ausdrücken,
also Ein Wort Sätzen fähig, und können so fragen und antworten. Ab 2 ½ Jahren
können mehrere zusammenhängende Äußerungen gemacht werden. Eltern und
Kinder bilden ein didaktisches System, die Mutter steuert das Grammatiklernen des
Kindes durch Fragen, Wiederholungen der kindlichen und eigener Aussagen, durch
Expansion und einen gesprächsanregenden Stil.
Mit etwa 18 Monaten ist bei den meisten Kindern die Entwicklungskritische Zahl 50
erreicht, ihr Wortschatz umfasst also mehr als 50 Wörter, es kommt jetzt zu einer
qualitativen Reorganisation des Lexikons, die Kinder wollen erfahrbare Ereignisse
und Objekte kategorisieren. Der Wortgebrauch hat jetzt eine abstrakte kognitive
Qualität, der Wortschatz erweitert sich nun explosionsartig. Wörter werden
miteinander verknüpft auch wenn ihre Bedeutung noch nicht ganz erfasst ist, die
Kinder neigen in dieser Phase zur Generalisierung, alles mit Fell ist so ein Hund.
Lernen durch Beschränkungen erfolgt, die Zahl der möglichen Wortbedeutungen wird
eingeschränkt, in dem bestimmte Strategien angewandt werden, z.B. denkt man
immer es bezöge sich auf das Ganze. Zunächst werden hauptsächlich Nomen
gelernt, durch assoziative Verknüpfungen, sind aber genug Verben vorhanden, kann
die Bedeutung neuer Wörter aus dem Satzkontext erschlossen werden.
Bei sogenannten Late-Talkers, also Kindern die auch mit 24 Monaten noch keine 50
Wörter erreicht haben, treten meist Folgen für die weitere sprachliche Entwicklung
auf, bei etwa 50% der Kinder zeigen sich später Leseprobleme, schulische Probleme
oder sozial- emotionale Probleme bis hin zu Verhaltenstörungen, wegen der
negativen sozialen Spirale.
Entwicklung der sozialen Kognition
Als soziale Kognition bezeichnet man das Wissen über die Welt der sozialen
Geschehnisse, den Prozess des Verstehens von Menschen, Beziehungen, sozialen
Gruppen und Institutionen, sowie die Organisation sozialer Interaktion. Verstehen ist
das Aneignen von neuem Wissen und das Nutzbarmachen von vorhandenem
Wissen für die Planung und Ausführung sozialer Interaktion. Dieses Wissen besteht
aus Inhalten und Organisationsprinzipien. Das Individuum hat also Wissen und
soziales Verständnis für sich selbst und für andere, kann mit anderen sozial
interagieren, und kann auch die Interaktion zwischen anderen Verstehen. Soziale
Kompetenz ist dann der Endzustand der Entwicklung von sozialem Wissen und
Verstehen, und ist notwendig um die Anforderungen der Interaktion zwischen
Menschen zu bewältigen. Soziale Kognition muss von der physikalischen
unterschieden werden weil die Art des Denkens anders ist, es geht darum sich in
andere hineinzuversetzen, Emotionen spielen eine Rolle und der Interaktionspartner
reagiert auf die Handlungen.
Die Objektpermanenz bezüglich sozialer Objekte erfolgt viel eher, als bezüglich
dinglicher Objekte (Piaget), soziale Objekte werden also weit früher intern
repräsentiert. Auch die Reversibilität und Kausalität wird in sozialen Geschehnissen
früher verstanden. Zur sozialen Kognition gibt es verschiedene Theorien:
Die Theorie der Personenwahrnehmung greift auf die Methode der freimündlichen
Beschreibung von bekannten Personen oder sozialen Interaktionen im Alltag zurück,
problematisch an dieser Untersuchungsmethode ist, dass sie auch von anderen
entwicklungsrelevanten Fertigkeiten wie Sprache, Gedächtnis, Aufmerksamkeit, etc.
abhängt. Es ergab sich, dass jüngere Kinder soziale Interaktion in viele verschiedene
Episoden gliedern, mit dem Alter wird die Einteilung gröber, es werden weniger
Einzelereignisse unterschieden. Auch verändern sich die Vorstellungen von
Personen und Interaktionen über die Kindheit, die Orientierung an inneren
Vorgängen nimmt gegenüber der an beobachtbarem Verhalten zu. Zudem werden
die Vorstellungen differenzierter, organisierter und integrierter, an die Stelle von
Verallgemeinerungen treten Verschränkungen mit dem situativen Kontext. Allerdings
werden diese Ergebnisse auch von den entwicklungsabhängigen Fertigkeiten
beeinflusst, da die methodische Erfassung undifferenziert ist.
Der kognitiv-, strukturtheoretische Ansatz der Personenwahrnehmung beschäftigt
sich mit dem Verstehen des Denkens, Fühlens und Wollens einer anderen Person,
und der Entwicklung der Einsicht, dass Handeln situationsgebunden ist. Zunächst
muss die Möglichkeit unterschiedlicher sozialer Perspektiven erkannt werden, dann
muss ein Bedürfnis nach Erkundung dieser Unterschiede bestehen, entsprechende
analytische Fähigkeiten und Fertigkeiten werden entwickelt, und diese Fähigkeiten
dann eingesetzt. Die kognitive Perspektivenübernahme ist dabei grundlegend, also
das Erschließen des Denkens anderer anhand der Situation. Erst mit 4-5 Jahren wird
erkannt, dass andere Perspektiven möglich sind, erst im Grundschulalter können
diese anderen Perspektiven dann ausformuliert werden. Erkannt wurde das an einer
Untersuchung in der Kinder eine Bildergeschichte bekamen und sie so erzählen
sollten, wie sie jemand erzählt der einzelne Bilder nicht gesehen hat. Emotionale
Perspektivenübernahme und Empathie, also das Verstehen der Gefühle eines
anderen ist bei einfachen Gefühlen ab etwa 4-6 Jahren möglich, bei komplexeren ab
8 Jahren. Empathie und emotionale Perspektivenübernahme sind nicht
gleichzusetzen, bei Empathie werden die Gefühle des anderen übernommen, bei
Perspektivenübernahme nur nachvollzogen, Empathie kann zu Sympathie führen,
aber auch zu aversiven Gefühlen des Betroffenseins, und so zu Fluchtverhalten.
Der symbolisch-interaktionistische Ansatz der Perspektivenkoordination beschäftigt
sich mit dem Verständnis der eigenen Rolle und der des Gegenübers, aus der sich
Erwartungen für sein zukünftiges Handeln ableiten. Die Koordination dieser Rollen
bedeutet einen schrittweisen Aufbau in der sozialen Interaktion unter
Berücksichtigung des Interaktionskontextes. Zwischen vier und neuen Jahren
entwickelt sich ein Bewusstsein über die Subjektivität von Perspektiven, also dem
unterschiedlichen Denken in unterschiedlichen Situationen. Zwischen sechs und
zwölf Jahren entwickelt sich dann ein reflexives Verständnis dieser Subjektivität, das
eigene Handeln kann jetzt aus der Perspektive eines anderen beurteilt werden,
dessen Reaktion wird antizipiert. Zwischen neuen und zwölf Jahren erfolgt dann eine
wechselseitigen Perspektivenkoordination, beide Seiten beziehen die Perspektive
des anderen mit ein. Ab zwölf Jahren kann dann die Perspektive sozialer
Bezugsgruppen übernommen werden, also eines sozialen Systems mit Normen und
Werten.
Die Handlungserklärung über den attributionstheoretischen Ansatz zeigt, dass Kinder
als Attributionsschema vor allem nach dem Kovariationsprinzip verfahren, das heißt
sie sehen die Ursachen einer Handlung in der Bedingung mit der das Verhalten über
die Zeit variiert. Hier werden drei Gesichtspunkte miteinbezogen: Die
Herausgehobenheit, ob unter anderen Bedingungen anderes Verhalten gezeigt wird,
also gegenüber anderen Personen oder in anderen Situationen. Der Konsens, also
ob sich andere Personen unter denselben Bedingungen genauso verhalten, und die
Konsistenz, ob das Verhalten bei verschiedenen Gelegenheiten gleich gezeigt wird.
Beispielsweise liegt das freundliche Verhalten von Person A gegenüber Person X
dann an Person X und nicht an dem freundlichen Wesen von Person A, wenn A
gegenüber anderen Personen nicht so freundlich ist, oder wenn alle gegenüber X so
freundlich sind. Das Abwertungsprinzip meint, dass die Ursachen an Bedeutung
verlieren, wenn mehrere angenommen werden, das kann erst ab etwa acht Jahren
miteinbezogen werden. Erst ab dem Jugendalter kann das Aufwertungsprinzip
angewandt werden: Die förderliche Ursache erhält einen größeren Wert, wenn sie
sich gegen hemmende Faktoren durchsetzt.
Wissenspsychologische Ansätze beschäftigen sich mit der Art, wie soziales Wissen
repräsentiert und organisiert ist.
Die Theorie über die Repräsentation von
Ereignissen und Handlungssequenzen nimmt an, dass Skripten vorhanden sind um
Alltagsituationen routinemäßig abzuhandeln, die Informationsverarbeitung wird so
entlastet und kann komplexere Situationen analysieren. Diese Skripten sind von der
Struktur in jedem Alter gleich, die Inhalte werden jedoch immer komplexer. Die
Repräsentation in Schemata erleichtert Verstehensprozesse. Die interpersonale
Problemlösefähigkeit, also das Einbeziehen verschiedener Handlungsalternativen,
und die Fähigkeit deren Folgen abzuschätzen erhält mit der Entwicklung mehr
Alternativen, die Abschätzungen werden treffender.
Die naiven Theorien (theory of mind) sehen die Annahmen über die Realität, auch
wenn es falsche Annahmen sind als Leitfaden für Handlungen. Kleine Kinder sehen
diese Verbindung noch nicht, sie sehen also Fehlinformationen nicht als Grund für
Fehlentscheidungen. Untersucht wurde das an der Geschichte vom kleinen Maxi.
Den Kindern wurde erzählt, dass Maxi die Schokolade in den grünen Schrank in der
Küche legt, während er beim Spielen ist nimmt die Mutter die Schokolade aus dem
grünen Schrank und legt sie in den blauen. Jetzt werden die Kinder gefragt wo Maxi
die Schokolade suchen wird wenn er wiederkommt. Kinder vor dem Grundschulalter
behaupten im blauen Schrank, obwohl Maxi gar nicht wissen kann, dass sie nicht
mehr da ist wo er sie hingelegt hat. Die Kinder haben also kein Konzept von falschen
Überzeugungen, sie können im Vorschulalter auch von sich selbst nicht sagen woher
sie eine Überzeugung haben, aus eigenem Erleben oder vom Hören-Sagen. Aber
auch 4jährige können Täuschungsstrategien anwenden, manche Forschungen
haben bei einer Vereinfachung der Aufgaben bei 3jährigen das Verständnis
beobachtet, dass Realität und Überzeugungen im Widerspruch stehen können.
Die soziale Kognition über Gruppen und Normen schlägt sich zunächst in
interpersonalen Beziehungen nieder, hier ist interessant welche Prinzipien im
Umgang miteinander verwendet werden, und wie sich deren Verständnis ändert. Zur
Dominanz wurde beobachtet, dass im Vorschulalter keine Übereinkunft getroffen
wird, wer was zu sagen hat, erst im Schulalter bilden sich Hierarchien heraus, sie
dienen zur Vermeidung unnötiger Konflikte. Freundschaften sind mit sechs Jahren
noch geprägt von Reziprozität, d.h. man gibt dem anderen was man von ihm erhalten
hat, dies geschieht unmittelbar, Zug um Zug. Ab elf Jahren herrscht dann
Reziprozität bezüglich der Bedürfnisse vor, man unterstützt sich gegenseitig, geht
aber auf die unterschiedlichen Anforderungen ein. Ab 14 Jahren ist die Freundschaft
geprägt von Vertrautheit und gegenseitigem Verstehen, Offenheit und Intimität. Auch
das Akzeptieren von Autoritäten ändert sich im Laufe der Entwicklung, ein
Führungsanspruch legitimiert sich für kleinere Kinder durch eine persönliche Bindung
zwischen dem Kind und dem Führenden, später durch Macht, also durch die
Möglichkeit zu Belohnen und durch physische Überlegenheit, etc.. Dann
kennzeichnet sich eine Führungspersönlichkeit durch geistige Überlegenheit, in der
Adoleszenz dann durch Führsorge und Achtung vor den Gefühlen. Bereits in der
Grundschule können Gleichaltrige Autoritäten darstellen.
Auch das Verständnis für soziale Rollen und Regeln und für Erwartungen, die an
soziale Positionen geknüpft sind, verändert sich im Laufe der Entwicklung: Vor dem
Alter von sechs Jahren ist kein Verständnis für Mehrfachrollen vorhanden, der eigene
Vater ist Vater und kann nicht gleichzeitig Sohn vom Opa sein. Ein Familienkonzept
(Vater, Mutter, Kind) entwickelt sich unabhängig von der Struktur der eigenen
Familie. Bei Konventionen, also sozialen Regeln wurde festgestellt, dass bereits
sechsjährige den Unterschied zwischen Konventionen, also Vereinbarungen und
moralischen Imperativen verstehen. Die Entwicklung von ökonomischen Konzepten
beginnt bereits im Vorschulalter, Kinder können Produktion und Handel voneinander
trennen, in Alltagsdingen ist dieser Trennungsprozess mit etwa 10 Jahren
abgeschlossen, wobei Landkinder hier einen leichten Vorsprung haben, der sich aber
in der Schule ausgleicht. Wichtige Differenzierungen interpersonaler Konzepte finden
erst im Jugendalter statt.
Die soziale Interaktion schafft soziales Wissen und Verstehen, dieses ist aber wieder
an der Ausführung der Interaktion beteiligt, woraus folgt, dass der Entwicklungsstand
bestimmt, welche Erfahrungen gemacht werden. Kognitive Konflikte sind auch bei
der Entstehung von sozialem Wissen zentral, eine soziale Situation ist nicht sofort
assimilierbar und führt so zur Reorganisation des bisherigen Wissens. In
Förderprogrammen werden solche Konflikte gezielt induziert, wobei die plus eins
Methode angewandt wird (Konflikt liegt eine Stufe über der eigenen), Kinder lernen
beispielsweise spielerisch Rollen zu übernehmen. Die Entwicklung von sozialer
Kognition erfolgt sowohl im Kontext Familie, als auch in Verbindung mit
Gleichaltrigen und anderen Entwicklungskontexten.
Bei bekannten Interaktionen spielt die soziale Kognition nur eine untergeordnete
Rolle, weil sie meist von Skripten geregelt werden, sie setzt erst ein, wenn die
Routine versagt. Soziale Kognitionen sind die Vorraussetzung für prosoziales
Verhalten, z.B. Helfen, Teilen, Anteil nehmen. Hierzu werden moralische
Verpflichtungen aufgebaut, die mit anderen Handlungsimpulsen (Eigennutz,
Konformität, etc.) konkurrieren. Die soziale Kognition wird zur Situationsinterpretation
genutzt, also zum Erkennen der Bedürfnisse des anderen und eine sinnvolle
Hilfestellung muss erkannt werden. Die hedonistischen Gründe für Hilfe nehmen
während Kindheit und Jugend ab. Eine andere Person wird dann Gegenstand
altruistischen Handelns, wenn der kindliche Egozentrismus überwunden ist, wenn
eine Perspektivenübernahme entwickelt wurde, und wenn Mitleid von Einzelpersonen
entkoppelt wurde und zu generellem Mitleid geworden ist.
Bei einigen Risikogruppen können sich soziale Kognitionen nicht optimal entwickeln:
Psychatrische Auffälligkeiten der Eltern führen häufig zu einer schlechten
Perspektivenkoordination der Kinder, andere sozial Kognitive Prozesse können
allerdings die Probleme die sich aus dem häuslichen Milieu ergeben kompensieren.
Autistische Kinder haben auffällige Probleme in der sozialen Kognition, aggressive
Kinder deuten häufig neutrale Situationen als provozierend fehl, in der
Personenwahrnehmung zeigen sich ihre Schilderungen undifferenziert und emotional
getönt. Als Interventionsprogramme eignen sich die Konfrontation mit (+1)
überfordernden Situationen, Rollenspiele, die soziale Konflikte aus dem Alltag
behandeln, oder ein Training zur Lösung interpersoneller Probleme, das beim Aufbau
von mehr Handlungsalternativen hilft.
Entwicklung des begrifflichen Wissens
Die Kategorisierung erfolgt bereits im Säuglingsalter, Begriffe sind schon früh eine
effiziente Organisation von Wissen, sie sind die Grundlage für Schlussfolgerungen
über Unbekanntes, also für Induktion. Beim Spracherwerb ist eine rapide Zunahme
neuer Begriffe zu beobachten, sie ermöglichen Schlussfolgerungen über Objekte der
selben Kategorie. Bei der Entwicklung der begrifflichen Repräsentation sind für die
Entwicklungspsychologie fundamentale qualitative Veränderungen von Interesse,
nicht quantitative. Bruner nahm an, dass die begriffliche Repräsentation kleiner
Kinder perzeptuell ist, also wahrnehmungsbezogen, und aufs äußere
Erscheinungsbild beschränkt, erst ältere Kinder kategorisieren konzeptuell, also auf
der Basis ihres Wissens. Wygotsky dagegen nahm an, dass die thematische
Repräsentation sich zur taxonomischen wandelt, also zu einer Repräsentation, die
sich auf Klassen bezieht. Piaget nahm an, dass zunächst konkrete, später abstrakte
Konzepte vorliegen, alle diese Theorien erwiesen sich aber als nicht haltbar. Die
Gruppierung nach thematischen Kategorien ist kleinen Kindern zwar lieber, sie sind
aber auch in der Lage taxonomisch zu kategorisieren, dennoch ist ihre
Kategorisierung nicht dieselbe wie bei Erwachsenen, sie bevorzugen PrototypBegriffe denen mit kritischen Attributen. Die Begriffsbildung und –repräsentation
hängt vom Kontext ab. Auch abstrakte Konzepte sind bei kleinen Kindern schon
möglich, Kategorien können wissensbasiert sein, sie müssen sich nicht nur auf die
Anschauung beschränken. Auch konzeptuelle Kategorien, außerhalb von
perzeptuellen Ähnlichkeiten können gebildet werden. Inwiefern kindliche Begriffe
domän- oder kontektspezifisch sind und welche Veränderungen hier geschehen ist
für die Entwicklungspsychologie relevant.
Für die Wissensentwicklung in grundlegenden Domänen gibt es verschiedene
theoretische Ansätze, sie teilen die grundlegenden Inhaltsbereiche: biologisch,
physikalisch, numerisch und psychologisch ein, wie Piaget und die
Informationsverarbeitungstheoretiker gehen manche von bereichsübergreifenden
strukturellen Merkmalen aus. Das Modell des Expertisenerwerbs sieht das Kind als
universellen Novizen, die Entwicklung von Wissen geschieht analog zum Erwerb von
Kulturtechniken und Fertigkeiten, der Mechanismus mit dem das geschieht ist die
domänübergreifende Informationsverarbeitung. Die Modularitätstheorien nehmen
spezialisierte Systeme der Informationsverarbeitung an, die der Repräsentation von
spezifischem
Wissen
und
spezifischer
Informationen
dienen.
Diese
domänspezifischen Verarbeitungssysteme gelten meist als angeboren, es erfolgt
also keine Entwicklung im Sinne qualitativer Veränderungen. Die Theorie-Theorie
nimmt fundamentale qualitative Veränderungen an, der Wandel einer intuitiven
Theorie hat Ähnlichkeit mit einem Paradigmenwechsel in der Wissenschaft (wie z.B.
der Übergang zum heliozentrischen Weltbild). Intuitive Theorien enthalten einen
Phänomenbereich, Kernbegriffe und Erklärungsprinzipien, bei einem Wandel ändert
sich die Rahmentheorie, die dafür zuständig ist die aufgenommenen Informationen
zu interpretieren.
Die intuitive Physik (basales Wissen) bezieht sich auf Wissen über die Eigenschaften
physikalischer Objekte: Sie sind dreidimensional, sie sind solide und fallen runter. Es
ist schwer zu sagen, was angeboren und was erworben ist, da kausales Denken
bereits sehr früh beobachtet werden kann. Vorschulkinder denken bereits
deterministisch und sogar Säuglinge wissen, dass die Ursache zeitlich vor der
Wirkung kommen muss. Bei Objekteigenschaften nehmen bereits Babys
raumzeitliche Hinweise auf, sie wissen wie viele Objekte vorhanden sind, und wie sie
sich bewegen, Erwachsene können dann die Objekteigenschaften zusätzlich
miteinbeziehen. Erst nach der ersten Hälfte des ersten Lebensjahres können die
Objekte auch quantitativ erfasst werden, beispielsweise bezüglich ihrer Größe. Erst
mit 8-10 Monaten können Ereignisse, die Schwerkraft oder Trägheit verletzen von
solchen differenziert werden, die das nicht tun. Erklärt wird die Entwicklung über
domänspezifische Kernprinzipien oder domänspezifische Lernmechanismen, die
angeboren sind. Die physikalische Intuition, ist bei Kindern und Erwachsenen sehr
ähnlich, auch Vorschulkinder zeigen also ein breiteres Wissen, als Piaget
angenommen hat. Fehlerhafte physikalische Vorstellungen können also ihre
Ursachen in intuitiven Theorien haben, sie zeigen sich oft sehr resistent gegen
Instruktion, beispielsweise haben Kinder, wenn ihnen erzählt wird die Erde sei eine
Kugel verschiedene Interpretationen für diese Aussage: Manche nehmen eine
Hohlkugel an, in deren Inneren die Menschen leben, andere denken, es gäbe zwei
Erden, die eine Scheibe auf der wir leben und eine andere, wie der Mond, die
tatsächlich eine Kugel ist. Ein Theoriewandel vollzieht sich recht langsam. Auch
können Kinder Gewicht und Dichte nicht differenzieren, sie meinen ein Gewicht sei
nur vorhanden wenn man es spüren kann, und gleichgroße Gegenstände müssten
auch gleichviel wiegen. Es ist also eine große Menge an Wissen bereits früh
vorhanden (vielleicht auch angeboren), durch Bereicherung und teils durch
Umstrukturierung entsteht im Laufe der Entwicklung mehr.
Die intuitive Psychologie, oder die theorie of mind, enthält Annahmen über die
Absichten und Überzeugungen anderer, es erfolgt also eine Differenzierung
zwischen mentaler und physikalischer Welt, diese Abgrenzung der gedanklichen
Welt gegen die physikalische Realität erfolgt entgegen Piaget Theorie (7J) bereits mit
etwa 1 ½ bis 2-3 Jahren. Mit drei Jahren ist das Verständnis vorhanden, dass
Wünsche, Absichten und Ziele zu Handlungsentscheidungen führen. Das
Verständnis für falschen Glauben und falsche Überzeugungen dagegen entwickelt
sich erst mit 4-5 Jahren, erst dann können Kinder z.B. die Maxi Aufgabe lösen: Maxi
legt die Schokolade in den grünen Schrank und geht dann zum Spielen, seine Mutter
legt in seiner Abwesenheit die Schokolade aber vom grünen in den blauen Schrank.
Wo wird Maxi die Schokolade suchen wenn er wiederkommt? Kinder unter 4 Jahren
antworten im blauen Schrank, erst ältere Kinder verstehen, dass Maxi nicht wissen
kann, dass die Schokolade nicht mehr im grünen Schrank ist. 3jährige erkennen
auch nicht, dass sie selber falsche Vorstellungen gehabt haben: Wenn man sie fragt
was in einer Smarties Packung ist, antworten sie Smarties, entdecken sie jedoch
danach, dass Stifte darin sind, behaupten sie, sie hätten schon immer gesagt da
seien Stifte drin. Auch haben Kinder unter 4 Jahren deswegen kein Verständnis für
Lüge und Täuschung. Mit vier Jahren kann Realität und Augenschein differenziert
werden, Emotionen können nachvollzogen werden. Ab 6 Jahren wird diese
Differenzierung erweitert, es folgt die Einsicht, dass man auch Überzeugungen über
die Überzeugungen anderer haben kann, und dass nicht nur das Sehen zu Wissen
führen kann, sondern auch Schlussfolgern, man erlangt so Einsicht in die eigenen
Lernprozesse.
Zum Verständnis geistiger Konstruktion und Interpretation gibt es verschiedene
Theorien, wie gedankliche Aktivität als Bewusstseinsstrom und die Wirkung von
Vorurteilen verstanden wird. Modulationstheorien behaupten die Zuschreibung von
Absichten sei angeboren und das Scheitern an entsprechenden Aufgaben, das bei
jüngeren Kindern beobachtet wird, liege an Aufmerksamkeitsproblemen und an
Gedächtnisproblemen, experimentell wird diese Theorie allerdings kaum gestützt.
Die
Simulationstheorie
ergibt
sich
aus
dem
Expertisenansatz,
Perspektivenübernahme erfolgt über den Zugriff auf eigene Gedanken (auf die
anderer kann ja nicht zugegriffen werden), man simuliert also die Gedanken des
anderen. Die Theorie-Theorie besagt, dass intuitive Theorien ermöglichen nichtbeobachtbare Vorgänge zu erschließen. Nach der Theorie-Theorie müssten also
gedankliche Vorgänge bei sich und bei anderen gleichzeitig erschlossen werden,
nach der Simulationstheorie müsste das erst bei einem selbst und dann bei anderen
gelingen, experimentell wird eher die Theorie-Theorie gestützt.
Bei der intuitiven Biologie erfolgt die Unterscheidung zwischen Lebewesen und Ding
zunächst über die selbstinitiierte Bewegung, Pflanzen sind daher für die meisten
Kinder bis zum sechsten Lebensjahr keine Lebewesen. Die Kategorisierung erfolgt
also nach dem Verhalten, und nicht nach biologischen Kriterien. Die Biologie ist also
noch keine eigene Domäne, sondern ist an die intuitive Psychologie angegliedert. 34jährige erkennen bereits, dass biologische Vorgänge, wie Wachstum und
Selbstheilung nur bei Lebewesen, und nicht bei Dingen möglich sind und das diese
Prozesse nicht durch psychologische Mechanismen, wie z.B. den Willen gesteuert
werden. Die biologischen Intuitionen sind bei Kindern und Erwachsenen sehr ähnlich,
sie nehmen beispielsweise an, dass nur biologische Merkmale, nicht aber
psychologische vererbt werden. Die Ausgrenzung der biologischen Domäne aus der
psychologischen geschieht etwa im Grundschulalter. Die Theorie-Theorie führt das
auf einen Paradigmenwechsel zurück, die Differenzierung erfolgt jetzt nach lebendig
und tot, deswegen können Pflanzen zu den Lebewesen eingeordnet werden. Der
Expertisenansatz nimmt an, dass die langsame Erweiterung des Wissens dazu führt.
Die Modularitätstheorie denkt, dass ein angeborener biologischer Modus zur
Klassifikation biologischer Arten führt, dies konnte aber kaum nachgewiesen werden.
Metabegriffliches Wissen ist Wissen und Überzeugungen über den Wissenserwerb
selbst, ein unzureichendes metabegriffliches Wissen, kann ein Hindernis für den
Wissenserwerb selbst sein, beispielsweise entwickelt man bei der Vorstellung Natur
sei objektiv beobachtbar, und Lernen sei eine Übernahme von Faktenwissen kein
Verständnis für Theorien. Bei Kindern entwickelt sich langsam ein kritischer
Rationalismus, zunächst nehmen Kinder an, dass Interpretationsunterschiede auf
Missverständnissen beruhen, auf einer zweiten Ebene, meinen Kinder, wenn sie mit
unterschiedlichen Ansichten konfrontiert werden, jeder kann denken, was er will, sie
zweifeln also an einer wahren Erkenntnis, dieser Relativismus kann zum
Dogmatismus oder zum Skeptizismus führen. Jugendliche und junge Erwachsene
zeigen dann bereits denn kritischen Rationalismus, die Wahrnehmung wird als
subjektiv erkannt, eine Meinung wird über die Argumente geprüft. Es gibt auch drei
Ebenen für das Verständnis von Wissenschaft: Auf der ersten Ebene wird nicht
zwischen Ideen und Theorien unterschieden, Daten rühren aus einer konkreten
Aktivität, oder aus einer Sammlung objektiver Fakten. Auf der zweiten Ebene können
Theorien von Evidenz unterschieden werden, Hypothesen werden getestet,
Wissenschaft ist so, die Suche nach Erklärungen. Auf der dritten Ebene wird die
Rolle der Theorie im Erkenntnisprozess erkannt, Wissenschaft ist so ein Zyklus aus
Theoriebildung, -prüfung und –revision.
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