Hausarbeit Thema : Entwicklung des Gedächtnisses Semester: Autorin: Fach: Sommersemester 2004 Nicole Hanke Humanwissenschaftl. GL – Entwickpsychologische GL Fachbereich: SW Dozent: Prof. Dr. Schulte Cloos 3 Inhaltsverzeichnis Einleitung 1. Assoziatives Lernen Seite 1-2 2. 2.1 Entwicklung des Kurzzeitgedächtnisses Entwicklung des Langzeitgedächtnisses Seite 2-3 Seite 3-4 3. Entwicklung von Gedächtnisstrategien Seite 4-5 4. Die kognitive Entwicklung aus der Sicht Jean Piagets Seite 5-8 Literaturverzeichnis Seite 9 4 Einleitung In den letzten dreißig Jahren fanden Forscher durch Beobachtungsverfahren heraus, dass spezifische Gedächtnisfähigkeiten auch schon bei sehr jungen Kindern ausgeprägt sind. (vgl. Moscovitch, 1984; Rove-Collier, 1989) Der Hauptgrundsatz beim Lernen muss also für das Kind heißen, sich Neuem zuzuwenden und es zu verarbeiten. Wichtig dabei ist Vertrautes von Unbekanntem zu differenzieren. Dinge an die sich ein Kind erinnern kann, sind ihm gleichzeitig auch vertraut. Sobald eine Situation oder ein Ereignis vertraut ist, ist eine spezifische Gedächtnisleistung vorauszusetzen. Schon sehr früh ist der Drang bei einem Säugling zu erkennen, die Welt zu entdecken und zu bewältigen. Bedingt durch die noch fehlende Motorik, ist ihm dies jedoch nur in begrenztem Maße möglich. Über lange Zeit war die Ansicht verbreitet, dass Säuglinge bestimmte Verhaltensweisen nur dann erlernen, wenn daraufhin eine Belohnung folgt. Diese Erkenntnis ist mittlerweile wiederlegt, da man heute weiß, dass ein Säugling Verhaltensweisen erlernt und als Belohnung die Veränderung der Umwelt völlig ausreichend ist. (vlg. Donaldson: Wie Kinder denken, 1982) In meiner Arbeit beschäftige ich mit der Entwicklung des Gedächtnisses vom Säuglings- und Kleinkindalter bis hin zur frühen Adoleszenz. Zunächst beginne ich in Abschnitt 1 mit dem Assoziativen Lernen im Säuglingsalter. Im darauffolgendem Abschnitt 2 wird ein kurzer Überblick über die Entwicklung des Kurzzeitgedächtnisses und die des Langzeitgedächtnisses folgen. Im Anschluss daran erläutere ich in Abschnitt 3 verschiedene Formen von Gedächtnisstrategien. Zum Schluss meiner Arbeit beleuchte ich in Abschnitt 4 die geistige Entwicklung aus der Sicht Jean Piagets, wobei ich dabei hauptsächlich auf die vier Hauptstadien geistiger Entwicklung eingehen werde. 1. Assoziatives Lernen Schon Säuglinge verfügen über komplexe Gedächtnisformen, wie zum Beispiel ein Gedächtnis für motorische Handlungen. Um dies zu belegen, wurde von Rovee-Collier (1989) und ihren Mitarbeitern ein operantes Konditionierungsverfahren eingesetzt, welches an einem Beispiel sehr deutlich zu machen ist: „Über dem Bettchen eines Kindes wurde ein Mobile aufgehängt, das mit einem Band am Fuß des Säuglings befestigt wurde. Das circa drei Monate alte Kind strampelte doppelt so oft in der Minute, wenn das Band am Knöchel befestigt war. Die Autoren folgerten daraus, dass die Säuglinge die assoziative Beziehung zwischen ihrer Bewegung und der des Mobiles gelernt hatten.“(Oerter/ Montada; 2002; 495) Man wiederholte dieses Experiment zu einem anderen Zeitpunkt, um die Gedächtnisleistung festzustellen. Blieb das Zeitintervall zwischen dem ersten und 5 zweiten Versuch innerhalb einer Woche, gab es bei dem drei Monate altem Säugling keine Anzeichen des Vergessens. Lag ein längerer Zeitraum zwischen dem Verfahren, so gelang es den Kleinkindern nicht die Gedächtnisleistung zu erbringen. Rovee-Collier folgerte daraus, dass es sich dabei um ein Abrufproblem handelte und nicht um vollständiges Vergessen. Weitere Versuchsreihen wiesen nach, dass vorher nicht zugängliche Informationen wiederabrufbar waren, was belegt, dass schon sehr junge Kinder zu assoziativem Lernen fähig sind und Zusammenhänge erkennen können. Dies lässt sich auch gut an Versuchen belegen, bei denen Kleinkinder Handlungsprinzipien Erwachsener spontan nachahmen sollten. Drückt man beispielsweise einen Knopf und erzeugt somit einen bestimmten Ton, imitieren Kinder diese Handlung des Erwachsenen. Stellt man den Gegenstand nach 24 Stunden erneut vor das Kind wird die Handlung ebenfalls wiederholt. Die Erinnerung variiert jedoch mit dem Alter. Konnten sich beispielsweise sowohl die neun Monate alten Probanden als auch die vierzehn Monate alten nach 24 Stunden noch daran erinnern, wie sie den Ton erzeugen können, waren es nach einer Woche nur den älteren Kindern möglich. Folglich kann sich ein Kleinkind mit zunehmenden Alter länger an bestimmte Handlungen erinnern. Um es zu ermöglichen häufig wiederkehrende Ereignisse der Umwelt zu behalten, stellen sich sehr junge Kinder diese in Form eines Skripts, auch schematische Drehbücher genannt, vor. Dadurch sind sie in der Lage bestimmte Ereignisse zu antizipieren und sie zu kontrollieren, was für die Gedächtnisentwicklung sehr wichtig zu sein scheint. Immer weniger von Bedeutung ist diese Erinnerungsform ab dem zweiten Lebensjahr, da es Kindern dann möglich ist Ereignisse über kürzere Zeitintervalle (circa eine Woche) zu behalten. Des Weiteren wurde festgestellt, dass das Lokations- bzw. Ortsgedächtnis bei Kindern sehr gut ausgeprägt ist. Durch Untersuchungen fand man heraus, dass Kleinkinder Fundstellen von Spielsachen in ihrem Gedächtnis abspeichern können. Versteckt man ein Spielzeug und lässt das Kind suchen, prägt es sich die Stelle ein. Versteckt man das Spielzeug dann an einem anderen Ort, so sucht das Kind zuerst an der bekannten Stelle und nach kurzer Ratlosigkeit an einer anderen. Je älter die Kinder werden, umso seltener begehen sie den Fehler immer zuerst an der bekannten Stelle zu suchen. Der Versuch wurde an Kindern im Alter von sechs bis zwölf Monaten durchgeführt und deutliche Verbesserungen beobachtet, woraus sich rückschließen lässt, dass sich das Lokationsgedächtnis zwischen dem sechsten und zwölften Lebensmonat deutlich verbessert. 2. Entwicklung des Kurzzeitgedächtnis Forschungen ergaben, dass bei Kindern von drei bis vier Jahren, dass „unwillkürliche“ (implizite) Gedächtnis gegenüber dem „willkürlichen“ (expliziten) Gedächtnis eine wesentlich größere Rolle spielt. Trotzdem sind Reproduktions- 6 leistungen relativ gering, auch wenn unwillkürliche Gedächtnisleistungen besser ausfallen als willkürliche. Unter impliziten Gedächtnisleistungen versteht man alle Fertigkeiten über die ein Mensch verfügt, also sowohl kognitive Fähigkeiten, wie schnelles Erkennen von Fehlern in bestimmten Abläufen als auch motorische Fähigkeiten, wie beispielsweise Fahrradfahren. Ebenso fällt die Ausbildung von Gewohnheiten unter die impliziten Gedächtnisleistungen. Das Klassifizieren von Bildmaterial anhand geläufiger Schemata (sogenannter Prototypen) wie „Haus“, „Auto“ oder „Tisch“ ist meist ausschließlich automatisiert und geschieht ohne größere Denkanstrengung. Als letztes gehört noch die klassische Konditionierung zum impliziten Gedächtnis. Jene Vorgänge laufen fast immer völlig unbewusst ab. Man weiß eigentlich nicht warum man bestimmte Sachen kann, weil man im Gegensatz zu den zuvor erläuterten Fertigkeiten bereits den Lernvorgang vergessen hat (zum Beispiel: Augenzwinkern bei einem Windzug). Das explizite Gedächtnis umfasst im Vergleich zum impliziten ein episodisches Gedächtnis, ein Wissens- und Faktengedächtnis und ein Bekanntheits- oder Vertrautheitsgedächtnis. Alle drei Gedächtnisse des expliziten Gedächtnisses sind aufeinander angewiesen. So könnte das Wissens –und Faktengedächtnis nichts speichern ohne das es Informationen vom Autobiographischen Gedächtnis zur Verfügung hat. Dieses wiederum benötigt Informationen vom Bekanntheitsgedächtnis, um sich an Ereignisse oder Situationen erinnern zu können. Geht es um Erinnerungen einzelner und einmaliger Ereignisse, verbessern Erinnerungshilfen (cues oder reminders) bei jungen Kindern die Gedächtnisleistungen. Reproduktionsleistungen werden durch diese spezifischen Erinnerungshilfen stark verbessert. Im Gegensatz zur Reproduktionsleistung ist die Wiedererkennungsleistung bei Kleinkindern sehr gut ausgebildet. Zu erklären ist diese Diskrepanz, da bei Regkognition äußere, wiederkehrende Erinnerungshilfen (retrieval cues) die gespeicherten Informationen aufrufen. Bei der Reproduktion hingegen, muss beim Kind eine Situation innerlich verarbeitet werden und auch selbst wieder hervorgerufen werden. Dies bereitet jüngeren Kindern größere Schwierigkeiten Kinder im Alter von zwei bis vier Jahren haben es in der Regel bereits geschafft effiziente Gedächtnisstützen aufzubauen, die es ermöglichen ihr kurzfristiges Ortsgedächtnis zu nutzen. Vierjährige Kinder können schon enormen Nutzen aus den sogenannten retrieval cues ziehen, wobei es jedoch immer auf den Schwierigkeitsgrad von Lokationsaufgaben ankommt. Schon durch leichtes variieren im Schwierigkeits- beziehungsweise Bekanntheitsgrad, kann es zu deutlichen Beeinträchtigungen der Gedächtnisleistung kommen. 2.1 Entwicklung des Langzeitgedächtnis Anhand einer Vielzahl von Studien konnten Forscher nachweißen, dass über Handlungswissen basale Gedächtniskompetenzen von Kindern gefördert werden können. Jenes Handlungswissen eignen sich Kinder durch Alltagserfahrungen an. Man verwendet auch in diesem Zusammenhang den Begriff des Skripts. Wie in Abschnitt eins Assoziatives Lernen bereits erläutert, fällt es Kindern leichter 7 bestimmte Abläufe in Form eines Skripts abzuspeichern und sich zu einem späteren Zeitpunkt daran zu erinnern. Als Beispiel wird in Oerter /Montada eine Geburtstagsfeier angeführt. Es wird beschrieben durch welchen Ablauf eine solche Feier charakterisiert ist. „Zunächst treffen die Gäste ein , dann werden Geschenke überreicht und anschließend isst man gemeinsam den Geburtstagskuchen.“ (vgl. Oerter / Montada, 2002, 499) Eine in München durchgeführte Längsstudie belegt, dass es für Kindern leichter ist Abläufe zu reproduzieren die sich in bestimmte Schemata einordnen lassen. Solche deren Inhalt Kindern zwar bekannt ist, sich aber keinem geläufigen Schemata zuordnen lassen, bereitet ihnen weitaus mehr Schwierigkeiten bei der Reproduktion. (vgl. Knopf und Waldmann, 1991) Im Gegensatz zum Kleinkindalter verlieren die Skripts mit zunehmenden Alter mehr und mehr an Bedeutung. Eine wichtige Rolle spielen die Eltern bei der Bildung der Gedächtnisvorgänge und deren Relevanz. Sie können diese Entwicklung positiv beeinflussen indem sie Rückfragen an ihr Kind stellen und in Fällen des Nichterinnerns Hilfestellung geben, um das Kind so auf die richtige Antwort zu bringen. 3. Entwicklung von Gedächtnisstrategien Etwa Mitte der 60er Jahre fanden Forscher heraus, dass Kinder Informationen hauptsächlich mit Hilfe von Endkodierstrategien verinnerlichen, welche unter den Oberbegriff Gedächtnisstrategien fallen. Hinter dem Begriff Endkodierungsstrategien verbergen sich Memoriertechniken wie das Wiederholen, das Kategorisieren nach Oberbegriffen und das Elaborieren. Elaborieren meint, die Verwendung von Eselsbrücken. Dies kennt man beispielsweise vom Vokabellernen. Diese spezifische Methode der Endkodierungsstrategien kann aber meist erst im späten Kindesalter, beziehungsweise der frühen Adoleszenz effektiv und spontan genutzt werden. Der Grund dafür liegt darin, dass es Kindern vorher nahezu unmöglich ist sprachliche Assoziationen zwischen zusammenhängenden Aspekten aufzubauen. Die Strategie des Wiederholens stellte sich durch eine Vielzahl an Untersuchungen als sehr häufig genutzt heraus. Auch hier war wieder zu erkennen, dass mit zunehmenden Alter auch die Qualität der Wiederholungsvorgänge zunimmt. Dennoch hat die Häufigkeit des Memorierens in jeder Altersklasse einen positiven Effekt auf die Gedächtnisleistung. Zu beachten ist hierbei, dass es nahezu es wenig effektiv ist, wenn Kinder einzelne Worte wiederholen. Erfolgreich wird es erst dann wenn es den Kindern gelingt spontane „Memorier- Schleifen“ aufzubauen. Eine Memorier- Schleife wäre beispielsweise: Wiese- Blumen-Gras; Wiese- Blumen- Gras. Charakteristisch für diese Technik ist, dass sich die Gedächtnisleistung verbessert je mehr Items gleichzeitig in eine Schleife aufgenommen werden können. Die meisten Untersuchungsergebnisse gibt es über das Kategorisieren nach Oberbegriffen. Man gibt Probanden eine Liste an Worten, die sich in bestimmte 8 Kategorien einordnen lassen wie zum Beispiel Tiere, Pflanzen oder Lebensmittel. Fordert man sie nun dazu auf die Worte in selbstgewählter Reihenfolge wiederzugeben, ist es auffällig dass dies am einfachsten geschieht indem die Worte nach Oberbegriffen sortiert wurden und sich beim Abfragen auch in dieser Form erinnert wurde . Erste Tendenzen dieses systematischen Strategiegebrauchs lassen sich allerdings früher verzeichnen, als etwa die der Wiederholungsstrategie. Abschließend bleibt zum Thema Gedächtnisstrategien noch anzumerken, dass sie nicht in allen Kulturen so ausgeprägt sind wie in der zivilisierten Welt. Bei Naturvölkern kommen sie in der Regel überhaupt nicht spontan vor (vgl. Cole & Scribner, 1977) Der Zeitpunkt ihrer Ausprägung scheint im Beginn der schulischen Laufbahn zu liegen, da man sich von da an vermehrt mit dem Lernen auseinandersetzen muss. Jedoch ist es von Schulfach zu Schulfach unterschiedlich wie stark sich einzelne Strategiemuster ausbilden. 3. Die kognitive Entwicklung aus der Sicht Jean Piagets Jean Piaget (1896-1980)n gilt in der Geschichte der kognitiven Entwicklungspsychologie als eine der bedeutensten Personen seiner Zeit. Er widmete den größten Teil seines Lebens wissenschaftlicher Forschung und Analyse geistiger Entwicklungen, welches durch viele Studien und Beobachtungen untermauert wurde. Diese Erkenntnisse wurden gesammelt und in seinen vielen Büchern veröffentlicht. Ausgangspunkt seiner Arbeiten zur Entwicklung kindlichen Denkens waren für ihn die Fehler im Denken von Kindern, weil sie eine bestimmte Struktur im Denken erkennen lassen. Piaget unterteilte die geistige Entwicklung in vier Hauptstadien. Das erste Stadium war seiner Meinung nach die sensumotorische Entwicklung ( 0-2 Lebensjahr), auf welches das Stadium des voroperatorischen, anschaulichen Denkens (2-6 Lebensjahr) folgte. Im Anschluss daran kommen Kinder in das Stadium der konkretoperatorischen Strukturen (6-11 Lebensjahr), woraufhin dann das Stadium der formalen Operationen ( ab dem 11/12 Lebensjahr) erreicht wird, mit welchem laut Piaget die geistige Entwicklung abgeschlossen ist. Die im folgenden beschriebenen Entwicklungsvorgänge beziehen sich jedoch nur auf die geistige Auseinanderersetzungen des Kindes mit der Welt. Hier kristallisiert sich sehr deutlich heraus, dass es Piaget hauptsächlich interessierte in welcher Reihenfolge diese geistigen Auseinandersetzungen erfolgten. Montada merkt dazu in seinem Text an: „ Die sensumotorische Entwicklung des Menschen ist mit diesen von Piaget beschriebenen Etappen gewiss nicht abgeschlossen.“( Oerter/ Montada, 2002, 420) Die sensumotorische Entwicklung wurde von Piaget in sechs Phasen unterteilt: Während des ersten Lebensmonats erreicht das Kind bereits Phase Eins. Hier werden angeborene Mechanismen, wie Saugen, Greifen, Schlucken, durch ständiges Wiederholen geübt und gefestigt, wobei der Säugling lernt zu 9 unterscheiden, dass es beispielsweise etwas anderes ist an der Brust der Mutter zu saugen, als spielerisch an einem Gegenstand wie beispielsweise einem Schnuller. Zwischen dem ersten und vierten Monat lernt das Kind Handlungen die zu einem positiven Ergebnis führen zu wiederholen, was Piaget Primäre Kreisreaktionen nennt. Die in Phase eins beschriebenen angeborenen Handlungsschemata werden auf immer mehr Gegenstände und Umweltbereiche ausgeweitet. In Phase drei, welche der Säugling zwischen vier und acht Monaten erreicht, stellt er fest das bestimmte Handlungsweisen immer wieder zum selben Ergebnis führen, was ermöglicht spezifische Handlungen als Mittel zu einem Zweck einzusetzen. In Phase vier, welche Piaget zwischen dem achten und zwölften Lebensmonat gesehen hat, entdeckt das Kind erworbene Handlungsschemata auf neue Situationen anzuwenden. Es erkennt die Vielseitigkeit von einzelnen Gegenständen. Eine Rassel kann geschüttelt, geworfen oder in den Mund genommen werden. Dadurch werden verschiedene Schemata koordiniert, die sich dem jeweiligen Gegenstand anpassen, wie beispielweise ein Greifen und Werfen, da es das Loslassen voraussetzt. Phase fünf beschreibt die Tertiären Kreisreaktionen und spielt sich während dem achten und dem zwölften Lebensmonat ab. Diese Phase ist durch ständiges Experimentieren gekennzeichnet. Es werden originelle Mittel erfunden um an gewünschte Ziele zu kommen, wie an der Tischdecke zu ziehen um einen Gegenstand zu erreichen. Auch bilden sich während dieser Zeit neue Mittel- Zweck Handlungen heraus, wobei Kinder systematisch neue Möglichkeiten ausprobieren. In Phase sechs der sensumotorischen Entwicklung sieht Piaget den Übergang zum denken. Er nennt diese Phase, die sich seiner Meinung nach zwischen dem 18ten und 24ten Lebensmonat vollzieht, Übergang vom sensumotorischen Intelligenzakt zur Vorstellung. Dem Kind wird nun bewusst welche Handlungen zu welchem Ziel führen, was das praktische Probieren weitestgehend überflüssig werden lässt. Vielmehr werden Handlungen nun innerlich vollzogen. Das zweite große Stadium in der geistigen Entwicklung, nämlich das des voroperatorischen Denkens erstreckt sich nach Piaget über den Zeitraum vom zweiten bis zum sechsten Lebensjahr. In seinem Buch beschreibt Piaget die wichtigsten Etappen der Entwicklung von Repräsentations- und Symbolfunktionen. Er macht deutlich, dass Kinder zwischen dem sechsten und achten Lebensmonat eine Objektpermanenz entwickeln. Dies äußert sich indem Kinder Gegenstände die sie nicht mehr sehen dennoch für existent halten. Man kann dies gut nachvollziehen, wenn man einem jüngeren Kind einen Gegenstand zeigt und diesen anschließend versteckt. Für das Kind ist der Gegenstand dann nicht mehr existent. Führt man diesen Versuch hingegen an einem, ein paar Monate älterem Kind durch wird dieses danach suchen. Was laut Piaget deutlich macht, dass das Kind eine innere Repräsentation des Gegenstandes haben muss und außerdem erwartet, dass der Gegenstand permanent existiert. Durch die innere Repräsentation ist ein Kind nun auch in der Lage eine Handlung nachzuahmen. Für Piaget ist diese Nachahmung ein deutliches Zeichen dafür, dass das Kind nun dazu in der Lage ist beobachtetes Verhalten innerlich zu repräsen tieren. Ist ein Ereignis jedoch zu kompliziert kann das Kind es auch nicht innerlich repräsentieren und nachahmen. Es gelingt ihm dann nur einzelne, ihm bekannte Teile des Ereignisses zu reproduzieren. 10 Piaget fand des Weiteren heraus, das Kinder symbolische Darstellungen von Handlungsabläufen entwickeln (Symbolhandlungen). Sie stellen Abläufe dann spielerisch dar, wie zum Beispiel eine Mundbewegung anstatt zu essen. In der Phase des Voroperatorischen Denkens beginnen Kinder ihr Sprachvermögen auszubauen. Ein wesentliches Merkmal dieser Phase ist der Animismus. Kinder sind der Meinung, dass auch die eigentlich unbelebte Natur lebt. Mit anderen Worten, alles was sich bewegt muss auch lebendig sein. Auch die Tatsache das Kinder neue Erfahrungen an ein ihnen bekanntes Denkschema anpassen ist kennzeichnend für diese Phase. Piaget nennt dies Assimilation. Stellt das Kind später fest, dass sich nicht alle Erfahrungen in ein Denkschema einordnen lassen, verändert es Dieses. Es passt also sein Denkschema der Wirklichkeit an, was als Akkommodation bezeichnet wird. Kinder sind während dieser Phase noch nicht in der Lage sich in andere Personen hineinzuversetzen. Sie können nicht nachzuvollziehen, dass andere Menschen Dinge vielleicht nicht so sehen wie es selbst beziehungsweise anders verstehen. Nach Piaget wird dies als Egozentrismus bezeichnet. Durch Perspektiven- und Rollenübernahme überwindet das Kind im Laufe seiner Entwicklung diesen Egozentrismus. Es ist dann mehr und mehr dazu in der Lage sich in andere Personen hineinzuversetzen. Erkennbar wird dies im Gespräch mit dem Kind, weil es jetzt in der Lage ist auch andere Meinungen gelten zu lassen. Die Tatsache das es Kindern nicht gelingt mehrere Aspekte zu betrachten, nennt Piaget Zentrierung. Er führt hierzu das Beispiel des Umschüttens einer Flüssigkeit von einem Gefäß in ein anders geformtes Gefäß an. Dies bedeutet für Kinder eine Veränderung der Menge, da sich die Flüssigkeitssäule verändert hat. Ihnen ist es also folglich nicht möglich die veränderten Dimensionen von Höhe und Umfang gleichzeitig zu begreifen. Die Begründung hierfür sieht Piaget in der noch eingeschränkten Beweglichkeit des kindlichen Denkens. Häufiges Verstricken in Wiedersprüche während der Phase des voroperatorischen Denkens führt Kinder laut Piaget dazu diese Phase für sich neu zu organisieren und dadurch hinzuzulernen. Im dritten Stadium, dem der konkret- operatorischen Strukturen, fangen Kinder laut Piaget an sich mit den Schwierigkeiten aus den ersten beiden Stadien auseinderzusetzen. Piaget beschreibt in dem Zusammenhang die additive Klassenkomposition, was bedeutet das, das Kind lernt Gesamtsysteme zu erfassen und nicht mehr durch die Herauslösung einer Unter- und Oberklasse irritiert wird. Kinder beginnen Klassifikationssysteme zu bilden und Begriffe in diese einzuordnen. Dies lässt sich gut nachvollziehen, wenn man Kindern eine Reihe von Begriffen gibt und sie auffordert Oberbegriffe dafür zu finden. Ein unverkennbares Zeichen dafür, dass Kinder beginnen mit Klassifikationssystemen zu arbeiten, ist die Verwendung des bestimmten und unbestimmten Artikels, sowie das erlernen der Wörter „einige“ oder „alle“ (Quantifikatoren). Diese werden zu verfügbaren Mitteln in der sprachlichen Darstellung des Kindes. Laut Piaget sind Kinder ab diesem Alter fähig den Syllogismus1 mit zwei Prämissen, wie „Alle Menschen sind sterblich.“ „Sokrates ist ein Mensch.“ und dem Schluss „Also ist Sokrates sterblich.“ nachzuvollziehen. „Es wird erkennbar, dass die Klassifikation ein Grundmuster der Ordnung darstellt, das inhaltlich in verschiedener Weise realisiert werden kann(Oerter/Montada; 2002; 1 in der klassischen Logik die Form des Schlusses, der aus zwei allgemeinen Prämissen das Besondere folgert (vlg. Deutsches Wörterbuch) 11 429,22-25).“ Des Weiteren zählt die Reihenbildung einer Dimension zu den konkretoperativen Strukturen. Kinder lernen Gegenstände nach Länge, Gewicht und anderen Maßeinheiten zu ordnen. Piaget nennt dies Seriation asymmetrischer Relationen, was sehr schön an der sprachlichen Beschreibung von Kindern nachvollzogen werden kann. So beschreibt Sinclair (1967), dass Kinder zum Beschreiben einer Reihe von unterschiedlich großen Hölzern, anfangs Worte wie klein oder groß verwendeten. Etwas später begannen sie damit ganz klein oder etwas groß zu sagen und schlussendlich gelang es ihnen den Komparativ zu nutzen um die Reihung zu beschreiben. Schwierig wird es für Kinder, wenn man sie anschließend auffordert die Reihung rückwärts zu lesen. Der ursprüngliche Bezugspunkt verändert sich und das Kind muss feststellen, dass das eben noch größere Hölzchen plötzlich als kleiner beschrieben werden muss. Dies nennt Piaget Reversibilität, was bedeutet, dass konkrete Operationen gedanklich umgekehrt werden können und somit eine durchgeführte Operation aufgehoben wird. Seiner Ansicht nach ist diese neugewonnene Eigenschaft kennzeichnend für das Stadium der konkret- operatorischen Strukturen. Zudem ist es Voraussetzung für das Erlernen von Schlussfolgerungen.(Tim ist kleiner als Susi, Alex ist größer als Tim: Ist Alex größer oder kleiner als Susi?) Der letzte von Piaget erwähnte Aspekt zu den konkret- operatorischen Strukturen ist der Zahlbegriff. Er beschreibt, dass das Kind, während dem fünften und sechsten Lebensjahr ein Gespür für Mengenverhältnisse bekommt. Es lernt das eine Veränderung der Anordnung nicht gleichzeitig auch eine Veränderung der Menge bedeuten muss. Piaget beschreibt dies in Operationen und Operationsreihen. Als Beispiel nimmt er die Operation der Addition. Man kann Summanden vertauschen, ohne das sich das Ergebnis verändert. Man verändert also die Reihenfolge der Operation, aber das Endergebnis bleibt gleich was Piaget assoziative Operation nennt. Dementsprechend gibt es auch eine nicht assoziative Operation. Hier würde sich das Endergebnis verändern, wenn man die Reihenfolge der Operation verändert. Das formal- operatorische Stadium ist nach Piaget die höchste Stufe kognitiver Entwicklung. Es ist charakterisiert durch die Anfänge logischen Denkens und die Fähigkeit zu aktuellen Informationen weitere mögliche Informationen hinzuzuziehen. Operationen werden in komplexe Gesamtstrukturen systematisiert und integriert. Sowohl die inhaltliche Richtigkeit von Aussagen als auch der Wahrheitsgehalt wird überprüft. Kinder entwickeln die Fähigkeit zu kombinieren und Ereignisse in ein Kausalzusammenhang zu bringen. Von großer Bedeutung für die Organisation des Denkablaufs ist auch die Fähigkeit zur kritischen Selbstreflexion und Selbstkontrolle. Laut Piaget nimmt mit der Steigerung der Selbstkontrolle durch Selbstreflexion, auch die Anzahl der Merkmale des Problemlösens zu. Schlussendlich bleibt noch zu sagen, dass jede hier beschriebene Strategie auf der Vorherigen aufbaut. Elemente werden aus vorherigen in die darauffolgende Strategie übernommen, gehen also nicht verloren. Im Gegenteil sie können durch stetiges Hinzulernen immer differenzierter und effizienter von Kindern genutzt werden. 12 Literaturverzeichnis: 1. Oertetr-Montada (Hrsg.): Entwicklungspsychologie ; 5.Auflage, 2002; Belz Verlag 2. Margaret Donaldson: Wie Kinder denken; 1982; Verlag Hans Huber Bern Stuttgart Wien 3. Gerhard Roth: Fühlen, Denken, Handeln; 1.Auflage, 2001; Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 4. Piaget/ Inhelder: Gedächtnis und Intelligenz; 1980, Klett – Cotta Verlag Stuttgart 13