Fremdbilder von Migranten im historischen Vergleich – eine Sequenz zum Inhaltsfeld 12 Klaus-Michael Guse, Studienseminar Siegen 1) Planung der Unterrichtsreihe bzw. –sequenz a) Thema der Sequenz Fremdbilder von Migranten im historischen Vergleich b) Kompetenzschwerpunkte Das Thema gehört zum Inhaltsfeld 12; konkret geht es um Selbst- und Fremdverstehen in historischer Perspektive. Die Idee ist es, in der Sequenz das Fremdverstehen zu spiegeln, also zu zeigen, dass nicht nur in Deutschland Migranten klischeehaft (stereotyp) wahrgenommen wurden, sondern auch deutsche Migranten (in den USA) – der Zugriff bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Sequenz fortzusetzen. Die SuS „entwickeln Deutungen auf der Basis von Quellen und wechseln die Perspektive, sodass diese Deutungen auch den zeitgenössischen Hintergrund und die Sichtweise anderer adäquat erfassen“ und „analysieren, vergleichen, unterscheiden und gewichten in Ansätzen das Handeln von Menschen im Kontext ihrer zeitgenössischen Wertvorstellungen und im Spannungsfeld von Offenheit und Bedingtheit“. Konkret: Die SuS erläuterndie Sichtweise und den jeweiligen zeitgenössischen Hintergrund, indem sie sowohl die Gründe für die jeweilige Migration als auch die sozialpolitische Situation in den aufnehmenden Ländern erarbeiten. Dadurch sind sie in der Lage, die Perspektive zwischen den aufnehmenden Menschen und den Migranten zu wechseln und ihr Handeln im Kontext der zeitgenössischen Werturteile zu gewichten. c) Tabellarische Auflistung der einzelnen Unterrichtseinheiten der Reihe bzw. Sequenz nach folgendem Schema Thematischer Kompetenzerwartung Basale Schwerpunkt (KLP-Bezug; Konkretisierung) Unterrichtsmaterialien [Zeitaufwand] Bilder von Die SuS „entwickeln Deutungen auf der Basis von Zwei Quellentexte: Fremden Quellen und wechseln die Perspektive, sodass 1. Europa-Knigge von (Doppelstunde) diese Deutungen auch den zeitgenössischen 1962 Hintergrund und die Sichtweise anderer adäquat 2. Josiah Flynt, The Gererfassen“; hier: die SuS benennen, dass in beiden man and the GermanQuellen Migranten stereotyp dargestellt werden, American, 1896 obwohl in beiden Texten für eine freundliche Aufnahme der Migranten geworben wird. Entstehung von Die SuS „identifizieren in Texten Informationen, die Darstellender Text von Fremd- und für die gestellte Frage relevant sind“ und Arnold Suppan Selbstbildern „beurteilen Argumente aus historischen übernationale Stereotype (Einzelstunde) Deutungen kriteriengeleitet“; hier: sie entnehmen dem Text von Suppan die zentralen Thesen zur Entstehung von Selbst- und Fremdbildern und wenden seine Thesen auf die Darstellung in den beiden Quellen (der vorherigen Stunde) an. Historische Die SuS „nutzen grundlegende Arbeitsschritte zur Die „Völkertafel“ von Fremdbilder in sach- und fachgerechten Informationsentnahme 1720/30 Europa und Erkenntnisgewinnung aus Bildquellen“ und „vergleichen Informationen, stellen Verbindungen zwischen ihnen her und erklären Zusammenhänge“; entnehmen der „Völkertafel“ Stereotype über europäische Völker, vergleichen diese und verbinden die Informationen mit der Deutung Suppans und der Darstellung in den beiden Quellen der Eingangsstunde. Die Sequenz ist nach den beiden Stunden in sich geschlossen, sie kann aber auf unterschiedliche Weise sinnvoll erweitert werden: 1. Es ist möglich, die eine der beiden historischen Situationen genauer mit den Schülern zu untersuchen, um die gesellschaftliche Situation genauer zu erfassen, in der stereotype Fremdbilder entstanden sind. 2. Den in der Doppelstunde angelegten Vergleich der beiden historischen Situationen kann man fortsetzen und Motive der Migranten, Situation in den aufnehmenden Ländern sowie Fremd- und Selbstbilder miteinander vergleichen. 3. An diese Sequenz kann man auch gut eine weitere anschließen, in der der Wandel eines Fremdbildes thematisiert wird. Zu den ersten beiden Möglichkeiten werden im Anhang weitere Materialien bereitgestellt. 2) Planung der Unterrichtsstunde a) Stundenthema Fremdbilder von Migranten im Vergleich: Deutsche Auswanderer in den USA – „Gastarbeiter“ in Deutschland. Wie werden Fremde gesehen? b) Bedingungsanalyse: Notwendige Kompetenzvoraussetzungen Sachkompetenzen: Die SuS kennen die Grundzüge der Industrialisierung; sie kennen in Grundzügen die wirtschaftliche und politische Entwicklung der Nachkriegszeit in der Bundesrepublik Deutschland. Sie können„historisches Geschehen, Strukturen und Personen grobchronologisch, räumlich und sachlich/thematisch“ einordnen. - Methodenkompetenzen: SuS sind in der Lage, „grundlegende Arbeitsschritte zur sach- und fachgerechten Informationsentnahme und Erkenntnisgewinnung aus Bildquellen“ anzuwenden. Sie „wenden elementare Schritte der Interpretation von (Text-)Quellen (…) sach- und themengerecht an“. c) Didaktische Entscheidungen c.1) Intentionen c.1.1) Zentrale(s) Kompetenzziel(e): KLP-Bezug; Konkretisierung Die SuS „entwickeln Deutungen auf der Basis von Quellen und wechseln die Perspektive, sodass diese Deutungen auch den zeitgenössischen Hintergrund und die Sichtweise anderer adäquat erfassen“; hier: die SuS benennen, dass in beiden Quellen Migranten stereotyp dargestellt werden und deuten diese Stereotype, indem sie zwischen der Sicht der aufnehmenden Menschen in den Gastländern und den Migranten die Perspektive wechseln. c.1.2) Teilkompetenzen (TK) - Die SuS kontextualisieren die beiden Quellen und ordnen die Darstellung jeweils grobchronologisch und räumlich ein (TK 1). - Die SuS fassen die Darstellung der Migranten in beiden Quellen zusammen und erläutern sie ihren Mitschülern (in Partnerarbeit und im Plenum) (TK2). - Die SuS vergleichen die Darstellung der Migranten in beiden Quellen, stellen die Gemeinsamkeiten heraus und stellen Vermutungen an, warum Stereotypen bei Fremdbildern in solchen historischen Situationen entstehen(TK3). - Die SuS übernehmen die Rolle der Migranten aufnehmenden Menschen in den Gastländern und thematisieren deren Handeln(TK 4). d) Gestaltung des Lernprozesses Tabellarische Übersicht des geplanten Stundenverlaufs nach folgendem Schema1 Unterrichtsschritte/ -phasen Entwicklung der leitenden Fragestellung (Problematisieru ng) Sachaspekte Kompetenzbez ug Präsentation einer Karikatur zum Thema „Ausländer“ (siehe Materialien) Fixierung der Formulierun leitenden g der Fragestellung der Problemstell Unterrichtsseque ung nz Arbeitsschritte der Informationse ntnahme aus Bildquellen werden angewandt Anwendung der Kompetenz, Fragestellunge n zu formulieren Überleitung Hinführung zur Erarbeitung - SuS lesen einen Quellentext und fassen ihn zusammen TK 1 und TK 2 Erarbeitung I 1 Sozial-/ Kommentar; Erläuterung Handlungsformen ; Medien UG; Karikatur als Impuls UG; Tafel; SuS formulieren die Problemstellung; L notiert sie an der Tafel Folgende Problemfragen sind denkbar und zielführend: - Wie gehen Menschen mit Fremden (Ausländern) um? - Warum gibt es Abwehrhaltungen gegenüber Fremden? - Welche Bilder von Fremden haben wir? Lehrer erläutert Zwei historische Beispiele des Umgangs mit Migranten werden das Vorgehen untersucht (Fremdbilder in historischer Perspektive) EA (think-Phase Bei der Aufgabenstellung ist auf im kooperativen die Kontextualisierung der Lernen) Quellen zu achten Es handelt sich um eine Planung für eine Doppelstunde; bei Einzelstunden müssen beide Texte auf je eine Stunde verteilt werden. Erarbeitung II Präsentation Sicherung Beurteilung 2 SuS stellen sich gegenseitig einen Quellentext vor Ergebnisse der Quellenarbei t werden präsentiert TK 1 und TK 2 PA (pair-Phase im kooperativen Lernen)2 TK 1 und TK 2, sowie Anwendung der Fähigkeit, Ergebnisse zu präsentieren Abgleich der Präsentation en und Korrektur SuS vergleichen die Ergebnisse, beziehen sie auf die Problemfrag e und versuchen eine Deutung bzw. eine Hypothesenb ildung TK 2 und TK 3 SuS präsentieren eigenständig die Ergebnisse, sie übernehmen auch die Moderation; freie Wahl eines unterstützenden Mediums (sharePhase im kooperativen Lernen – nach Möglichkeit Losverfahren bei der Auswahl der Schüler anwenden) Gelenktes UG; ggf. Tafel TK 4 und Freies UG zentrale Kompetenz Es präsentieren jeweils diejenigen, die den Text nicht bearbeitet haben; die anderen haben jeweils Kontrollfunktion. Auf Kontextualisierung achten kann ggf. wegfallen Bezug zur Problemfrage Statt fester Paare kann nach dem „Cocktail-Party-Prinzip“ verfahren werden. SuS suchen sich frei einen Partner und stellen sich die Texte vor und dürfen auch wechseln, um von anderen weitere Informationen zu bekommen. 3) Materialien für die Stunde a)E U R O P A - K N I G G E 1 9 6 2 Goldene Regeln für den Umgang mit Gastarbeitern […] Der Südländer will als Persönlichkeit behandelt werden. Er ist von Natur liebenswürdig und schätzt eine liebenswürdige Umgangsart. Eine kleine Gefälligkeit, zum Beispiel eine angebotene Zigarette, gewinnt sein Herz im Nu. 5 Der Südländer leidet oft unter Heimweh; er sucht Freundlichkeit und aufrichtigen Kontakt mit der Umgebung. Seine Isolierung kann ihn dazu verführen, sich mit asozialen Elementen einzulassen; man sollte ihm deshalb Kontakt mit Familien ermöglichen. Der südländische Fremdarbeiter denkt an seine Familie, er ist arbeitsam und spart; man soll keinen Wucher mit ihm treiben, wenn er Unterkunft sucht. 10 Der Südländer - der Italiener, der Spanier, der Grieche — weiß sich als Erbe einer großen Kultur und ist stolz darauf. Diesen Stolz sollte man achten und keinen der Gastarbeiter mit einem Spott- oder Schmähnamen, also etwa den Italiener “Makkaroni“ nennen. Die Arbeitsfreudigkeit fehlt dem Südländer nicht; aber er braucht mehr als der Deutsche eine freundliche Anerkennung für seine Leistung. 15 Manche Südländer haben noch keinen rechten Sinn für Sauberkeit und Ordnung. Man sollte sie durch gute Unterkünfte zu diesen Tugenden ermuntern. Der Mangel an Verständigung und. Verständnis verleitet den südländischen Arbeiter leicht zu kleinen Notlügen, mit denen er gewissen Schwierigkeiten aus dem Wege geht. 20 Die Ausländer sollen nicht bevorzugt werden, aber mit Rücksicht auf ihre Hilflosigkeit ist eine Sonderbehandlung manchmal unbedingt erforderlich. Bei Unruhen und vielleicht unbegründeten Klagen ist eine harte und konsequente, jedoch gerechte Klarheit der einzige Ausweg. Auch der Südländer hat den Wunsch, beruflich höher zu steigen. Man sollte ihm daher Gelegenheit geben, auch qualifizierte Arbeiten zu verrichten. 25 Im öffentlichen Leben nimmt der Südländer Gebote und Verbote nicht so “tierisch ernst“; bei aller Strenge sollte man auch etwas Verständnis für seine Mentalität walten lassen. Die Betriebe und öffentlichen Einrichtungen sollten den Fremdarbeitern Gelegenheit zum Besuch deutscher Sprachkurse bieten; bessere Sprachkenntnisse der Ausländer kämen der Verständigung und dem Verständnis sehr zugute.. 30 Der Südländer hat angeblich Erfolg bei den Frauen; wenn er einer Frau Komplimente machte, meint er es jedoch selten ernst. Der Südländer ist von seiner Heimat her Zurückhaltung bei den Frauen gewohnt; kommt ihm im Gastland eine Frau offener entgegen, meint er, sie habe kein Ehrgefühl, und er dürfe sich etwas herausnehmen. Auch auf diese Vorstellung vom angemessenen Verhalten der Frau ist Rücksicht zu nehmen. 35 Der Südländer ist gewöhnlich religiös von Natur. Man sollte seine Religiosität und auch die andere Art. seines religiösen Ausdrucks achten. Das Gastland und die Unternehmer sollten alles tun, damit die Ausländer Gottesdienste in ihrer Muttersprache erhalten und von Geistlichen aus der Heimat umsorgt werden. 40 Die Arbeitgeber können für ihre ausländischen Arbeiter Zeitungen. aus ihrer Heimat abonnieren. Die Sendeanstalten sind dazu übergegangen, für die —ausländischen Arbeiter eigenen Sendungen zu. bringen; auf diese seien die Firmen besonders verwiesen. Ergebnisse einer Tagung der Akademie der Diözese Rottenburg über das Thema: “Die ausländischen Arbeitnehmer in der Bundesrepublik“ Archiv des deutschen Caritas Verbandes e.V. (ADCV), Signatur380.21.065 Fasz.1 45 Quelle: http://www.angekommen.com/italiener/Dokumente/EuropaKnigge.html b) Josiah Flynt: “The German and the German-American”, in: AtlanticMonthly 78 (1896), 655-64, hier S. 655, 657-64. “[…] Perhaps, to an American, the most striking feature in the character of the Germans at home is their respect for law and authority. […] but I venture to say that Germany is what it is to-day, probably the least politically corrupt country in all Europe… 5 Patience and perseverance are the next prominent characteristics. Germans stick to a thing that they have begun. […] The Germans are also an industrious people. They work at something, men, women, and children, the whole day long. […] Finally the Germans are a healthy people. […] Taking them as a race, I think they are better fitted for life, physically, than we are, and they seldom have to rely so much on nervous power to do their work. […] 10 15 Theoretically, the German immigrants whom we get ought to have these characteristics, and in so far as they are intelligently retained here they help to make our life better. With these, however, they bring others which are not so desirable, and I must note them too. The first characteristic, and it is the worst of all, is their view of women and the treatment they apply to them […] The woman exists merely to bear his children and keep his home clean. […] It is probably also the military spirit which makes the Germans such rough people. […] The Germans are also somewhat inclined to be petty and small. They are so crowded together, and so afraid that someone will trample on their rights, that it is fairly impossible for them to overlook little things […] 20 Finally the German is a Gemüthsmensch; he lives pretty much for and by his feelings. This is both a good trait and a bad one, and the Germans show both sides […] The striking thing, however, in German children born in this country is the ease and almost eagerness with which they throw off their nationality. Except possibly the Irish, there is no other race which so quickly becomes American and anti-European […] 25 Our first and greatest debt to the Germans is for their help in developing our country […] As a people the Germans work more slowly than we do, and in certain branches where quickness is necessary they are not equal to the demand, but they have contributed a steadying element to our working classes which has been most salutary […]” Josiah Flynt: Die Deutschen und die Deutsch-Amerikaner“, in: Atlantic Monthly 78 (1896) (übersetzt von Bärbel Kuhn und Klaus-Michael Guse) 5 10 „[…] Möglicherweise ist für einen Amerikaner die hervorstechendste Charaktereigenschaft der Deutschen bei ihnen zu Hause ihr Respekt vor dem Recht und der Autorität. […] aber ich wage zu sagen, dass Deutschland, wie es heute ist, wahrscheinlich das am wenigsten politisch korrupte Land in ganz Europa ist… Geduld und Ausdauer sind die nächsten markanten Merkmale. Deutsche bleiben eisern bei einer Sache, die sie begonnen haben. […] Die Deutschen sind zudem ein fleißiges Volk. Den ganzen Tag lang arbeiten Männer, Frauen und Kinder an irgendetwas. […] Letztlich sind die Deutschen ein gesundes Volk. […] Ich glaube, als Rasse betrachtet, sind sie physisch besser an das Leben angepasst als wir, und nur selten müssen sie sich allzu sehr auf ihre Nervenstärke verlassen, um ihre Arbeit bewältigen zu können. 15 20 Die deutschen Immigranten, die wir bekommen, sollten diese Merkmale haben und wenn es uns gelingt, sie auf intelligente Weise hier zu behalten, helfen sie uns theoretisch unser Leben zu verbessern. Aber ich muss darüber hinaus zugeben, dass mit ihnen auch andere zu uns kommen, die nicht so erwünscht sind. Ihre auffallendste Eigenschaft, und gleichzeitig die Schlimmste von allen, ist ihre Sichtweise auf Frauen und ihr Verhalten, das sie ihnen gegenüber zeigen. […] Die Frau ist vor allem dazu da, Kinder zu gebären und das Haus sauber zu halten. […] Wahrscheinlich ist es gerade der militärische Geist, der die Deutschen zu einem solch rauhen Volk werden lässt. […] Die Deutschen neigen ein wenig dazu, klein und unbedeutend zu sein. Sie leben so eng zusammen und fürchten sich so davor, dass jemand auf ihren Rechten herumtritt, dass es für sie praktisch unmöglich ist, Kleinigkeiten zu übersehen. […] 25 Zu guter Letzt ist der Deutsche ein Gemütsmensch; er lebt sehr stark für und von seinen Gefühlen. Beides ist zugleich eine gute und eine schlechte Eigenschaft, und die Deutschen zeigen beide Seiten […] 30 Das hervorstechendste Merkmal der in unserem Land geborenen deutschen Kinder ist, mit welcher Leichtigkeit, ja beinahe Beflissenheit sie ihre Nationalität ablegen. Außer vielleicht den Iren, gibt es keine andere Rasse, die so schnell Amerikaner und Anti-Europäer wird […] 35 Zuallererst und am meisten müssen wir den Deutschen für ihre Hilfe bei der Entwicklung unseres Landes danken […]. Als ein Volk arbeiten die Deutschen viel langsamer als wir es tun, und in einigen Branchen, in der Schnelligkeit von Nöten ist, entsprechen sie nicht den Anforderungen, aber dennoch steuern sie unserer Arbeiterklasse ein stabilisierendes Element bei, das sich als sehr nützlich erwiesen hat […]“ c) Karikatur für den Einstieg (Karikatur von Jan Tomaschoff; © toonpool.com) 4) Weitere Materialien für die Sequenz a) Der Historiker Arnold Suppan übernationale Stereotype: 5 10 Das Bild vom anderen, das Fremdbild, ebenso wie dasSelbstbild entsteht aus dem Bedürfnis von Individuen, Gruppen und Nationen, sich eine klar geordnete Welt einzurichten und sich in dieser sozial bestätigt zu sehen. [...] Dabei bedienen sie sich gedanklich gebildeter Stereotypen […] als Bewertungsmaßstäbe. Mit derenHilfe wird ein eigenes Rollenbild […] geformt. [...] Stereotypen sind schematisierte Selbst- und Fremdbilder […], [die] in ungerechtfertigt vereinfachender und generalisierender Weise, mit emotional wertender Tendenz, einer Gruppe von Personen bestimmte Eigenschaften oder Verhaltensweisen zu- oder abspricht. Der Erwerb solcher Stereotypen erfolgt nicht auf Grund eigener Erfahrung, sondern wird über Erziehung, Sozialisation1 und öffentliche Meinung vermittelt. Hierbei ist zu fragen, von welchen sozialen Schichten eine solche Vorurteilsbildung ausgeht, welche Mittel dazu eingesetzt werden —hier ist auf die besondere Bedeutung bildlicher Darstellungen (z. B. Karikaturen) hinzuweisen — und welche Instrumentalisierungsabsicht2 hinsichtlich der Mobilisierung bestimmter Bevölkerungsschichten besteht. [...] (aus: Arnold Suppan, Nationale Stereotypen in der Karikatur, in: Wolfram Herwig/Walter Pohl (Hg.), Probleme der Geschichte Österreichs und ihrer Darstellung,. Wien 1991. S. 277 ff.) ----------------1 die Entwicklung einer Persönlichkeit beim Hineinwachsen eines Menschen in die Gesellschaft 2 etwas für einen bestimmten Zweck benutzen oder einsetzen b) Die Völkertafel (Quelle gemäß Wikipedia: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:V%C3%B6lkertafel.jpg&filetimestamp=20081130201528 ) c)Material zu: Der millionste „Gastarbeiter“ wird begrüßt (1964) Ein schüchterner "Millionär" Mit verlegener ein wenig mißtrauischer Miene stand der millionste Gastarbeiter der Bundesrepublik, der Portugiese Armando Sa Rodrigues ziemlich steif und sehr unrasiert gestern morgen im kleinen Kölner Bahnhof inmitten eines Rudels von Reportern und Kameraleuten. Nach über zweitägiger Fahrt von seinem kleinen portugiesischem Heimatort Valle de Madeiros aus war er in einem Gastarbeitertransport nach Köln gekommen, wo er mit deutschen Märschen und dem Lied „Auf in den Kampf Torero“ empfangen wurde. Als Willkommensgeschenk wurdeihm ein Moped sowie eine Ehrenurkunde überreicht. Wie lange er in der Bundesrepublik bleiben wolle, wisse er noch nicht, sagte der „Millionär". Doch sollen seine Frau und seine beiden Kinder bald nachkommen. (aus: nacht-depesche, westsektor, 11. September 1964; © pa-picture alliance. ein Unternehmen der dpa-Gruppe) „Willkommen, Senhor!“ „Senhor Rodrigues, seien Sie in der Bundesrepublik herzlich willkommen. (...) Daß man zu Ihrer Begrüßung_ auch ,Auf in den Kampf, Torero' gespielt hat, hat durchaus symbolischen Charakter. Jetzt geht es an die Arbeit. (...) Wir wären ganz froh, wenn wir in unserem Land nicht gezwungen wären, soviel Ausländer fern der Heimat beschäftigen zu müssen. Nun sind Sie aber da, wir brauchen Ihre Hilfe, und Sie sollen es so gut haben, wie es eben geht, so gut wie es ein Gast erwarten darf. Vergessen Sie nur nicht, Deutsche denken etwas anders als Portugiesen, und Portugiesen empfinden manches anders als die Deutschen. Das kann man nicht ändern. Tusch! in diesem Sinne: ,Auf in den Kampf, Senhor Rodrigues!'” Handelsblatt, 11.9.64. („Willkommen, Senhor!") d) Warum wurden Arbeitsmigranten angeworben und wo kamen sie her? 1 Erwerbstätige, Flüchtlinge/Vertriebene, Zugewanderte und Ausländer 1950-1970 (in Tausend, bis 1960 ohne Saarland und Berlin, Quoten in %): __________________________________________________________________________ Jahr Erwerbstätige Vertriebene/ Ausländer Arbeitslosen- Ausländerinsgesamt 1950 1954 1958 1960 1962 1964 1966 1967 1968 1970 Zugewanderte 19997 21 995 24 124 24 792 26 690 26 753 26801 29 950 25 968 26 668 3800 4 700 5 450 5 80 — — — — — — quote — 73 127 279 629 902 1 244 1 014 1 019 1 807 10,4 7,1 3,6 1,2 0,7 0,8 0,7 2,1 1,5 0,7 quote — 0,3 0,5 1,1 2,4 3,5 4,9 4,0 3,9 6,8 (Jahresgutachten des Sachverständigenrates. Bonn 1981, S. 250) „Gastarbeiter“ nach Herkunftsländern (1969) Land Frankreich Griechenland Italien Jugoslawien Österreich Portugal Spanien Türkei Insg. Anzahl 28.674 174.348 340.244 226.290 62.774 26.379 135.547 212951 1.372059 % 2,08 12,71 24,80 16,49 4,5 1,9 9,8 15,52 100 Statistik nach der Bundesanstalt für Arbeit, 1970 Zeitleiste zur Spaltung Deutschlands 8. 5.1945 20.6. 1948 24.6. 1948 – 12.5. 1949 23.5.1949 10.3.1952 17.6. 1953 9.5. 1955 14.5. 1955 1.1.1957 13.8.1961 1 Ende des Zweiten Weltkrieges. Besetzung Deutschlands durch die Alliierten Währungsreform in den Westzonen, Einführung der D-Mark; drei Tage später Einführung der Reichsmark in der sowj. besetzen Zone Blockade West-Berlins durch die sowj. Besatzung Gründung der BRD (die DDR wird am 7. 10. 1949 gegründet) Stalin bietet die Vereinigung der beiden deutschen Staaten an („StalinNote“), unter der Bedingung, dass Deutschland sich keinem Militärbündnis anschließt. Bundeskanzler Adenauer und die Westmächte lehnen das Angebot ab. Volksaufstand in der DDR gegen die Erhöhung der Arbeitsnormen wird durch das sowj. Militär niedergeschlagen. Die Bundesrepublik tritt der NATO bei. Der Warschauer Pakt wird gegründet, die DDR tritt bei. Das Saarland wird das 10. Bundesland der BRD. Bau der Mauer durch die DDR, die beide deutsche Staaten trennt. Eine Ausreise aus der DDR war damit unmöglich. Erwerbstätige insgesamt = 100% e) Materialien zur Emigration Deutscher in die USA Auswanderwellen (aus: http://de.academic.ru/dic.nsf/dewiki/380225; Zugriff: 12.10.2010) Motive für die Auswanderer Dezember 1883: Amtsvorsteher zu Schönberg (Kreis Plön) an seinen Landrat über die Auswanderung aus der Probstei: „Meiner Ansicht nach ist in den allermeisten Fällen der von den Auswanderungslustigen selbst angegebene Grund […] die wirkliche Veranlassung zur Auswanderung – wenigstens bei den jungen Leuten – daß sie sich nämlich der Landwirtschaft widmen, aber nicht zeitlebens als Knecht oder Tagelöhner dienen wollen, in Amerika aber viel leichter selbständig werden zu können glauben als hier.“ „Früher arbeiteten die Hufnersöhne, sofern sie Ackerbauer bleiben wollten, meistens bei ihrem jüngsten Bruder, welche die Stelle bekam als Knecht, während sie jetzt, wenn sie Landmann bleiben wollen, nach Amerika auswandern, weil sie meistens nicht die Mittel besitzen, um hier selbständig zu werden, bei ihrem Bruder als Knecht aber nicht mehr arbeiten wollen.“ „Es kommt hinzu, daß fast jede Probsteier Familie nahe Verwandte in Amerika hat, wodurch den Auswanderern das Auskommen in Amerika zu Anfangs jedenfalls bedeutend erleichtert wird. Jedenfalls kommen hier junge Leute leichter dazu nach Amerika auszuwandern und geben die Eltern auch eher ihre Einwilligung dazu, wenn schon ältere Geschwister oder sonstige nahe Verwandte drüben sind, denen es gut geht; und das trifft hier bei den meisten Familien zu.“ (Aus: http://www.vimu.info/quote.jsp?id=for_14_5_36_cit_schoenberg_de; zitiert nach: Rößler, Horst: ‚Mit der Auswanderung nach drüben ist hier eine Völkerwanderung entstanden‘ – Migrationen im ländlichen Schleswig-Holstein (ca. 1870-1900), Teil 1. In: Ders. (Hrsg.): ‚Es zieht eben einer den Anderen nach‘. Wanderungen und ihre Wirkungen auf ausgewählte Gebiete Schleswig-Holsteins und Ostelbiens, St. Katharinen 1995, S. 23-94, S. 50. Zugriff: 15.10.2010) Briefe in die Heimat (Veröffentlichung der „Briefe in die Heimat“ mit freundlicher Genehmigung der Forschungsbibliothek Gotha, Handschriftenabteilung www.auswandererbriefe.de ) Wilhelmine Wiebusch: 1884 in die USA ausgewandert. (Fand wenige Tage nach ihrer Ankunft in den USA einen Arbeitsplatz im Haushalt eines wohlhabenden jüdischen Geschäftmannes in Brooklyn. Wahrscheinlich half ihr beim Einstieg in dieser gesellschaftlichen Schicht ihre Berufserfahrung.) liebe Marie, Du müßtest NewYork nur wirklich mal sehen, wenn Du Sontag aus gehst komme ein bischen her, die Stadt ist wohl 3mal so groß wie Hamburg, die schönste und Hauptstraße der Broadway ist über 6 Stunden lang, hat rechts und lingst an 300 neben Straßen den die vielen vielen andern Staßen noch alle, zu Fuß kann man deshalb auch wenig gehen da es so sehr weitläufig alles ist mannnimt Einfach die Care oder Eisenbahn welche fast in jeder Straße fahrt hoch oben bis an der zweiten Etg der Hauser, über einen Fahrweg geht man manches mal mit Lebensgefahr es rennt ein Wagen hinterm andern, ein Geräuscht das ma[n] sein eigen Wort nicht verstehen kann alles Geschäft und Geld. Am 8 August hatten wir das du[m]e Glück beide zusammen placirt zu werden in einen sehr feinen Privathause in Brooklyn. […] Arbeit haben wir freilich etwas mehr, denn die Amerikaner leben sehr nobel, es wird hier dreimal am Tag warm gegessen, dann haben wir sämtliche Wäsche im Hause, da es außer dem Hause so furchtbar theuer ist, selbst Oberhemden und Manschetten müssen wir pletten. Verstehen muss man hier alles, wir richten es uns aber ein, wie wir wollen. […] Die Familie ist außerordentlich freundlich, es sind im ganzen 8 Personen Mr. Und Mrs. Moses, 3 erwachsene Bild hübsche Töchter und 3 schmuke Jungens. Die Lady selber spricht gebrochen Deutsch, wir können uns ganz gut mit ihr verständigen. […] Du müsstest uns nur mal Englisch sprechen hören, wir rappeln alles nach, ob es recht ist oder nicht, die Lady sagt manchmal Sie möchte gestorben sein, vor Lachen über uns.“ […] Ich habe auf die Amerikaner nichts auszusetzen es sind sehr freundliche galante Menschen, nur die Deutschen hier gefallen mir noch nicht so recht, sie thun alle sehr hoch t[ra]gen, als könnten sie kein Deutsch mehr verstehen, sie thun als wenn sie nichts von ihrem Vaterland mehr wüßten[…]“ Johann Dumsch (* 1858 in Neu-Altmannsdorf, 1882 mit seinem Bruder Heinrich ausgewandert, gest. 1948 in Rogers City/Michigan) Rosewill, 25.12.1882 Liebe Eltern und Geschwisters Meinen letzten Brief sandte ich am 12. Dezbr. Worin ich schrieb daß ich noch keine Arbeit habe. Doch 3 Tage später hatte ich schon welche, Am 14tn Dezbr. Ging ich u. der Heinrich von Detroit aus aufs Land zu den Farmern wie wier 8 Meilen gegangen waren begegneten wier einem der frug mich gleich ob ich arbeiten wollte, wer war froher wie ich, Er gab mir seine Adreße wo ich noch denselben Tag hinging 10 Meilen von Detroit. […] Meine Herrin heißt Gerandy sie ist Wittfrau u. Französin […] Hier in der Famielie wird französisch, englisch u. deutsch gesprochen, ich verstehe natürlich keine andere wie die Muttersprache. Meine Arbeit ist Pferde putzen Rindvieh füttern. Holz hacken. Holz fahren, kurz und gut. Alle Arbeit die in der Wirthschaft vorkommt. Was das Essen anbelangt, so ist bei mir alle Tage besser wie Kirmiß, alle Tage 3.mal Fleisch. […] Liebe Eltern was ich hier schreibe ist etwa kein Humbug sondern die Wahrheit. Liebe Eltern ich bin zwar hier der Knecht aber ich stehe mich besser wie in Deutschland ein HandlungsCommis.“ Brief von Philippe Lépine, (*1856 in Gartz, ausgewandert 1884, arbeitete in D. als Eisenbahner) Marschall, den 4ten 1. 85 Lieber Bruder und Schwägerin! […] Ich will Euch nun etwas aus Amerika mittheilen, damit Ihr wißt wie es hier aussieht, Wenn die Deutschen nach Amerika ziehen, dann heißt es jetzt gehts nach das schöne Land, aber wie teuscht sich mancher, wenn er hier ankömmt; wer in eine Stadt bleibt, mit dem geht es noch, wenn er gleich Arbeit bekömmt, und die bekommt jeder frische Einwanderer, denn die Nimmt ein jeder, die sind noch zu dumm, die kennen die mode, und auch den Lohnpreiß nicht, das machen sich die Amerikaner zu Nutze; Aber so wie hier wo ich bin ist es anders, hier ist keine Stadt, hier muß ein jeder beim Farmer Arbeiten er muß sich beim Farmer Vermihten der Lohn ist pro Jahr 150 – 200 Dollar Ich habe mich noch nicht Vermitet, binn es auch nicht Willens, ich arbeite auf Tagelohn, im Sommer habe ich 2 Monath gedint beim Farmer, Aber das wollte mir nicht gefallen, mannmuß des Morgens früh und Abens spät arbeiten, und dann auch noch Milchen, das gefällt mir nicht. […] Lieber Bruder, wenn Du hier währest Du würdest Dich wundern, über einen Farm, die Ställe, Du hast keinen Begriff davon; da graben sie 6 oder 8 Pfähle in die Erde, legen oben quer auch lange Bäume, bringe oben Stroh hinauf und der Seiten mit Bretter beschlagen, (viele auch nicht) und der Stall ist fertig ich wohne noch in eins der Besten Gegende es giebt viele, da lieg das Vieh Sommer und Winter draußen, im Schutz der Strohhaufen (Strostork) Wohnhäuser sind etwas gut, aber einige sind so schlecht das mich die Haut schaudert wenn ich hinein gehen soll, in der Stube hängen alte Jacht Gewehre aus alten Zeiten (Mordgewehre sage ich immer) denn die Jacht ist so. Die Pferde sind auch ein wenig wahrm untergebracht, 4 Bäume in die Erde, und bretter an den Seiten, und aufs Dach Stroh im Winter wird alles mit Mist bepackt, denn es wird hier sehr kalt, 30 Grad hatten wir vor Weihnachten. […] Euch von der Fahrt zu schildern, halte ich nicht für nötig, es ging gut, aber auch sehr schlecht, denn die Deutschen glauben doch nicht, wenn jemand die Wahrheit schreibt; Ich will Dir nun die entfernung mittheilen von Europa bis Waterloo in Amerika Von Bremen bis Baltimore sind 5825 Seemeilen, und von dort bis Chikago 2528 Englische Meilen und von dort bis Waterloo noch 150 Meilen Ich werde wohl nicht hier bleiben, erst werde ich nach eine Stadt ziehen wo Fabricken oder Sägemühlen sind, da ist mehr Geld zu verdienen. […]“