Deckblatt für Manuskript

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Hessischer Rundfunk
Hörfunk – Bildungsprogramm
Redaktion: Volker Bernius
WISSENSWERT
Mozart und der Film (2)
Hollywood composer
Von Matthias Keller
Samstag, 31.12.2005, 09.30 - 09.55 Uhr, hr2
Sprecher: Matthias Keller
Voiceover: Andreas Neumann
05-176
COPYRIGHT:
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Zuspielung: Montage “Moooozaart” X CD: g-moll-Sinfonie KV 183 (aus “Amadeus”/ Salieris
Suicid-Versuch) …
drüber:
Filmton: “Amadeus” (01:57:46) Salieri: “Ich komme, um ein Werk bei Euch in Auftrag zu geben” –
“Was für ein Werk?” …
Musik hoch/runter …
drüber Sprecher:
Mozart als Auftragskomponist: wer dächte da nicht automatisch an das “Requiem”,
skandalumwittert bis heute.
Aber auch für Hollywood wäre Mozart ein ernst zu nehmender Kandidat gewesen, als
Filmkomponist, wie Milos Formans Film “Amadeus” belegt. Denn dessen gesamter Soundtrack
stammt, selbstverständlich, von Mozart, meisterlich in Szene gesetzt von den Machern des Films
Dass ein solches Verfahren freilich die Verdrehung filmmusikalischer Praxis ist, eine Handlung,
deren Bilder von der Musik ausgehen und nicht, wie üblich, umgekehrt: wen stört’s, solange sich
die gewünschte Wirkung einstellt?!
Und das tut sie wohl – von Anfang an.
Antonio Salieri, der Ich-Erzähler in “Amadeus”, liegt blutüberströmt in seinen Gemächern, weil er
Hand an sich gelegt hat. Man findet ihn, hebt ihn auf eine Trage und versucht, sein Leben zu
retten. Das Ganze im winterlich-nächtlichen Wien; Schnee liegt auf den Straßen; man eilt durch
finstere enge Gassen; frostig kondensierender Atem, schwankende Laternen und ein röchelnder
Salieri.
Ohne Mozarts Musik wäre diese Szene nicht halb so wirkungsvoll: es handelt sich um die frühe
g-moll-Sinfonie KV 183, komponiert vom 17-Jährigen Mozart, damals noch wohnhaft in Salzburg.
Die Tremolo-Streicher sind es vor allem und der dramatisch pulsierende Bass, die hier das
Geschehen förmlich antreiben und dabei den Eindruck erwecken, als wäre diese Musik nie für
einen anderen Zweck bestimmt gewesen: underscoring fürs Kino.
Regisseur Milos Forman im Rückblick:
Zuspielung: “Amadeus-Doku” (00:06:04) Forman “We had … stop talking, stop talking”
drüber Synchronsprecher:
Die Musik vorher zu haben, war ein enormer Vorteil. Wir haben jeden Tag einige Stunden nur
damit verbracht, Mozarts Musik zu hören und uns klar zu werden, was wir jeweils empfanden.
Was den Effekt hatte, dass selbst Peter Shaffer, der Autor des Theaterstücks “Amadeus”, demütig
verstummte, wenn wir gerade dabei waren, die Texte zur Musik zu sprechen”
Sprecher:
Der Traum eines jeden Filmkomponisten, dass seine Musik für sich spricht und zugleich die Bilder
beflügelt, für die sie geschrieben wurde.
Mehr noch: im Unterschied zu vielen Hollywood-Produktionen wird in “Amadeus” die Musik zu
einer Art Hauptdarstellerin mit perfekten darstellerischen Qualitäten. Klanglich zutage gefördert
immerhin durch Sir Neville Marriner und dessen Academy of St Martin in the Fields. Marriner
allerdings stellte zuvor eine Bedingung: keine einzige Note Mozarts durfte geändert werden. Auch
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das ziemlich untypisch für den gängigen Filmmusik-Betrieb, wo gerade das Ego des
Filmkomponisten ständig auf die Probe gestellt wird.
Ein anderer Streifen sorgte schon 5 Jahre vor “Amadeus” für ähnliches Aufsehen – wenn auch
diesmal auf Mozarts ureigenem Terrain, der Oper. Die Rede ist von Joseph Loseys “Don
Giovanni”-Verfilmung aus dem Jahr 1979, die weit mehr ist als nur eine abgefilmte
Bühneninszenierung. Vielmehr zeigt sich auch hier, wie “filmtauglich” Mozarts Musik ist in dem
Sinne, dass sie eben nicht nur für sich selbst stehen kann sondern auch in der Lage ist, szenisch
zu sekundieren, so wie man es von dramaturgisch maßgeschneiderter Filmmusik erwartet.
Musik: “Don Giovanni”-Ouvertüre
drüber Sprecher:
Bereits die Eingangssequenz macht deutlich: hier geht es um eine filmgerechte Umsetzung des
Stoffes mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, von der Einbeziehung realistischer Geräusche
bis hin zu aufwändig gestalteten Dreh-Locations. Dazu gehört etwa die filmsynthetische
Zusammensetzung des Haupt-Handlungsortes: es ist das von Palladio errichtete Teatro Olimpico,
in Vicenza gelegen. Weil es dort aber weit und breit kein Gewässer gibt, montiert Losey
kurzerhand das innere Ambiente zu den äußeren Wasserlandschaften der Lagunenstadt Venedig,
während Mozarts Ouvertüre filmgerecht wie ein Main Title erklingt: die Dämonie des Tonsatzes
mit seinen verminderten Akkorden und seiner unheilschwangeren Chromatik fügt sich äußerst
organisch zu Palladios klassizistischer Architektur mit ihren hohen Säulenhallen, die entsprechend
dämonisch verdunkelt sind und aus deren dunklen Fluchten die Beteiligten mitsamt Gefolge
schweigend zusammenströmen – gemessenen Schrittes versteht sich, ganz nach der
Choreografie der Musik …
Musik auf/runter …
drüber Sprecher:
Zu auf- und abwärtsschwankenden chromatischen Linien der Musik erfolgt passgerecht der Blick
hinaus auf die Lagune: schwindelerregend eingefangen von der Kamera aus der
Bootsperspektive, das Ganze unter wolkenverhangenem Himmel …
Musik auf/runter …
drüber Sprecher:
Auf einer Gondel nähern sich jetzt die Hauptakteure dem Ort des Geschehens, Don Giovanni
hoch aufgerichtet am Bug stehend …
Es erfolgt der Umschnitt ins Innere einer Glasmanufaktur: lodernde Flammen als Vorankündigung
von Don Giovannis Höllensturz ganz am Ende der Handlung. Musik und Bild lassen bereits
erahnen: dies ist dasselbe leidenschaftliche Feuer, das den Helden am Ende verzehren wird …
Musik auf/raus …
Sprecher:
Nichts von alledem steht wohlgemerkt in Mozarts Partitur. Obwohl es genügend Hinweise gibt,
dass der Komponist und sein Librettist Da Ponte tatsächlich eher an ein italienisches Ambiente
gedacht haben als an ein spanisches. Insofern liegt Losey mit seiner Verfilmung des Stoffes
durchaus richtig. Und auch der geometrische Klassizismus von Palladios Architektur trifft sich
verblüffend kongenial mit Mozarts Musik. Was auf einer Opernbühne immer der bildlichen
Vorstellungskraft der Zuhörer überlassen bleibt: in dieser Verfilmung wird es als realistische
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Handlung umgesetzt, einschließlich Ort- und Zeitsprüngen und naturalistischer Soundelemente
wie Donnergrollen, Meeresrauschen und dergleichen. Wobei der Regisseur als besonderen Gag
die Figur eines Kammerdieners eingebaut hat, der, in Schwarz gekleidet, zwischen 1. und 2. Akt
die Masken für Don Giovanni und seinen Diener Leporello aus dem Kostümfundus holt. Und der
zentrale Abschnitt des 2. Akts spielt sogar, als eine Art Theater im Theater, vor Publikum.
Lang ist aber auch die Liste solcher Filme, in denen Mozarts Musik zweckentfremdet wurde,
umfunktioniert zum akustischen Verhikel für bestimmte Emotionen. Das vielleicht berühmteste
Beispiel: Sidney Pollacks Film “Jenseits von Afrika”, sehr frei nach dem gleichnamigen Roman der
dänischen Autorin Tania Blixen.
Filmton: “Out of Africa” – Eingangssequenz (über Mozart A-dur-Konzert) ”Er nahm sogar …so
war’s gemeint” (Musik absaufen lassen)
drüber Sprecher:
Das genau ist die Frage: war es wirklich so gemeint – Tania Blixens Buch “Jenseits von Afrika”?
Dieser vielgepriesene autobiografische Roman einer Aussteigerin, die in den Jahren zwischen
1914 und 31 in Kenia ihr Glück sucht und dabei nicht nur mit dem gängigen Rollenbild der Frau in
Konflikt gerät sondern auch mit den eigenen Freiheitsträumen und ihren Vorstellungen sozialer
Gerechtigkeit. Einmal abgesehen davon, dass in dem gesamten Buch keine Rede ist von Mozart:
auch die Focussierung des Films auf die Liebesgeschichte zwischen der Erzählerin, gespielt von
Meryl Streep, und dem Lebenskünstler Denys Finch Hatton alias Robert Redford, entspricht kaum
der Buchvorlage. Aber Hollywood braucht bekanntlich immer eine Lovestory und entsprechende
Helden, die sie verkörpern. Und weil der Idealist Denys tatsächlich ein Musikliebhaber ist, der
auch im Roman stets ein Grammophon mit sich herumschleppt, kam Mozart gerade recht. Vor
allem, da er gerade im Jahr zuvor als “Amadeus” zum Superstar der Leinwand reüssiert war.
Seine Musik war sozusagen in aller Ohren, während der echte Denys es mehr mit Franz Schubert
und besonders mit den modernen Komponisten vom Schlage Igor Strawinskys hielt.
Doch Mozart erschien bei weitem “schmuse-kompatibler”. Mit dem Ergebnis, dass der langsame
Satz aus seinem A-dur-Klarinettenkonzert plötzlich weltweit zum großen Renner wurde.
Filmton: Musik “Klarinettenkonzert” (01:46:00) mit Erzählerin …”In den Tagen, in denen Denys …
wir lebten losgelöst von allem … hörte sich Geschichten an” – Musik blenden …
drüber Sprecher:
Zwar gibt es in “Jenseits von Afrika” auch originale Filmmusik, komponiert von John Barry, der
dafür sogar den “Oscar” erhielt; aber Mozarts “Klarinettenkonzert” wird schließlich zum zentralen
Leitmotiv einer Liebesbeziehung – prädestiniert nicht nur durch seinen schwerelos-träumerischen
Charakter sondern wohl auch dadurch, dass dieses Kulturidiom dem afrikanischen Kontinent
denkbar fern steht, passend zum Titel des Films: Jenseits von Afrika. Außerdem ist es ein
willkommener akustischer Weichzeichner für Denys, den teils durchaus etwas schroffen Helden
der Handlung mit seiner rauhen Schale und seinem weichen Kern. Und schließlich trägt es bereits
die Trauer in sich für jenen Moment, in dem die Erzählerin erfährt, dass ihr Geliebter mit dem
Flugzeug abgestürzt ist.
Musik: Mozart KK No.21 KV 467
drüber Sprecher:
Mozart als Metapher vermeintlicher Schwerelosigkeit: auch in Bo Widerbergs Film “Elvira
Madigan” funktioniert dieses Klischee
– Wolfgang Amadé, der von Gott Geliebte als
musikalische Chiffre für unbekümmerte Hingabe und die Suche nach dem Glück, jenseits von Gut
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und Böse. Diesmal ist es Mozarts Klavierkonzert Nr. 21 in C-Dur, das durch “Elvira Madigan” eine
Art Kultstatus erlangte und seither in festem Kontext mit diesem Film steht. Eine durchaus tragisch
endende Flucht-Beziehung zwischen einer Seiltänzerin und einem schwedischen Armee-Offizier,
die beide auf ihre Weise desertieren, um ein Leben jenseits festgefügter Normen zu suchen.
Dabei durchläuft Mozarts Musik durchaus verschiedene Charakter-Episoden, von der
unbeschwerten
Untermalung
zum
Schmetterlingfangen
über dramatisch-verzweifelte
Umarmungsszenen bis hin zum traurigen Schicksalsmotiv, in dem sich die Ausweglosigkeit der
Situation widerspiegelt, gipfelnd im tragischen Freitod beider Hauptfiguren…
Musik auf/runter …
drüber:
O-Ton: Patrick Doyle (Komponist von "Sinn u. Sinnlichkeit"): (19:12) "I mean: how many concertos
did Mozart write? Masses of piano concertos - and I listened one after the other to get the total
feeling - clearly: through the years I´ve listened to these concertos and occasionally studied the
scores....X I listened to a lot of Schubert-Lieder and I listened to some Haydn-Songs.X ...X
anyway: art songs. I listened to a lot of art songs: Rich. Strauss and these elements you can hear
in the music X....X and I listened to Cherubini, Scarlatti and everything.X....X (20:30) You know: I
wanted to sound like one of the greats - because the requirement for the script was: "This was one
of my father´s favourites". (0:45)
drüber Synchronsprecher:
Wieviele Konzerte hat Mozart geschrieben? Ich habe mir natürlich alle seine Kla vierkonzerte
angehört und die Partituren studiert; auch eine Menge Schubert-Lieder und Lieder von Haydn –
ich spreche von Kunstliedern. Cherubini, Scarlatti – alles mögliche. Denn dieses Stück sollte
klingen wie einer der ganz Großen, da es im Textbuch an der betreffenden Stelle heißt: "Dieses
Stück zählte zu den Lieblingsmusiken meines Vaters.
Musik: Patrick Doyle “Sinn und Sinnlichkeit” (Mozart-Plagiat)
drüber Sprecher:
Auftrag erfüllt. Mozarts 27. Klavierkonzert, es findet sich in Ang Lees Film “Sinn und Sinnlichkeit”,
passgerecht in Szene gesetzt von dem schottischen Komponisten Patrick Doyle. Und um ein Haar
wäre dieser posthume “Mozart” sogar mit dem Filmmusik-Oscar ausgezeichnet worden. Auf der
Nominierungsliste stand er jedenfalls. Und wieder einmal funktionierte die Mozart-Formel, so wie
auch in Hans Zimmers Musik zu “Das Geisterhaus” anno 1993. Denn auch dort gibt es ein
auffallend mozartisches Klavierthema, das assoziiert ist mit der Hauptperson namens Clara,
gespielt wiederum von – Meryl Streep …
Musik: Hans Zimmer “Das Geisterhaus” …
drüber Sprecher:
Mozart ist bekanntlich schon als Kind viel gereist. Bis nach Lateinamerika allerdings kam er zu
Lebzeiten nicht.
Aber Hans Zimmers Mozart-Affinität dürfte spätestens seit seinem Oscar-Erfolg mit der Musik zum
“König der Löwen” kein Geheimnis mehr sein. Schon damals, 1994, wirkte der Geist des Wiener
Klassikers ein gutes Stück weit mit an der Filmpartitur, wie die folgende Stelle verrät. Es ist
übrigens die dramatischste des gesamten Films; die Stelle, an der Vater Löwe stirbt …
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Musik: Hans Zimmer “Der König der Löwen” …
drüber:
O-Ton: Brigitte Zimmer (18:02) “Ich weiß, warum das ist. Da gibt’s ne Erklärung dafür... zum
ersten Mal gesehen in einer Kinderaufführung in USA... alle Kinder geweint... Vater stirbt komponiert in Erinnerung an meinen Vater....gewidmet. Und ..... solche Wirkung.. weinen alle...
wer hat denn geweint? - Ich” (0:35)
Sprecher:
Originalton Brigitte Zimmer, die Mutter des Konponisten Hans Zimmer. Sie war es auch, die den
Sohn bereits im zarten Knabenalter mit Mozarts Musik in Berührung brachte – weshalb es denn
auch nicht verwundert, dass der in Hollywood gefeierte Filmkomponist bis heute mehr oder
weniger unverhohlen an seinem Mozart festhält und dessen Handschrift immer wieder in die
eigenen Scores einbezieht.
O-Ton: Brigitte Zimmer (39:30) “Es ist eigentlich eine Übersetzung der klassischen Musik...
kommen sie an die Klassische Musik.... viele junge Leute... Amadeus gesehen... “Jetzt versteh’
ich den Mozart... und das Komische ist.... mit... gar nicht gefallen hat.” (0:23)
Musik (evtl. Filmton mit Dialog): Mozart “g-moll-Sinfonie ” KV 550/runter …
drüber Sprecher:
Aber die Mozart-Formel funktioniert spätestens seit “Amadeus”.
In dem Arnold-Schwarzenegger-Streifen “Last Action Hero” wird sogar auf diesen Mozart
mehrfach angespielt, und zwar in Wort und Musik. Denn der Bösewicht namens John wird hier
zufällig verkörpert von Murray Abraham, dem Darsteller des Antonio Salieri in “Amadeus”.
Wieder ein Film-im-Film-Effekt, der beweist, dass das Thema Mozart sogar bis in Kreise von
Action- und Blockbuster-Fans vorgedrungen ist.
Und apropos Querverweis:
einen solchen hält auch Peter Weirs Komödie “Green Card” bereit. Denn der Held der Handlung
gibt vor, in Afrika auf Safari gewesen zu sein, während seine Frau in ihrer New Yorker Wohnung
auf ihn gewartet habe - auf einer Dachterrasse, die sich als wildwuchernde Oase mitten im
Großstadtdschungel entpuppt; vor allem dank --- Hans Zimmer und seinem Faible für Mozart …
bereits unterlegt:
Musik: Mozart “Klarinettenkonzert”
drüber:
O-Ton: Zimmer (37:22) "Der Peter Weir kam auf den Mozart - ...als die Temp-Musik benutzt - und
ich gesagt: da schreib ich Dir kein besseres Stück...geht so gut, wir kaufen das einfach hier."
(0:15)
Musik auf/Schlussblende
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