Klassische Theorien - Fachschaft Psychologie Freiburg

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Theorie-Theorie
VORLESUNG
Grundannahmen der Theorie-Theorie
3 Ansätze m. Fokus auf bereichsspezifisches Wissen: Expertise-Ansatz, Modularitätsansatz, Theorie-Theorie
-Kinder haben „intuitive Theorien“ für bestimmte Domänen: Physik, Psychologie, Biologie..
-Dies sind kohärente, konsistente und partiell abstrakte Wissenssysteme (z.T. spezifische Prinzipien)
-Theorien dienen der Interpretation von Phänomenen
-kognitive Entw. (auch) als Theorie-Wandel bzw. Paradigmen-Wandel qualitative Veränderungen
-Analogien zur Entw. wissenschaftlicher Theorien
-wie Piaget: Kind als Wissenschaftler, Organisation kognitiver Strukturen, Wissenskonstruktion, aktuelles
Wissen schränkt Entwicklung ein, Antrieb durch Widersprüche
-anders als Piaget: Bereichsspezifität und: frühe Fähigkeit zur Theoriebildung
-Grundlegende Prinzipien und ontologische Unterscheidungen sind vorbereitet
Was ist das Habituationsparadigma?
Wenn Ball auf Boden
0 Oerter & Montada: Kapitel 12: Entwicklung begrifflichen
Wissens (Beate Sodian)
0.1 Begriffliche Repräsentationen
Begriff: Eintrag im Gedächtnis, der durch die Verknüpfung einer Reihe von Merkmalen zu einer Einheit
entsteht (Clark. 1983)(z.B. der Begriff „Hund“ entsteht aus der Verknüpfung von Merkmalen wie „4 Beine“,
„bellen“, etc.). Die Wissenseinheit kann sich auf ein Individuum oder eine Kategorie beziehen. Begriffe sind
fundamental für Erleben und Verhalten und ermöglichen die Organisation von Erfahrungen sowie die
Anwendung vorhandenen Wissens auf neue Situationen (Schlussfolgerungen über Unbekanntes =
Induktion)
0.1.1 Merkmalsbasierte Ansätze
Theorie deterministischer (= vorbestimmter) Merkmalsrepräsentationen
Begriffe ähneln Lexikoneinträgen, die hinreichende und notwendige Bedingungen dafür
spezifizieren, dass ein Exemplar unter den Begriff fällt (z.B. ist ein Mann ein Onkel, wenn er der
Bruder des Vaters oder der Mutter ist, oder der Mann der Tante).
Problem: für viele Begriffe gibt es keine Definitionskriterien dieser Art (z.B. Begriff Spiel)
Theorie probabilistischer (= wahrscheinlicher) Repräsentationen
Es gibt wahrscheinliche Relationen zwischen Merkmalen und einem Begriff (Rosch & Mervis, 1975).
Bsp.: das Merkmal „kann fliegen" ist ein hoch valider Hinweis auf einen Vogel, aber weder
notwendig noch hinreichend (nicht alles, was fliegen kann, ist ein Vogel).
Objekte, die hoch valide Merkmale auf sich vereinen, werden als bessere Repräsentanten eines
Begriffs gesehen als andere, z.B. ist ein Spatz ein typischerer Vogel als ein Strauß
Die Theorie macht auch Vorhersagen, welche Ebene einer Klassifikationshierarchie die mit dem
größten Nutzen für die Speicherung von begrifflichen Informationen ist: Auf der basalen Ebene
werden die meisten Merkmale mit anderen Exemplaren der gleichen Kategorie geteilt und die
wenigsten mit Exemplaren einer anderen Kategorie (z.B. Lebewesen- Tiere- Hunde- Dackel).
Probleme: der Merkmalsbegriff bleibt vage, außerdem ist unklar, woher man beim Erwerb neuer
Begriffe weiß, welche Merkmale relevant sind!
Mögliche Lösung dieses Problems:
0.1.2 Theoriebasierte Ansätze


Gehen davon aus, dass Begriffe wie Hund, Katze etc. in größere Wissensdomänen eingebettet sind
(Biologie. Physik, Psychologie). Begriffliches Wissen besteht demnach nicht nur aus
Merkmalsassoziationen, sondern enthält auch Annahmen darüber, warum die Welt so ist wie sie ist
= theoretische Annahmen, die kohärente (= zusammenhängende)Vorhersagen und Erklärungen für
einen Phänomenbereich erlauben.
Kausale Relationen sind ein wesentlicher Teil des begrifflichen Wissens und eng mit assoziativem
Wissen verknüpft. Die meisten Begriffe enthalten sowohl Erklärungen für Assoziationen zwischen
Merkmalen, als auch Erklärungen für Relationen zwischen verwandten Konzepten (Keil. 1994).
0.2 Repräsentationale Entwicklung (Klassische Theorien)
Nehmen tiefgreifende Veränderungen auf der Ebene der formalen Struktur von Begriffen an; hat sich in der
neueren Forschung aber als nicht haltbar erwiesen (z.B.
vom Perzeptuellen (wahrnehmungsbezogenen) zum Konzeptuellen (Bruner et al., 1966)
von thematischen zu taxonomischen (auf Klasse bezogenen) Repräsentationen (Wygotski, 1962) von
konkreten zu abstrakten Konzepten (Piaget. 1951)).
0.2.1 Kategorisierungen im Säuglingsalter
allg. gilt: Übergeordnete Ebene: Fische, Möbel, etc.
Basale Ebene
: Pferde, Katzen, etc.
Wenige Monate: Säuglinge kategorisieren Sprachlaute, Gesichter, Emotionen, Farben u.a.m.
1. LJ: Bilden von Kategorien auf basalen und übergeordneten Ebenen: wurde im Habituationsexperiment
nachgewiesen (vgl. Kapitel 5)
2. LJ (ab 18 Monaten): Wortschatzexplosion, d.h. rapider Erwerb neuer Begriffe
3. bis 6. LJ: der Wortschatz erhöht sich täglich um rund 9 neue Wörter - wenn die meisten neuen Wörter
neue Begriffe bezeichnen, kann man darauf schließen, dass die Entwicklung des begrifflichen Wissens ab
der frühen Kindheit ziemlich schnell voranschreitet.
Kategorien als Basis für Schlussfolgerungen
Bereits im ersten LJ dienen Kategorien zu induktiven Schlussfolgerungen (= induktiven Inferenzen)
3 Monate: Säuglinge nutzen Wissen über die Eigenschaften ihres Mobiles zur Erkundung neuer
Mobiles 9 bis 16 Monate: es bilden sich spezifische Erwartungen über Eigenschaften und
Funktionen einer Kategorie von Objekten aufgrund vorheriger Erfahrungen: Zeigt man den Babys
eine Funktion eines Objekts_ versuchen sie diesen Effekt bei ähnlichen Objekten zu wiederholenaber nicht bei Objekten einer anderen Kategorie!
0.2.2 Entwicklung begrifflicher Repräsentationen
Im Laufe der Zeit ändert sich mit Sicherheit der Inhalt von Begriffen- sowohl quantitativ als auch qualitativ.
Letzteres ist für die Entwicklungspsychologie interessanter.
Bildung taxonomischer Kategorien
Jüngere Kinder tendieren spontan dazu, nach thematischen Beziehungen zu gruppieren (z.B.
Spielszene mit Haus. Menschen, Möbeln, Haustier usw.): bei entsprechender Instruktion können
Vorschulkinder aber auch taxonomisch ordnen
Ex. Bauer und Mandler (1989): Zeigten 1jährigen Kindern einen Hund. Daneben lagen Katze
(taxonomisch) und Knochen (thematisch). Die Kinder wurden aufgefordert, das zu wählen, was „wie
der Hund ist". 85 % der Kinder wählten die Katze - d.h. sogar 1-jährige können taxonomische
Relationen repräsentieren
Aber: Kinder unterscheiden zwischen Kategorien nach andern Kriterien als Erwachsene. Bsp.
„Großmutter“ - Kinder gehen nicht nach der Verwandtschaft, sondern nach Merkmalen wie „graue
Haare": jüngere Frauen ohne graue Haare werden nicht als Großmutter akzeptiert. D.h., der
Kenntnis der Definitionskriterien für einen Begriff läuft häufig die bloße Kenntnis charakteristischer
Merkmale voraus (Keil & Battennan. 1984) Wichtig: Das begriffliche Verständnis von Kindern
unterscheidet sich in Abh. von Kontexten und Domänen
Bildung abstrakter Konzepte
Es gibt Evidenz gegen die These, es fände in der Kindheit ein globaler Wandel von konkreten zu
abstrakten Begriffen statt. Simon und Keil (1995) zeigten, dass 3- bis 5-jährigen zwischen dem
Innenleben von Maschinen und Tieren unterscheiden können, auch ohne Vorstellungen über ein
„biologisches Innenleben". Neuere Forschung widerlegte die These, Konzepte jüngerer Kinder seien
nicht wissensbasiert, sondern an die Anschauung gebunden: 3- und 4-jährige können
Schlussfolgerungen über biologische Arten allein aufgrund der Kategorienzugehörigkeit ziehen.
Bsp.: Kinder sehen Bild einer Katze und erhalten Info „kann im Dunkeln sehen". Danach sehen die
Kindern Bilder von einer anderen Katze, einem Stinktier (sieht fast genauso aus wie Katze). eine
andersfarbige Katze und einem Dinosaurier und werden gefragt „kann es im Dunkeln sehen?".
Ergebnis: die Kinder machten ihre Schlussfolgerungen konsequent aufgrund der
Kalegorienzugehörigkeit (Gelman & Markman_ 1986. 1987).
Bildung konzeptueller Repräsentationen
Neuere Befunde: Sogar bei präverbalen Kindern basieren Kategorisierungen auf konzeptuellem
Wissen (nicht nur perzeptueller Ähnlichkeit).
11 Monate alte Babys dishabituieren in Reaktion auf die Änderung der Kategorienzugehörigkeit
(z.B. wenn nach einer Reihe von Tieren ein Möbel gezeigt wird), nicht in Reaktion auf die
perzeptuelle (Un)-Ähnlichkeit zwischen den Exemplaren verschiedener Kategorien (Pauen, im
Druck)
Diese Beobachtungen unterstützen folgende These: Begriffliches Wissen (sog. Kernwissen) über
kausale, funktionale oder strukturelle Eigenschaften von Objekten ist entweder angeboren oder im
Lauf des 1. LJ erworben worden.
Vertreter der These: perzeptuelle Merkmale werden dann beachtet, wenn sie Aufschluss über die
Zugehörigkeit eines Objekts zu einer Kategorie liefern
Vertreter der Gegenthese (nach der die ersten Kategorien von Säuglingen rein perzeptuell seien):
konzeptionelles Wissen ist eine Bereicherung von früh erworbenen perzeptuellen Kategorien
Konsens: Begriffliches Wissen liegt spätestens gegen Ende des 1.LJ den
Kategorisierungsleistungen von Säuglingen zugrunde
0.2.3 Fazit
Kindliche Begriffe sind in hohem Maße domänen- und kontextspezifisch - daher stehen
domänenspezifische Veränderungen von Begriffsystemen im Mittelpunkt aktueller Entwicklungstheorien
begrifflichen Wissens
0.3 Wissensentwicklung in grundlegenden Domänen (neuere
Ansätze)
0.3.1 Theoretische Ansätze
Junges Forschungsgebiet: Vor ca. 20 Jahren trat das begriffliche Wissen über grundlegende Domänen
(Physik. Biologie. Psychologie, Zahlen) als mögliche Quelle fundamentaler kognitiver Veränderungen in der
kindlichen Entwicklung in den Vordergrund
Vorher: im Vordergrund standen lange Zeit bereichsübergreifende, strukturelle Merkmale des kindlichen
Denkens (Einfluss Piaget u. Neo-Piagetsche lnformationsverarbeitungstheorie)
Modell des Expertiseerwerbs
Expertiseforschung: untersucht Effekte spezialisierten domänenspezifischen Wissens auf kognitive
Leistungen bei Erwachsenen und Kindern
Das Kind ist ein „universeller Novize": die Erschließung von Domänen ist die Summe von vielen
geringfügigen Fortschritten. Diese hängen ab von der Verfügbarkeit der Informationen und Übung
Entwicklung von Wissen wird analog zum Erwerb von Kulturtechniken und Fertigkeiten gesehen.
Keine Annahmen über einen angeborenen Ausgangszustand und domänenspezifische
Mechanismen: es reicht die Informationsverarbeitungsfähigkeit und der domänenspezifische Input
Modularitätstheorien
Grundannahme: es gibt spezialisierte Systeme der Informationsverarbeitung, die dazu dienen,
spezifische Arten von Informationen zu repräsentieren und zu verarbeiten.
Zusatzannahme (z. T): die kognitiven Module haben eine evolutionär angelegte neurologische
Basis. Die meisten Vertreter machen starke Annahmen über angeborene, domänenspezifische
Verarbeitungssysteme. Input aus der Umwelt regt sie an; Wahrnehmung und Kognition sind in
einem starren Verarbeitungsmodus aneinander gebunden.
Die domänenspezifische Infoverarbeitung ist bei Erwachsenen und Kindern identisch.
Theorie-Theorie
Annahme: kindliches Wissen ist schon früh theorieähnlich organisiert, d.h. es hat
zusammenhängende Erklärungssysteme für unterschiedliche Phänomenbereiche
Kognitive Entwicklung ist ein Wandel intuitiver Theorien über einen längeren Zeitraum: ähnlich dem
Wandel von Rahmentheorien in der Wissenschaft (Paradigmenwechsel)
Der Fortschritt wird im begrifflichen Verständnis der jeweiligen Domäne lokalisiert: die früh
erworbene Ausgangstheorie bestimmt das weitere Denken und leitet die Entwicklung (vgl. Piaget: er
nahm bereichsübergreifende kognitive Strukturen an). Die Erfahrung des Kindes ist die Datenbasis
zur Evaluation und ggf. Revision der Theorie.
Beim Lernen durch Instruktion wird neue Information im Rahmen der intuitiven Theorie interpretiert
0.3.2 Intuitive Physik: Basales Wissen
Jeder hat intuitives Wissen über physikalische Phänomene, insb. Bezug auf die Eigenschaften von
Objekten (sie sind solide und dreidimensional, fallen nach unten, existieren unabhängig von uns usw.)
Frage: angeboren oder erworben?
Säuglinge scheinen schon im ersten halben Jahr zu wissen, dass Objekte solide sind.
0.3.2.1 Experiment (Spelke et al.. 1992): Objektverständnis bei Säuglingen /
Prinzipien der Kontinuität und Solidität



Experimentalbedingung: 4 Monate alten Säuglingen wird gezeigt, dass ein Ball, der hinter einen
Schirm fällt, am Boden liegt, wenn man den Schirm wegzieht. Wird wiederholt, bis das Kind
habituiert. d.h. die Betrachtungszeiten abnehmen. Dann wurde ein physikalisch mögliches (Ball
bleibt auf einem Tisch liegen) oder unmögliches Ereignis (Ball fällt durch Tischplatte) gezeigt - die
Säuglinge betrachten das unmögliche Ereignis länger.
Kontrollbedingung: Es wurde überprüft, ob Säuglinge eine Präferenz für Bälle haben, die unter dem
Tisch liegen. Habituation: Ball liegt auf dem Boden. Test a: Ball liegt auf dem Tisch, Test b: Ball liegt
unter dein Tisch
ERGEBNIS deutet darauf hin, dass schon sehr junge Säuglinge die gleichen Erwartungen über die
Kontinuität verdeckter Objekte haben wie Erwachsene
Unterschied zwischen Expertiseforschung und Theorie-Theorie
  Kognitive Entwicklung findet graduell und stetig statt
  kogn. Entwicklung ist die Umstrukturierung begrifflicher Systeme
Unterschied zwischen Theorie-Thoerie und Modularitätstheorie


 Kindheitserfahrungen stellen eine Datenbasis dar. Mittels dieser Basis lassen sich die
vorhandenen Theorien verändern bzw. zu revidieren. (Input aus der Umwelt)
 Kindheitserfahrungen dienen dazu, die Verarbeitungssysteme anzuregen
0.3.2.2 Kausales Denken
Um Objektbewegungen nachzuvollziehen, ist ein Grundverständnis mechanischer Verursachung nötig.
3- bis 4-jährige leiten bei einfachen Aufgaben kausale Schlussfolgerungen nach den gleichen Prinzipien ab
wie Erwachsene: sie denken deterministisch (Ereignis hat eine Ursache), sie berücksichtigen die zeitliche
Priorität (Ursache vor oder während Ereignis) und sie nehmen kausale Mechanismen an. Exp. (Leslie 1982
Leslie K. Keble. 1987): Habituations-Dishabituations-Paradigma - 6 Monate alte Säuglinge verstehen
Aspekte der mechanischen Verursachung.
 Experimentalbedingung: S. sehen Film. in dem Objekt A mit Objekt B zusammenstößt und es so
aussieht. als würde A B in Bewegung setzen (Standardbedingung. Kausalsequenz)
 Kontrollbedingung: Es wurden Sequenzen gezeigt. die keine kausale Interpretation nahe legen, z.B.
Objekt A trifft auf Objekt B. B bewege sich aber erst viel später
 Hypothese: Säuglinge sollten in der Experimentalbedingung überrascht sein (länger schauen),
wenn die Reihenfolge vertauscht wird, d.h. B A anstößt (weil Vertauschung von Ursache und
Wirkung): nicht aber in der Kontrollbedingung, da hier keine Kausalsequenz nahe liegt
 Ergebnis:6 Monate alte Babys dishabituieren nur in der kausal interpretierbaren
Experimentalbedingung.
 Interpretation: 7 Monate alte Babys unterscheiden zwischen Lebewesen und unbelebten Objekten
nach dem Kriterium der selbstinitiierten Bewegung (Spelke. 1995)
0.3.2.3 Objekteigenschaften
Unterschied 6 Monate alte Säuglinge / Erwachsene:
 Säuglinge unterscheiden Objekte aufgrund von raumzeitlichen Hinweisen (es gibt einen
Zwischenraum, d.h. es sind 2 Objekte) und Bewegungshinweisen. Erwachsene verwenden
zusätzlich Objekteigenschaften.
 10 Monate alte Säuglinge ignorieren Objekteigenschaften, wenn eine raumzeitliche Kontinuität
gegeben ist. Exp. Xu und Carey (1996): Objekt verschwindet hinter einem Schrein; auf der anderen
Seite kommt anderes Objekt heraus (Experimental). Kein Unterschied, wenn dasselbe Objekt
wieder auftaucht (Kontrolle). Ab 12 Monaten ändert sich das. Das bedeutet nicht„ dass die jüngeren
Kinder generell nicht zwischen Objekten unterscheiden können (z.B. Unterschied Teddy und
Fläschchen), sie werden aber in bestimmten Situationen außer Acht gelassen.
Baillargeon (1994): im ersten halben LJ verstehen S. einige wichtige Eigenschaften von Objekten (z.B.
dass sie noch da sind, wenn man sie verdeckt) = qualitativ. In den nächsten 6 Monaten können die
Objekteigenschaften auch quantitativ verrechnet werden (z.B. die Größe)
0.3.2.4 Schwerkraft und Trägheit
4 Monate alte S. differenzieren noch nicht zwischen Ereignissen. die die Schwerkrafts- und
Trägheitsprinzipien verletzen und physikalisch möglichen Ereignissen (z.B. Ball schwebt in der Luft ys. Ball
wird gehalten). Erst im Alter von 8 bis 10 Monaten wird Wissen um die Trägheit erworben u. ist auch dann
noch schwächer ausgeprägt als das Wissen über die Kontinuität von Objektbewegungen (Spelke et al..
1992).
Erklärung Spelke: Trägheitsprinzip gehört im Gegensatz zum Kontinuitätsprinzip nicht zum Kernbereich
des physikalischen Wissens. S. beginnen mit Wissenselementen. die später den Kern des Wissens über
physikalische Objekte bilden (= Kontinuität und Solidität). Im Laufe der Entwicklung findet eine
Bereicherung dieses intuitiven Wissens statt, aber kein fundamentaler begrifflicher Wandel
0.3.2.5 Erklärungsansätze
Spelkes Erklärung könnte mit einem Expertiseansatz vereinbar sein, da mit 4 M. schon Erfahrungen mit
physikalischen Objekten bestehen (d.h. Wissen könnte durch Erfahrung erlernt sein).
Dagegen spricht u. a., dass mit 5 bis 8 M. Schatten nicht von soliden Objekten unterschieden werden.
Spricht eher dafür, dass Erwartungen von den Kernprinzipien geleitet werden und dass Erfahrungen mit
Schatten nötig sind, um sie aus der Domäne der soliden Objekte auszugliedern. Annahme hat Ähnlichkeit
mit der Modularitätstheorie von Leslie, weil auch hier Kernwissen durch Erfahrung nicht verändert wird,
sondern bereichert. Baillargeon et al.: Säuglinge beginnen mit domänenspezifischen Lernmechanismen.
Verschiedene Arten von Lernerfahrungen führen zu verschiedenen Arten von Lernen. D.h. Lernerfahrungen
treiben die Entwicklung voran, nicht Kernprinzipien. Wird durch Befunde unterstützt, die auf die
Situationsspezifität der Kompetenzen von S. hindeuten - Annahme Baillargeon: Frühes Lernen ist
situations- und kontextspezifisch, erst später wird die Lernerfahrung aus verschiedenen Typen von
Situationen abstrahiert.
0.3.2.6 Ähnliche physikalische Intuitionen bei Kindern und Erwachsenen
Die betrachteten Aspekte deuten darauf hin, dass die grundlegenden physikalischen Intuitionen von
Erwachsenen und Kindern ähnlich sind, zum Teil schon bei Säuglingen. Das physikalische Wissen von
Vorschulkindern ist viel weit reichender als traditionell von Piaget angenommen. Neuere Forschung zeigt.
dass die von Piaget angenommenen Denkfehler nicht auf ein Fehlen fundamentaler Konzepte hindeuten.
Mit sensitiveren Methoden wurde herausgefunden, dass Vorschulkinder viele Aspekte dieser
fundamentalen Begriffe verstehen.
0.3.3 Entwicklung physikalischen Wissens: Begrifflicher Wandel
Es gibt einige Belege für fehlerhafte physikalische Vorstellungen (misconceptions), von denen viele bis ins
Erwachsenenalter bestehen. Auch sind diese misconceptions sehr resistent gegen Instruktionen. Exp.
Karmiloff-Smith und Inhelder (1974): Kinder. die in Zshg. mit dem Gleichgewichtsbegriff davon ausgingen.
dass alle Gegenstände ihren Schwerpunkt in der Mitte haben, behielten diese Meinung auch bei massiven
Gegenbeweisen bei. Ertasteten sie den Schwerpunkt blind und öffneten dann die Augen, wiesen sie ihre
eigene Lösung zurück.
Mögliche Erklärung für dieses Festhalten an offensichtlich falschen Überzeugungen:
Intuitive Theorien
Mögliche Erklärung für diese Resistenz: Fehlvorstellungen eingebettet in alternative intuitive Theorien über
physikalische Phänomene
Dazu muss auch das Begriffssystem und der Erklärungsapparat der intuitiven Theorie rekonstruiert werden.
2 Beispiele im Folgenden.
Bsp. 1: Vom geozentrischen zum heliozentrischen Weltbild
Vosniadou (1991) führte Interviews mit sechs- bis elfjährigen Kindern durch: Kinder glauben zuerst,
dass die Erde flach ist und sich an einem stationären Punkt in der Mitte des Universums befindet.
Irgendwann hören sie von den Erwachsenen, dass die Erde eine Kugel ist. Diese Information wird in
das naive geozentrische Weltbild integriert und die Kinder versuchen innerhalb dieses Rahmens
eine vernünftige Erklärung zu finden. Bsp.: Die Erde ist offene Hohlkugel, in deren gewölbtem
Innenraum die Menschen leben. Weil: wie soll man an der Unterseite einer Kugel wohnen?
Befunde deuten darauf hin, dass die kindlichen Vorstellungen ein zusammenhängendes System von
Überzeugungen bilden, das resistent ist gegen punktuelle Veränderungen. Die Veränderung des
Interpretationsrahmens ist langwierig. Grund: die Bedeutung zentraler Begriffe verändert sich über
die Zeit: das was Kinder denken ist nur teilweise kompatibel mit der tatsächlichen Bedeutung.
Bsp. 2: Gewicht. Dichte und der Aufbau der Materie
Carey (1991): Vorschulkinder sagen, ein kleines Stück Styropor wiegt nichts. Bei 10jährigen sind es
noch 50 %. Fragt man 12-jährige, ob man durch Teilen einer großen Styroporplatte jemals ein Stück
erhalten könnte, dass nichts wiegt, verneinen das fast alle.
Scheinbar machen jüngere Kinder ihre Einschätzung des Gewichts davon abhängig, ob etwas
fühlbar schwer ist, wenn man es in die Hand nimmt. Aber: trotzdem betrachten fast alle Kinder
Gegenstände als materiell: Gewicht ist nur kein konstitutives Merkmal von Materie - Ihr
Mengenbegriff scheint nicht nur eine lückenhafte Version des Erwachsenenbegriffs zu sein, sondern
ein alternatives System.
Dafür spricht: Acht- bis zehnjährige unterscheiden nicht konsistent zwischen dem absoluten Gewicht
eines Objekts und dem spezifischen Gewicht eines Materials, aus dem das Objekt gemacht ist, z.B.
beim Vergleich von Stahl- und Aluminiumzylindern. Kinder können auch nur mangelhaft zwischen
Gewicht und Dichte differenzieren. Bei Aufgaben, in denen Kinder Objekte in Stahl- und Aluminium
sortieren sollen, ordneten viele Kinder große Aluminiumzylinder Stahl zu, weil sie (absolut) schwer
waren. Nur wenige Kinder unter 12 Jahren können Ordnungen nach Dichte fehlerfrei vornehmen.
Befunde deuten darauf hin, dass Kinder im Grundschulalter ein undifferenziertes Konzept von
Gewicht und Dichte haben. Carev interpretiert dieses Konzept als Teil eines naiven Verständnisses
des Aufbaus von Materie, in dein Gewicht nicht als konstitutives Merkmal gilt. Grund evtl.: Kinder
betrachten materielle Substanzen nicht als kontinuierlich und homogen. Demnach verstehen sie
Gewicht auch nicht als Summe der Gewichte der beliebig kleinen Teile der Substanz aus dem das
Objekt besteht. Gegner der Position: Man sollte zwischen intuitiver und wissenschaftlicher Physik
trennen: fundamentale Restrukturierungsprozesse seien dann nötig, wenn die intuitiven
Vorstellungen im Physikunterricht in wissenschaftliche Vorstellungen umgeformt werden. Der
wesentliche Unterschied: der Erwerb von wissenschaftlichem Wissen setzt metakonzeptionelles
Wissen voraus, d.h. Einsicht in den Prozess des Wissenserwerbs an sich.
Fazit
Die Grundlagen des physikalischen Wissens werden viel früher erworben, als traditionell
angenommen wurde: eventuell sind die in Grundzügen sogar angeboren.
Trotzdem finden wesentliche Veränderungen des physikalischen Verständnisses statt: manche
entsprechen dem Modell der graduellen Bereicherung vorhandenen Wissens (Expertiseerwerb),
andere ähneln radikaleren begrifflichen Restrukturierungen (wie Prozess des Theoriewandels in der
Wissenschaftsgeschichte)
Einfache Annahmen über die Absichten und Überzeugungen von handelnden Personen bilden das
Grundgerüst für die komplexen Interpretationen menschlichen Verhaltens, die wir im Alltag ständig
vornehmen.
Der Erwerb der mentalistischen Alltagspsychologie durch das Kind ist in den letzten 20 Jahren zu
einem der Hauptinteressengebiete der kognitiven Entwicklungspsychologie geworden
Differenzierung zwischen mentaler und physikalischer Welt
Grundvoraussetzung für mentalistische Interpretationen: Kinder können ihren gedanklichen Bereich
von der physikalischen Realität abgrenzen (dh., Unterscheidung zwischen z.B. Träumen und
Denken von äußerlich Beobachtbarem)
Piaget nahm an, dass das im Alter von 7 Jahren der Fall ist (Stadium der konkreten Operationen).
Neuere Studien zeigen, dass schon 3-jährige klar zwischen mentaler und physikalischer Welt
unterscheiden können; z.B. verstehen sie, dass man physische Kraft braucht um reale Objekte zu
manipulieren, aber nicht um mentale Vorstellungen zu verändern
Im 2. LJ trennen Kinder zwischen realen und fiktiven Welten. Z.B. weiß ein 1jähriges Kind, dass so
tut, als wäre ein Holzklotz ein Zug, dass es sich nur um eine Vorstellung handelt
Wünsche, Absichten, Ziele
Frage: Interpretieren Kinder die eigenen Handlungen und die von anderen Personen in gleicher
Weise mentalistisch wie wir?
Exp. Wellman & Woolley (1990): 3-jährige bekommen Geschichten erzählt, in denen Akteur eine
Absicht verfolgt, z.B. sein Kaninchen mit in den Kindergarten nehmen. Die Figur weiß, dass das
Kaninchen entweder im Vorgarten oder in der Garage sein kann. Sie schaut in die Garage und
findet, je nach Bedingung, das Kaninchen, nichts oder den Hund. Frage an die Vpn: wird der Akteur
in den Kindergarten gehen oder weitersuchen? Fast alle Kinder antworten, dass die Figur
weitersuchen würde, wenn sie das Kaninchen noch nicht gefunden hätte - Sie verstehen, dass
Handlungsentscheidungen von Zielen und Absichten der handelnden Person abhängig sind. 3jährige können auch absichtliche Handlungen von Fehlern und Zufällen unterscheiden.
Interpretation: Damit verfügen sie über ein wesentliches Element der naiven Alltagspsychologie:
Sie erklären Handlungen von Personen, indem sie sie auf ihre Absichten und Wünsche
zurückführen und sie können aus Informationen über Absichten und Zielen Handlungen
vorhersagen.
0.3.4
0.3.4.1 Das Verständnis des falschen Glaubens
- Zweites wesentliches Element: Konzept der Überzeugung - Handlungen anderer werden auch aus dem
vorhergesagt, was sie glauben (nicht nur aus dem, was sie wollen). Unproblematisch, solange
Überzeugung und Realität sich decken. Man muss also untersuchen, ob Kinder verstehen, dass sich
jemand in einem falschen Glauben über einen Sachverhalt befinden kann.
Exp. Winuuer & Peter (1983): Die Maxi-Geschichte - Maxi legt Schokolade in den grünen Schrank und geht
spielen. In der Zwischenzeit nimmt die Mutter etwas von der Schokolade und legt sie in den blauen
Schrank (es gibt nur den blauen und den grünen Schrank). Dann kommt Maxi zurück und will Schokolade
essen. Frage an Vpn: Wo wird Maxi suchen? Ergebnisse: Fast alle 3-jährige Kinder sagen „im blauen
Schrank" (obwohl Maxi das gar nicht wissen kann); 40 bis 80 % der 4- bis jährigen antworten korrekt „im
grünen Schrank"
Ergebnis: Scheinbar markanter Entwicklungsfortschritt im Alter zwischen drei und fünf Jahren: die 4- bis 5jährigen verstehen, dass Maxi eine Überzeugung hat, von der sie selbst wissen, dass sie falsch ist und
leiten eine korrekte Verhaltens-Vorhersage daraus ab.
Verständnis 3-jähriger
3-jährige beantworten die Testfrage konsistent falsch. Wimmer & Peter: Falsche Antworten sind
nicht darauf zurückzuführen, dass Kinder impulsiv entscheiden: auch wenn sie ausdrücklich darauf
hingewiesen wurden, nachzudenken bevor sie antworten, lagen sie falsch.
Folgestudien (Perner et al., 1987, 1991): Die Fehler können auch nicht darauf zurückgeführt
werden, dass die 3-jährigen Teile der Geschichte nicht erinnern können. Selbst dann, wenn vor der
Testfrage ausdrücklich betont wurde, dass Maxi nicht sehen konnte, wie die Schokolade vom
grünen in den blauen Schrank gelegt wurde, antworteten sie falsch.
Andere Aufgabentypen
Das gleiche Phänomen zeigte sich auch bei sehr einfachen Aufgaben: Kind bekommt wohlbekannte
Smarties-Schachtel gezeigt und wird gefragt, was drin ist (es sagt „Smarties `). Dann zeigt der VL
dem Kind, dass keine Smarties, sondern Stifte in der Schachtel sind und fragt, was ein anderes Kind
sagen würde was in der Schachtel ist.
Ergebnis: 3-jährige sagen Stifte' und 4-jährige „Smarties".
Eigene falsche Überzeugungen
3-jährige haben auch Schwierigkeiten zu verstehen, dass sie selbst eine falsche Überzeugung
hatten. Fragt man sie in der Smarties-Aufgabe- was sie vorher dachten was in der Schachtel sei,
sagen sie „Stifte".
Es konnte gezeigt werden dass die Antworten nicht auf Erinnerungsdefizite zurückzuführen sind
oder auf mangelnde Bereitschaft, einen eigenen Fehler zuzugeben.
Viele Befunde deuten darauf hin, dass Kinder unter 4 Jahren nicht über den Begriff der
Überzeugung verfügen und deshalb auch nicht verstehen, dass sich subjektive Überzeugungen von
der Realität unterscheiden können.
Aber: Wie erklärt man dann das „schwindeln" von sehr jungen Kindern" ?
0.3.4.2 Lüge und Täuschung
Clara u. William Stern (1909) differenzieren zwischen echten Lügen mit Täuschungsabsicht und
Scheinlügen. z.B. nein-Antworten von Kindern auf die Frage, ob sie etwas Verbotenes getan hätten - diese
wären eher als Abwehr gegen peinliches Erinnertwerden zu verstehen. Perner (1991): kindliche Ausreden
zeigen häufig eher das Unverständnis als falschen Glaubens (z.B. Ausrede..ich bin müde" wird eingesetzt.
wenn Kind getragen werden will, aber auch, wenn es nicht ins Bett gebracht werden will)
Neuere Arbeiten bestätigen die Annahme eines begrifflichen Defizits bei Kindern unter 3 Jahren: In
Spielsituationen, in denen es darum geht, durch Mogeln zu gewinnen, bleiben 3-jährige i.d.R. ehrlich und
zwar auch dann, wenn ihnen die Täuschungsstrategie nahe gelegt wird. Im Ggs. dazu werden sehr wohl
physische Sabotagestrategien eingesetzt, um den Gegner zu behindern. Werden 3-jährige dazu gebracht,
eine Täuschungsstrategie einzusetzen, verstehen sie den Zweck nicht und benützen sie z.B. auch bei
ihrem eigenen Spielpartner. 4-jährige erkennen den Nutzen der Täuschungsstrategie sofort und setzen sie
auch ein.
0.3.4.3 Theory of Mind-Entwicklung und Theory of Mind-Defizit
Kinder lernen die Differenzierung zwischen Aussehen und Realität im gleichen Alter wie das Konzept der
Überzeugung (das ist nicht zufällig so, zwischen beiden bestehen bedeutsame Korrelationen)
Zeigt man 3-jährigen Trickobjekte, z.B. eine Kerze, die wie ein Apfel aussieht und fragt nach Identität und
Aussehen (was ist es? wie sieht es aus?), bekommt man die gleiche Antwort - sie sind also nicht fähig zu
verstehen, das ein und dasselbe Objekt auf 2 verschiedene Arten repräsentiert werden kann. Weitere
verwandte begriffliche Veränderungen im gleichen Altersbereich sind: die epistemische
Perspektivenübernahme (Level-2-Perspektivenübernahme, d.h. das Verständnis, das ein Objekt aus
verschiedenen Perspektiven unterschiedlich aussieht) und das Verständnis von bestimmten Emotionen,
z.B. Überraschung. Durch das Training einer begrifflichen Differenzierung kann bei 3-jährigen ein Fortschritt
im Verständnis verwandter begrifflicher Differenzierungen erreicht werden. Spricht für das gemeinsame
Auftreten von Veränderungen in der mentalen Domäne.
Autistische Kinder
Autistische Kinder, die in verbalen Intelligenztests genau so gut abschnitten wie „normale` Kinder, konnten
falsche Überzeugungen nicht repräsentieren; d.h., autistische Kinder besitzen keine Theory of Mind.
Kontrollgruppe: Kinder mit Down-Syndrom schnitten genauso gut ab, wie normale Kinder im gleichen
verbalen Alter (Baron-Cohen et al.. 1985). Folgestudien zeigten, dass autistische Kinder mentale mit
physischen Phänomenen vermischen, nicht zwischen Schein und Sein unterscheiden, wenig Symbolspiel
zeigen und den Zusammenhang zwischen dem Zugang zu Informationsquellen (Sehen) und Wissen nicht
verstehen.
0.3.4.4 1.3.4.4 Vorläufer in der frühen Kindheit
Erst 4-jährige verfügen über Heuristiken der Handlungsvorhersage, die der naiven Psychologie
Erwachsener entsprechen. Es gibt aber viele Belege, dass die Interpretation menschl. VE viel früher
beginnt.
Erstes Lebensjahr
Neuere Befunde: es können konkrete Handlungsziele enkodiert werden, wenn jemand nach einem
Zielobjekt greift. 6 Monate alte Säuglinge erfassen die Greifbewegung eines menschlichen Arms als
zielbezogen, nicht aber ähnliche Bewegungen eines mechanischen Stabs (Woodward. 1998).
Mit ca. 6 Monaten unterscheiden Säuglinge zwischen belebten und unbelebten Objekten nach
Kriterium der selbstinitiierten Bewegung (Spelke et al.. 1995)
Mit 9 bis 12 Monaten Fortschritte bei triadischer Interaktion = Interaktion zwischen Baby und
Erwachsenen in Bezug auf ein Objekt, d.h. dem Blick zum Objekt folgen und Aufmerksamkeit auf
Objekt lenken (Carpenter ei al.. 1998). Die Bedeutung dieser Fähigkeit ist umstritten. z.B. sagt
Tomasello (1995), triadische Interaktion wäre der Beginn des Verständnisses von Personen als
intentionale Agenten. Moore (1999) hingegen warnt vor Überinterpretation. Er sagt, die Fähigkeit
könnte auch durch behavioristisches Lernen erklärbar sein (Baby lernt, dass es interessante Dinge
sehen kann. wenn es dem Blick der Mutter folgt).
Neuere Studien: mit 12 Monaten können Säuglinge zielbezogene Objektbewegungen
repräsentieren und Rationalität der Zielannäherung erwarten. Ihr Verständnis kommunikativer
Gesten scheint jedoch begrenzt zu sein. Zeigt man ihnen in der Habituationsphase eine
psychologische implausibe Erwartung auf; z. B. Person deutet auf A und hält dann B in der Hand.
erwarten sie anschließend häufig inkonsistente Sequenzen (Sodian & Thoermer, 2000)
Im Alter von 18 Monaten:
Kinder imitieren intendierte Handlungen, wenn das Modell eine Fehlhandlung vorführte- d.h. sie
repräsentieren die Handlungsintention, ohne die betreffende Handlung jemals beobachtet zu haben
(Meltzoff 1995)..
Kinder unterscheiden zwischen eigenen und fremden Wünschen bzw. Handlungszielen: Zeigt ein
VL Interesse an Broccoli, während sie selbst Crackern mögen, geben sie dem VL trotzdem den
Broccoli (Repacholi & Gopnik. 1997)
Fähigkeit, zwischen eigenen und fremden Gefühlen zu unterscheiden, die mit dem Erkennen des
Selbst im Spiegel im Entwicklungszusammenhang stehen (Bischof-Köhler, 1989)
Fähigkeit zum Symbolspiel deutet darauf hin, dass Kinder zwischen realer und fiktiver Welt
unterscheiden können
--> es scheint sich ein Verständnis intentionaler Zustände im weiteren Sinne zu entwickeln, das es
den Kindern erlaubt, Wünsche, Absichten und Emotionen anderer unabhängig von den eigenen
Handlungsintentionen zu repräsentieren.
0.3.4.5 Entwicklung ab dem Alter von 4 Jahren
Bis zum Alter von 6 Jahren finden wesentliche Erweiterungen und Differenzierungen des
Verständnisses der mentalen Domäne statt - erst 6-jährige verstehen dass
 eine Überzeugung über eine Überzeugung einer anderen Person falsch sein kann (second order
belief: Max glaubt, dass Peter glaubt....)
 auch schlussfolgerndes Denken zu Wissen führt (nicht nur sehen) und damit die Wirkung von
indirekten Hinweisen als Gedächtnishilfen
Ab 5 bis 6 Jahren können Kinder zwischen aktuellen Lernereignissen und Vorwissen unterscheiden.
Verständnis geistiger Konstruktion und Interpretation
Zunehmende Einsicht in konstruktiven und interpretativen Charakter geistiger Aktivität ist ein wesentliches
Merkmal der Entwicklung der Theor of Mind im Grundschulalter. Grundschulkinder haben Vorstellung von
kontinuierlicher gedanklicher Aktivität, sind fähig zu introspektiven Berichten und verstehen, dass
gedankliche Aktivität oft unwillkürlich und schwer zu unterdrücken ist (Flavell et al., 1995. 1997). Im
sozialen Bereich verstehen Kindern zunehmend Vorurteile und Voreingenommenheit: z.B. dass in
Abhängigkeit von der persönlichen Voreingenommenheit das Umstoßen eines Malkastens als Versehen
oder Absicht interpretiert werden kann --> Kinder beginnen Personen überdauernde psychologische
Merkmale zuzuschreiben.
Frage: Was treibt Entwicklung einer Theory of Mind voran?
Modularitätstheorien
Nativistische Modularitätstheorien: Zuschreibung von Absichten und Überzeugungen ist eine durch
die Evolution ausgebildete spezifische menschliche Fähigkeit, die schon in der frühen Kindheit
vorhanden ist. Das Scheitern von Kindern in false-belief-Aufgaben wird auf Gedächtnis- und
Aufmerksamkeitsanforderungen zurückgeführt. Es wird auf frühe Kompetenzdemonstrationen in
vereinfachten Aufgaben verwiesen und echte begriffliche Veränderungen werden abgestritten.
Kritik: Obwohl Modularitätstheorie durch Autismusforschung etwas an Plausibilität gewinnt, kann
sie mit den Befunden kaum vereinbart werden: Eine statistische Metaanalvse von über 500 falsebelief-Aufgaben zeigte, dass erleichternde Aufgabenbedingungen die Ergebnisse kaum verbessern
(Wellman et al.. 2001)
Simulationstheorie
=Spezifische Variante des Expertiseansatzes
Grundidee basiert auf Theorie von Descartes (es gibt einen unmittelbaren Zugang zu unserem
eigenen geistigen Geschehen) - die Aufgabe des Kindes ist es, zu verstehen, was in den Köpfen
anderer vorgeht. Vorgehen schrittweise: erst wird Perspektive der anderen eingenommen, dann
wird simuliert, was man in der entsprechenden Situation denken, glauben, fühlen oder
beabsichtigen würde (Harns. 1992)
Theorie-Theorie
Wissen über mentalen Bereich ist intuitive Theorie (Theory of Mind), da
 mentale Zustände nicht direkt beobachtbar sind. sondern erschlossen werden und
 die Zuschreibung mentaler Zustände Verhaltensvorhersagen und -erklärungen erlaubt
Sind mentale Begriffe Teil einer Theorie, erhalten sie ihre Bedeutung durch ihren Bezug zu anderen
Begriffen in der Theorie- insbesondere durch ihren Bezug zu den unbeobachtbaren vermuteten mentalen
Zuständen und Vorgängen (Wellman. 1990. Penner. 1991: Gopnik & Wellman. 1994)
Unterschiedliche Vorhersagen
Entwicklungsverlauf beim Verstehen eigener und fremder mentaler Zustände:
 Simulationstheorie: Kinder haben Probleme beim Verständnis des mentalen Geschehens im
anderen, jedoch unmittelbaren Zugang zum eigenen mentalen Geschehen
 Theorie-Theorie: beides im Entwicklungsverlauf ungefähr simultan, da beides durch die
Erschließung der mentalen Domäne gesteuert wird
Empirische Evidenz: Eher Theorie-Theorie - Kinder konzeptualisieren eigene und fremde Zustände
ungefähr gleichzeitig (Gopnik & Wellman, 1994): auch können sie die falsche Überzeugung eines anderen
nicht früher erschließen als ihre eigene falsche Überzeugung über einen konkreten Sachverhalt erinnern
(Gopnik & Astington, 1988).
0.3.5 Intuitive Biologie
Biologisches Wissen ermöglicht es, zwischen Lebewesen und unbelebten Objekten auf der Basis eines
Grundverständnisses biologischer Prozesse und Vererbung zu unterscheiden.
Jüngere Kinder besitzen kein biologisches Kausalschema: sie wenden ihr intuitiv psychologisches
Kausalschema auf die biologische Domäne an (Carey, 1985). Belege dafür:
 Grundschulkinder glauben, dass Pflanzen keine Lebewesen sind
 Jüngere Kinder schreiben Lebewesen biologische Merkmale nach dein Kriterium der

Verhaltensähnlichkeit zu (d.h. keine kategoriale Unterscheidung zwischen Lebewesen und
unbelebten Objekten)
 Phänomen des kindlichen Animismus (Überattribution von Wünschen und Absichten;
Zuschreibung des Merkmals ,.Leben" nach Kriterium der selbstinitiierten Bewegung) ist nicht
zurückzuführen auf mangelndes Kausalverständnis (lt. Piaget), sondern auf einen Mangel an
biologischem Wissen
Vitalistische Biologie
Neuere Befunde sprechen gegen die These, dass sich die Domäne ,.Biologie" erst im
Grundschulalter entwickelt!
Drei- und vierjährige Kinder verstehen, dass es einige spezifische biologische Prozesse gibt
(Wachstum. Selbstheilung). die nur bei Lebewesen vorkommen und dass bestimmte biologische
Prozesse (z.B. Atmung) nicht durch psychologische Intervention kontrolliert werden können
(Hickling & Gelman. 1995. Inagaki & Hatano. 1996).
Biologische Intuition
Für einige biologische Prozesse (Wachstum, Vererbung, Krankheit) ähneln die biologischen
Intentionen von Kindern dem Wissen von Erwachsenen: Vorschulkinder glauben, dass biologische
Merkmale wahrscheinlich vererbt werden (psychologische nicht) und dass ein interner Mechanismus
für Vererbung zuständig ist. Sie erwarten bei Mitgliedern der gleichen Familie (Tier oder Mensch)
gemeinsame physiologische oder anatomische Merkmale (Springer & Keil, 1991: Springer, 1992)
Vorschulkinder haben eine Intuition über angeborene Potenziale einer Spezies, das sich
unabhängig von der Umwelt entwickelt, z.B. dass ein Kalb auf jeden Fall zur Kuh wird, auch wenn
es bei Schweinen aufwächst (Gelman & Wellman, 1991).
Aber: Erst 7-jährige trennen systematisch zwischen biologischen und psychologischen Merkmalen
und leiten biologische Merkmale eines Adoptivkindes aus den Merkmalen leiblicher Eltern ab
(Solomon et al... 1996).
Biologische Domäne
Scheinbar entwickelt sich erst im Grundschulalter eine rein biologische Domäne. Vorher existiert
eine undifferenzierte biologisch-psychologische Domäne. Das heißt aber nicht, dass das biologische
Wissen vorher völlig unzusammenhängend ist: Schon 4-jährige können kohärente Erwartungen
über Organismen ausbilden, wenn sie wissen, dass das Objekt ein biologisches Merkmal hat. Bsp.:
Sagt man, dass x wächst, schließen sie daraus, dass x nicht aus Schrauben und Nägeln
zusammengesetzt ist (Backscheider, 1994: Backscheider et al., 1993).
Wahrscheinlich kennen Kinder früh einige Merkmale die zusammenhängen, verstehen aber erst im
Grundschulalter die Basis für das Zusammentreffen dieser Merkmale gut genug, um eine
biologische Domäne auszubilden
Expertiseansatz und Theorie-Theorie
Interpretationen der Befunde sind konsistent mit der Theorie-Theorie und dem Expertiseansatz
(wenn man annimmt, dass das Wissen zumindest teilweise durch Anleitung erworben wird) Carev
(1985): Erwerb der intuitiven Biologie zwischen 4 und 10 Jahren sei ein radikaler Theoriewandel im
Sinne eines Paradigmenwechsels, weil es zum Teil keine Entsprechungen zwischen kindlichen
Annahmen und dein Begriffssystem der Erwachsenen gäbe.
Neuere Befunde sind mit schwächeren Thesen über den Theoriewandel vereinbar- z. B:
Vorschulkinder haben eine biologische Theorie in Grundzügen. aber nicht genug Wissen über die
Gemeinsamkeiten zwischen Pflanzen und Tieren, um diese Theorien auf Pflanzen auszudehnen
Modularitätstheorie
Es wird ein angeborenes biologisches Modul angenommen. Es umfasst die Gruppierung in Arten,
die hierarchische Struktur der Klassifikation biologischer Arten. die Annahme physiologischer
Mechanismen und Essenzialismus (Atran, 1994: Pinker. 1994)
Aber: Da es keine Methoden zur Erfassung biologischen Wissens bei präverbalen Kindern gibt, hat
die Säuglingsforschung bislang nicht viel zur Klärung der Frage beigetragen. Es ist also umstritten,
ob es angeborenes biologisches Wissen gibt oder ob erst im Rahmen des Spracherwerbs z.B. die
Klassifikationshierarchien entstehen.
0.3.6 Megabegriffliches Wissen
Wissen und Überzeugungen über den Wissenserwerb selbst, über menschliches Denken und
Lernen.
Es gibt ein Metagedächtnis - „metamemoriales Wissen"- das sich fördernd auf die
Gedächtnisleistung auswirkt: und es gibt ,.metabegriffliches" Wissen, das den Erwerb
bereichsspezifischen Wissens fördert- insbesondere beim Erwerb naturwissenschaftlicher Konzepte
(Carey et al., 1989: Carey & Smith. 1993).
Entwicklung zum kritischen Rationalismus
Es gibt Belege für eine allg. epistemologische Naivität (= naive Vorstellung über das Zustandekommen von
Wissen; z.B. „Lehrer sind im Besitz absoluter Wahrheit“)von Kindern und Jugendlichen: insb. aus Studien
zum Verständnis von anderen Standpunkten u. Interpretationen (Chandler et al.. 90; Kuhn et al. 88) Erste
Ebene = naiv-realistische Ebene der mittleren Kindheit: Interpretationskonflikte und Meinungsunterschiede
werden verneint oder als Missverständnisse abgetan. Zweite Ebene: andere Standpunkte werden zur
Kenntnis genommen, aber als x-beliebige Meinung abgetan (Jeder kann denken, was er will`). Die
Verallgemeinerung führt zum radikalen Relativismus. Sowohl Dogmatismus als auch Skeptizismus bei
Jugendlichen können als Hinweis für eine noch nicht gemeisterte relativistische Krise angesehen werden.
Reifer Umgang: kritischer Rationalismus: Standpunkte werden vor dein Hintergrund der rationalen
Ableitung und Begründung von Argumenten geprüft. Anerkennung der Relativität von Wahrnehmungs- und
Erkenntnisperspektiven
Drei Ebenen des Verständnisses von Wissenschaft
In Interviewstudien von Carey et al. (1989). Smith et al. (2000), Sodian et al. (1999) mit 11- bis 20jährigen
Probanden zeigte, dass es drei Verständnisebenen von Wissenschaft gibt:
 Erste Ebene: kein Unterscheiden zwischen Vermutungen, Ideen und Theorien einerseits und Daten
andererseits. Wissenschaft wird im Sinne einer konkreten Aktivität („etwas ausprobieren"...) oder
von Datensammlung verstanden.
 Zweite Ebene: Es wird zwischen Hypothesen/Theorien und empirischer Evidenz unterschieden. Die
Pbn haben Grundverständnis von Hypothesentesten und verstehen Wissenschaft als Suche nach
Erklärungen.
 Dritte Ebene: die Pbn thematisieren die Rolle von Theorien im wissenschaftlichen
Erkenntnisprozess. Wissenschaft wird als zyklischer und kumulativer Prozess der
Theoriebildung, -prüfung und -revision verstanden.
Übergänge: Übergang von Ebene 1 zu Ebene 2 zwischen 11 und 16 Jahren. Antworten auf Ebene 3 waren
auch bei jungen Erwachsenen selten - Scheinbar gehört ein Konzept von Interpretationsrahmen oder
Theorien nicht zum intuitiven Wissenschaftsverständnis von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Aber:
Das intuitive Wissenschaftsverständnis ist sehr instruktionsabhängig (Smith et al.. 2000).
Der Zusammenhang zwischen Veränderungen auf metakonzeptioneller Ebene und dein Erwerb
bereichsspezifischen Wissens ist bislang kaum untersucht worden. Man verspricht sich Aufschluss über
das Zusammenwirken von bereichsspezifischen und bereichsübergreifenden Veränderungen in der
kognitiven Entwicklung. Könnte auch für pädagogische Psychologie interessant sein, da die Erkenntnisse
darüber Aufschluss geben könnten, ob die Förderung des allgemeinen metakonzeptionellen
Verständnisses für den Erwerb spezifischer inhaltlicher Kenntnisse von Bedeutung ist.
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