Büchner,Georg (1813-1837) Deutscher Dramatiker, geboren in Goddelau bei Darmstadt, gestorben in Zürich. Als Arztsohn studierte Büchner in Straßburg und später in Gießen Naturwissenschaften, Medizin und Philosophie. In Gießen befasste sich Büchner ausführlich mit der Geschichte der Französischen Revolution und begann, sich als Gegner der Reaktion politisch zu engagieren. 1834 gründete er die Gießener "Gesellschaft für Menschenrechte" und verfasste unter dem Motto "Friede den Hütten, Krieg den Palästen" die von F. L. Weidig überarbeitete Flugschrift Der Hessische Landbote. Schon bald nahm er eine führende Rolle in der politischen Opposition Oberhessens ein und betrieb deren Umgestaltung von liberal-demokratischer Oppostion zu sozialrevolutionärer Agitation. Von seinem Vater wurde Büchner nach Darmstadt zurückbeordert, wo er sein erstes Stück zu schreiben begann. Aufgrund seiner radikalen politischen Aktivitäten mußte Büchner 1835 über Straßburg nach Zürich fliehen. Dort widmete er sich neben seiner Tätigkeit als Privatdozent für Medizin dem Schreiben. Im Alter von nur 23 Jahren starb er an Typhus. Sein erstes Stück, die Tragödie Dantons Tod, verfasste er 1835. Er zeigt darin anhand des Schicksals des französischen Revolutionärs Georges Jacques Danton den verhängnisvollen Lauf der Geschichte auf und bringt dadurch wohl auch seine eigene Enttäuschung über den Ausgang der Französischen Revolution zum Ausdruck. Büchners Drama Woyzeck (1836), das erste soziale Drama in Deutschland, schildert die Tragödie eines einfachen verwirrten Mannes, der unter dem Druck gesellschaftlicher Ungerechtigkeit zum Mörder seiner Geliebten wird. In dem bei Büchners Tod unvollendeten Stück kommt seine pessimistische Lebenshaltung besonders stark zum Ausdruck. Den Stoff des Dramenfragments verarbeitete der österreichische Komponist Alban Berg zu seiner berühmten Oper Wozzeck (uraufgeführt 1925). Büchners einziges Lustspiel „Leonce und Lena“ (1838) ist ein sozialkritisch-satirisches Stück. Aufgeführt wurden diese drei Bühnenstücke erst nach Büchners Tod. Sie beeinflussten maßgeblich die Entwicklung des deutschen Dramas und gelten als Vorläufer der in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts entstandenen naturalistischen Dramen, in denen Themen wie Armut und Unterdrückung aufgearbeitet wurden. Ebenso sind sie Vorbilder des Expressionismus, der nach dem 1. Weltkrieg Ausdrucksmittel für die Desillusionierung von Künstlern und Intellektuellen war. Werke in Auswahl: 1834 1835 1838 posthum 1838 posthum 1838 posthum Der Hessische Landbote Dantons Tod Lenz Leonce und Lena Woyzeck Wichtige Lebensstation: 1813 Goddelau bei Darmstadt 1831 - 1833 Straßburg Gießen 1834 Gießen 1835 Straßburg 1836 Zürich 1837 Zürich am 17. 10. als Sohn eines Arztes geboren; Gymnasium in Darmstadt Student an den Universitäten in Straßburg und Gießen in den Fächern Medizin und Naturwissenschaften. Gründung von Organisationen nach Vorbild der gleichnamigen Straßburger Organisation in Gießen und Darmstadt: "Gesellschaft der Menschenrechte." Mitarbeiter des Butzbacher Rektors F.L. Weidig Flucht nach Straßburg nach Erhalt einer gerichtlichen Vorladung ; Rückzug aus der Politik Promototion zum Dr. phil. an der Universität Zürich. Habilitation; Privatdozent für vergleichende Anatomie Tod an den Folgen einer Typhusinfektion in Zürich. Woyzeck Mit Woyzeck, so Elias Canetti, sei Büchner „der vollkommenste Umsturz in der Literatur gelungen: die Entdeckung des Geringen“. In der Figur Woyzecks betritt der Arme, der als Soldat und Bediensteter zu wissenschaftlichen Demonstrationen missbraucht wird, und der Kranke, von Wahnvorstellungen Gehetzte, die Bühne. Zugleich wird die hochliterarische Schriftsprachigkeit der Figurenrede aufgelöst. „In der gleichzeitigen stilistischen und inhaltlichen Revolution liegt die absolute Einmaligkeit des Woyzeck - Fragments“ (Sengle). Wie die Figuren in Danton's Tod, wie Lenz, geht auch die Kunstgestalt Woyzeck zurück auf eine historische Person. Johann Christian Woyzeck war ein arbeitsloser Pauper und psychisch Kranker, der wegen Mordes an seiner Geliebten 1824 hingerichtet wurde, nachdem ihn psychiatrische Gutachten für zurechnungsfähig erklärt hatten. Büchner eröffnet durch seine Wort - "Kunst" eine eigene Wahrnehmung des Geringen: der Arbeitshetze, der Demütigungen durch Vorgesetzte und Geliebte, des körperlichen Verfalls und der seelischen Verstörungen. Dantons Überlegung „Was ist das, was in uns hurt [...] und mordet!“ ibeinhaltet eine fatalistische Lösung des Problems der Willensfreiheit. Büchners Dramenfragment spitzt diese Fragestellung zu und führt zur Infragestellung der Moral, Wissenschaft und der sozialen Verhältnisse, die Woyzeck zugrunde richten. Büchner filtert die überkommene literarische Schriftsprachlichkeit, bis sie der gesprochenen Sprache nahekommt - als Sprache des Geringen. Er erhöht die Aussagekraft nichtsprachlicher Zeichen, von Stimmungen, Ahnungen, Körperwahrnehmungen und -reaktionen. Entsprechend schwindet der dialogische Bezug der Dramenpersonen, sie vereinzeln, vereinsamen, verstummen: Auch die Sprache wird zu einer fremden, nicht verfügbaren Macht.