Ringvorlesung Kulturmarketing Ulrich Meyer Protokoll zur Vorlesung vom 22.07.2003 Dozentin: Prof. Dr. Sigrid Bekmeier-Feuerhahn „Marktforschung und Marktsegmentierung“ Marktforschung und Marktsegmentierung Marktforschung Die Marktforschung ist ein Teilgebiet der Marketingforschung und ist die systematisch betriebene Erforschung eines konkreten Teilmarktes (Zusammentreffen 1 von Angebot und Nachfrage) einschließlich der Erfassung der Bedürfnisse aller Beteiligten unter Heranziehung vieler anderer externer Informationsquellen. Die begriffliche Grundlage der Marktforschung lässt sich folgendermaßen beschreiben: Marktforschung ist der systematische Prozess der Informationsbeschaffung und bereitstellung über Märkte und Marktbeeinflussungsmöglichkeiten. Marktforschung wird einerseits betrieben weil die vollkommene Markttransparenz nicht gegeben ist und andererseits, um Informationslücken zu schließen. Die Beschaffung von Informationen ist für Kulturbetriebe zum Beispiel eine sehr wichtige Grundlage. Zum Gegenstand der Marktforschung lassen sich drei verschiedene Herangehensweisen der Analyse unterscheiden. Bei der ersten Form, den Umweltanalysen, geht es um die Frage der Analyse der ökonomischen Umwelt in der ein Kulturbetrieb sich positionieren will und meint damit zum Beispiel die Erkundung verfügbarer Technologien eines Standorts. Als zweite Form bestehen die Nachfrageanalysen, bei denen es um die Abschätzung der Nachfrage potentieller Kunden geht. Bei der dritten Möglichkeit, die der Potentialanalysen wird die Untersuchung der betrieblichen Möglichkeiten bezüglich der angestrebten Positionierung betrachtet. Hier wird genauer erkundet, wer den Markt wie intensiv nutzt, wie hoch der Bedarf ist und wie dieser Bedarf am besten gedeckt werden kann. Je nach den zu untersuchenden Bereichen beziehungsweise Branchen ergeben sich unterschiedliche Anforderungen an die Marktforschung. Dienstleistungen sind in der Regel nicht darstellbar wie zum Beispiel ein neues Sachgut. Die Schwierigkeit im Rahmen der Marktforschung besteht daher darin, das Untersuchungsobjekt ausreichend zu operationalisieren. Die Ergebnisse der Marktforschung müssen ein möglichst genaues Abbild der Realität wiederspiegeln. Die Messverfahren sollten so angelegt sein, dass sie jederzeit nachvollzogen werden können. Zu den Vorteilen der Kulturmarktforschung zählen unter anderem mit Hilfe des Ist-Soll-Vergleichs die Positionsbestimmung mit der Frage, wo man selber steht. Das Selbstbild des Unternehmens wird mit dem Fremdbild verglichen wobei bei einer unzureichenden Übereinstimmung diskutiert werden muss, wohin man sich in der Zukunft bewegt und was man eventuell ändern muss. Die Grundlage für Strategie Entwicklung, Unterstützung bei der Entwicklung geeigneter Maßnahmen, Marketing-Maßnahmen, Steigerung der Evaluation durchgeführter Kundenbindung, Marketing- Argumentations- und Legitimationshilfen gegenüber Sponsoren und der Öffentlichkeit und die Ermittlung 2 neuer Besucherpotentiale zählen zu den weiteren Vorteilen der Kulturmarktforschung. Die Daten der Marktforschung dienen unter anderem als Grundlage für langfristige Marketingstrategien, wobei der Erfolg des Betriebes im nachhinein anhand von z.B. Kundenbefragungen gemessen werden kann. Desweiteren können Potentialanalysen durchgeführt werden, um neue Kunden zu gewinnen. Es bestehen drei Grundformen der Marktforschung wobei es sich um explorative, deskriptive und kausale Studien handelt. Die explorativen Studien dienen der Aufdeckung von Zusammenhängen. Dies könnte in der Praxis ein Museum sein, welches sich modernisieren möchte und aufgrund dessen Befragungen an Kunden und Architekten durchführt, um konkrete Vorstellungen zu gewinnen. Bei den deskriptiven Studien handelt es sich um Daten- und Faktenbeschreibungen wie z.B. sich zu fragen, ob eine Anzeigenschaltung in der Zeitung dazu führt, dass man seine Zielgruppe erreicht, oder etwa um herauszufinden, wie die überregionale Verteilung von Besuchern ist. Die kausalen Studien gehen über die rein deskriptiven Studien hinaus, indem sie sich mit der Erklärung von Zusammenhängen wie z.B. der Frage, warum die Besucherzahl im letzten Jahr um 5% gestiegen ist, beschäftigen. Weiterhin lassen sich primäre und sekundäre Marktforschung voneinander unterscheiden. Bei der primären Marktforschung handelt es sich um Selbsterhebung von Daten wobei hier die internen Unternehmensdaten wie z.B. Abo-Zahlen oder Besucherdatenbanken gemeint sind. Die sekundäre Marktforschung beinhaltet den Rückgriff auf bereits vorhandene Daten wie z.B. Informationen von Kulturverbänden und Wissenschaft. Die Erhebung von Daten kann auf drei unterschiedliche Weisen erfolgen. Bei Befragungen wird die Auskunftsperson durch verbale oder andere Stimuli zu Aussagen über den Erhebungsgegenstand veranlasst. Diese Befragungen können qualitativer oder quantitativer Natur sein und beinhalten Fragen wie z.B. die Zufriedenheit der Besucher mit dem Spielplan oder den Spielzeiten eines Kulturbetriebes ist. Bei der zweiten Form, der Beobachtung, geht es um eine Datenerhebungsmethode, die auf die planmäßige Erfassung sinnlich wahrnehmbarer Tatbestände gerichtet ist. Hier wäre z.B. interessant zu erfahren, wie sich das Informationsverhalten von Besuchern verhält. Die dritte Erhebungsform von Daten stellt das Experiment dar, wobei ein oder mehrere unabhängige Variablen bei gleichzeitiger Kontrolle aller anderen Einflussfaktoren, variiert werden. Die Prüfung 3 von Kausalzusammenhängen wird hier zum Erhebungsgegenstand gemacht indem z.B. untersucht wird, wie sich die Lichtverhältnisse eines Museums auf die Stimmung der Gäste niederschlagen und ob darin ein Zusammenhang besteht. Das Experiment würde untersuchen, ob sich die Kundenzufriedenheit ändert, wenn alle Faktoren außer dem des Lichtes unverändert bleiben. Die Befragung stellt die wichtigste Methode bei der Erforschung von „Kulturmärkten“ dar. Indem Kunden und potentielle Neukunden befragt werden, soll ohne die Gestaltungsfreiheit des Veranstalters zu beeinträchtigen, die Zusammenwirkung von Publikum und Veranstalter verbessert werden. Beispielhafte Themenbereiche wären: „Was bestimmt die Attraktivität einer Einrichtung oder Veranstaltung?“, „Inwieweit ist eine Unverwechselbarkeit gegeben oder wie setzt sich das Publikum zusammen und woher kommt es?“. In der Marktforschung lassen sich folgende Erhebungs- und Auswahlverfahren voneinander unterscheiden. Die Vollerhebung ist auf die Grundgesamtheit ausgerichtet und kann je nach Fragestellung unterschiedlich sein. Man könnte einerseits danach fragen, wie viele Lüneburger Bürger Theaterbesuche mögen oder andererseits wie viele Lüneburger Studenten Theaterbesuche bevorzugen. Beides bezieht sich in dem Sinne auf eine Grundgesamtheit. Bei der Teilerhebung wäre die Fragestellung nach den Studenten der angewandten Kulturwissenschaften in Lüneburg und deren Ambitionen bezüglich Theaterbesuchen von Interesse. Die Auswahlverfahren lassen sich in zufallsorientierte und nicht-zufallsorientierte unterscheiden. Bei den zufallsorientierten Auswahlverfahren werden Wahrscheinlichkeitsauswahl, systematische Zufallsauswahl (z.B. jeder 5. Besucher), Gebietsauswahl oder das Klumpen-Verfahren (gezielte Auswahl sozialer Gruppen) benutzt. Die nicht-zufallsorientierten Verfahren bestehen aus der willkürlichen Auswahl, Konzentrationsverfahren (Beschränkung auf einen gewissen Teil z.B. alle Besucher einer Woche) oder der Quoten-Auswahl. Ein Beispiel für eine Quoten-Auswahl sowie ein weiteres zur Besucheranalyse beim Ohnsorg Theater finden sich unter den Vorlesungsbegleitenden Folien (Folie Nr. 11 f.f.) der Dozentin Prof. Dr. Sigrid Bekmeier-Feuerhahn im Internet unter dem link: http://www.uni-lueneburg.de/fb3/muoe/pr/veranstaltungen/veranstaltungenss03.htm. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Publikumsbefragungen zur Beurteilung vorhandener Aspekte, zur Verbesserung der Marktposition und zu Verbesserung der 4 Kundenakzeptanz von enormer Wichtigkeit sind und niemals ohne methodische Vorbereitung und Begleitung erfolgen. Marktsegmentierung Die Marktsegmentierung ist die Aufteilung des Gesamtmarktes nach bestimmten Kriterien in Käufergruppen bzw. –segmente, die hinsichtlich ihres Kaufverhaltens in sich möglichst ähnlich und untereinander möglichst unähnlich sein sollen. Hauptzweck aufzudecken, der um Marktsegmentierung daraus ist, Unterschiede Schlussfolgerungen für zwischen Käufern segmentspezifische Marketingprogramme zu ziehen. Marktsegmentierung meint also die Ausrichtung der Marketing-Aktivitäten auf spezifische Zielgruppen, d.h. auf homogene Teilmärkte mit speziellen Bedürfnissen. Sie nimmt aufgrund des hohen Wettbewerbs an Wichtigkeit immer mehr zu. Bei der Marktsegmentierung im Kulturbereich ist vor allen Dingen die Besuchersegmentierung von großer Bedeutung und behandelt die Aufteilung der Besucher von Kulturinstitutionen in Teilgruppen, die in sich möglichst homogen und untereinander möglichst heterogen sind. Mit einer Marktsegmentierungsstrategie ist die optimale Ausrichtung des Marketing-Mix auf das jeweilige Besuchersegment, d.h. auf die Bedürfnisstrukturen und Erwartungshaltungen der Besucher gemeint. Das Hauptziel ist die Identifikationsmöglichkeit zwischen einer bestimmten Zielgruppe, dem Besuchersegment, einerseits, und dem angebotenen Produkt, z.B. der Ausstellung, einschließlich seines Vermarktungskonzepts, andererseits. Einen Marketing-Mix für oder in einem Kulturbetrieb kann Produktpolitik („Welche Theaterstücke werden aufgeführt?“), Preispolitik („Wie hoch sollen die Kartenpreise sein?“), Distributionspolitik (z.B. Erreichbarkeit durch Shuttlebusse) und Kommunikation (Werbung, Flyer) beinhalten und ausmachen. Marktbearbeitungsstrategien beinhalten konzentriertes und differenziertes Marketing. Konzentriertes Marketing Besuchersegmente. Beim meint die Konzentration differenzierten Marketing auf ein werden oder zwei verschiedene Besuchersegmente mit unterschiedlichen Strategien bearbeitet. Kulturbetriebe haben in der Regel einen Bildungsauftrag zu erfüllen und müssen sich daher auf verschiedene Besuchersegmente konzentrieren, was eine differenzierte Marketingform als Grundvoraussetzung bedeutet. Um eine Positionierung eines Theaters oder eines Theaterstückes zu ermitteln, müssen Fragen wie z.B. „Auf welche Produkteigenschaften reagieren die Besucher unterschiedlich?“, „Wie sind 5 die Konkurrenzprodukte platziert?“, oder „Welche Platzierung eignet sich für das vorliegende Produkt?“ gestellt werden. Somit lässt sich feststellen, ob ein Theater oder ein Theaterstück eher volkstümlichen, unterhaltungsorientierten, modernen oder bildungsorientierten Charakter haben soll. Um die Identifizierung echter Marktsegmente zu erreichen müssen demographische, psychographische und verhaltensbezogene Kriterien zu Rate gezogen werden. Die demographischen Kriterien stellen den ältesten und klassischen Ansatz dar, welcher recht einfach zu erheben ist. Sie beinhalten Fragen nach der sozialen Schicht (Einkommen, Schulbildung), dem Familienlebenszyklus (Geschlecht, Alter, Familienstand) und Geographische Kriterien (Wohnortgröße, Region, Stadtteile). Die psychographischen Kriterien beschäftigen sich mehr mit den spezifischen Informationen über die Zielgruppe. Inhaltlich werden hierbei allgemeine Persönlichkeitsmerkmale (Interessen und Meinungen, Temperamentszüge und Wagnisfreudigkeit) und produktspezifische Kriterien (Wahrnehmungen, Motive, Präferenzen) beobachtet. Aus diesem Grund wird dieses Untersuchungskriterium auch das „Live-StyleKonzept“ genannt. Die verhaltensbezogenen Kriterien stellen die Frage nach dem Verhalten der Kunden. Von Bedeutung ist diesbezüglich das Preisverhalten (Reaktionen auf Preisänderungen), die Mediennutzung (Informationssuchverhalten, Nutzungs- intensität) und die Produktwahl (Besucher/Nichtbesucher des kulturellen Angebots, Besucherhäufigkeit). Die klassischen Anforderungen an die Segmentierung sind Stabilität, Trennschärfe, Größe, Kombination von Kriterien und die Erfassbarkeit der Kriterien. 6