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9. Beschreibung der AIDS Problemattik am Beispiel Afrika!
a.
Verbreitung)
Aus epidemiologischer Sicht ist das weltweite Verteilungsmuster von HIV
interessant: Während sich die meisten Viren gleichmäßig schnell ausbreiten,
war dies bei HIV anders. Während die HIV-Epidemie in den USA bereits vor 20
Jahren begann, gab es einige Länder, die von HIV verschont zu sein schienen,
dann aber mit großer Geschwindigkeit vom Virus erobert wurden. So geschah es
vor allem in Osteuropa und Asien Mitte der 1990er Jahre. In anderen Ländern,
zum Beispiel Kamerun, blieb die Prävalenz von HIV Jahre lang stabil, um dann
sprunghaft anzusteigen. Auch eine Obergrenze in der HIV_-Prävalenz scheint es
nicht zu geben. So stieg die Quote der schwangeren Frauen mit HIV in
städtischen Zentren in Botswana nach 1997 in vier Jahren von 38,5 % auf 55,6
%.
Dass HIV erfolgreich zu bekämpfen ist, zeigt das Beispiel Uganda. 1992 lag die
Prävalenz von HIV bei schwangeren Frauen bei nahezu 30 % und konnte auf 10 %
im Jahre 2000 gesenkt werden. Grundlagen dieses Erfolges waren die landesweite
Einführung von Sexualkundeunterricht, flächendeckende Kampagnen zur Steigerung
der Akzeptanz von Kondomen, HIV-Tests, deren Ergebnisse noch am selben Tag
bekannt gegeben wurden und Selbsthilfe-Kits für sexuell übetragbare
Krankheiten. Diese Erfolge sind jedoch nur mit finanziellen Mitteln
durchführbar, die viele der Hochendemie-Länder in Afrika nicht allein
aufbringen können. Unabdingbar ist ferner ebenso ein politischer Wille, diese
Seuche aktiv zu bekämpfen.
Weltweit
Mit HIV/Aids lebende Personen Neuinfektionen
Todesfälle Todesfälle
aufsummiert Quelle
1980 (~ 2.000.000)1
1993 (12.900.000)1
(2.500.000)1
1999 4.000.000
2000 3.800.000
2001 34.900.000 (40.000.000)1
3.400.000
2.500.000
20 - 22 Mio 2002 - (42.000.000)1
3.500.000
3.100.000
~ 21.1 Mio 2003 37.800.000 4.800.000
2.900.000
~ 24.0 Mio 2004 39.400.000 4.900.000
3.100.000
~ 27.1 Mio 2005 40.300.000 4.900.000
3.100.000
> 25 Mio
Aids epidemic update
December 2005 (UNAIDS)
2006 38.600.000 4.100.000
3.100.000
> 25 Mio
c) Aids Prävention, Bildung, Generika
Ansteckungswahrscheinlichkeit
Die Infektionswahrscheinlichkeit liegt bei den meisten Übertragungswegen
zwischen 1:100 und 1:1000. Wichtigste Ausnahme ist die Übertragung von der
Mutter auf das Kind während der Geburt mit einer Infektionswahrscheinlichkeit
von ca. 15 % und durch eine verseuchte Bluttransfusion, wo das
Infektionsrisiko 95 % beträgt.
Die folgenden Häufigkeiten sind Durchschnittswerte, die durch Partnerstudien
und epidemiologische Studien ermittelt wurden. Das individuelle Risiko kann
sehr viel höher sein. So erhöht eine gleichzeitig vorliegende andere
Geschlechtserkerkrankung das Infektionsrisiko um das 5- bis 10-fache, eine
hohe Viruslast des Überträgers sogar um das 10- bis 30-fache.
Geschlechtsverkehr während der Regelblutung der Frau ist mit einem erhöhten
Infektionsrisiko für beide Partner verbunden, beschnittene Männer haben ein
geringeres Infektionsrisiko. Insgesamt scheint das Infektionsrisiko nicht
konstant über die Anzahl der Kontakte zu sein, so dass das Risiko einzelner
Kontakte womöglich erheblich zu niedrig angegeben ist. Mit besseren
Medikamenten sinkt möglicherweise das Übertragungsrisiko.
•
Ungeschützter vaginaler Geschlechtsverkehr mit einem HIV-positiven
Partner ist mit einem Risiko einer HIV-Infektion von ca. 0,05 - 0,15 % für die
Frau, und zwischen 0,03 - 5,6 % für Männer verbunden, tendenziell jedoch für
Männer etwas geringer als für Frauen.
•
Das Infektionsrisiko für Oralverkehr beim Mann, bei dem Sperma in den
Mund aufgenommen wird, ist geringer, eine Infektion ist jedoch nicht
ausgeschlossen. Eine Infektion durch Vorflüssigkeit („Lusttropfen“) ist sehr
unwahrscheinlich. Bei Oralverkehr bei der Frau wird das Risiko ebenfalls als
geringer als beim vaginalen Geschlechtsverkehr angesehen. Auch das Risiko beim
sogenannten Rimming wird als äußerst gering eingeschätzt.
•
Bei Analverkehr treten häufig kleine Risse an der Schleimhaut auf.
Dementsprechend liegt das Risiko für den passiven Teilnehmer beim Analverkehr
um 0,8 % und um 0,3 % für den aktiven Teilnehmer.
•
Andere Sexualpraktiken, bei denen kein Kontakt zu Schleimhäuten, Blut,
Sperma oder Vaginalsekret besteht, haben ein extrem geringes Infektionsrisiko.
•
Das Infektionsrisiko durch Nadelstiche hängt sehr von der Situation ab.
Das Infektionsrisiko wird durchschnittlich mit 0,3 % angegeben und steigt mit
folgenden Faktoren: sehr tiefe Verletzungen (16-fach erhöht), sichtbare
Blutspuren auf der Nadel oder Nadel war vorher in einer Vene oder Arterie des
Überträgers (jeweils 5-fach erhöht), bei hoher Viruslast des Überträgers (6fach erhöht). Das Risiko bei Hohlnadeln ist höher als bei geschlossenen
Nadeln.
•
Das Risiko, sich bei gemeinsamer Benutzung einer Kanüle , meist beim
Spritzen von Heroin , zu infizieren, liegt um 0,7 % und sinkt mit dem
zeitlichen Abstand zwischen den Injektionen, allerdings nur langsam, da in der
Kanüle eingeschlossene Viren lange infektiös bleiben können, teilweise auch
noch nach Tagen. Ein Auskochen der Nadeln ist zwar generell möglich, wenn es
lange genug durchgeführt wird, allerdings sind handelsübliche Nadeln nicht
dafür geeignet, weil die verwendeten Kunststoffe nicht entsprechend hitzefest
sind. Eine chemische Desinfektion (Alkohol oder andereDesinfektionsmittel) ist
nicht ausreichend, weil nicht gewährleistet ist, dass die Substanzen ganz in
die Kanüle eindringen.
Teilweise besteht die Möglichkeit einer Postexpositionsprophylaxe. Diese
besteht aus allgemeinen Maßnahmen (Waschen des Penis nach dem Verkehr,
Ausdrücken der Stichwunden und Behandlung mit Desinfektionsmittel) und
spezifischen Maßnahmen wie der Gabe von antiretroviralen Medikamenten. Nach
einem Ansteckungsverdacht sollte immer sofort ein Arzt aufgesucht werden, der
über mögliche Maßnahmen informiert und diese auch einleiten kann.
Untersuchung
HIV-Test
Der Begriff HIV-Test steht für den HIV-Antikörper-Test, der die An- oder
Abwesenheit von Antikörpern gegen HIV-Proteine, nicht jedoch das HI-Virus
selbst nachweist. Wie gegen andere als „körperfremd“ erkannte Eiweißmoleküle
bildet das Immunsystem Antikörper, um sich vor eingedrungenen HI-Viren zu
schützen. Sind Antikörper vorhanden, ist der Test „HIV-positiv“, d. h. es hat
ein Kontakt mit dem HI-Virus stattgefunden. Werden keine Antikörper
nachgewiesen, lautet das Resultat des Testes „HIV-negativ“. Ein Problem beim
HIV-Antikörper-Test ist die diagnostische Lücke: In der Zeit, die der Körper
braucht, um die ersten Antikörper zu bilden, können solche auch nicht
nachgewiesen werden und führen somit zu einem „falsch-negativen“ Ergebnis.
Die heute üblichen Tests können in der Regel zwölf Wochen nach der Ansteckung
zuverlässig Antikörper nachweisen; 99 % der Infizierten weisen dann bereits
Antikörper auf. In den meisten Fällen ist ein Kontakt mit HI-Viren bereits
nach drei bis sechs Wochen feststellbar. In seltenen Fällen können aber noch
Monate später falsche, auch negative Ergebnisse entstehen. Grundsätzlich gilt:
Je länger der Zeitraum zwischen möglicher Ansteckung und Test, um so größer
ist seine Aussagekraft.
In Deutschland wird die Diagnose „HIV-positiv“ durch zwei Tests gestellt:
einen Suchtest und einen Bestätigungstest.
Als Suchtest wird meist ein kostengünstiger HIV-Elisa-Test durchgeführt.
Dieser weist das p24-Antigen sowie Antikörper gegen HIV-1, HIV-2 und HIV-1
Subtyp 0 im Blut nach (sog. HIV-Test der vierten Generation). Für diesen Test
werden von kommerziellen Herstellern Virusproteine in so genannten ElisaTestplatten vertrieben. Eine Testplatte besteht aus bis zu 96 kleinen Näpfen,
in denen die HIV-Proteine auf dem Trägermaterial fixiert wurden.
Von der zu testenden Blutprobe werden die Blutzellen abgetrennt und die
verbleibende gelblich-klare Flüssigkeit, das so genannte Serum, in eines der
Näpfchen der Testplatte gegeben. Wenn Antikörper im Serum vorliegen, die vom
Immunsystem eines HIV-Infizierten gebildet wurden, heften diese sich an die
HIV-Proteine. Nach weiteren Arbeitsschritten verbleibt in den Näpfen von HIVnegativen Personen eine glasklare Flüssigkeit und bei HIV-infizierten Menschen
eine gefärbte Flüssigkeit. Der Test wird maschinell und immer im Vergleich zu
HIV-positiven und HIV-negativen standardisierten Seren abgelesen.
Der HIV-Suchtest ist auch in großen klinisch-chemischen Laborautomaten
durchführbar. Es wird dann ein etwas abweichendes Verfahren eingesetzt, der
Elektrochemilumineszenz-Immunoassay (ECLIA). Aussagekraft und Beschränkungen
sind aber dem ELISA vergleichbar.
Der Einsatz dieser Suchtests ist ab etwa zwei bis drei Wochen nach möglicher
Exposition sinnvoll. Ein sehr zuverlässiges Testergebnis ist allerdings erst 3
Monate nach einem Risikokontakt zu erwarten.
Die Tests arbeiten mit hoher Sensitivität, um auch sehr kleine Mengen
vorhandene Antikörper zu entdecken. Allerdings sind die dergestalt gefundenen
Antikörper keine eindeutige Bestätigung einer HIV-Infektion, so dass nach
einem „reaktiven“ Testergebnis grundsätzlich ein so genannter Bestätigungstest
durchgeführt wird.
Als routinemäßiger Bestätigungstest dient die aufwändigere Western-BlotMethode (genauer gesagt Immunoblot), ebenfalls ein Antikörpertest. Hierzu wird
eine Reihe unterschiedlicher HIV-Proteine auf einen Teststreifen als
Trägermaterial nebeneinander aufgebracht. Der Streifen wird in eine weitere
Serumprobe eingelegt. Wenn Antikörper gegen HIV vorhanden sind, heften sich
diese an die Virusproteine. Nach weiteren Arbeitsschritten werden dunkle
Striche auf dem Teststreifen sichtbar. Sie zeigen an, gegen welche
Virusproteine der Mensch Antikörper gebildet hat. Nach WHO-Empfehlung wird die
Diagnose 'HIV-positiv' auf Grund von Antikörpern gegen zwei verschiedene
Virusproteine gestellt. Auf diese Weise wird der zuvor positive oder
grenzwertige Suchtest widerlegt oder bestätigt.
Zur Sicherung der Diagnose existieren weiterführende Tests, die nicht nur HIVAntikörper, sondern das HI-Virus selbst nachweisen können, etwa durch Nachweis
viraler Nukleinsäuren. Über die HIV-RNA lässt sich die Virus-„Menge“ messen.
Mittlerweile werden zunehmend auch solche Nachweismethoden zum diagnostischen
Standard, welche Resistenzen in den Virusstämmen gegen antiretrovirale
Therapien anzeigen. In der Frühphase der HIV-Infektion kann zudem der Nachweis
des p24-Antigens durch einen ELISA hilfreich sein.
Die Sensitivität des HIV-Test wird mit 99,9 % angegeben. Dies bedeutet, dass
von 1000 HIV-positiven Patienten 999 als solche erkannt werden und einer ein
falsch-negatives Ergebnis erhält. Die Spezifität beträgt 99,8 %. Dies
bedeutet, dass von 1000 nicht HIV-Positiven 998 ein negatives Ergebnis
erhalten und 2 ein falsch-positives Ergebnis . Der positive prädiktive Wert,
also die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person mit positivem Test wirklich
infiziert ist, hängt von der Prävalenz in der getesteten Gruppe ab und kann
somit nicht allgemein angegeben werden. Bei niedriger Prävalenz, wie z. B. bei
Personen ohne Risikofaktoren liegt er deutlich unter der Spezifität, bei unter
50%. Liegen hingegen Risikofaktoren vor, steigt der Wert schnell an und
erreicht Werte nahe der Spezifität. (zur Bewertung eines Testergebnisses siehe
auch: Beurteilung eines Klassifikators).
Direkt nachgewiesen werden HI-Viren bzw. die Virus-RNA durch das
vergleichsweise kostenintensive RT-PCR-Verfahren. Diese Methode wird meist
nach gestellter Diagnose zur Bestimmung der Viruslast angewandt.
Bei Neugeborenen hat ein Antikörper-Test keine Aussagekraft, da die IgGAntikörper der Mutter durch die Plazenta in das Blut des Kindes gehen, und
daher ein falsch positives Testergebnis entsteht. Kommerziell erhältliche
Tests zum Nachweis von IgM- oder IgA-Antikörpern, welche vom Kind gebildet
werden, sind noch nicht vorhanden. Daher ist die gängige Untersuchungsmethode
bei Neugeborenen und Säuglingen die RT-PCR.
Zur Diagnostik einer akuten HIV Infektion dient ein positiver HIV-RNA Test
durch eine RT-PCR und ein negativer oder „grenzwertiger“ Bestätigungstest.
Therapie
Durch eine antiretrovirale Therapie (ART), d. h. die Einnahme von HIVunterdrückenden Medikamenten, und Behandlung von Sekundärinfektionen kann der
Krankheitsverlauf verlangsamt werden. Da das Virus schnell Resistenzen
gegenüber einzelnen Medikamenten entwickelt, hat sich die Therapie durch
gleichzeitige Einnahme mehrerer Medikamente durchgesetzt, die sogenannte
„Highly Active Antiretroviral Treatment“ (HAART).
Antiretrovirale Therapie kann die Lebenserwartung HI-Infizierter deutlich
verlängern, jedoch keine vollständige Eradikation des Virus – und damit eine
Heilung – bewirken. Zudem können schwerwiegende Nebenwirkungen auftreten. Eine
einmal begonnene ART sollte nicht mehr abgesetzt werden, um Resistenzbildung
zu verhindern. Aus dem selben Grund ist eine regelmäßige Tabletteneinnahme
unumgänglich (siehe Adherence). Daraus ergibt sich eine hohe Belastung für den
Patienten.
Zur Zeit werden drei Wirkstoffklassen angewandt: Nukleosid- und
Nukleotidanaloga (NRTI), Nichtnukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren
(NNRTI) und Protease-Inhibitoren (PI). Eine weitere Wirkstoffklasse stellen
Fusionsinhibitoren wie die Substanz T-20 dar.
Nukleosidanaloga (NRTI)
Nukleosidanaloga, auch Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI,
umgangssprachlich „Nukes“) genannt, setzen an der reversen Transkriptase an,
einem Enzym des HI-Virus, das das virale RNA-Genom in doppelsträngige DNA
„übersetzt“. Anschließend baut ein weiteres virales Enzym, die Integrase,
diese Virus-DNA in die DNA der Wirtzelle ein. Die NRTI stellen hierbei ein
alternatives Substrat dar, die mit den physiologischen Nukleosiden
konkurrieren, sich von diesen jedoch durch ein verändertes Zuckermolekül
unterscheiden. Der Einbau der NRTI behindert die Struktur der
Doppelstrangbindung und führt daher zu Kettenabbrüchen in der Virus-DNA.
Hierbei entsprechen die Wirkstoffe Zidovudin (Azidothymidin, AZT) und
Lamivudin (d4T) dem DNA-Baustein Thymidin, Zalcitabin (DDC) und Lamivudin
(3TC) dem Cytidin, während Didanosin (DDI) analog zu Inosin und Abacavir ein
Guanosin-Anologon ist. Eine Kombination von Analoga mit gleichem Ansatzpunkt
(etwa AZT und d4T) ist nicht sinnvoll.
Zahlreiche Nebenwirkungen können bei der Therapie mit NRTI auftreten. Häufig
sind Kopfschmerzen, gastrointestinale Beschwerden, Völlegefühl oder Übelkeit,
Erbrechen und Diarrhoeen, sowie allgemeine Müdigkeit. Als Folge längerer
Anwendung kann es zur Laktatazidose, Myelotoxizität, Polyneuropathie und
Pankreatiden kommen. Auch eine Lipodystrophie, eine auch bei Therapie mit
Protease-Inhibitoren zu beobachtende eine Umlagerung von Körperfett, kann bei
längerer Einnahme von NRTI auftreten.
Viele dieser Nebenwirkungen sind eine Folge der mitochondralen Toxizität:
Mitochondrien, die lebenswichtigen Kraftwerke der Zellen, benötigen ebenfalls
Nukleoside. Durch den Einbau von NRTI statt Nukleosiden kommt es zu
Stoffwechselstörungen und zur Degeneration der Mitochondrien. Bei der
Toxizität der einzelnen Substrate gibt es erhebliche Unterschiede.
NRTI werden unverändert in die Zelle aufgenommen und dort durch
Phosphorylierung aktiviert. Sie werden überwiegend renal eliminiert und haben
daher wenig Wechselwirkung mit Medikamenten, die in der Leber verstoffwechselt
werden.
PMID 10509516
Nicht-Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI) Während NRTIs
als „falsche“ Bausteine die reverse Transkriptase hemmen, binden NNRTIs direkt
an dieses Enzym, nahe der Substratbindungsstelle für Nukleoside. Zurzeit gibt
es drei NNRTis auf dem Markt: Neverapin, Delavirdin und Efavirenz. Während
Nevirapin und Efavirenz etwa gleich effektiv sind, spielt Delaviridin in der
Therapie kaum eine Rolle und ist in Deutschland (noch) nicht zugelassen.
Als Einzelsubstanz zeigen NNRTIs nur eine begrenzte Wirkung, in
Kombinationstherapie mit 2 NRTIs sind sie aus immunologisch-virologischer
Sicht mit Proteaseinhibitoren gleichwertig. Jedoch gibt es bisher keine
Studie, die den klinischen Effekt der NNRTIs – längeres und gesünderes Leben
bei höherer Lebensqualität – nachweist. Zur Zulassung wurden ausschließlich
Studien zu verbesserten CD4+ Zellzahlen und zur niedrigeren Viruslast benutzt
(Surrogatmarker-Studien). Durch ihre gute Verträglichkeit und die geringere
Pillenzahl werden sie häufig den Proteaseinhibitoren vorgezogen. NNRTIs sind
recht empfindlich: Schon eine Punktmutation genügt, um eine Resistenz des
Virus gegen den Wirkstoff zu erzeugen. Zudem bestehen Kreuzresistenzen: Zeigt
ein Virus Resistenzen gegen einen NNRTI, so sind meist alle NNRTIs
wirkungslos. NNRTIs werden in der Leber verstoffwechselt (Cytochrom P450System).
Die Nebenwirkungsprofile der einzelnen Wirkstoffe unterscheiden sich
erheblich. Bei der Therapie mit Nevirapin stehen vor allem allergische
Reaktionen und Lebertoxizität im Vordergrund. Ein Exanthem tritt bei bis zu
20% der Patienten auf und führt bei 7 % zum Abbruch der Nevirapineinnahme. Um
die Gefahr von Allergien zu mindern, sollte Nevirapin mit zunächst geringer
Dosierung eingeschlichen werden. Lebertoxizität ist eine seltene, aber unter
Umständen lebensbedrohliche Nebenwirkung von Nevirapin. Daher sollten zur
Beginn der Therapie die Leberwerte (vor allem Transaminase) engmaschig
kontrolliert werden.
Die Nebenwirkungen von Efavirenz betreffen hingegen vor allem das zentrale
Nervensystem. Sie treten meist zur Beginn der Therapie auf und schwächen sich
danach ab. In den ersten vier Wochen in einer Studie traten bei 2/3 der
Patienten Schwindel, nahezu der Hälfte Albträume und bei etwa einem Drittel
der Patienten Benommenheit und Schlafstörungen auf. Diese nahmen aber meist
nach einiger Zeit ab. Während Nevirapin zur Vorbeugung einer Mutter-zu-KindÜbertragung (PMTCT = Prevention of Mother to Child Transmission) eingesetzt
wird, ist Efivarenz in der Schwangerschaft kontraindiziert. Angesichts der
Wirkung auf das zentrale Nervensystem ist die Verkehrstauglichkeit fraglich.
Ein Vorteil von Efavirenz gegenüber Nevirapin ist die geringere
Lebertoxizität.
Delavirdin ist wegen der hohen Pillenzahl und der dreimal täglichen Einnahme
den anderen Wirkstoffen unterlegen. Zudem ist es zurzeit nicht auf dem
deutschen Markt zugelassen.
PMID 11590519 PMID 11873073
Proteaseinhibitoren (PI)
Kann das HIV-Enzym Protease das virale Makromolekül gag-pol-Polyprotein nicht
spalten, so werden nicht-infektiöse Viruspartikel produziert.
Proteaseinhibitoren wurden mit dem Wissen über die molekulare Struktur des
Enzyms so modelliert, dass sie direkt im aktiven Zentrum der Protease binden
können. Die gute Wirksamkeit von Proteaseinhibitoren wurde anhand von
klinischen Endpunkten nachgewiesen. Sie haben zu einer deutlichen Verbesserung
der Therapie beigetragen. Bei der Langzeitbehandlung zeigen sich jedoch einige
Probleme, die zu Störungen im Fettstoffwechsel führen und in Folge
Lipodystrophie und Dyslipidämie auslösen können. Der Grund liegt
wahrscheinlich in der mitochondrialen Toxizität, da Proteaseinhibitoren
offenbar ähnlich den NRTI die Mitochondrien schädigen. Weitere Nebenwirkungen
sind gastrointestinale Beschwerden.
Proteaseinhibitoren haben relativ kurze Halbwertszeiten im Blutplasma. Schon
nach acht Stunden ist die minimale Hemmkonzentration erreicht. Daher müssen
die meisten Proteaseinhibitoren 3-mal täglich eingenommen werden.
Der Abbau der Proteaseinhibitoren geschieht in der Leber durch das CytochromP450-Enzymsystem. Der Proteaseinhibitor Ritonavir hemmt dieses System. Man
ging daher dazu über, andere Proteaseinhibitoren zusammen mit Ritonavir zu
verabreichen, um den Abbau zu verlangsamen und die Plasma-Halbwertszeit zu
verlängern. Dies wird als „Booster“ bezeichnet. Mittlerweile gibt es den
Proteaseinhibitor Lopinavir kombiniert mit einer Boosterdosis Ritonavir
(Kaletra). Dies führt zu einer fast 100-fach größeren Plasma-Konzentration von
Lopinavir und zu einer größeren Barriere gegen Resistenzen. Daher wird
Lopinavir/Ritonavir (Kaletra) zumeist nach Therapieversagen anderer
Medikamente benutzt („Salvage-Bereich“).
PMID 10860901 PMID 9287227 PMID 10202827 PMID 10509516 PMID 9835517
Fusionsinhibitoren Anfang 2003 wurde der erste Fusionsinhibitor T-20 auf den
Markt gebracht. T-20 bindet an das für die Fusion des Virus mit der
Zellmembran der T-Helferzellen wichtige Transmembranprotein gp41 und blockiert
so den Eintritt des Virus in die Zelle. Besonders interessant wird die
Substanz dadurch, dass sie keine mitochondriale Toxizität und damit kein
Lipodystrophiesyndrom auslöst.
T-20 ist mit seinen 36 Aminosäuren zu groß für eine orale Einnahme. In seiner
jetzigen Form muss T-20 täglich subkutan gespritzt oder über eine
„Insulinpumpe“ verabreicht werden. Als Nebenwirkung treten häufig
Hautirritationen an der Einstichstelle auf.
Erste Studien ergaben, dass die eine bloße Hinzugabe von T-20 zu einer
klassischen antiretroviralen Therapie nur einen begrenzten Erfolg mit sich
bringt. Zwei große Studien, die T-20 zu einer optimierten HAART gegen eine
optimierte HAART ohne T-20 verglichen, zeigte jedoch signifikant bessere Werte
im T-20-Arm der Studie. Das lässt darauf schließen, dass besonders diejenigen
Patienten von T-20 profitieren, die gleichzeitig auch noch andere
medikamentöse Optionen haben.[6] T-20 kann offenbar zu Interaktionen mit
Granulozyten führen, die bei einigen Patienten zu vermehrten Infektionen
führten.
Eine rasche Resistenzbildung des Virus ist zudem recht wahrscheinlich. Jedoch
scheint die virale Fitness der resistenten Stämme vermindert zu sein.
Dennoch ermöglicht T-20 Patienten eine Option, die auf Grund von
Nebenwirkungen oder Resistenzen ihre Therapie umstellen müssen. Erste Wahl zu
Therapiebeginn ist T-20 derzeit jedoch nicht, und das nicht nur auf Grund der
Studienlage. T-20 ist nach Aussage der Herstellerfirma Hoffmann-La Roche einer
der am aufwändigsten zu produzierenden Substanzen der Firmengeschichte. Dies
macht sich im Preis deutlich, der mit über €24.000 pro Jahr höher als einige
Dreifachkombinationen herkömmlicher antiretroviraler Medikamente liegt. An
anderen Fusionsinhibitoren und an einer wöchentlich zu verabreichenden T-20Injektion wird geforscht.
Eine Sammlung mit übersichtlichen Beschreibungen aller zur Zeit angewandten
antiretroviralen Therapeutika sowie einiger gängiger Medikamente zur
Behandlungen opportunistischer Infektionen findet sich unter HIV.NET.
Highly Active Antiretroviral Therapy (HAART) Mit highly active antiretroviral
therapy wird die Kombinationstherapie aus mehreren antiretroviralen
Medikamenten bezeichnet. Ziel der Therapie ist es, die Viruslast unter die
Nachweisgrenze zu drücken und die CD4-Zellwerte zu erhöhen, um so das
Immunsystem gegen opportunistische Infektionen und andere Aids-definierende
Erkrankungen zu stärken.
In der Regel besteht eine HAART aus 2 verschiedenen Nukleosidanaloga (NRTI,
auch als „Nuke-Backbone“ der Therapie bezeichnet) plus entweder einem Nicht-
nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Hemmer (NNRTI), einem Proteaseinhibitor
(PI) oder einem dritten Nukleosidanalogon. Welche Kombination die beste ist,
lässt sich pauschal nicht beantworten, und wird individuell entschieden. Jede
der Kombinationen hat Vor- und Nachteile:
Die Kombination aus 2 NRTI und einem PI wurde dem größten Testspektrum
ausgesetzt und es liegen Daten aus Langzeitstudien zum klinischen Effekt vor.
Diese Kombination weist eine hohe Barriere gegen Resistenzen auf. Die hohe
Pillenzahl stellt jedoch eine Belastung für den Patienten dar und wirkt sich
negativ auf seine Adherence aus. Auch ist eine Langzeittoxizität zu
befürchten.
Eine Kombination aus 2 NRTI und einem NNRTI besitzt offenbar eine ähnlich
virenhemmende Wirkung wie PIs, jedoch ist nicht der klinische Effekt, sondern
lediglich der Effekt auf Laborparameter durch Studien belegt. Die geringe
Pillenzahl (einmal am Tag für den NNRTI, zweimal am Tag die NRTI) stellt
hierbei eine geringere Belastung für den Patienten dar. Zu Beginn der Therapie
mit Nevirapin treten jedoch häufig Allergien auf. NNRTI sind
resistenzanfälliger, und durch Kreuzresistenzen fällt eine ganze
Wirkstoffklasse weg.
3 NTRI haben die geringste Pillenzahl und die einfachste Dosierung. Eine
Kombination aus AZT, 3TC und Abacavir ist in einer Tablette (Trizivir)
verfügbar, die 2-mal täglich eingenommen wird. Andere Kombinationen sind aus
patentrechtlichen Gründen nicht in einer Tablette verfügbar. In Indien,
Südafrika, Brasilien und Kenia werden auch Tabletten mit zwei NRTI und einem
NNRTI als Generikum produziert. Es scheint wenige Interaktionen mit anderen
Medikamenten zu geben, und sollte es zur Unverträglichkeit oder Resistenzen
kommen, so stehen noch 2 andere Wirkstoffklassen zu Verfügung. Es liegen
jedoch keine Langzeitdaten mit klinischen Endpunkten vor und die Kombination
scheint auch etwas weniger wirksam in der Virusunterdrückung zu sein.
Startzeitpunkt einer HAART
Zum besten Startzeitpunkt einer HAART gibt es keinen Konsens, da die Gefahr an
Aids zu erkranken gegen die Risiken der Langzeittoxizität und Resistenzbildung
abgewägt werden müssen. Während Mitte der 1990er Jahre die
Mutationsgeschwindigkeit des Virus und die Annahme einer möglichen Eradikation
zu einer „Hit hard and early!“-Strategie bei der Behandlung verleiteten,
führte die Entdeckung mitochondrialer Toxizität zur Zurückhaltung. Heute
beginnt eine HAART erst bei deutlicher Schwächung des Immunsystems.
Die Deutsch-Österreichische Empfehlung zum Therapiebeginn berücksichtigt drei
Faktoren: Das klinische Bild des Patienten, seinen CD4-Wert und die Viruslast.
Patienten, die bereits Aids-definierende Erkrankungen haben (CDC C), wird eine
HAART dringend empfohlen. Auch beim Auftreten von Erkrankungen, die auf ein
geschwächtes Immunsystem hindeuten, jedoch nicht Aids-definierend sind (CDC
B), wird eine HAART empfohlen. Dies gilt auch für Patienten, die symptomfrei
sind, aber einen CD4+ Wert unter 200 haben, da es dann meist eine Frage der
Zeit ist, bis Aids auftritt. Als im Allgemeinen ratsam wird eine Therapie bei
Patienten angesehen, die einen CD4+ Wert zwischen 200 und 350 haben. Ebenso
angeraten ist der Beginn der HAART laut der Empfehlung bei Patienten mit einem
CD4+ Wert zwischen 350 und 500, wenn eine hohe Viruslast vorliegt (>100.000).
Aufgrund der für den Patienten weitreichenden Konsequenzen, wird die
Entscheidung individuell getroffen, so dass der Patient zuvor über Risiken und
Nebenwirkungen ausreichend informiert und psychisch auf diese Therapie
eingestellt ist.
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