Radioanalytik „Anwendungen von Radionukliden – Therapie und Diagnostik“ 1-9 Anwendung von Radionukliden: „Therapie und Diagnostik“ 1. Radionuklide in Nuklearmedizin und Strahlentherapie Einleitung Die Anwendung von Radionukliden und ionisierender Strahlung in Diagnostik und Therapie erfordert die Anwendung leistungsfähiger radioanalytischer Methoden. Im Folgenden wird ein Überblick gegeben: 2. Röntgendiagnostik Perkutane Strahlentherapie Isotopentherapie Isotopendiagnostik Dosisberechnung Patientendosimetrie Strahlenschutz für Patient und Personal Qualitätssicherung Strahlentherapie typische Werte Aktivität Dosisleistung / /Bq mSv/min Typische Aktivitätsund Dosisleistungen in der Medizin Strahlenschutz Diagnostik, Therapie Diagnostik Qualitätssicherung Therapie Dosimetrie Qualitätssicherung 30 3·10-6 1·104 1·10-2 3·108 │ 3·1011 1·101 │ 3·103 Diagnostik und Therapie Anwendungsumfang ionisierender Strahlung in der Medizin Therapie Therapie (Versuchsstadium) Röntgenstrahlung Strahlung Elektronenstrahlun g schwere geladene Teilchen Neutronenstrhalung Radioanalytik „Anwendungen von Radionukliden – Therapie und Diagnostik“ 2-9 2.1 Grundlagen Der Wirkungsmechanismus der Strahlentherapie gutartiger Erkrankungen ist noch weitgehend ungeklärt. Die Wirkung von ionisierender Strahlung auf maligne Tumoren ist zellbiologisch gut verstanden. Ziel Rezidiv Voraussetzung Notwendigkeit Wirkungen Ziel der Strahlentherapie ist es, die unbegrenzte Vermehrungsfähigkeit der Tumorzellen zu unterbinden. Durch die Bestrahlung kann bewirkt werden, das Zellen entscheidend geschädigt werden und sich nicht mehr unbegrenzt weiter teilen. Eine geringe Anzahl ungeschädigter Zellen kann jedoch die Ursache für ein Rezidiv sein. Die Generationszeit menschlicher Zellen in einer Gewebekultur beträgt 1- 2 tage. Die Strahlenwirkung wird nur auf das Zielvolumen konzentriert. Besonders strahlempfindliche gesunde Risikoorgane und Gewebe oder vorgeschädigte bereiche sollen geschont werden. Das Tumorgebiet mit seiner möglicherweise infiltrierten Umgebung ist das Zielvolumen. Es muss exakt lokalisiert und die Strahlenwirkung gleichmäßig auf diesen bereich konzentriert werden. Mitoseverzögerung Erste Wirkung ionisierender Strahlung auf Zellen: Verlängerung der Generationszeit. Dies ist bedeutungslos, denn alle Zellen führen noch mindestens eine Teilung aus. „Riesenzellen“ Ist die Teilungsfähigkeit einer Zelle entscheidend geschädigt, so endet die Teilung bei der Bildung von Riesenzellen, die nicht mehr teilungsfähig sind. Eine Zelle, die eine Kolonie bilden kann, nennt man Stammzelle (clonogenic cell“). Ca. 0,1 % der Zellen eines Tumors sind Stammzellen. Sie sind unbegrenzt proliferationsfähig. Ein Tumor von 1 cm Durchmesser enthält ca. 10 9 Zellen. ca. 106 Stammzellen. Ein Tumor, der keine solche Zelle mehr enthält, ist durch die Wirkung der Strahlung geheilt. Die Dosis, die für die Heilung erforderlich ist, wird bestimmt durch zwei Größen: Anfangszahl der Stammzellen Kurve der Überlebenswahrscheinlichkeit in Abhängigkeit von der Dosis Radioanalytik „Anwendungen von Radionukliden – Therapie und Diagnostik“ 3-9 Hat die Überlebenskurve eine Zehntelwertsdosis von 4 Gy, so ist unter Vernachlässigung der Schulter in einem Tumor mit 106 Stammzellen nach einer Dosis von 24 Gy die Zahl der Stammzellen auf 1 reduziert. Nach der Poisson-Statistik ist in 37% solcher Tumoren keine Stammzelle mehr vorhanden. Tumorkontrolle Radiosensitizer Effekt Vergrößerung des Abstands der Dosiswirkungskurven für Tumor und Normalgewebe als Strate-gie einer kurativen Strahlentherapie Komplikationsrate Hyperthermie Fraktionierung D Dosisverteilung Suaerstoffversorgung Radioprotektive Substanzen Strahlenqualität D: therapeutische Breite Beispiel: Larnyx-Ca (T3-4) Bei normaler Fraktionierung ist die lokale Rezidivfreiheit Unter 10 % bei einer Dosis von 55 Gy Über 90 % bei einer Dosis von 60 Gy Heilung im physikalischen Sinn: Absenken der Rezidivwahrscheinlichkeit unter eine gewisse Restwahrscheinlichkeit. Diese Restwahrscheinlichkeit Tumorgröße. Faustformel: Limit: Fraktionierung ist abhängig von der Zur Heilung eines Tumors mit 4 cm Durchmesser ist eine um etwa 5-6 Gy höhere Gesamtdosis erforderlich als für einen Tumor von 2 cm Durchmesser, der etwa 1/10 der Zellen enthält. Der Therapieerfolg wird fast in allen Fällen limitiert durch die chronische Strahlenschädigung des Normalgewebes. Durch Fraktionierung der Bestrahlung kann der Abstand zwischen Tumorschädigungskurve und Gewebeschädigungskurve D verbreitert werden. Durch eine Behandlungspause werden akute Reaktionen günstig beeinflusst, chronische Reaktionen werden nicht beeinflusst. Die Gesamtdosis muss in möglichst kurzer Zeit in möglichst vielen Einzeldosen appliziert werden. Radioanalytik „Anwendungen von Radionukliden – Therapie und Diagnostik“ 4-9 2.2 Perkutane Strahlentherapie Großquelle mit z.B. 60Co (1173 keV und 1333 keV) mit hoher Aktivität bis 300000 MBq strahlt mit Feld einstellbarer Fläche auf Zielgebiet. Die g-Quanten bilden die Nutzstrahlung. Der Abstand der Quelle zum Zielgebiet beträgt ca. 1 m. 2.3 Brachytherapie Lokale Strahlentherapie mit kleinen Strahlerquellen mittlerer Aktivität. Unter Ausnutzung des Abstandsquadratgesetzes kann eine sehr hohe Energiedosis in der unmittelbaren Umgebung des Strahlers appliziert werden. Dies wird als Ergänzung zur perkutanen Strahlentherapie zur Behandlung umgrenzter Prozesse ausgenutzt. Dazu werden die Strahler in unmittelbarer Nähe des oder in das Zielgebiet gebracht. Geeignet geformte Applikatoren halten die Quellen und sorgen für gute reproduzierbare Lokalisation bzw. Anpassung an die Zielvolumenoberfläche. z. B. : -Dosisleitungskonstante Nuklid 60Co: 192Ir mittlere -Energie T1/2 /keV 1220 5,27 a 100-600 74 d / Gy·m²·Bq-1h-1 3,37·10-13 1,19·10-13 Dosisleistung D: D = · A ·r-2 Beispiel: Ein 192Ir-Strahler (A = 9 GBq) soll für die Brachy-Therapie eingesetzt werden. Der Abstand des Strahlers zum Zielgebiet beträgt 2 mm. a) Wie lange dauert die Bestrahlung, wenn 10 Gy im Zielgebiet appliziert werden sollen ? b) Welche Abstand (ohne Abschwächung) müsste eine Person (allgemeine Bevölkerung) haben, damit durch diesen Strahler die mittlere natürliche Ortsdosisleistung von 0,05 µSv/h verdoppelt wird (1 Gy = 1 Sv) ? zu a) Berechnung der Dosisleistung: D= 1,19·10-13 Gy·m²·Bq-1h-1·70·109 Bq (0,002 m)² D = 278 Gy/h Radioanalytik „Anwendungen von Radionukliden – Therapie und Diagnostik“ 5-9 Bestrahlungsdauer: T Bestrahlung = 10 Gy/278 Gy/h = 0,037 h = 2,2 min. · zu b) Abstand bei 0,05 µGy/h r2= · A · D-1 r = ( · A · D-1)1/2 r² = Frage 1,19·10-13 Gy·m²·Bq-1h-1·70·109 Bq 0,05·10-6 Gy/h r² = 21420 m² r ≈ 146 m Wie schützt sich das behandelte Personal? Praktisch alle für die Nahbestrahlung verwendeten Quellen sind in gasdichte Metallhüllen eingeschweißt, um Kontamination oder toxische Reaktionen zu verhindern. Diese sind angepasst an äußere oder Körperoberflächen (intrakavitäre Therapie) oder werden direkt in das Tumorgewebe hineingebracht (interstitielle Therapie). Oberflächen- Kontakttherapie: Es werden vor allem hochenergetische -strahlende Radionuklide z.B. 90Sr(90Y) und 32P verwendet. Wenn tiefer reichende Zielvolumina zu behandeln sind, werden -strahlende Radionuklide mit Hilfe geeigneter Applikatoren eingesetzt. 226Ra innere lange zeit dominierend. Jetzt aus Strahlenschutzgründen immer mehr abgelöst durch z.B. 192Ir oder 137Cs sehr hoher spezifische Aktivität Verschiedene Arten der Anwendung: Problem Mit Hilfe geeigneter Vorrichtungen können die Strahler in geeignet angepasste Applikatoren eingebracht werden (Afterloading-Prinzip) Als sehr kleine Körnchen (seeds) oder als Drahtstücke werden z.B. 182Ta, 192Ir, 125I, 198Au in das zu behandelnde Gewebe eingebracht und dort belassen. Strahlenschutz bei Entlassung oder im Todesfall Dosisbestimmung Radioanalytik „Anwendungen von Radionukliden – Therapie und Diagnostik“ 6-9 3. Dosismessverfahren in der Strahlentherapie Ionsationsdosimeter Eisensulfatdosimeter Filmdosimetrie Thermolumineszenzdosimetrie Radiophotolumineszenzdosimetrie 4. Detektion von Aktivitäten in der Nuklearmedizin Ionisationskammer (Aktivimeter) Proportionalzähler (kaum in Nuklearmedizin) Geiger-Müller-Zählrohr (Strahlenschutz, Kontaminationskontrolle) LSC (in-vitro) Festkörpersziontillatoren, z.B. NaJ(Tl) (in vivo, imaging) HPGe (Qualitätssicherung, Reinheitskontrolle) Einige Charakteristische Größen von -Strahlendetektroen, die in der Nuklearmedizin verwendet werden. Detektor IonisationsKammer ProportionalZähler Geiger-MüllerZähler NaJ(Tl) HPGe Intrinsischer Todzeit EnergieWirkungsgrad auflösung Anwendung in der NukMed sehr gering --*) keine Dosiskalibierung sehr gering ≈ ms mittel selten verwendet mittel hoch ≈ ms ≈ µs keine mittel mittel < 1 µs sehr hoch Strahlenschutz am meisten verwendet: Bohrloch, Scanner, -Kamera Neutronen Aktivierungsanalyse *) Als Zähler nicht geeignet 5. Radiopharmazeutika Definition Eine chemische Verbindung, die mit einem Radionuklid gekoppelt ist und in einer für die medizinische Anwendung geeigneten Form vorliegt, heißt Radiopharmazeutikum. Ihre biochemischen, physiologischen und metabolischen Eigenschaften bestimmen ihre Verwendungsmöglichkeiten. Radioanalytik „Anwendungen von Radionukliden – Therapie und Diagnostik“ 7-9 Von wenigen Ausnahmen abgesehen werden sie zur Diagnostik verwendet. Die Wahl des Radionuklids wird hauptsächlich diktiert durch: Anforderungen an ein ideales Radionuklid Dosisminimierung beim Patienten Detektionsmöglichkeiten Halbwertzeit T1/2 ≈ 0,693· Tobs Tobs: Zeitintervall zwischen Verabreichung und Ende der Messzeit Zerfallsenergie Möglichst mononergetischer -Strahler im Energiebereich zwischen 100 und 300 keV Zerfallsart (möglichst keine Teilchenstrahlung) variable einsetzbar Verteilung und Lokalisierung in bestimmten Organen und Kompartimenten zur Untersuchung unterschiedlicher Organe, Gewebe einfach, billig und kontaminationsfrei zu handhaben Diesen Anforderungen kommt das 99mTc sehr nahe. in den erforderlichen Mengen nicht toxisch. Intravenöse Verabreichung 99mTc ist Verabreichung mit wenigen ausnahmen intravenös; schnellster Weg zum Blutkreislauf Transport mit dem Blut , Bindung an Plamaproteine Aufnahme vom Blutkreislauf zum Gewebe geschieht durch - einfache Diffusion - Filtration durch kleine Poren der Zellmembrane - aktiven Transport Radionuklid und chemische Form 131I als Iodid 131I als Iodid 32P als Phosphat 32P, 198Au,90Y, 177Lu in kolloidaler Form (0,09 µm- 50 µm) mCi und Darreichung 3-10 mCi, oral 50-200 mCi, oral 3-20 mCi, intravenös 10-150 mCi intravaskulär intrakavitär, intrastitial MBq Anwendung 111-370 Hyperthyroidismus 1850-7400 Schilddrüsenkrebs 111-740 Polycythemia, Knochenmetastasen, Leukämie 370-5550 eine Reihe von malignen Erkrankungen Radioanalytik „Anwendungen von Radionukliden – Therapie und Diagnostik“ 8-9 5.2 Produktion von Radionukliden Reaktor-produzierte Neutronenaktivierungsprodukte z.B. 99Mo (n,) 99Mo( ) 132Xe 99mTc (n,) 133Xe Beschleuinger oder Zyklotron-produzierte Radionuklide - Protonen A ZX (p, n) AZ+1Y A ZX (p, 2 n) A-1Z+1Y - Deuteronen 21D A ZX (21D, n) A+1Z+1Y A ZX (21D, p) AZ+1Y A ZX (21D, 2n) AZ+1Y - Helium 32He, 42He Die meisten dieser Reaktionen laufen im Energiebereich von 5 bis 30 MeV ab. Erhöht man die Energie, dann werden weitere Reaktionen möglich Bespiele: 16 O (3 He, 8 2 p) 189F 18F wird für die Markierung von Radiopharmazeutika für das PET verwendet. Generatoren zur Produktion kurzlebiger Radionuklide Vorteil: Reduktion der Patientendosis Nachteil: Verkürzung der verfügbaren Zeit für Erzeugung, Bearbeitung, Transport, Lagerung, Qualitätskontrolle Prinzip: Beispiel: Zwei oder dreistufige radioaktive Zerfallreihe in der ein langlebiges Mutternuklid in ein kurzlebiges Tochternuklid zerfällt. 99Mo → 99mTc T1/2: 67 h → T1/2: 6,02 h 99Tc → T1/2: 2·105 99Ru a stabil Radioanalytik „Anwendungen von Radionukliden – Therapie und Diagnostik“ 9-9 Eigenschaften von Generatoren: 99Mo -99mTc Mögliche Verunreinigungen bei 99Mo aus Neutronenaktivierung: 134Cs, 60Co, 86Rb, 124Sb, 95Zr aus Kernspaltung: 131I, 132I, 85Sr, 90Sr, 103Ru Da einige dieser Radionuklide beim „Melken“ eluiert werden, muss der Grad dieser Verunreinigung sehr gering sein. Der Melkprozess muss bequem und schnell sein. Wirkungsgrad: Eluierte Aktivität Gesamte Tochteraktivität auf der Säule Typisch: 70-90 %.