Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Kunstgeschichte Schule des Sehens, Deutsche und französische Malerei von 1780 bis 1880 im Vergleich 1800-1815 Frankreich, Einführung Das Empire: Geschichtliche Hintergründe Napoleon Bonaparte (1769-1821), die das Zeitalter des Empire überstrahlende Gestalt, war ein Kind der Französischen Revolution. Ausgebildet in einer der berühmtesten französischen Militärschulen, bekannte sich der Sohn eines korsischen Kleinadeligen zu den Prinzipien der republikanischen Revolution und kämpfte schon 1792 an der Mittelmeerküste gegen die Engländer. Sein Aufstieg war atemberaubend. 1796 führte er eine Armee nach Italien, wo es ihm in einigen denkwürdigen Schlachten gelang, ganz Nordwest-Italien unter französische Kontrolle zu bringen, Rom zu besetzen, im Tausch mit Venedig Belgien zu gewinnen und Österreich, den Hauptgegner Frankreichs in den Revolutionskriegen, zu zwingen, im Frieden von Campoformio (1797) seine Zustimmung zur Besetzung des linken Rheinufers zu geben. Den französischen Machthabern des Direktoriums war er damit hochwillkommen, diese aber fürchteten seine steigende Macht und schoben ihn zu einem Kriegseinsatz nach Ägypten ab. Er kämpfte dort mit wechselndem Erfolg gegen die Engländer und machte nach seiner Rückkehr die Befürchtungen wahr. Im berühmt-berüchtigten Staatsstreich vom 18. Brumaire (9. November) des Jahres 1799 beendete er das als chaotisch verruchte Directoire-Regime und ließ sich zum ersten Konsul einer dreiköpfigen Konsularregierung wählen, die hinfort Sicherheit und Stabilität als oberstes Ziel garantierte. Das hinderte ihn nicht an weiteren Eroberungsfeldzügen. Im Zweiten Koalitionskrieg der europäischen Mächte gegen Frankreich (1799-1802) festigte er Frankreichs Stellung und sicherte seine Vormacht im 1802 geschlossenen Frieden von Amiens. Napoleons Politik war geprägt durch die Anerkennung der Errungenschaften der Revolution und durch einen Pragmatismus, der sich die fest verwurzelten Mächte der Vergangenheit zu Diensten machte. Er wandelte die Konsularregierung in ein Konsulat auf Lebenszeit für sich ab, ließ sich diese Verfassungsänderung aber durch Volksentscheid bestätigen. Im Konkordat ging er auf die katholische Kirche zu, ohne diese aber aus ihrer Unterwerfung unter die Vormacht des Staates zu entlassen. Er war entscheidend am Entwurf des 1804 veröffentlichten Code civil beteiligt und erkannte damit – auch wenn er Widerstand gegen seine in steigendem Maße diktatorischen Handlungsvollmachten radikal unterdrückte – die Errungenschaften der Revolution insbesondere in Hinblick auf die zivilen Rechte der Staatsbürger an. Die Kriege des Kaisers Nachdem Napoleon seine letzten Widersacher – ob republikanisch oder monarchistisch orientiert – ausgeschaltet oder durch Kompromisse, die ihn wenig kosteten, befriedet hatte, ließ er sich 1804 zum Kaiser krönen. Die kurze Friedensphase nach dem Frieden von Amiens wurde 1805 vom Dritten Koalitionskrieg abgelöst, in dem sich in der Hauptsache Russland, England und Österreich gegen Frankreich wandten. Lord Nelson gelang bei Trafalgar zwar ein Seesieg, der brillante Sieg Napoleons gegen sämtliche seiner Gegner bei der sogenannten Dreikaiserschlacht von Austerlitz (2. Dezember 1805) aber führte ihn auf den Höhepunkt seiner Macht. Preußen unterwarf sich, ein großer Teil Deutschlands geriet unter französische Dominanz, auch in Italien richtete Napoleon seine Satelliten-Staaten ein. Nachdem schon 1803 durch den sogenannten Reichdeputationshauptschluß die organisatorischen Grundlagen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zerstört worden waren, legte nun Franz II. seine Kaiserwürde nieder und besiegelte damit das Ende des alten Reiches. Im Folgenden setzte Napoleon seine Eroberungspolitik fort. Preußen, das sich jetzt zum Kampf gegen den Eindringling entschlossen hatte, verlor die Doppelschlacht von Jena und 1 Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Kunstgeschichte Schule des Sehens, Deutsche und französische Malerei von 1780 bis 1880 im Vergleich 1800-1815 Frankreich, Einführung Auerstedt (14. Oktober 1806), die Russen wurden kurz darauf in Friedland besiegt. Auch wenn die Entscheidungen jetzt teilweise enger wurden (etwa bei der unentschiedenen, unter großen Opfern auf beiden Seiten ausgetragenen Schlacht von Preußisch-Eylau), gelang es Napoleon im Frieden von Tilsitt, mit Russland zu einem Ausgleich zu kommen. In der Kontinentalsperre versuchte er, England wirtschaftlich auszuhungern, was ihm aber letztlich nicht gelang. England war es auch, das im Verbund mit den spanischen Aufständischen im Westen einen Unruheherd erzeugte, den Napoleon nie richtig in den Griff bekam. Gleichzeitig führte er 1809 erneut Krieg gegen Österreich und zog nach letztlich gewonnener Schlacht bei Wagram in Wien ein. Die folgende Hochzeit mit Marie-Louise, der Tochter des österreichischen Kaisers, schien Napoleon endgültig einen Platz unter den alten Mächten Europas zu sichern. Der Zug nach Russland 1812 aber, notwendig geworden durch steigende Distanzierungsbemühungen des Zaren gegenüber Napoleon, endete in einem Desaster. Auf dem Rückzug aus dem brennenden Moskau verlor Napoleon einen großen Teil seiner Armee. Die daraufhin verbündeten Preußen und Russen besiegten den französischen Kaiser Ende 1813 in der Völkerschlacht bei Leipzig. Nachdem Napoleon weiterhin den Friedensbemühungen Österreichs nicht zustimmte, besetzen die Alliierten 1814 Paris. Die wieder zurückberufenen Bourbonen wurden zwar von dem aus dem Exil triumphal zurückgekehrten ehemaligen Kaiser kurzzeitig noch einmal vertrieben, aber die Niederlage in der berühmten Schlacht bei Waterloo (18. Juni 1815) besiegelte endgültig sein Schicksal. Frankreich unter Napoleon Innenpolitisch war das Zeitalter Napoleons durch eine strikt autoritäre Regierung geprägt. Bürgerliche Freiheitsrechte wurden zwar verteidigt, insbesondere die Rechte des Wirtschaftssubjektes, politisch aber war kein Widerspruch zur offiziellen Position möglich, die sich Napoleon mehrfach plebiszitär bestätigen ließ. Interessant ist die Begründung, da sie aus der Schwäche, nicht etwa aus der Stärke heraus geführt wird: „...le recours au peuple a le double avantage de légaliser la prorogation et de purifier l’origine de mon pouvoir, autrement il aurait toujours paru équivoque.“ (Tulard, Le Mythe de Napoléon, 311) Gesichert wurde diese Politik beispielsweise über eine strenge Zensur und die Begrenzung der Anzahl von Zeitungen. Nachdem das Pressewesen in der Revolution geradezu explodiert und zum Träger einer demokratischen öffentlichen Meinung geworden war, reduzierte Napoleon sie zunächst auf 13, später auf ganze vier, die noch dazu einen mehr oder weniger offiziellen Charakter hatten. Vom vielfältigen Pariser Theaterleben blieben insgesamt acht Bühnen übrig, jede hatte sich an einen streng geregelten Spielplan zu halten. Die Drucker mussten sich per Schwur verpflichten, „à ne rien imprimer de contraire aux devoirs envers le souverain et à l’intérêt de l’état.“ (zitiert nach Tulard 1985, S. 268) Eine Neuakzentuierung war im Feld der Bildungspolitik zu beobachten, die auch für die Kunst von Interesse ist. Dem säkularen Charakter des Regimes entsprechend, zeigte sich im höheren Schulwesen eine deutliche Tendenz weg von klassischen hin zu pragmatisch ausgerichteten, technischnaturwissenschaftlichen Schwerpunkten. Nicht umsonst konnte der amerikanische Romantiker Ralph Waldo Emerson (1803-1882) behaupten, Napoleon würde vor allem als Erbauer von Straßen in Erinnerung bleiben. Die vielfachen Förderungen, die der Kaiser den großen Naturwissenschaftlern des Zeitalters angedeihen ließ, etwa den Entdeckern der (auch wirtschaftlich nutzbaren) Elektrizität, sind auch von der Kunst thematisiert worden. 2 Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Kunstgeschichte Schule des Sehens, Deutsche und französische Malerei von 1780 bis 1880 im Vergleich 1800-1815 Frankreich, Einführung Bürgerliche Werte und Zentralismus Trotzdem bleibt die bürgerliche Fundierung seines Regimes; sie ist daran zu erkennen, dass nunmehr Leistungskriterien, nicht mehr solche des Standes, über Karrierechancen entscheiden sollten. Vor allem in der Militärhierarchie, deren höhere Positionen traditionell der Aristokratie vorbehalten waren, wurde nunmehr bei Begabung auch einfachen Bürgern ein rascher Aufstieg ermöglicht. Im übrigen entschied nicht mehr in erster Linie die Herkunft über Prestigechance in der französischen Gesellschaft, sondern schlicht und ergreifend der Besitz. Zur Gruppe der privilegierten Notablen gehörte derjenige, der eine bestimmte Steuerquote überschritt, und die hing vom Vermögen ab. Die bürgerliche Fundierung zeigte sich auch dort, wo der Anspruch einer Verrechtlichung des Staatswesens propagiert, obwohl in der Praxis immer wieder unterwandert wurde: „Je veux qu’on gouverne l’Etat par des moyens légaux“ hat Napoleon einmal geschrieben (Napoleon, Correspondance, 12, 149). Das war eine für die Moderne kapitale Umorientierung gegenüber dem ancien régime, die nur als Ergebnis der Revolution zu verstehen ist. Organisatorisch beruhte das Staatswesen auf einem Zentralismus, der im Absolutismus angelegt war und in der Revolution weiter betrieben wurde. Die verschiedenen Spitzeninstitutionen – der Sénat und der Corps législatif – hatten meist streng begrenzte Rechte und konnten die Machtvollkommenheit des Konsuls bzw. Kaisers kaum eingrenzen. Die Beibehaltung der Einteilung des Landes in Départements diente der straffen Führung, ermöglicht durch ein System von staatlich eingesetzten Präfekten, Unterpräfekten und Bürgermeistern, die sich jeweils streng nach den Anordnungen der Vorgesetzten zu richten hatten, so dass letztlich die Anordnungen Napoleons bis auf die unteren Ebenen durchdrangen. Die Kunst im Zeitalter Napoleons Mit großem Nachdruck zielte Napoleon darauf ab, die Bildenden Künste nicht nur in sein straff strukturiertes System einzubauen, sondern sie weithin propagandistisch zu verwenden. 1806 wurden den Malern folgende Themen aufgetragen: „l’Empereur haranguant le 2e corps d’armée sur le pont du Lech à Augsbourg; l’Armée autrichienne prisonnière de guerre, sortant d’Ulm, défilant devant sa Majesté à l’instant où elle parle aux généraux vaincus; entrevue de l’Empereur Napoléon et de l’Empereur François II en Moravie … Les tableaux seront exécutés dans la proportion de 3 mètres 5 décimètres de haut sur 4 ou 5 mètres de large.“ Das war nicht nur eine selbstherrliche Entscheidung, sondern in gewisser Weise auch eine Notwendigkeit. Seine eigene persönliche Stellung nämlich, dynastisch überhaupt nicht und demokratisch nur sehr oberflächlich legitimiert, bedurfte der Stützung durch visuellen Pomp und weithin verständliche Werbung – die dann idealerweise in der plebiszitären Akklamation mündete, auf die sich der Korse immer wieder berief. Die an Napoleon und seinen Herrschaftszeichen orientierte Ikonographie wurde vor allem im Kunsthandwerk – etwa in der Porzellan- und Möbelproduktion – ubiquitär. Mit einer häufig überzogen wirkenden Materialfülle stattete man die Werke aus diesem Bereich aus, um damit an die Pracht des ancien régime anzuknüpfen. Eine ganze Skulpturenindustrie kümmerte sich um die Verbreitung von Napoleons Antlitz, auch hier musste es darum gehen, den Bilderhaushalt der alten Regierungen durch einen neuen zu ersetzen. Und das gelang natürlich dort am besten, wo er sich wohltätig in Szene setzen konnte, wozu ihm offenbar erstaunlicherweise gerade auf seinen Feldzügen vielfache Gelegenheit gegeben war. Hier nur zwei Beispiele: Pierre Narcisse Guérin (1774-1833) zeigte ihn während seines 3 Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Kunstgeschichte Schule des Sehens, Deutsche und französische Malerei von 1780 bis 1880 im Vergleich 1800-1815 Frankreich, Einführung Ägypten-Feldzuges im Begriff, großzügig den Rebellen von Kairo zu verzeihen, die sich gegen seinen Herrschaftsanspruch zur Wehr setzen wollten. Heute wissen wir, dass der Franzose mit seinen moslemischen Widersachern tatsächlich sehr viel weniger zimperlich umgesprungen ist, mit der strikten Zensur der französischen Zeitungen aber, von der schon die Rede war, zeigte man sich bestrebt, die Zeitgenossen darüber im Unklaren zu lassen. Antoine-Jean Gros (1771-1835) wiederum erinnerte an Napoleon im Pesthaus von Jaffa. Ganz ungeniert nähert sich der Herrscher hier den an der Pest erkrankten Soldaten während seines Syrien-Feldzuges, er scheint keine Angst vor eigener Ansteckung zu haben und stellt sich damit in die jahrhundertelange Tradition der rois thaumaturges, die nach ihrer Salbung zum König die Skrofulösen heilten. Das Bild stand im Gegensatz zur Wirklichkeit – mal ganz abgesehen davon, dass Napoleon sowieso kaum in der dargestellten Weise aufgetreten sein dürfte. Wir wissen, dass er erkrankte eigene Soldaten zu Hunderten umbringen liess, um sie nicht dem Feind in die Hände fallen zu lassen, eine Tatsache, deren Publikation in der Heimat unbedingt zu vermeiden war. Die Bilder von Napoleon und seiner Armee Interessant ist es, die Entwicklung des Napoleon-Porträts von seinen Anfängen als revolutionärer General bis hin in die Kaiserzeit zu betrachten. Gros stellte ihn heroisch nach vorne stürmend mit der republikanischen Trikolore versehen und die Nachfolgenden zur Nachahmung auffordernd an der Brücke bei Arcole dar, wo er 1796 einen Sieg gegen die Österreicher errang. Dass er selber gar nicht diese Heldenfigur abgegeben hatte, sondern hier von Gros „eingeschmuggelt“ wurde, deutet nur die Möglichkeiten einer propagandistischen Kunst an. Im Gegensatz dazu das Porträt des thronenden Napoleon von Jean-Auguste-Dominique Ingres (1780-1867) aus dem Jahr 1806. Bewegung ist hier durch hieratische Frontalität ersetzt, in der Überfülle an Ausstattungsdetails, die den neuen Herrscher symbolisch in eine bis in die Antike zurückreichende Tradition einbinden sollen, droht er fast zu ersticken. Dass das Porträt Ingres’ gar nicht Napoleons Geschmack getroffen zu haben scheint und in der Öffentlichkeit harsch verurteilt wurde, dürfte andererseits mit dem ambivalenten Status des Kaisers zusammenhängen. Allzu deutlich fiel das Gemälde hinter die Säkularisierungsleistung der Revolution zurück, allzu sehr war Napoleon damit eine gottgleiche Stellung restituiert, die der König selbst im Absolutismus kaum gehabt hatte. Der Kaiser war daher immer wieder darauf bedacht, neben dem Selbstlob (oder dessen Realisierung durch die Künstler) auch das öffentliche Bild der Staatsbürger nicht zu vernachlässigen. Das galt insbesondere für die Armee, auf der seine gesamte Machtposition beruhte und die – im Unterschied zu den Truppen der antinapoleonischen Allianz – in revolutionärer Tradition tatsächlich eine Art Volksarmee war, weil sie aus Soldaten aller Bevölkerungsschichten bestand. Die Apotheose der Armee wollte er etwa in dem letztlich erst in den 1830er Jahren vollendeten Arc de Triomphe an der Place de l’Etoile betreiben. Der riesige Bogen von Jean François Chalgrin (1739-1811) suggeriert durch seine schiere Größe die Macht der französischen patrie, so wie diese sich in ihrer Armee kristallisierte. Die fast bedrohlich wirkende Erhabenheit liegt im Verzicht auf eine Säuleninstrumentierung begründet. Napoleon hat die Gestalt des Bogens, der nun nicht mehr auf der Legitimität der Antike beruhte, sondern eine eigenständige, moderne Identität vermittelte, selbst festgelegt. Der 1801-1806 von Charles Percier (1764-1838) und Pierre-François-Léonard Fontaine (1762-1853), den „Designern“ des style Napoléon, errichtete Arc du Carrousel folgte noch einem römisch- 4 Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Kunstgeschichte Schule des Sehens, Deutsche und französische Malerei von 1780 bis 1880 im Vergleich 1800-1815 Frankreich, Einführung antiken Vorbild. Dieser kleine Triumphbogen bildete das Eingangsportal zum Hof des Tuilerienschlosses, das im Commune-Aufstand von 1871 zerstört wurde. Der Kunstraub und Napoleons Verhältnis zur Antike Der Renaissancebau des Tuilerienschlosses war durch einen Galeriebau entlang der Seine mit dem Louvrepalast verbunden. Hier war der Ort, der Paris zur Welthauptstadt der Kunst machen sollte: Die von Napoleons Kunstkommissar Dominique-Vivant Denon (1747-1825) aus den besetzten Ländern – insbesondere Italien und den Niederlanden – geraubten Kunstwerke stellte Napoleon in dem zum Musée Napoléon umgestalteten Königsschloß als Ausweis seiner Weltherrschaft aus. Bis 1815 waren im Louvre die Laokoongruppe, der Torso von Belvedere sowie die Quadriga des Brandenburger Tors zu bestaunen. Die dem Oktogon der Aachener Pfalzkapelle entnommenen Säulen befinden sich noch heute als Raumteiler in den historischen Sälen des Museums. Zur Antike, jahrhundertelang wichtigste Nobilitierungsinstanz in der gesamten europäischen Herrscherikonographie, hatte Napoleon ein durchaus distanziertes Verhältnis, Ausdruck seiner Orientierung an einer Moderne, in der die kulturtragenden Schichten breiter wurden und den selbstverständlichen Rückbezug auf das antike Vorbild aufzugeben begannen. Das passt auch zu den vorhin angedeuteten Umstrukturierungen im Ausbildungswesen. Berühmt geworden ist seine Ablehnung des bei dem italienischen Bildhauer Antonio Canova (17571822) in Auftrag gegebenen Ganzfiguren-Porträts. In antikischer Tradition hatte Canova einen ideal-nackten Kriegsgott verwirklicht, Napoleon musste befürchten, dass die Betrachter mit der idealen Nacktheit nicht mehr viel verbinden konnten und schlicht einen ausgezogenen Kaiser vor sich wähnen würden. Als Abschied von den antiken Helden kann man auch Napoleons Vorliebe für den Ossian-Stoff verstehen. Sein Schloss in Malmaison nahe Paris ließ er mit einer Reihe von Bildern ausstatten, die diese Figur aus der keltischen Sage repräsentierten, die das Schicksal der kriegerischen Vorfahren besingt. Den Mythen der Antike, wie sie vor allem immer wieder im Rückgriff auf Homer thematisiert worden waren, ist hier ein nordischer Mythos entgegengestellt, der indirekt auch die Autonomieansprüche des modernen Herrschertums symbolisieren und in der Romantik münden sollte. Das Ende der Allegorie und der Salon des Empire Ganz allgemein kann man immer wieder feststellen, dass Napoleon die Umwälzungen der Revolution insofern ernst nahm, als er in seiner Kunstpolitik mehr mit der Breite der Bevölkerung als mit den traditionellen, kunstrezipierenden Eliten rechnete. Das wirkte sich auch auf die Sprache der Kunst aus, die jetzt favorisiert wurde. Die Kunsttheoretiker des Empire kritisierten komplexe Kunstsprachen und verwarfen insbesondere die Allegorie, die im System der Künste des Alten Europa eine herausgehobene Stellung eingenommen hatte. Ihre mangelnde Verständlichkeit wurde ihr jetzt zum Verhängnis. Ein Beispiel für ganz praktische Auswirkungen dieses auch für die Herausbildung des modernen Kunstbegriffs ausgesprochen bedeutsamen Wandels haben wir in den Auseinandersetzungen um ein Auftragswerk für Jacques Louis David vor uns. Das Haupt der klassizistischen Schule, vom Jakobiner zum napoleonischen Hofmaler gewendet, sollte in einem riesigen Bild die Verteilung der Adler an die Offiziere darstellen. Seine Absicht, dieser Szene universellen Gehalt dadurch zu vermitteln, dass er ihr eine Allegorie der blumenstreuenden Victoria beigab, unterband Napoleon offenbar höchstpersönlich. Auch Davids berühmte Kaiserkrönung verzichtete auf jegliche allegorische Erweiterung, die zuvor gerade bei dieser Bildgattung durchaus gängig gewesen war. In der Mischung aus pompöser Inszenierung und 5 Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Kunstgeschichte Schule des Sehens, Deutsche und französische Malerei von 1780 bis 1880 im Vergleich 1800-1815 Frankreich, Einführung reportagehaftem Duktus ist das Bild typisch für die gattungsmäßig schlecht zuzuordnende „Historien“-Malerei des Empire. Um die Kunst im Sinne des Kaisers instrumentieren zu können, änderte Denon, der zugleich für den Salon zuständig war, ab 1804 die Belohnungs- und Ankaufspraxis: Zuvor sind die besten Künstler damit ausgezeichnet und belohnt worden, dass sie im Auftrag des Staates ein Bild mit einem Thema ihrer Wahl schaffen durften. Nun wurden nach dem Salon die Bilder angekauft, die dem Regime in der Ausstellung am schmeichelhaftesten waren. In jenem Jahr wurden auch erstmals Medaillen an Künstler vergeben. In den beiden Aufgaben zur Kunst unter Napoleon wollen wir uns einer Gattung widmen, die den Löwenanteil in den Salons des Empire ausmachte. In der Schlachtenmalerei konnten die Maler der Zeit sich die größten Meriten erwerben, leuchtete hier doch der Stern des Schlachtengottes der Neuzeit am hellsten. Auch wenn die Schlachtenmalerei nun nicht gerade zu den Gattungen gehört, die wir heute übermäßig schätzen, so wird sich doch herausstellen, dass sie weitreichende Aufschlüsse über die Stellung des Individuums in der modernen Gesellschaft und den Wandel des Kunstbegriffs im 19. Jahrhundert erlaubt. 6