Fragen und Antworten zu „Realismus und Gründerzeit“ Frage 1 Weshalb entwickelte die Massenliteratur gerade während dieser Epoche sich so rasch und wie war das Verhältnis zwischen dieser Art von Literatur und richtiger Literatur? (S. 299-300, 335-341) Die Massenliteratur entwickelte sich nicht nur so rasch, weil es neue drucktechnische und verlagsrechtliche Möglichkeiten gab, aber auch, weil das neue Bürgertum und vor allem die vierte Schicht mehr Geld zu verwenden hatten. Trotzdem waren die Preise für die richtige Literatur noch immer zu hoch und deshalb kaufte man eher die “billigere Unterhaltungsliteratur”. Es gab aber auch noch ein anderer wichtiger Grund dafür, dass die Massenliteratur so populär wurde. Die richtige Literatur hatte nämlich ein akademisches Niveau und die verschiedenen literarischen Zeitschriften verteidigten alle eine andere politische Richtung. Dieser “Akademikerstreit” war für den einfachen Burger nicht interessant, dieser suchte Spannung und Unterhaltung, aber wollte auch praktische Texte lesen und dies alles bot die Massenliteratur. Frage 2 Die Volksliteratur und Dorfgeschichte kamen im 19. Jahrhundert zu hohem Ansehen. Wie hatten sie das geschafft und warum waren sie erfolgreich? Die Dorfgeschichte wurde so populär, weil sie nicht an nur ein bestimmtes Publikum gewendet war, sowohl literarisch gebildete Menschen als ungebildete Menschen könnten die Dorfgeschichten ohne Mühe verstehen. Die Geschichten waren sehr bildend geschrieben “erzähltes Empfinden” und die Heimat stand im Mittelpunkt. Im Dorf war alles gut und in der Stadt herrschten schlechte Umstände. Weil die meisten Leser Bürger aus der Stadt waren, wurde das Dorf bald zum Ideal. Die Dorfgeschichten beschreiben nicht nur eine Utopie aber waren auch pädagogisch, wobei das Verhalten der Menschen im Dorf als Vorbild diente. Nachdem eine heftige Kontroverse zwischen Menschen die dachten, dass das Dorf wirklich ideal war und Menschen, die das bezweifelten ausgebrochen war, kam die wirkliche Dorfgeschichte zum Ende, aber die Heimat spielte noch immer eine große Rolle. Frage 3 Was war die wichtigste literarische Strömung dieser Periode? Was waren ihre Merkmale und ihre wichtigsten Hauptvertreter? (S. 293, 296) Die wichtigste literarische Strömung war der Realismus, dieser Terminus wurde zwischen 1830 und 1880 in ganz Europa verwendet. Die Schriftsteller versuchten die zeitbezogene Aktualität und alle ihre wichtigen Zusammenhänge (soziale, ökonomische und politische) “an der gesellschaftlichen und individuellen Entwicklung der Figuren eines Romans, einer Novelle oder eines Dramas darzustellen (S. 293)”. Der deutsche Realismus entwickelte sich aber anders als z.B. der französische Realismus. Wo die französischen Schriftsteller schon bald verstanden, dass es Selbstbetrug war zu glauben, dass eine Romanfigur realistisch sein könnte, wurden die Romanfiguren in Deutschland noch lange Zeit als realistisch betrachtet. In dem deutschen Realismus waren Harmonie und Verklärung wichtiger als Kritik, Aufklärung, sozialkritischer Mitleidspathos und psychologische Studien. Die Hauptvertreter dieser Strömung, die auch heute noch bekannt sind, sein: Jeremias Gotthelf, Gottfried Keller, Theodor Storm, Theodor Fontane, Adalbert Stifter, Conrad Ferdinand Meyer und Wilhelm Raabe. Frage 4 Weshalb wurde gerade die Heimat so wichtig in der (Volks)Literatur? Schon vor dem Realismus spielte die Heimat eine wichtige Rolle in der Literatur, nämlich in der Idylle und verwandten Erzählformen. Die Heimat war während des Realismus etwas Exotisches in eigenem Land, diese Exotik kam auch in den Reisegeschichten, die populär waren, zurück und bedeutete für die Menschen aus der Stadt eine Art von Idealort. Jeder Mensch könnte sich seine eigene Heimat vorstellen und deshalb benutzten Schriftsteller die Heimat in ihren Geschichten auch um die Menschen zu unterrichten wie man besser leben kann; die Menschen im Dorf waren fromm und sie konnten leichter ideal und vernünftig zusammenleben als in der städtischen Zivilisation. Die Heimat spielte nicht nur deswegen eine wichtige Rolle, sondern auch, weil die Schriftsteller dachten mit ausführlichen Beschreibungen “realistischer” zu arbeiten, das Resultat war aber nicht realistisch, sondern wurde meistens zum Klischee. In Einzelfällen wie z.B. ‘Bergkristall’ von Adalbert Stifter und ‘Romeo und Julia auf dem Dorfe’ von Gottfried Keller hat die Heimat oder die Landschaft etwas zur Geschichte beigetragen. Frage 5 Welche gesellschaftliche Rolle oder Funktion bekam die Literatur nach 1848 und änderte diese Rolle sich nach der Reichsgründung von 1871? Nach 1848 kam es zu einen ‘Akademikerstreit’ zwischen Autoren und Zeitschriften. Die ‘Preußischen Jahrbücher’ waren politisch und kulturell liberal. Die ‘Deutsche Rundschau’ war politisch national liberal. Auch wurde nach 1848 der Einfluss des Staates immer größer und prägte der Staat den Unterricht: Frömmigkeit, Treue, Zuverlässigkeit, Ausdauer, Gehorsamkeit und Bescheidenheit mussten unterrichtet werden. Die Schüler mussten “sich in der Sprache und Tradition wohlfühlen (S. 300)” und dadurch antirevolutionär werden. Die Texte sollten also politisch und gesellschaftlich “konstruktiv” sein. Weil die Texte gemeint waren, um das deutsche Volk zu beeinflussen und es deshalb kein Interesse gab für die Literatur aus anderen europäischen Ländern, bewertete man die eigene Literatur über. Nach der Reichsgründung von 1871 “sollte die Literatur auf den ‘rechten’ Weg zur politischen Einheit Deutschlands nun auch im Inneren führen (S. 303)”. Verschiedene Minderheitsgruppen versuchten sich zu emanzipieren, weil das aber nicht erwünscht war, kam es zu einen Kulturkampf. Die politische Literatur sollte die inneren Feinde bekämpfen und war nationalistisch geprägt, das Bild der ‘Deutsche Größe’ wurde wichtig und ist typisch für die Gründerzeit. Frage 6 Welche literarische Rolle spielten die Minderheitsgruppen und wie führte sie zum Kulturkampf? Die wichtigsten Minderheiten in Deutschland waren die Konfessionellen, vor allem die Katholiken und die Juden. Weil es einen Kirchenkampf gab, war die Literatur der Katholiken nicht besonders einflussreich. Die Juden wohnten schon seit lange in Deutschland und dachten, dass sie ein Teil Deutschlands waren und die jüdischen Schriftsteller wollten nicht anders als die deutschen Autoren behandelt werden. Nach der Reichsgründung gab es vor allem in den Großstädten viele soziale Missstände. Viele Deutschen wanderten aus und polnische Gastarbeiter kamen. Hierdurch kam es nicht zu einer harmonischen Gesellschaft. Der Staat sah die Katholiken, die Menschen in Elsass-Lothringen als die Schuldigen, als die größten Schuldigen sah man aber die Juden. Das führte zum Antisemitismus. Die Juden und anderen Minderheiten bekamen nicht die deutschen Bürgerrechte und die Literatur wurde sehr nationalistisch und manchmal war sie auch nur nationale Propaganda (Kriegsgedichte), man versuchte diese extreme Form von Nationalismus wissenschaftlich zu begründen. Frage 7 Wie vereinigten die Autoren während des Realismus ihre politische Auffassung mit den erwünschten ästhetischen Aspekten der Literatur? Beschreibe dies anhand des Autors Lassalle. Viele Schriftsteller fühlten sich mehr Dichter als Politiker und fanden die ästhetischen Probleme wichtiger. Ein anderes Problem war, dass es noch keine neue Form der Dichtung gab, die respektiert wurde und geeignet war für politische Dichtung. Das Publikum schätzte eine Hauptperson, die ein Held war viel höher, als eine Hauptperson, die versuchte sich selbst zu entdecken, was als Schwache interpretiert wurde. Deshalb versuchten die meisten Autoren ihre politischen Auffassungen in dem traditionellen Modell zu äußeren. Wie schwierig das war, erfuhr auch Ferdinand Lassalle, der in seinem Drama ‘Franz von Sickingen’ versuchte historisch-politische Fragen ästhetisch zu lösen, was dazu führte, dass der wahre Grund (er lehnte sich gegen die Form des Bestehendens auf) Sickingens Untergang nicht deutlich wurde. Es war also sehr schwierig politische Probleme ästhetisch zu lösen. Frage 8 Welchen Einfluss hatte der Wille der Autoren ihr Publikum politisch zu beeinflussen auf die verwendeten literarischen Gattungen? Die politisch engagierten Schriftsteller benutzten neben die traditionellen literarischen Gattungen wie Drama und Poesie auch offene Briefe und Flugblätter mit pathetischen Texten. Die dichterischen Texte waren Lieder auf bekannten Melodien, die versuchten mitzureißen und “die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit überbrücken zu helfen (S. 322)”. Frage 9 Wie wurde das Drama von den gesellschaftlichen Entwicklungen geprägt und in welcher Maße waren Hebbels Werke repräsentativ für diese Entwicklung? Das Drama sollte nicht moralisch oder ideologisch sein, weil es dann unglaubwürdig wurde. Auch versuchte der Realismus den alten rhetorischen und pathetischen Stil in einen niedrigen, witzigen und zynischen Schreibstil zu ändern. Auch führte der Realismus, wie F. Senge gesagt hat „auf alle Gebiete zu begrenzten, ja geschlossenen Einheiten, die für universale Tendenzen ebenso so schwer zugänglich waren, wie für partikularistische.(S. 331)“ Hebbel versuchte die umfassende Frage, wie der Mensch die Spannung zwischen übergreifenden Gesetzen und seinem individuellen Weg oder seiner Entwicklung besteht, zu beantworten. In den Figuren auf der Bühne stoßen dramatische Ideen und Realität zusammen, dadurch entstehen reale Konflikte. Seine Dramen spielen alle in der Vergangenheit, das hat dafür gesorgt, dass er nicht solche Probleme wie Lassalle bekam. Die Hauptpersonen seiner meisten Stücke waren Frauen. In Judith fragt Judith ob ihr Freund den Herrscher Holofernes umbringen will, um die Juden zu retten. Er will es nicht, dann versucht Judith es selbst, es gelingt ihr aber nur, nachdem er sie vergewaltigt hat. Sie tötet ihn also nicht für die Gesellschaft und aber doch hilft sie der Gesellschaft. „Agnes Bernauer“ und „Maria und Magdalena“ haben ganz andere Themen, aber eins haben seine Dramen gemeinsam, die Hauptfigur ist keine Heldin, die im Vordergrund steht, sondern sie ist das Individuum, dessen Verhältnis zur Gesellschaft dargestellt wird. Er hat selber geschrieben: „Im Verlauf der Tragödie wird, anschaulich gemacht, dass das Individuum, wie herrlich und groß, wie edel und schön es immer sei, sich der Gesellschaft unter allen Umständen beugen muss“ (S. 334). Nachdem Hebbel diese Theorie entwickelt hatte, hat er kaum noch geschrieben, weil er keine neuen Perspektive finden konnte. Frage 10 Wie wurde die Lyrik vom Realismus geprägt? Die Rolle der Metaphern wird geringer, weil die Sprache der Lyrik dem Alltag weit entfernt war und das ist nicht realistisch. Hebbel war einer der ersten Dichter, der über die „Metaphernspiele“ herauskam und auch ironische, humorvolle Texte schrieb. Hebbel entwickelte die Metaphern in seinen Gedichten zu realistischen Vorstellungen. Ein anderes Merkmal der realistischen Lyrik ist die Ästhetisierung der Natur. „Natur und Mensch werden in eine parallel laufende Beziehung gebracht. (S. 329)“ Während des Realismus wurde der Balladenkult, der sich in der Biedermeierzeit entwickelt hat, in geringerem Maße fortgeführt. Die Schauerballade wurde eine Heldenballade, aber die großen Menschen wurden menschlich dargestellt, auch wollten die Dichter Charaktergröße bei einfachen Menschen darstellen und dem Publikum auf diese Weise einen Spiegel vorhalten.