Von der Zweiten Republik zum Zweiten Kaiserreich

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Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Kunstgeschichte
Schule des Sehens, Deutsche und französische Malerei von 1780 bis 1880 im Vergleich
1848-1860 Frankreich, Einführung
Von der Zweiten Republik zum Zweiten Kaiserreich
Das Zweite Kaiserreich ging aus der Zweiten Republik hervor, die sich nach der Revolution
des Jahres 1848 etablieren konnte. Nachdem es hier zunächst – wie schon in der 1830er
Revolution – so ausgesehen hatte, als könne sich eine republikanische, von den Massen
unterstützte Regierung etablieren, setzte sich im Verlauf des Jahres 1848 die Angst vor einem
regelrechten Umsturz der Verhältnisse durch. War die republikanische Regierung der ersten
Jahreshälfte von sozialistischen Idealen geprägt, und richtete sie etwa die berühmten
Nationalwerkstätten ein, mit denen den arbeitslosen Menschen der Unterschicht Arbeit und
Lohn verschafft wurde, so entschied sich das Land in den Wahlen vom 23./24. April 1848 für
einen gemäßigteren Weg. Hinzu kam die brutale Niederschlagung des erneuten Aufstandes im
Juli des Jahres.
Der Großneffe Napoleons, Charles Louis Napoleon Bonaparte (1808-1873), Enkel eines
jüngeren Bruders des ersten französischen Kaisers, kehrte aus dem englischen Exil zurück
und wurde zum Präsidenten gewählt. Er setzte dann seine Herrschaftsansprüche rigoros und
plebiszitär gestützt durch. Auf Dauer gestellt wurde dieser Anspruch durch die 1852 erfolgte
Kaiserwahl, mit der der prince président dann als Napoleon III. in die Fußstapfen seines
Großonkels trat. Er regierte autoritär, dabei aber „volkstümlich“, da er zwar die entschiedene
Industrialisierungspolitik seines Vorgänger Louis Philippe fortsetzte, aber sehr viel mehr auf
die Interessen der „kleinen Leute“ achtete, die ihm zumindest in den ersten Jahren nach der
Machtübernahme weithin ergeben waren. Die „Hausmannisierung“ der Stadt Paris, also deren
radikale Modernisierung in den 1850er und 1860er Jahren, kann man auch als eine gewaltige
Arbeitsbeschaffungsmaßnahme in der Tradition der Nationalwerkstätten sehen. In einer
Ansprache konnte der Herzog Fialin Persigny (1808-1872) daher mit einem gewissen Recht
von einem „gouvernement qui a son origine, son principe même dans le sentiment poétique
des masses“ sprechen. (Boime 1983, S. 101) Eine wichtige Stütze sicherte sich Napoleon in
der katholischen Kirche, deren Machtfülle und Aufsicht über das Erziehungswesen er deutlich
steigerte. Mit Regimegegnern aber machte Napoleon kurzen Prozeß. Viele von ihnen wurden
entweder interniert, ins Exil getrieben oder gar umgebracht.
Einführung Malerei der 1850er Jahre
Die 1850er Jahre gelten als die große Zeit des Realismus, einer Kunstpraxis, die sich der
eigenen Gegenwart zuwendet und der Beobachtung mehr vertraut als der künstlerischen
Imagination. Angegriffen wird dabei vor allem der weiterhin führende akademische
Klassizismus, der Gegenwartinteressen programmatisch ausschloß. Auch in der Frage der
favorisierten Gattungen ergibt sich eine deutliche Akzentverschiebung. War bis dahin das
Historienbild Orientierungspunkt aller künstlerischern Betätigung, so schlossen es die
Realisten aus ihrem Kanon aus, da es natürlich von einem Akt der Imagination vollständig
abhängig war. Aber der Realismus ist vielgestaltig. Er verkörpert sich in der das Zeitalter
überragenden Gestalt Gustave Courbets (1819-1877), der einen durch und durch politischen
und kritischen Realismus praktizierte, und der in Themenwahl und künstlerischer
Durchführung auf verbreitet massiven Widerstand traf.
Und der Realismus zeigt sich in einer breiten Produktion von heute nahezu vergessenen
Kleinmeistern, die sich Themen des alltäglichen Lebens widmen, häufig das Mitleid des
Betrachters mit dem Leid der dargestellten Figuren provozieren, aber weit von der
entschieden subversiven Ästhetik entfernt bleiben, derer sich Courbet bedient. Dieser
gemäßigte Realismus hat das Wohlwollen des Staates genossen, nicht so sehr der geläufige
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Schule des Sehens, Deutsche und französische Malerei von 1780 bis 1880 im Vergleich
1848-1860 Frankreich, Einführung
Klassizismus. Er profitiert von der Modernität eines Regimes, das der Kunst ganz neue, dem
Wohl des autoritären, aber sozialen Staates dienende Aufgabenbereiche zuwies. Denn die
gemäßigt realistischen Vorlieben der Machthaber entsprachen klarem politischen Kalkül. Das
Regime Napoleons III. beruhte nämlich – wie schon das seines Großonkels –, wenn nicht auf
demokratischer Wahl, so doch auf demokratischer Akklamation. Der Geschmack der Massen
war dementsprechend stärker zu berücksichtigen als zuvor. Und dieser Geschmack war eher
von
realitätsnahen
Szenen
und
nachempfindbaren
Erzählungen
als
von
wirklichkeitsenthobenen Klassizismen geprägt, die eher dem Kunstempfinden der
traditionellen Eliten entsprachen.
Im übrigen waren die entschieden an der Modernisierung und Industrialisierung des Landes
orientierten Autoritäten sehr daran interessiert, die Kunst von ihrem hohen akademischen
Ross herunterzuholen und sie für etwas zu verwenden, was man heute Industriedesign nennen
würde. Gegenüber England war man etwa in der kunstgewerblichen Produktion, die
wirtschaftlich viel bedeutender als die der Hochkunst war, gegenüber dem 18. Jahrhundert
weit zurückgefallen. In diesem Sinne wurde mit der Akademiereform von 1863 deren
weitgehende Entmachtung bei der Künstlerausbildung und bei der Kontrolle über den Salon
durchgesetzt.
Die von manchen einem „offiziellen Realismus“ zugerechnete Kunst soll in der
Aufgabenstellung neben Courbet und Millet genauer behandelt werden.
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