1. der grammatische Bau der Sprache, und seinVerhältnis zu den anderen Ebenen des Sprachssystems (ABRAMOV ADMONI) Der Gegenstand der theoretischen Grammatik ist also der sogenannte grammatische Bau einer konkreten Sprache. Unter dem grammatischen Bau einer Sprache wird die Gesamtheit der grammatischen Einheiten dieser Sprache und der Regeln ihrer Verwendung verstanden. Die Unterschiede in der Auffassung des Wortes Grammatik spiegeln sich entsprechenderweise im Aufbau der grammatischen Theorie und im Aufbau der auf Grund dieser Theorien verfaßten Grammatikbücher wider. Daraus folgt, daß die Grenzen des Gegenstandes der Grammatiktheorie gezogen werden, je nachdem wie das Wort „Grammatik" aufgefaßt wird. Das Gesagte soll am Beispiel einiger Grammatikbücher veranschaulicht werden. jeder Sprache steht eine beträchtliche Anzahl verschiedenartiger Formen zur Verfügung, die sich an diese unmittelbar benennenden Lautkomplexe anlehnen, sie modifizieren und in Verbindung bringen. Der Bestand solcher Formen und die Art ihres Zusammenwirkens mit den unmittelbar benennenden Lautkomplexen haben in jeder Sprache ihre Besonderheiten. Die Gesamtheit dieser Formen (einer Sprache) bildet eben das, was man gewöhnlich als die «Grammatik» oder den «grammatischen Bau» der Sprache bezeichnet. (Eine andere Bedeutung des Wortes «Grammatik» ist die theoretische oder praktische Lehre von dem grammatischen Bau der Sprache.) Die Stellung der Grammatiktheorie unter den anderen linguistischen Disziplinen ergibt sich aus der Stellung des grammatischen Baus im Sprachsystem. Ja, die Sprache darf als ein System, d.h. als eine Gesamtheit von zusammenwirkenden sprachlichen Einheiten angesehen werden, als ein System, dessen Struktur durch die Art dieser Elemente und durch ihre systeminternen Beziehungen zueinander bedingt ist. Der grammatische Bau ist ein organischer Bestandteil des Sprachsystems und als solcher mit dessen anderen Bestandteilen aufs innigste verbunden. Denn die Sprache fungiert in Zusammenwirkung ihrer verschiedenartigen Einheiten, die ihre speziellen Aufgaben bei der Textbildung erfüllen. Jeder Bestandteil des Sprachsystems, anders gesagt jede seine Komponente oder Ebene, besitzt eigene Einheiten sowie die Regeln ihrer gegenseitigen Verknüpfung und ihres Funktionierens. Deshalb ist es möglich, jede Komponente des Sprachsystems zum eigenständigen Untersuchungsobjekt zu machen, indem man dabei von den Beziehungen der zu untersuchenden Komponente zu den anderen Komponenten des Sprachsystems abstrahiert. Diese Tatsache darf keinesfalls vergessen werden, weil solche Beziehungen dort, wo es notwendig ist, unbedingt zu berücksichtigen und entsprechenderweise zu beleuchten sind. An entsprechenden Stellen wird deshalb von den Beziehungen zwischen Morphologie und Syntax, Morphologie und Phonetik, Grammatik und Wortbestand die Rede sein. Die Grammatik stellt nur einen Bereich der Sprache dar. Als solcher ist sie mit den anderen Bereichen der Sprache, d.h. dem Wortschatz (auch Lexik genannt), dem Lautsystem und den prosodischen Mitteln (Intonation und Akzent) aufs engste verbunden. 2. Grammatik als Teilsystem der Sprache und als Teil der Sprachwissenschaft. Gegenstand der Grammatik Grammatik: der grammatische Bau einer Sprache; Die Lehre dem grammatischen Bau. Die Aufgabe der theoretischen Grammatik: grammatischer Bau als ein System darzustellen. Die theoretische Grammatik beschließt die grammatische Beziehung zwischen verschiedenen Wörter und Formen, und die Bedeutung dieser Formen. Die praktische Grammatik entsteht nur auf der Grundlage der Ergebnisse der theoretischen Erforschung der Sprache. Sie enthält eine Reihe von Regel der Form-, Satz- und Textbildung. Diese Regeln werden durch Übungen befestigt. II. Wechselbeziehung zwischen der Phonetik, Lexik und Grammatik. Die Verbindung der Grammatik und Phonetik: Durch die Intonation: Manchmal ist die Intonation das einzige Mittel der Satzbildung: *Du??? Hilfe!!! Man unterscheidet Sätze nach dem Redeabsicht: — Fragesätze; — Aussagesätze — Aufforderungssätze Die Verbindung der Lexik und der Grammatik: Zur Wort-und Formbildung dienen die gleichen Suffixe und Präfixe: *Lehr-er; Büch-er Dank der wortbildenden Suffixen besonders man oft die Zugehörigkeit eines Substantivs zu einem bestimmten Geschlecht: *die Übung; das Mädchen; der Frühling. Die lexikalische Bedeutung dient oft zur richtigen Satzbildung: Richtig falsch das Kind weint das Haus weint sie lernt das Boot lernt ein kluges Mädchen ein kluges Fenster III. Synchronische und diachronische Grammatik Synchronische Grammatik untersucht und beschreibt das System der Gegenwartsprache und ihre Gesetze. Diachronische Grammatik untersucht die historische Entwicklung grammatischer Form: Die Bedeutung der heutigen Form zu verstehen; Die Herkunft und Bedeutung der Formen erklären zu können. IV. Die Grammatik wird in zwei Ebene geteilt: Morphologie: untersucht Wortarten, Wortformen und grammatische Morphemen; Syntax: untersucht der Bau der Wortgruppe, der Sätze und der Texte. 3. Hauptbegriffe der Grammatik: Morphologie, Syntax, Text Traditionell werden als Grundeinheiten der Sprache WORT und SATZ angesehen. Dementsprechend wird der grammatische Bau in zwei Hauptbereiche aufgegliedert, in denjenigen des Wortes (Wortlehre, Morphologie, Formenlehre) und in denjenigen des Satzes (Syntax). Eine ähnliche Gliederung wird auch innerhalb der Grammatiktheorie vorgenommen. Der Gegenstand und der Aufgabenbereich dieser Teildisziplinen sowie ihr gegenseitiges Verhältnis werden in der Sprachwissenschaft nicht einhellig festgelegt. Das ist eine Folge der unterschiedlichen Einschätzung des Verhältnisses von Wort und Satz zueinander. In vielen auf deutsch verfaßten Grammatikbüchern wird der Gegenstand der Morphologie (Wortlehre) nicht näher bestimmt. Die traditionelle Abgrenzung der Morphologie und der Syntax wird in irgendeiner Form beibehalten. Daneben gibt es Grammatikbücher, wo von der Syntax ausgegangen wird. In einigen Büchern wird Morphologie z.B. als besondere Betrachtungsweise innerhalb der syntaktischen Komponente angesehen. P. EISENBERG nennt den Gegenstand seines Buches MORPHOSYNTAX, weil er syntaktische Einheiten auch unter morphologischem Blickwinkel betrachtet /Eisenberg 1986, 21/. U. ENGEL behandelt in seinem Buch „Syntax der deutschen Gegenwartssprache" zunächst syntaktische und dann morphologische Probleme. Noch ein wichtiger Begriff der Grammatik ist Text. Als Text bezeichnet man jedes Stück zusammenhängender Rede, angefangen mit einer schlichten Äußerung im Alltag bis zu einer Novelle, einem Roman, einer publizistischen Schrift oder einer wissenschaftlichen Abhandlung, da sie alle Erzeugnisse der kommunikativen Sprechtätigkeit der Menschen sind. 4. Hauptzüge des deutschen Sprachbaus. Sehr charakteristisch für die deutsche Sprache ist der ausgiebige Gebrauch der inneren Flexion, die in anderen germanischen Sprachen jetzt eine durchaus bescheidene Rolle spielt. In Verbindung mit der äußeren Flexion und den analytischen Mitteln der Grammatik führt die innere Flexion oft zu einer beträchtlichen Übercharakterisierung (d.h. zur Bezeichnung eines und desselben grammatischen Inhalts durch mehrere grammatische Formmittel). So wird in der Form die Wälderder Plural dreimal zum Ausdruck gebracht: mit Hilfe des Umlauts, der Pluralmorphems -er und der Pluralform des Artikels. Sehr wesentlich für die morphologische Struktur des Wortes im Deutschen ist die ungleichmäßige Verteilung der Flexion. Bei einigen Redeteilen ist die Flexion bedeutend stärker ausgebildet als bei den anderen. Besonders arm an der Flexion ist das Substantiv. Nicht nur das Verb, sondern auch das demonstrative und possessive Pronomen und das Adjektiv, also die Wortarten, die syntaktisch als Bestimmungen des Substantivs auftreten, haben viel reichhaltigere Flexionssysteme als das Substantiv. Sehr reich an Flexion ist der Artikel, obgleich er nur ein Hilfsoder Formwort ist. Zu den charakteristischen Merkmalen der deutschen Morphologie gehört die Herausbildung einer Reihe von Formen mit veränderlicher Flexion. Das sind die Formen, die in einer und derselben grammatischen Funktion verschiedenartig flektiert werden können. So bekommt das Adjektiv in einem und demselben Kasus, Geschlecht und Numerus zuweilen die "starken" (pronominalen), zuweilen die "schwachen" (nominalen) Endungen: schönes Wetter – das schöne Wetter. 5., Arten der theoretischen Beschreibung des grammatischen Teilsystems Traditionell wird in der Linguistik die semasiologische (von der Form zur Bedeutung) von der onomasiologischen Perspektive (von der Bedeutung zur Form) unterschieden (vgl. u.a. Lexikon Sprache: „Onomasiologie“, Lexikon Sprachwissenschaft: „Semasiologie“). Es wird gewöhnlich betont, dass die traditionelle Grammatik die semasiologische Perspektive einnimmt, während für funktionale Grammatiken die onomasiologische Perspektive grundlegend ist. Als der erste Vertreter des grammatischen Strukturalismus darf J. Ries gelten. Er führte eine neue Abgrenzung zwischen Morphologie und Syntax ein, bestimmte auf eine neue Weise den Gegenstand der Syntax, begründete die Wortgruppenlehre als selbstständigen Abschnitt(участок) der Syntax. Zu nennen sind die Schriften von Erick Drach, Ernst Otto, Fritz Rahm. Alle Charakterzüge des Strukturalismus kann man in den Schriften von H. Glinz finden. Grundlage für eine andere Forschungsrichtung – die sogenannte inhaltsbezogene ориентированный на содержание(immanente) Grammatik bildete die kantiantische Sprachphilosophie W. von Humboldts und als Erneuerer dieser Idee gilt Leo Weißgeber. Die Zuwendung zu den Sprachinhalten ist eine der charakteristischen Züge dieser Forschungsrichtung, darum verschiebt смещать sich das Hauptgewicht in den Schriften von Weißgeber auf national – psychische Probleme. Seine Ansichten wurden stark kritisiert wegen des Mangels an objektiven Erscheinungsverfahren bei der Erschließung раскрытие sprachlicher Inhalte. Doch habe einige Termini und Ideen von Weißgeber in den neuen normativen Grammatiken Anwendung gefunden. # Verb, Adjektiv und Substantiv wurden bei ihm als Hauptarten genannt, weil sie am stärksten dazu beitragen способствовать , die Welt in das Eigentum des Geistes umzuschaffen переделывать. In den 50. Jahren des 20ten Jhs entwickelte sich eine neue grammatische Forschungsrichtung, die danach strebte, die Theorie der Grammatik auf der marksistischen Lehre von der Sprache aufzubauen. Sie umfasste funktionale, kommunikative und pragmatische Grammatik. Einen Beitrag dazu leisteten Georg Mayer, Walter Schmidt, Albert Neubert. - Erster Hauptzug dieser Richtung ist; die Überwindung der Einseitigkeit однобокость der Forschungsmethoden und idealistischer Grundsatze принцип der Inhaltsforschung von Humboldt. Sie erforschten und postulierten außerdem die dialektische Verbindung von Inhalt und Form bei der Behandlung разработка der grammatischen Systems. - Der zweite Zug ist die Anwendung zu den Problemen der kommunikativen Funktion der Sprache. - Sie strebten danach, die neuen von der Sprachwissenschaft erworbenen приобретать exakten Methoden nicht nur für die Erforschung der äußeren lautlichen Seite der Sprache anzuwenden, sondern auch die semantischen Komponenten der sprachlichen Zeichen zu betrachten. Seit der 50ger Jahren (das ist die sogenannte Sowjetzeit) erscheint eine Reihe der deutschen Gesamtdarstellungen des deutschen Sprachbaus zu den wichtigsten Fragen der Theorie der Grammatik (Admoni, Moskalskaja, Natanson. Das charakteristische an diesen Forschungen ist die enge Verbindung der Diachronie und Synchronie, sowie auch die weitgehende Interesse für die inhaltliche Seite der Sprache, für das Feststellen der Bedeutung der grammatischen Kategorien und die dadurch bedingte Verwendung употребление der grammatischen Formen. 6.Die Entwicklung der wissenschaftlichen Grammatik im XIX Jh. Die wissenschaftliche deutsche Grammatik entsteht zu Beginn des 19. Jhs. Ihr geht eine über zwei Jahrhunderte lang dauernde Periode der Sprachregelung voraus. Hauptanliegen der reglementierenden Grammatik des 17. und 18. Jhs. ist die Einigung und Normung der entstehenden deutschen Literatursprache (s. dazu: Jellinek [133, /—//]). Erst am Anfang des 19. Jhs., als die Sprachwissenschaft in vielen Ländern Europas raschen Aufstieg nimmt, werden dadurch auch die Voraussetzungen für die Entstehung der wissenschaftlichen Grammatik der deutschen Sprache geschaffen.- Ihr Wesen wird in dieser Zeit von den raschen Fortschritten der historisch-vergleichenden Grammatik der indoeuropäischen Sprachen sowie der germanischen, romanischen und slawischen Philologie mitbestimmt. Die gesamte Sprachwissenschaft entwickelt sich in dieser Zeit als eine historische Sprachforschung. Auch die wissenschaftliche Grammatik entwickelt sich als eine historische Grammatik und ist von der Sprachgeschichte kaum zu trennen. „Grammatik heißt nun nicht mehr Norm und Gesetz, sondern Sprachgeschichte" (Dünninger [55]). Grundlegend für die Entwicklung der deutschen und germanischen Philologie sowie für den Ausbau der wissenschaftlichen Grammatik der deutschen Sprache war Jacob Grimms „Deutsche Grammatik", I—IV (1822—1837). Dieses Werk war eine systematische Darstellung der Entwicklungsgeschichte aller germanischen Sprachen, angefangen bei ihren ältesten Denkmälern, da es ja dem Verfasser vor allem daran lag, die Geschichte der deutschen Sprache bis auf ihre germanischen Ursprünge zurückzuverfolgen. Grimms Interesse galt vor allem der Frühgeschichte der germanischen Sprachen. Daher blieb seine Darstellung im Wesentlichen auf die Frühzeit und das Mittelalter beschränkt, während das Neuhochdeutsche in seinem Werk nur kurz skizziert war. Der 1. Band der „Deutschen Grammatik" gibt eine umfassende Darstellung der historischen Laut- und Formenlehre der germanischen Sprachen, der 2. und 3. Band eine historische Wortbildungslehre. Der 4. Band der „Deutschen Grammatik" hat die Syntax des einfachen Satzes zum Inhalt. Sie ist aber nicht der eigentlichen Satzlehre, sondern dem Gebrauch der Wortarten und Wortformen, d. h. der sog. funktionalen Morphologie gewidmet. Das erklärt sich dadurch, dass die eigentliche Satzlehre zu Grimms Zeiten noch nicht in die sprachhistorische Forschung aufgenommen worden war und ein Domäne der allgemeinen Sprachphilosophie und der Logik blieb. Der Satz wurde aus der Sicht des logischen Urteils behandelt, seine Gliederung als ein unmittelbarer Ausdruck der Struktur des logischen Urteils gedeutet. Diese Tradition geht auf die antike Grammatik zurück (die sog. Alexandriner Schule in Griechenland; 3. Jh. v. u. Z. -— 7. Jh. u. Z.). Auch in der Zeit der Aufklärung (18. Jh.) blieb die Satzlehre eine Hilfswissenschaft der formalen Logik. Die grammatischen Kategorien wurden als Ausdruck universeller logischer Kategorien aufgefasst und auf alle Sprachen ausgedehnt. In Frankreich gipfelte diese Lehre in der berühmten „universellen" logischen Grammatik von Port-Royal („Grammaire generate de Port-Roy al", 1660). In Deutschland lebte sie zu Grimms Zeiten in der logischen Syntax von Karl Ferdinand Becker fort (K.F.B e cker. Organismus der Sprache als Einleitung zur deutschen Grammatik, 1827). Neu im Vergleich zur deduktiven Betrachtungsweise der Sprache bei den deutschen Sprachtheoretikern der Aufklärerzeit sowie zu den Traditionen der universellen Grammatik von Port-Royal war das induktive empirische Verfahren von Grimm, das die Forschungsmethode der nächsten Generation von Sprachforschern vorwegnahm. Grimm schrieb im Vorwort zur „Deutschen Grammatik": „Allgemein-logischen Begriffen bin ich in der Grammatik feind; sie führen scheinbare Strenge und Geschlossenheit zur Bestimmung mit sich, hemmen aber die Beobachtung, welche ich als die Seele der Sprachforschung betrachte" [90, /, IV]. Seine Darstellung ging von der Erforschung der Sprache altgermanischer Schriftdenkmäler aus, sie ist durch eine reiche Beispielsammlung belegt, die das Ergebnis der lebenslangen Sammelarbeit dieses hervorragenden Philologen war. 7. Neune Strömungen in der Grammatikforschung im XX Jh. Die ersten Jahrzehnte des 20. Jhs, bringen große Wandlungen im Bereich aller Wissenschaften und deren Forschungsmethoden sowie das Aufkommen neuer philosophischer Strömungen mit sich. Auf dem Gebiet der Sprachwissenschaft wird die neue Ära durch eine entschiedene Abkehr von den Ideen und dem methodischen Verfahren der Junggrammatiker und durch die Entstehung zahlreicher neuer linguistischer Forschungsrichtungen gekennzeichnet. Besonders fruchtbaren Boden finden die Lehre Ferdinand de Saussures über den Systemcharakter der Sprache und die daraus entstandene Forderung der synchronischen Sprachbetrachtung. Trotz der Vielfalt neuer linguistischer Strömungen setzen die Ideen Ferdinand de Saussures durch. Auch das induktive, rein empirische Verfahren der Junggrammatiker und ihr Hang zum Psychologisieren werden einer scharfen Kritik unterzogen. Die Fortschritte in Physik und Mathematik stellen neue Anforderungen an das methodische Verfahren aller Wissenschaften, erhöhen das Ansehen der deduktiven Betrachtungsweise, das Streben nach objektiven Forschungsmethoden. In den 30er Jahren des 20. Jhs. münden diese neuen linguistischen Ideen in die Lehren verschiedener Schulen des europäischen und des amerikanischen Strukturalismus. Im Bereich der Grammatik setzen sich die neuen Ideen durch, die Syntax wird zum Hauptobjekt der Forschung: Dies ermöglicht ein systembezogenes ganzheitliches oder analytisches, d. h. vom Ganzen ausgehendes und die inneren Zusammenhänge zwischen den Einzelelementen des Sprachbaus erschließendes Verfahren. Die historische Methode wird durch die syn-chronische Betrachtungsweise verdrängt. In den Mittelpunkt des grammatischen Studiums rücken die Gegenwartssprachen. Auch das Streben nach neuen methodischen Verfahren findet seinen Ausdruck in der fortschreitenden Formalisierang der Sprachbetrachtung. Die Forderung, bei der Erforschung des grammatischen Baus einer Sprache von der Form auszugehen, wird allgemein. Neben dem fonologischen Strukturalismus und unter seinem unverkennbaren Einfluss entwickelt sich auch der grammatische Strukturalismus. In Deutschland, dem Heimatland der junggrammatischen Forschungsrichtung, hält der Einfluss der Junggrammatiker, wie schon oben gesagt wurde, bis in die 30er- und 40er- Jahre des 20. Jhs. an. Doch werden auch hier die neuen Strömungen in der Grammatik geltend. An die Stelle einer einheitlichen beherrschenden Forschungsrichtung, wie es die Junggrammatiker waren, treten nun mehrere grammatische Konzeptionen, gefärbt vom Psychologismus, Logizisraus, von den Ideen der funktionalen oder, umgekehrt, der „immanenten", ausschließlich form- und systembezogenen Grammatik. Trotzdem sind nicht die gemeinsamen Charakterzüge zu verkennen, die den Umschwung in den grammatischen Ansichten im 20. Jh. in allen Ländern mit sich bringen — die Hervorhebung der Syntax als Hauptobjekt der Grammatik, der Verzicht auf die historische Methode und die synchroni-sche, ausschließlich der deutschen Gegenwartssprache geltende Betrachtungsweise, das ganzheitliche oder analytische methodische Verfahren (systembezogen, vom Ganzen aus zum Einzelnen gerichtet). Als erster Vorläufer des grammatischen Strukturalismus in Deutschland darf wohl der Zeitgenosse der Junggrammatiker John Ries gelten, dessen Werk „Beiträge zur Grundlegung der Syntax" (1. Was ist Syntax?; 2. Zur Wortgruppenlehre; 3. Was ist ein Satz?, 1927—29) den theoretischen Problemen der Syntax und der Syntax der deutschen Sprache gewidmet ist (die erste Fassung der Abhandlung „Was ist Syntax?" war 1894 erschienen). Das Verdienst von Ries um die Theorie der Syntax ist sehr bedeutend. Er führte eine Abgrenzung von Morphologie und Syntax ein, bestimmte also auf eine neue Weise den Gegenstand der Syntax, hob als erster die Reali-tätsbezogenheit des Satzes hervor, begründete die Wortgruppenlehre als selbstständigen Abschnitt der Syntax (von ihm stammen die Grundbegriffe der Wortgruppenlehre: der Begriff der Wortgruppe als ein besonderes syntaktisches Gebilde, die Abgrenzung der Wortgruppe von Wort und Satz, die Prinzipien der Klassifikation der Wortgruppen nach dem Charakter der Verbindung der Glieder, der Begriff des Kerngliedes und der Anglieder im Wortgefüge u. a.). Als Zeitgenosse der Junggrammatiker konnte Ries dem Einfluss des Psychologismus nicht gänzlich entgehen. Doch ist seine Forschungsmethode im Wesentlichen formbezogen und strukturell. Bei der Abgrenzung von Morphologie und Syntax geht es ihm nicht mehr um die Unterscheidung von Form und Bedeutung (vgl. die „Formenlehre" und die „Bedeutungslehre" bei den Junggrammatikern), sondern um die Eigenart der in jedem Abschnitt der Grammatik behandelten Einheiten der Sprache: Die Syntax soll sich ausschließlich mit Gefugen, mit Verbindungen von mehreren Wörtern befassen, dagegen ist alles, was das Wort betrifft, Gegenstand der Morphologie. Der synthetischen (vom Einzelnen ausgehenden) Sprachbetrachtong der Junggrammatiker stellte er die ganzheitliche, analytische Betrachtungsweise entgegen. Im Mittelpunkt seiner Darstellung stehen die Probleme der syntaktischen Form, das heißt der inneren Verbindungen zwischen den Elementen der Gefiige. Auf diese Weise erschloss Ries die Eigenart der syntaktischen Verbindungen innerhalb der Wortgruppe gegenüber den syntaktischen Beziehungen zwischen den Satzgliedern im Satz. Dem synchronischen Studium des deutschen Satzes ist auch Erich Drachs Buch „Grundgedanken der deutschen Satzlehre" (1937) gewidmet. 8 •Strukturelle und inhaltsbezogene Grammatik Strukturelle und inhaltsbezogene Grammatik Strukturelle Forschungen im Bereich der deutschen Grammatik wurden durch die Untersuchungen von Hans Glinz eingeleitet. Sein methodisches Verfahren ist vor allem „lautbezogen". Was das bedeutet, kann man am Beispiel seiner Satzdefinition erkennen. Indem Glinz eine „rein sprachliche Bestimmung" des Satzes erstrebt, die frei von logischen oder psychologischen Sehweisen wiire, verzichtet er auf das Kriterium des Satzinhaltes und will den Satz „nicht von der Inhalts-, sondern von der Klangbildseite her" definieren. Als einziges prägendes Merkmal des Satzes nennt er die Stimmführung, d, h. ein Element der Satzform. Mit Hilfe der Klangprobe gliedert Glinz den Text in Sätze und erarbeitet die oben zitierte Definition des Satzes. Außer der Klangprobe verwendet Glinz Ersatzproben, Verschiebeproben, Weglassproben Die Ersatzprobe dient zur Abgrenzung und Bestimmung der zweiten Grundeinheit der Sprache, — des Wortes (die inhaltbezogene Grammatik) Die Sprache hält die beson¬dere Weltansicht fest, die sich ein Volk macht und die von einem Volk zum anderen variiert. Nationalbedingt, „muttersprachlich" sind also nicht nur der äußere Klang, sondern auch die Sprachinhalte selbst und die gesamte „Weltansicht" der Sprache, Das Weltbild, das sich verschiedene Nationen machen, ist nach Humboldt kein Reflex, keine Abbildung der Außenwelt, sondern eine besondere nationalbedingte Sehweise der Welt. Auf diesen sprachphilosophischen Grundsätzen beruht Humboldts Lehre von der inneren Sprachform, dem inneren Charakter einer Sprache, der die Eigenart der rrratter-sprachlichen Weltansicht, des muttersprachlichen geistigen Gestaltens der Welt widerspiegelt, und seine Lehre von der inneren Wortform, worin sich die nationalbedingte „muttersprachliche Ansicht einer Sprache" verkörpert. Auf diesen Lehrsätzen Humboldts baut Weisgerber seine Konzeption der inhaltbezogenen Grammatik auf. Der Kernbegriff der inhaltbezogenen Grammatik ist der Sprachinhalt. Bei der Behandlung konkreter grammatischer Phänomene kommt Weisr gerber zu manchen interessanten, zuweilen sehr überzeugenden, zum Teil aber auch paradoxalen Schlussfolgerungen. Er betont, dass die Bedeutung der herkömmlichen grammatischen Termini sich durchaus nicht mit den „sprachlichen Inhalten" der bezeichneten Formen deckt. Strukturelle und inhaltsbezogene Grammatik Strukturelle Forschungen im Bereich der deutschen Grammatik wurden durch die Untersuchungen von Hans Glinz eingeleitet. Sein methodisches Verfahren ist vor allem „lautbezogen". Was das bedeutet, kann man am Beispiel seiner Satzdefinition erkennen. Indem Glinz eine „rein sprachliche Bestimmung" des Satzes erstrebt, die frei von logischen oder psychologischen Sehweisen wiire, verzichtet er auf das Kriterium des Satzinhaltes und will den Satz „nicht von der Inhalts-, sondern von der Klangbildseite her" definieren. Als einziges prägendes Merkmal des Satzes nennt er die Stimmführung, d, h. ein Element der Satzform. Mit Hilfe der Klangprobe gliedert Glinz den Text in Sätze und erarbeitet die oben zitierte Definition des Satzes. Außer der Klangprobe verwendet Glinz Ersatzproben, Verschiebeproben, Weglassproben Die Ersatzprobe dient zur Abgrenzung und Bestimmung der zweiten Grundeinheit der Sprache, — des Wortes (die inhaltbezogene Grammatik) Die Sprache hält die beson¬dere Weltansicht fest, die sich ein Volk macht und die von einem Volk zum anderen variiert. Nationalbedingt, „muttersprachlich" sind also nicht nur der äußere Klang, sondern auch die Sprachinhalte selbst und die gesamte „Weltansicht" der Sprache, Das Weltbild, das sich verschiedene Nationen machen, ist nach Humboldt kein Reflex, keine Abbildung der Außenwelt, sondern eine besondere nationalbedingte Sehweise der Welt. Auf diesen sprachphilosoph.