Skript

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Analysis I - Vorlesungs-Script
Prof. Dr. Camillo De Lellis
Basisjahr 10 Semester II
Mitschrift:
Simon Hafner
Inhaltsverzeichnis
1 Mengen und natürliche Zahlen
1.1 Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 die vollständige Induktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3 Binomialkoeffizienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2 Die
2.1
2.2
2.3
2.4
2.5
reellen Zahlen
Körperstrukturen . . . . . . . . . . . .
Die Anordnung von R . . . . . . . . .
Die Vollständigkeit der reellen Zahlen
Supremumseigenschaft, Vollständigkeit
Abzählbarkeit . . . . . . . . . . . . . .
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1
1
2
4
6
6
7
8
10
11
3 Komplexe Zahlen
11
3.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
4 Funktionen
4.1 Definition . . . . . . . . . .
4.2 Algebraische Operationen .
4.3 Zoo . . . . . . . . . . . . . .
4.3.1 Exponentialfunktion
4.3.2 Polynome . . . . . .
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14
14
14
15
15
16
5 Folgen
5.1 Rechenregeln . . . . . . . . . . . .
5.2 Monotone Folgen . . . . . . . . . .
5.3 Der Satz von Bolzano-Weierstrass .
5.4 Konvergenzkriterium von Cauchy .
5.5 Uneigentliche Konvergenz . . . . .
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16
19
21
21
23
23
6 Reihen
6.1 Konvergenz der Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2 Konvergenzkriterien für reelle Reihen . . . . . . . . . .
6.3 Konvergenzkriterien für allgemeine (komplexe) Reihen
6.4 Wurzel- und Quotientenkriterium . . . . . . . . . . . .
6.5 Das Cauchyprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.6 Potenzreihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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24
24
25
26
26
28
29
7 Stetige Funktionen und Grenzwerte
7.1 Stetigkeit . . . . . . . . . . . . . . .
7.2 Rechenregeln für stetige Funktionen
7.3 Zwischenwertsatz . . . . . . . . . . .
7.4 Maxima und Minima . . . . . . . . .
7.5 Stetige Fortsetzung, Grenzwerte . . .
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30
30
31
32
33
34
8 Exponentialfunktion
8.1 Existenz und Eindeutigkeit . . . . . . . . . . . .
8.2 Die Exponentialfunlktion auf der reellen Gerade .
8.3 Natürlicher Logarithmus . . . . . . . . . . . . . .
8.4 Trigonometrische Funktionen . . . . . . . . . . .
8.5 Noch andere spezielle Funktionen . . . . . . . . .
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36
36
40
41
43
44
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9 Differentialrechnung
45
9.1 Die Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
9.2 Rechenregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
9.3 Die Sätze von Rolle und Lagrange . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
9.4 Anwendugen des Mittelwertsatzes: Schrankensatz und De L’Hôpitalsche
Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
9.5 Differentation einer Potenzreihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
9.6 Ableitungen höherer Ordnung und Taylorreihe . . . . . . . . . . 57
i
9.7
9.8
Konvexität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Lagrange Fehlerabschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10 Integralrechnung
10.1 Treppenfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.2 Regelfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.3 Der Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung
10.4 Integrationsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.5 Uneigentliche Integrale . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.6 Integration einer Potenzreihe . . . . . . . . . . . . .
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58
60
63
63
64
67
69
71
74
11 Gewöhnliche Differentialgleichungen
76
11.1 Lineare gewöhnliche Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . . 77
11.2 Differentialgleichungen mit getrennten Variablen . . . . . . . . . 78
11.3 Lineare Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten . . . 81
ii
1
Mengen und natürliche Zahlen
1
Mengen und natürliche Zahlen
:
bedeutet so dass
∃ bedeutet es gibt
∀
=⇒
⇐⇒
1.1
bedeutet für alle
bedeutet impliziert
bedeutet genau dann, wenn
Mengen
Eine Menge ist eine Gesamtheit von Einzeldingen, die als neues Objekt angesehen werden muss. Eine genauige Klärung des Mengenbegriffs bleibt der Logik
überlassen.
Ist M eine Menge, so führen wir die folgenden Bezeichnungen ein:
a∈M
a 6∈ M
M = {a, b, . . .}
d.h. a gehört zu M
a ist nicht Element von M .
M ist die Menge, die aus den Elementen a, b, . . . besteht.
Schliesslich
M = {a : a hat die Eigenschaft E}
heisst “M ist die Menge aller Objekten a, die die Eingenschaft E haben”.
Beispiel 1.1. Die natürliche Zahlen 0, 1, 2, . . . bilden eine Menge N; gehört n
zu N, so auch n + 1.
Beispiel 1.2. Mit Z wird die Menge
Z = {x : x ∈ N oder − x ∈ N}
bezeichnet; Z ist die Menge der ganzen Zahlen.
Beispiel 1.3. Die Menge der Zahlen, die sich als Quotient ganzer Zahlen a/b
mit b 6= 0 darstellen lassen, heisst die Menge der rationalen Zahlen; ihre Standardbezeichnung ist Q.
Zwischen Mengen können Bezeichnungen bestehen, und es lassen sich Verknüpfungen zwischen ihnen erklären.
(1) Gleichheit. Zwei Mengen A und B sind dann un nur gleich, in Zeichen
A = B, wenn sie dieselben Elementen enthalten.
(2) Inklusion. A heisst “in B enthalten”, in Zeichen A ⊂ B (oder B ⊃ A),
wenn gilt: x ∈ A =⇒ x ∈ B. Falls A ⊂ B wir sagen auch dass “A eine
Teilmentge von B ist”.
(3) Durchschnitt. Der Durchschnitt zweier Menge A und B ist die Menge
A ∩ B := {x : x ∈ A und x ∈ B} .
(4) Vereinigung. Die Vereinigung zweier Menge A und B ist die Menge
A ∪ B := {x : x ∈ A oder x ∈ B} .
(5) Differenz. Die Differenz von A und B ist die Menge
A \ B := {x : x ∈ A und x 6∈ B} .
Die Differenzmenge wird auch A − B bezeichnet.
1
1
Mengen und natürliche Zahlen
(6) Die Lehrmenge Das Symbol ∅ bezeichnet die Menge die aus keinem Element besteht, d.h. die Lehrmenge. Die Lehrmenge ist eine Teilmenge jeder
Menge!
Oft werden wir die Vereinigung (bzw. der Durschnitt) verschiedener Menge
betrachten. Eine Familie von Mengen wird dann als {Ai }i∈I bezeichnet, wobei
I eine Indexmenge ist. Oft ist diese einfach eine endliche Familie , in diesem Fall
ist I die Menge {1, . . . , n} ⊂ N, wobei n die Anzahl Menge der Familie ist. Die
Vereinigung von Ai ist dann
[
Ai := {x : ∃i ∈ I mit x ∈ Ai }
i∈I
(i.e. die Menge der Elementen die mindestens zu einer Ai gehören) und der
Durschnitt ist
\
Ai := {x : x ∈ Ai ∀i ∈ I}
i∈I
(i.e. die Menge der Elementen die allen Ai gehören).
Wir listen nun die elementaren Eigenschaften der Mengenoperationen auf:
• Eigenschaften der Inklusion
– ∅∈M
– M ⊂ M (i.e. jede Menge ist eine Teilmente von sich selbst)
– (A ⊂ B und B ⊂ A) ⇐⇒ A = B;
– (A ⊂ B und B ⊂ C) =⇒ A ⊂ C.
• Assoziativität
– (A ∪ B) ∪ C = A ∪ (B ∪ C).
– (A ∩ B) ∩ C
• Kommutativität
– A ∪ B = B ∪ A;
– A ∩ B = B ∩ A.
• Distributivgesetze
– A ∩ (B ∪ C) = (A ∩ B) ∪ (A ∩ C);
– A ∪ (B ∩ C) = (A ∪ B) ∩ (A ∪ C).
1.2
Die vollständige Induktion
Zu jeder natürlichen Zahl n sei eine Aussage A(n) gegeben. Eine Strategie zu
deren Beweis ist das
Prinzip der vollständigen Induktion:
Alle Aussagen A(n) sind richtig wenn man (I) und (II) beweisen kann:
(I) A(0) ist richtig Induktionsanfang).
(II) Für jedes n, für welches A(n) richtig ist, ist auch A(n + 1) richtig (Induktionsschluss).
Beispiel 1.4. Wir wollen die Identität
A(n) :
0 + 1 + 2 + ... + n =
n(n + 1)
2
für jedes n ∈ N zeigen. Das koennten wir aus dem Prinzip der vollständigen
Induktion wie folgt schliessen:
2
1
Mengen und natürliche Zahlen
• A(0) ist die Aussage 0 = 0. Die gilt und ist der Induktionsanfang.
• A(n) ist die Gleichung
0 + 1 + ... + n =
n(n + 1)
.
2
(1)
Nehmen wir an dass A(n) gilt, d.h. dass (1) richtig ist. Dann ist auch
(0 + 1 + . . . + n) + n + 1 =
n(n + 1)
+ (n + 1) .
2
(2)
Die rechte Seite (2) ist aber
n(n + 1)
n2 + n + 2n + 2
(n + 1)(n + 2)
+n+1=
=
.
2
2
2
Deswegen (1) impliziert die Identität
0 + 1 + . . . + n + (n + 1) =
(n + 1)(n + 2)
.
2
Dies ist aber A(n + 1). Deswegen gilt:
A(n) =⇒ A(n + 1).
Aber das ist genau der Induktionsschluss
Oft ist die Aussage A(n) nur für n grosser als eine bestimmte grenze N richtig. In diesem Fall beweisen wir die folgenden Varianten des Induktionsanfangs
(I’) A(N ) gilt
und des Induktionsschluss
(II’) A(n) =⇒ A(n + 1) für n ≥ N .
Beispiel 1.5. Wir wollen die Ungleichung
2 n ≥ n2
A(n) :
für jedes n ∈ N gross genug zeigen. Es ist leicht zu sehen dass A(4) gilt:
A(4) :
24 = 16 = 42 .
Nun wollen wir zeigen dass A(n) =⇒ A(n + 1) wenn n ≥ 4. A(n) bedeutet
2n ≥ n2 . Diese Ungleichung impliziert 2n+1 = 2 · 2n ≥ 2n2 . Nun, für n ≥ 1 gilt
(n + 1)2
2
1
3
=1+ + 2 ≤1+
2
n
n n
n
Deswegen, falls n ≥ 4, schliessen wir
3
n+1
2
n2 ≥ (n + 1)2 .
2
≥ 2n ≥ 1 +
n
Das heisst:
A(n) =⇒ A(n + 1)
falls n ≥ 4.
Das beweist den Induktionsschluss (II’) mit N = 4.
Bemerkung 1.6. Manchmal wird das Prinzip der VI benutzt um bestimmte
Objekten zu definieren. Das geht wie folgt. Es soll jeder natürlichen Zahl n ein
Element f (n) einer Menge X zugeordnet werden durch
(I) die Angabe von f (0)
(II) eine Vorschrift, die für jedes n ∈ N das Element f (n+1) aus den Elementen
f (0), . . . , f (n) zu berechnen gestattet.
3
1
Mengen und natürliche Zahlen
Ein solcher Verfahren heisst Rekursive Definition. Wenn f (n) eine Zahl ist, heisst
es auch Rekursionsformel.
Wir für die VI, auch eine Rekursive Definition kann mit einer bestimmten
natürliche Zahl N 6= 0 anfangen.
Beispiel 1.7. Wir können die Potenz einer Zahl x durch die folgende Rekursionsformel definieren:
• x1 = x;
• xn+1 = x · xn .
Bemerkung 1.8. Für x 6= 0 gilt die Konvention x0 = 1.
1.3
Binomialkoeffizienten
Für jede positive natürliche Zahl definiert man n!, sprich n-Fakultät, durch
n! := 1 · 2 · . . . · n .
Für 0 gilt die Konvention 0! = 1.
Die Fakultät spielt eine wichtige Rolle in der Kombinatorik.
Lemma 1.9. Die Anzahl aller Anordungen n verschiedener Elemente ist n!
Beweis. Wir beweisen dieses Lemma mit dem Prinzip der vollständigen Induktion. Für n = 1 ist die Aussage trivial. Wir nehemn nur an dass die Aussage
für eine bestimmte natürliche Zahl n ≥ 1 gilt. Wir wollen nun die Anzahl Anordungen einer Menge A mit n + 1 verschiedenen Elementen a1 , . . . an+1 rechnen.
Um die Elemente zu ordenen wählen wir zuerst das erste: dann aber wir n + 1
Möglichkeiten. Es bleibt die Anordnung der anderen n Elementen zu entscheiden, aber das gibt uns n! Möglichkeiten. Deswegen es gibt (n+1)·n! Anordungen
von A und die sind genau (n + 1)!.
Definition 1.10. Sei m1 , . . . , mn die Anordnung einer Menge M . Eine Permutation der Elementen m1 , . . . , mn ist eine neue Anordnung von M .
Deswegen das Lemma 1.9 kann auch so formuliert werden:
Lemma 1.11. Die Anzahl der Permutationen n verschiedener Elemente ist n!.
Wir werden nun den folgenden Satz beweisen.
Lemma 1.12. Die Anzahl der k-elementigen Teilmengen einer nicht leeren
Menge mit n Elementen ist, im Fall 0 < k ≤ n,
n!
n(n − 1) · . . . · (n − k + 1)
=
.
k!
(n − k)!k!
(3)
Definition 1.13. Für alle n ≥ k ∈ N definieren wir den Binomialkoeffizient
n!
n
:=
k
(n − k)!k!
Beweis vom Lemma 1.12. Sei M eine Menge mit n Elementen und m1 , . . . , mn
eine entsprechende Anordnung. Die Wahl von k geordneten Elementen ist dann
n(n − 1) · . . . · (n − k + 1) (wir wählen zuerst das erste Element: dafür haben wir n
Möglichkeiten; dann wählen wir das zweite Element zwischen den verbleibenden:
wir haben n − 1 Möglichkeiten; und so weiter). Für jede Wahl dieser k Elemente
gibt es eine Teilmenge A ⊂ M die aus diesen Elementen besteht. Aber jede solche
Teilmenge wird dann k! Mal gewählt, d.h. so viel wie die Anzal Permutationen
ihrer Elemente. Deswegen, die Anzahl der Teilmengen mit k Elementen ist
n(n − 1) · . . . · (n − k + 1)
.
k!
4
1
Mengen und natürliche Zahlen
Eine sehr wichtige Anwendung der Binomialkoeffizienten ist die Binomialentwicklung oder Newtonsche Formel.
Satz 1.14. Für jeden Exponenten n ∈ N \ {0} gilt
n
n
n
(1 + x) = 1 +
x + ... +
xn−1 + xn .
1
n−1
(4)
Bemerkung 1.15. Die Formel gilt für jede reelle und komplexe Zahl x. Diese
werden später eingeführt.
Definition 1.16. Wenn k ≤ m zwei natürliche Zahlen sind und ak , ak+1 , . . . , am
eine Famile von Zahlen, wir bezeichnen die Summe ak + ak+1 + . . . + am mit
m
X
aj
j=k
und das Produkt ak · ak+1 · . . . · am mit
m
Y
aj .
j=k
Mit dieser neuen Notation können wir die Identität (4) wie folgt formulieren:
n X
n
(1 + x) =
xj ,
j
n
j=0
mit der Konvention dass x0 = 1.
Beweis vom Satz 1.14. Es gibt
n
j
Möglichkeiten, j Klammern aus den n Klammern (1 + x) der linken Seite auszuwählen und daraus dann x als Faktor zu nehmen. Beim Ausmultiplizieren des
links stehenden Produktes entsteht also
n
j
Mal die Potenz xj .
Bemerkung 1.17. Eine sehr wichtige Rekursionsformel für die Binomialkoeffizienten ist die folgende Identität:
n+1
n
n
=
+
(5)
k+1
k
k+1
Die Identität ist leicht zu beweisen:
n(n − 1) · · · (n − k + 1) n(n − 1) · · · (n − k)
n
n
+
+
=
k
k+1
k!
k!(k + 1)
n(n − 1) · · · (n − k + 1)(k + 1 + n − k)
(k + 1)!
(n + 1)n · · · (n + 1 − k)
n+1
=
=
.
k+1
(k + 1)!
=
5
2
Die reellen Zahlen
2
Die reellen Zahlen
Q ist nicht genug!
Satz 2.1. Es gibt kein q ∈ Q so dass q 2 = 2
Beweis. Falls q 2 = 2, dann (−q)2 = 2 OBdA q ≥ 0 Deswegen q > 0. Sei q > 0
und q ∈ Q so dass q 2 = 2. q = m
n mit m, n ∈ N \ {0} und GGT(m, n) = 1 (d.h.
falls r ∈ N m und n dividiert, dann r = 1!).
m2 = 2n2 =⇒ m ist gerade
=⇒ m = 2k für k ∈ N
4k 2 = 2n2 =⇒ n ist gerade
=⇒ 2|n(2 dividiert n)
=⇒ Widerspruch! Weil 2 dividiert m und n! (d.h. es gibt keine Zahl q ∈ Q mit
q 2 = 2).
Beispiel 2.2.
√
2 = 1, 414 · · ·
Intuitiv:
1, 42 <
2<
1, 52
1, 41 <
2<
1, 42
2
1, 4142 <
2<
1, 4152
2
1, 4 <
=⇒
1, 41 <
1, 414 <
√
√
√
2<
1, 5
2<
1, 42
2<
1, 415
Intuitiv
• Q hat “Lücke”
• R = { die reellen Zahlen } haben “kein Loch”.
Konstruktion Die reellen Zahlen kann man “konstruieren”. (Dedekindsche
Schnitte, siehe Kapitel I.10 in H. Amann, J. Escher Analysis I, oder Kapitel 1.8
in W. Rudin Principle of Mathematical Analysis; Cantorsche “Vervollständigung”, siehe I. Stewart Introduction to metic and topological spaces). Wir werden “operativ” sein, d.h. wir beschreiben einfach die wichtigsten Eigenschaften
von R durch:
• die Köperaxiomen (K1) – (K4);
• die Anordnugsaxiomen (A1)– (A3);
• das Vollständigkeitsaxiom (V).
2.1
Körperstrukturen
K1 Kommutativgesetz
a+b=b+a
a·b=b·a
K2 Assoziativgesetz
(a + b) + c = a + (b + c)
(a · b) · c = a · (b · c)
6
2
Die reellen Zahlen
K3 Distributivgesetz
(a + b) · c = a · c + b · c
K4 Die Lösungen x folgender Gleichungen existieren:
a+x=b
∀a, b ∈ R
a·x=b
∀a, b ∈ R, a 6= 0.
NB: 0 ist das “Annallierungselement”, d.h. das einzige Element 0 so dass
a0 = 0 für jede a ∈ R.
2.2
Die Anordnung von R
A1 ∀a ∈ R gilt genau eine der drei Relationen:
– a<0
– a=0
– a>0
A2 Falls a > 0, b > 0, dann a + b > 0, a · b > 0
A3 Archimedisches Axiom: ∀a ∈ R ∃n ∈ N mit n > a
Übung 2.3. Beweisen Sie dass a · b > 0 falls a < 0, b < 0
Satz 2.4 (Bernoullische Ungleichung). ∀x > −1, x 6= 0 und ∀n ∈ N
{0, 1} gilt (1 + x)n > (1 + nx)
Beweis. Vollständige Induktion.
Schritt 1
(1 + x)2 = 1 + 2x + |{z}
x2 > 1 + 2x
>0
weil x 6= 0.
Nehmen wir an dass
(1 + x)n >
(x > −1, x 6= 0)
1 + nx
Dann
(1 + x) (1 + x)n > (1 + nx)(1 + x)
| {z } | {z } | {z }
a
c
(weil
(1 + x) > 0)
d
(In der Tat,
A2
K4
A2
c > d ⇐⇒ c − d > 0 =⇒ a(c − d) > 0 =⇒ ac − ad > 0 =⇒ ac > ad)
(1 + x)n+1 > (1 + nx)(1 + x) = 1 + nx + x + nx2 =
1 + (n + 1)x + |{z}
nx2 > 1 + (n + 1)x
>0
=⇒ (1 + x)n+1 > 1 + (n + 1)x
Definition 2.5. Für a ∈ R setzt man
(
a
|a| =
−a
falls
falls
7
a≥0
a<0
2
Die reellen Zahlen
Bemerkung 2.6.
|x| = max {−x, x}
Satz 2.7. Es gilt :
|ab| = |a||b|
(6)
|a + b|
≤
|a| + |b|
||a| − |b||
≤
|a − b|
(Dreiecksungleichung)
(7)
(8)
• (6) ist trivial.
Beweis.
• Zu (7):
a + b ≤ |a| + |b|
(weil x ≤ |x| ∀x ∈ R und die Gleichung gilt genau, dann wenn x ≥ 0).
−(a + b) = −a − b ≤ |−a| + |−b| = |a| + |b|
Aber
|a + b| = max {a + b, −(a + b)} ≤ |a| + |b|
• Zu (8).
|a| = |(a − b) + b| ≤ |a − b| + |b|
|a| − |b| ≤ |a − b|
=⇒
(9)
|b| = |a + (b − a)| ≤ |a| + |b − a|
|b| − |a| ≤ |b − a| = |a − b|
=⇒
(10)
(9),(10)
||a| − |b|| = max {|a| − |b|, − (|a| − |b|)}
2.3
≤
|a − b|
Die Vollständigkeit der reellen Zahlen
Für a < b, a, b ∈ R, heisst:
• abgeschlossenes Intervall: [a, b] = {x ∈ R : a ≤ x ≤ b}
• offenes Intervall: ]a, b[ = {x ∈ R : a < x < b}
• (nach rechts) halboffenes Intervall: [a, b[ = {x ∈ R : a ≤ x < b}
• (nach links) halboffenes Intervall: ]a, b] = {x ∈ R : a < x ≤ b}
Sei I = [a, b] (bzw. ]a, b[ . . . ). Dann a, b sind die Randpunkte von I. Die Zahl
|I| = b − a ist die Länge von I. (b − a > 0)
Definition 2.8. Eine Intervallschachtelung ist eine Folge I1 , I2 , · · · geschlossener Intervalle (kurz (In )n∈N oder (In )) mit diesen Eigenschaften:
I1 In+1 ⊂ In
I2 Zu jedem > 0 gibt es ein Intervall In so dass |In | < √
Beispiel 2.9. 2
1, 42 <
2
1, 41 <
2
1, 414 <
2<
1, 52
2<
1, 42
2
1, 415
2
2<
I1 = [1, 4/1, 5] |I1 | = 0.1
=⇒
I2 = [1, 41/1, 42]
|I2 | = 0.01
I3 = [1, 414, 1, 415] |I2 | = 0.001
...
...
In = . . .
I1 und I2 sind beide erfüllt.
8
2
Die reellen Zahlen
Axiom 2.10. Zu jeder Intervallschachtelung ∃x ∈ R die allen ihren Intervallen
angehört.
Satz 2.11. Die Zahl ist eindeutig.
Beweis. Sei (In ) eine Intervallschachtelung. Nehmen wir an dass ∃α < β so dass
α, β ∈ In für alle n. Dann |In | ≥ |β − α| > a. Widerspruch!
Satz 2.12. ∀a ∈ R mit a ≥ 0 und ∀k ∈ N \ {0}, ∃!x ∈ R mit x ≥ 0 und xk = a
√
1
(∃!x bedeutet “es gibt genau ein x”). Wir nennen x = k a = a k .
Sei a > 0 und m, n ∈ N. Dann am+n = am an . Wir definieren a−m := a1m für
m ∈ N. (so dass die Gleichung am−m = a0 = 1 stimmt). Wir haben dann die
Eigenschaft: aj+k = aj · ak ∀j, k ∈ Z. Wir haben aber auch, für m, n ∈ N,
Mal
z n}|
{
m
+
·
· · + m = anm
(a ) = a
·
a
·
·
·
a
=
a
|
{z
}
m n
m
m
m
n Mal
(Und mit a−m = a1m stimmt die Regel (am )n = amn auch ∀m, n ∈ Z!). Diese
√
1
Gleichung motiviert die Notation a k für k a.
√
m
q
n
Definition 2.13. ∀q = m
n ∈ Q, ∀a > 0, wir setzen a := ( a)
Es ist leicht zu sehen dass die Gleichungen
aq+r = aq · ar
und
aqr = (aq )r
für alle q, r ∈ Q gelten.
Beweis vom Satz 2.12. OBdA x > 1 (sonst würden wir x1 betrachten). wir konstruieren eine Intervallschachtelung (In ), In = [an , bn ] so dass akn ≥ x ≥ bkn
∀n ∈ N Wie setzten
I1 := [1, x]
( k
n
n
an , an +b
falls x ≤ an +b
2
2
In+1 =
an +bn
k
n
, bn
falls x > an +b
2
2
1
|In | = 2n−1
|I1 | und In+1 ⊂ In . Intervallschachtelungsprinzip =⇒ ∃y ∈ R s.d.
y ∈ In ∀n ∈ N
Wir behaupten dass y k = x.
Man definiert Jn = [akn , bkn ]. Wir wollen zeigen, dass Jn eine Intervallschachtelung ist.
• Jn+1 ⊂ Jn weil In+1 ⊂ In
•
k−1
|Jn | = bkn − akn = (bn − an ) (bk−1
+ bk−2
n an + · · · + an )
| {z } | n
{z
}
|In |
≤kbk−1
1
=⇒ |Jn | ≤ |In |kbk−1
.
1
Sei ε gegeben. Man wähle N gross genug, so dass
|In | ≤ ε0 =
ε
kbk−1
1
=⇒ |Jn | ≤ ε0 kbk−1
=ε
1
Einerseits
y ∈ [an , bn ]
y k ∈ akn , bkn = Jn
=⇒
Andererseits
x ∈ Jn
∀n ∈ N
Satz 2.11 =⇒ x = y k
9
2
Die reellen Zahlen
2.4
Supremumseigenschaft, Vollständigkeit
Definition 2.14. s ∈ R heisst obere (untere) Schranke der Menge M ⊂ R falls
s ≥ x (s ≤ x) ∀x ∈ M .
Definition 2.15. s ∈ R ist das Supremum der Menge M ⊂ R (s = sup M ) falls
es die kleinste obere Schranke ist. D.h.
• s ist die obere Schranke
• falls s0 < s, dann ist s0 keine obere Schranke.
Beispiel 2.16. M =]0, 1[. In diesem Fall sup M = 1 6∈ M
Beispiel 2.17. M = [0, 1]. sup M = 1 ∈ M
Definition 2.18. s ∈ R heisst Infimum einer Menge M (s = inf M ) falls s die
grösste obere Schranke ist.
Definition 2.19. Falls s = sup M ∈ M , nennt man s das Maximum von M .
Kurz: s = max M . Analog Minimum.
Satz 2.20. Falls M ⊂ R nach oben (unten) beschränkt ist, dann existiert sup M
(inf M ).
Beweis. Wir konstruieren eine Intervallschachtelung In , so dass bn eine obere
Schranke ist, und an keine obere Schranke ist.
• I1 = [a1 , b1 ], wobei b1 eine obere Schranke
• a1 ist keine obere Schranke
Sei In gegeben.
In+1 =

an +bn

falls
 an , 2

 an +bn
2
, bn
an +bn
2
eine obere Schranke ist;
sonst .
Also, ∃s s.d. s ∈ In ∀n.
Wir behaupten dass s das Supremum von M ist.
• Warum ist s eine obere Schranke?
Angenommen ∃x ∈ M so dass x > s. Man wähle |In | < x − s. Daraus
folgt
x − s > bn − an ≥ bn − s =⇒ x > bn
Widerspruch.
• Warum ist s die kleinste obere Schranke?
Angenommen ∃s0 < s. Dann wähle n0 so dass In0 < s − s0 .
s − s0 > bn0 − an0 ≥ s − an0 =⇒ an0 > s0
Widerspruch.
Lemma 2.21. Jede nach oben (unten) beschränkte Menge M ⊆ Z mit M 6= ∅
besitzt das grösste (kleinste) Element.
Beweis. OBdA betrachte nur nach unten beschränkte Mengen M ⊂ N . Angenommen M hat kein kleinstes Element. Mit der Vollständigen Induktion beweisen wir dass M = ∅.
• 0 6∈ M , sonst ist 0 das kleinste Element;
10
3
Komplexe Zahlen
• Angenommen dass {0, 1, . . . , k} ∩ M = ∅, wir schliessen auch {0, 1, . . . , k +
1} ∩ M = ∅, sonst ist k + 1 das kleinste Element von M .
Vollständige Induktion =⇒ {0, . . . , n} ∩ M = ∅ ∀n ∈ N. D.h. M ∩ N = ∅.
Satz 2.22. Q ist dich in R, bzw. für beliebige zwei x, y ∈ R, y > x, gibt es eine
rationelle Zahl q ∈ Q, so dass x < q < y.
Beweis. Man wähle n ∈ N so dass n1 < y − x. Betrachte die Menge A ⊆ Z, so
dass M ∈ A =⇒ M > nx. Lemma 2.21 =⇒ ∃m = min A.
x<
Also setze q =
2.5
m−1
1
m
=
+ <x+y−x=y
n
n
n
m
n
Abzählbarkeit
Definition 2.23. Die Mengen A & B sind gleichmächtig, wenn es eine Bijektion
f : A → B gibt. D.h. es gibt eine Vorschrift f s.d.
• f zuordnet ein Element b ∈ B jedem a ∈ A; dieses Element wird mit f (a)
bezichnet;
• f (a) 6= f (b) falls a 6= b;
• ∀b ∈ B ∃a ∈ A mit b = f (a).
(f ist eine bijektive Abbildung; siehe Kapitel 4). A hat grössere Mächtigkeit als B,
falls B gleichmächtig wie eine Teilmenge von A ist, aber A zu keiner Teilmenge
von B gleichmächtig ist.
• {1, 2} & {3, 4} sind gleichmächtig.
Beispiel 2.24.
• {1, 2, · · · , n} hat kleinere Mächtigkeit als {1, 2, · · · , m}, wenn n < m ist.
Definition 2.25. Eine Menge A ist abzählbar, wenn es eine Bijektion zwischen
N und A gibt D.h. A = {a1 , a2 , · · · , an , · · · }.
Lemma 2.26. Z ist abzählbar
Beweis.
N
Z
1
0
2
1
3
-1
4
2
5
-2
...
...
Formal, definiere
f :N→Z
(
f (n) :=
n
2
1−n
2
wenn n gerade
wenn n ungerade
Satz 2.27. Q ist abzählbar
Satz 2.28. R ist nicht abzählbar.
(Für die Beweise siehe Kapitel 2.4 von K. Königsberger Analysis I).
3
Komplexe Zahlen
Bemerkung 3.1. ∀a ∈ R, a2 > 0. Deswegen ist x2 = −1 unlösbar. Die Erfindung
der imaginäre Einheit i (die imaginäre Zahl mit i2 = −1) hat sehr interessante
Konsequenzen auch für die üblichen reellen Zahlen.
11
3
Komplexe Zahlen
3.1
Definition
[Erste Definition der Komplexen Zahlen]
Definition 3.2. Sei a, b ∈ R, dann a + bi ∈ C. Wir definieren die Summe:
(a + bi) + (α + βi) = (a + α) + (b + β)i
und das Produkt
(a + bi)(α + βi) = (aα − bβ) + (aβ + bα) i
| {z }
A
Definition 3.3. Seien A und B zwei Mengen. Dann ist A × B die Menge der
Paare (a, b) mit a ∈ A und b ∈ B.
Definition 3.4 (Zweite Definition der Komplezen Zahlen). C = R × R mit +
und · , die wir so definieren:
(a, b) + (α, β)
=
(a + α, b + β)
(a, b)(α, β)
=
(aα − bβ, aβ + bα)
| {z }
A
Bemerkung 3.5.
R ' {(a, 0), a ∈ R} ⊂ C
In der Sprache der abstrakte Algebra R ist isomorph zu R0 := {(a, 0) : a ∈ R}:
d.h. die Summe und das Produkt in R und R0 sind “gleich”:
(a, 0) + (α, 0) = (a + α, 0)
(a, 0)(α, 0) = (aα, 0)
Deswegen wir schreiben a statt (a, 0).
Bemerkung 3.6.
(0, a)(0, b) = (−ab, 0)
Deswegen:
(0, 1)
| {z }
(0, −1)
| {z }
(0, 1) = (−1, 0)
Wurzel von -1
(0, −1) = (−1, 0)
auch eine Wurzel von -1
Bemerkung 3.7. i = (0, 1) und wir schreiben (a, b) für a + bi. D.h. die zwei
Definitionen der komplezen Zahlen sind equivalent!
Bemerkung 3.8. 0 = (0, 0) = 0 + 0i. ξ ∈ C
0ξ = 0
0+ξ =ξ
Satz 3.9. Alle Körperaxiome (K1-K4) gelten.
Beweis.
K1 Kommultativität: trivial
K2 Assoziativität: trivial
K3 Distributivität: trivial.
K4 Seien ξ, ζ ∈ C.
∃ω ∈ C :
ξ 6= 0∃ω :
Zu (11). Wir setzen
ξ = a + bi
ζ = c + di
ω = x + yi
12
ξ+ω =ζ
(11)
ξω = ζ
(12)
3
Komplexe Zahlen
ξ + ω = (a + x) + (b + y)i = ξ = c + di
Sei x := c − a, y := d − b. Dann ξ + ω = ζ.
Zu (12) 1 ( = 1 + 0i)) das neutrale Element.
(a + bi)(1 + 0i) = (a1 − b0) + (b1 + a0) = (a + bi)
| {z } | {z }
a
b
Sei ξ 6= 0 und suchen wir α so dass ξα = 1. Dann ist ω = αζ eine Lösung von
(12) (eigentlich DIE Lösung). Falls ξ = a + bi, dann
α=
a2
b
a
− 2
.
2
+b
a + b2
In der Tat:
0
1
z
ξα =
}|
b(−b)
aa
− 2
2
2
a +b
a + b2
z
{
+
}|
ab
a(−b)
− 2
2
2
a +b
a + b2
{
i = 1.
Definition 3.10. Sei ξ = (x + yi) ∈ C. Dann:
• x ist der reelle Teil von ξ (Re ξ = x)
• y ist der imaginäre Teil von ξ (Im ξ = y)
• x − yi ist die konjugierte Zahl ξ = x − yi
Bemerkung 3.11.
q
q
2
2
ξξ = (Re ξ) + (Im ξ) =: |ξ|
Definition 3.12. |ξ| ist der Betrag von ξ.
Satz 3.13. Es gilt: (∀a, b ∈ C):
•
–
a+b=a+b
–
ab = ab
•
–
Re a =
a+a
2
–
(Im a)i =
a−a
2
• a = a genau dann wenn a ∈ R.
•
aa = |a|2 =
q
2
2
(Re a) + (Im a) ≥ 0
(die Gleicheit gilt genau dann wenn a = 0)
Bemerkung 3.14. Sei ω so dass ξω = 1 (ξ 6= 0). Man schreibt ω 1ξ . Der Beweis
vom Satz 3.9 impliziert ω =
ξ
|ξ|2
Satz 3.15. ∀a, b ∈ C
• |a| > 0 für a 6= 0 (trivial)
• |a| = |a| (trivial)
• |Re a| ≤ |a|, |Im a| ≤ |a| (trivial)
13
4
Funktionen
• |ab| = |a||b|
• |a + b| ≤ |a| + |b|
Beweis.
|ab|2 = (ab)(ab) = abab = aab = |a|2 |b|2 =⇒ |ab| = |a||b|
|a + b|2 ∈ R
| {z }
=
(a + b)(a + b) = (a + b)(a + b) = aa + bb + ab + ba
(13)
|a|2 + |b|2 + ab + ba .
| {z }
=
∈R
Bemerkung: die Identität implizert dass ab + ba. In der Tat ab + ba = ab + ab =
2 Re(a)b. Deswegen
|a + b|2
4
=
|a|2 + |b|2 + 2 Re(a)b ≤ |a|2 + |b|2 + 2|ab|
=
|a|2 + |b|2 + 2|a||b| = (|a| + |b|)2 .
(14)
Funktionen
4.1
Definition
Definition 4.1. Seien A und B zwei Mengen. Eine Funktion f : A → B ist eine
Vorschrift die jedem Element a ∈ A ein eindeutiges Element f (a) ∈ B zuordnet.
Beispiel 4.2. A ⊂ R, B = R (oder C)
f (x) = x2
Definition 4.3. A ist der Definitionsbereich.
f (A) = {f (x) : x ∈ A}
ist der Wertbereich
Bemerkung 4.4. Wertbereich von x2 :
{y ∈ R : y ≥ 0}
Definition 4.5. Der Graph einer Funktion f : A → B ist
G(f ) = {(x, f (x)) ∈ A × B : x ∈ A}
Beispiel 4.6. Verboten: zwei Werte für die Stelle x.
Beispiel 4.7. f : R → R f (x) = |x|
4.2
Algebraische Operationen
Wenn B = R oder C. Seien f, g zwei Funktionen mit gleichem Definitionsbereich.
• f + g ist die Funktion h so dass h : A → B
h(x) = f (x) + g(x)
• Die Funktion f g ist k : A → B
k(x) = f (x)g(x)
14
4
Funktionen
•
f
g
ist wohldefiniert falls der Wertebereich von g in B \ {0} enthalten ist:
f (x)
f
(x) =
g
g(x)
Falls B = C, kann man auch Re f , Im f , f .
Definition 4.8. Sei f : A → B, g : B → C. Die Komposition g ◦ f : A → C.
g ◦ f (x) = g(f (x))
Bemerkung 4.9. Sei f : A → R, g : A → R. Wir definieren Ξ : A → R × R:
Ξ(a) = (f (a), g(a))
und Φ : R × R → R:
Φ(x, y) = xy
Dann
Φ ◦ Ξ(a) = Φ(Ξ(a)) = Φ ((f (a)) , g(a)) = f (a)g(a)
Also: die “algebraischen Operationen” sind “Kompositionen”.
Definition 4.10.
• Wenn f : A → B und f (A) = B dann ist f surjektiv.
• Wenn f : A → B und die folgende Eigenschaft hat:
f (x) 6= f (y)∀x 6= y ∈ A
dann ist f injektiv.
• Falls f surjektiv und injektiv ist, dann sagen wir, dass f bijektiv ist.
Bemerkung 4.11. Die bijektiven Funktionen sind umkehrbar. Sei f : A → B
bijektiv. ∀b ∃a : f (a) = b (surjektiv), a ist eindeutig (injektiv) (die Notation
für die Eindeutigkeit ist ∃!a : f (a) = b). Dann g(b) = a ist eine “wohldefinierte
Funktion”, g : B → A.
Definition 4.12. g wird Umkehrfunktion genannt. f : A → B, g : B → A,
f ◦ g : B → B, g ◦ f : A → A und
f ◦ g(b) = b ∀b ∈ B
g ◦ f (a) = a ∀a ∈ A .
(15)
Definition 4.13. Die “dumme Funktion” h : A → A mit h(a) = a ∀a ∈ A
heisst Identitätsfunktion (Id). Deswegen, (15) ⇐⇒ f ◦ g = Id und g ◦ f = Id.
4.3
4.3.1
Zoo
Exponentialfunktion
a ∈ R, a > 0. Defintionsbereich Q (momentan!):
Expa : Q → R
Expa (n) = an
(= 1 falls n = 0)
1
Expa (−n) = n
a
m
√ m
Expa
= na
n
Expa ist die einzige Funktion Φ : Q → R mit den folgenden Eigenschaften:
• Φ(1) = a
• Φ(q + r) = Φ(q)Φ(r) ∀q, r ∈ Q
Bemerkung 4.14. Später werden wir Expa auf R fortsetzen.
15
5
Folgen
4.3.2
Polynome
f (x) = an xn + an−1 xn−1 + · · · + a1 x + a0
f : R(C) 3 x 7→ f (x) ∈ R(C)
Produkt von Polynomen x 7→ f (x)g(x):
f (x)g(x)
=
(an xn + · · · + a0 ) (bm xm + · · · + b0 )
= bm an xn+m + bn an−1 xn−1+m + · · ·
=
bm an xn+m + (bm an−1 + bm−1 an ) xn+m−1 + · · · + a0 b0
= cm+n xm+n + · · · + c0 ,
wobei
ck =
X
ai bj =
k
X
ai bk−i
i=0
i+j=k
Definition 4.15. Der Grad von an xn + · · · + a0 ist n wenn an 6= 0
Satz 4.16. Sei g 6= 0 ein Polynom. Dann gibt es zu jedem Polynom f zwei
Polynome q und r so dass
g = qf + r
grad r < grad f
Beweis. http://de.wikipedia.org/wiki/Polynomdivision
Bemerkung 4.17. Sei g = x − x0 . Sei f mit Grad ≥ 1, Satz 4.16 =⇒ f =
gq + r = gq + c0 und Grad von r < 1. r ist eine Konstante r = c0 . Deswegen
f (x) = q(x)(x − x0 ) + c0
f (x0 ) = q(x0 )0 + c0 = c0
Korollar 4.18. Falls f ein Polynom ist und f (x0 ) = 0, dann ∃q Polynom so
dass f = q(x − x0 )
Das Polynom an xn + . . . + a0 mit an = . . . = 0 ist das Trivialpolynom.
Korollar 4.19. Ein Polynom P hat höchstens grad f Nullstellen falls P ist
nicht das Trivialpolynom.
Korollar 4.20. Falls f (x) = 0 ∀x ∈ R, dann ist f das Trivialpolynom.
Korollar 4.21. Falls f, g Polynome sind und f (x) = g(x) ∀x ∈ R dann sind
die Koeffizienten von f und g gleich.
Beweis. f − g ist ein Polynom mit (f − g)(x) = 0 ∀x.
Definition 4.22. Seien f, g Polynome. Dann ist
5
f
g
eine rationale Funktion.
Folgen
Definition 5.1. Eine Folge komplexer (reeller) Zahlen ist eine Abbildung: f :
N → C(bzw. R). Das heisst:
∀n ∈ N
f (n) ∈ C (bzw. R) .
Wir schreiben an für f (n)
N.B.: N ist auch eine Folge: an = f (n) = n.
Definition 5.2. Eine Folge (an ) heisst konvergent, falls ∃a ∈ C so dass:
∀ε > 0 ∃N ∈ N :
|an − a| < ε ∀n ≥ N .
16
(16)
5
Folgen
Beispiel 5.3. an = n1 ist eine konvergente Folge. Sei a = 0. Wählen wir ε >
0. Sei dann N ∈ N mit N > 1ε (diese Zahl existiert wegen des Axioms von
Archimedes!). Für n ≥ N :
1
1
1
|an | =
−0 = ≤
<ε
n
n
N
Bemerkung 5.4. Die Zahl a im Konvergenzkriterium ist eindeutig. Sie heisst
der Limes der Folge (an ).
Beweis. Seien a 6= a0 zwei relle Zahlen, die das Konvergenzkriterium (16) erfüllen.
0
|
Sei ε := |a−a
2
∃N : |an − a| < ε ∀n ≥ N
∃N 0 : |an − a0 | < ε ∀n ≥ N 0
Für n ≥ max {N, N 0 }
|a0 − a| ≤ |a0 − an | + |a − an | < 2ε = |a0 − a|
=⇒ |a0 − a| < |a0 − a| Widerspruch!
Wenn eine Folge kovergiert und die Zahl a (16) erfüllt, wir schreiben
a = lim (an )
n→+∞
oder
an → a .
Bemerkung 5.5. Sei α = A + 0, b0 b1 b2 . . . eine reelle Zahl, wobei A ∈ N und bi
die Ziffern der Dezimaldarstellung von α − A sind. Für jede n ∈ N sei
an := A + 0, b0 . . . bn
∈ Q.
Die Folge (an ) konvergiert gegen α. In der Tat, sei ε eine beliebige positive reelle
Zahl. Sei N s.d. 10N > 1ε . Für n ≥ N gilt |an − α| ≤ 10−N < ε.
Definition 5.6. Sei (an ) eine Folge und A(n) eine “Folge von Aussagen über
an ”. Wir sagen dass A(n) wahr für “fast alle” an ist, wenn ∃N so dass A(n)
stimmt ∀n ≥ N . Eine alternative Formulierung von (16) ist also:
|an − a| < ε für fast alle an
Beispiel 5.7. Sei s ∈ Q s > 0. Sei an = n1s . Dann
1
=0
lim
n→+∞ ns
1
Sei N ∈ N mit N > ε s (Axiom von Archimedes!). Dann
|0 − an | =
(NB:
1
s
1
<ε
ns
= falls n ≥ N
ist wohldefiniert weil s 6= 0. Ausserdem
1
1
1
< ε ⇐⇒ ns >
⇐⇒ n > 1
s
n
ε
εs
Beispiel 5.8. a > 0
lim
√
n
n→+∞
weil s > 0.)
a=1
Fall a > 1. Zu beweisen:
∀ε > 0 ∃N :
√
n
a − 1 < ε ∀n ≥ N ∈ N
17
5
Folgen
Sei xn =
√
n
a − 1 > 0 und n ≥ 1
a = (1 + xn )n = 1 + nxn +
n 2
n 3
xn +
x + · · · + xnn .
2
3 n
Deswegen
a ≥ 1 + nxn xn ≤
Sei ε > 0. Wähle N ≥
√
n
=⇒
a−1
für
n
a−1
ε
a − 1 = xn ≤
Fall 0 < a < 1 Wir haben
5.13(iii), unten!):
1
a
a−1
a−1
a−1
≤
< a−1 = ε
n
N
ε
> 1 und nuzten die Rechenregeln (siehe Satz
√
n
a= q
n
1
1
a
→
1
1
=1
Fall a = 1 Trivial! Die Folge ist “konstant”: an = 1∀n.
√
Beispiel 5.9. limn→+∞ n 2 = 1. Wie oben
√
xn = n n − 1
n 2
n = (1 + xn )n = 1 + nxn +
x + · · · + xnn
2 n
Hier wir nuzte die stärkere Ungleichung: (n ≥ 2)
n 2
n(n − 1) 2
n≥1+
x =1+
xn
2 n
2
r
2
2 2
2
xn ≤
=⇒ xn ≤
n
n
Sei ε > 0, wähle N so dass
r
N
> ε−1
( ⇐⇒ N > 2ε−2 )
2
Dann, für n ≥ N ,
0≥
√
n
r
n−1<
2
≤
n
r
2
<
N
s
2
2
ε2
=ε
√
=⇒ | n n − 1| < ε
√
n
Übung 5.10. Sei k ∈ N. Dann limn nk = 1.
Beispiel 5.11. Sei q ∈ C mit |q| < 1. Dann,
lim q n = 0
n→+∞
In der Tat
|q n − 0| = |q n | − |0| ≤ |q|n
Sei nun ε > 0. Da
√
n
ε → 1 und |q| < 1, ∃N s.d.
√
| n ε − 1| < 1 − |q|
∀n ≥ N
Deswegen, für n ≥ N ,
√
n
ε > 1 − (1 − |q|) = |q|
=⇒
ε > |q|n .
Übung 5.12. Sei k ∈ N und q ∈ C mit |q| < 1. Dann
lim nk q n = 0 .
n→∞
18
5
Folgen
5.1
Rechenregeln
Satz 5.13. Seien (an ) und (bn ) zwei konvergente Folgen, mit an → a und
bn → b, dann:
(ii) an + bn → a + b
(i) an bn → ab
(iii)
an
bn
→
a
b
falls b 6= 0
Beweis vom Satz 5.13(i).
|(an + bn ) − (a − b)| = |(an − a) + (bn − b)| ≤ |an − a| + |bn − b|
Sei ε > 0:
∃N :
∃N 0 :
ε
2
ε
|an − a| <
2
|an − a| <
(17)
∀n ≥ N
(18)
∀n ≥ N 0
(19)
Für n ≥ max{N, N 0 }:
|(an + bn ) − (a + b)|
(17),(18)&(19)
<
ε ε
+ = ε.
2 2
Definition 5.14. Eine Folge heisst beschränkt, falls
∃M > 0 :
|an | ≤ M
∀N .
(20)
Lemma 5.15. Eine konvergente Folge ist immer beschränkt.
Beweis. Sei an → a. Dann ∃N s.d. |an −a| < 1 ∀n ≥ N . Deswegen, |an | < |a|+1
∀n ≥ N . Wählen wir
M := max{|a0 |, . . . , |aN −1 |, |a| + 1} .
Dann |an | ≤ M ∀n.
Beweis vom Satz 5.13(ii)&(iii). (ii) Wegen des Lemmas 5.15 ∃M > 0 die (20)
erfüllt
|an bn − ab| =
|an bn − an b + an b − ab| = |an (bn − b) + b(an − a)|
≤
|an ||bn − b| + |b||an − a| ≤ M |bn − b| + |b||an − a|
(21)
Wähle
N ∈N:
N ∈ N0 :
ε
∀n ≥ N
2M
ε
|an − a| ≤
∀n ≥ N 0
2|b|
|bn − b| ≤
Für n ≥ max{N, N 0 } gilt
|an bn − ab|
(21),(22)&(22)
<
ε ε
+ =ε
2 2
(iii) Folgt aus (ii) und
1
1
→
bn
b
falls bn → b 6= 0
(22)
Um (22) zu beweisen:
1
− 1 = | b − bn | = 1 |b − bn |
bn
b
bn b
|b| |bn |
19
(23)
5
Folgen
Da |b| > 0 und bn → b,
∃N :
|bn − b| <
|b|
2
∀n ≥ N
Deswegen, für n ≥ N ,
|bn | ≥ |b| − |b − bn | ≥
und
|b|
>0
2
(24)
1
− 1 ≤ 2 |bn − b| .
bn
b |b|2
Sei ε > 0 und wähle N 0 s.d. |bn −b| < ε|b|2 /2 forall n ≥ N . Für n ≥ max{N, N 0 }
schliessen wir
1
− 1 < ε .
bn
b
Bemerkung 5.16. Falls an → a und λ ∈ C, folgt aus dem Satz 5.13(ii) dass
λan → λa: wir setzen eifach bn := λ ∀n!
Satz 5.17. Sei an → a (an ∈ C), dann:
• |an | → |a|
• a¯n → ā
• Re an → Re a
• Im an → Im a
Beweis. Die Behauptungen sind triviale Konsequenzen des Konvergenzkriteriums (16) und der folgenden Ungleichungen:
• ||an | − |a|| ≤ |an − a|
• |a¯n − ā| = |an − a|
• |Im an − Im a| ≤ |an − a|
• |Re an − Re a| ≤ |an − a|
Satz 5.18. Seien an → a, bn → b mit an ≤ bn . Dann a ≥ b.
Beweis. Sei ε > 0. Dann
∃N ∈ N :
|an − a| < ε ∀n ≥ N
∃N 0 ∈ N :
|an − a| < ε ∀n ≥ N 0
Für n = max{N, N 0 }:
b − a ≥ bn − |bn − b| − an − |a − an | ≥ (bn − an ) + 2ε ≥ 2ε .
Da ε eine beliebige positive Zahl ist, gilt b − a ≥ 0.
Satz 5.19. Seien an → a, bn → a. Sei (cn ) mit an ≥ cn ≥ bn . Dann ist (cn )
eine konvergente Folge mit cn → a
Beweis. Sei ε > 0 und wähle
N ∈N:
0
N ∈N:
|an − a| < ε ∀n ≥ N
|an − a| < ε ∀n ≥ N 0
Für n ≥ max{N, N 0 }:
a − ε < a − |a − an | ≤ an = an ≤ cn ≤ bn ≤ a + |bn − a| < a + ε .
=⇒ |cn − a| < ε .
20
5
Folgen
Beispiel 5.20. Sei s ≥ 0 und wähle k ∈ N mit k ≤ s ≤ k + 1. Sei q ∈ C mit
|q| < 1. Dann
√
√
√
n
n
nk ≤ n ns ≤ nk+1
0 ≤ ns |q|n ≤ nk |q|n .
Deswegen
5.2
√
n
ns → 1 und nk q n → 0.
Monotone Folgen
Definition 5.21. Eine Folge (an ) reeller Zahlen heisst fallend (bzw. wachsend)
falls an ≤ an−1 ∀n ∈ N (bzw. an ≥ an−1 ∀n ∈ N). Monoton bedeuted fallend
oder wachsend.
Satz 5.22. Eine monotone beschränkte Folge konvergiert.
Beweis. OBdA können wir (an ) wachsend annehmen. (Sei an fallend, dann −an
ist wachsend. Falls −an → L, dann
an = (−1)(−an ) → lim(−1) lim(−an ) = −L) .
Sei
s = sup {an : n ∈ N}
{z
}
|
=:M
Behauptung:
s = lim an
n→∞
Da an ≥ a, wir sollen beweisen dass:
∀ε > 0 ∃N :
an > s − ε
∀n ≥ N .
(25)
Sei ε > 0. Dann
∃aj ∈ M :
aj > s − ε
(sonst wäre s − ε eine obere Schranke kleinere als s). Die Folge wächst =⇒
an ≥ aj > s − ε ∀n ≥ j.
Beispiel 5.23. Die Beschräkheit impliziert nicht die Konvergenz:
an = (−1)n
5.3
Der Satz von Bolzano-Weierstrass
Definition 5.24. Sei (an ) eine Folge. Eine Teilfolge von (an ) ist eine neue Folge
bk := ank , wobei nk ∈ N mit nk > nk−1 (zum Beispiel:
a0 a1 a2 a3 a4 a5 a6
|{z}
|{z}
|{z}
b0
b1
. . .) .
b2
Satz 5.25 (Bolzano-Weierstrass). Jede berschränkte Folge (an ) (⊂ R, C) besitzt
eine konvergente Teilfolge.
Beweis. Schritt 1: Sei (an ) eine Folge reeller Zahlen. Sei I und M ∈ R so dass
I ≤ an ≤ M ∀n ∈ N. OBdA I < M , sonst ist (an ) eine konstante Folge. Wir
definieren J0 = [I, M ] und teilen es in zwei Intervallen:
J0 = [I, A0 ] ∪ [A0 , M ] A0 =
M +I
M −I
+I =
2
2
mindestens ein Intervall enthält unendlich viele an . Nennen wir dieses Intervall
J1 .
Rekursiv definieren wir eine Folge von Intervallen Jk s.d.
• Jk+1 ⊂ Jk ;
21
5
Folgen
• Die Länge `k von Jk ist (M − I)2−k ;
• jedes Intervall entält unendlich viele gliedern der Folge (an ).
Diese Folge ist eine Intervallschachtelung und deswegen ∃!L mit L ∈ Ji ∀i.
Wir wählen n0 ∈ N s.d. an0 ∈ J0 . Da J1 entält unendlich viele an , ∃n1 > n0
mit an1 ∈ J1 . Rekursiv definieren wir eine Folge natürlicher Zahlen (nk ) mit
nk+1 > nk und ank ∈ Jk . Die Folge bk := ank ist eine Teilfoge von (an ).
Ausserdem
|bk − L| ≤ `k = 2−k (M − I) ,
weil bk , s ∈ Jk . Deswegen bk → L.
∃a ∈ Jk ∀k ∈ N
∃n0 : an0 ∈ J0
J1 enthält unendlich viele an =⇒ ∃n1 > n0 mit an1 ∈ J.
Schritt 2. Sei nun ak = ξk + iζk eine beschränkte komplexe Folge. (ξk ) ist
eine beschränkte Folge reeller Zahlen. Aus dem Schritt 1 ∃(ξkj ) Teilfolge die
konvergiert. (ζkj ) ist auch eine beschränkte Folge reeller Zahlen und deswegen
besitzt eine konvergente Teilfolge (ζkjn ). Dann
bn := akjn = ξkjn + iζkjn
ist eine konvergente Teilfolge!
Definition 5.26. Falls (ak ) eine Folge ist und a der Limes einer Teilfolge, dann
heisst a Häufungswert.
Lemma 5.27. Sei (ak ) eine Folge. a Häufungswert ⇐⇒ ∀ offenes Invervall
mit a ∈ I ∃ unendlich viele ak ∈ I.
Beweis. Trivial
Definition 5.28. Wenn die Menge der Häufungswerte von (an ) (relle Folge)
ein Supremum (bzw. ein Infimum) besitzen, heisst dieses Supremum “Limes
Superior” (bzw. “Limes Inferior”) und wir nuzten die Notation
lim sup an
(bzw. lim inf an ).
n→∞
n→∞
Wenn die Folge keine obere (bzw. untere) Schranke besitzt, wir schreiben
lim sup an = ∞ (bzw. lim inf an = −∞.)
n→∞
n→∞
Bemerkung 5.29. Eine konvergente Folge hat genau einen Häufungswert, d.h.
der Limes der Folge!
Lemma 5.30. Der Limes Superior (bzw. Inferior) ist das Maximum (bzw. Minimum) der Häufungswerte, falls er enldich ist. Ausserdem eine reelle Folge
konvergiert genau dann, wenn der Limes superior und der Limes inferior gleich
und endlich sind.
Beweis. Teil 1 Sei lim supn an = S ∈ R. Zu beweisen ist dass S ein Häufungswert ist. Sei I =]a, b[ ein Intervall mit S ∈ I. Wir behaupten dass I unendlich viele Gliedern von (an ) besitzt: es folgt dann aus Lemma 5.27 dass S ein
Häufungswert ist. Da S das Supremum der Häufungswerte ist, ∃ ein Häufungswert h > a. Aber dann h ∈ I, und aus Lemma 5.27 folgt dass I unendlich viele
an enthält.
Teil 2. Sei (an ) eine Folge mit
lim inf an = lim sup an = L ∈ R .
n→∞
n→∞
Es folgt dass (an ) eine beschränkte Folge ist. Falls an nicht nach L konvergiert,
dann ∃ε > 0 und unendlich viele an mit |an −L| > ε, d.h. eine Teilfolge bk = ank
von (an ) mit |bk − L| > ε. Aus dem Satz von Bolzano-Weiestrass schliessen wir
die Existenz einer konvergenten Teilfoge von (bn ) mit Limes ` 6= L. ` ist ein
Häufungswert von (an ). Das ist ein Widerspruch weil, nach der Definition von
Liminf und Limsup, L ≤ ` ≤ L.
22
5
Folgen
5.4
Konvergenzkriterium von Cauchy
Satz 5.31. Eine Folge komplexer Zahlen konvergiert genau dann, wenn:
∀ε > 0 ∃N : |an − am | < ε ∀n, m ≥ N .
(26)
Beweis. Konvergenz =⇒ Cauchy. Sei (an ) s.d. an → a. Sei ε > 0. Dann
∃N : |an − a| <
ε
∀n ≥ N
2
Deswegen:
|an − am | = |an − a + a − am | ≤ |an − a| + |a − an | <
ε ε
+
∀n, m ≥ N
2 2
Cauchy =⇒ Konvergenz. Sei (an ) eine “Cauchy-Folge” (d.h. (26) gilt).
Bemerkung 5.32. Falls a ein Häufungswert ist, dann konvergiert die Ganze Folge
nach a!
In der Tat, sei ank eine Teilfoge die nach a konvergiert.
∀ε > 0 ∃K :
k>K
|ank − a| <
=⇒
ε
2
(27)
ε
∀m, n > N .
2
Sei nun n ≥ N . Sicher ∃nk > N mit k ≥ K. Deswegen, für n > N ,
∃N :
|ank − a| <
|a − an | = |a − ank + ank − an | ≤ |a − ank | + |ank − an |
(27)&(28)
<
(28)
ε.
Das beweist die Bemerkung 5.32.
Deswegen, um den Satz zu beweisen, es genügt die Existenz eines Häufungspunkts zu zeigen. Nach Bolzano-Weiestrass, die beschränktheit der Folge impliziert die Existenz eines Häufungspunts. Wähle nun ε = 1.
∃N̄ : |an − am | < 1 ∀n, m ≥ N̄ .
Deswegen
|an | ≤ |an − aN̄ | + |aN̄ | < |aN̄ | + 1
∀n ≥ N̄
Sei nun
M := max
|ak | : k < N̄ ∪ {|aN̄ + 1|}
Dann |an | ≤ M und die Folge ist beschränkt.
5.5
Uneigentliche Konvergenz
Definition 5.33. Sei an eine Folge von reellen Zahlen. Dann sagen wir:
• an → +∞ (oder limn→+∞ an = +∞) falls ∀M ∈ R ∃N ∈ R : an ≥ M
∀n ≥ N (d.h. an ≥ M für fast alle n ∈ R)
• an → −∞ (limn→−∞ an = −∞) falls ∀M ∈ R, an ≤ M für fast alle n.
Übung 5.34. lim supn→+∞ an = +∞ (bzw. lim inf n an = −∞) ⇐⇒ ∃ Teilfolge {ank }k∈N mit ank
k→+∞
→
+∞ (bzw. ank
k→+∞
→
−∞).
Bemerkung 5.35. Sei an eine wachsende (bzw. fallende) Folge. Dann:
• entweder konvergiert an
• oder limn→+∞ an = +∞ (bzw. limn→+∞ an = −∞)
23
6
Reihen
6
Reihen
6.1
Konvergenz der Reihen
Definition 6.1. Sei (an )n∈N eine Folge komplexer Zahlen. Wir setzen:
s0 = a0
s1 = a0 + a1
s2 = a0 + a1 + a2
···
sk :=
k
X
ai
i=0
Definition 6.2. Die (sk )k∈N ist die Folge der Partialsummen. Die Reihe ist
die Folge (sk )k∈N . Falls der Limes von sk existiert, dann limn→+∞ sn ist der
Wert der Reihe. Und wir sagen dass (sk ) eine konvergente Reihe ist.
P∞
Notation 6.3.
i=0 ai bezeichnet die Reihe und den Wert der Reihe (wenn sie
konvergiert). Wenn die Partialsumme
P eine Folge reeller Zahlen ist und sn → +∞
(bzw. −∞), dann wir schreiben
an = +∞ (bzw. −∞).
P∞
Beispiel 6.4. Sei z eine komplexe Zahl. Dann ist die Reihe n=0 z n die geometrische Reihe
(für z = 0 gilt die Konvention dass z 0 = 0).
Für |z| < 1 die geometrische Reihe konvergiert.
In der Tat:
(1 − z)(1 + z + · · · z n ) = 1 − z n+1
1 − z n+1
1−z
1
1 − zn
1
1
n
= lim
lim
−
lim z
=
n→+∞ 1 − z
n→+∞ 1 − z
1 − z n→+∞
1−z
|
{z
}
sn =
=0 weil |z|<1
Für |z| ≥ 1 die geometrische Reihe divergiert. In der Tat:
• Falls z = 1, dann sn = 1 + 1 + · · · + 1 = n + 1;
• Falls z 6= 1 gilt die Formel
(1 − z n+1 )
1−z
und sn konvergier genau dann, wenn z n konvergiert. Aber z n konvergiert
nicht, weil:
sn =
– Für z > 1 wir haben |z|n → ∞;
– Für |z| = 1(z 6= 1) wir haben
z = cos θ+i sin θ =⇒ z n = cos(nθ)+i sin(nθ)
(siehe Übung 4 Blatt 3)
mit θ ∈]0, 2π[ und es ist einfach zu sehen dass z n+1 nicht konvergiert.
P∞
Beispiel 6.5. Die bekannte armonische Reihe: n=1 n1 . In diesem Fall sn+1 ≥
sn : sn ist eine wachsende Folge So, entweder sn konvergiert nach eine reele Zahl
oder limn sn = +∞. Wir betrachten die Teilfoge s2n −1 :
s2n −1
=
1+
≥ 1+
1 1
+ +
|2 {z 3}
···
|{z}
2k−1 ≤j≤2k −1
n−1
1 1
+ =1+
2 2
2
24
···
|{z}
2n−1 ≤j≤2n −1
1
1
1
+ ··· + k + ··· + k +···
4
{z 2 }
|2
2k−1
≥ 1+
+··· +
6
Reihen
Deswegen limn s2n −1 = +∞ und die ursprüngliche Folge (sn ) konvergiert nicht!
X1
=⇒ lim sn = +∞
d.h.
= +∞
n→+∞
n
6.2
Konvergenzkriterien für reelle Reihen
Bemerkung 6.6. (gilt auch für komplexe Reihen!)
∞
X
an konvergiert =⇒ an → 0
n=0
Beweis.
P Da anP= sn+1 − sn und limn sn = limn sn+1 =
an →
an − an = 0.
P
an , wir schliessen
Übung 6.7. Beweise ganz schnell dass die geometrische Reihe nicht konvergiert
wenn |z| ≥ 1.
P∞
Bemerkung 6.8. an → 0 impliziert NIHCT dass n=0 an konvergiert! Bsp:
an = n1
P
Satz 6.9. Sei
an eine Reihe mit reellen Zahlen an ≥ 0. Dann:
• entweder ist die Folge (sn ) beschränkt und die Reihe konvergiert
P∞
• oder n=0 sn = +∞
Beweis. Trivial: (sn ) ist eine wachsende Folge.
Satz 6.10 (Konvergenzkriterium
von Leibnitz). Sei (an ) eine fallende Nullfolge.
P∞
Dann konvergiert n=0 (−1)n an (eine alternierende Reihe).
Beweis. Betrachten wir
≤0
sk − sk−2 = (−1)
k−1
z
}|
{
ak−1 + (−1) ak = (−1) (ak − ak−1 )
k
k
• sk − sk−2 ≥ 0 falls k ungerade ist
• sk − sk−2 ≤ 0 falls k gerade ist
Für k ungerade:
s1 ≤ s3 ≤ s5 ≤ · · ·
sk = sk+1 + (−1)k+1 an+1 ≤ sk+1
|{z}
|{z}
| {z } | {z }
gerade
≥0
ungerade
≥0
Für k gerade:
s0 ≥ s2 ≥ s4 ≤ · · ·
(Beweis gleich wie für ungerade)
Deswegen:
• (s2k+1 ) ist eine wachsende Folge mit s2k+1 ≤ s0 , =⇒ (s2k+1 ) ist eine
beschränkte wachsende Folge.
• (s2k ) ist eine fallende Folge mit s2k ≥ s1 , =⇒ (s2k ) ist eine monotone
fallende Folge.
Deswegen die beid Folgen konvergieren. Seien
lim s2k = Sg
lim s2k+1 = Su .
k→+∞
k→∞
Dann
Su − Sg = lim s2n+1 − lim s2n = lim (s2n+1 − s2n ) lim a2n+1 = 0
n→+∞
n→+∞
=⇒ Su = Sg =⇒
Korollar 6.11.
1−
n→+∞
lim sn = Su (= Sg )
n→+∞
1 1 1
+ − + ···
2 3 4
konvergiert
25
n→+∞
6
Reihen
6.3
Konvergenzkriterien für allgemeine (komplexe) Reihen
Bemerkung 6.12 (Cauchyches Kriterium).
giert ⇐⇒ (sn ) ist eine Cauchyfolge. ⇐⇒
P
an konvergiert ⇐⇒ (sn ) konver-
∀ε > 0 ∃N :
|an + an−1 + . . . + am+1 | = |sn − sm | < ε ∀n ≥ m ≥ N . (29)
P
Korollar
6.13 (Majorantenkriterium). Sei
an eine Reihe komplexer Zahlen
P
und Pbn eine konvergente
Reihe
nichtnegativer
reeller Zahlen. Falls |an | ≤ bn
P
P
(d.h.
bn majorisiert
an ), dann ist
an konvergent.
P
Beweis.PSeien sn die Partialsummen von an und σn die Partialsummen von
bn . Da
bn konvergiert, gilt (29):
∀ε > 0 ∃N :
bn + . . . + bm+1 = |σn − σm | < ε ∀n ≥ m ≥ N
Deswegen, für n ≥ m ≥ N :
|sn − sm | ≤ |an | + . . . + |am+1 | ≤ bn + . . . bm+1 ≤ ε.
P
Aus dem Cauchychen Kriterium folgt dass
an konvergiert.
6.4
Wurzel- und Quotientenkriterium
Definition 6.14. Eine Reihe
eine konvergente Reihe ist.
P∞
n=0
an heisst absolut konvergent, falls
P∞
a=0 |an |
Bemerkung 6.15. Majorantenkriterium ⇐⇒ die absolute Konvergent impliziert
die Konvergent.
P
Satz 6.16. (Quotientenkriterium) Sei
an eine Reihe mit an 6= 0 für fast alle
|
=
q
existiert.
Falls
n und s.d. limn→+∞ | aan+1
n
• q < 1 konvergiert die Reihe absolut.
• q > 1 divergiert die Reihe.
• q = 1 unentschieden.
Beweis.
• q > 1. 1 < q̃ =
n ≥ N . Deswegen:
1
2
+
q
2
< q.Dann ∃N so dass |an+1 | ≥ q̃|an | falls
|an | ≥ q̃|an−1 | ≥ q̃ 2 |an−2 | · · · > q̃ n−N |aN |
OBdA |aN | =
6 0
=⇒
lim |an | = +∞ =⇒
n→+∞
X
an divergiert
• q < 1. 1 < q̃ = 21 + 2q < q. ∃N so dass |an | ≤ q̃ n−N |aN | (das gleiche
Argument wie vorher).
bn = q̃ n−N |aN | = C q̃ n
bn = |an |
P
bn majorisiert
P
falls n ≥ N
falls n < N
an
X
Maj.
bn konv =⇒
X
|an | konvergiert
p
P
Satz 6.17. (Wurzelkriterium) Sei an eine Reihe und L := lim supn→+∞ n |an |
p
(“L = +∞” falls n |an | unbeschränkt ist!) Dann:
• L < 1 konvergiert die Reihe absolut
26
6
Reihen
• L > 1 divergiert die Reihe
• L = 1 unentschieden
• L<1
Beweis.
L < L̃ =
p
L 1
+ < 1 =⇒ ∃N : n |an | ≤ L̃ ∀n ≥ N .
2
2
Dann ||an || ≤ L̃n für n ≥ N und wir haben (wie oben) die absolute
Konvergenz.
• L>1
∃kn :
p
kn
|akn | → L
L 1
+ <L
2
2
p
kn
|akn | ≥ L̃
∃N : kn ≥ N =⇒
1 < L̃ =
=⇒ |akn | ≥ L̃kn → +∞ für n → +∞
X
=⇒ an 6→ 0 =⇒
an divergiert
Beispiel 6.18. Sei s ≥ 1
P
1
ns
• s = 1 harmonische Reihe: divergiert.
• s > 1 konvergiert! (eine bekannte Erfolg von Euler ist die Formel
π2
6 ).
X 1
∼ ck π 2k
|{z}
n2k
P
1
n2
=
∈Q
Bermerken Sie dass (an =
1
ns ):
an+1
= 1∀s ≥ 1
an
√
lim n an = 1∀s ≥ 1
lim
n→+∞
n→+∞
Deswegen sind die Fälle q = 1, bzw. L = 1, für das Quotientekriterium, bzw.
Wurzelrkiterum, unentschieden.
Wir habe schon gesehen
dass die harmonische Reihe divergiert. Wir beweisen
P
die Konvergenz von
an im Fall s > 1. Betrachten wir die Reihe:
1
1
1
1
1
1
1
+ s + s + s + · · · + s + · · · + ks + · · · + ks
s
1
2
2
4
4
2
2
| {z } |
{z
}
|
{z
}
n
2 mal
4 mal
2k mal.
P
P
und die entsprechenden Partialsummen sn .
bn majorisiert
an . Da bn ≥ 0,
es bleibt die beschränktheit von sn zu zeigen. In der Tat
X
bn =
s2k −1
1
2
2k−1
+ s + · · · + (k−1)s
s
1
2
2
j
∞
∞ X
X
1
1
1
≤
=
< ∞.
=
s−1
j(s−1)
2
2
1 − 2−(s−1)
j=0
j=0
=
Die Konvergenz von
P
an folgt aus dem Majorantenkriterium.
27
6
Reihen
6.5
Das Cauchyprodukt
Definition 6.19.
P
P
an und
bn . Das CP ist die Reihe
cn = a0 bn + a1 bn−1 + · · · + an b0 =
n
X
P
X
aj bn−j =
j=0
cn
aj bk
j+k=n
P
P
Satz 6.20. Falls
an und
bn absolut konvergieren, dann konvergiert das
CP absolut. Ausserdem
X X X
cn =
an
bn
NB:
c 0 = a 0 b0
c 1 = a 0 b1 + a 1 b0
c1 = a0 b2 + a1 b1 + a2 b0
...
Beweis.
sk =
k
X
aj ,
σk =
j=0
k
X
bi
i=0
sk σk =
n
n X
X
bi aj
j=0 i=0
X
cn =
ai bj ,
βk =
k
X
ck
n=0
j+i=n
k
X
X
ai bj =
n=0 i+j=n
X
ai bj
i+j≤n
Unseres Ziel ist die Differenz
βk − σk sk
abzuschätzen.
P
P∞Zuerst wir zeigen die Absolte Konvergenz: |ck | < +∞. Wir setzten Bn =
k=0 |ck | und zeigen dass (Bn ) eine beschränkte Folge ist.
N
N
X
X
X
X
|
ai bj | ≤
|ai ||bj |
Bn =
k=0 i+j≥k
=
X
k=0 i+j=k
|ai ||bj | ≤
=
i00
|ai ||bj |
i=0 j=0
i+j≤N
N
X
N X
N
X

! N
X X X
|ai |  |bj | ≤
|ai |
|bj | = LM
j=0
P
P
P
Wobei L = |ai | und M = |bj |. =⇒ (Bn ) konvergiert =⇒
cn konvergiert
absolut. Non wir beweisen dass βn − σn sn → 0.
X
N
N
X
X
N
ck |βn − σn sn | = ai
bj −
i=0 j=0
k=0
X
X
N
=
ai bj −
ai bj i=0,j=0
i+j≤N
28
6
Reihen
X
X
|ai ||bj |
ai bj ≤
= i+j>N,i,j≤N
i+j>N,i,j≤N
X
X
X
|ai ||bj | =
|ai ||bj | −
|ai ||bj |
≤
i,j≤N
N
i≤N,j≤N,i≥ N
2 ,j≥ 2
i,j< N
2
  N
 N

! N
b2c
b2c
N
X
X
X
X
|ai |  |bj | − 
|ai | 
|bj |
=
i=0
j=0
i=0
|
j=0
{z
}
ΓN
Aber:
lim ΓN =
N →+∞
∞
∞
∞
∞
X
X
X
X
|ai |
|bj | −
|ai |
|bj |
i=0
j=0
i=0
j=0
Deswegen,
lim sup |βn − sn σn | ≤ lim Γn = 0
n→∞
n→∞
und
X
cn = lim βn = lim sn σn =
n
n
6.6
X
n
an
n
X
bn .
n
Potenzreihen
Definition 6.21. Die Potenzreihen:
P
an z n , z ∈ C.
Lemma 6.22.
an z0n eine konvergente Reihe ist, dann ∀z mit |z| < |z0 |
P Falls
n
konvergiert
an z absolut.
Beweis. an z0n ist eine Nullfolge.
=⇒ ∃C : |an z0n | ≤ C
|an z n | ≤ |an z0n |
∀n
|z|n
≤ Cαn
|z0 |n
| {z }
α
|z| < |z0 | =⇒ α < 1
=⇒
P
Cαn eine konvergente Majorante.
Sei (an ) eine Folge von Koeffizienten an ∈ C. Sei
n
o
X
K := z ∈ C :
an z n konvergiert
Die Werte der Potenzreihen geben eine wohldefinierte Funktion:
K 3 z 7→ f (z) =
∞
X
an z n .
n=0
Satz 6.23. Seien
f (z) =
X
an z n , g(z) =
X
bn z n
mit Definitionsbreiche K and K 0 . Auf K ∩ K 0 :
X
f (z) + g(z) =
(an + bn )z n
X
cn z n
| {z }
f (z)g(z) =
falls z absolute Konvergenz garantiert
wobei
P
cn das Cauchy Produkt von
P
n
29
an und
P
bn ist.
7
Stetige Funktionen und Grenzwerte
Beweis. Sei
P
P
γn das CP von
an z n und bn z n .
X
X
an z n
bn z n = sumγn
=
X X
ai z i
∞ X
X
bj z j =
ai bj z i+j
n=0 i+j=n
i+j=n
=
∞
X
n=0
X
zn
ai bj
i+j=n
|
{z
=cn
}
Als ein einfaches Korollar des Wurzelkriteriums erhalten wir:
p
P
Satz 6.24 (Cauchy-Hadamard).
an z n . Sei L := lim sup n |an |. Dann
P
• |z| < L1 =⇒
an z n konvergiert absolut
P
• |z| > L1 =⇒
an z n divergiert
• |z| = 1 unentschieden
7
Stetige Funktionen und Grenzwerte
7.1
Stetigkeit
In diesem Kapitel D ist immer eine Teilmenge von R oder von C. D ⊂ R.
Definition 7.1. Seien f : D 7→ R(C) und x0 ∈ D. f heisst stetig in x0 falls
∀ε > 0, ∃δ > 0 mit
|x − x0 | < δ, x ∈ D =⇒ |f (x) − f (x0 )| < ε
(30)
Deswegen, an einer “Unstetigkeitstelle” x0 von f gibt es einer ε > 0 die die
folgende Bedingung erfüllt:
∀δ > 0
∃x ∈ ]x0 − δ, x0 + δ[ mit |f (x) − f (x0 )| ≥ ε
Beispiel 7.2. Die Polynome sind stetige Funktionen, weil Summe und Produkte
stetiger Funktionen sind auch stetig (siehe Satz 7.10).
• Die Bedingung (30) ist trivial für die Funktion f = const
Bemerkung 7.3.
• Die Bedingung (30) ist trivial für die Funktion f (x) = x
|x − x0 | < δ = ε =⇒ |f (x) − f (x0 )| = |x − x0 | < ε
Definition 7.4. Eine Funktion f : D → R(C) heisst Lipschitz(-stetig) falls
∃L ≥ 0 mit
|f (x) − f (y)| ≤ L|x − y|, ∀x, y ∈ D
(31)
(31) =⇒ (30): wähle δ =
ε
L
Korollar 7.5. g(x) := |x| ist stetig.
|g(x) − g(y)| = ||x| − |y|| ≤ |x − y|
d.h. (31) mit L = 1
Beispiel 7.6.
f
g
ist stetig falls f ,g stetig und g(x) 6= 0 ∀x ∈ D (siehe Satz 7.10).
=⇒ Rationale Funktionen
P (x)
Q(x)
sind stetig auf d = C \ {x : Q(x) = 0}
30
7
Stetige Funktionen und Grenzwerte
Beispiel 7.7. f (x) = xk , k ∈ N ist ein Polynom =⇒ f ist stetig. Sei g(x) :=
√
1
x k = k x, k ∈ N \ {0} ( g(x) ist die einzige relle Zahl y ∈ R mit y ≥ 0 und
y k = x ). x0 ∈ R, x0 ≥ 0. Wir behaupten dass f stetig in x0 ist. In der Tat:
p
√
√
| k x − k x0 | ≤ k |x − x0 |
|{z} |{z}
y
y0
⇐⇒ |y − y0 |k ≤ |y k − y0k |
oBdA y ≥ y0
k
(y − y0 ) ≤ y k − y0 k
|{z}
|{z}
| {z }
c
a
k
k
b
k
⇐⇒ a + b ≤ c = (a + b)k
≥0
z }|
{
k k−1
k
k
k
k
a + b ≤ (a + b) = a +
a
b + · · · +bk
1
Sei nun ε eine gegebene positive Zahl und wähle δ = εk .
√
p
√
√
k
|x − x0 |, x ≥ 0 =⇒ | k x − k x0 | ≤ k |x − x0 | < εk = ε
Beispiel 7.8. Sei a > 0 und f (x) = ax ∀x ∈ Q f : Q → R ist stetig! Das wird
später bewiesen, wenn wir die Exponentialfunktion auf der ganzen komplexen
Ebene definieren.
Satz 7.9. Sei f : D → R(C). Sei x0 ∈ D. Diese zwei Aussagen sind equivalent:
• f ist stetig an der Stelle x0 .
• ∀(xn ) ⊂ D mit xn → x0 haben wir f (xn ) → f (x0 )
Beweis. Sei ε > 0. f stetig in x0 =⇒ ∃δ > 0 mit |f (x) − f (x0 )| < ε falls
|x − x0 | < δ. xn → x0 =⇒ ∃N :
|xn − x0 | < δ ∀n ≥ N =⇒ |f (xn ) − f (x0 )| < ε
Andere Richtung: Nehmen wir an dass f nicht stetig ist.
=⇒ ∃ε > 0 : ∀δ > 0
∃x : |x − x0 | < δ und |f (x) − f (x0 )| ≥ ε
Sei n ∈ N \ {0}. Wir setzen δ = n1 und wähle xn mit |xn − x0 | <
|f (xn ) − f (x0 )| ≥ ε. Dann xn → x0 und f (xn ) 6→ f (x0 ).
7.2
1
n
und
Rechenregeln für stetige Funktionen
Satz 7.10. Seien f, g : D → R(C) zwei stetige Funktionen in x0 . Dann:
• f + g, f g sind stetig in x0
•
f
g
ist stetig in x0 falls f (x0 ) 6= 0.
Beweis. Sei x0 ∈ D, (xn ) ⊂ D xn → x0 (für
(xn ), x0 ⊂ D \ {x : g(x) = 0})
f
g
g(xn ) 6= 0, g(x0 ) 6= 0 weil
f (xn ) + g(xn ) →
f (x0 ) + g(x0 )
f (xn )g(xn ) →
f (x0 )g(x0 )
f (xn )
→
g(xn )
f (x0 )
g(x0 )
31
7
Stetige Funktionen und Grenzwerte
Satz 7.11. f : D → A, g : A → B. f stetig x0 und g stetig auf f (x0 ) = y0
=⇒ g ◦ f : D → B stetig auf x0 .
Beweis. x0 , (xn ) ⊂ D mit xn → x0 =⇒ f (xn ) → f (x0 ) (yn ), y0 ∈ A =⇒
| {z }
| {z }
yn
y0
• g(yn ) → g(y0 )
• g(f (xn )) → g(f (x0 ))
=⇒ g ◦ f (xn ) → g ◦ f (x0 ) =⇒ Stetigkeit von g ◦ f
Definition 7.12. Eine Funktion f : D → R(C) heisst stetig falls f stetig an
jeder Stelle x0 ∈ D ist.
Satz 7.13. Sei f : [a, b] → R(C) injektiv. Sei
B := f ([a, b]) (= {z : ∃x ∈ [a, b] mit f (x) = z})
Bemerkung 7.14. f : [a, b] → B ist bijektiv und deswegen umkehrbar.
Sei f −1 : B → [a, b] die Umkehrfunktion. Dann ist f −1 B → [a, b] stetig, falls
f stetig ist.
Beweis. Sei x0 ∈ B, (xn ) mit (xn ) ⊂ B und xn → x0 . Die Folge
?
f −1 (xn ) → f −1 (x0 )
| {z }
| {z }
=yn
=y0
(yn ) ⊂ [a, b], y0 ∈ [a, b]. Falls yn 6→ y0 , dann:
∃ε > 0 : ∀N ∈ N
∃ |{z}
n ≥ |{z}
N : |yn − y0 | ≥ ε
nk
k
nk ≥ nk−1 =⇒ Teilfolge (ynk ) : |ynk − y0 | ≥ ε
∀k ∈ N
Bolzano-Weiterstrass =⇒ ∃ Teilefolge ynkj → ȳ =⇒ ȳ 6= y0
f (ynkj ) = xnkj
Die Stetigkeit von f implies f (ynkj ) → f (ȳ). Und da xnkj → x0 sowie xnkj =
f (ynkj , heisst dass das f (ȳ) = x0 . Aber f (y0 ) = x0 und deswegen f (ȳ) = f (y0 ),
mit ȳ 6= y0 . Widerspruch mit der Injektivität von f . Deswegen f −1 (xn ) = yn →
y0 = f −1 (x0 ) =⇒ f −1 ist stetig.
1
Bemerkung 7.15. Aus diesem Satz schliessen Sie die Stetigkeit von x 7→ x k von
der Stetigkeit x 7→ xk .
Bemerkung 7.16. Für Satz 1 genügt die Stetigkeit der beiden Funktionen ander
der Stelle x0 . Für Satz 2 ähnlich. Für Satz 3 ist die Stetigkeit auf dem ganzen
D wichtig.
7.3
Zwischenwertsatz
Satz 7.17. Eine stetige Abbildung f : [a, b] → R nimmt jeden Wert γ zwischen
f (a) und f (b) an.
Beweis. oBdA f (a) ≤ f (b) und f (a) ≤ γ ≤ f (b)
I0 = [a, b] = [a0 , b0 ]
a+b
a+b
a,
,
,b
2
2
a+b
a+b
f
≥ γ =⇒ I1 = a,
= [a1 , b1 ]
2
2
32
7
Stetige Funktionen und Grenzwerte
f
a+b
2
a+b
< γ =⇒ I1 =
, b = [a1 , b1 ]
2
Rekursiv Ik = [ak , bk ] mit f (ak ) ≤ γ ≤ f (bk ), Ik+1 = [ak+1 , bk+1 ]
(
k
f ak +b
≥γ
ak , ak +bk
2
Ik+1 = ak +bk 2 ,
b
sonst
k
2
|Ik | = 2−k (b − a)
k→+∞
→
0
Intervallschachtelung =⇒ ∃!x0 mit x0 ∈ Ik ∀k.
bk ↓ x0 =⇒ f (x0 ) = lim f (bk ) ≥ γ
k→+∞
ak ↑ x0 =⇒ f (x0 ) = lim f (ak ) ≤ γ
k→+∞
=⇒ f (x0 ) = γ
Korollar 7.18. Fixpunktsatz: Sei f : [a, b] → [a, b] eine stetige Abbildung. Dann
besitzt f einen Fixpunkt, d.h.
∃x0 ∈ [a, b] : f (x0 ) = x0
Beweis. g(x) := f (x) − x
g(a) = f (a) − a ≥ 0
g(b) = f (b) − b ≤ 0
Mithilfe des oberen Satzes =⇒ ∃x0 mit
g(x0 ) = 0 ⇐⇒ f (x0 ) − x0 = 0 ⇐⇒ f (x0 ) = x0
7.4
Maxima und Minima
Satz 7.19. Sei f : [a, b] → R stetig. Dann ∃xM , xm ∈ [a, b] mit
f (xm ) ≥ f (x) ≥ f (xM ) ∀x ∈ [a, b]
Beweis. oBdA suche ich die Maximumstelle. Sei
S := sup {f (x) : x ∈ [a, b]}
(= +∞ falls {f (x) : x ∈ [a, b]} keine obere Schranke besitzt)
Falls S ∈ R, sei Sn = S − n1 . Falls S = +∞, sei S = n. In beiden Fälle =⇒
∃xn mit f (xn ) ≥ Sn
(xn ) ⊂ [a, b] =⇒ ∃ (xnk ) mit xnk → x̄
S∈R
!
=⇒ f (x̄) = lim f (xnk ) = S = max f (x) = max f
k→+∞
x∈[a,b]
[a,b]
S=+∞
=⇒ f (x̄) = lim f (xnk ) = +∞ =⇒ Widerspruch
k→+∞
Bemerkung 7.20. Sei E ⊂ R eine Menge mit der Eigenschaft ∀(xn ) ⊂ E ∃eine
Teilfolge (xnk ) x ∈ E mit
x nk → x
Ist E immer ein abgeschlossenes Intervall? Nein
E := [0, 1] ∪ [2, 3]
Sei (xn ) ⊂ [0, 1]∪[2, 3]. Dann ∃ (xnk ) die entweder in [0, 1] oder in [2, 3] enthalten
ist =⇒ ∃ eine konvergente Teilfolge.
33
7
Stetige Funktionen und Grenzwerte
Definition 7.21. Die Mengen E(⊂ R, ⊂ C) mit der Eigenschaft in der Bemerkung oben heissen kompakte Mengen.
Satz 7.22. Eine reellwertige stetige Funktion auf einem kompakten Definitionbereich besitzt mindestens eine Maximumstelle (und eine Minimumstelle).
Beweis. Gleich wie oben!
Definition 7.23. Stetigkeit an einer Stelle x:
∀ε > 0 ∃δ > 0 mit |x − y| < δ und y ∈ D =⇒ |f (x) − f (y)| < ε
{z
}
|
Stetigkeit auf D bedeutet Stetigkeit an jeder Stelle x ∈ D.
Definition 7.24. Eine Funktion f : D → R(C) heisst gleichmässig stetig falls
∀ε > 0 ∃δ > 0 s.d.
|x − y| < δ mit x, y ∈ D =⇒ |f (x) − f (y)| < ε
Beispiel 7.25. f Lipschitz
|f (x) − f (y)| ≤ L|x − y| ∀x, y ∈ D
Dann ist f gleichmässig stetig δ =
|x − y| <
ε
L
ε
ε
=⇒ |f (x) − f (y)| ≤ L|x − y| < Lδ = L = ε
L
L
Satz 7.26. Falls D eine kompakte Menge ist, ist jede stetige Funktion f : D →
R(C) gleichmässig stetig!
Beweis. (Widerspruchsbeweis) f stetig aber nicht gleichmässig. Dann ∃ε > 0 :
∀δ die ich wählen kann
∃x, y ∈ D mit |x − y| < δ und |f (x) − f (y)| ≥ ε
δ=
1
1
> 0 =⇒ ∃xn , yn mit |xn − yn | <
und |f (xn ) − f (yn )| ≥ ε
n
n
Kompaktheit =⇒ ∃xnk Teilfolge mit xnk → x ∈ D
=⇒ ynk → x ∈ D
=⇒ f (xnk ) → f (x) und f (ynk ) → f (x) =⇒ |f (xnk ) − f (ynk )| → 0
7.5
Stetige Fortsetzung, Grenzwerte
Definition 7.27. Sei f : D → R(C) stetig. Sei E > D. Eine stetige Fortsetzung
von f ist eine f˜ : E → R(C) stetig mit f (x) = f˜(x) ∀x ∈ D
Definition 7.28. g : E → A, D ⊂ E,
g|D → A bezeichnet die Funktion mit g|D (x) = g(x) ∀x ∈ D ,
d.h. die Einschränkung von g auf D.
Bemerkung 7.29. Sei f : D → R(C) stetig. Sei x0 6∈ D. Die Fragen:
(a) gibt es eine stetige Fortsetzung von f auf D ∪ {x0 }
(b) ist diese Fortsetzung eindeutig?
Definition 7.30. x0 ist ein Häufungspunkt von einer Menge E wenn ∀ε > 0 ∃
unendlich viele Punkte x ∈ E mit
|x − x0 | < ε
34
7
Stetige Funktionen und Grenzwerte
Bemerkung 7.31. x0 ist ein Häufungspunkt von E ⇐⇒ ∃(xn ) ⊂ \ {x0 } mit
xn → x0
Bemerkung 7.32. In Bemerkung 7.29, Frage (a): Falls x0 kein Häufungspunkt
von D ist: ∃ stetige Fortsetzungen. Frage (b): ∃ immer unendlich viele!
Bemerkung 7.33. Wenn x0 ein Häufungspunkt von D ist, die Antwort zur Frage
(b) ist ja. Die Antwort zur 1. ist undefiniert, manchmal ja, manchmal nein.
Definition 7.34. Sei f : D → R(C), D ⊂ R(C). Sei x0 ∈ D ein Häufungspunkt.
Der Grenzwert von f (falls er existiert) an der Stelle x0 ist die einzige Zahl
a ∈ R(C) so dass
(
f (x) x ∈ D \ {x0 }
F (x) =
a
x = x0
stetig in x0 ist.
Bemerkung 7.35. f (x0 ) = a und x0 ∈ D =⇒ f ist stetig an der Stelle x0 . Aber
nicht unbedingt f (x0 ) = a!
Satz 7.36. Die folgenden Aussagen sind äquivalent:
• limx→x0 f (x) = a
• ∀ {xn } ⊂ D \ {x0 } mit xn → x0 gilt limn→+∞ f (xn ) = 0
• ∀ε > 0 ∃δ > 0 so dass |x − x0 | < δ und x ∈ D \ {x0 } =⇒ |f (x) − a| < 0
Beweis. Die sind triviale Folgerungen der Definitionen und des Folgenkriteriums
für die Stetigkeit von f .
Satz 7.37. (Rechenregeln) f, g : D → R(C), x0 Häufungspunkt von D
lim (f + g)(x) = lim f (x) + lim g(x0 )
x→x0
x→x0
x→x0
falls die Grenzwerte existieren!
lim (f g)(x) =
x→x0
lim f (x)
lim g(x0 )
x→x0
x→x0
f
limx→x0 f (x)
(x) =
falls
g
limx→x0 f (x)
lim
x→x0
lim g(x) 6= 0
x→x0
Satz 7.38. Seien f : D → E, g : E → R(C) mit
• x0 Häufungspunkt von D und y0 = limx→x0 f (x)
• y0 ∈ E und g ist stetig and der Stelle y0
Dann:
lim g ◦ f (x) = g(y0 ) = g( lim f (x))
x→ x0
x→x0
Beweis. Wenden Sie die entsprechenden Rechenregeln für Folgen. Als Beispiel:
Teil 1 von Satz 3.Für f, g wir haben: ∀ {xn } ⊂ D \ {x0 } mit xn → x0
lim f (xn ) = lim f (x0 ) ∧ lim g(xn ) = lim g(x0 )
n→∞
x→x0
n→∞
x→x0
limx→x f (x)
limx→x g(x)
n→∞
n→∞
z }|0 { z }|0 {
=⇒ lim (f + g)(xn ) = lim f (xn ) + lim g(xn )
n→∞
Satz 7.36
=⇒
lim (f + g)(x) = lim f (x) + lim g(x)
x→x0
x→x0
x→x0
Definition 7.39. Falls f : D → R und x0 ein Häufungspunkt von D ist, dann:
35
8
Exponentialfunktion
• limx→x0 f (x) = +∞(−∞) falls ∀ {xn } ⊂ D \ {x0 } mit xn → x0 gilt
limn→+∞ f (xn ) = +∞ (bzw. −∞)
Ähnlich f : D → C und:
• D ist nicht nach oben beschränkt. Wir schreiben limx→+∞ f (x) = a genau
dann, wenn ∀ {xn } ⊂ D mit xn → ∞ gilt limn→+∞ f (xn ) = a
gleich wenn D nicht nach unten beschränkt ist. limx→−∞ f (x) = a Ähnlicherweise handelt man die Fälle
lim f (x) = ±∞
x→+∞
lim f (x) = ±∞
x→−∞
Definition 7.40. Seien D ⊂ R, f : D → R(C) und x0 ein Häufungspunkt von
]−∞, x0 [ ∩ D. Dann limx↑x0 f (x) = a falls
∀ {xn } ⊂ D ∩ ]−∞, x0 [ mit xn → x
gilt
lim f (xn ) = a
n→+∞
Man schreibt auch
lim f (x) = a
x→x−
0
Falls x0 ein Häufingspunkt von D ∩ ]x0 + ∞[ ist
!
lim f (x) = a
lim f (x)
x→x+
0
x↓x0
falls ∀ {xn } ⊂ D ∩ ]x0 , +∞[ mit xn → x0 gilt f (xn ) → a. Ähnlich definiert man
limx→x± f (x) = ±∞.
0
Beispiel 7.41. Stetigkeit:
lim f (x) = f (x0 )
x→x0
• ∃ limx→x0 f (x) 6= f (x0 ) =⇒ f in x0 nicht stetig ist
• limx→x0 f (x) = +∞: die Funktion f in x0 hat eine Asymptote.
8
Exponentialfunktion
√
m
Sei a ∈ R a > 0. Dann aq = a n = n m, für jede q = m
n ∈ Q. Ziel dieses Kapitel
ist die Funktion az auf der ganzen komplexen Ebene zu definieren.
8.1
Existenz und Eindeutigkeit
Satz 8.1. ∃! Exp : C → C mit folgenden Eigenschaften:
(AT) Additionstheorem Exp(z + w) = Exp(z) Exp(w)
(WT) Wachstum limz→0
Für Exp wissen wir:
P∞
• Exp(z) = n=0
Exp(z)−1
z
=1
zn
n!
∀z ∈ C
n
∀z ∈ C
• Exp(z) = limn→+∞ 1 + nz
• Exp ist stetig und falls e = Exp(1) dann eq = Exp(1) ∀q ∈ R, wobei
n
X 1
1
e=
= lim
1+
n! n→+∞
n
36
8
Exponentialfunktion
Bemerkung 8.2. Kernidee: Wir suchen eine Funktion Exp(z) = f (z) mit den
Eigenschaften (AT) und (WT)
nz z
z
z (AT) z n
f (z) = f
=f
= f
+ + ··· +
(32)
n
n n
n
n
Wir definieren
f
Für n → +∞
z
n
z
n
=1+
zn
n
z
−1
zn = n f
n
d.h.
→ 0 und aus (WT) schliessen wir
f nz − 1
lim zn = z lim
=z
z
n→+∞
n→+∞
(33)
n
Aus (32) folgt
zn n
zn n
=⇒ f (z) = lim 1 +
f (z) = 1 +
n→+∞
n
n
(34)
Dürfen wir, wegen (33), zn durch z in (34) ersetzen? Die Antwort ist im nächsten
Lemma enthalten
Lemma 8.3. Fundamentallemma: ∀ {zn } ⊂ C mit zn → z gilt:
zn n
z n X z n
lim 1 +
= lim 1 +
=
n→∞
n→∞
n
n
n!
P zn
Bemerkung 8.4.
n! konvergiert auf C (und konvergiert deswegen absolut)
Beweis. Das Kriterium von Hadamand:
1
R :=
lim supn→+∞
Das bedeutet:
q
= +∞
1
n!
r


n gerade






1
=0
n!
n
n! ≥ n(n − 1) · · ·
+ 1 n2 · 1 ≥
|
{z 2
}

n ungerade






n! ≥ n(n − 1) · · ·
|
{z
n
lim
n→+∞
n
2
n+1
2
Deswegen
√
n
n! ≥
n + 1 n−1
·1≥
2 } 2
n
2
n2
n+1
2
n+1
2
≥
n
2
n2
n 1/n
√
2
n 2
n
= √
→∞
n
2
2
Beweis des Fundamentallemmas. Es genügt zu beweisen dass
∞
zn n X z k lim sup 1 −
−
=0
n
k! n→+∞ n=0
|
{z
}
An
n k
∞
X
n zn X z k |An | = −
k nk
k! k=0
k=0
Sei M ∈ N und M ≤ n. Dann
M n
∞
X
X
X
n znk
z k n |zn |k
|z|k
|An | ≤ −
+
+
k
k
k n
k! k n
k!
k=0
k≥M +1
k=M +1
|
{z
} |
{z
}
{z
} |
Bn
Cn
37
D
8
Exponentialfunktion
n!
n(n − 1) · · · (n − k + 1) znk
n ak,n
znk
=
=
k nk
(n − k)!k! nk
nn{z
···n
|
} k!
| {z }
k mal
k
zn
lim ak,n
n→∞
1
= lim 1 1 −
n→+∞
n
k−1
··· 1 −
n
znk
zk
=
k!
k!
(35)
lim sup |An | ≤ lim sup Bn + lim sup Cn + D
n→+∞
n→+∞
n→+∞
| {z }
=0,aus(35)
Abschätzung für Cn :
n
X
Cn =
k=M +1
1
k−1
|zn |k
1 1−
··· 1 −
k!
n
n
|zn | konvergiert nach |z| =⇒ ∃R ≥ 0 mit |zn | ≤ R
n
X
Cn ≤
k=M +1
∞
X
lim sup |An | ≤
n→+∞
k=M +1
|zn |k
≤
k!
k=M +1
∞
X
n→+∞
n→+∞
=
M
X
Rk
k!
k=0
lim
∞
X
Rk
∞
X
Rk
M →+∞
k!
k=0
k=0
k!
−
∞
X
|z|k
≤2
k!
k=M +1
Rk
k!
Rk
=0
k!
k=M +1
=
Rk
k!
k=M +1
∞
X
Rk
+
k!
lim sup
weil lim sup
∞
X
=⇒
k=0
(37)
∞
X
lim
M →+∞
M
X
Rk
(36)
!
k=M +1
Rk
k!
!
=0
k!
Deswegen, (36)& (37) =⇒ lim supn |An | = 0.
Beweis vom Satz 8.1: Teil 1. Das Fundemantallemma und die Bemerkung 8.2
=⇒ Falls eine Funktion mit der Eigenschaft (AT) und (WT) existiert, dann
gilt:
∞
z n X z k
Exp(z) = lim 1 +
=
n→+∞
n
k!
k=0
Die Eindeutigkeit und die zwei bemerkenswerte Darstellungen der Exponentialfunktion sind deswegen schon bewisen. Für die Existenz, wir definieren
Exp(z) =
∞
X
zk
k=0
k!
= lim
n→+∞
1+
z n
n
(AT) gilt:
z n
w n
lim 1 +
n→∞
n n→∞
n
n
n
z
w
z + w zw
= lim
1+
1+
= lim 1 +
+ 2
n→∞
n→∞
n
n
n
n


αn
}|
{
z
zw 

n
z+w+

z+w
n 
 Fundamentallemma
=
lim
1
+
= lim 
1
+

n→∞ 
n→∞
n
n


Exp(z) Exp(w) = lim
= Exp(z + w)
1+
(da
38
αn → (z + w))
8
Exponentialfunktion
Ausserdem, sei
e = Exp(1)
lim
n→∞
1
1+
n
n
∞
X
1
=
k!
!
k=0
Exp(q + s) = Exp(q) Exp(s) ∀q, s ∈ Q
(Zur Erinnerung: Falls f : Q → R erfüllt f (1) = a > 0 und f (q + s) = f (q)(s).
Dann f (q) = aq ∀q ∈ Q.) Setze
f : Exp =⇒ Exp q = eq ∀q ∈ Q
Um den zweiten Teil vom Satz 8.1 zu beweisen brauchen wir noch:
P
Lemma 8.5. Sei
an z n eine Potenzreihe mit Konvergenzradius
R > (R =
P
+∞ falls die Reihe überall konvergiert). Dann ist f (z) =
an z n eine stetige
Funktion auf {|z| < R} (C falls R = +∞).
Beweis vom Satz 8.1 Teil 2. Lemma =⇒ Stetigkeit von Exp. Ausserdem:
Exp z − 1
=1
z
P∞ k
∞
1 + k=1 zk! − 1 X z k−1
Exp(z) − 1
=
=
= G(z)
z
z
k!
lim
z→0
k=1
Die Reihe, die G definiert hat Konvergenzradius +∞. Deswegen ist G stetig.
=⇒ lim
z→0
Exp(z) − 1
= lim G(z) − G(0) = 1
z→0
z
. Wir schliessen dass (WT) gilt.
Beweis vom Lemma 8.5. Zu beweisen: Sei z0 mit |z0 | < R
Stetigkeit in z0 ⇐⇒ lim z → z0 f (z) = f (z0 )
∞
X
⇐⇒ lim
z→z0
D.h., wir hätten gern lim und
(Übung: Finden sie ak,n
∞
X
k=0
an z n =
n=0
∞
X
an z0n
n=0
P
zu vertauschen. Allgein ist das unmöglich
∞
X
∈ R ∀k lim ak,n = an (k, n ∈ N) aber lim
ak,n 6=
n→∞
n→∞
n=0
ak ).
Sei zk → z0 .
A
z
}|k
{
∞
∞
X
X
lim sup |
an zkn −
z0n |
k→+∞ n=0
n=0
M
M
∞
∞
X
X
X
X
n
n
≤ lim sup an zk −
an z0 + lim sup
|an ||zkn | +
|an ||z0 |n
k→+∞
k→+∞
n=0
n=0
n=M
n=M
Sei ρ mit |z0 | < ρ < R. Da zk → z0 : |zk | < ρ, falls k gross genug ist.
lim sup Ak ≤ 0 + 2
k→+∞
Aber
lim sup
M →+∞
∞
X
|an |ρn
n=M +1
∞
X
|an |ρn = 0
n=M +1
39
8
Exponentialfunktion
P
weil n |an |ρn eine konvergente Reihe ist (siehe den Beweis vom Fundamentallemma!)
!
!
∞
∞
X
X
n
n
=⇒ lim f (zn ) =
zk an = f (z0 ) =
z0 an =⇒ lim f (z) = f (z0 )
k→∞
n=0
z→z0
n=0
Bemerkung 8.6. Wir haben die folgenden Abschätzungen benutzt:
∞
∞
X
X
ξn −
ζn n=0
n=0
!
N
X
= lim
ξn − ζn N →∞
n=0
)
N
( M
X
X
(ξn − ζn )
≤ lim (ξn − ζn ) + N →∞ n=0
n=M +1
N
M
X
X
(ξn − ζn )
=
(ξn − ζn ) + lim N →∞ ≤|
n=0
n=M +1
M
X
N
X
(ξn − ζn )| + lim
n=0
=|
M
X
N →∞
8.2
∞
X
(ξn − ζn )| +
n=0
(|ξn | + |ζn |)
n=M +1
|ξn | +
n=M +1
∞
X
|ζn |
n=M +1
Die Exponentialfunlktion auf der reellen Gerade
Satz 8.7. Die Funtion R 3 x 7→ ex ∈ R ist
1. positiv
2. monoton steigend
3. bijektiv (falls R durch R+ ersetzt wird).
Beweis.
1.
x
x
x
ex = e 2 + 2 = (e 2 )2 ≥ 0
ex = 0 ist nicht möglich, sonst wäre exq = 0 für alle q ∈ Q und, wegen der
Dichtheit der rationalen Zahlen und der Stetigkeit von f , ex ≡ 0.
2.
h
ex+h
= eh = 1 + + · · · > 1
x
e
1!
3. z.z.: ∀y ∈ R+
∃x : ex = y
Falls y ≥ 1
ZWS
e0 = 1 ≤ y ≤ ey =⇒ ∃x : ex = y
Falls 0 < y < 1, dann betrachte
1
y
∃x : ex =
>1
1
=⇒ e−x = y
y
40
8
Exponentialfunktion
Satz 8.8 (vom Wachstum).
ex
= +∞
x→∞ xn
lim
lim xn ex = 0
x→−∞
Beweis.
ex >
x
xn+1
ex
x→∞
=⇒ n >
→ ∞
(n + 1)!
x
(n + 1)!
xn ex =
8.3
n
xn
n (−x) x→∞
=
(−1)
→ ∞
e−x
e−x
Natürlicher Logarithmus
Definition 8.9. ln : R+ → R ist die Inverse der exponentiellen Funktion.
Satz 8.10.
ln(xy) = ln x + ln y
Beweis.
eln(xy) = xy = eln x eln y = eln x+ln y
=⇒ ln(xy) = ln x + ln y
Satz 8.11 (vom Wachstum 2).
ln x
lim √
=0
n
x
x→∞
Beweis.
ln x
ln eny
ny
√
√
=
= y
n ny
n
e
x
e
∃y : x = eny
ln x
→0
y → ∞ =⇒ √
n
| {z }
x
⇐⇒ x→∞
Satz 8.12.
lim
x→0
Beweis.
ln(1 + x)
=1
x
ln(1 + x)
ln ey
y
= lim y
= lim y
=1
x→0
y→0
y→0
x
e −1
e −1
lim
Bemerkung 8.13. ln : R+ → R ist stetig
Bemerkung 8.14. y =
m
n
∈ Q, n ∈ N, a > 0
√
n
an =
m
= ey ln a
n
Warum?
f (1) = eln a = a
f (q + r) = f (q)f (r)
f :Q→R
=⇒ ay = ey ln a
41
8
Exponentialfunktion
Definition 8.15. a > 0, z ∈ C
az := ez ln a
Satz 8.16.
1.
ax+y = ax ay (x, y ∈ C)
2.
(ax )y = axy (x, y ∈ R)
3.
(ab)x = ax bx
Beweis.
1.
ax+y = w(x+y) ln a = ex ln a+y ln a = ex ln a ey ln a = ax ay
2. ähnlich
3. ähnlich
Satz 8.17.
1.
2.


∞
a
lim x = 1
x→∞


0
a>0
a=0
a<0


0
lim xa = 1
x→0


∞
a>0
a=0
a<0
3.
(
a
lim x =
x→∞
a≥0
a<0
+∞
0
4.
xa ex = +∞
5.
ax − 1
ln a
x→0
x
lim
Beweis.
1.
Bild(x 7→ xa ) = R+ =⇒ lim xa = +∞
x→∞
a = 0 trivial a > 0
xa =
1
→0
x−a
(Wegen −a > 0 und x−a → ∞)
2. folgt aus 1 durch die Substitution x 7→
wachsend.
1
x.
1 Falls a > 0, xa monoton
3. a ≥ 0 offensichtlich, a < 0: ∃n ∈ N, a < − n1 , −a >
xa ln x =
ln x
ln x
< 1
−a
x
xn
42
Satz 8.11
→
1
n
0
8
Exponentialfunktion
4. a > 0 trivial, a < 0, ∃n ∈ N so dass a > −n (−a < n)
ex
ex
> n
−a
a
x
xa ex =
5. lim
x→0
Satz 8.8
→
∞
a−1
= ln a
x
→1
z }| {
ax − 1
ex ln a − 1
ex ln a − 1
=
=
ln a →x→0 ln a
x
x
x ln a
8.4
Trigonometrische Funktionen
Definition 8.18. Falls φ die Grösse eines Winkels (in Radianten) ist, dann
cos(φ) und sin(φ) sind die entsprenchenden Werte des Cosinus und Sinus. Wir
erweitern diese Funktionen auf der ganzen reellen Gerade:
cos(φ) := cos(φ − 2πn)
falls 2πn ≤ φ < 2π(n + 1)
sin(φ) := sin(φ − 2πn)
falls 2πn ≤ φ < 2π(n + 1)
Satz 8.19. Für φ klein genug gilt:
1.
|sin φ| ≤ |φ| ≤
|sin φ|
cos φ
2.
1 − cos φ ≤ φ2
Proof.
1. Die Grösse des Winkelns in Radianten ist die Länge des entsprechenden Kreissektors (auf einem Kreis mit Radius 1): diese ist grösser als
die Länge des (kleineren) Katheten.
2.
1 − cos φ =
Korollar 8.20.
1 − (cos φ)2
sin2 φ
(1 − cos φ)(1 + cos φ)
=
≤
≤ φ2
1 + cos φ
1 + cos φ
1
1.
sin φ
=1
φ→0 φ
lim
2.
1 − cos φ
=0
φ→0
φ
lim
3. sin und cos sind stetig.
Beweis.
1.
1
|sin φ|
≤
≤1
cos φ
φ
2.
0≤
1 − cos φ
≤ |φ|
|φ|
3. Additionsregeln
cos(x + y) = cos x cos y − sin x sin y
sin(x + y) = sin x cos y + cos x sin y
43
8
Exponentialfunktion
Satz 8.21 (von Euler).
ex+iy = ex (cos x + sin y)
∀x, y ∈ R
Beweis. Definiere f (z) = ex (cos x + sin y). f erfüllt (AT) und (WT) im Satz 8.1
(AT) folgt aus den Additionsregeln
(WT) 2 Spezialfälle:
– z=x∈R
f (z) − 1
ex − 1
= lim
=1
z→0
x→0
z
x
lim
– z = iy
lim
z→0
=
f (z) − 1
cos y + i sin y − 1
= lim
y→0
z
iy
1
cos y − 1 1
i sin y
1
1
lim
+ lim
= 0+ i=q
y→0
y→0
i
y
i
y
i
i
Der allgemeine Fall wird im Übungsblatt behandelt.
Bemerkung 8.22. (Was hat Euler gemacht?) Wegen der Taylor’schen Reihen:
cos y =
∞
X
(−1)k
k=0
sin y =
∞
X
(−1)k
k=0
y 2k
(2k)!
y 2k+1
(2k + 1)!
das wussten die Mathematikern schon vor Euler seinen Satz entdeckte: man
kann diese Reihen mit der Differentialrechnung bestimmen (und werden wir
später lernen). Wenn man die Formel
ez :=
∞
X
zk
k=0
k!
für z = iy anwendet:
eiy =
∞
X
(iy)k
k=0
k!
=
∞
X
∞
X
y 2k
y 2k+1
+i
(−1)k
(2k)!
(2k + 1)!
k=0
{z
} |
{z
}
(−1)k
k=0
|
cos y
sin y
=⇒ eiy = cos y + i sin y
eiπ = −1 → die berühmte Formel von Euler.
8.5
Noch andere spezielle Funktionen
Wir definieren zuerst den Tangens:
tan =
sin
cos
Der Definitionsbereich dieser Funktion ist die reele Gerade ohne die Nullstellen
des Cosinus,
o
nπ
tan : R \
+ kπ; k ∈ N
→ R
|2
{z
}
Die Nullstellen des Cosinus
Geometrisch leicht zu sehen:
h π πi
sin : − ,
→ [1, 1]
2 2
ist injektiv und surjektiv.
44
9
Differentialrechnung
Die Umkehrfunktion heisst arcsin:
h π πi
.
arcsin : [−1, 1] → − ,
2 2
Analog ist
cos : [0, π] → [−1, 1]
bijektiv.
Die Umkehrfunktion heisst arccos:
arccos : [−1, 1] → [0, π]
Auch der Tangens eingeschränkt auf dem geeigneten Intervall ist bijektiv:
i π πh
→R
tan : − ,
2 2
Die Surjektivität folgt aus der Stetigkeit und
lim tan(x) = ±∞ .
x→± π
2
Die Injektivität werden wir später sehen (siehe Bemerkung 9.23).
i π πh
arctan : R → − ,
2 2
ist die Umkehrfunktion.
Endlich wir definieren die hyperbolischen Funktionen:
sinh(t) =
et − e−t
2
et + e−t
2
sinh(t)
tanh(t) =
cosh(t)
cosh(t) =
(NB: Der Definitionsbereich von tanh ist die ganze reelle Gerade, weil cosh(t) >
0 ∀t ∈ R).
Bemerkung 8.23.
cosh2 (t) − sinh2 (t) = 1
Nun, ∀t ∈ R, (cos t, sin t) gehört dem Kreis mit Radius 1 und Mittelpunkt 0.
Die Punkten (cosh t, sinh t) liegen auf einer Hyperbel.
9
Differentialrechnung
Eine affine Funktion f : R → R hat die Gestalt:
f (t) = c0 + m0 x .
Die Konstante m0 (die Steigung der Gerade) ist leicht zu rechnen:
m0 =
f (t2 ) − f (t1 )
,
t2 − t1
wobei t1 6= t2 sind zwei beliebige reelle Zahlen. f heisst linear wenn c0 = 0.
45
9
Differentialrechnung
9.1
Die Ableitung
Wir suchen die beste Approximation von f in der Nähe von einer Stelle x0
mit einer affinen Funktion g, d.h. die Tangente zum Graphen von f im Punkt
(x0 , f (x0 )). Manchmal gibt es keine gute Approximation mit einer affinen Funktion (z.B. f (x) = |x| und x0 = 0). Falls ξ eine andere Stelle im Definitionsbereich
von f ist, die Gerade
g(x) = f (x0 ) +
f (ξ) − f (x0 )
(x − x0 )
ξ − x0
enthält die Punkten (x0 , f (x0 )) und (ξ, f (ξ)). Wenn ξ − x sehr klein ist, diese
Gerade ist “fast” die Tangente im (x0 , f (x0 )).
Definition 9.1. Sei f : [a, b] → R(C). Die Ableitung an der Stelle x0 von f ist
f (x0 + h) − f (x0 )
f (x0 + h) − f (x0 )
0
=
,
f (x) = lim
h↓0
h
(x0 + h) − x0
falls der Limes exisitiert. Die Funktion heisst differenzierbar an der Stelle x0 ,
wenn die Ableitung f 0 (x0 ) existiert.
Satz 9.2. f : I → C ist in x0 genau dann differenzierbar, wenn ∃L : R → C
linear so dass
f (x0 + h) − f (x0 ) − L(h)
lim
=0
h→0
h
Beweis.
L linear ⇐⇒ ∃m0 ∈ C : L(h) = m0 h ∀h ∈ R
Wir betrachten
f (x0 + h) − f (x0 ) − L(h)
lim
= lim
h→0
h→0
h
und
lim
h→0
f (x0 + h) − f (x0 )
− m0
h
f (x0 + h) − f (x0 )
h
(38)
(39)
Der Limes in (38) existiert und verschwindet genau dann, wenn der Limes in
(39) existitiert (d.h. f differenzierbar im x0 ist) und gleicht m0 (d.h. m0 =
f 0 (x0 )).
Satz 9.3. f : I → C ist in x0 ∈ I genau dann differenzierbar, wenn es ein
φ : I → C gibt so dass
• φ ist stetig in x0
• f (x) − f (x0 ) = φ(x)(x − x0 )
Ausserdem, φ(x0 ) = f 0 (x0 ).
Beweis. ∃φ =⇒ die Differenzierbarkeit von f .
φ(x0 )
(Stetigkeit)
f (x) − f (x0 )
=
lim φ(x) = lim
x→x0
x→x0
x − x0
f (x0 + h) − f (x0 )
= f 0 (x0 ) .
h
Die Differenziberkaeit =⇒ ∃φ. Wir setzen:
(
f 0 (x0 )
falls x = x0
φ(x) = f (x)−f (x0 )
.
falls x 6= x0
x−x0
= lim
h→0
φ erfüllt die Bedingungen.
46
9
Differentialrechnung
Beispiel 9.4. f (x) = xn
(x0 + h)n − xn0
h→0
h
n
x0 + n1 xn−1
+ n2 xn−2
h2 + · · · + hn − xn0
0
0
= lim
h→0
h
n n−2
n−1
lim nxn−1
+
x
h
+
·
·
·
+
h
= nxn−1
0
0
h→0
2 0
f 0 (x0 ) = lim
Beispiel 9.5. f (x) = ex
ex0 +h − ex0
h→0
h
f 0 (x0 ) = lim
eh − 1
= ex0
h→0
h
= ex0 lim
Übung 9.6. f (x) = ax
f 0 (x0 ) = ln(a)ax
Beispiel 9.7. f (x) = ln x
ln(x0 + h) − ln(x0 )
h
ln x0x+h
0
=
h


ln 1 + xh0
 1 = 1
=  lim
h
h→0
x0
x0
x
f 0 (x0 ) =
0
Bemerkung 9.8. Falls f in x0 differenzierbar ist, dann ist f auch stetig in x0 .
f stetig im x0 ⇐⇒ lim f (x) = f (x0 ) ⇐⇒ lim (f (x) − f (x0 )) = 0
x→x0
x→x0
⇐ lim
x→x0
f (x) − f (x0 )
x − x0
(x − x0 ) = f 0 (x0 ) · 0 = 0
Bemerkung 9.9. Umgekehrt falsch. Sei f (x) =
p
n
|x|. Für n ≥ 2:
lim
f (x) − f (0)
= +∞
x−0
lim
f (x) − f (0)
= ±1 .
x−0
x→0
n = 1:
x→0
f ist nicht differenzierbar im 0 (aber im x0 6= 0 ist
9.2
p
n
|x| differenzierbar).
Rechenregeln
Satz 9.10. Seien f, g : I → C differenzierbar in x0 .
• f + g ist auch differenzierbar in x0 :
(f + g)0 (x0 ) = f 0 (x0 ) + g 0 (x0 )
• f g ist auch differenzierbar in x0 :
(f g)0 (x0 ) = f 0 (x0 )g(x0 ) + f (x)g 0 (x0 )
47
9
Differentialrechnung
•
f
g
ist in der Nähe von x0 wohldefiniert wenn g(x0 ) 6= 0. Ausserdem ist
dort differenzierbar.
f 0 (x0 )g(x0 ) − f (x0 )g 0 (x0 )
f
<
(x0 ) =
g
g(x0 )2
Beweis.
f
g
•


g 0 (x0 )
f 0 (x0 )




}|
{
}|
{
z
z



(f + g)(x0 + h) − (f + g)(x0 )
f (x0 + h) − f (x0 ) g(x0 + h) − g(x0 ) 
lim
= lim
+

h→0
h→0 
h
h
h






•
(f g)(x0 + h) − (f g)(x0 )
h→0
h
f (x0 + h)g(x0 + h) − f (x0 + h)g(x0 ) + f (x0 + h)g(x0 ) − f (x0 )g(x0 )
= lim
h→0
h
f (x0 + h) − f (x0 )
g(x0 + h) − g(x0 )
+ g(x0 )
= lim f (x0 + h)
h→0
h
h
lim
= f (x0 )g 0 (x0 ) + g(x0 )f 0 (x0 )
(NB: Wir haben benutzt dass f und g stetig im x0 sind).
•
lim
f (x0 +h)
g(x0 +h)
−
f (x0 )
g(x0 )
h
h→0
= lim
h→0
f (x0 + h)g(x0 ) − f (x0 )g(x0 + h)
[g(x0 )g(x0 + h)] h
f (x0 + h)g(x0 ) − f (x0 + h)g(x0 + h) f (x0 + h)g(x0 + h) − f (x0 )g(x0 + h)
+
h
h
1
g(x0 + h) − g(x0 )
f (x0 + h) − f (x0 )
= lim
f (x0 + h) −
+ g(x0 + h)
h→0 g(x0 )g(x0 + h)
h
h
1
= lim
h→0 g(x0 )g(x0 + h)
=
1
{f (x0 )(−g 0 (x0 )) + g(x0 )f 0 (x0 )}
g(x0 )2
f
g
Satz 9.11 (Kettenregel). Seien I → J → C (mit I, J ⊂ R Intervalle), differenzierbar an der Stelle x0 und f (x0 ). Dann ist g ◦f an der Stelle x0 differenzierbar
und
(g ◦ f )0 (x0 ) = g 0 (f (x0 ))f 0 (x0 )
Beweis. Die Kernidee wäre:
g ◦ f (x0 + h) − g ◦ f (x0 )
h→0
x − x0
lim
= lim
h→0
g(f (x0 + h)) − g(f (x0 ))
x − x0
y
y
z }| {
z }|0 {
g(f (x0 + h)) − g(f (x0 ))) f (x0 + h) − f (x0 )
= lim
h→0
f (x0 + h) − f (x0 )
x − x0
| {z } | {z }
y
0
y0
0
= g (y0 )f (x0 ) = g 0 (f (x0 ))f 0 (x0 )
Diese Gleichungen sind aber kein Beweis weil y − y0 kann null werden. Lösung:
f (x) − f (x0 ) = φ(x)(x − x0 )
g(x) − g(x0 ) = γ(x)(x − x0 )
mit:
48
9
Differentialrechnung
• φ stetig in x0 und φ(x0 ) = f 0 (x0 );
• γ stetig in y0 mit γ 0 (y0 ) = g 0 (y0 ).
Deswegen:
g(f (x)) − g(f (x0 )) = γ(f (x))(f (x) − f (x0 )) = γ(f (x))φ(x)(x − x0 )
|
{z
}
Φ(x)
Φ ist stetig an der Stelle x0 . =⇒ g ◦ f ist differenzierbar in x0 . Ausserdem,
(g ◦ f )0 (x0 ) = Φ(x0 ) = γ(f (x0 ))φ(x0 ) = g 0 (f (x0 ))f 0 (x0 ) .
Beispiel 9.12.
(cos x)0 =
eit = cos t + i sin t
1
eix + e−ix
i
i
=
(eix )0 + (eix )0 = eix + e−ix
2
2
2
2
=−
1 ix
(e − e−ix ) = − sin x
2i
Analog
0
(sin x) =
eix − e−ix
2i
0
= · · · = cos x .
NB: Die Identität (eix )0 = ieix ist nicht eine Folgerung des Satzes 9.11 sein, weil
die Werte der Funktion f : x 7→ ix sind nicht in R enthalten (und im Satz 9.11
gibt es die Annahme f : I → J ⊂ R). Es gibt tatsächlich eine Erweiterung des
Satzes 9.11 die auch den Fall (eix )0 enthält (siehe die Theorie der holomorphen
Funktionen). In unserem Fall folgt die Identität (eix )0 = ieix aus der Wachstum
Identität der Exponentialabbildung (siehe (WT) im Satz 8.1):
ei(x+h) − eix
eih − 1
eih − 1
= eix lim
= eix i lim
= eix .
h→0
h→0
h→0
h
h
ih
lim
Beispiel 9.13.
tan0 =
sin
cos
0
=
sin0 cos − sin cos0
sin2 + cos2
1
=
=
2
2
cos
cos
cos2
Satz 9.14. [Differentiation der Umkehrfunktion] Sei g die Umkehrfunktion einer streng monotonen Funktion f : I → R. Falls f in x0 differenzierbar ist und
f 0 (x0 ) 6= 0, dann ist g in y0 = f (x0 ) differenzierbar und
1
1
0
g (y0 ) =
= 0
f (x0 )
f (g(y0 ))
Beweis.
f (x) − f (x0 ) = φ(x)(x − x0 )
wobei
• φ ist stetig in x0
• φ(x0 ) = f 0 (x0 )
x = g(y)
x0 = g(y0 )
=⇒
y − y0 = φ(g(y))(g(y) − g(y0 ))
g(y) − g(y0 ) =
1
(y − y0 )
φ(g(y))
49
falls φ(g(y)) 6= 0.
9
Differentialrechnung
Aber:
φ(g(y0 )) = φ(x0 ) = f 0 (x0 ) 6= 0
φ ist stetig in x0 und g ist stetig in y0 =⇒ φ(g) ist stetig in y0
∃ε > 0 : |y − y0 | < ε =⇒ φ(g(y)) 6= 0
Sei
(
ψ=
1
φ(g(y))
g(y)−g(y0 )
y−y0
|y − y0 | < ε
|y − y0 | > ε
=⇒ g(y) − g(y0 ) = ψ(y)(y − y0 )
und ψ ist stetig an der Stelle y0 . g ist differenzierbar in y0 und deswegen
ψ(y0 ) = g 0 (y0 )
=
1
1
1
1
=
= 0
= 0
φ(g(y0 ))
φ(x0 )
f (x0 )
f (g(y0 ))
Bemerkung 9.15. Sei f : I → R streng monoton und stetig. Sei g die Umkehrfunktion von f g : J → I. Angenommen dass beide Funktionen differenzierbar
sind, die Kettenregel impliziert
(f ◦ g)0 (x0 ) = f 0 (g(x0 ))g 0 (x0 ) = 1 .
1
. Das ist aber kein Beweis
Falls f 0 (g(x0 )) 6= 0, wir schliessen g 0 (x0 ) = f 0 (g(x
0 ))
vom Satz 9.14, da die Differenzierbarkeit von g angenommen und nicht bewiesen
wird.
Beispiel 9.16. (Übung: arcsin’, arccos’)
1
6= 0
cos2 (y0 )
tan0 (y0 ) =
(arctan)0 (x0 ) =
1
=
tan (arctan(x0 ))
0
1
1
cos2 (arctan(x0 ))
= cos2 (arctan(x0 ))
1
cos2 =
1 + tan2
cos2 (arctan(x0 )) =
=
1
1+
sin2
cos2
=
cos2 + sin2
cos2
!
= cos2
1
1
=
2
1 + (tan(arctan(x0 )))
1 + x20
=⇒ arctan0 (x) =
9.3
1
1
1 + x2
Die Sätze von Rolle und Lagrange
Satz 9.17. Sei f : I → R eine überall differenzierbare Funktion. Sei x0 ∈ I ein
Maximum (bzw. ein Minium)
• x0 im Inneren =⇒ f 0 (x0 ) = 0
• x0 ist das rechte Extremum von I =⇒
f 0 (x0 ) ≥ 0
bzw. bei Minima:
f 0 (x0 ) ≤ 0
50
9
Differentialrechnung
• x0 ist das linke Extremum von I =⇒
f 0 (x0 ) ≤ 0
bzw. bei Minima:
f 0 (x0 ) ≥ 0
Beweis. x0 im Innern.

≤0

}|
{
z



f
(x)
−
f
(x
)

0
limx↓x0
≤0


x − x0

| {z }

≥0
≤0

}|
{
z



f
(x)
−
f
(x
)

0

≥0
limx↑x0

x − x0


| {z }

≤0
Deswegen f 0 (x0 ) = 0. x0 ist das linke Extremum und eine Maximumstelle:
f 0 (x0 ) = lim
x↓x0
f (x) − f (x0 )
≤ 0.
x − x0
Die anderen Fälle sind ähnlich.
Satz 9.18 (Mittelwertsatz, Lagrange). Sei f [a, b] → R stetig (überall) und
differenzierbar in ]a, b[. Dann ∃ξ ∈]a, b[ mit
f 0 (ξ) =
f (b) − f (a)
b−a
Satz 9.19 (Rolle). Sei f wie oben mit f (b) = f (a). Dann ∃ ξ : f 0 (ξ) = 0.
|{z}
∈]a,b[
Der Satz von Rolle ist ein Fall des Satzes von Lagrange. Aber wir werden
zuerst den Satz von Rolle beweisen und dann den von Lagrange daraus schliessen.
Beweis vom Satz 9.19.


∃x ∈]a, b[ mit f (x) < f (b)
f (b) = f (a) =⇒ ∃x ∈]a, b[ mit f (x) > f (b)


f (x) = f (b) ∀x ∈]a, b[
Dritte Möglichkeit =⇒ f ist Konstant!
f 0 (ξ) = 0 ∀ξ ∈]a, b[
Erste Möglichkeit =⇒ Sei x0 eine Maximumstelle von f in [a, b]
=⇒ x0 ∈]a, b[ (weil f (x0 ) > f (a) = f (b)) =⇒ f 0 (x0 ) = 0
Zweite Möglichkeit: Sei x0 eine Maximumstelle:
x0 ∈]a, b[ =⇒ f 0 (x0 ) = 0
Beweis vom Satz 9.18. Sei
g(x) = f (a) +
x−a
(f (b) − f (a))
b−a
g(b) = f (b) und g(a) = f (a) =⇒ Sei h := f − g. h(a) = 0, h(b) = 0.
Satz von Rolle
=⇒
∃ξ ∈]a, b[ mit h0 (ξ) = 0
=⇒ f 0 (ξ) − g 0 (ξ) =
51
f (b) − f (a)
.
a−b
9
Differentialrechnung
Korollar 9.20. Sei f : [a, b] → R eine differenzierbare Funktion.
• f 0 ≥ 0 =⇒ f ist wachsend.
• f 0 > 0 =⇒ f ist wachsend, streng monoton.
• f 0 ≤ 0 =⇒ f ist fallend.
• f 0 < 0 =⇒ f ist fallend, streng monoton.
Beweis. Seien c < d ∈ [a, b]
Mittelwertsatz
=⇒
∃ξ ∈]c, d[ mit
f (d) − f (c) = f 0 (ξ) (d − c)
| {z }
>0
≥ 0 im ersten Fall, > 0 im zweiten Fall, usw.
Korollar 9.21. Sei f :]a, b[→ R differenzierbar. Falls:
• f 0 (x) < 0 ∀x > x0
• f 0 (x) > 0 ∀x < x0
dann ist x0 das Maximum von f auf ]a, b[.
Korollar 9.22. Sei f :]a, b[→ R differenzierbar mit f 0 ≡ 0. Dann f = konst.
Beispiel 9.23. tan ist streng monoton auf ] − π2 , π2 [:
tan0 =
1
>0
cos2
NB: tan ist nicht monoton auf R \ π2 + kπ : k ∈ Z , weil (z.B.) −1 = tan − π4 <
1 = tan π4 > −1 = tan 3π4. In diesem Fall ist Korollar 9.20 nicht anwendbar,
weil { π2 + kπ : k ∈ Z} kein Intervall ist.
9.4
Anwendugen des Mittelwertsatzes: Schrankensatz und
De L’Hôpitalsche Regel
Satz 9.24 (Schrankensatz). Sei f : [a, b] → R stetig (überall) und differenzierbar
in ]a, b[ mit
|f 0 (ξ)| ≤ M
∀ξ ∈]a, b[ .
Dann ist f Lipschitzstetig und
|f (y) − f (x)| ≤ M |x − y|
∀x, y ∈ [a, b] .
Beweis. ∀y 6= x (OBdA: y > x)
∃ξ ∈]x, y[⊂]a, b[: f (y) − f (x) = f (ξ)(y − x)
=⇒ |f (y) − f (x)| = |f 0 (ξ)||y − x| ≤ M |y − x|.
Die bekannte Funktionen die wir schon gesehen haben sind alle Differenzierbar mit stetigen Ableitungen. Deswegen, wenn eingeschränkt auf einem geschlossenen Intervall, ist die Ableitung beschränkt. Der Schrankensatz impliziert
dann die Lipschitzstetigkeit.
Satz 9.25 (Cauchy). Seien f, g : [a, b] → R überall stetig und differenzierbar in
]a, b[. Ausserdem g 0 (x) 6= 0 ∀x ∈]a, b[. Dann
f (b) − f (a)
f 0 (ξ)
∃ ξ :
= 0
.
|{z} g(b) − g(a)
g (ξ)
∈]a,b[
52
9
Differentialrechnung
Bemerkung 9.26. Der Mittelwertsatz ist ein Fall des Satzes von Cauchy: setzen
wir g(x) = x. Dann g 0 (x) = 1 ∀x und deswegen:
f (b) − f (a)
f (b) − f (a)
f 0 (ξ)
f 0 (ξ)
=
= 0
=
= f 0 (ξ) .
b−a
g(b) − g(a)
g (ξ)
1
Beweis. Wie der Satz von Lagrange auch der Satz von Cauchy kann man auf
dem Satz von Rolle herleiten. Wie setzten:
F (x) = f (x) −
f (b) − f (a)
(g(x) − g(a))
g(b) − g(a)
Rolle
F (a) = f (a) = F (b) =⇒ ∃ξ : F 0 (ξ) = 0 =⇒ f 0 (ξ) =
f (b) − f (a) 0
g (ξ) .
g(b) − g(a)
Satz 9.27 (De L’Hospitalsche Regel). f, g :]a, b[→ R überall differenzierbar und
mit g(x), g 0 (x) 6= 0 ∀x ∈]a, b[. In jeder dieser Situationen:
1. f (x) → 0, g(x) → 0 für x ↓ a
2. f (x), g(x) → +∞ (bzw. −∞) für x ↓ a
Falls limx↓a
f 0 (x)
g 0 (x)
existiert (oder ±∞ ist), dann
lim
x↓a
f 0 (x)
f (x)
= lim 0
x↓a g (x)
g(x)
Die entsprechenden Aussagen gelten auch für Grenzprozesse mit x ↑ b und x →
±∞.
Eine grobe Idee wie so dieser Satz gilt: nehmen wir an dass die Funktionen
f und g auch in a definiert und differenzierbar sind, mit f (a) = g(a) = 0; dann,
wenn |x − a| klein ist,
f (x)
= f 0 (a)(x − a) + R
g(x)
= g 0 (a)(x − a) + R0
wobei R und R0 ziemlich klein im vergleich mit |x − a| sind. Deswegen,
f (x)
f 0 (a)
∼ 0
.
g(x)
g (a)
Wenn die Ableitungen von f und g stetig wären, dann
f (x)
f 0 (x)
∼ 0
.
g(x)
g (x)
Beweis.
1. OBdA f (a) = 0, g(a) = 0 =⇒ f und g sind stetig auf [a, b[.
Verallgemeinerter Mittelwertsatz:
∀x ∈]a, b[ ∃ξ ∈]a, x[:
f (x)
f (x) − f (a)
f 0 (ξ)
=
= 0
g(x)
g(x) − g(a)
g (ξ)
x → a =⇒ ξ → a
lim
x↓a
f (x)
f 0 (ξ)
= lim 0
ξ↓a g (ξ)
g(x)
53
9
Differentialrechnung
2. Wir nehmen zusätzlich an dass
lim
ξ↓0
f 0 (ξ)
∈ R.
g 0 (ξ)
0
(x)
(ξ)
∈ R. Wir schätzen | fg(x)
− A| ab für x in der Nähe von a.
Sei A := fg0 (ξ)
Für jede y < x mit y ∈]a, b[ schreiben wir
f (x)
f (x) − f (y) 1 −
=
g(x)
g(x) − g(y) 1 −
g(y)
g(x)
f (y)
f (x)
(40)
Sei ε eine gegebene positive Zahl. Wählen wir ein δ > 0 so dass
0
f (ξ)
∀ξ ∈]a, a + δ[
f 0 (ξ) − A < ε
(41)
Für jede a < y < x < a + δ, sei ξ die Stelle des Satzes von Cauchy. Dann:
f (x) f (x) − f (a + δ) f (x) − f (a + δ) f (x)
g(x) − A ≤ g(x) − g(x) − g(a + δ) + g(x) − g(a + δ) |
{z
} |
{z
}
=B
Aus (41) folgt C < ε. Aus (40):

f (x) − f (a + δ) 1 −

B = 1−
g(x) − g(a + δ
=C
 − f (x) − f (a + δ) g(x) − f (a + δ) g(a+δ)
f (x) − f (a + δ) 1 − g(x)
= −
1
f
(a+δ)
g(x) − g(a + δ) 1 −
f
(x)
|
{z
}
|
{z
}
≤|A|+ε
g(a+δ)
g(x)
f (a+δ)
f (x)

→0 für x↓a
=⇒ ∃δ∗ so dass für |x−a| < δ∗, B < ε. Sei nun x s.d. x−a < min {δ, δ∗}.
Dann
f (x)
g(x) − A < 2ε
Um den Beweis zu beenden, es bleibt zu tun:
• x ↓ a, Situation 2., aber
lim
x↓a
f 0 (x)
= +∞(−∞).
g 0 (x)
Der Beweis ist in diesem Fall ganz ähnlich zum obigen Beweis, aber anstatt
f (x)
< 2ε
f`‘ur x − a klein genug
−
A
g(x)
ist das Ziel
f (x)
>M
g(x)
f“ur x − a klein genug
(wobei M eine beliebige reelle Zahl ist).
• x ↑ b. Dieser Fall ist trivial.
• x → +∞. In diesem Fall, setzen wir
1
F (y) = f
und
y
Dann
G(y) = g
1
.
y
f (x)
F (y)
F 0 (y)
= lim
= lim 0
x→∞ g(x)
y↓0 G (y)
y↓0(=:a) G(y)
f 0 y1 − y12
f 0 y1
f 0 (x)
= lim = lim 0
= lim x→∞ g (x)
y↓0 0 1
y↓0 0 1
g y
− y12
g y
lim
54
9
Differentialrechnung
Beispiel 9.28.
ex
ex
= lim
= +∞
x→∞ x
x→∞ 1
lim
Beispiel 9.29.
ex
ex
ex
ex
=
lim
=
lim
=
·
·
·
=
lim
= +∞
x→∞ nxn−1
x→∞ n(n − 1)xn−2
x→∞ n!
x→∞ xn
lim
Beispiel 9.30.
lim
x→0
1
1
−
x sin x
= lim
x→0
sin x − x
cos x − 1
= lim
x→0 sin x + x cos x
x sin x
→0
z }| {
− sin x − 0
= lim
=0
x→0 cos x − x sin x + cos x
|
{z
}
→2
9.5
Differentation einer Potenzreihe
Aus den Rechenregeln für die Ableitung wissen wir:
P (x) = an xn + an−1 xn−1 + · · · + a0
P 0 (x) = nan xn−1 + (n − 1)an−1 xn−2 + · · · + a1
Sei nun f durch eine Potenzreihe definiert, mit einem nichttrivialen Konvergenzradius:
∞
X
f (x) =
an xn
n=0
Könnten wir schliessen dass f auf ihrem Definitionsbereich differenzierbar ist?
Ausserdem, gilt die Formel
?
f 0 (x) =
∞
X
nan xn−1
n=1
P∞
Satz 9.31. Sei n=0 an xn = f (x) eine Potenzreihe mit Konvergenzradius R
(> 0, auch R = +∞ möglich). Falls |x0 | < R, dann ist f in x0 differenzierbar
und
∞
X
f 0 (x0 ) =
nan xn−1
n=1
(falls R = +∞, f ist überall differenzierbar, auf R!)
Bemerkung 9.32. Der Satz von Cauchy-Hadamard gibt
R=
1
lim supn→∞
√
n
an
n−1
Nun,
∞n=1
konvergiert für x = 0 und für x 6= 0 konvergiert genau
nx
Pna
∞
dann, wenn n=0 nan xn konvergiert. Der Konvergenzradius ist deswegen:
P
R0 =
1
lim supn→∞
√
n
nan
=
1
lim supn→∞
√
n
an
= R.
Wir wollen nun noch ein Mal das Lemma 6.22 schauen. Dieses Lemma sagt
dass, wenn eine Potenzreihe an einer Stelle x0 konvergiert, dann konvergiert
sie auch an jeder Stelle x mit |x| < |x0 |. Aber die Kernidee des Beweis dieses
Lemma hat auch andere Konsequenzen.
55
9
Differentialrechnung
Definition 9.33. Sei I = [a, b] ein abgeschlossenes Intervall und f : I → R eine
stetige Funtion. Dann
kf kC 0 (I) = max |f (x)| .
x∈I
Definition 9.34. Sei IPein abgeschlossenese Intervall und fn : I → R eine Folge
von Funktionen. Falls n fn (x) an jeder Stelle x ∈ I konvergiert, koennten wir
eine neue Funktion definieren:
I∈x
7→
f (x) =
∞
X
fn (x) ∈ R .
n=0
Für diese neue Funktion schreiben wir f =
nen.
Falls jede fn stetig ist und
∞
X
P
n
fn , d.h. eine Reihe von Funktio-
kfn kC 0 (I) < ∞ ,
n=0
dann sagen wir dass die Reihe
P
n
fn konvergiert normal.
Eine Potenzreihe ist ein dann ein Beispiel einer Reihe von Funktionen. Der
Beweis vom Lemma 6.22 impliziert dass eine Potenzreihe im Inneren des Konvergenzkreis normal konvergiert.
P
Lemma 9.35. Sei an xn eine Potenzreihe mit Konvergenzradius R. Sei ρ < R
und I = [−ρ, ρ]. Die Potenzreihe konvergiert normal auf I.
Beweis. ρ < R Sei x0 mit ρ < |x0 | < R. Dann
X
|an ||x0 |n konvergiert
Deswegen ist |an ||x0 |n eine Nullfolge und
∃M :
|an ||x0 |n ≤ M
∀n
Sei nun fn (x) := an xn . Dann
kfn kC 0 (I) = max |fn (x)| = max |an ||x|n = |an |ρn
|x|≤ρ
|x|≤ρ
≤ |an ||x0 |n
n
ρ
≤ M γn .
|x0 |
| {z }
γ
Aber γ < 1 und aus dem Majorantenkriterium folgt:
∞
X
kfn kC 0 (I) < ∞ .
n=0
P
P
Sein nun n fn = n an xn eine Potenzreihe wie im Satz 9.31. Sei R der
entsprechende Konvergenzradius und ρ eine beliebige positive reelle Zahl mit
ρ < R. Aus der Bemerkung 9.32 und dem Lemma 9.35 schliessen wir:
1. ∀fn ist differenzierbar
P
P 0
2.
fn und
fn sind beide normal konvergent auf I = [ρ, ρ].
Dann Satz 9.31 folgt aus der folgenden allgemeineren Aussage.
P
Theorem 9.36. Sei
fn eine Reihe von Funktionen auf einem abgeschlossenen Intervall I. Falls:
P
1.
fn (x) ∀x ∈ I konvergiert,
56
9
Differentialrechnung
2.
P
fn0 normal konvergent ist
dann ist f überall differenzierbar mit f 0 =
P
fn0 .
Beweis. Sei x ∈ I. Die Differenzierbarkeit an dieser Stelle bedeutet:
f (x + h) − f (x)
0
lim − f (x) = 0 .
h→0
h
Deswegen müssen wir beweisen dass
∞ X f (x + h) − f (x)
n
n
0
lim − fn (x) = 0 .
h→0 h
h=0
|
{z
}
Für jede N ∈ N und jede h mit x + h ∈ I gilt:
X
N ∞
X
fn (x + h) − fn (x)
fn (x + h) − fn (x)
0
D≤
− fn (x) + − fn (x) h
h
n=0
|
{z
} |n=N +1
{z
}
A
B
Sei ε > 0 gegeben. Wir zeigen dass ∃N ∈ N und ∃h̄ > 0 s.d.
A<
ε
2
und
B<
ε
2
∀h mit |h| < h̄.
Zuerst wählen wir N .
∞
X
fn (x + h) − fn (x) 0
B≤
+ |fn (x)|
h
n=N +1
Schrankensatz
≤
∞
n
o
X
kfn0 kC 0 (I) + kfn0 kC 0
n=N +1
=
∞
X
2 kfn0 kC ◦ (I)
n=N +1


bN →b
b


z
}|
{


z
}|
{




∞
N
X

X
0
0
=2
kfn kC ◦ (I) −
kfn kC ◦ (I)




n=0
n=0





ε
für N gross genug .
2
Eigentlich, diese Wahl von N garantiert dass A < ε/2 für jede h.
Nun wählen wir h̄.
N X fn (x + h) − fn (x)
0
A=
− fn (x) → 0
für h → 0
h
n=0 |
{z
}
<
→0
Deswegen, ∃h̄ > 0 s.d. A < ε/2 wenn |h| < h̄.
9.6
Ableitungen höherer Ordnung und Taylorreihe
Definition 9.37. Eine Funktion f ist 2 mal differenzierbar an einer Stelle x ∈ I
wenn:
• f 0 existiert ∀y ∈ J, wobei x ∈]a, b[ ↔ x ∈ Innern von J, J = [x, b̃[ falls
I = [x, b[ und J =]ã, x] falls I =]a, x])
• f 0 ifferenzierbar in x ist.
57
9
Differentialrechnung
(f 0 )0 (x) =: f 00 (x)
sist die Ableitung zweiter Ordnung
Induktiv: f n-mal differenzierbar in x falls:
• f (n−1) (d.h. die Ableitung n − 1-ter Ordnung von f ) in einer Umgebung
von x existiert
• f (n−1) differenzierbar in x ist.
0
f (n) (x) := f (n−1) (x)
ist die Ableitung n-ter Ordnung.
Eine Funktion heisst belieb mal differenzierbar auf I falls die Ableitung aller
Ordnungen auf jeder Stelle existieren.
P∞
Bemerkung 9.38. f (x) = n=0 an xn mit Konvergenzradius R. Dann ist f beliebig mal differezierbar auf ] − R, R[. Ausserdem, könnten wir f (k) (x) wie folgt
bestimmen:
∞
X
f (k) (x) =
n(n − 1)(n − 2) · · · (n − k + 1)an xn−k
n=k
Es folgt dass
f (0) = a0
f 0 (0) = a1
f (k) (0) = k!ak
Definition 9.39. Eine Funktion f heisst analytisch an einer Stelle x0 , falls auf
einem Intervall ]x0 − ρ, x0 + ρ[ gilt
X
f (x) =
an (x − x0 )n
Die Bemerkung 9.38 hat deswegen die folgende Konsequenz:
Korollar 9.40. Sei f analytisch in x0 . Dann ∃ρ > 0 s.d.:
• f beliebig mal differenzierbar auf I =]x − ρ, x + ρ[ ist
• f (x) =
P
∞n=0 f
(n)
(x0 )
(x
n!
− x0 )n ∀x ∈ I.
Aber Vorsicht: Beliebig mal differenzierbar 6 =⇒ analytisch!
Beispiel 9.41.
x0 = 0
f (x) = e = f (x) = f 00 (x) = · · · =⇒ f (k) (x) = ex
x
0
=⇒ f n (0) = 1 =⇒ ex =
9.7
X xk
k!
Konvexität
http://de.wikipedia.org/wiki/Konvexe_und_konkave_Funktionen
Definition 9.42. Eine f : I → R heisst konvex, wenn: ∀x1 < x2 ∈ I
f (x) ≤
streng konvex
konkav
streng konkav
x − x1
x2 − x
f (x2 ) +
f (x1 ) = g(x) ∀x ∈]x1 , x2 [
x2 − x1
x2 − x1
<
≥
>
(42)
in (42)
Bemerkung 9.43. Allgemein, die Konvexit—’at impliziert nicht die Differenzierbarkeit. Nehmen Sie z.B. f (x) = |x| auf R.
58
9
Differentialrechnung
Satz 9.44. Sei f : I → R stetig und differenzierbar im Inneren
f konvex ⇐⇒ f 0 (x1 ) ≤ f 0 (x2 ) ∀x1 < x2
f streng konvex ⇐⇒ f 0 (x1 ) < f 0 (x2 ) ∀x1 < x2
Korollar 9.45. Sei f wie im Satz 9.44 aber 2-mal differenzierbar im Inneren
f konvex ⇐⇒ f 00 ≥ 0
f streng konvex ⇐ f 00 > 0
Beispiel 9.46. Sei f (x) = x4 . f ist streng konvex und f 00 (x) = 12x2 . Deswegen
f 00 (0) = 0
Bemerkung 9.47. Sei f differenzierbar überall und 2 mal differenzierbar ain
einer Stelle x0 mit f 0 (x0 ) = 0. Falls
• f 00 (x0 ) > 0 =⇒ x0 ist ein lokales Minimum
• f 00 (x0 ) < 0 =⇒ x0 ist ein lokales Maximum
Nehmen z.B. dass f 0 (x0 ) = 0, f 00 (x0 ) > 0. Dann ∃ε so dass
f 0 (x) > 0 ∀x ∈]x0 − ε, x0 [
und
f 0 (x) < 0 ∀x ∈]x0 , x0 + ε[
In der Tat,
lim
x→x0
f ‘(x)
f 0 (x) − f 0 (x0 )
= f 00 (x0 ) =⇒ lim
= f 00 (x0 ) > 0
x→x0 x − x0
x − x0
=⇒ ∃ε :
f 0 (x)
> 0 ∀x ∈]x0 − ε, x0 + ε[\ {x0 }
x − x0
=⇒ f 0 (x) > 0 ∀x ∈]x0 , x0 + ε[
=⇒ f 0 (x) < 0 ∀x ∈]x0 − ε, x0 [.
Lemma 9.48.
(42) ⇐⇒ f (λx1 + (1 − λ)x2 ) ≤ λf (x1 ) + (1 − λ)f (x2 ) ∀x1 < x2 ∀λ ∈]0, 1[
Beweis. x1 < x2
x2 − x
x − x1
f (x1 ) +
f (x2 ) ∀x ∈]x1 , x2 [
x2 − x1
x2 − x1
f (x) =
Wir setzen λ =
(43)
x2 −x
x2 −x1
∀x ∈]x1 , x2 [ =⇒ λ =
x2 − x
∈]0, 1[
x2 − x1
∀λ ∈]0, 1[ =⇒ x = λx1 + (1 − λ)x2 ∈]x1 , x2 [
x2 − x
λ=
⇐⇒ λ(x2 − x1 ) = x2 − x ⇐⇒ x = λx1 + (1 − λ)x2
x2 − x1
Wir schliessen dass die Abbildung
]0, 1[3 λ 7→ λx1 + (1 − λx2 ) ∈]x1 , x2 [
bijektiv ist. Deswegen wir können λ statt x in der Identität (43) nutzen. Aber
λ=
x2 − x
x2 − x
6 x2 − x1 − 6 x2 + x
x − x1
⇐⇒ 1 − λ = 1 −
=
=
x2 − x1
x2 − x1
x2 − x1
x2 − x1
Deswegen ist (43) equivalent zu
f (λx1 + (1 − λ)x2 ) ≤ λf (x1 ) + (1 − λ)f (x2 )
59
9
Differentialrechnung
Lemma 9.49. f : I → R ist genau dann konvex wenn für jedes Tripel x1 <
x < x2 ∈ I die folgende Ungleichung gilt:
f (x2 ) − f (x)
f (x) − f (x1 )
≤
x − x1
x2 − x
(44)
f ist genau dann streng konvex wenn für jedes Tripel x1 < x < x2 die echte
Ungleichung in (44) gilt.
Beweis.
f (x) − f (x1 )
f (x2 ) − f (x)
≤
x − x1
x2 − x
1
1
f (x1 )
f (x2 )
⇐⇒ f (x)
+
≤
+
x − x1
x2 − x
x − x1
x2 − x
x2 − x + x − x1 (x2 − x)(x − x1 )
⇐⇒ f (x)
(x − x1 )(x2 − x)
x2 − x1
x2 − x
x − x1
+ f (x2 )
x2 − x1
x2 − x1
x2 − x
x − x1
⇐⇒ f (x) ≤ f (x1 )
+ f (x2 )
x2 − x1
x2 − x1
≤ f (x1 )
Beweis vom Satz 9.44. Konvexität =⇒ f 0 ist wachsend.
f 0 (x) = lim
f (x + h) − f (x)
(x + h) − x
f 0 (y) = lim
f (y + h) − f (y)
(y + h) − y
h↓0
h↓0
h klein =⇒ x < x + h < y < y + h. In diesem Fall impliziert Lemma 9.49 die
Ungleichungen:
f (x + h) − f (x)
f (y) − f (x + h)
f (y + h) − f (y)
≤
≤
(x + h) − x
y − (x + h)
(y + h) − y
Deswegen
f 0 (x) = lim
h↓0
f (x + h) − f (x)
f (y + h) − f (y)
≤ lim
= f 0 (y)
h↓0
(x + h) − x
(y + h) − y
Konvexität ⇐ f 0 wachsend. Sei x1 < x < x2 : Der Satz von Lagrange =⇒
∃ξ1 ∈]x1 , x[ mit
f (x) − f (x1 )
= f 0 (ξ1 )
x − x1
∃ξ2 ∈]x1 , x[ mit
f (x2 ) − f (x)
= f 0 (ξ2 )
x2 − x
NB: ξ2 > ξ1 . Weil f 0 (ξ2 ) ≥ f 0 (ξ2 ), gilt das Lemma 9.49 und Lemma =⇒
Konvexität.
Der Beweis der zweiten Behauptung des Satzes ist analog.
9.8
Die Lagrange Fehlerabschätzung
Definition 9.50. Sei f n-mal differenzierbar. Das Taylorpolynom mit Ordnung
n an der Stelle x0 ist:
Txn0 =
n
X
f (i) (x0 )
(x − x0 )i
i!
T =0
60
9
Differentialrechnung
Satz 9.51 (Lagrange Fehlerabschätzung). Sei f (n + 1)-mal differenzierbar in
I und x0 ∈. ∀x ∈ I ∃ξ zwischen x0 und x so dass
f (x) − Txn0 (x) =
{z
}
|
f (n+1) (ξ)
(x − x0 )n+1
n + 1!
(45)
n (x)
Rx
0
Bemerkung 9.52. Für n = 0 (45) ist:
f (x) − f (x0 ) = f 0 (ξ)(x − x0 )
| {z }
Tx0 (x)
0
f (x) − f (x0 )
= f 0 (ξ)
x − x0
⇐⇒
Deswegen die Lagrange Fehlerabschätzung ist eine Verallgemeinerung des Satzes
von Lagrange.
Beweis. Seien
h(x) = Rxn0 (x)
g(x) = (x − x0 )n+1 .
und
Es ist leicht zu sehen dass
g(x0 ) = g 0 (x0 ) = . . . = g (n) (x0 ) = 0
h(x0 ) = h0 (x0 ) = . . . = h(n) (x0 ) = 0
und
h(n+1) (x) = f (n+1) (x) ∀x .
Deswegen, wir wenden n + 1 Mal den verallgemeinerten Mittelwertsatz (Satz
von Cauchy) und schliessen:
h(x) − h(x0 )
h(x)
=
g(x)
g(x) − g(x0 )
= ···
Cauchy
=
Cauchy
=
h0 (ξ1 )
h0 (ξ1 ) − h0 (x0 )
=
g 0 (ξ1 )
g 0 (ξ1 ) − g 0 (x0 )
Cauchy
=
h00 (ξ2 )
g 00 (ξ2 )
h(n+1) (ξn+1 )
f (n+1) (ξn+1 )
,
=
(n + 1)!
g (n+1) (ξn+1 )
wobei: ξ1 eine Stelle zwischen x und x0 ist; ξ2 eine Stelle zwischen ξ1 und x0
ist; . . . ξn+1 eine Stelle zwischen ξn und x0 ist.
Wenn wir ξ := ξn+1 setzen, dann
f (x) − Txn0 (x) = Rxn0 (x) = h(x) =
f (n+1) (ξ)
f (n+1) (ξ)
g(x) =
(x − x0 )n+1 .
(n + 1)!
(n + 1)!
Beispiel 9.53. Wir wissen schon dass
ex =
∞
X
xj
j=0
∀x ∈ R .
j!
Diese Identität kann man auch aus der Lagrange Fehlerabschätzung schliessen.
Das Taylor Polynom mit Ordnung n in 0 ist
T0n (x) =
n
X
xj
j=0
Sei x ∈ R fixiert.
Rn+1 (x)
j!
.
0
}|
{
z
n
j X
x
x
eξn xn+1 ,
e −
=
j! (n + 1)! j=0
61
9
Differentialrechnung
wobei ξn eine Stelle zwischen x und 0 ist. Deswegen, |ξn | ≤ |x| und
n
n+1
0
x X
x
≤ e|x| |x|
e −
j! (n + 1)!
j=0
Wir wissen schon dass
|x|n+1
= 0.
n→∞ (n + 1)!
lim
(46)
(47)
(In der Tat, sei N so dass N ≥ 2|x|. Dann
|x|n+1
|x|N |x|
|x|
|x|
|x|N
=
···
≤
(n + 1)!
N! N + 1 N + 2
n+1
N!
n+1−N !
1
.
2
(46) und (47) implizieren dass
∞
j
X
x
= f (x) − lim T0n (x)
0 ≤ f (x) −
n→∞
j! j=0
|x|n+1
= lim R0n (x) = lim |R0n (x)| ≤ lim e|x|
= 0.
n→∞
n→∞
n→∞
(n + 1)!
Beispiel 9.54. Sei
f (x) = ln(x + 1)
(Bem: das Taylorpolynom (bzw. die Taylorreihe) in 0 von f ist das Taylorpolynom (bzw. die Taylorreihe) von ln x an der Stelle 1.) Dann
T0n (x) =
n
X
f (j) (0)
j=0
j!
xj =
n
X
(−1)j−1
j=1
j
xj = x −
x2 x3 x4
xn
+
−
+ · · · + (−1)n−1
2
3
4
n
Wir wollen zeigen dass
ln(x + 1) =
n
X
xj
(−1)n−1
j
j=1
x3
x4
x2
+
−
+ ···
=x−
2
3
4
(48)
in einer Umgebung von 0.
Sei x > −1. Die Lagrange Fehlerabschätzung impliziert:
Rn (x)
0
n!
}|
{
(n+1)
z
(ξn )| n+1
(1+ξn )n+1
f (x) − T0n (x) = |f
|x|
=
|x|n+1
(n + 1)!
(n + 1)!
wobei ξn zwischen 0 und x liegt. Deswegen ξn > −1 und 1+ξn ≥ 1−|ξn | ≥ 1−|ξ|.
Wir schliessen
1
|x|n+1
|R0n (x)| ≤
.
(n + 1) (1 − |x|)n+1
Aber |x| ≤
1
2
=⇒
|x|
1−|x|
≤ 1 und
lim |R0n (x)|
→ n→∞
1
≤ lim
=0
n→∞ n + 1
1 1
∀x ∈
,
2 2
Falls x ∈]0, 1], dann ξn > 0 und
|R0n (x)| ≤
|x|n+1
1
≤
.
n+1
n+1
Deswegen gilt die Gleichung (48) auch für x ∈]1/2, 1]. In der Tat, gilt diese
Gleichung auch für x ∈] − 1, −1/2[, aber diesen Fall ist keine einfache Folgerung
der Lagrange Fehlerabscätzung.
P∞ j
Ausserdem, die Reihe j=1 xj (−1)j hat Konvergenzradius R = 1. Deswegen
ist die Gleichung (48) falsch wenn x > 1.
62
10
Integralrechnung
10
Integralrechnung
Sei f : [x0 , x1 ] = I → R eine stetig nichtnegative Funktion. Das Ziel der Integralrechnung ist den Inhalt der folgenden Fläche zu finden:
G = {(x, y) : x ∈ I und 0 ≤ y ≤ f (x)}
10.1
Treppenfunktion
Definition 10.1. Eine φ : [a, b] → R heisst Treppenfunktion wenn ∃a = x0 <
x1 < · · · < xn = b so dass φ in jedem Intervall ]xk−1 , xk [ konstant ist.
Definition 10.2. Sei φ eine Treppenfunktion und x0 < x1 < . . . < xn wie
oben. Falls ck der Wert von φ in ]xk−1 , xk [ ist, dann
Z b
n
X
f (x) d x :=
(xk − xk−1 )ck .
a
k=1
Bemerkung 10.3. Es ist leicht zu sehen dass die Zahl
von der Verteilung ist.
Rb
a
f (x) d x unabhängig
Lemma 10.4. Für Treppenfunktionen φ, ψ und Zahlen α, β ∈ R gilt:
1. αφ + βψ eine Treppenfunktion ist und
Z b
Z b
Z
(αφ + βψ) d x = α
ψdx + β
a
a
b
ψdx
a
2. |ψ| eine Treppenfunktion ist und
Z
Z
b
b
ψ d x ≤
|ψ| d x ≤ (b − a) max φ(x)
a
x∈[a,b]
a
3. Falls φ ≤ ψ (d.h. φ(x) ≤ ψ(x)∀x ∈ [a, b]), dann
Z b
Z b
φdx ≤
ψdx
a
a
Beweis. 1 ∃a = x0 < x1 < · · · < xn = b so dass φ|]xk ,xk+1 ≡ konst und
∃a = y0 < y1 < · · · < yn = b so dass φ|]yk ,yk+1 ≡ konst Seien a = z0 < z1 <
. . . < zN = b so dass
{x0 , · · · , xn , y0 , · · · ym } = {z0 < z1 < · · · < zN }
Dann: ∀k ∈ {1, . . . , N }
φ|]zk−1 ,zk [ ≡ ck ∈ R
ψ|]zk−1 ,zk [ ≡ dk ∈ R
F := αφ + βψ ist konstant in jedem ]zk−1 , zk [ und das beweist dass F eine
Treppenfunktion ist. Ausserdem,
F |]zk−1 ,zn [ = αck + βdk ,
b
Z
φ=
a
Z
und
Z b
F =
a
N
X
k=1
(zk − zk−1 )ck ,
k=1
b
ψ=
a
N
X
N
X
(zk − zk−1 )dk
k=1
(zk − zk−1 )(αck + βdk ) = α
N
X
(zk − zk−1 )ck + β
k=1
63
N
X
k=1
(zk − zk−1 )ck
10
Integralrechnung
Z
=α
b
b
Z
φ+β
ψ
a
a
2 Seien a = x0 < x1 < · · · < xn = b mit
φ|]xk−1 ,xk = ck ∈ R
Dann
|φ||]xk−1 ,xk = |ck | ∈ R .
|φ ist eine Treppenfunktion und
n
Z b
Z b
n
X
X
|φ| .
φ| = (xk − xk−1 )cn ≤
(xk − xk−1 )|ck | =
|
a
a
k=1
k=1
3 ist eine einfache Folgerung der gleichen Ideen.
10.2
Regelfunktion
Definition 10.5. Eine Abbildung f : [a, b] → R heisst Regelfunktion falls
∃fn : [a, b] → R (Folge von Funktionen), so dass:
• Jede fn eine Treppenfunktion ist
•
!
sup |fk (x) − f (x)|
lim
k→∞
=0
x∈[a,b]
|
{z
}
:=kfk −f k
Satz 10.6. Sei f eine Regelfunktion. Seien {fn } und {gn } zwei Folgen von Treppenfunktionen, welche die zwei Bedingungen in efinition 10.5 erfüllen. Dann:
Z b
Z b
lim
fk = lim
gk (∈ R)
k→∞
a
k→∞
a
Definition 10.7. Sei f eine Regelfunktion und {fk } eine Folge welche die zwei
Bedinungen in Definition 10.5 erfüllen. Dann existieren die Grenzwerte
Z b
Z b
f (x) d x
und
lim
fk (x) d x .
k→∞
a
a
existieren. Ausserdem, sie sind gleich und gehören zu R.
Rb
Der Satz 10.6 garantiert dass a f wohldefiniert ist!
Bemerkung 10.8. Es ist leicht zu sehen dass
(R b
f ≥0
Rab
Rb
f
= − a (−f ) ≤ 0
a
falls f ≥ 0
falls f ≤ 0
Deswegen, wenn f ≤ 0, der Inhalt von G := {(x, y) : x ∈∈ I und f (x) ≤ y ≤ 0}
Rb
ist − a f .
Beweis vom Satz 10.6. Zuerst bemerken wir dass, ∀k, i,
Z
Z b Z b
b
fi = (fk − fi ) ≤
fk −
a
a
a
(b − a) sup |fk − fi |(x) ≤ (b − a) sup {|fk − f |(x) + |f − fi |(x)}
x∈[a,b]
x∈[a,b]
!
≤ (b − a)
sup |fk − f |(x) + sup |f − fi |(x)
x∈[a,b]
x∈[a,b]
64
10
Integralrechnung
= (b − a) (kfk − f k + kf − fi k)
Sein nun ε > 0. Dann, ∃N so dass kf − fj k < ε/(2(b − a)) ∀i ≥ N . Dann, wenn
k, i ≥ N ,
Z
Z b b
fi < ε .
f −
a k
a
=⇒ (ak ) =
R
b
a
Z
b
fk ist eine Cauchyfolge =⇒ ∃ lim
fk ∈ R
k→∞
a
(Wir bemerken hier eine wichtige Eigenschaft der Norm k · k:
kf + gk ≤ kf k + kgk
(49)
In der Tat
|sup f (x) + g(x)| ≤ sup|f (x)| + |g(x)| ≤ sup|f (x)| + sup|g(x)| .
x
x
x
x
Die (49) ist ähnlich zur Dreiecksungleichung |a + b| ≤ |a| + |b|.)
Ausserdem,
Z
Z b
Z b !
Z b
Z b b
fk −
gk = lim (fk − gk )
fk − lim
gk = lim
lim
k→∞
k→∞ a
k→∞
k→∞ a
a
a
a
Z
b
≤
a




|fk −gk | ≤ lim (b−a) kfk − gk k ≤ (b−a)  lim kfk − f k + kgk − f k  = 0
k→∞
k→∞ | {z }
| {z }

→0
b
Z
=⇒ lim
k→∞
Z
fk = lim
k→∞
a
→0
b
gk .
a
Satz 10.9. Eine stetige Funktion f : [a, b] → R ist eine Regelfunktion.
Beweis. Sei k ∈ N \ {0}, f stetig, [a, b] kompakt. f ist gleichmässig stetig. Wir
setzten ε = k1 in der Definition der gleichmässigen Stetigkeit.
=⇒ ∃δ > 0 |x − y| < δ =⇒ |f (x) − f (y)| <
1
k
Seien
x0 := a ,
x1 := a + δ,
...
xN := a + N δ,
xN +1 = b
wobei N = max {k, a + kδ < b}.
x
+x
Sei yj = j−12 j (der Mittelpunkt von I = [xj−1 , xj ]). Wir definieren
(
fk (x) = f (yj )
x ∈ [xj−1 , xj [
fk (x) =
fk (x) = f (yN +1 ) x = b
Wir bemerken dass
kf − fk k = sup|fk (x) − f (x)| <
x∈I
1
k
In der Tat, falls x ∈ I, dann x ∈ [xj−1 , xj [ oder x ∈ [xN , xN +1 ]. Deswegen,
|x − yj | ≤ 2δ oder |x − yN +1 | ≤ 2δ .
=⇒ |f (x) − fk (x)| = |f (x) − f (yj )| <
1
k
1
k
∀k ist fk eine Treppenfunktion und kfk − f k → 0 für k → +∞
oder |f (x) − fk (x)| = |f (x) − f (yN +1 )| <
65
10
Integralrechnung
Bemerkung 10.10. Da fk eine Treppefunktion ist,
N
+1
X
b
Z
(xj − xj−1 )f (yj ) .
fk =
a
j=1
Die Summe
N
+1
X
(xj − xj−1 )f (yj )
(50)
j=1
Rb
konvergiert gegen a f wenn N → ∞.
Es ist nicht nötig dass yj der Mittelpunkt des Intervalls [xj−1 , xj ] ist. Die
gleiche Konvergenz erreicht man für beliebige Stellen yj ∈ [xj−1 , xj ]. In diesem
Fall heisst die Summe in (50) eine Riemannsche Summe.
Korollar 10.11. Eine “stückweise stetige” Funktion auf [a, b] ist auch eine
Regelfunktion. ( Eine Funktion heisst stückweis Stetig wenn ∃a = x0 < x1 <
· · · < xn = b s.d.
• f ist stetig überall auf ]xj−1 , xj [
• ∀j ∈ {0, · · · , n}
lim f (x) ∈ R
lim f (x) ∈ R .
und
x↓xj
x↑xj
Theorem 10.12. Seien f, g : [a, b] → R Regelfunktionen und α, β ∈ R
• Linearität αf + βg ist auch eine Regelfunktion und
Z b
Z b
Z b
(α + βg) = α
f +β
g
a
a
a
• Dreiecksungleichung
Z
b f ≤ |b − a| kf k
a • Monotonie
b
Z
b
Z
f≤
a
g falls f ≤ g
a
• ∀a < c < b:
b
Z
Z
c
f=
a
b
Z
f+
f
a
(51)
c
• Mittelwertsatz Falls f stetig ist, ∃ξ]a, b[ so dass
b
Z
f = f (ξ)(b − a)
a
Beweis. Linearität. Seien fk , gk Treppenfunktionen mit kfk k → 0, kg − gk k →
0. αfk + βgk ist auch eine Treppenfunktion und
k(αf + βg) − (αfk − βgk )k ≤ |α| kf − fk k + |β| kg − gk k → 0
Z
b
b
Z
(αf + βg) = lim
k→∞
a
Z
= lim α
k→∞
Z
(αfk + βgk ) = lim (α
k→∞
a
b
Z
b
fk + lim β
a
k→∞
Z
gn = α lim
k→∞
a
Z
=α
b
Z
f +β
a
g
b
66
a
b
gk )
a
a
b
Z
fk + β lim
a
b
Z
fk + β
k→∞
b
gk
a
10
Integralrechnung
Dreiecksungleichung Sei fk wie oben. Dann −kf − fk k ≤ kf k − kfk k ≤
kf − fk k (aus der Dreiecksungleichung für die Norm k · k. Deswegen
Z
Z
b b fk ≤ lim(b − a)kfk k = (b − a)kf k .
f = lim a k
k a
Monotonie Seien fk und gk wie oben. Wir definieren f˜k := fk + kf − fk k
(deswegen f˜k ≥ f ) und g˜k := gk + kg − gk k (deswegen g ≥ g˜k ). Dann, f˜k ≥ f ≥
g ≥ g˜k und
Z b
Z b
Z b
Z b
f = lim
f˜k ≥ lim
g˜k =
g
k→∞
a
k→∞
a
a
a
(51) Sei fk wie oben. Die Identität folgt aus der entsprechenden Identitäten
für die Funktionen fk .
Zwischenwertsatz Die Monotonie impliziert:
Z b
(b − a) min f ≤
f ≤ (b − a) max f
a
Der Zwischenwertsatz für stetige Funktionen impliziert die Existenz einer Stelle
ξ ∈]a, b[ mit
Rb
f
f (ξ) = a .
b−a
10.3
Der Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung
Das Integral ist eine Art “Umkehrung” der Ableitung!
Definition 10.13. Wir setzen:
Z b
Z
f := −
a
a
f
falls b < a
b
b
Z
f := 0
falls a = b
a
Theorem 10.14 (Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung). Sei f :
I → R eine
R x stetige Funktion und a ∈ I eine beliebige Stelle. Wir definieren
F (x) := a f (y) d y. Dann ist F differenzierbar und F 0 (x) = f (x) ∀x ∈ I (d.h.
F ist eine Stammfunktion von f ).
Bemerkung 10.15. F Stammfunktion von f =⇒ F + c0 ist auch eine Stammfunktion von f : Stammfunktionen sind nicht eindeutig!
Beweis. Sei x ∈ I. Wir wollen zeigen dass
f (x) = lim
h→0
F (x + h) − F (x)
.
h
(52)
Falls h > 0,
F (x + h) − F (x)
1
=
h
h
Z
x+h
Z
f (y) d y −
a
!
x
f (y) d y
a
=
1
h
Z
x+h
f (y) d y .
x
Ausserdem,
Z
F (x + h) − F (x)
1 x+h
1
− f (x) =
f (y) d y − hf (x)
h
h x
h
Z
Z
Z
1 x+h
1 x+h
1 x+h
=
f (y) d y −
f (x) d y =
(f (y) − f (x)) d y .
h x
h x
h x
67
10
Integralrechnung
Sei ε > 0: ∃δ > 0 so dass |y − x| < δ =⇒ |f (y) − f (x)| < ε. Für h < δ:
Z
Z
1 Z x+h
1 x+h
1 x+h
(f (y) − f (x)) d y ≤
|f (y) − f (x)| d y ≤
εdy = ε
h x
h x
h x
=⇒ lim
h↓0
1
h
Z
x+h
(f (y) − f (x)) d y = 0 =⇒ (52)
x
Im Fall h < 0, wir setzen h = −k (k > 0) und schliessen
1
1
F (x) − F (x − k)
(F (x + h) − F (x)) =
(F (x − k) − F (x)) =
h
−k
k
)
(Z
Z x−k
Z
x
1 x
1
f (y) d y −
f (y) d y =
f (y) d y
=
k
k x−k
a
a
Gleiche Idee wie oben
1
=⇒ lim
k↓0 k
Z
x
f (y) d y = f (x)
x−k
Bemerkung 10.16. Sei f eine Funktion f : [a, b] → R. Seien F, G : [a, b] → R
zwei Stammfunktionen von f .
(F − G)0 = F 0 − G0 = f − f = 0
=⇒ F − G = konstant
Korollar 10.17. Sei f : [a, b] → R eine stetige Funktion. Se G : [a, b] → R eine
Stammfunktion. Dann:
b
Z
f (x) d x = G(b) − G(a) =: G|ba
a
Beweis. F (x) =
Rx
a
f (y) d y, x > a.
F 0 (x) = f (x) ∀x > a
(NB: Der Beweis oben impliziert die Differenzierbarkeit auch an der Stelle a,
wobei (wegen unserer Konvention) F (a) = 0. Ausserdem, die Stetigkeit an dieser
Stelle kann man wir folgt sehen
Z x
Z x
|
f (y) d y| ≤
|f (y)| d y ≤ M (x − a)
a
Deswegen F (a) := 0. (
a
Ra
a
f (x) d x := 0 und
Rx
a
f (y) d y = −
Ra
x
f (y) d y )
Zusammenfassung
• F − G ist differenzierbar auf [a, b]
• (F − G)0 = f − f = 0
=⇒ F (x) = G(x) + c
Z
b
f (y) d y = F (b) − F (a) = (F (b) − c) − (F (a) − c) = G(b) − G(a)
=⇒
a
68
10
Integralrechnung
Beispiel 10.18. f (x) = x2 . A := {(x, y) : |x|leq1, x2 ≤ y ≤ 1} und B :=
{(x, y) : |x|leq1, 0 ≤ y ≤ x2 }. Inhalt von A = 2 − Inhalt
|
{zvon B}
|B|
f (x) = x2
G(x) =
x3
3
G0 (x) = x2 = f (x)
1
Z 1
1
x3 1
2
f (x) d x =
|B| =
= 3 − −3 = 3
3
−1
−1
Beispiel 10.19. Wir wollen den
√ Inhalt des Kreis K mit Mittelpunkt (0, 0) und
Radius 1 rechnen. Sei f (x) = 1 − x2 und A := {(x, y) : 0 ≤ x ≤ 1, 0 ≤ y ≤
f (x). Dann
Z 1p
|K| = 4|A| = 4
1 − x2 d x
(53)
0
Das Ingeral in (53) ist nicht so einfach zu bestimmen. Wir bemerken dass die
Ableitung des Arcsinus “fast” f ist:
arcsin0 (x) = √
1
.
1 − x2
In der naechsten Kapitel werden wir diese Bemerkung nuzten um das Integral
in (53) zu bestimmen. Dafür brauchen wir eine wichtige Methode der Integrationsrechnung.
10.4
Integrationsmethoden
• Partielle Integration
• Substitutionsregel
Satz 10.20. [Partielle Integration] Seien f, g : [a, b] → R stetig und F, G entsprechende Stammfunktionen.
b
Z
Z
F G|ba
F (x)g(x) d x =
b
−
a
f (x)G(x) d x
(54)
a
Beweis.
b
Z
(54) ⇐⇒
a
(F (x)g(x) + f (x)G(x)) d x = F G|ba
|
{z
}
(55)
h(x)
0
0
(F G)(x) = F (x)G (x) + F (x)G(x) = F (x)g(x) + f (x)G(x)
F G(x) ist eine Stammfunktion von h. h ist stetig! Hauptsatz der Differentialund Integralrechnung =⇒ (55)
Beispiel 10.21. Wir rechnen nun das Integral in (53).
Z
1
p
1−
x2
Z
dx =
0
0
F (x) =
f (x) = F 0 (x) =
1
p
1 − x2 g(x) d x
| {z } |{z}
F (x)
1
p
1 − x2
− 6 2x
x
√
= −√
6 2 1 − x2
1 − x2
g(x) = 1
G(x) = x
69
10
Integralrechnung
Leider, könnten wir den Satz 10.20 nicht direkt anwenden, weil f (x) nicht definiert in x = 1 ist (in der Tat limx→1 f (x) = −∞ und deswegen besitzt f keine
stetige Fortsetzung auf [0, 1]).
Aber:
Z 1−ε p
Z 1p
2
1 − x d x = lim
1 − x2 d x
ε↓0
0
Satz10.20
=
lim
p
ε↓0
0
1−ε Z
2
+
1 − x x
0
1−ε
0
x2
√
dx
1 − x2
Z 1−ε
1
x2
2
√
= 1 − x x + lim
dx
1 − x2
|
{z
}0 ε↓0 0
p
=0
1−ε
x2 − 1
1
√
+√
dx
ε↓0 0
x2 − 1
x2 − 1
Z 1−ε
Z 1−ε p
dx
√
= lim
− 1 − x2 d x + lim
ε↓0 0
ε↓0 0
1 − x2
Z 1p
1−ε
=−
1 − x2 + lim arcsin Z
= lim
ε↓0
0
1
Z
=−
0
0
1
Z
=−
p
1 − x2 +
π
2
0
1
Z
=−
0
Wir schliessen
Z
1
p
0
1
p
1 − x2 + arcsin −0
p
π
1 − x2 +
2
1 − x2 d x = −
Z
0
1
p
1 − x2 d x +
0
Z
1
=⇒ 2
p
1 − x2 d x =
0
π
2
π
2
Deswegen, der Inhalt des Kreis mit Mittelpunkt (0, 0) und Radius 1 ist π (siehe
Beispiel 10.19)!
Satz 10.22 (Substitutionsregel). Seien f : [a, b] → R und g : f ([a, b]) → R zwei
| {z }
[m,M ]
stetige Funktionen (m = min[a,b] f , M = max[a,b] f ). Falls f differenzierbar ist
mit f 0 stetig, dann
b
Z
Z
0
f (b)
g(f (x))f (x) d x =
a
g(y) d y
f (a)
Beweis. Sei G eine Stammfunktion von g. (Später: warum gibt es eine solche
Stammfunktion?)
Z
b
G0 (f (x)f 0 (x) d x =
a
Z
b
a
a
Z
b
(G(f (x)))0 d x = G ◦ f b
=⇒
g(f (x))f 0 (x) d x = G(f (b)) − G(f (a))
A
f (b) Z
= G
=
f (a)
f (b)
g(y) d y
f (a)
Zur Existenz der Stammfunktion. Diese wird vom Hauptsatz
der DifferentialRx
und Integralrechnung garantiert! In der Tat ist G(x) := m g(y)dy eine Stammfunktion von g.
70
10
Integralrechnung
Bemerkung 10.23. Der Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung entählt
das erste Beispiel eines Existenzsatzes für Differentialgleichungen, d.h. die Existenz der Lösungen dieser Differentialgleichung:
F0
|{z}
=
f
|{z}
Die Unbekannte
10.5
bekannt
Uneigentliche Integrale
Definition 10.24. Sei I =]a, b[ (wobei −∞ ≤ a < b ≤ +∞; z.B. I =]−∞, ∞[=
R ist eine Möglichkeit). Sei f : I → R so dass
∀a < α < β < b f |[α,β] eine Regelfunktion ist
Falls c ∈ I und
β
Z
∈R
lim
β↑b
und
b
Z
β↑b
Rb
a
c
f + lim
β↑b
a
c
Z
f := lim
Bemerkung 10.25.
in I. Dann:
Z
lim
α↓α
β
Z
∈R
lim
c
dann definieren wir
α
Z
f
a↓0
c
α
f hängt nicht von c ab! In der Tat, sei c̃ eine andere Stelle
b
β
Z
f−
f = lim
β↑b
c̃
!
c̃
Z
Z
f
c
β
c̃
f−
= lim
β↑b
c
Z
c
f
c
und analog
Z
c̃
lim
Z
c
Z
f = lim
α↓a
f+
α↓a
α
c̃
f
α
c
Deswegen
Z
lim
β↑b
b
Z
c̃
f + lim
c̃
β
Z
β↑b
α
Z
= lim
β↑b
Z
f−
f = lim
α↓a
c̃
Z
f + lim
c
α↓a
c
β
Z
Z
f+
α
c̃
f
c
c
f + lim
f
a↓0
c
c
α
Definition 10.26. (Absolute Integrierbarkeit) Sei I wie oben. Eine Abbildung
f : I → R ist absolut integriebar falls
• f |[α,β] eine Regelfunktion ist ∀a < α < β < b
•
Z
b
Z
|f |∞ =
a
β
|f | < ∞
lim
α↓a,β↑b
α
Bemerkung 10.27. f Regelfunktion auf [α, β] =⇒ |f | Regelfunktion auf [α, β].
f Regelfunktion: ∀ε > 0 ∃g Treppenfunktion mit kf − gk < ε. |g| ist eine
Treppenfunktion k|f | − |g|k < ε.
(||f |(x) − |g|(x)| ≤ |f (x) − g(x)| =⇒ k|f | − |g|k ≤ kf − gk)
Rb
Satz 10.28. Absolute Integrierbarkeit =⇒ a f existiert.
Rb
Beweis. a |f | existiert =⇒ ∀x0 ∈ I
Z x0
Z x0
lim
|f | ∈ R =⇒ lim
f existiert
α↓a
α
Z
x0
Z
β↑b
β
71
(56)
α
x0
|f | ∈ R =⇒ lim
lim
β↑b
α↓a
f existiert
β
(57)
10
Integralrechnung
Beweis von (56) Sei F (α) :=
R
a
lphax0 |f |. Die Existenz von lim F (α) =⇒
α↓a
die Cauchy Eigenschaft:
∀ε > 0 ∃δ so dass, wenn ã, ā ∈]a, a + δ[ dann |F (ã) − F (ā)| < ε
Aber
Z x0
Z x0 Z ā
|f | < ε
|f | =
|f | −
|F (ã) − F (ā)| = ã
ā
ã
Rx
Sei nun G(α) := α 0 f . Für a < ã ≤ ā < a + δ:
Z
|G(ã) − G(ā)| = ā
ã
ā
Z
f ≤
|f | < ε .
ã
=⇒ G erfüllt die Cauchy Bedingung =⇒ lim G(α) ∈ R
α↓a
(57) folgt aus der gleichen Idee.
Rb
Beispiel 10.29. Es gibt f mit a f < +∞ die aber nicht absolut integrierbar
sind.
1
1
f (x) = (−1)n n
für x ∈
,
(n ∈ N \ {0})
n+1 n
f :]0, 1] → R und ∀α > 0 ist f |[α,1] offenbar
(f |[α,1] ist in der
i
i eine Regelfunktion
1
1
Tat eine Treppenfunktion!). Sei nun α ∈ N +2 , N +1 . Dann gilt:
Z
N X
1
1
f (x) d x =
α
1
−
n n+1
n=1
n
n(−1) + (N + 1)
1
− α (−1)N +1
N +1
Beachte, dass:
•
N X
1
n=1
•
(−)n
n=1 n+1
P∞
n
1
n+1
−
n(−1)n =
N
X
1
(−1)n
n
+
1
n=1
konvergiert
•
0 ≤ (N +1)
1
−α
N +1
Z
Z
1
1
−
N +1 N +2
=
1
N +2
N →∞
→ 0
f . ABER:
α
1
|f (x)| d x ≥
α
≤ (N +1)
1
Somit existiert lim
α↓0
N X
1
n=1
1
−
n n+1
n=
N
X
1
n
+
1
n=1
1
und
n+1 divergiert! (Harmonische Reihe). Also ist f integrierbar aber nicht
absolut integrierbar.
P
Korollar 10.30. (Majorantenkriterium) Sei f : I → R so dass
• f |[α,β] ist eine Regelfunktion ∀α < β ∈ I
• |f | ≤ g und g ist integrierbar auf I. Dann ist f auch absolut integrierbar
Bemerkung 10.31. 10.30 ist sehr nützlich, um die Integrierbarkeit einer Funktion
zu berweisen.
72
10
Integralrechnung
Beispiel 10.32.
Z
∞
2
e−x d x ∈ R
−∞
2
2
Tatsächlich ist auf [1, +∞[: e−x ≤ xe−x und
−∞
Z
2
xe−x d x
1
R
Z
2
xe−x d x
= lim
R→∞
1
R
1 −x2
= lim − e
R→∞
2
x=1
= lim
R→∞
1 −1 1 −R
e − |{z}
e
2
2
!
→0
1
=
2e
2
2
Analog benutzt man nun e−x ≤ −xe−x für x ∈] − ∞, −1].
Bemerkung 10.33. Korollar 10.30 kann auch benutzt werden, um die Konvergenz
von Reihen zu beweisen.
P∞
Korollar 10.34 (“Integralkriterium” für Reigen). Sei
n=0 an eine Reihe.
Definiere f : [0, +∞] durch f (x) = an , falls x ∈ [n, n + 1[ (n ∈ N). Dann gilt:
+∞
Z
f existiert ⇐⇒
0
∞
X
an konvergiert
n=0
und so:
∞
X
f ist absolut integrierbar ⇐⇒
an konvergiert absolut
n=0
Beweis. “⇐”
R
Z
Z
N
f=
0
Z
0
und
Z
N
f=
0
R
f (N = bRc)
f+
N
N
−1
X
an →
n=0
∞
X
an < ∞
n=0
P
Ausserdem, da
an konvergiert, ist an eine Nullfolge. Und so
Z
R f = |(R − N )aN | ≤ |aN | → 0 für R → +∞
N R N +1
P∞
f =
n=0 an , und da Nlim
0
→∞
P
Konvergenz von
an .
“ =⇒ ”
Z
N +1
f existiert, folgern wir die
0
Beispiel 10.35.
X
n≥2
1
<∞
n(ln n)2
Wir werden Korollar 10.34 zwischen 3 und ∞ statt 0 und ∞ anwenden. Seien
f (x) = n(ln1n)2 falls x[n, n + 1[ (n ≥ 3) und g(x) = x(ln1x)2 . Beachte: ln x > 0
∀x > 1. Somit, falls x ∈ [n, n + 1[ mit n ≥ 3 gilt n > x − 1,
ln n > ln(x − 1) ≥ ln(n − 1) ≥ ln 2 > 0
73
10
Integralrechnung
1
1
<
= g(x − 1)
n(ln n)2
(x − 1)(ln(x − 1))2
=⇒ f (x) =
Aber:
+∞
Z
+∞
Z
g(x − 1) d x =
g(x) d x
3
+∞
Z R
1
1
d
x
=
lim
dx
2
R→∞
x(ln
x)
x(ln
x)2
2
2
R
1
1
1
= lim −
− lim
=
R→∞
ln x x=2
ln 2 R→∞
ln
| {z R}
Z
=
2
=0
1
=
< +∞
ln 2
und so:
X
n≥2
X
1
1
1
=
+
n(ln n)2
2(ln 2)2
n(ln n)2
n≥3
1
1
+
≤
< +∞
2
2(ln 2)
ln 2
10.6
Integration einer Potenzreihe
Zur Erinnerung:
P
P
Satz 10.36.PIst
fn = an xn eine Potenzreihe mit Konvergenzradius R, so
konvergiert
fn normal auf jedem Intevall [−ρ, ρ] mit 0 < ρ < R
Zun`‘achst beweisen wir den folgenden Satz. Als Korollar erhalten wir eine
entsprechende Potenzreihedarstellung für das Integral einer Potenzreihe.
P
Satz 10.37. Ist f = fn eine Reihe von Regelfunktionen auf [a, b], welche auf
[a, b] normal konvergiert, so ist f selber eine Regelfunktion auf [a, b] und es gilt:
Z
b
f=
XZ
a
b
fn
(58)
a
Beweis. Sei ε > 0. Wähle N so dass
+∞
X
kfn k <
n=N +1
ε
2
sowie Treppenfunktion gn mit
kfn − gn k <
Dann ist g :=
ε
∀n ∈ {0, . . . , N }
2n+1
PN
n=0 gn
eine Treppenfunktion und es gilt:
n
N
X
X
|f (x) − g(x)| = lim fk (x) −
gk (x)
n→∞ k=0
≤
N
X
n→∞
≤
N
X
kfk − gk k +
n=0
N
X
k=0
n
X
|fk (x) − gk (x)| + lim
k=0
<
k=0
+∞
X
kfk k
k=N +1
+∞
ε2−k−1 +
|fk (x)|
k=N +1
ε ε
ε X −k−1 ε
<
2
+ = + =ε
2
2
2 2
k=0
74
10
Integralrechnung
=⇒ f iste eine Regelfunktion. Es gilt damit auch:
N Z
Z
Z
N Z b
X b
b
b
X
ε
(fn − gn ) < (b − a)ε + (b − a)
f−
fn ≤ (f − g) + a
2
a
a
a
n=0
n=0
aber auch:
∞ Z
Z b
k
N Z b
X b
X
X
fn |
fn −
fn = lim |
k→∞
a
a
a
n=0
n=0
≤
k
X
n=N +1
(b − 1) kfn k < (b − a)
n=N +1
ε
2
Folglich:
Z
∞ Z b
b
X
f−
fn < 2ε(b − a)
a
a
n=0
Da ε beliebig war, folgt (58).
P+∞
Korollar 10.38. Sei f (x) = Rn=0 an xn eine analytische Funktion mit Konverx
genzradius R. Dann ist F (x) = 0 f (y) d y ebenfalls analytisch. Ihre Potenzreihe
ist gegeben durch
+∞
X
an n+1
x
(59)
F (x) =
n
+1
n=0
und der Konvergenzradius ist R.
Beweis. Gleichung (59) für |x| < R ist ein Korollar von Satz 10.36 und Satz
10.37. Der Konvergenzradius ist
1
R0 =
lim supn→+∞
=
1
lim supn→+∞
Beispiel 10.39.
√
n
x
Z
ln(1 + x) =
0
q
n
an
an
n+1
=R
dy
1+y
aber für |x| < 1
+∞
X
1
=
(−1)n xn
1 + x n=0
und so:
ln(1 + x) =
+∞
X
(−1)n n+1
x
n+1
n=0
Beispiel 10.40.
Z
x
arctan x =
0
1
dy
1 + y2
und für |x| < 1
+∞
X
1
=
(−1)n x2n
1 + x2
n=0
und so
+∞
X
(−1)n 2n+1
arctan x =
x
2n + 1
n=0
75
11
Gewöhnliche Differentialgleichungen
11
Gewöhnliche Differentialgleichungen
Die Unbekannte ist eine Funktion y : I → R (oder C), wobei I eine Teilmenge
von R ist (in diesem Kapitel ist D immer ein Intervall, eine Halbgerade oder die
ganze reelle Gerade). Die gewöhnliche Differentialgleichung hat die Gestalt hat
die Gestalt:
F (t, y(t), y 0 (t), · · · , y (h) (t)) = 0 ∀t ∈ I .
(60)
F ist eine (bekannte!) Abbildung von
I × R × R × ... × R
{z
}
|
h + 1 Mal
bzw.
I × C × C × ... × C
|
{z
}
h + 1 Mal
nach R (bzw. C). Eine Lösung von (60) ist eine Funktion die h Mal differenzierbar auf I ist und so dass die Identität (60) für alle t ∈ I gilt.
Manchmal ist die Abbildung F nur auf eine Teilmenge A ⊂ I ×R×R×. . .×R
definiert. In diesem Fall ist eine Lösung eine Funktion y so dass
• (t, y(t), y 0 (t), . . . , y (h) (t)) ∈ A ∀t ∈ I;
• die Identität (60) gilt ∀t ∈ I.
Beispiel 11.1. Sei g : [a, b] → R. Wir haben schon die Differentialgleichung
y 0 (t) − g(t) = 0 ∀t ∈ [a, b]
(61)
gesehen (d.h. y ist eine Stammfunktion von g). In diesem Fall ist die Abbildung
F : [a, b] × R × R → R durch die Formel F (t, y, z) = z − g(t) gegeben.
Falls g eine stetige Funktion ist, dann ist
Z t
y(t) :=
g(s) d s
a
Rt
eine Lösung von 60. In der Tat, ∀c0 ∈ R y(t) = c0 + a g(s) d s ist auch eine
Lösung. Umgekehrt, jede Lösung von (60) ist durch diese Formel gegeben. EiRt
gentlich, sei y eine solche Ls̈oung. Wir defieren ỹ(t) := y(t) − a g(s) d s.ỹ ist
differenzierbar auf [a, b] und ỹ 0 = 0 überall auf I. Aus dem Satz von Lagrange
folgt
Z t
=⇒ ỹ = Konstante c0
=⇒
y(t) = c0 +
g(s) d s, .
a
Wir haben deswegen den folgenden Satz bewiesen.
Satz 11.2. Sei g eine stetige Funktion:
Z
t
y löst (61) ⇐⇒ ∃ε mit y(t) = c0 +
g(s) d s∀t ∈ [a, b]
a
Beispiel 11.3. Sei p ein Teilchen. y(t) := die Position von p zum Zeitpunkt t
y(t) = (y1 (t), y2 (t), y3 (t)), .
In unserem Modell nehmen wir an dass die Bewegungen des Teilchens auf einer
Gerade eingeschränkt sind, d.h. y(t) ∈ R. Aus der Newtonsche Gesetz folgt
ma = F .
a ist die Beschleunigung des Teilchens, d.h. a(t) = y 00 (t). F (t) ist die Kraft auf
dem Teilchens zum Zeitpunkt t. Oft hängt diese Kraft nur von der Position des
Teilchens, d.h. F (t) = g(y(t)), wobei g eine bekannte Funktion ist. Manchmal
hängt die Kraft auch von der Geschwindigkeit und die entsprechende Formel
hängt auch von der Zeit ab. D.h. F = f (t, y(t), y 0 (t)). m ist das Mass des
Teilchens: in der klassischen Mechanik ist es eine positive Konstante. Deswegen
ist die Funktion y eine Lösung der Differentialgleichung.
my 00 (t) − f (t, y(t), y 0 (t))
76
11
Gewöhnliche Differentialgleichungen
Beispiel 11.4. A(t) ist die Anzahl Tiere in einem Welt, geteilt durch das Maximum (und es gibt so viele Tiere dass wir A als eine reelwertige Funktion
beschreiben können). Die Wachstum von A ist dann
A0 (t) = f (A(t)) − g(1 − A(t))
wobei f, g : [0, 1[→ R zwei wachsende Funktionen sind und lims→1 g(s) = +∞.
Zum Beispiel
K1
,
A0 (t) = K0 A(t) −
1 − A(t)
wobei K0 und K1 zwei positive Konstante sind. (In der Literatur: “VolterraLotka population models”).
11.1
Lineare gewöhnliche Differentialgleichungen
Definition 11.5. Inhomogene LDG: g, h bekannt: I → R, y unbekannt
y 0 (t) = g(t)y(t) + h(t), .
(62)
Für h(t) = 0 ist das eine homogene DGL:
y 0 (t) = g(t)y(t)
(63)
Bemerkung 11.6. Falls y1 , y2 : I → R (63) lösen, dann ist auch jede lineare
Kombination von y1 , y2 eine Lösung von (63) (eine lineare Kombination von y1
und y2 ist eine Funktion y der Form y = λy1 + µy2 , wobei λ, µ ∈ R). Falls y
und z zwei Lösungen von 62 sind, dann löst w := z − y 63:
w0 (t) = (z − y)0 (t) = z 0 (t) − y 0 (t) = g(t)z(t) + h(t) − (g(t)y(t) + h(t))
= g(t) (z(t) − y(t))
|
{z
}
w(t)
=⇒ w0 (t) = y(t)w(t), .
Die Zusammenfassung dieser Bemerkung ist den folgenden Satz.
Satz 11.7. Sei V := {y : I → R die (63) löst}. V ist ein Vektorraum. Falls z
eine Lösung von (61) ist, dann gilt:
y löst (61)
⇐⇒
∃v ∈ V : y = z + v .
Der Satz 11.7 gilt auch für andere Differentialgleichungen (d.h. für die lineare
Differentialgleichungen). Falls wir eine Basis für das Vektorraum V und eine
spezielle Lösung von (61) kennen, dann haben wir eine allgemeine Formel fr̈ die
ganzen Lösungen.
Deswegen, betrachten wir zuerst die homogene Gleichung.
y 0 (t) = y(t)g(t)
Angenommen dass y > 0:
y 0 (t)
= g(t)
y(t)
0
(ln(y(t))) = g(t)
z(t) := ln(y(t))
=⇒ z 0 (t) = g(t)
Falls g stetig ist:
Z
t
g(s) d s
z(t) = c0 +
a
y(t) = ez(t) = ec0 e
Rt
a
g(s) d s
77
Rt
= Ce
a
g(s) d s
11
Gewöhnliche Differentialgleichungen
Rt
Bemerkung 11.8. ∀C ∈ R, y(t) = Ce
ist! In der Tat,
Rt
0
a
g(s) d s
g(s) d s
Z
löst (63), auch wenn C negativ
t
0
g(s) d s
y (t) = Ce
a
o
n Rt
g(s)
d
s
g(t)
= Ce a
a
Theorem
11.9. Sei g stetig. y löst 63 auf I ⇐⇒ ∃C ∈ R mit y(t) =
Rt
Ce a g(s) d s .
(Zur Erinnerung: I ist entweder ein Intervall, oder eine Halbgerade, oder die
ganze reelle Gerade. Ohne diese Annahme gilt die obige Behauptung nicht!)
Beweis. Wir haben schon ⇐= bewiesen. Zur =⇒ , sei y(t) eine Lösung von 63.
Wir definieren
Rt
z(t) := e− a y(s) d s y(t)
g(t)y(t)
0
z (t) = −g(y)e
−
Rt
a
g(s) d s
y(t) + e
−
Rt
a
ds
z}|{
g(t) = 0
Beispiel 11.10. Wir finden nun eine Lösung von
y 0 (t) = g(t)y(t) + h(t)
Sei
ȳ(t) := e−
Dann
ȳ 0 (t) = −g(t)e−
Rt
a
g(s) d s
Rt
a
g(s) d s
y(t) + e−
Rt
a
y(t) .
g(s) d s
(g(t)y(t)) + h(t)
Rt
= e− a g(s) d s h(t)
Z t R
τ
ȳ(t) =
e− a g(s) d s h(τ ) d τ
0
Rt
y(t) = e
a
(s) d s
Z
t
e−
Rτ
a
g(s) d s
h(τ ) d τ .
a
y ist eine “spezielle” Lösung von (62).
Theorem 11.11. Seien g und h stetig. Dann gilt:
y ist eine Lösung von (62) auf I
⇐⇒
∃C ∈ R s.d.
Z
t
Rt
Rτ
y(t) = e a g(s) d s C +
e− a g(s) d s h(τ ) d τ
(64)
0
11.2
Differentialgleichungen mit getrennten Variablen
Wie wir im letzten Kapitel gesehem haben, die Differentialgleichung
y 0 (t) = g(t)y(t) + h(t)
hat undendlich viele Lösungen. In der Tat ist die Wahl der Konstante C in der
Formel (64) frei. Das ist typisch für gewöhnliche Differentialgleichungen und
normalerweise brauchen wir zusätzliche Informationen um die “freie” Konstante
zu bestimmen.
Definition 11.12. Ein Anfangswertproblem für die GDG
g (n) (t) = F (t, y(t), y 0 (t), · · · , y (n−1) (t))
entählt die zusätzlichen Bedingungen

y(t0 ) = y0


 0
y (t0 ) = y1
···


 (n−1)
y
(t0 ) = yn−1
wobei t0 ∈ I und y0 , y1 , . . . , yn−1 ∈ R (bzw. C).
78
11
Gewöhnliche Differentialgleichungen
Eine GDG erster Ordnung mit getrennten Variablen ist eine Differentialgleichung der Form y 0 (t) = g(t)F (y(t)). In diesem Kapitel werden wir eine (lokale)
Lösung für das folgende Anfangswertproblem finden:
(
y 0 (t) = g(t)F (y(t))
(65)
y(t0 ) = y0
Wir unterscheiden zwei Fälle:
1. F (y0 ) = 0. y(t) ≡ y0 ist eine Lösung von (65) weil
F (y(t))g(t) = F (y0 )g(t) = 0 ∀t
y 0 (t)0 ∀t
2. F (y0 ) 6= 0. Falls y :]a, b[→ R eine Lösung von (65) ist und F stetig ist:
∃δ > 0 so dass
Dann
F (y(t)) 6= 0 wenn t ∈]t0 − δ, t0 + δ[
y 0 (t)
= g(t) ∀t ∈]t0 − δ, t0 + δ[
F (y(t))
Falls g stetig ist:
Z t
y 0 (t)
=
g(t) d t
t0
t0 F (y(t))
Z y(t)
Z t
dσ
=⇒
=
g(t) d t
y(t0 ) F (σ)
t0
Z
t
Sei H eine Stammfunktion von
1
F
: (und G eine Stammfunktion von g)
H(y(t)) − H(y(t0 )) = G(t) − G(t0 )
G(t) − G(t0 ) + H(y0 )
{z
}
|
H(y(t)) =
(66)
G ist stetig, für t ∼ t0 ist G(t) − G(t0 ) + H(y0 ) ∼ H(y0 )
Ist H umkehrbar?
H 0 (y0 ) =
1
6= 0
F (y0 )
z.B. > 0
F stetig =⇒ ∃ε > 0 : H 0 > 0 auf ]y0 − ε, y0 + ε[
=⇒ H :]y0 − ε, y0 + ε[→ ]H(y0 − ε), H(y0 + ε)[
|
{z
}
enthält H(y0 )
ist umkehrbar. Für |t − t0 | klein genug:
y(t) =
H −1
|{z}
(G(t) − G(t0 ) + H(y0 )) .
(67)
Umkehrfunktion von H
In der Tat, wenn g und F stetig sind und y0 eine Stelle so dass F (y0 ) 6= 0,
ist die Funktion in (67) eine Lösung von (65) in einer Umgebung von t0 : das ist
leicht zu kontrollieren. Wir fassen unsere Diskussion zusammen.
Satz 11.13. Falls F und g steting sind und F (y0 ) 6= 0, dann gibt es eine
einzige Lösung von (65) in einer Umgebung von t0 . Diese ist durch die Formel
(67) gegeben, wobei G eine Stammfunktion von g und H −1 die Umkehrfunktion
einer Stammfunktion von 1/F ist (N.B.: der Definitionsbereich von H muss
eine Umgebung von y0 enthalten).
79
11
Gewöhnliche Differentialgleichungen
Beispiel 11.14.
y 0 (t) = g(t)y(t)
Wir setzen
F (y) = y, g(t) = g(t)
und betrachten das Anfangswertproblem
n
=⇒ y 0 (t) = g(t)F (y(t))y(0) = y0
(68)
Die Formel für (68):
Rt
y(t) = Ce
0
g(t) d t
= y0 e
Rt
y0 = y(0) = Ce
0
Rt
0
g(s) d s
g(s) d s
=C
Nehmen wir F (y0 ) 6= 0 an, d.h. y0 6= 0. Aus (67):
y(t) = H −1 (G(t) − G(0) + H(y0 ))
Z t
g(t) d t + H(y0 )
= H −1
0
1
F (σ)
H ist die Stammfunktion von
= σ1 auf einem Intervall das y0 enthält. OBdA
nehmen wir y0 > 0 an. Als Stammfunktion von 1/F wählen wir H(σ) = ln σ. Der
Definitionsbereich von H ist dann die Halbgerade ]0, ∞[, die die positive Zahl
y0 entḧalt. (Im Fall y0 < 0 wählen wir H(σ) = − ln(−σ)). Die Umkehrfunktion
von H ist
H −1 (ξ) = eξ
und deswegen
y(t) = e(
Rt
0
g(s) d s+ln(y0 ))
= eln y0 e
Rt
0
g(s) d s
Rt
= y0 e
0
g(s) d s
.
Beispiel 11.15. Das nächste Beispiel ist ein Fall der Bernoullischen Differentialgleichung:
(
z }| {
y 0 (t) = α(t)[y(t)]α α > 0, α 6= 1
y(0) = y0
Vorsicht: die GDG macht nur Sinn wenn y(t)geq0!
y 0 (t) = a(t)F (y(t))
F (σ) = σ α
F (y0 ) = y α > 0
1
F
Wir brauchen H, Stammfunktion von
1
= σ −α
F (σ)
1
σ 1−α (weil α 6= 1)
(1 − α)
H(σ) =
H :]0, +∞[→ R
y(t) = H
−1
Z
die y0 im Definitionsbereich enthält.
t
a(s) d s + H(y0 )
0
H(σ)
1
σ 1−α =: η
(1 − α)
1
H −1 (η) = σ = ((1 − α)η) 1−α
1
Z t
1−α
1
1−α
y(t) = (1 − α)
a(s) d s +
y
1−α 0
0
1
1−α
Z t
1−α
= y0 + (1 − α)
a(s) d s
0
NB: Die Funktion ist wohldefiniert wenn y0 + (1 − α)
garantiert falls |t| klein genug ist.
80
Rt
0
a(s) d s ≥ 0. Das ist
11
Gewöhnliche Differentialgleichungen
11.3
Lineare Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten
Eine lineare Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten ist eine gewẅohnliche
Differentialgleichung der Form
g (n) (t) + an−1 y (n−1) (t) + · · · + a1 y 0 (t) + a0 y(t) = q(t) ,
(69)
wobei a0 , . . . , an−1 relle (bzw. komplexe Konstanten) sind . Mit q 6= 0 heisst die
Gliechung inhomogen, sonst homogen. Das folgende Lemma ist trivial.
Lemma 11.16. Sei I ein Intervall. Dann
V := {y : I → R(C), die (69) mit q = 0 löst.}
ist ein reller (bzw. komplexer) Vektorraum. Wenn q 6= 0 und u eine spezielle
Lösung von (69) auf I ist, dann
w löst (69) auf I
⇐⇒
∃v ∈ V : w = u + v .
In diesem Kapitel untersuchen wir die reelle (bzw. komplexe) Lösungen der
homegene Differentialgleichung. Das Ziel ist das folgende Haupttheorem zu beweisen.
Theorem 11.17. Für jede y0 , y1 , · · · , yn−1 ∈ R (C) ∃ eine eindeutige Lösung
des Anfangswertproblems:

(n)
(n−1)

+ · · · + a1 y 0 + y = 0
y + an+1 y



y(0) = y0

(70)
y 0 (0) = y1



···



y (n−1) (0) = y
n−1 .
Wir werden nicht nur das Theorem beweisen, aber auch eine explizite Formel
für die Lösung finden. Zuerst beweisen wir die Eindeutigkeit der Lösung von (70)
Lemma 11.18. Sei I ein beliebiges Intervall mit 0 ∈ I und L : V → Cn (Rn )
die folgende lineare Abbildung
y ∈ V : L(y) = y(0), y 0 (0), · · · , y (n−1) .
Dann L ist injektiv (und deswegen dim(V ) ≤ n).
Das Lemma implizier dass das Anfagswertproblem (70) höchstens eine Lösung
besitzt.
Beweis. Die Linearität von L ist trivial. Um die Injektivität zu zeigen, brauchen
wir nur die Identität ker (L) = {0} (d.h. dass L(v) = 0 =⇒ v = 0). Die
Injektivität folgt dann aus elementaren Bemerkungen der Lineare Algebra (in
der Tat, sei v, w ∈ V so dass L(v) = L(w); dann, wegen der Linearität von L,
L(v − w) = 0).
Sei dann y eine Lösung von (70) mit y0 = y1 = . . . = yn−1 = 0. Wir setzen
2
2
2
Y (t) = (y(t)) + (y 0 (t)) + · · · + y (n−1) (t) .
Y ist differenzierbar und
|Y 0 (t)| = |2y(t)y 0 (t) + 2y 0 (t)y 00 (t) + · · · + 2y (n−2) (t)y (n−1) + 2y (n−1) (t)y n (t)|
√
≤2
Y (t)
√
√
≤2
Y (t)
√
Y (t)
Y (t)
z
}|
{
z
}|
{
≤ 2|y(t)||y 0 (t)| + · · · + 2|y (n−2) (t)||y (n−1) (t)|
81
11
Gewöhnliche Differentialgleichungen
+ 2|y (n−1) (t)| −an−1 y (n−1) (t) − · · · − a0 y(t)
|
{z
}
√
√
2
Y (t)(|an−1 |+···+|a0 |)
Y (t)
≤ 2 n − 1 + |a0 | + · · · + |an−1 | Y (t) = CY (t) .
Deswegen, Y ist eine nichtnegative differenzierbare Funktion auf einem Intervall
I so dass
(a) 0 ∈ I und Y (0) = 0
(b) |Y 0 (t)| ≤ CY (t).
Aus dem Lemma von Gronwall (siehe Lemma 11.20 unten!) folgt Y ≡ 0. Das
bedeutet y ≡ 0.
Lemma 11.19 (Gronwall, erste Version). Sei Y : [0, c[→ [0, +∞[ eine differenzierbare Funktion mit:
• Y (0) = 0,
• Y 0 (t) ≤ CY (t) ∀t ∈ [0, c[, wobei C unabhängig von t ist.
Dann Y ≡ 0.
Beweis. Wir definieren z(t) = e−Ct Y (t). z ist nichtnegativ und differenzierbar.
Ausserdem
z 0 (t) = e−Ct Y 0 (t) − Ce−Ct Y (t) = e−Ct (Y 0 (t) − CY (t)) ≤ 0 ,
und z ist eine fallende Funktion. Das impliziert z(t) ≤ z(0) = 0 ∀t ∈ [0, c[, und,
da z nichtnegative ist, z ≡ 0 auf [0, c[.
Lemma 11.20 (Gronwall, zweite Version). Sei Y :]a, b[→ R eine differenzierbare Funktion mit:
• Y (0) = 0 und a < 0 < b,
• |Y 0 (t)| ≤ C|Y (t)| ∀t ∈ [0, c[.
Dann Y ≡ 0.
Beweis. Sei z(t) := Y (t)2 . Dann
z 0 (t) = 2Y (t)Y 0 (t) ≤ 2|Y (t)|C|Y (t)| ≤ 2Cz(t) .
Da z(0) = 0, aus dem Lemma 11.19 folgt z(t) = 0 ∀t ∈ [0, b[. Deswegen Y ≡ 0
auf [0, b[.
Sei dann w : [0, |a|[→ [0, +∞ so definiert: w(t) = Y (−t)2 . Dann w0 (t) =
−2Y (−t)Y 0 (−t) ≤ 2C|Y (−t)|2 = 2Cw(t). Aus dem Lemma 11.19 folgt w(t) = 0
∀t ∈ [0, |a|[. Aber das beweist dass Y (t) = 0 ∀t ∈]a, 0].
Wir beweisen nun dass dim (V ) = n: wir werden n lineare unabhängige
explizite Lösungen der homogene Differentialgleichung
y (n) + an−1 y (n−1) + . . . + a1 y 0 + a0 y = 0
(71)
zeigen.
Definition 11.21. Das Polynom
P (x) = xn + an−1 xn−1 + . . . + a1 x + a0
heisst charakeristisches Polynom der Differentialgleichung (71).
Wir brauchen zuerst eine wichitge Ergebnisse der Algebra.
Theorem 11.22. [Fundamentalsatz der Algebra] Seien a0 , . . . , an−1 ∈ C. Dann
es gibt
82
11
Gewöhnliche Differentialgleichungen
• r verschiedene kompleze Zahlen λ1 , . . . , λr ,
• r positive natürliche Zahlen k1 , . . . , kr
so dass
P (x) = (x − λ1 )k1 (x − λ2 )k2 · . . . · (x − λr )kr .
(72)
Die Zahlen λ1 , . . . , λr sind die Nullstellen des Polynoms. Die Zahl kj ist die
Vielfachheit der Nullstelle λj . Die rechte Seite von (72) ist die Faktorisierung
von P in Primfaktoren. Wenn das Polynom reel ist (d.h. a0 , . . . , an−1 ∈ R)
koennen wir einiges mehr dazu sagen.
Satz 11.23. [Reelle Faktorisierung] Seien a0 , . . . , an−1 ∈ R. Dann für jede
Nullstelle λ ∈ C von P ist auch λ̄ eine Nullestelle und die entsprechenden
Vielfachheiten sind gleich.
Nehmen wir an dass das Polynom P reell ist. Wir koennten diese zusätzliche
Information nutzen um die rechte Seite (72) umzuschreiben. Zuerst wir ordnen
die Nullstellen als
µ1 , . . . , µ` , z1 , z̄1 , . . . , zs , z̄s
wobei µj ∈ R und zj = αj + iβj ∈ C \ R (d.h. βj 6= 0). Wir ordnen die
entsprechenden Vielfachheiten
k1 , . . . , k` , m1 , m1 , . . . , ms , ms .
Dann, aus (72) folgt:
m1
ms
P (x) = (x − µ1 )k1 · . . . · (x − µ` )k` · (x − z1 )(x − z̄1 )
· . . . (x − zs )(x − z̄s )
m1
ms
= (x−µ1 )k1 ·. . .·(x−µ` )k` · x2 + 2α1 x + (α12 + β12 )
·. . . x2 + 2αs x + (αs2 + βs2 )
.
(73)
Wir sind nun bereit um die Basis von V zu zeigen
Satz 11.24. Seien a0 , . . . , an−1 ∈ C, V der (komplexe) Vektorraum der komplexwertigen Lösungen von (71) auf R, P das charakteristische Polynom von
(71), λ1 , . . . , λr seine Nullstellen und k1 , . . . , kr die entsprechenden Vielfachheiten. Dann die folgenden Funktionen sind eine Basis von V :
• eλ1 t , teλ1 t , . . . , tk1 −1 eλ1 t ;
• ...
• eλr t , teλr t , . . . , tkr −1 eλr t .
Seien a0 , . . . , an−1 ∈ C, V der (reelle) Vektorraum der reelwertigen Lösungen
von (71) auf R und P das charakteristische Polynom von (71). Seien:
• µ1 , . . . , µl die reelle Nullstellen von P und k1 , . . . , k` die entsprechenden
Vielfachheiten;
• z1 , z̄1 , . . . , zs , z̄s die nichtreelle Nullstellen von P und m1 , . . . , ms die entsprechenden Vielfachheiten (wobei zj = αj + iβj ).
Dann die folgenden Funktionen sind eine Basis von V :
• eµ1 t , teµ1 t , . . . , tk1 −1 eµ1 t ;
• ...
• eµ` t , teµ` t , . . . , tkr −1 eµ` t ;
• eα1 t sin(β1 t), eα1 t cos(β1 t), . . . , tk1 −1 eα1 t sin(β1 t), tm1 −1 eα1 t cos(β1 t);
• ...
• eαs t sin(βs t), eαs t cos(βs t), . . . , tks −1 eαs t sin(βs t), tms −1 eαs t cos(βs t)
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Gewöhnliche Differentialgleichungen
Beweis. Es ist leicht zu sehen dass die obigen Funktionen linear unabhängig
sind. Aus (72) folgt dass k1 + . . . + ks = n (und aus (73) folgt k1 + . . . + k` +
2m1 + . . . + 2ms = n). Aber das Lemma 11.18 zeigt dass die Dimension von V
höchstens n ist. Deswegen, es genügt zu zeigen dass jede Funktion in den obigen
Listen eine Lösung von (71) ist. In der Tat, da ezj t + ez̄j t = 2eαj t cos(βj t) und
ezj t − ez̄j t = 2eαj t sin(βj t), müssen wir nur die folgende Behauptung beweisen:
tm eλt löst (71), wenn λ = λj eine Nullstelle von P ist und m ≤ kj − 1. (74)
Wir skizzieren den Beweis von (74) mit Hilfe der sogenannten Operatorrechnung.
Ein Operator ist eine Funktion von Funktionen. D.h., wenn A ein Operator f
eine Funktion sind, dann A(f ) (kurz Af ) auch eine Funktion ist. Um einen
wohldefinierten Operator zu haben, sollen wir seinen Definitionsbreich spezifizieren. In unserem Fall, werden wir annehmen dass der Definitionsbereich immer
X = C ∞ (R, C) ist, d.h. der Raum der komplexwertigen Funktionen einer reellen
Variable die beliebig oft differenzierbar sind.
Die Ableitung ist dann ein Operator, den wir alz D bezeichnen: wenn f eine
Differenzierbare Funktion ist, Df ihre Ableitung ist. Falls λ ∈ C, der Operator
λ bedeutet die “Funktion” X 3 f 7→ λf ∈ X. Falls A und B zwei Operatoren
sind, koennen wir noch die folgenden Operatoren definieren:
• die Summe A + B: diese ist der Operator f 7→ Af + Bf ;
• das Produkt A · B: dieser ist der Operator f 7→ A(B(f ));
• die k-Potenz von A: diese ist der Operator
f 7→ D(D(. . . (D(f )) . . .)) .
{z
}
|
k Mal
Deswegen, Dn f ist einfach die Ableitung n-ter Ordnung von f . Die Summe ist
kommutativ (A + B = B + A) aber Vorsicht: das Produkt ist, allgemein, nicht
kommutativ!
Sei nun P (D) der Operator Dn + an−1 Dn−1 + . . . + a1 D + a0 . Dann, f ∈
X ist eine Lösung von (71) genau dann, wenn P (D)f = 0. Ausserdem, die
Faktorisierung (72) impliziert dass
P (D) = (D − λ1 )k1 · . . . · (D − λr )kr .
Ausserdem, es ist leicht zu sehen dass, für jede λ, µ ∈ C, gilt die Vertauschungsregel:
(D − µ)(D − λ) = (D − λ)(D − µ) .
Sei nun f = tm eλj t wie in (74). Dann
P (D)f = Q(D) (D − λj )kj f ,
(75)
wobei
Q(D) = (D − λ1 )k1 · . . . · (D − λj−1 )kj−1 · (D − λj+1 )kj+1 · . . . (D − λr )kr .
Wir zeigen nun dass
(D − µ)k g = 0
falls g(t) = tm eµt und m < k.
(76)
(75) und (76) implizieren (74), weil Q(D)0 = 0 (diese Identität gilt für jedes
Polynom Q!).
(76) ist leicht zu sehen wenn wir k Mal die folgende allgemeine Regel anwenden: falls Q ein Polynom mit Grad s ist und h(t) = Q(t)eµt , dann [(D − µ)h]
ist eine Funktion der Form R(t)eµt , wobei R ein Polynom mit Grad s − 1 ist.
Um diese Regel zu zeigen, rechnen wir einfach
(D − µ)(t` eµt ) = `t`−1 eµt + t` µeµt − µt` eµt = `t`−1 eµt .
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