Adaptive Evolution: Fitness und Anpassung

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Adaptive Evolution: Fitness und Anpassung (1)
Einleitung
In deutschsprachigen Ausgaben von CHARLES
DARWINS „The Origin of Species“ wird die Beschreibung von natürlicher Selektion als „survival of the
fittest“ häufig irrtümlich als „Überleben des Stärksten“
übersetzt [1]. Dies kann zu einem grundlegenden
Missverständnis führen, wie natürliche Selektion
funktioniert. Es ist nämlich nicht unbedingt das
stärkste Individuum, das selektiert wird, sondern das
Bestangepasste. Es sollte daher eher „Überleben
des Bestangepassten“ heißen.
Ob Individuen gut oder schlecht an ihre Umwelt angepasst sind, wird anhand der relativen Fitness
gemessen – wiederum ein Konzept, das zu vielen
Missverständnissen führt. Fitness ist in einem (evolutions-) biologischen Kontext, immer als (lebenslanger) Reproduktionserfolg zu verstehen [2] und nicht
wie im alltäglichen Sprachgebrauch als gute körperliche Verfassung bzw. sportliche Leistungsfähigkeit [3]
zu sehen. Die Fitness eines Individuums wird dabei
immer relativ zu dessen Artgenossen innerhalb einer
Population gemessen. Deutlicher gesagt, in der Natur zählt nur, wie viele Nachkommen ein Individuum
im Vergleich zu dessen Artgenossen innerhalb einer
Population produziert.
Fitness sollte dabei auch stets in einem ökologischen Zusammenhang gesehen werden. Das fitteste Individuum mit einer bestimmten Merkmalskombination kann sich in einem völlig anderen ökologischen Kontext als Individuum mit der geringsten
Fitness erweisen und andersherum. Ein Individuum
ist daher gut an seine (aktuelle) Umwelt angepasst,
wenn es aufgrund dessen Merkmalsausprägungen
und Eigenschaften mehr Nachkommen produziert als
der Populationsdurchschnitt [2].
Des Weiteren ist Anpassung kein aktiver, zielgerichteter Prozess des Organismus. Bestimmte
Merkmale erweisen sich in einem bestimmten ökolo-
gischen Kontext als vorteilhaft (im Vergleich zu anderen Merkmalen). Das Entstehen dieser vorteilhaften
Merkmale geschieht jedoch (in der Regel) völlig unabhängig von der Umwelt. So kann durch zufällige
Mutationen ein Merkmal entstehen, das sich als vorteilhaft in dem aktuellen, ökologischen Kontext herausstellt (Adaption, Anpassung) oder sich als neutral
oder gar als unvorteilhaft (Maladaption) zeigt. Eine
Anpassung muss nicht immer perfekt sein. So kann
im Laufe der Evolution auch (vorerst) suboptimale
Merkmalskombinationen entstehen [4].
Die Zufallskomponente im Entstehen von Merkmalskombinationen kann ferner dazuführen, dass unterschiedliche Lösungen für ein und dasselbe Problem
gefunden werden. So können unter den gleichen
Umweltbedingungen in unterschiedlichen Populationen im Laufe der Evolution unterschiedliche Anpassungsstrategien entstehen. Ein gutes Beispiel
dafür sind die unterschiedliche Strategien zur Thermoregulierung: verhaltensgesteuerte Strategien
(Vermeiden von Mittagshitze, Sonnenbad, Abkühlung
im Wasser), unterschiedliche Strategien der Verdunstungskühlung (Hecheln bei Hunden, Schwitzen
bei Primaten), verschiedene physiologische Strategien (Hautdurchblutung, Gegenstromwärmeaustausch bei z.B. Stelzvögeln), vergrößerte bzw. verkleinerte Körperoberfläche zur verstärkten bzw. reduzierten Wärmeabgabe [5].
Diese Unterrichtsaktivität hat zum Ziel, die Konzepte
„Fitness“ und „Anpassung“ spielerisch zu erarbeiten
und diese dabei in einem ökologischen Kontext zu
erfassen. Diese Unterrichtsaktivität kann außerdem
benutzt werden, um zu verdeutlichen, dass Merkmale zufällig kombiniert werden und sich nach der
Kombination (Sexualität) in den jeweiligen Umweltbedingungen als vorteilhaft oder nachteilig erweisen,
d.h. dass die Vorraussetzung von Anpassung unabhängig von dem ökologischen Kontext entsteht.
Die Unterrichtsaktivität wurde im Lehramtsgroßpraktikum (Wintersemester 2007/2008) an der Universität Tübingen von CHRISTINA DRUCKENMÜLLER, MIRIAM NOSCHKA, SUSANNE QUINTUS und CARINA STEIDLE entwickelt.
[1] ULRICH KUTSCHERA: Streitpunkt Evolution: Darwinismus und intelligentes Design, LIT Verlag Berlin, Hamburg,
Münster, 2004
[2] STEPHEN C. STEARNS und ROLF H. HOEKSTRA: Evolution – an introduction, 2. Auflage, Oxford University Press,
2005
[3] Duden, Das Fremdwörterbuch, 9. aktualisierte Auflage, Dudenverlag, Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich, 2007.
[4] SCOTT FREEMAN und JON C. HERRON: Evolutionary Analysis, 4. Auflage, Pearson Education, Inc., Upper Saddle
River, 2007.
[5] Roger Eckert: Tierphysiologie, 4. Auflage, Thieme, Stuttgart, 2002
© Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2009 | www.klett.de | Alle Rechte vorbehalten
Von dieser Druckvorlage ist die Vervielfältigung für den eigenen
Unterrichtsgebrauch gestattet. Die Kopiergebühren sind abgegolten.
Autor: Thomas G. D’Souza
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Adaptive Evolution: Fitness und Anpassung (2)
Ablauf
Es werden Gruppen mit jeweils vier oder fünf Schülern gebildet. Jede Gruppe erhält eine Arbeitsanweisung sowie das gleiche Set an Merkmalskarten. Die
Merkmale sind in jeder Gruppe in die Kategorien
„Farbe“, „Extremitäten“, „Körperoberfläche“, „Nahrung“ und „sonstige Eigenschaften“ geordnet. Zur
Übersichtlichkeit können die Kategorien farblich verschieden gekennzeichnet sein. Jede Merkmalskategorie enthält fünf verschiedene Merkmale. Jeder
Schüler zieht eine Karte pro Merkmalskategorie,
sodass jeder Schüler am Ende als Merkmalskombination fünf verschiedene Merkmalskarten erhält.
Nun wird jeder Gruppe ein Habitat zugeteilt, wie beispielsweise Wüste, Dschungel, Meer und Antarktis.
Außerdem bekommt jede Gruppe 20 Nachkommenskarten. Die Aufgabe der Schüler besteht nun
darin, die Nachkommenskarten möglichst geschickt
unter sich aufzuteilen. Die Schüler sollen dabei die
verschiedenen (zufällig entstandenen) Merkmalskombinationen vergleichen und hinsichtlich deren
Anpassung an das Habitat bewerten. Das Individuum
mit der für das jeweilige Habitat vorteilhaftesten
Merkmalskombination bekommt dabei die meisten
Nachkommen. Den Schülern soll dabei deutlich werden, dass zum einen das best angepasste Individuum mit Nachkommen die höchste Fitness hat und,
dass der Begriff „Fitness“ in Relation zu den Artgenossen einer Population steht.
Nachdem die Schüler die Nachkommen unter sich
verteilt haben, sollen die jeweiligen Gruppenergebnisse der Klasse vorgestellt werden, wobei vor allem
die Frage nach dem Prinzip der Nachkommensverteilung im Mittelpunkt steht. Anschließend werden
die einzelnen Schritte der Gruppenarbeit im LehrerSchüler-Gespräch in Bezug auf die adaptive Evolution interpretiert.
An dieser Stelle können auch die Aspekte Optimalität, Anpassungsstrategien, Zufall und Zielgerichtetheit in der Evolution angesprochen und diskutiert
werden, da sich diese Themen direkt aus dem Spiel
ergeben.
Themenbezogene Lernziele
– Die Schüler sollen selbstständig ein Prinzip entwickeln, die Nachkommen sinnvoll zu verteilen.
– Die Schüler sollen den Zusammenhang zwischen
vorteilhaftem Merkmal (bzw. Merkmalskombination) und Nachkommenzahl (Fitness) verstehen
und selbstständig erkennen und erklären können.
– Die Schüler sollen verstehen, dass Fitness eines
Individuums in Relation zu den Populationsmitgliedern steht.
– Die Schüler sollen anhand der Beziehung zwischen Merkmal und Fitness verstehen, dass das
Überleben einer Population nicht zufällig erfolgt,
sondern von der Anpassung an Lebensraum und
Situationen abhängt.
– Durch das Ziehen der Merkmalskarten zu Beginn
soll deutlich werden, dass der natürlichen Selektion eine zufällige Merkmalsverteilung vorausgeht.
Allgemeine Lernziele
Durch die Gruppenarbeit wird die Kommunikationsund Teamfähigkeit der Schüler gefordert. Die Schüler
können selbstständig ihre Ergebnisse formulieren
und präsentieren.
Material pro Gruppe (à 4–5 Schüler):
1 Arbeitsanweisung
1 Habitatkarte (entweder Wüste, Polarregion, Dschungel oder Meer)
1 Satz Merkmalskarten (5 Merkmale in 5 Kategorien)
1 Satz Nachkommenskarten (20 Nachkommen)
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Anhang Kopiervorlagen:
– Arbeitsanweisung
– Merkmalskärtchen
– Nachkommenskarten
– Habitatkaraten
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Adaptive Evolution: Fitness und Anpassung (3)
Unterstufe:
Arbeitsanweisung: Stellt euch vor, eure Gruppe sei eine Population, in der jedes Individuum fünf Merkmale
besitzt. Eure Population bewohnt einen bestimmten Lebensraum. Ihr habt als Population insgesamt 20 Nachkommen. Diese sollt ihr unter den Individuen möglichst geschickt aufteilen.
Stellt eure Ergebnisse der Klasse vor und beantwortet dabei folgende Fragen:
1. Nach welchen Kriterien habt ihr die Nachkommen verteilt?
2. Bei konstanten Umweltbedingungen und bei gleicher Nachkommensverteilung: Welches Individuum wird
sich langfristig durchsetzen?
3. Ist dieses Individuum optimal an das Habitat angepasst oder gibt eine bessere Merkmalskombination?
Oberstufe:
Arbeitsanweisung: Stellen Sie sich vor, Ihre Gruppe sei eine Population, in der jedes Individuum fünf Merkmale besitzt. Ihre Population bewohnt einen bestimmten Lebensraum. Sie haben als Population insgesamt 20
Nachkommen. Diese sollen Sie unter den Individuen möglichst geschickt aufteilen.
Stellen Sie Ihre Gruppenergebnisse der Klasse vor und beantworten Sie dabei folgende Fragen:
1. Nach welchen Kriterien haben Sie die Nachkommen verteilt?
2. Bei konstanten Umweltbedingungen und bei gleicher Nachkommensverteilung: Welches Individuum wird
sich langfristig durchsetzen?
3. Ist dieses Individuum optimal an das Habitat angepasst oder gibt eine bessere Merkmalskombination?
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Merkmalskarten
Extremitäten
lange
Beine
kurze
Beine
Körperoberfläche
Nahrung
Panzer
Schuppen
Fisch
Fleisch
Farbe
Sontige
Merkmale
weiß
Speckschicht
rot
großer
Wasserspeicher
Flügel
Federn
Insekten
Flügel
starke
Transpiration
Greifarme
dickes
Fell
Pflanzen
grau
Kiemen
Flossen
dünne
Haut
grün
keine
Augen
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Aas
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Nachkommenskarten
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Habitatskarten
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