Mathematik für Informatiker I

Werbung
09. November 2012
Universität Heidelberg
Fakultät für Mathematik und Informatik
Dr. Daniel Kondermann
Dr. Martin Rheinländer
Mathematik für Informatiker I
Aufgabenblatt 4
Es folgt noch eine korrigierte Version!
Aufgabe 4.1: Ganze Zahlen sind auch nur Äquivalenzrelationen!
(5P)
Jemand beschwert sich: Natürliche Zahlen gibt es für mich wirklich, denn die kann ich mir z.B. mit Äpfeln
vorstellen. Negative Zahlen, gebrochene Zahlen, imaginäre Zahlen – das sind doch wohl alles nur Hirnkonstrukte der Mathematiker, damit wir besser rechnen können, oder? Was sagen Sie dazu nach Erledigung
der folgenden Aufgaben?
a) Zeigen Sie, daß durch
(a, r) ∼ (b, s) :⇔ a + s = b + r
eine Äquivalenzrelation auf N × N gegeben ist. Die Äquivalenzklasse, die zu (a, r) gehört, wird im
folgenden mit (a, r) bezeichnet, d.h.
(a, r) := (c, t) ∈ N × N (c, t) ∼ (a, r) .
(a, r) ist wie jedes andere Element der Äquivalenzklasse (a, r) auch ein Repräsentant dieser Äquivalenzklasse.
b) Zeigen Sie, daß die Menge N × N/ ∼ dieser Äquivalenzklassen durch
(a, r) + (b, s) := (a + b, r + s)
(a, r) · (b, s) := (ab + rs, as + rb)
mit zwei wohldefinierten Verknüpfungen ausgestattet wird.
Hinweis: Äquivalenzklassen selbst sind meist recht schlecht greifbar, daher muß man sich mit ihren
Repräsentanten begnügen. Die beiden obigen Verknüpfungen sind in Bezug auf die Äquivalenzklassen
sinnvoll definiert, wenn die Definition unabhängig von den willkürlich gewählten Repräsentanten
(hier (a, r) und (b, s)) ist, derer man sich bedient, um die Verknüpfungen zu definieren.
c) Versuchen Sie nun einen Zusammenhang zwischen der Menge der Äquivalenzklassen N × N/ ∼ und
der Menge der ganzen Zahlen Z herzustellen. Beachten Sie dabei: Jede ganze Zahl läßt sich als
Differenz natürlicher Zahlen schreiben, z.B.:
−3 = 3 − 6 = 5 − 8 = ... aber auch 7 = 8 − 1 = 13 − 6 = ... oder 0 = 2 − 2 = 12 − 12 = ... .
Die Gleichungen für negative ganze Zahlen wie 3−6 = 5−8 ergeben für jemanden der nur natürliche
Zahlen kennt bzw. akzeptiert keinen Sinn, denn man kann dann von einer natürlichen Zahl nicht
eine andere natürliche Zahl abziehen, die größer ist als diese. Dieses Problem läßt sich aber leicht
heilen, indem man die Gleichungen umstellt, oder? Was ergibt sich dann?
Aufgabe 4.2: Nachtrag zur Vorlesung: Rechenregeln für Boolesche Algebren
(5P)
Die folgenden Aufgaben sind sehr sorgfältig analog zu den Beispielen aus der Vorlesung zu erledigen,
d.h. eine Umformungsschritt pro Zeile plus erklärender Kommentar rechts daneben (z.B. Verweis auf
benutztes Axiom).
a) Leiten Sie das multiplikative Idempotenzgesetz a ⊙ a = a für alle a ∈ A her. Illustrieren Sie dabei das
Dualitätsprinzip, indem auf die Herleitung des additiven Idempotenzgesetzes – wie in der Vorlesung
vorgeführt – Bezug nehmen.
b) Beweisen Sie die allgemeinen Absortions- oder Verschmelzungsgesetze, wonach
(a ⊙ b) ⊕ a = a ⊙ (b ⊕ a) = a
für alle a, b ∈ A. Gilt auch hier das Dualitätsprinzip?
c) Zeigen Sie, daß für alle a, b, c ∈ A die Implikation
a⊕b=a⊕c
∧
a⊙b=a⊙c
⇒
b=c
gilt. Dieser Sachverhalt wird als Kürzungsregel bezeichnet.
Hinweis: Stellen Sie b zunächst “etwas umständlich” mit dem Absorptionsgesetz dar und versuchen
Sie dann b aus dem Ausdruck zu eliminieren, indem Sie die Prämissen wiederholt ins Spiel bringen.
d) Führen Sie den in der Vorlesung begonnenen Beweis der de Morganschen Regeln vollständig durch.
e) Wird eine Boolesche Algebra durch die Relation
n
o
n
o
≤ := (a, b) ∈ A × A : a ⊙ b = a = (a, b) ∈ A × A : a ⊕ b = b
teilgeordnet? Die Antwort ist zu begründen.
Bemerkung: Übrigens. die Erkenntnis, daß Boolesche Algebren eine “natürliche” Ordnungsstruktur in sich bergen, ist der wesentliche Ansatzpunkt für den (oder zumindest für einen) Beweis des
Satzes von Stone.
Aufgabe 4.4: Teileralgebren als Instanzen der abstrakten Booleschen Algebra
(5P)
Neben den zahlreichen Mengenalgebren und der etwas langweiligen Aussagenalgebra gibt es glücklicherweise
noch weitere prominente Vertreter der Booleschen Algebra als abstrakte Struktur. Geradezu ideal, um
den “mächtigen” Satz von Stone einmal auf die Probe zu stellen.
a) Für eine natürliche Zahl n ∈ N bezeichne Tn die Menge aller Teiler von n, d.h.
Tn := t ∈ N ∃ q ∈ N : qt = n .
Begründen Sie, weshalb Tn zusammen mit den aus der Schule bekannten binären Operationen
ggT (größter gemeinsamer Teiler) und kgV (kleinstes gemeinsames Vielfaches) die Struktur einer
Booleschen Algebra trägt, wenn die Primfaktorzerlegung von n keine der vorkommenden Primzahlen
mehrfach enthält. Beantworten Sie insbesondere die folgenden Fragen:
i) Handelt es sich beim ggT und kgV tatsächlich um innere Verknüpfungen auf Tn ?
ii) Wie lauten die neutralen Elemente hinsichtlich der beiden Verknüpfungen?
iii) Wie ist die Komplementbildung zu definieren?
iv) Welche Eigenschaften sind noch zu überprüfen?
b) Gelingt es Ihnen, den Satz von Stone an dem Beispiel T330 zu erläutern. Wieviele Elemente zählt
T330 eigentlich?
c) Versuchen Sie T330 insbesondere im Hinblick auf die Ordnungsstruktur graphisch darzustellen. Sollte
sich bei Ihnen auch nach zwei Stunden angestrengten Nachdenkens keine Idee einstellen, googeln Sie
unter dem Stichwort Hasse Diagramme – wer jedoch schon vorher googelt, läßt sich möglicherweise
ein schönes kreatives Erlebnis entgehen.
d) (Zur Diskussion) Wie ist zu verfahren, wenn in der Primzahlzerlegung von n manche Faktoren
quadratisch oder mit höherer Potenz auftreten?
(5P)
Aufgabe 4.4: Zum Scheitern verurteilt!?
Der Hausmeister, der das Hörsaalzentrum für eine einschlägige Konferenz herrichten muß, möchte als
begeisterter Heimwerker und Hobbytüftler die Tagungsgäste mit einer aus den drei Buchstaben I,W,R1
1 Das IWR = Interdisziplinäres Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen an der Universität Heidelberg genießt ein hohes
Renommé in Fachkreisen.
selbst gebastelten Booleschen Algebra überraschen. Im Foyer des Hörsaalzentrums hat er sich bereits alle
Utensilien zurechtgelegt. Angestrengt durchdenkt er noch einmal den an sich simplen Bauplan in Form
der beiden (hier noch auszufüllenden) Verknüpfungstafeln
⊕
I
W
R
I
W
R
⊙
I
W
R
I
W
R
.
Nach einer Weile wischt er sich mit dem Ärmel seines Kittels den Schweiß von der Stirn. “So ein Mist!”
durchhallt eine empörte Stimme das ganze Foyer. Ein hilfsbereiter Informatikstudent, der während einer
Vorlesungspause Zeuge dieses Ausrufs wird, erkundigt sich nach dem Problem. Als der Hausmeister ihm
von seinem Vorhaben berichtet, muß der Student ein wenig schmunzeln. “Kennen Sie denn nicht den
Satz von Stone?” wendet dieser ein und beginnt von Potenzmengen, Bijektionen und Isomorphismen
zu faseln. Der Hausmeister blickt zunehmend irritierter und unterbricht den Studenten schließlich mit
barscher Stimme: “Bürschchen, hör mir bloß auf, klug zu schwätzen, die schlauen Fremdworte kannst’e für
Dich behalten, wenn’e sonst nichts zu sagen hast.” Der Student überlegt einen Augenblick konzentriert:
“Warten Sie, ich glaub’, ich kann’s auch so erklären.” Mürrisch dreht sich der Hausmeister noch einmal
um. Allmählich glättet sich seine in Falten gelegte Stirn und er beginnt zustimmend zu nicken. “Mensch
Junge, du bist wirklich schlau; da hätt’ ich mich ja noch lang’ verdullen können,” bemerkt der Hausmeister, als der Student seine Argumentation beendet und klopft ihm dabei anerkennend auf die Schulter.
Einen Moment später fragt er mit zaghafterer Stimme: “Wenn das ja gar nicht funktionieren kann, was
mach ich dann jetzt bloß? mit den bereits ausgesägten Buchstaben?” “Ganz ruhig bleiben”, erwidert der
Student, “wir bauen ’ne Gruppe, vielleicht wird da sogar’n kleiner Körper draus.” Am nächsten Tag wird
das Kunstwerk von dem Fachpublikum ob der kunstvollen Ausführung gebührend bewundert. Dekan und
Institutsdirektor danken dem Hausmeister für seinen unvergleichlichen Einsatz; so etwas gibt es nur in
Heidelberg.
Wie vermochte der Informatikstudent den Hausmeister davon zu überzeugen, von seinem ursprünglichen
Vorhaben abzulassen? Mit was für einem “Bauplan” hat der Student dem Hausmeister aus der Patsche
geholfen?
Hinweis: Wem die Aufgabenstellung zu fabulös ist, hier die Arbeitsanweisung im Klartext: Zeigen Sie
ohne Verweis auf den Satz von Stone, daß eine dreielementige Menge nicht Trägermenge einer Booleschen Algebra sein kann, d.h. es gibt keine Boolesche Algebra mit drei Elementen. Geben Sie die
Verknüpfungstabelle für eine dreielementige Gruppe an. Können Sie diese durch eine zweite Tabelle so
ergänzen, daß die dreielementige Menge damit zu einem Körper wird?
Herunterladen