Kein Zurück! Die Grundaussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils für die Kirche in Gegenwart und Zukunft Der 25. Januar 1959 war kirchengeschichtlich ein bedeutsames Datum. An diesem Tag hat Papst Johannes XXIII. in St. Paul vor den Mauern angekündigt, dass er eine Diözesansynode der Stadt Rom und ein ökumenisches Konzil für die Gesamtkirche einberufen wird. Gesamtkirche meint die römisch-katholische (West)-Kirche mit den unierten Ostkirchen, weil sie die einzig wahre Kirche Jesu Christi ist, die aus den Spaltungen der Jahrhunderte geblieben ist. Nach den Worten des Papstes sollte es ein geistliches Ereignis werden, eine Begegnung mit Christus im Heiligen Geist und daraus resultierend: eine Erneuerung der Kirche und des christlichen Lebens. 1) Anlässe für das Konzil Woher kam dieser Wunsch? Es gab keinen äußeren Druck ein Konzil einzuberufen: keine Häresie war im Umlauf, die der Abwehr bedürft hätte, es gab keine Bedrohung welcher Art auch immer von außen o.ä. Johannes XXIII. war viele Jahre als Nuntius in Ost und West sowie als Patriarch von Venedig die Kluft zwischen Kirche und Welt deutlich vor Augen gekommen. Was anstand und was Papst Johannes XXIII. hellsichtig wahrgenommen hatte war die Frage, wie es die Kirche mit der Moderne bzw. der modernen Welt halte. Die Kirche befand sich vor dem Konzil der Welt gegenüber und in Distanz zu ihr. Papst Pius IX. hatte 1864 den sog. „Syllabus errorum“1 veröffentlich in dem 80 Irrtümer verurteilt worden waren. Einige Beispiele. Verurteilt wurden z.B. folgende Aussagen: Es steht jedem Menschen frei, jene Religion anzunehmen und zu bekennen, welche er, durch das Licht der Vernunft geführt, für wahr hält. Wenigstens darf man gute Hoffnung hegen über die ewige Seligkeit aller, welche nicht in der wahren Kirche Christi leben. Der Protestantismus ist nichts anderes, als eine verschiedene Form derselben christlichen Religion, in welcher es ebenso gut möglich ist, Gott zu gefallen, wie in der katholischen Kirche. (18) Der Römische Papst kann und muss sich mit dem Fortschritt, dem Liberalismus und der heutigen Zivilisation versöhnen und vereinigen (80) Die Begegnung der Kirche mit der modernen Welt und die Auseinandersetzung mit der „Zeit“ stand in der Ära der Pius Päpste (der pianischen Ära) vor allem unter dem Vorzeichen der Konfrontation. Die Welt stellte eine gegnerische, wenn nicht gar feindliche Herausforderung dar, der man als Kirche gegenübertreten muss. Die Glieder der Kirche müssen der Welt gegenüber immun gemacht werden (den Verlockungen der Welt gegenüber) und zwar durch klare Weisung, was sie als Christen in der Welt zu tun und zu lassen haben. 1 Vgl: http://www.kathpedia.com/index.php/Syllabus_errorum_%28Wortlaut%29 Die Kirche verstand sich als vollkommene Gesellschaft, als „societas perfecta“, die alles hat was sie braucht um sie selbst zu sein. Vor allem braucht sie sich durch nichts und niemand in Frage stellen zu lassen. In diesem Selbstverständnis hat die Kirche der Welt etwas zu geben aber die Welt hat der Kirche nichts zu geben und selbstverständlich auch die anderen Kirchen nicht. Kirche und moderne Kultur: das waren zwei nicht miteinandervermittelbare Welten. Kardinal König spricht von einer dreifachen Absonderung: Abgesondert war das Volk vom heiligen Geschehen am Altar in der Liturgie, die Kirche lebte in scharfer Abgrenzung von der übrigen Welt und es gab eine Mauer zwischen den Katholiken und den anderen Christen; von den anderen Religionen ganz zu schweigen. 2) Schlüsselbegriffe für das Verständnis des Konzils Kirche und Welt, Kirche und Freiheit waren und sind wichtige Schlüssel und Schlüsselbegriffe für das Verständnis des Zweiten Vatikanischen Konzils. Kirche, wie hältst du es mit der Welt, wie hältst du es mit der Freiheit: das sind gewissermaßen die „Gretchenfragen“. Sie gelten bis heute. Johannes XXIII. hatte wahrgenommen, dass sich die moderne Welt ohne Evangelium entwickelt und es darum geht, dass sich die Kirche in die Welt einmischen muss, wie der Sauerteig in das Mehl. Vom „aggiornamento“ ist in diesem Zusammenhang die Rede, von der Verheutigung der überlieferten Botschaft. Das Wort „aggiornare“ kommt aus der Kaufmannssprache und hat die Bedeutung, dass man die Bücher oder Register wieder auf den neuesten Stand bringt. In seiner Eröffnungsrede kommt das folgendermaßen zum Ausdruck: (12) Damit aber diese Lehre die vielen und verschiedenen Bereiche menschlicher Aktivitäten erreicht, den Einzelnen, die Familien wie die Gesamtgesellschaft, ist es vor allem notwendig, dass die Kirche sich nicht von der unveräußerlichen Glaubensüberlieferung abwendet, die sie aus der Vergangenheit empfangen hat. Gleichzeitig muss sie auf die Gegenwart achten, auf die neuen Lebensverhältnisse und -formen, wie sie durch die moderne Welt geschaffen wurden.2 Papst Johannes XXIII. machte in dieser Rede deutlich, dass es beim Konzil darum gehen soll, als Kirche einen Sprung nach vorwärts zu tun, der einem vertieften Glaubensverständnis und der Gewissensbildung zugute kommt. Die Reformen sollten im Geist der Tradition vor sich gehen; es ging darum die „alte Wahrheit“ des Evangeliums heute neu zu verkünden. 3) (Vergebliche) Kuriale Abwehrreaktionen In der römischen Kurie wurden für die Vollversammlung der Väter 69 Schemata vorbereitet. Diese waren geprägt und durchdrungen von den damaligen Perspektiven und Gesichtspunkten der römischen und kurialen Theologie. Die Arbeit in vielen der Vorbereitungskommissionen hatte zum Ziel, die herrschende Theologie und Verfasstheit der Kirche defensiv festzuschreiben. Es entstand „eine Überfülle von Texten, fast alle mittelmässig, defensiv in der Einstellung und darauf bedacht, den 2 vgl. Herderkorrespondenz 17 (1962/63), 85-88 2 Zustand des römischen Katholizismus der fünfziger Jahre zu verfestigen.“3. Man hatte in der Kurie damit gerechnet, dass diese sehr schnell die Zustimmung der Konzilsväter finden werden. Damit wäre „dem Spuk“ bald wieder ein Ende gesetzt und es würde sich durch das Konzil im Wesentlichen nichts verändern. Doch dann kam es anders. Die Konzilsväter nahmen die Leitung selbst in die Hand, formierten sich in den Länderkonferenzen und erreichten in der ersten Session, dass Ziele für das Konzil formuliert wurden, dass man sich klar wurde, was das Konzil sein sollte und was nicht, dass inhaltlich Prioritäten gesetzt werden mussten und dass die Konzilsväter selbst an der inhaltlichen Arbeit beteiligt waren. Die Zielsetzung wurde folgendermaßen beschrieben: 1. Das Heilige Konzil hat sich zum Ziel gesetzt, das christliche Leben unter den Gläubigen mehr und mehr zu vertiefen, die dem Wechsel unterworfenen Einrichtungen den Notwendigkeiten unseres Zeitalters besser anzupassen, zu fördern, was immer zur Einheit aller, die an Christus glauben, beitragen kann, und zu stärken, was immer helfen kann, alle in den Schoß der Kirche zu rufen.4 Am Ende gab es 16 Dokumente: 4 Konstitutionen, 9 Dekrete und drei Erklärungen. Nun der Blick in die konkreten Beschlüsse. 4) Kirche in der Welt von heute Der Reigen des Einblicks wird eröffnet mit der Konstitution „Gaudium et spes“. weil sie eine neue Grundpositionierung der Kirche vornimmt. Die Konstitution wurde am 7. Dezember 1965 als eines der letzten Dokumente des 2. Vatikanischen Konzils verabschiedet. Ein Dokument wie dieses ist wohl nie vorher von einem Konzil erarbeitet und beschlossen worden. GS bestimmt das Verhältnis von Kirche und Welt grundsätzlich neu. Zum ersten Mal wurde in dieser Konstitution und damit in einem Konzilsdokument davon gesprochen, dass eine Autonomie der weltlichen Wirklichkeit besteht, der die Kirche Respekt zu erweisen hat. (GS 36). Die Christen werden aufgerufen, im gemeinsamen Gespräch, auch mit Nichtchristen, nach dem richtigen Weg für eine bessere Weltgestaltung zu suchen. Das Konzil gesteht freimütig, dass sie selbst immer auch eine lernende Kirche ist (GS 44). „Kirche lernt die Welt.“ Dieser Satz stammt vom damaligen Aachener Bischof Klaus Hemmerle aus seiner Eröffnungsrede zum 82. Deutschen Katholikentages in Essen 1968. Das war der Katholikentag, der dem Aufbruch der Kirche in Deutschland nach dem Konzil Ausdruck verlieh und der den Anstoß gab für die Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland. 3 4 Alberigo Giuseppe (Hrsg.); Wittstadt Klaus (Hrsg. der dt. Ausgabe): Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils (1959-1965). Bd. 1: Die katholische Kirche auf dem Weg in ein neues Zeitalter. Die Ankündigung und Vorbereitung des Zweiten Vatikanischen Konzils (Januar 1959 bis Oktober 1962). Mainz, Leuven1997, 562f. Lexikon für Theologie und Kirche, Das Zweite Vatikanische Konzil, Konstitutionen, Dekrete und Erklärungen, Teil 1, Constitutio de Sacra Liturgia, Freiburg i. Breisgau 1966, 15. 3 Es ging dem Konzil darum, „diese heutige Welt in den Blick zu nehmen und anzunehmen: eine Welt im Wandel, eine auf den Menschen hin zentrierte, technisierte Welt, voll von Gegensätzen und dramatischen Entwicklungen. Das Konzil akzeptiert diese Welt so, wie sie ist; es schwelgt nicht in der Erinnerung an angeblich bessere Zeiten, es orientiert sich auch nicht an einem unrealistischen Idealbild der Menschheit“.5 „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute“ stehen im Mittelpunkt. Nicht mehr Abgrenzung und grundlegende Unterscheidung von der modernen Welt sind die entscheidenden Grundoptionen der Kirche, sondern ein bewusstes und zugleich prophetisch-kritisches Ja zur Welt und darin umfangen eine hohe Sensibilität für all das, was die Menschen dieser Welt bewegt und umtreibt. Dieser von vielen erhoffte und erwartete Schritt nach vorne war grundlegend und ist unumkehrbar. Ganz im Sinne der Überschrift der Tagung: „Kein Zurück!“ Wenn Kirche sich als Kirche in der Welt von heute versteht und das, was die Welt ausmacht in ihrem Selbstwert achtet und schätzt, bedeutet das alles andere als unkritische Anpassung an die Welt. Wenn die Zeichen der Zeit im Lichte des Evangeliums gedeutet werden, dann ist das Evangelium die bleibend kritische Instanz für die Welt und für die Kirche. Beide bedürfen der steten Erneuerung durch den Geist Gottes. Die prophetische Kraft der Botschaft Jesu konstituiert in vielerlei Hinsicht ein bleibendes Gegenüber, ohne dass man sich damit anmaßt, sich als Kirche eine von der Menschheitsgeschichte völlig unabhängigen Kriteriologie für die Zeichen der Zeit zuschreiben zu können.6 Kirche wird und muss sich immer eher als der Sauerteig verstehen, der den „Weltteig“ durchsäuert, wie dies in GS 40 zum Ausdruck kommt. Die Absicht des Konzils lässt sich erkennen, wenn man die Gesamtheit der in Kraft gesetzten Texte im Blick hat und nicht isoliert einen herausgreift. Unter dem Blickwinkel vom Ganzen her gilt: Mit der pastoralen Konstitution über die „Kirche in der Welt von heute“, in Inhalt und Form eine Novität unter den Konzilsdokumenten, wurde ein Schritt vollzogen, der im wahrsten Sinne des Wortes das Leben in die Kirche hineinbrachte. „An die Stelle der abgrenzenden Konfrontation zur modernen Welt trat der Brückenschlag zu den Denkströmungen der Gegenwart, trat auch der Versuch des Dialogs mit allen Kräften guten Willens.“7 Wird die Welt christlicher, oder die Kirche weltlicher? Hat sich die Kirche mit dieser Positionierung zu sehr auf die Welt eingelassen und ist damit verweltlicht? Das ist eine Frage, die seitdem Menschen beschäftigt und die sich im Zuge der Rezeption des Konzils immer wieder stellt und bemerkbar macht. 5 6 7 Weismayer, Josef: Weltoffenheit und Weltverantwortung. Spirituelle Elemente der Pastoralkonstitution, in: Kremer, Jacob (Hrsg.): Aufbruch des Zweiten Vatikanischen Konzils heute, Innsbruck, Wien 1993, 103-129, hier 118. Vgl. Eichinger, Matthias: Zur Sakramentalität von Welt und Menschheit nach dem Zweiten Vatikanum. Anmerkungen zu einer postkonziliar vergessenen Thematik, in: Geerlings, Wilhelm/Seckler, Max (Hrsg.): Kirche sein: nachkonziliare Theologie im Dienst der Kirchenreform: für Hermann Josef Pottmeyer, Freiburg i. Breisgau 1994, 181198. Hausberger, Karl: Die gegenwärtige Kirchenkrise – ein Rückblick auf die Geschichte, in: Beinert, Wolfgang (Hrsg.): Kirchenbilder – Kirchenvisionen. Variationen über eine Wirklichkeit, Regensburg 1995, 13-42, hier 30. 4 Zwei Schriftstellen markieren diese Positionen: Jetzt aber sagte ich zu ihnen: Ihr seht selbst, in welchem Elend wir leben: Jerusalem liegt in Trümmern, und seine Tore sind abgebrannt. Gehen wir daran und bauen wir die Mauern Jerusalems wieder auf! So machen wir unserer Schande ein Ende. (Neh 2,17) Lauf und sag dem jungen Mann dort: Jerusalem wird eine offene Stadt sein wegen der vielen Menschen und Tiere, die darin wohnen. Ich selbst - Spruch des Herrn werde für die Stadt ringsum eine Mauer von Feuer sein und in ihrem Innern ihr Ruhm und ihre Ehre. (Sach 2,8-9) Die Positionierung der Kirche in der Welt: das war der eine große Schritt (bei dem sich manche die Sehnen überdehnt haben, wie sie meinen). 5) Kirche: was sagst Du von dir selbst? – Lumen Gentium Der zweite Schritt betrifft die Innenarchitektur der Kirche. Von ihr handelt die Konstitution „Lumen Gentium“, die dogmatische Konstitution über die Kirche. Sie wurde am 21. November 1964 mit überwältigender Mehrheit verabschiedet. Die Kirche antwortet darin auf die Grundfrage ihrer eigenen Existenz: ‘Quid dicis de te ipso? Kirche, was sagst du von dir selbst?’“8 Die Selbstaussage, die die Kirche in Lumen Gentium trifft, stellt eine grundlegende Umgewichtung in der Ekklesiologie dar. Der Stand vor dem Konzil heißt: Die Kirche ist sichtbar verfasst. Sie ist die Gemeinschaft derer die getauft sind, den rechten Glauben bekennen und im Gehorsam gegenüber dem Papst und den Bischöfen leben Die Sicht vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil Die Kirche ist ständisch gegliedert: Es gibt eine lehrende Kirche: das sind der Papst und die Bischöfe (das ist der Klerus) und es gibt eine hörende Kirche: das sind die Gläubigen. Die Laien bringen nichts in die Kirche ein, was nicht der Klerus schon hat. Der kirchliche Status kommt ihnen nur über den Klerus zu. Der Klerus hat von Christus die Vollmacht zur Belehrung, Heiligung und Führung der Gläubigen. Der Priester war durch die Weihegewalt zu seiner höchsten Aufgabe ermächtigt: er konnte die Wandlungsworte sprechen. Er hatte die Befähigung, Brot und Wein auf dem Altar in Leib und Blut Jesu Christi zu verwandeln. Diese priesterliche Funktion war nicht an die Anwesenheit einer Gemeinde gebunden. „Die Würde des Clerikers steht im Verhältniß zu der ihm übertragenen Amtsgewalt. Dogmatisch betrachtet ist die priesterliche Würde die denkbar höchste, eine durchaus eigenartige und wunderbare. Der Priester müßte bei abstracter Betrachtung seiner Würde nothwendig stolz werden.“9 Pius XII hat mit der Enzyklika „Mystici Corporis“ vom 29.9.1943 zwar das Bild von der Kirche als dem Leib Christi aufgegriffen; die Kirche verstand sich dennoch 8 9 Gérard Philips, Die Geschichte der dogmatischen Konstitution über die Kirche „Lumen Gentium“, in: LThK 2 Bd. 12, Das Zweite Vatikanische Konzil, Freiburg i. Breisgau 1966, 139-155, hier 140. Clerus, in: Wetzer und Welte’s Kirchenlexikon, Dritter Band, Freiburg i. Breisgau 1884, 537-547, hier: 545. 5 (rechtlich) als eine Gesellschaft von Ungleichen. So der Stand der Dinge vor dem Zweiten Vatikanum. Eine Vielfalt von Kirchenbildern Kirche ist Mysterium Zwei wichtige Eckpunkte: Kirche wird im ersten Kapitel als Mysterium beschrieben. Sie stellt eine Wirklichkeit dar, in der auf geheimnisvolle Weise gegenwärtig ist, was Jesus in die Welt gebracht hat und was in der Kraft seines Geistes weiterhin lebendig bleiben muss. Sie ist Mysterium, weil sie eine Gemeinschaft der Heiligen ist. Zu ihr gehören alle, die zu Christus gehören und durch ihn geheiligt sind. Die Kirche versteht sich als Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit, wiewohl die sichtbare Versammlung und die geistliche Gemeinschaft als Einheit zu verstehen sind.10 Kirche ist Volk Gottes unterwegs Das Konzil nimmt des Weiteren den biblischen Begriff vom Volk Gottes auf. Alle Gläubigen zusammen sind Kirche, eine Gemeinschaft, die in der trinitarischen Gemeinschaft gründet. Grundlegend im Bild vom Volk Gottes ist, dass damit alle umfasst sind, die zur Kirche gehören. Die gemeinsame Basis, die alle Kirchenglieder eint und verbindet ist die Taufe. Wer durch dieses Sakrament in die Kirche eingegliedert ist, hat Anteil am priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Jesu Christi. Die Taufe geht allem voraus und ist der Boden, auf dem sich alle gleichermaßen befinden. Alle sind Getaufte; das ist die Grundwürde. Dann erst kann unterschieden werden in Dienste und Ämter. „Das Kapitel über das Volk Gottes kann man mit Recht als die theologische Grundlage für das Laienkapitel bezeichnen.“11 Dieses Kapitel umfasst die Artikel 30 bis 38, das in Artikel 30 betont, dass alles, was über das Volk Gottes gesagt wurde, sich in gleicher Weise an Laien, Ordensleute und Kleriker richtet,12 was die grundlegend neue Sicht der Kirche nochmals unterstreicht. Kirche ist Communio Kirche ist Communio, Gemeinschaft des Volkes Gottes, sie stellt die Communio Gottes mit der Menschheit dar. Sie verdankt sich Gott und ist zugleich in ihrer jeweiligen geschichtlichen Erscheinungsform das Resultat des Handelns derer, die zu ihr gehören und sie sind. Kirche ist Sakrament Eine ganz wesentliche Dimension für die Kirche ist die der Sakramentalität. Kirche ist, so das Zweite Vatikanische Konzil, „in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“13. Sie ist Instrument des Handelns Gottes und Sakra10 11 12 13 Vgl. LG Artikel 8. Hans Heimerl, Laienbegriffe in der Kirchenkonstitution des Vatikanum II, in: Concilium 2 (1966), 219-224, hier 223. Vgl. LG Artikel 30. LG Artikel 1. 6 ment des Reiches Gottes.14 Sie nimmt als Sakrament das eschatologische Heil vorweg, jedoch vorläufig und zeichenhaft. In der Kirche und durch sie wird sichtbar, was Gott mit der Welt vorhat. Sie hält den heiligen Ursprung offen dem sie entstammt und ist als Ganze in der Welt ein priesterliches Volk. Alle Getauften sind von daher in ihrem Wesen priesterliche Menschen. Neue Akzente für das Verhältnis von Klerus und Laien Durch „Lumen Gentium“ ergeben sich folgende grundlegend neue Akzente für die Kirche und darin für das Verhältnis von Klerus und Laien: Ein Kleriker ist nicht „hochwürdiger“ als ein Laie (Abschied von Hochwürden), das Weihepriestertum stellt keine Steigerung im Vergleich zum gemeinsamen Priestertum aller dar. Damit werden die Laien - wie es Jahrhunderte der Fall war - nicht mehr vom Amt her definiert. „In ihrer Eigenart sind ... gemeinsames und besonderes Priestertum aufeinander zugeordnet, und zwar auf Grund der gemeinsamen und doch je besonderen Teilnahme am Priestertum Christi.“15 Die Teilhabe am dreifachen Amt Christi ist durch die Initiationssakramente Taufe, Firmung und Eucharistie allen Gläubigen gleichermaßen geschenkt und eröffnet. Von der Über- und Unterordnung zur Zuordnung Amt und Laien wirken je nach Auftrag und Charisma zwar spezifisch, aber doch zusammen an der einen Sendung der Kirche mit. Weil das Amt als Priestertum des Dienstes (sacerdotium ministeriale) beschrieben wird, ist es relational zu verstehen. Es bestimmt sich von der Kirche her und nicht mehr die Kirche vom Amt. Insofern ist einer Aussage eines derzeit amtierenden Diözesanbischofs zu widersprechen, der bei einer Feier mit Priesterjubilaren im vergangenen Jahr gesagt hat: „Ohne Priester keine Kirche“. Umgedreht stimmt es: ohne Kirche keine Priester; nicht sie konstituieren die Kirche. Und Priester ist niemand für sich (das ist auch der grundlegende ekklesiologische Irrtum dem die Frauenpriesterinnen unterliegen, die sich seinerzeit auf dem Donauschiff weihen ließen). „Wahre Gleichheit in gemeinsamer Wurde“ Aus dieser gemeinsamen Grundlegung ergibt sich die Aussage von Lumen Gentium Artikel 32, Absatz 3, dass es bei aller Verschiedenheit von Ämtern und Diensten unter allen Gliedern der Kirche „eine wahre Gleichheit in der allen Gläubigen gemeinsamen Würde und Tätigkeit zum Aufbau des Leibes Christi“ gibt. Das Dekret über das Laienapostolat im Verbund mit LG und GS Bedeutsam ist sicherlich auch, dass die Konzilsväter ein eigenes Dekret über das Laienapostolat erarbeitet und verabschiedet haben. Hier ist wohl der Vorgang selbst mit dem entsprechenden Ergebnis entscheidender als der detaillierte Inhalt. Inhaltlich ist zum Dekret über das Laienapostolat anzumerken, „dass es zu statisch und zu zeitverwurzelt geblieben ist“16. Die Sprache ist sehr paternalistisch. Der Text 14 15 16 Vgl. Wiedenhofer, Siegfried: Ekklesiologie, in: Schneider, Theodor (Hrsg.): Handbuch der Dogmatik Bd. 2, Düsseldorf 21995, 47-188, v. a. 90ff. Aloys Grillmeyer, Kommentar zur Dogmatischen Konstitution über die Kirche, in: LThK 2 Bd. 12, Das Zweite Vatikanische Konzil, Freiburg i. Breisgau 1966, 156-209, hier 182. Jan Grootaers, Der Laie in der kirchlichen Communio. in: pro mundi vita, Bulletin 106, Brüssel 1986, 13. 7 darf wohl nicht für sich isoliert betrachtet werden, sondern muss in den Zusammenhang mit „Gaudium et spes“ und „Lumen gentium“ gestellt werden. Vom „verlängerten Arm des Klerus“ zur Teilnahme an der Heilssendung der Kirche selbst. So kann man die Veränderung für die Laien bzw. das Laienapostolat auf den Punkt bringen. Lumen Gentium Artikel 33 formuliert in Absatz 2: „Der Apostolat der Laien ist Teilnahme an der Heilssendung der Kirche selbst. Zu diesem Apostolat werden alle vom Herrn selbst durch Taufe und Firmung bestellt. ... So ist jeder Laie kraft der ihm geschenkten Gaben zugleich Zeuge und lebendiges Werkzeug der Sendung der Kirche selbst ‘nach dem Maß der Gabe Christi’ (Eph 4,7).“ Nach diesen Aussagen bestimmt sich das Apostolat der Laien aus der Zugehörigkeit zum Volk Gottes und nicht mehr aus der Abhängigkeit vom Klerus. Die „Delegation“ zum Apostolat erfolgt durch Taufe und Firmung von Gott selbst und ist an ihn zurückgebunden. Das Apostolat begründet sich aus dem gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen. Von daher kann nicht mehr so einfach in „Weltdienst“ für die Laien und „Heilsdienst“ für das Amt unterschieden werden, auch wenn den Laien nach Lumen Gentium Artikel 31 der Weltcharakter in besonderer Weise eigen ist. Dieser Weltcharakter ist allerdings in dem Sinne zu interpretieren, wie Kurt Koch es in einem Artikel für die Stimmen der Zeit bedenkt. Nach ihm liegt die „kirchliche Sendung des Laien nicht nur darin, das Evangelium in der Welt präsent und wirksam zu machen und die heutige Welt mit ihm zu durchdringen, sondern auch darin, alles dazu beizutragen, dass die Fragen und Probleme, die Erfahrungen und Erkenntnisse der heutigen modernen Welt in der Kirche präsent und für die Kirche fruchtbar werden können, um auf diesem Weg ‘für Frischluftzufuhr in der Kirche’ zu sorgen“17. 6) Die Liturgiekonstitution: Liturgie als tätige Teilnahme Am unmittelbar Sichtbarsten und am deutlichsten bemerkbar war die Erneuerung der Liturgie. Die Liturgiekonstitution wurde als Erste verabschiedet und in der Folge ziemlich schnell umgesetzt. Für die Kirchgänger (und das waren damals ca. 50% der Katholiken) war die Veränderung augenscheinlich. Entscheidend sind nicht nur der Volksaltar und die Wiedereinführung der Muttersprache, sondern ganz wesentlich ist das Verständnis der gemeinsamen Feier. Das Konzil spricht von der „participatio actuosa“, von der tätigen Teilnahme der Gläubigen. Es handelt sich also nicht mehr um den Messbesuch (wie man unausrottbar immer noch hört), sondern um die gemeinsame Feier. Jesus Christus ist – so das Konzil – gegenwärtig in der versammelten Gemeinde (in Brot und Wein …) Aus der Priesterliturgie von früher wandelte sich das Verständnis zur gemeinsamen Feier. Die Verkündigung des Wortes Gottes (früher „Vormes17 Kurt Koch, Glauben und Leben nicht auseinanderdividieren. Weltdienst der Laien und Heilsdienst des Klerus? in: Stimmen der Zeit 121 (1996), 519-533, hier 528. 8 se“) gehört wesentlich zur Feier: es ist der Tisch des Wortes und des Brotes gedeckt. Der Mahlcharakter kam neben dem Opfercharakter wieder in den Blick. Das Verständnis der Liturgie korrespondiert mit dem Kirchenverständnis. Wer in der Liturgie die Reform nicht vollzogen hat, hat sie auch für das gesamte Kirchenverständnis nicht vollzogen. 7) „Unitatis redintegratio“: Dekret zum Ökumenismus Ökumene war für den Katholizismus sehr lange keine Frage und kein Problem. Nach dem herkömmlichen Verständnis ging die römische Kirche davon aus, die einzig wahre Kirche Christi zu sein. Die Kirche Jesu Christi wurde vor dem Konzil ausschließlich mit der sichtbar verfassten römisch-katholischen Kirche gleichgesetzt. Die Einheit war demnach in der römisch-katholischen Kirche verwirklicht. Der Gehorsam gegenüber dem Papst spielte die zentrale Rolle. Nicht-Katholiken galten als von der Kirche abgefallen. Sie galten als Heiden und öffentliche Sünder und standen unter dem Anspruch sich zu bekehren und ins „Vaterhaus“ heimzukehren. Dennoch war die Kirchentrennung immer bewusst und wurde auch beklagt. Papst Benedikt XV. (1914-1922) und Papst Pius XI. (1922-1939) haben vorsichtige ökumenische Öffnungen in Richtung Orthodoxie und anglikanische Kirche angestrebt. Die orthodoxe Abteilung im Kloster Niederaltaich ist ein Zeugnis davon; sie wurde auf Anregung von Papst Pius XI. errichtet. Die reformatorischen Kirchen blieben eher außen vor. Die Hinwendung zu ihnen wurde von Rom nicht unterstützt, wenngleich es auf Gemeinde- oder Länderebene informelle Kontakte gab. So hatte sich in Deutschland bereits nach dem Ersten Weltkrieg die Una-SanctaBewegung entwickelt, die von breiten Kreisen getragen wurde. Bei ihr ging es um eine bessere Atmosphäre in den Beziehungen zwischen den Konfessionen. Federführend im Konzil für die Öffnung war das Einheitssekretariat unter der Leitung von Kardinal Bea und nach seinem Tod seinem Nachfolger Johannes Willebrands. Drei Dokumente wurden dort erarbeitet: Das Dekret über den Ökumenismus, die Erklärung über die Religionsfreiheit und die Erklärung zu den nichtchristlichen Religionen. Grundlegender Wandel in der Haltung zum Ökumenismus Das Konzil weist zwar keinen gangbaren Weg zur neuen Einheit der zertrennten Christenheit, hat aber einen grundlegenden Wandel in der Haltung zum Ökumenismus gebracht.18 Das Dekret über den Ökumenismus muss auf der Grundlage der Kirchenkonstitution gelesen werden. Die Frage der Ökumene betrifft ja nicht nur die Kirchen der Reformation, sondern auch die Kirchen des Ostens und Kirchen wie die Waldenser, die sich im Mittelalter abgespalten haben oder auch die altkatholische Kirche, die nach dem Ersten Vatikanischen Konzil entstanden ist. Welchen Wandel hat das Konzil gebracht? 18 Vgl. Hilberath Bernd Jochen, Das Zweite Vatikanische Konzil – ein Aufbruch wartet auf den Durchbruch, in: Una Sancta 2/2009, 145-155. 9 Die getrennten Kirchen sind „Gaben der Kirche Christi“ Die Nichtkatholiken werden erstmals nicht gleich aus den unterschiedlichen Gründen verurteilt, sondern im Rahmen der Heilsgeschichte – und damit wesentlich positiver als zuvor – gesehen. Die nicht-katholischen getrennten Kirchen sollen also nicht diskreditiert werden. Sie sind „Gaben der Kirche Christi“. Ein Zitat aus LG 8: Diese Kirche, in dieser Welt als Gesellschaft verfasst und geordnet, ist verwirklicht (subsistit) in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird. Das schließt nicht aus, dass außerhalb ihres Gefüges vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit zu finden sind, die als der Kirche Christi eigene Gaben auf die katholische Einheit hindrängen. Das bedeutet vom Verständnis her: es gibt echte Kirchlichkeit außerhalb der römisch-katholischen Kirche. Diese Kirchlichkeit hält die Frage nach der Einheit durch sich selbst wach, erhält aber ihren Wert nicht erst beim Zustandekommen der Einheit. Damit ist eine spürbare Selbstrelativierung geschehen. Im Entwurf zu LG hieß es noch: „Diese Kirche ist (est) die katholische Kirche, die vom römischen Pontifex und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird.“ Es gibt innerhalb der katholischen Lehre eine „Hierarchie der Wahrheiten“ Ganz wichtig (nicht nur für die Ökumene) ist Aussage im Ökumenismusdekret. Nr. 11: Die Art und Weise der Formulierung des katholischen Glaubens darf keinerlei Hindernis bilden für den Dialog mit den Brüdern. Die gesamte Lehre muss klar vorgelegt werden. … Zugleich muss aber der katholische Glaube tiefer und richtiger ausgedrückt werden auf eine Weise und in einer Sprache, die auch von den getrennten Brüdern wirklich verstanden werden kann. … Beim Vergleich der Lehren miteinander soll man nicht vergessen, dass es eine Rangordnung oder "Hierarchie" der Wahrheiten innerhalb der katholischen Lehre gibt, je nach der verschiedenen Art ihres Zusammenhangs mit dem Fundament des christlichen Glaubens. So wird der Weg bereitet werden, auf dem alle in diesem brüderlichen Wettbewerb zur tieferen Erkenntnis und deutlicheren Darstellung der unerforschlichen Reichtümer Christi angeregt werden.“ 8) Die Erklärung über die Religionsfreiheit Ein letzter Blick dieser ausschnitthaften Präsentation gilt der Erklärung über die Religionsfreiheit. Sie war das letzte Dokument, das vom Konzil verabschiedet wurde. Ein Konzilsdokument von geschichtlicher Bedeutung für die Kirche wie für die Menschheit – so heißt es in der Einleitung im Lexikon für Theologie und Kirche. 19 Heftige Kämpfe und leidenschaftliche Dramatik gehörten zu seiner Erarbeitung. 19 Pavan Pietro, Einleitung zur Erklärung über die Religionsfreiheit, in: LThK2 Bd. 13, Das Zweite Vatikanische Konzil, Freiburg i. Breisgau 1966, 704711, hier 710f. . 10 Zitiert wird auch ein Artikel aus der Zeitung „La Stampa“: Das Schema, das die religiöse Freiheit behandelt, stellt schon allein einen echten Fortschritt in der Lehre dar, vielleicht den größten und charakteristischsten, den das Konzil gemacht hat. 2. Das Vatikanische Konzil erklärt, dass die menschliche Person das Recht auf religiöse Freiheit hat. Diese Freiheit besteht darin, dass alle Menschen frei sein müssen von jedem Zwang sowohl von seiten Einzelner wie gesellschaftlicher Gruppen, wie jeglicher menschlichen Gewalt, so dass in religiösen Dingen niemand gezwungen wird, gegen sein Gewissen zu handeln, noch daran gehindert wird, privat und öffentlich, als einzelner oder in Verbindung mit anderen— innerhalb der gebührenden Grenzen— nach seinem Gewissen zu handeln. Ferner erklärt das Konzil, das Recht auf religiöse Freiheit sei in Wahrheit auf die Würde der menschlichen Person selbst gegründet, so wie sie durch das geoffenbarte Wort Gottes und durch die Vernunft. Religionsfreiheit ist im Personsein begründet Die bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil vorherrschende Neuscholastik hat das Grundrecht der Religionsfreiheit nur den Katholiken zugebilligt, weil nur sie in voller Übereinstimmung mit der Wahrheit stehen. Das Zweite Vatikanische Konzil begründet die Religionsfreiheit im Personsein, in der grundlegenden Würde des Menschen. Ebenso ist es mit dem Gewissen: Die Neuscholastik vertrat die Position, dass Würde nur jenes Gewissen besitzt, das in Übereinstimmung mit der objektiven Wahrheit ist. Grund der Gewissensfreiheit liegt in der Person des Menschen Die Konzilsväter gingen jedoch auf den Grund der Gewissensfreiheit. Er liegt in der Person des Menschen selbst. Als sittlich gilt demnach, wozu der Mensch sich in Freiheit bestimmt. Sittliche Wahrheit ist deshalb auch nur in Freiheit einzusehen. Sittlich richtiges Handeln ist eine Sache der Erkenntnis - wenn die sittliche Wahrheit vollständig eingesehen wird. Sittlich gut = Sache der Grundentscheidung des Menschen und wurzelt im Personsein. Kein Zurück? Die Kirche und die Welt, die Kirche und die Freiheit (damit auch die Religionsfreiheit); die Kirche als Volk Gottes und Communio (und nicht als verfasste Gesellschaft von Ungleichen), die Kirche als die nicht allein und ausschließlich selig machende Institution in der Welt: Auf diese Sicht und dieses Verständnis können sich diejenigen nicht einlassen, die sich heute Piusbruderschaft nennen und auch die ihnen anhängen. Die Ursachen für dieses konservierte Stehenbleiben und die Beharrung sind wohl vielschichtig. Tiefer in das Konzil hinein „Die Kirche, die auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil aufgebrochen ist, sie will und wird diesen Aufbruch fortführen. Sie ist mit der Verwirklichung des letzten Konzils längst noch nicht am Ende. Hinter dieses Konzil führt kein Weg zurück. Es gibt aber heute noch keinen Weg, der grundsätzlich über das Konzil hinausführt, 11 etwa in Richtung auf ein Drittes Vatikanisches Konzil. Dafür fehlen die Voraussetzungen und die Vorarbeiten. Dafür haben wir das letzte Konzil auch noch viel zu wenig ausgeschöpft. Der einzig gangbare Weg lautet deshalb: tiefer ins Konzil hinein, um dann mit diesem Konzil, aus seinem Buchstaben und aus seinem Geist heraus , den Sprung nach vorne ins dritte Jahrtausend der Kirchengeschichte zu wagen Wenn sie mich fragen, woher ich den Mut zu dieser Hoffnung und zum Widerspruch gegen die Unheilspropheten nehme, dann ist das nicht einfach billiger Optimismus, den ich gegen verbreitete Pessimismen stelle. Optimismus und Pessimismus sind menschliche Veranlagungen und Stimmungen. Der Grund meiner Hoffnung ist die Verheißung, dass Christus, der Herr, und sein heiliger Geist immer mit der Kirche sind und sein werden. Auch unsere Zeit ist seine Zeit. Daraufhin dürfen wir es mutig wagen.“20 Passau, 8. Mai 2009 Anna Hennersperger 20 Kasper, Walter: „Wider die Unglückspropheten“ Die Vision des Konzils für die Erneuerung der Kirche, in: Wie im Himmel so auf Erden: Dokumentation 90. Deutscher Katholikentag vom 23. – 27. Mai 1990 in Berlin, 1646-1661, hier 1661. 12