Rechtsanwalt Torsten Schmidt

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Rechtsanwalt Torsten Schmidt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Lehrbeauftragter
Wintersemester 2003/2004
Examensrepetitorium
Klausurenkurs
Kommunalrecht
Erläuterungen und Lösungshinweise
Vorbemerkungen:
Die vorliegende Klausur greift die beiden Schwerpunktprobleme auf, die zur Zeit die
Diskussion in Wissenschaft und Praxis zum sächsischen Kommunalrecht beherrschen.
Die Klausurbearbeiter sollen sich anhand der vorliegenden Klausur mit der aktuellen
Rechtsentwicklung auseinandersetzen. Die Klausur bietet somit die Möglichkeit, frühzeitig
die geänderte Rechtslage kennen zu lernen.
1. Problemkreis
Können sich Private gegen die wirtschaftliche Betätigung von Mitbewerbern der öffentlichen
Hand wehren ?
Auch im öffentlichen Recht kann man ein Tun oder Unterlassen eines Mitbewerbers nur
dann verlangen, wenn man hierauf aus einer Rechtsvorschrift einen Anspruch hat. Derartige
Rechtsvorschriften formulieren entweder schon vom Wortlaut her einen subjektiven
Anspruch oder aber haben zumindest einen drittschützenden Charakter, aus dem sich der
Anspruch ableiten lässt.
Anmerkung:
Der „Drittschutz“ einer Norm (Schutznormtheorie) gehört
zu den Standardproblemen des Allgemeinen Verwaltungsrechts.
Hier kommt es zumeist auf die Anwendung der klassischen
Auslegungsmethoden an. Die Bearbeiter können zeigen, ob sie
juristisch argumentieren können
Dies hat Folgen für die Zugang zu Gericht: Nur derjenige, der sich auf eine subjektivierte
Rechtsposition berufen kann, hat die als Zulässigkeitsvoraussetzung erforderliche
Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO).
Darüber hinaus hängt von der Rechtsnatur des Anspruches (öffentlich-rechtlicher oder
zivilrechtlicher Natur) ab, welcher Rechtsweg beschritten werden muss.
Anmerkung:
Der Fall bietet deshalb die Möglichkeit, Standardprobleme des
Verwaltungsprozessrechts abzuhandeln.
Die Rechtsentwicklung hat in der jüngeren Vergangenheit einen „Zick-Zack-Kurs“
beschrieben, der hier kurz in folgenden Etappen nachgezeichnet wird:
Seit der Deutschen Gemeindeordnung aus den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts
(§ 67 Abs. 1 DGO 1935) findet sich die in nahezu allen Gemeindeordnungen der
Länder enthaltene und auch bis vor kurzem in Sachsen geltende sog.
Subsidiaritätsklausel (§ 97 Abs. 1 Nr. 3 SächsGemO a.F.).
Danach darf die Gemeinde eine wirtschaftliches Unternehmen ungeachtet seiner
Rechtsform nur dann betreiben, wenn dies ein öffentlicher Zweck rechtfertigt und –
darauf kommt es an – der Zweck nicht besser und wirtschaftlicher durch einen
anderen erfüllt werden kann.
Im Wortlaut dieser Vorschrift steht nichts von einem Abwehranspruch der privaten
Dritten. Deshalb haben die Verwaltungsgerichte bislang darauf abgestellt, dass die
Gemeindeordnung die Verfassung der Gemeinde vorgeben wolle, nicht aber Zweck
der Vorschrift sei, die Marktteilnahme zu regeln. Das Gemeindewirtschaftsrecht
wurde lediglich als rein objektive Ordnungsvorschriften verstanden. Deshalb haben
die Verwaltungsgerichte die Herleitung eines Drittschutzes bislang abgelehnt1.
Mangels anderweitiger Normen hat die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte
Rechtsschutz zur Abwehr wirtschaftlicher Betätigung der Gemeinden und anderer
staatlicher Stellen nur dann gewährt, wenn die wirtschaftliche Betätigung gleichzeitig
einen Grundrechtseingriff (Art. 12 oder 14 GG) darstellt. Die wirtschaftliche
Betätigung wird regelmäßig nicht die Schwelle zu einem Grundrechtseingriff
überschreiten. Zumindest wird zumeist der Nachweis nicht gelingen, dass
Umsatzeinbußen usw. auf die Betätigung des kommunalen Mitwerbers
zurückzuführen sind. Deshalb ist ein Rechtsschutz unmittelbar aus den
Grundrechten äußerst selten.
Diese Rechtsschutzlücke wurde als unzureichend empfunden. Zwar gab es mit der
Subsidiaritätsklausel eine Vorschrift, die die wirtschaftliche Betätigung beschränken
sollte, diese wurde jedoch weder von den Kommunen als Normadressaten
ausreichend beachtet noch von den Rechtsaufsichtsbehörden durchgesetzt.
Die Zivilrechtrechtsprechung der einzelnen Oberlandesgericht hat deshalb seit 1998
(sog. Gelsengrün-Entscheidung2) den Zugang zum Markt als Handlung im
Wettbewerb angesehen, auf die die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Vorschriften
des UWG Anwendung finden. Die Zivilrechtgerichte haben es als wettbewerbswidrig
angesehen, wenn Markteilnehmer – hier die Kommunen und ihrer Unternehmungen
– die für sie geltenden öffentlich-rechtlichen Rechtsvorschriften missachteten.
Dadurch würden sie einen rechtlich nicht zugelassenen Wettbewerbsvorteil erlangen.
Die Vorschriften in den Gemeindeordnungen der Länder haben die Zivilgerichte
dabei auch als Vorschriften angesehen, die gleichzeitig den Wettbewerb regulieren.
1
2
BVerwGE 39, 329 (336); OVG Münster NVwZ 1986, S. 1045
OLG Hamm NJW 1998, S. 3504
Faktisch hatte diese Rechtsprechung dazu geführt, dass den Vorschriften der
Gemeindeordnungen (in Sachsen § 97 Abs. 1 SächsGemO) ein „zivilrechtlicher
Drittschutz“ zukam. Die Gelsengrün-Entscheidung hatte bundesweit eine Flut an
Rechtsprechung ausgelöst.
Neben großer Zustimmung vor allem aus der Praxis hat die Rechtsprechung der
Zivilgerichte aber auch Kritik geerntet: Dogmatisch wurde eingewandt, dass die
Zivilrechtsprechung das ausdifferenzierte System öffentlich-rechtlicher Normen
aushebele.
Am 25.04.2002 hat der BGH ein Grundsatzurteil3 (sog. Oktoberfestfall) gefällt. Nach
dem BGH ist es lediglich Zweck des Wettbewerbsrechts (§ 1 UWG) das Verhalten von
Wettbewerbern untereinander zu regeln. Nicht hingegen ist es Zweck von § 1 UWG,
den Zugang zum Markt zu sanktionieren oder aber bestimmte bestehende
Marktstrukturen aufrecht zu erhalten. Deshalb ist ein Verstoß gegen öffentlichrechtliche Marktzugangsvorschriften nicht zugleich sittenwidrig im Sinne von § 1
UWG.
Durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes war somit der bisherigen
Rechtsprechung der Zivilgerichte der Boden entzogen. Damit war faktisch der
bisherige Rechtszustand wieder hergestellt: Also lediglich Marktzugang oder
Marktverhalten
der
kommunalen
Unternehmen,
die
zugleich
eine
Grundrechtsverletzung darstellen, konnten von privaten Mitbewerbern abgewehrt
werden.
In Sachsen (zum Teil auch in anderen Bundesländern) hat die Entscheidung des
Bundesgerichtshofes zu politischen Reaktionen geführt. Die geltende Fassung der
Sächsischen Gemeindeordnung wurde als eine politisch nicht mehr hinnehmbare
Rechtsschutzlücke empfunden.
Sowohl nach der Gesetzesbegründung als auch nach den Verhandlungen im
Innenausschuss des Sächsischen Landtages4 soll der Subsidiaritätsklausel nunmehr
Drittschutz zukommen. Textlich hat dies der Gesetzgeber durch die ausdrückliche
Benennung des „private Dritten“ zum Ausdruck bringen wollen.
Damit haben private Mitbewerber erstmals eine subjektive Rechtsposition, aus der sie
die Tätigkeit des kommunalwirtschaftlichen Unternehmens abwehren können.
2. Problemkreis
Haften Rechtsaufsichtsbehörden für die unzulässige Gründung kommunalwirtschaftlicher
Unternehmen ?
Ein aktuelles Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs zu einem sächsischen Fall hat für
Aufsehen gesorgt. Im sog. Oderwitz-Urteil5 hat der Bundesgerichtshof dargelegt, dass die
Beaufsichtigung der Gemeinden als Selbstverwaltungsträger eine Schutzfunktion zu
Gunsten der Gemeinden habe. Die Gemeinden sollen vor Selbstschädigung bewahrt werden.
BGHZ 150, S. 343
ausführliche Darstellung der Entstehungsgeschichte der Novellierung bei Sollondz, Neues
kommunales Unternehmensrecht im Freistaat Sachsen, LKV 2003, S. 297 (302)
5 BGH LKV 2003, S. 343 (demnächst in BGHZ)
3
4
Insoweit liegt eine drittgerichtete Amtspflicht vor.
Anmerkung:
Die Klausurbearbeiter können anhand der Fallabwandlung
die Voraussetzungen des Amtshaftungsanspruches wiederholen.
Die Entscheidung des BGH hat deshalb so starke Beachtung gefunden, weil der dort
entschiedene Fall eines Kreditvertrages (Leasinggeschäftes) auch auf andere
genehmigungsbedürftige Geschäfte übertragen werden kann.
Praktische Probleme bringt die Entscheidung, weil in Sachsen die Kommunalaufsicht durch
die Landratsämter als Behörde des Landkreises wahrgenommen wird. Es haften somit für
kommunale Schäden die Landkreise, die allerdings nur über eine geringe Haftungsdecke
verfügen. Deshalb wird neuerdings als Reaktion auf das Urteil gefordert6, den
Landratsämtern insoweit die Doppelstellung als staatliche Behörde einzuräumen, wie dies in
anderen Bundesländern der Fall ist.
Anmerkung:
Der vorliegende Fall wirft somit ganz grundsätzliche
Fragestellungen des Kommunalrechts auf, die auch prozessuale
Folgen haben (Passivlegitimation)
Unabsehbar sind die Folgen der Entscheidung aber auch deshalb, weil die Landratsämter
bislang nur unzureichend personell besetzt waren und die Risiken fehlerhafter
Entscheidungen deshalb erhöht sind.
Lösung - Hauptteil
Es bietet sich ein zweistufiges Vorgehen an: Zunächst wird der entsprechende materielle
Anspruch und danach die prozessuale Durchsetzung untersucht.
I. Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG i.V.m. § 97 Abs. 1 Nr. 3 SächsGemO
Voraussetzung eines Unterlassungsanspruches aus § 1 UWG wäre, dass ein Verhalten der
Stadt Hainichen oder der Kommunalservice GmbH vorläge, das als sittenwidrig anzusehen
wäre.
Anmerkung:
Detaillierte Kenntnisse zum unlauteren Wettbewerb können
von den Klausurbearbeitern keinesfalls vorausgesetzt werden.
Lediglich die Vorschrift des § 1 UWG dürfte bekannt sein, weil sich
hiermit in der jüngeren Zeit auch die Ausbildungsliteratur beschäftigt hat7
Ein Anspruch aus § 1 UWG kann nur begründet sein, wenn es schlechthin - auch ohne
Hinzutreten besonderer Umstände - als wettbewerbswidrig anzusehen wäre, dass die
Sponer, Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Wahrnehmung der Rechtsaufsicht durch ein
ausschließlich kommunal strukturiertes Landratsamt, LKV 2003, S. 314
7 Warneke, Die wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden und das Wettbewerbsrecht – BGHZ 10,343,
Jus 2003, S. 958
6
Kommunalservice GmbH privaten Auftraggebern Hausmeisterdienste anbietet und solche
Arbeiten ausführt. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung kann offen bleiben, ob die Erbringung von
Hausmeisterdiensten durch die Kommunalservice GmbH gegen die Vorschrift des § 97 Abs.
1 SächsGemO über die Zulässigkeit der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden verstößt.
Eine Verletzung dieser Vorschrift hätte nicht zur Folge, dass das beanstandete Handeln
wettbewerbsrechtlich als unlauter anzusehen wäre.
Wie der BGH zwischenzeitlich entschieden hat (NJW 2002, 2645 = NVwZ 2002, 1141 = GRUR
2002, 825 [826] = WRP 2002, 943 - Elektroarbeiten, für BGHZ vorgesehen; vgl. auch Köhler,
NJW 2002, 2761 [2762]; a.A. Dreher, ZIP 2002, 1648), ist ein Anspruch aus § 1 UWG nicht
immer schon dann gegeben, wenn ein Wettbewerber Vorschriften verletzt, bei deren
Einhaltung er aus dem Markt ausscheiden müsste. Auch bei der Verletzung von Vorschriften
über den Marktzutritt muss anhand einer am Schutzzweck des § 1 UWG auszurichtenden
Würdigung des Gesamtcharakters des Verhaltens geprüft werden, ob dieses durch den
Gesetzesverstoß das Gepräge eines wettbewerbsrechtlich unlauteren Verhaltens erhält. Der
Gesetzesverstoß kann dazu allein nicht genügen, wenn die verletzte Norm nicht zumindest
eine sekundäre wettbewerbsbezogene, das heißt - entsprechend dem Normzweck des § 1
UWG - eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion hat (BGH, GRUR
2002, 825 [826] - Elektroarbeiten). Eine solche Schutzfunktion fehlt der Vorschrift des § 97
SächsGemO ebenso wie der ihr entsprechenden Bestimmung des Art. 87 BayGO, die
Gegenstand der Entscheidung „Elektroarbeiten“ (sog. Oktoberfestfall) war (vgl. BGH, NJW
2002, 2645 = NVwZ 2002, 1141 = GRUR 2002, 825 [826f.]; a.A. Dreher, ZIP 2002, 1648). Diese
Vorschrift soll allerdings - wie unter anderem aus dem neugefassten § 97 SächsGemO
hervorgeht - auch die private Wirtschaft schützen, indem sie der erwerbswirtschaftlichen
Betätigung der Gemeinden Schranken setzt. Sie hat auch insofern eine den Wettbewerb
regelnde Funktion, als sie durch die Beschränkung des Marktzutritts der Gemeinden
Rahmenbedingungen des Wettbewerbs festlegt. Sie dient jedoch nicht der Kontrolle der
Lauterkeit des Marktverhaltens der Gemeinden. Auf Umstände, aus denen sich die
wettbewerbsrechtliche Unlauterkeit der Hausmeisterservicetätigkeit ergeben könnte, stellt §
97 Abs. 1 SächsGemO nicht ab.
Die Begründung der Wettbewerbswidrigkeit kann auch nicht darauf gestützt werden, dass
die Stadt Hainichen
wirtschaftlich Träger der Kommunalservice GmbH ist. Die
beanstandete Tätigkeit der Kommunalservice GmbH wird nicht dadurch als solche
wettbewerbsrechtlich unlauter, dass die öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften, die
ihre Träger sind, zu ihrer Finanzierung mit Mitteln beitragen können, die ihnen durch
Steuern und Abgaben zugeflossen sind (vgl. dazu auch BGH, GRUR 1987, 116 [118] = NJW
1987, 60 = WRP 1987, 22 - Kommunaler Bestattungswirtschaftsbetrieb I; Köhler, NJW 2002,
2761 [2762]). Wäre die Verwendung solcher Mittel (oder bereits die Möglichkeit ihrer
Verwendung) als wettbewerbswidrig anzusehen, wäre der öffentlichen Hand durch das
Recht des unlauteren Wettbewerbs jede erwerbswirtschaftliche Tätigkeit untersagt. Anders
wäre es allerdings zu beurteilen, wenn diese Finanzmittel in unlauterer Weise eingesetzt
würden (vgl. dazu auch BGH, GRUR 2003, 167 - Kommunaler Schilderprägebetrieb;
Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 1 Rdnr. 562ff. m.w. Nachw.).
Die Erbringung von Hausmeisterleistungen als solche ist selbst dann nicht
wettbewerbswidrig, wenn die Kapazität der dafür errichteten GmbH so ausgelegt sein sollte,
dass sämtliche im Gebiet der Stadt anfallenden Hausmeisterleistungen erbracht werden
könnten. Auch wenn dies bedeuten sollte, dass die GmbH nur bei einer Verdrängung der
privaten Wettbewerber wirtschaftlich sein könnten, würde daraus nicht folgen, dass jedwede
Betätigung der Kommunalservice GmbH wettbewerbsrechtlich unlauter wäre. Schafft die
öffentliche Hand Überkapazitäten, beeinträchtigt sie dadurch allein nicht den lauteren
Wettbewerb.
Ein Anspruch aus § 1 UWG ist auch nicht daraus abzuleiten, dass mit den Preisangeboten
unlauterer Verdrängungswettbewerb zu Lasten der privaten Wettbewerber betrieben werde
(§ 1 UWG). Ein Verdrängungswettbewerb könnte nur angenommen werden, wenn für der
Preis für die Hausmeisterleistungen unangemessen wäre. Der Sachverhalt gibt zwar an, dass
die Preise der Kommunalservice GmbH deutlich unter den Preisen der Mitbewerber liegen.
Ob diese Preise aber unangemessen sind, wird dadurch noch nicht indiziert.
Auch eine Wettbewerbswidrigkeit, weil eine wettbewerbswidrige Vermischung hoheitlicher
und erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit stattfindet, ist nicht ersichtlich. Der öffentlichen Hand
ist es allerdings grundsätzlich untersagt, amtliche Beziehungen zur Werbung oder zum
Abschluss von Verträgen auszunutzen, um sich oder einem Dritten auf diese Weise Vorteile
im Wettbewerb zu verschaffen. In einem solchen Vorgehen kann ein Missbrauch der
amtlichen Stellung und der Einrichtungen der Verwaltung liegen, der i.S. des § 1 UWG
sittenwidrig ist. Eine andere Beurteilung kann aber dann geboten sein, wenn ein enger
Zusammenhang zwischen der hoheitlichen Tätigkeit und der Teilnahme am
Wirtschaftsleben besteht und die Handlung der Erfüllung amtlicher Aufgaben in der Weise
dient, dass sie nur als eine Art Hilfstätigkeit der öffentlichen Verwaltung erscheint. Unter
solchen Umständen kann die gebotene Interessenabwägung dazu führen, dass
wettbewerbsrechtliche Bedenken zurückzutreten haben. Allerdings wird die öffentliche
Hand in solchen Fällen das jeweils schonendste Mittel zu wählen haben, das einerseits den
zu wahrenden öffentlichen Interessen genügt, andererseits aber auch die Belange des
privaten Gewerbes so wenig wie möglich beeinträchtigt (vgl. BGH, NJW 1974, 1333 = GRUR
1974, 733 [735] = WRP 1974, 397 - Schilderverkauf, m.w. Nachw.; vgl. dazu auch BGH, GRUR
2003, 167 - Kommunaler Schilderprägebetrieb). Der Sachverhalt teilt nicht mit, dass die Stadt
Hainichen sich in irgendeiner Weise werbend für die Kommunalservice GmbH einsetzt.
Insofern ist ebenfalls wettbewerbswidriges Verhalten nicht ersichtlich.
Ergebnis: Ein Anspruch aus § 1 UWG i.V.m. § 97 Abs. 1 SächsGemO besteht nicht.
II. Quasinegatorischer Unterlassungsanspruch
Fraglich ist, ob auf der Grundlage eines zivilrechtlichen quasinegatorischen
Unterlassungsanspruchs wegen Verletzung eines Schutzgesetzes (§ 1004 BGB analog i.V. mit
§ 823 II BGB) die Abwehr der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunalservice GmbH
betrieben werden könnte.
Dies setzt jedoch ein Schutzgesetz voraus. Dies ist zweifelhaft.
Zu einer Parallelvorschrift in Nordrhein-Westfalen, die in gewissem Umfange ebenfalls
einen öffentlich-rechtlichen Drittschutz begründete, hat der Bundesgerichtshof entschieden,
dass § 107 NWGO kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist (vgl. Rehn/Cronauge/v.
Lennep, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Stand: Mai 2000, § 107 Anm. I
4 m.w. Nachw.). Eine Vorschrift sei nicht schon dann ein Schutzgesetz i.S. des § 823 II BGB,
wenn sie nach ihrem Inhalt und Zweck die Belange eines anderen fördert. Erforderlich ist
vielmehr, dass sie in der Weise einem gezielten Individualschutz gegen eine näher
bestimmte Art der Schädigung dienen soll, dass an die Verletzung des geschützten Interesses
die deliktische Einstandspflicht des Verletzers geknüpft wird. Bei § 107 NWGO sei dies
jedenfalls nicht anzunehmen. Die Vorschrift beschränke zwar die erwerbswirtschaftliche
Tätigkeit der Gemeinden auch deshalb, weil sich diese zu Lasten der Privatwirtschaft
auswirken kann. Sie habe aber nicht den Zweck, die einzelnen Unternehmen dadurch vor
einem Wettbewerb durch gemeindliche Unternehmen zu schützen, dass ein Verstoß
Individualansprüche auf Schadensersatz und Unterlassung begründen kann (vgl. - zu Art. 87
BayGO - BGH, NJW 2002, 2645 = NVwZ 2002, 1141 = GRUR 2002, 825 [828] - Elektroarbeiten,
m.w. Nachw.).
In dieser Weise könnte man auch den § 97 Abs. 1 SächsGemO interpretieren. Andererseits
soll die Schaffung des Drittschutzes – zumindest der Subsidiaritätsklausel – auch den
Interessen einzelner Wettbewerber dienen. Anders macht ein Drittschutz keinen Sinn, die
Rechtsschutzlücke, die der Sächsische Gesetzgeber hatte schließen wollen, bestünde sonst
fort.
Deshalb wird man wohl in § 97 Abs. 1 Nr. 3 SächsGemO auch den Zweck sehen müssen, den
einzelnen privaten Unternehmer, der in einem Wettbewerbsverhältnis mit dem kommunalen
Unternehmen steht, vor dem Wettbewerb durch gemeindliche Unternehmen zu schützen.
Problematisch ist jedoch, dass sich der Wortlaut des § 97 Abs. 1 SächsGemO als
Normadressat ausdrücklich auf die Gemeinde bezieht. Verletzer der Vorschrift des § 97 Abs.
1 SächsGemO kann damit lediglich die Stadt Hainichen sein. Demnach kann sich ein
Unterlassungsanspruch auch nur gegen die Stadt Hainichen richten. Wenn allerdings von
einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft eine Unterlassung wegen einer Verletzung einer
öffentlich-rechtlichen Vorschrift verlangt wird, dann kann dies nur nach einem Anspruch
erfolgen, der ebenfalls öffentlich-rechtlicher Natur ist.
Ergebnis: Ein zivilrechtlicher quasinegatorischer Unterlassungsanspruch scheidet damit aus.
II. Öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch
In Betracht kommt aber ein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch gegen die Stadt
Hainichen.
1. Rechtsgrundlage
Die Dogmatik zu dem bzw. den öffentlich-rechtlichen Unterlassungsansprüchen ist bislang
nur
unzureichend
entwickelt,
wenngleich
derartige
öffentlich-rechtliche
Unterlassungsansprüche in einer Vielzahl von Fällen angenommen wurden.
Eine Hauptgruppe des/der öffentlich-rechtlichen Unterlassungsansprüche bilden
Unterlassungen von Grundrechtsverletzungen. Die Grundrechte enthalten immanent das
Gebot, ungerechtfertigte Eingriffe zu unterlassen. Derartige Abwehr von Eingriffen in die
Rechtssphäre des Einzelnen ist der Hauptzweck der Grundrechte. Vorrangig sollen im
Vorfeld Eingriffe abgewehrt werden. Sekundäransprüche auf Entschädigung oder
Schadensersatz sind nur zweitrangig. Deshalb kann jeder Grundrechtsträger unmittelbar aus
den Grundrechten Handlungen im Vorfeld abwehren, die sich bei Vornahme als
Grundrechtsverletzung darstellen würden (Beispiele: BVerwG, NVwZ-RR 2000, S. 598 –
Unterlassung der Bezeichnung eines Vereins als „Psychokult“; VG Bremen, NVwZ-RR 2000,
S. 19 – Unterlassung von Fahrlehrerbenennungen; OVG Bautzen, LKV 2002, S. 472 –
Unterlassung von Äußerungen über Betätigung als Vermessungsingenieur)
Derartige Unterlassungsansprüche hat die Rechtsprechung auch dann zur Abwehr in
Eingriffe von subjektiven Rechtspositionen des Einzelnen angenommen, wenn diese
Rechtsposition nicht in Grundrechten, sondern nur in einfachen öffentlich-rechtlichen
Vorschriften wurzeln (Beispiele: VGH Kassel, NVwZ 1994, S. 396 – Unterlassung zur
Sicherung von Bürgerbegehren; VG Gießen, NVwZ 2002, S. 238 – Unterlassungsanspruch
gegen Wechsel des Entsorgungssystems für Verpackungen)
Andere leiten den öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch aus einer Rechtsanalogie zu
den zivilrechtlichen Unterlassungsansprüchen aus §§ 1004, 823, 906 BGB ab.
Die Rechtsprechung stellt regelmäßig darauf ab, dass der öffentlich-rechtliche
Unterlassungsanspruch zwischenzeitlich gewohnheitsrechtlich anerkannt sei (vgl. OVG
Münster, NVwZ-RR 2000, S. 599). Rechtsquelle wäre hier somit das Gewohnheitsrecht.
2. Voraussetzungen
Voraussetzung für den Unterlassungsanspruch ist, dass eine rechtswidrige Handlung eines
öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers vorliegt oder unmittelbar bevorsteht, die eine subjektöffentliche Rechtsposition des Anspruchsinhabers verletzt.
In Betracht kommt im vorliegenden Fall eine Verletzung des § 97 Abs. 1 SächsGemO.
Erste Voraussetzung für die Gründung eines kommunalwirtschaftlichen Unternehmens ist,
dass ein öffentlicher Zweck dies rechtfertigt. Allein das Streben nach Gewinn ist kein
öffentlicher Zweck. Vielmehr muss das wirtschaftliche Unternehmen einer darüber
hinausgehenden Aufgabe dienen. Allerdings wird den Gemeinden bei der Beurteilung des
öffentlichen
Zwecks
ein
weiter,
der
richterlichen
Beurteilung
entzogener
Einschätzungsspielraum eingeräumt (vgl. Quecke/Schmid, Gemeindeordnung für den
Freistaat Sachsen, Kommentar, Band 2, § 97 Rn. 53). Bei einem derart weiten Verständnis des
öffentlichen Zwecks wäre im vorliegenden Fall die Bündelung der städtischen
Hausmeisterleistungen und die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit ein ausreichender
öffentlicher Zweck.
Zweite Voraussetzung wäre nach § 97 Abs. 1 Nr. 2 SächsGemO, dass das wirtschaftliche
Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur
Leistungsfähigkeit und dem voraussichtlichen Bedarf steht.
Auch in Bezug auf die Leistungsfähigkeit und den Bedarf hat die Gemeinde einen
Einschätzungsspielraum. Der Sachverhalt berichtet nicht, dass die Kommunalservice GmbH
überdimensioniert ist oder gar Aufgaben erhält, die sie selbst oder die Stadt überfordern
würde. Auch besteht voraussichtlicher Bedarf, denn vor allem erbringt die
Kommunalservice GmbH ja Hausmeisterleistungen an die Stadt Hainichen selbst.
Das angemessene Verhältnis zu Leistungsfähigkeit und Bedarf ist somit gewahrt.
Dritte Voraussetzung ist schließlich, dass nach § 97 Abs. 1 Nr. 3 SächsGemO der Zweck nicht
besser und wirtschaftlicher durch einen privaten Dritten erfüllt werden kann. Dadurch dass
der Gesetzgeber ausdrücklich den privaten Dritten in den Gesetzestext aufgenommen hat,
wurde zum Ausdruck gebracht, dass dieser Vorschrift Drittschutz zukommen soll. Die
Ausdrückliche Bezugnahme auf „Dritte“ oder „private Dritte“ ist regelmäßig ein
Wortlauthinweis darauf, dass eine Vorschrift nicht nur öffentlichen Interessen dient, sondern
gerade den Interessen eines abgrenzbaren und individualisierbaren Personenkreis zu dienen
bestimmt ist. Auch die Entstehungsgeschichte der Gesetzesänderung lässt in den Materialien
den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers zur Schaffung einer subjektivierten
Rechtsposition von privatwirtschaftlichen Mitbewerbern erkennen.
Zu prüfen ist, ob eine bessere und wirtschaftlichere Erfüllung durch private Dritte möglich
ist. Bisher wurde bei der Anwendung der Vorschrift der Gemeinde ein
Beurteilungsspielraum
eingeräumt
(vgl.
Quecke/Schmid,
Gemeindeordnung…,
Kommentar, § 97 Rn. 68). Die Annahme eines – zumindest großzügig gefassten –
Beurteilungsspielraumes der Gemeinde ist allerdings mit dem Wesen einer subjektiven
Rechtsposition nicht vereinbar. Umfang und Reichweite einer subjektiven Rechtsposition
kann nicht von der Gemeinde als rechtsverpflichteter Körperschaft abhängen. Die
Auslegung und Anwendung der Vorschrift hat daher restriktiv zu erfolgen und ist einer
gerichtlichen Überprüfung voll zugänglich.
Zunächst ist darauf abzustellen, ob eine bessere Erfüllung durch einen privaten Dritten
möglich ist. Die Subsidiaritätsklausel greift somit noch nicht, wenn lediglich eine
gleichwertige Erfüllung durch private Dritte erfolgt. „Bessere Erfüllung“ bezieht sich auf die
Güte der Aufgabenerfüllung und meint also Zuverlässigkeit, Qualität sowie die dauerhafte
und nachhaltige Sicherung des öffentlichen Zwecks. Nach dem Sachverhalt sind im
Unternehmen von Jochen Langner ausschließlich Fachkräfte aus handwerklichen Berufen
beschäftigt. Dies lässt für Hausmeisterleistungen eine qualifizierte Tätigkeit erwarten.
Kleinstreparaturen und handwerksnahe Handgriffe, die üblicherweise von Hausmeistern zu
erbringen sind, werden fachmännisch ausgeführt. Das Unternehmen von Jochen Langner hat
damit eine hohe Fachkraftquote. Demgegenüber sind bei der Kommunalservice GmbH auch
ungelernte Kräfte im Einsatz. Ein solcher Einsatz ungelernter Kräfte bringt es mit sich, dass
dieses Personal nicht jede Hausmeister-Tätigkeit ausüben kann. Damit ist das Personal der
Kommunalservice GmbH nicht so universell einsetzbar, wie es eine reine Fachkraftfirma
einsetzen könnte. Diese fehlende Flexibilität macht sich erfahrungsgemäß auch in der
Verfügbarkeit der Dienstleistungen bemerkbar. Deshalb kann davon ausgegangen werden,
dass tatsächlich der Hausmeisterdienst von Jochen Langner eine bessere Aufgabenerfüllung
gewährleisten könnte.
Kumulativ hierzu müsste aber der private Hausmeisterdienst auch wirtschaftlicher arbeiten
können. Wirtschaftlichkeit im Sinne des § 97 Abs. 1 Nr. 3 SächsGemO stellt darauf ab, ob die
Leistungen kostengünstiger und effizienter erfüllt werden können.
Auch davon kann vorliegend ausgegangen werden: Die Kommunalservice GmbH zahlt
deutlich höhere Löhne als die privaten Mitbewerber und insbesondere Jochen Langner.
Deshalb können die privaten Unternehmer die Dienste auch kostengünstiger erbringen. Dass
die Kommunalservice GmbH mit günstigeren Preisen wirbt und im Markt agiert, kann dabei
unberücksichtigt bleiben, denn diese Preise reflektieren offensichtlich nicht die tatsächliche
Kostenstruktur der GmbH, insbesondere die Personalkosten. Dies zeigen die erforderlichen
Personalkostenzuschüsse der Stadt Hainichen als Gesellschafterin der Kommunalservice
GmbH.
Damit ist festzustellen, dass Private Dritte die Aufgabe besser und wirtschaftlicher erfüllen
können als die Kommunalservice GmbH. Mithin liegt eine Verletzung des § 97 Abs. 1 Nr. 3
SächsGemO vor, aus der ein Abwehranspruch eines vom Schutzbereich erfassten privaten
Dritten folgt.
Jochen Langner hat somit einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1
Nr. 3 SächsGemO.
3.Anspruchsgegner
§ 97 Abs. 1 Nr. 3 SächsGemO statuiert Verpflichtungen für die Gemeinden.
Anspruchsgegner ist damit die Stadt Hainichen (so auch Sollondz, aaO.).
4. Anspruchsinhalt
Der Anspruchsinhalt ist normalerweise auf ein Unterlassen gerichtet. Hier ist es auf ein
Unterlassen der Stadt auf wirtschaftliche Betätigung durch die Kommunalservice GmbH
gerichtet.
Die Stadt hat somit auf die GmbH einzuwirken und ggf. ihren Gesellschaftsvertrag
anzupassen, dass sie die verletzende Tätigkeit nicht mehr ausübt.
5. Prozessuale Durchsetzung
Zu prüfen ist, vor welchem Gericht der Anspruch zulässigerweise durchgesetzt werden
muss. In Betracht kommt ein Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht.
a) Hauptsacheverfahren
Dies setzt nach § 40 Abs. 1 VwGO eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit
nichtverfassungsrechtlicher Art voraus. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt immer
dann vor, wenn die streitentscheidenden Normen dem öffentlichen Recht entstammen.
Öffentlich-rechtlich sind Vorschriften dann, wenn sie als Zuordnungsobjekt von Rechten
und Pflichten einen Hoheitsträger haben (sog. modifizierte Subjektstheorie). Vorliegend
beurteilt sich der Streit nach § 97 Abs. 1 SächsGemO, der die wirtschaftliche Betätigung der
Gemeinden als Hoheitsträgers regelt. Der Streit ist damit öffentlich-rechtlicher Natur.
Die statthafte Klageart wäre eine Leistungsklage in Form einer Unterlassungsklage, weil von
der Stadt Hainichen ein Tun oder Unterlassen, das nicht durch Verwaltungsakt geregelt
wird, durchgesetzt werden soll.
Der Jochen Langner als Kläger müsste auch klagebefugt sein. Dies setzt in analoger
Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO voraus, dass er sich auf einen subjektiv-öffentlichen
Anspruch berufen kann. Dieser Anspruch ergibt sich als Unterlassungsanspruch aus einer
Verletzung des § 97 Abs. 1 Nr. 3 SächsGemO, welcher Drittschutz vermittelt.
Ein gerichtliches Vorverfahren ist nicht erforderlich. Ebensowenig sind bestimmte
Klagefristen zu beachten.
Zuständiges Gericht wäre das Verwaltungsgericht Chemnitz. Die sachliche Zuständigkeit
folgt aus § 45 VwGO als Gericht erster Instanz. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 52 Nr. 5
VwGO i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 SächsJG, § 2 Abs. 2 SächsRPG, weil die beklagte Stadt
Hainichen ihren Sitz im Regierungsbezirk Chemnitz hat.
Damit ist eine Klage zulässig.
b) Einstweiliger Rechtsschutz
In Betracht kommt ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 i.V.m. § 123 VwGO wäre ebenfalls eröffnet.
Nach § 123 VwGO (i.V.m. § 123 Abs. 5, 80 Abs. 5 VwGO) ist eine einstweilige Anordnung
statthaft, wenn in der Hauptsache eine Verpflichtungsklage, eine allgemeine Leistungsklage
oder eine Feststellungsklage zu erheben wäre. Die Statthaftigkeit ist hier gegeben, denn in
der Hauptsache wäre mit einer Unterlassungsklage eine Form der allgemeinen
Leistungsklage richtige Klageart.
Auch für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung müsste eine
Antragsbefugnis vorliegen. Dies ist der Fall, wenn der Antragsteller zumindest einen
Anordnungsanspruch behaupten kann. (Ob er diesen Anordnungsanspruch glaubhaft
machen kann, ist hingegen eine Frage der Begründetheit des Antrages !)
Anordnungsanspruch ist der materielle Anspruch des Antragstellers gegen den
Antragsgegner. Dieser wurde oben bejaht.
Ferner muss für einen einstweiligen Rechtsschutzantrag eine besondere Dringlichkeit
dargelegt werden. Das bedeutet, es muss zumindest der Anordnungsgrund dargelegt
werden. (Auch hier ist wichtig zu beachten: Die Glaubhaftmachung des
Anordnungsgrundes ist erst eine Frage der Begründetheit).
Aufgrund der Dauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren und der bereits eingetretenen
Auswirkungen auf den Betrieb des Langner, der unmittelbar vor gravierenden
Betriebsdispositionen (Entlassung von Mitarbeitern), kann der Abschluss eines
Hauptsacheverfahrens nicht abgewartet werden. Da dies der Jochen Langner darlegen
können wird, wäre auch die Dringlichkeit gegeben.
Zuständiges Gericht ist nach § 123 VwGO das Gericht der Hauptsache, also das
Verwaltungsgericht Chemnitz (s.o).
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist somit zulässig.
Der Antrag ist auch begründet, denn der Jochen Langer wird in der Lage sein, den
Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund auch glaubhaft zu machen.
Ergebnis: Rechtsanwalt Dr. Klug wird dem Jochen Langer die Erhebung einer
Unterlassungsklage und einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu dem
Verwaltungsgericht Chemnitz raten.
Lösung - Fallabwandlung
I. Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG
Ein Anspruch der Stadt Hainichen könnte sich aus § 839 BGB i.V. mit Art. 34 GG ergeben.
1. Beamter
Dies setzt voraus, dass zunächst ein Beamter im haftungsrechtlichen Sinne gehandelt hätte.
Beamter im haftungsrechtlichen Sinne ist jeder Mitarbeiter, der aufgabengemäß mit der
Wahrnehmung einer hoheitlichen Aufgabe betraut ist. Auf den Status seines
Dienstverhältnisses kommt es dabei nicht an.
Die Genehmigung der Satzung wurde nach dem Sachverhalt vom Landratsamt Mittweida
genehmigt. Das Landratsamt ist eine Behörde, in der aufgabengemäß einzelne Mitarbeiter –
Beamte im staatsrechtlichen Sinne oder Angestellte – ihren Dienst verrichten. Der
Amtshaftungsanspruch knüpft nicht pauschal an die Behörde an, sondern verlangt ein
schuldhaftes Handeln einer konkret individualisierten bzw. individualisierbaren
Amtsperson. Dass der Sachverhalt den konkret handelnden Beamten nicht benennt, ist
jedoch unschädlich, denn es kann davon ausgegangen werden, dass die Genehmigung von
dem Mitarbeiter erteilt wurde, der nach dem internen Organisationsakt des Landrates
zuständig war. Dies wird erfahrungsgemäß ein Amtsleiter des für die Rechtsaufsicht
zuständigen Kommunalamtes sein.
2. Amtspflicht
Es müsste ferner eine Amtspflicht verletzt sein. Eine solche Amtspflicht ergibt sich aus dem
Wesen der Rechtsaufsicht. Nach § 111 Abs. 1 SächsGemO hat die Rechtsaufsicht die
Gesetzmäßigkeit der Kommunalverwaltung sicherzustellen. Somit besteht die Amtspflicht,
nur solche Geschäfte zu genehmigen, die mit dem Gesetz vereinbar sind.
Nach § 96 Abs. 4 SächsGemO unterliegen Beschlüsse zur Errichtung von Unternehmen in
Privatrechtsform der kommunalaufsichtlichen Genehmigung.
Etwas anderes könnte sich nur daraus ergeben, wenn die Rechtsaufsicht in Bezug auf das
Genehmigungserfordernis von Gesellschaftsverträgen auf die Überprüfung bestimmter
Fehler beschränkt wäre. Allerdings ist auch aus den neugefassten Vorschriften zur
Genehmigungspflicht nicht ersichtlich, dass sich die im Genehmigungsverfahren von den
Kommunalaufsichtsämtern auf bestimmte Rechtsfragen beschränken soll. Es bleibt deshalb
bei dem Rechtsgrundsatz aus § 111 Abs. 1 SächsGemO, dass die Kommunalaufsicht
umfassend die Rechtmäßigkeit des genehmigungsbedürftigen Geschäftes überprüfen soll.
Wie bereits oben gezeigt wurde, steht außer Streit, dass die Voraussetzungen des § 97 Abs. 1
SächsGemO in Bezug auf die Kommunalservice GmbH nicht vorliegen. Deswegen hätte die
Genehmigung des Beschlusses über die Errichtung der GmbH nicht erteilt werden dürfen.
Eine Amtspflichtverletzung liegt mit der rechtswidrigen Genehmigung vor.
3. Verschulden
Der Amtshaftungsanspruch setzt ein Verschulden des handelnden Amtsträgers voraus.
Verschulden ist auch hier Vorsatz und Fahrlässigkeit.
Bei der Erteilung der Genehmigung handelt fahrlässig derjenige, der eine Genehmigung
erteilt, obwohl er die erforderliche Rechtskenntnis nicht hat, der die Rechtslage oder den
Sachverhalt nicht ausreichend prüft oder das geltende Recht unrichtig anwendet.
Es kann deshalb davon ausgegangen werden, dass der für die Erteilung verantwortliche
Beamte des Landratsamtes schuldhaft – zumindest fahrlässig - gehandelt hat und somit das
für den Amtshaftungsanspruch geltende Verschuldenserfordernis erfüllt ist.
4. Drittrichtung der Amtspflicht
Im Mittelpunkt der rechtlichen Würdigung des Falles steht die Frage, ob die bei der
Erteilung der Genehmigungen wahrzunehmenden Amtspflichten des Landratsamtes (bzw.
des handelnden Beamten) zu Gunsten der Stadt Hainichen drittgerichtet waren und ob der
entstandene Schaden in den sachlichen Schutzbereich der verletzten Pflichten fällt.
In der Rechtsprechung des BGH ist anerkannt, dass „Dritter“ i.S. des § 839 I 1 BGB auch eine
juristische Person des öffentlichen Rechts sein kann. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der für
die haftpflichtige Behörde tätig gewordene Beamte der geschädigten Körperschaft bei
Erledigung seiner Dienstgeschäfte in einer Weise gegenübertritt, wie sie für das Verhältnis
zwischen ihm und seinem Dienstherrn einerseits und dem Staatsbürger andererseits
charakteristisch ist. Wirken hingegen der Dienstherr des Beamten und eine andere
Körperschaft des öffentlichen Rechts bei der Erfüllung einer ihnen gemeinsam übertragenen
Aufgabe gleichsinnig und nicht in Vertretung einander widerstreitender Interessen derart
zusammen, dass sie im Rahmen dieser Aufgabe als Teil eines einheitlichen Ganzen
erscheinen, dann können jene Pflichten, die dem Beamten im Interesse der Förderung des
gemeinsam angestrebten Ziels obliegen, nicht als drittgerichtete Amtspflichten angesehen
werden, deren Verletzung außenrechtliche Amtshaftungsansprüche der geschädigten
Körperschaft auslöst (st. Rspr., vgl. z.B. BGHZ 148, 139 [147] = NJW 2001, 2799 = NVwZ
2001, 1198 L; BGHZ 116, 312 [315] = NJW 1992, 972, jeweils m.w. Nachw.).
Im vorliegenden Fall war das Landratsamt als Rechtsaufsichtsbehörde nach § 112 I 1
SächsGemO tätig geworden. Das Genehmigungserfordernis für den Gesellschaftsvertrag
folgte aus § 96 Abs. 4 SächsGemO. Die bei der Erteilung der Genehmigung einzuhaltenden
Prüfungsmaßstäbe ergaben sich aus den einschlägigen Vorschriften der Gemeindeordnung.
Danach hat die Rechtsaufsicht umfassend die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
sicherzustellen, § 111 Abs. 1 SächsGemO.
Mit dieser Zielrichtung erlegt die Rechtsaufsicht der zuständigen Behörde Schutzfunktionen
auch zu Gunsten der zu beaufsichtigenden Gemeinde auf. Dies hat in allgemeiner Form
bereits das RG ausgesprochen: Die Beaufsichtigung der Selbstverwaltungskörper durch
staatliche Behörden soll sicherstellen, dass die Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten
den Vorschriften der Gesetze gemäß geführt wird und stets in geordnetem Gange bleibt.
Trotz dieses Zweckes der Kommunalaufsicht haben die mit ihr betrauten Beamten bei ihrer
Ausübung auch auf die Belange der Gemeinde die gebührende Rücksicht zu nehmen und sie
vor Schädigungen zu bewahren. Sie verletzen, wenn sie es nicht tun, die ihnen den
Gemeinden gegenüber obliegende Amtspflicht. Das gilt nicht bloß für Zwangsmaßnahmen
im Aufsichtswege, sondern für jede Art von Betätigung der Kommunalaufsicht. Eine bloße
Raterteilung an eine Gemeinde, eine ihr erteilte Genehmigung, Maßnahmen, die auf die
Entschließung der Gemeinden von erheblichem Einfluss zu sein pflegen, können schon eine
Amtspflichtverletzung ihnen gegenüber enthalten (RGZ 118, 94 [99]). Auch der BGH hat,
wenn auch eher beiläufig, schon früh darauf hingewiesen, dass die Kommunalaufsicht des
Staates den Gemeinden gegenüber Amtspflichten zur sachgemäßen Ausübung der Aufsicht
begründet, weil dadurch auch die Interessen der Gemeinden gefördert oder geschützt
werden sollen (BGHZ 35, 44 [50] = NJW 1961, 1347).
Dies gilt nicht nur für belastende Maßnahmen der Aufsicht, die von der Gemeinde mit
verwaltungsrechtlichen oder verwaltungsgerichtlichen Rechtsbehelfen angegriffen werden
könnten und bei denen daher die Drittgerichtetheit der verletzten Amtspflicht bereits nach
dem in BGHZ 125, 258 = NJW 1994, 1647, niedergelegten Grundsatz bejaht werden kann,
dass sie in der Regel mit der Klagebefugnis nach § 42 II VwGO zusammenfällt. Besondere
Schutzpflichten der Aufsicht gegenüber der Gemeinde können vielmehr auch bei
begünstigenden Maßnahmen bestehen, also solchen, die von der Gemeinde selbst angestrebt
werden, wie bei der hier in Rede stehenden Genehmigung eines Rechtsgeschäfts. Auch
insoweit obliegt es der Kommunalaufsicht, die Gemeinde vor möglichen Selbstschädigungen
zu bewahren. Dabei ergeben sich Berührungspunkte mit der staatlichen Stiftungsaufsicht,
bei der ebenfalls anerkannt ist, dass sie Amtspflichten auch gegenüber der Stiftung selbst
begründen kann, die insbesondere den Inhalt haben können, die Stiftung vor ihren eigenen
Organen zu schützen (Senat, BGHZ 68, 142 [146] = NJW 1977, 1148; BayObLGZ 1990, 264).
Es kommt auch im amtshaftungsrechtlichen Verhältnis zwischen öffentlich-rechtlichen
Körperschaften untereinander entscheidend auf den Schutzzweck der jeweils
wahrzunehmenden Amtspflicht an. Der Einbeziehung des durch die hier in Rede stehenden
Genehmigungen verursachten Schadens in den Schutzbereich der wahrzunehmenden
Amtspflichten steht insbesondere nicht entgegen, dass das genehmigte Handeln der
Gemeinde in den Bereich kommunaler Selbstverwaltung fiel. Denn auch in diesem Bereich
war die Stadt Hainichen verpflichtet, ihre Dispositionen zur wirtschaftlichen Betätigung an
den vorstehend wiedergegebenen Rechtsregeln des kommunalen Wirtschaftsrechts
auszurichten. Die Missachtung dieser Grenzen begründete daher in besonderem Maße die
Gefahr von Selbstschädigungen im vorbezeichneten Sinne. Deswegen hatte die
Rechtsaufsicht auch den Zweck, die Gemeinde in diesem Bereich vor vermeidbaren
Schädigungen zu bewahren. Das entspricht auch einer im Schrifttum verbreiteten
Auffassung (z. B. Cromme, DVBl 1996, 1230; Oebbecke, DÖV 2001, 406; Schmidt-Aßmann, Bes.
VerwR, 11. Aufl., IV Rdnr. 49; jeweils m.w. Nachw.).
5. Kausalität
Der Schaden müsste schließlich auch kausal sein. Nach der hier anzuwendenden
Adäquanztheorie ist darauf abzustellen, ob der Schaden gerade zur Amtspflichtverletzung
adäquate Folge ist. Die Adäquanz wird dabei anhand des Zwecks der Amtspflicht
festgestellt.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bei Nichtgenehmigung des Beschlusses des Stadtrates
eine Gründung der GmbH nicht erfolgt wäre. Denn gemäß § 119 Abs. 2 SächsGemO werden
Beschlüsse bis zu ihrer Genehmigung nicht vollzogen. Somit sind Kosten für die Gründung
eine adäquate Folge der fehlerhaften Genehmigung. Das Genehmigungserfordernis soll
gerade die Gemeinden vor derartiger überflüssiger Mittelaufwendung schützen.
Adäquat sind aber auch die Liquidationskosten, denn die Liquidation ist erforderlich, um
den durch die fehlerhafte Genehmigung entstandenen rechtswidrigen Zustand wieder zu
bereinigen.
6. Anderweitige Ersatzmöglichkeiten
Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit in Form eines Anspruchs gegen einen Dritten ist nicht
ersichtlich.
7. Anspruchsgegner
Gemäß Art. 34 GG richtet sich der Anspruch aus § 839 BGB nicht gegen den handelnden
Amtsträger persönlich, sondern wird auf dessen Anstellungskörperschaft übergeleitet. Somit
haftet hier der Landkreis Mittweida als Anstellungskörperschaft.
Ergebnis: Die Stadt Hainichen hat einen Anspruch gegen den Landkreis Mittweida auf
Ersatz der Gründungs- und Liquidationskosten aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG.
II. Ansprüche nach dem Staatshaftungsgesetz der DDR
Eine weitere Anspruchsgrundlage für den Anspruch könnte sich aus § 1 des
Staatshaftungsgesetzes der DDR i.d.F. des Einigungsvertrags (Anl. II Kap. III Sachgeb. B
Abschn. III, BGBl II 1990, 885, 1168) ergeben.
Zu berücksichtigen ist aber, dass das Staatshaftungsgesetz der DDR mittlerweile in Sachsen
durch Gesetz vom 17. 4. 1998 (SächsGVBl S. 151) aufgehoben worden ist.
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