Pädagogik Inhaltsverzeichnis Ferdinand Biermann Inhaltsverzeichnis Erziehung ................................................................................................................................... 2 Definition Erziehung (Brezinka) ........................................................................................................................ 2 Sozialisation ....................................................................................................................................................... 2 Normen (Definition) ........................................................................................................................................... 2 Werte (Definition) .............................................................................................................................................. 2 Rolle (Definition) ............................................................................................................................................... 2 Rollenkonflikt..................................................................................................................................................... 3 Reifen und Lernen ...................................................................................................................... 5 Lernen (Definition) ............................................................................................................................................ 5 Reifen (Definition) ............................................................................................................................................. 5 Klassische Konditionierung (nach Pawlow) ....................................................................................................... 5 Instrumentelle Konditionierung (nach Thorndike) ............................................................................................. 6 Operante Konditionierung (nach Skinner) ......................................................................................................... 6 Lernen am Modell (nach Bandura)..................................................................................................................... 7 Lernen durch Einsicht (nach Köhler) ................................................................................................................. 8 Faktoren von Anlage und Umwelt ........................................................................................... 10 Gerhard Hammer – eine philosophisch-pädagogische Diskussion ................................................................... 10 Identität und Rolle (nach Rolf Oerter, basierend auf Krappmann) ................................................................... 11 Sigmund Freud ......................................................................................................................... 13 Der psychische Apparat.................................................................................................................................... 13 Der Begriff der Verdrängung in der Tiefenpsychologie ................................................................................... 13 Abwehrmechanismen ....................................................................................................................................... 13 Die Phasenlehre Freuds .................................................................................................................................... 14 Freuds Psychotherapie – Die psychoanalytische Beziehung ............................................................................ 16 Bedeutung des Spiels ............................................................................................................... 18 Verschiedene Typen des Spiels ........................................................................................................................ 18 Das Spiel in der kindlichen Entwicklung ......................................................................................................... 18 Jean Piaget ................................................................................................................................ 20 Grundbegriffe der Theorie................................................................................................................................ 20 Die Stufenlehre ................................................................................................................................................. 20 Aggressionstheorien ................................................................................................................. 22 Frustrations- Aggressionstheorie (FA-Theorie) (nach Dollard, Doob, Miller und Sears) ................................ 22 Instinktbegriff der modernen Verhaltensforschung (nach Paul Leyhausen) .................................................... 22 Die Instinkttheorie (nach Konrad Lorenz): ...................................................................................................... 23 Instinktreduktion beim Menschen (Arnold Gehlen) ......................................................................................... 23 Die Triebtheorie (nach Siegmund Freud) ......................................................................................................... 24 Aggression als erlerntes Verhalten (nach Albert Bandura u. a.) ...................................................................... 24 Medien und Aggression – Ergebnisse der Medienwirkungsforschung ............................................................ 25 Rechtsextremismus................................................................................................................... 27 Selbstverletzendes Verhalten ................................................................................................... 30 Geschichte des Bildungssystems .............................................................................................. 31 Waldorf-Pädagogik .................................................................................................................. 33 Anthroposophie ................................................................................................................................................ 33 Montessori-Pädagogik .............................................................................................................. 37 Theorie ............................................................................................................................................................. 37 Erziehung im Nationalsozialismus ........................................................................................... 40 Weibliche Identitätsfindung im BDM .............................................................................................................. 40 Das Frauenideal des Dritten Reiches ................................................................................................................ 41 Jean-Jacques Rousseau ............................................................................................................. 44 Theorie ............................................................................................................................................................. 44 Negative Erziehung .......................................................................................................................................... 45 Arnold Gehlen .......................................................................................................................... 47 Der Mensch als „unspezialisiertes biologisches Mängelwesen“ ...................................................................... 47 Seite 1 von 47 Pädagogik Erziehung 11.1, September 2003 Erziehung Definition Erziehung (Brezinka) - absichtliches, zweckbestimmtes, zielgerichtetes Handeln, bewusste Zwecktätigkeit - Der erzieherisch Handelnde (Erzieher) will durch sein Handeln den Menschen, auf den er die Erziehung richtet (der zu-Erziehende oder Educand), einem für ihn gesetzten Ideal möglichst ähneln - soziale (auf Mitmenschen gerichtete) Handlungen, durch die Menschen versuchen, das Gefüge der psychischen Dispositionen anderer Menschen in irgendeiner Weise dauerhaft zu verbessern oder seine als wertvoll beurteilten Komponenten zu erhalten - Mit dem Begriff der psychische Disposition sind Erlebnis- und Verhaltensbereitschaften aller Art gemeint, also Fähigkeiten, Fertigkeiten, Haltungen, Einstellungen, Gesinnungen, Überzeugungen, Tugenden, Wissen, Können usw. - Die jeweils für den Educanden als Soll-Zustand oder als Ideal gesetzten psychischen Dispositionen werden als Ziele der Erziehung gesehen Sozialisation - eine Gesellschaft kann nur dann überleben, wenn sie ständig neu hinzukommende Mitglieder (Fremde oder Nachwuchs) integrieren - Voraussetzung sind essentiellen Gemeinsamkeiten wie eine gemeinsame Sprache (welche Kommunikation erst ermöglicht) und ein Minimum an Übereinstimmungen in der Beurteilung von Sachverhalten und in Problemen und Lösungsvorschlägen dieser, und die Übernahme spezifischer Rollen - sind diese gegeben, so wirkt die Gesellschaft auf das neue Mitglied, jedoch nicht intentional (d. h. der Prozess, in welchem Individuen zielgerichtet in eine Gesellschaft eingegliedert werden), sondern geplant als auch ungeplant, es vollziehen sich bewusste als auch unbewusste Lernprozesse, dieser Prozess wird Sozialisation genannt - sie tritt überall dort auf wo das beobachtbare Verhalten eines einzelnen mit den Verhaltenserwartungen der Bezugsgruppen nicht übereinstimmt - ist ein lebenslanger Prozess (vom Kleinkind, welches überhaupt sein ersten kommunikativen Beziehungen herstellen muss, bis hin zum Erwachsenen, welcher umzieht, den Arbeitsplatz wechselt etc.) Normen (Definition) - sind mehr oder weniger verbindliche Verhaltensvorschriften und –erwartungen, die in einer Gesellschaft oder Gruppe gelten. Sie regulieren das Verhalten der Mitglieder. Die Gemeinschaft / Gruppe reagiert auf das Verhalten mit Sanktionen (positiven Sanktionen, wenn das Verhalten normkonform ist, negative Sanktionen, wenn gegen Normen verstoßen wird). - Norman haben einen unterschiedlichen Verbindlichkeitscharakter. Es gibt Muss(Gesetze), Soll- (z.B. Tischmanieren) und Kann- (z.B. Mode) Normen Werte (Definition) - sind die Zielvorstellungen in einer Gesellschaft, von denen die Normen abgeleitet sind. - (z.B. Wert: „Leben“ → Norm: Du darfst nicht töten!) Rolle (Definition) Seite 2 von 47 Pädagogik - Erziehung 11.1, September 2003 Bündel von Verhaltenserwartungen (Normen und Werten), die an den Inhaber einer sozialen Position (Stellung in sozialem Gefüge) gestellt werden Rollenkonflikt Intrarollenkonflikt - Konflikt, der entsteht, weil unterschiedliche Bezugsgruppen verschiedene Erwartungen an den Inhaber einer Rolle stellen Interrollenkonflikt - Konflikt, der entsteht, weil an zwei verschiedene Rollen, die jemand spielt, unterschiedliche Erwartungen gestellt werden Arnold Gehlen - Der Mensch als „unspezialisiertes biologisches Mängelwesen“ - siehe Seite 47 Adolf Portmann – Der Mensch, eine „normalisierte Frühgeburt“ - als „Nesthocker“ werden niedere Säugetiere wie Katzen oder Mäuse betrachtet, da ihre Jungen nach kurzer Tragezeit in völlig hilflosem Zustand zur Welt kommen, ihre Sinnespforten sind verschlossen und sie sind unfähig zur Fortbewegung - „Nestflüchter“ sind höhere Säugetiere wie Pferde oder Affen, sie kommen nach längerer Tragezeit mit funktionsfähigen Sinnesorganen und Bewegungssystemen zur Welt, sie können sich also gleich nach der Geburt artspezifisch verhalten können - mit „sekundäre Nesthocker“ bezeichnet Portmann den eigentümlichen menschlichen Geburtsumstand - der Mensch ist ein „hilfloser Nestflüchter“, er besitzt zwar bereits funktionierende Sinnesorgane, jedoch ist er nicht fähig zu den spezifischen menschlichen Verhaltensweisen (aufrechter Gang, Sprache und einsichtiges (intelligentes) Handeln) - diese Fähigkeiten erlernt er erst nach der Geburt, in der Regel bis gegen Ende des ersten Lebensjahres, unter dem Einfluss seiner Umwelt - wollte man erwarten, dass der Mensch bei seiner Geburt bereits den Entwicklungsstand eines höheren Säugers hätte, so müsste seine Schwangerschaft 21 Monate dauern - durch diese „verfrühte“ Geburt jedoch durchlebt der Mensch entscheidende kulturelle Erfahrungen in hilflosem Jugendalter in der Sozialwelt, das Ergebnis hieraus ist die „geistige“ Lebensweise - der Mensch kommt in einem unfertigen, durch natürliche Reifungsprozesse nicht ausdifferenzierten und deshalb von der Natur nicht festgelegten Zustand zur Welt, als „normalisierte Frühgeburt“ muss er die menschliche Lebensweise erst im „sozialen Mutterschoß“ der Familie erlernen, wobei er hier nicht mehr unter den Bedingungen des Mutterleibes, sondern bereits unter Einfluss seiner Umwelt - als produktive, soziokulturelle Lebensform, welche immer wieder neue Lebensmöglichkeiten erschließt, ist eine so frühe Geburt und daraus resultierend lange Kindheit und Jugendzeit erforderlich Verwöhnende Erziehung Kontaktfähigkeit - wenn ein Kind zu oft und eng an eine einzige Beziehungsperson gebunden ist, hat es Schwierigkeiten, neue menschliche Bindungen einzugehen - dies äußert sich dadurch, dass das Kind gehemmt, schüchtern und linkisch wirkt, es wird im Kreise anderer Kinder in eine Randposition verstoßen Durchsetzungsvermögen Seite 3 von 47 Pädagogik Erziehung 11.1, September 2003 - oft zeigen verwöhnte Kinder Durchsetzungsschwäche, sie haben geringe Spontaneität, fehlende Initiative, rasch nachlassende Ausdauer und unbeständige Zielverfolgung - in Problem- und Belastungssituationen ehernpassive, abwartende, ausweichende Reaktionsformen - robustere, verwöhnte Kinder verlieren in solchen Situationen ihre „anerzogene Fassung“ und gehen waghalsig, kurzschlussartig auf eine Problemlösung los, wirkt mit diesem Verhalten befremdlich auf seine Erzieher Selbstbestimmung - Bedürfnis nach Selbstständigkeit und Selbstbestimmung verwirklicht das Kind kaum - da das Kind übermäßig mitmenschlich gebunden und abhängig ist und kaum echte Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten hat, erlebt es eine geschwächte oder gestörte Ich-Entwicklung (Individuation) Fazit - Kinder, deren Verwöhnung mehr überwachende, gängelnde Züge annimmt, dürften stärker in Gefahr sein, die Rolle des unselbstständigen Dulders zu spielen als solche, bei denen die Verwöhnung eher mit übermäßiger Nachsicht erfolgt, da diese während der Nachsichtspassagen ihren Eigenwillen demonstrieren können - letztlich führen jedoch beide Varianten der Verwöhnung zu einer Beeinträchtigung der sozialen Eingliederungs- und Umstellungsfähigkeit - das positive Gegenstück zur Verwöhnung wäre die rechtzeitig und verständig einsetzende Abnabelung des Kindes - wenn Eltern ihren Kindern frühzeitig Selbstständigkeit und Entscheidungsfreiheit gewähren (z.B. bei der Wahl von Freunden, Aus- und Ankleiden, Einkaufen etc.), so finden sich Kinder leichter im Kreise von Mitschülern zurecht und ordnen sich leichter in die Unterrichtssituation ein Erziehungsstile Autoritärer Stil - der Erzieher übernimmt alle Entscheidungen des Kindes und lässt ihm keine Freiheiten, seine Kritik ist persönlich und nicht objektiv, er ist nicht unfreundlich, hält sich jedoch distanziert und lässt seine Überlegenheit ständig fühlen Demokratischer Stil - der Erzieher stellt sich eher als Freund des Zöglings dar, er zeigt seine Führungsposition nicht, er übernimmt keine Entscheidungen, gibt jedoch Entscheidungsanstöße, ist in seiner Kritik objektiv und sachbezogen Laissez-Faire - der Erzieher verhält sich passiv, er übernimmt weder Entscheidungen noch gibt er Anstöße Seite 4 von 47 Pädagogik Reifen und Lernen 11.2, Februar 2004 Reifen und Lernen Lernen (Definition) - Lernen ist ein nicht direkt beobachtbarer Prozess, durch den das Verhalten bzw. das Verhaltenspotential des Menschen aufgrund von Interaktionen mit der Umwelt (Übung, Beobachtung) relativ dauerhaft aufgebaut bzw. verändert wird; allerdings dürfen die Veränderungen nicht durch Reifung oder temporäre Zustände (z.B. Ermüdung, Rausch) zustande kommen Sensible Phasen (Definition) - optimale Phasen zum Erwerb bestimmter Fähigkeiten im Laufe der menschlichen Entwicklung. Wenn diese Phasen nicht für Lernprozesse genutzt werden können, ist der Erwerb der Fähigkeit nur schwer oder überhaupt nicht mehr möglich. Reifen (Definition) - Reifung ist ein nicht direkt beobachtbarer Prozess, bei dem sich das Verhalten bzw. das Verhaltenspotential des Menschen ohne äußere Einflüsse, d.h. von innen heraus (ist also genetisch bedingt) zu einem bestimmten Lebensalter dauerhaft und unumkehrbar verändert, dieser Prozess tritt universal auf und kann, falls er unterbrochen wird (z.B. durch Behinderung) später in kurzer Zeit nachgeholt werden Klassische Konditionierung (nach Pawlow) - beschrieben von dem russischen Physiologen Iwan Petrowitsch Pawlow - es liegt ein Unkonditionierter Reiz (UCS) vor, auf den das Lebewesen eine Unkonditionierte Reaktion (UCR) zeigt. Führt man nun in raumzeitlicher Nähe (Kontiguität) zu dem UCS einen bisher für das Lebewesen Neutralen Reiz (NS) aus,. so verknüpft es nach mehrfachen Durchführungen diesen NS mit der UCR, der NS wird somit von nun an als Konditionierter Reiz (CS) und die NS als Konditionierte Reaktion (CR) bezeichnet. Diese Assoziation hat jedoch meistens eine begrenzte Dauer, bleibt nach dem CS mehrfach die CR aus, so erfolgt eine Extinktion, die Assoziation von CS und CR verschwindet Konditionierung - Vorgang des Bedingens, des Erwerbens von Reaktionen Reflex - automatisch ablaufende, unwillkürliche Reaktion auf einen bestimmten Reiz - bedingter Reflex: erworbene Reaktion des Organismus auf einen bestimmten Reiz Unkonditionierter Reiz (UCS – unconditioned stimulus) - jeder Reiz / Stimulus, der regelmäßig und ohne vorausgehendes Lernen eine bestimmte unkonditionierte Reaktion hervorruft Unkonditionierte Reaktion (UCR – unconditioned response) - jede Reaktion, die regelmäßig und ohne vorausgehendes Lernen durch einen unkonditionierten Reiz ausgelöst wird Neutraler Reiz (NS) - ein Reiz, der bei einer Person eine bestimmte Reaktion nicht auslöst, wird in Bezug auf diese Reaktion neutraler Reiz genannt Neutrale Reaktion (NR) - keine spezifische Reaktion Konditionierter Reiz (CS – conditioned stimulus) - ein ursprünglich neutraler Reiz, der durch die Kopplung mit einem unkonditionierten Reiz eine konditionierte Reaktion auslöst Konditionierte Reaktion (CR) Seite 5 von 47 Pädagogik Reifen und Lernen 11.2, Februar 2004 - eine Reaktion, die nach erfolgter Konditionierung durch den konditionierten Reiz ausgelöst werden kann Kontiguität - zeitliche und räumliche Nähe verschiedener Erlebnisinhalte wie Reize Reflexkette / Assoziation - Kette, Verknüpfung von Reflexen - Verknüpfung oder Verschmelzung mehrerer seelischer Inhalte assoziieren - eine gedankliche Vorstellung mit etwas verknüpfen, zwei Reize miteinander verknüpfen (Konditionierung wird deshalb auch Assoziatives Lernen genannt) Extinktion - Prozess der Löschung der konditionierten Reaktion, indem der CS nicht mehr mit dem UCS präsentiert wird Spontanerholung - Die CR tritt nach der vollkommenen Extinktion ohne eine erneute Präsentation des UCS wieder auf Reizgeneralisierung - automatisch ablaufender Prozess, in dem Reize, die dem konditionierten Reiz ähnlich sind, beim Lebewesen die konditionierte Reaktion auslösen Reizdiskriminierung - Vorgang, in dem das Lebewesen verschiedene Reize voneinander unterscheidet und unterschiedlich reagiert Therapie - Heilbehandlung Verhaltenstherapie / Verhaltensmodifikation - Nutzbarmachung lernpsychologischer Prinzipien für die Therapie Phobie - abnorme, unkontrollierbare Angst vor Objekten und Situationen aversiver Reiz - Ereignisse, Gegenstände und Verhalten, die ein Organismus zu vermeiden, zu fliehen oder beseitigen sucht. Ein Reiz wird dann als aversiv bezeichnet, wenn das Verhalten, das ihn meidet oder beseitigt, häufiger gezeigt wird Desensibilisierung - Vorgang der Schwächung oder des Aufhebens der Reaktionsbereitschaft eines Organismus auf bestimmte Reize reziprok - gegenseitig, wechselseitig, aufeinander bezüglich Instrumentelle Konditionierung (nach Thorndike) - laut Thorndike bildet ebenfalls das Assoziationsprinzip die Grundlage des Lernvorgangs, jedoch wird bei ihm eine Reaktion mit ihren Konsequenzen verknüpft - in der nach Thorndike typischen Lernsituation probiert das Individuum das verfügbare Verhaltensrepertoire durch (trial and error), um ans Ziel zu gelangen, bis es dieses schließlich durch Zufall erreicht. Laut Thorndike werden nur die erfolgreichen Verhaltensweisen im Organismus fixiert, die Wahrscheinlichkeit einer bestimmten Reaktion in einer gegebenen Situation wird dann immer größer, wenn diese Reaktion zu einer Befriedigung führt (law of effect) - Assoziation zwischen einer zufälligen Reaktionsweise und einer positiven Folge Operante Konditionierung (nach Skinner) Seite 6 von 47 Pädagogik - - - Reifen und Lernen 11.2, Februar 2004 der Vorgang der operanten Konditionierung entspricht dem der instrumentellen Konditionierung, mit dem Unterschied, dass laut Skinner der Mensch nicht zur Aktivität angeregt werden muss, sondern grundsätzlich aktiv ist entsprechend unterscheidet er zwischen reaktivem und aktivem (operantem) Verhalten operantes, auf die Umwelt einwirkendes Verhalten wird nachträglich verstärkt, die Entstehung neuer, komplexer Verhaltensweise beschreibt Skinner als Ausformung (shaping) aus der spontanen Variation und der Vielfältigkeit des Verhaltens werden durch Verstärkung diejenigen ausgelesen und im Sinne einer allmählichen Annäherung (sukzessive Approximation) zu einem Verhaltensmuster ausgeformt, das Endverhalten muss jedoch für das Individuum grundsätzlich realisierbar sein Lernen am Modell (nach Bandura) - Bandura ist der Ansicht, dass Menschen aufgrund ihrer Intelligenz frei entscheiden können, ob sie eine Verhaltensweise annehmen oder nicht - in seinem Experiment 1965 sahen drei Gruppen von Kindern beiden Geschlechts drei Filme, welche bis auf das Ende ähnlich waren. In den Filmen wurden von einer Modellperson Aggressionen gegenüber einer lebensgroßen Plastikpuppe vorgeführt. Im Ende des ersten Films wurden diese positiv bewertet, im Ende des zweiten negativ, im dritten Film trat keine Bewertung der Aggressionen auf. Hiernach wurde den Kindern dieselbe Plastikpuppe in einem Spielzimmer vorgeführt, es war zu beobachten, dass die Kinder, die das erste Ende gesehen hatten, der Figur gegenüber weit mehr Gewalt anwandten als solche, denen das zweite Ende vorgeführt wurde Effekte einer Beobachtung am Modell - Aneignung neuer kognitiver Fähigkeiten - Hemmung bzw. Enthemmung von bereits gelernten Fähigkeiten (besonders Einflussreich sind hier die beim Modell wirksamen Konsequenzen) - Veränderung des emotionalen Erregungsniveaus („arousal“) (bei Beobachtung emotionaler Inhalte beim Modell) - Stimulusintensivierung (laut Bandura lenkt das Modell die Aufmerksamkeit auf spezifische Gegenstände oder Anhaltspunkte (Stimuli), welche vom Beobachter in Zukunft häufiger verwendet / beachtet werden) wesentliche Implikation Banduras Theorie - es besteht laut Bandura ein Unterscheid zwischen Verhaltensaneignung („acuisition“) und Verhaltensausführung („performance“) - Lernen besteht nach Bandura auch in der Aneignung eines bestimmten Verhaltens als nur in der Ausführung, der Mensch beherrscht mehr Verhalten, als er tatsächlich ausführt Prozessvariablen - der Beobachter muss die zu modellierenden Merkmale des Modells aufmerksam wahrnehmen und im Gedächtnis abspeichern, zum Ausführen muss er die dafür notwendigen Fähigkeiten besitzen und in einer bestimmten Situation die Motivation zur Ausführung haben - relevant sind also Aufmerksamkeits-, Behaltens-, Ausführungs-, und Motivationsaspekte relevant für die Aufmerksamkeit des Beobachters - Attraktivität des Modells (Prestige, Macht, Kompetenz, Ähnlichkeit mit dem Beobachter - das Modellverhalten muss sich von anderen gleichzeitig ablaufenden Reaktionen deutlich abheben - es darf den Beobachter nicht überfordern Seite 7 von 47 Pädagogik Reifen und Lernen 11.2, Februar 2004 - das Verhalten muss einen für den Beobachter funktionalen Wert haben (d.h. es muss Effektivität in der Bewältigung von Problemen aufweisen) relevante Eigenschaften des Beobachters - seine physiologischen und kognitiven Fähigkeiten, diese stecken den Rahmen für den Bereich seiner Aufmerksamkeit ab - erworbene Wahrnehmungseinstellungen und Vorlieben, entscheiden über bevorzugte Aspekte der Umwelt des Individuums - Reichtum der individuellen Erfahrung und Differenziertheit der kognitiven Fähigkeiten des Beobachters (entscheiden über die Präzision der Aufmerksamkeitsund Wahrnehmungsprozesse) - das Erregungsniveau (ein mittleres Erregungsniveau ist am günstigsten, ist das Erregungsniveau zu niedrig, ist das Interesse an der Umwelt reduziert, ist es hingegen zu hoch, wird die Umwelt infolge der zu starken Beschäftigung mit dem „Innenleben“ verzerrt wahrgenommen) Lernen durch Einsicht (nach Köhler) - experimentierte mit einem Affen, welcher durch die Gitterstäbe seines Käfigs eine Banane erreichen sollte, und dies schließlich durch Nachdenken mithilfe von zwei Stöcken bewerkstelligte drei Charakteristika des Lernens durch Einsicht (auch genannt: „Aha-Erlebnis) - ist abhängig von der Anordnung der Problemsituation (z.B. die Nähe von potentiellem Werkzeug und dem zu erreichenden Gegenstand) - ist erst ein Einfall zur Lösung des Problems vorhanden, kann dieser sofort wiederholt werden, der Lernerfolg stellt sich plötzlich ein, meist nach einer Phase des Nichthandelns - eine durch Einsicht erfolgte Lösung kann auch in neuen, veränderten Situationen wieder angewandt werden, es wird kein Handlungsablauf, sondern eine kognitive Struktur, ein Zusammenhang gespeichert (z.B. der von einem Hilfsmittel und einem Handlungsziel) Ultrakurzzeit-Gedächtnis – Kurzzeit-Gedächtnis – Langzeit-Gedächtnis Ultrakurzzeit-Gedächtnis - nimmt tausende von Informationen auf, behält sie jedoch nur eine kurze Zeit (höchstens 20 Sekunden), nur ein Bruchteil dieser Informationen wird an das Kurzzeit-Gedächtnis transferiert Kurzzeit-Gedächtnis - Behalten bedeutet, einen Eindruck durch Assoziation speichern - bestehen genügend Motivation oder genügend Anknüpfungspunkte zum Behalten einer Information, wird sie vom Ultrakurzzeit-Gedächtnis zum Kurzzeit-Gedächtnis transferiert Langzeit-Gedächtnis - durch Assoziationen werden biochemische Prozesse ausgelöst, die Information wird im Langzeit-Gedächtnis gespeichert - ist eine Information einmal hier gespeichert, kann sie nicht mehr wirklich vergessen, sondern höchstens schwer abrufbar werden Vergessen und Behalten – Faktoren, die das Vergessen bewirken - tritt auf, wenn Informationen bewusst oder unbewusst nicht von Ultrakurz- oder Kurzzeit-Gedächtnis ins Langzeit-Gedächtnis transferiert werden - daneben existieren spezielle Einflüsse, welche das Behalten beeinträchtigen und Vergessen bewirken, diese werden in der Lernpsychologie als Hemmungen bezeichnet Affektive Hemmung Seite 8 von 47 Pädagogik Reifen und Lernen 11.2, Februar 2004 - tritt bei emotionaler Erregung ein und beeinträchtigt die Speicherung von Informationen Rückwirkend oder retroaktive Hemmung - tritt auf, wenn sich mehrere Informationen überlagern Vorauswirkende oder proaktive Hemmung - hier werden nachfolgende von vorausgehenden Informationen behindert Ähnlichkeitshemmung oder Interferenz - tritt als Sonderfall der beiden bereits genannten Hemmungen auf, wenn sich die zu speichernden Informationen besonders ähnlich sind und so den Prozess des Behaltens zusätzlich stören Ekphorische Hemmung - tritt in der Prüfungsvorbereitung auf, wenn unmittelbar vor der Prüfung neue Informationen gespeichert werden sollen, die vorher fest im Langzeitgedächtnis verankerten Informationen sind nicht mehr voll verfügbar, alte und neue Informationen behindern sich gegenseitig Intelligenz (Definition von Th. und L. Thurstone (1941) - Intelligenz zeigt sich in der Kombination von sieben Primärfaktoren Sprachverständnis - Verständnis sprachlicher Zusammenhänge Wortflüssigkeit - Fähigkeit geeignete Wörter zu finden Rechengewandtheit - Fähigkeit rechnerische Probleme aller Art zu lösen Raumvorstellung - Fähigkeit räumliche Beziehungen zu erfassen Gedächtnis - Fähigkeit Gelerntes zu erinnern Wahrnehmungsgeschwindigkeit - Fähigkeit schnell und genau optische Einzelheiten, Ähnlichkeiten und Unterschiede zu erfassen schlussfolgerndes Denken - Fähigkeit zur Auffindung von Regeln Seite 9 von 47 Pädagogik Faktoren von Anlage und Umwelt 12.1, September 2004 Faktoren von Anlage und Umwelt Antoine de Saint-Exupéry - sieht in jedem Menschen eine genetisch veranlagte Gabe, welche jedoch in den meisten Fällen nicht gefördert wird und deswegen unerkannt und ungefördert bleibt - verwendet hierfür als Beispiel einen Gärtner, welcher in seinem Garten die Rose einer neuen Art sieht und diese pflegt so gut er kann, für Menschen vermisst er einen solchen „Gärtner“ John Locke - glaubt, dass man Kinder am besten erzogen werden können, wenn ihre Eltern sie ihre Ansicht über sein Verhalten in Form von Lob und Abweisung spüren lassen, ist folglich ein Milieutheoretiker Jean-Jaques Rousseau - verlangt gute Beobachtung des Zöglings und völlige Freiheit für die Entfaltung seines Charakters, ist also ein Anlagetheoretiker oder Nativist - mehr zu Rousseau ab Seite 44 John B. Watson - ist der Überzeugung, dass er unabhängig von seiner Anlage ein Kind zu jedem beliebigen Ziel hin erziehen kann Gerhard Hammer – eine philosophisch-pädagogische Diskussion - der Mensch ist nicht nur von seinen Anlagen und seiner Umwelt abhängig, sondern auch das Ergebnis einer aktiven freien Selbstgestaltung Freiheit - bezeichnet den Spielraum, innerhalb dessen der Mensch tun und lassen kann was er möchte, und dabei durch keinen äußeren Faktor gehindert wird, innerhalb des Menschen wäre dieser Spielraum seine Spontaneität, die ihn seinem eigenen Impuls folgen lässt - M. Schlick beschreibt das Bewusstsein der Freiheit als das Wissen, aus eigenen Wünschen gehandelt zu haben, jedoch solche Wünsche, die durch das Individuum selbst und nicht durch äußere Gewalt entstanden sind - Freiheit bezeichnet die Fähigkeit des Menschen, zwischen vorgegebenen Möglichkeiten zu wählen, ohne dabei durch innere (Anlage) oder äußere Faktoren völlig vorausbestimmt zu sein, diese Freiheit setzt bestimmte Bedingungen voraus: (1) dem Menschen müssen wirkliche Alternativen gegeben sein (2) der Mensch muss die Offenheit für Sinn und Wert erreicht haben, dies kann auf zwei Wegen geschehen (a) die grundlegenden Bedürfnisse des Menschen müssen befriedigt sein, so dass diese im Wollen und Streben des Menschen nicht mehr dominieren (b) sollten diese Bedürfnisse nicht befriedigt sein, so muss durch Selbstbeherrschung Kontrolle über sie erlangt werden (3) der Mensch muss die ihm zur Wahl stehenden Alternativen bewusst in ihrem Wert und Unwert, ihrer Begrenztheit erkennen können - laut der deterministischen These ist eine solche Freiheit jedoch nicht anzutreffen, da nach ihr der Mensch lediglich ein Resultat aus Vererbung und Umgebung ist, Empirische Methoden helfen hier also nicht weiter, diese können lediglich Teilfragen der Gesamtproblematik klären (die Theorie der Handlungsfreiheit oder den Grad dieser) Seite 10 von 47 Pädagogik Faktoren von Anlage und Umwelt 12.1, September 2004 - entscheidend ist jedoch die Introspektion (Selbstbeobachtung) des Menschen, Rückbesinnung auf Erfahrung, Offenheit für Sinn und Wert, Erfahrung des Abwägens in Entscheidungssituationen, Hammer schreibt dem Menschen also ein Ego zu - steht der Mensch vor einer Entscheidung, kann er zunächst der Entscheidung ausweichen und andere für sich entscheiden lassen, er kann einen spontan-impulsiven Zugriff versuchen, hier läge jedoch keine „freie“ Entscheidung vor. Würde er nun durch vernünftiges Abwägen eine Entscheidung zu treffen versuchen, wäre diese so lange nicht frei, wie eine eindeutige Zweck-Mittel-Relation vorliegt, wo manche Mittel „besser“ sind als andere, erst wenn die Entscheidung auf dem Hintergrund einer „unendlichen Offenheit für Sinn und Wert“ getroffen wird, kann man von einer „freien“ Entscheidung sprechen Wie kann diese Offenheit im menschlichen Leben erreicht werden? - nach A. H. Maslow lassen sich verschiedene Bedürfnisse und Interessen unterscheiden (1) grundlegend und als erste vorhanden sind Bedürfnisse nach Nahrung, Kleidung, Unterkunft, Gesundheit, Fortpflanzung, Einkommen und Besitz (2) sind diese primären Bedürfnisse einigermaßen befriedigt, drängen sich als nächstes Bedürfnisse nach Schutz, Sicherheit und Geborgenheit auf (3) ist ausreichend Sicherheit vorhanden, strebt der Mensch nach Zugehörigkeit (zu Familie, Gemeinschaft), Zugehörigkeit und Freundschaft, er sehnt sich danach, dass andere ihm zugetan sind und ihn lieben (4) schließlich bedarf der Mensch Ansehen und Geltung, er möchte gesellschaftlich anerkannt und geachtet werden, erfolgreich und unabhängig sein (5) schließlich, als letzte Stufe, der Stufe der Entfaltung, strebt der Mensch nach „Selbstverwirklichung“, auf dieser Stufe sind die übrigen aufgenommen und aufgehoben a) vorangehende Stufen sind durch Befriedigung der Bedürfnisse überwunden b) zeigen sich jedoch Mängel, treten diese Bedürfnisse wieder hervor c) der Mensch strebt über die bisherigen Stufen hinaus zur Erfüllung des Lebenssinns, zur Einheit von Denken, Glauben und Handeln, aus dem Streben nach begrenzten Befriedigungen erwächst der Mensch zu einem Streben nach Sinn und Wert - diese Bedürfnisse treten nachfolgend zu einem bestimmten Alter zwischen Säuglingsalter und Jugendalter auf und verbleiben ab dann Das Trichter-Modell - jeder Mensch wird mit einem sehr umfangreichen Fundus an künftigen Verhaltenspotenzen geboren - er wächst in einem bestimmten sozialen und kulturellen Umfeld auf, dessen Einfluss er sich nicht entziehen kann - durch diese Sozialisation werden bei ihm bestimmte Verhaltensweisen gefestigt, das umfangreiche Potenzial jedoch geht bei dieser Kanalisation verloren Identität und Rolle (nach Rolf Oerter, basierend auf Krappmann) - Identität ist ein lebenslanger Prozess der Herstellung von Gleichgewicht (Gleichgewicht zwischen verschiedenen Rollenerwartungen; Gleichgewicht zwischen Anforderungen anderer und eigenen Bedürfnissen; Gleichgewicht zwischen Individualität und sozialer Integration) - Somit ist die Persönlichkeitsentwicklung eine Leistung des Individuums, welche nur in der Interaktion mit anderen möglich ist. Prozesse der Kontaktaufnahme mit anderen sind also wesentlich, diese Interaktionsprozesse lassen sich in drei Arten gliedern: Seite 11 von 47 Pädagogik - - Faktoren von Anlage und Umwelt 12.1, September 2004 1. Selbstdarstellung. Das Individuum muss seine Identität anderen verständlich machen, diese Selbstdarstellung muss sich jedoch in einem bestimmten Rahmen bewegen, damit der Partner noch Kategorien der Zuordnung besitzt. Verhält das Individuum sich zu einmalig, wird es für verrückt, asozial oder als Mitglied der Gesellschaft für nicht geeignet erklärt 2. Interpretation des Gegenüber. Zum anderen muss das Individuum versuchen, seine eigenen Bedürfnisse und Erwartungen zurückzustellen, um die Selbstdarstellung des Partners zu erfahren 3. Verhandeln. Da alle Erwartungen, die Menschen voneinander haben nicht jeder einzelne erfüllen kann oder will, muss über solche Erwartungen oder Anforderungen verhandelt werden, und zwar durch eine gleichberechtigte Kommunikation der Mensch muss also im Laufe des Sozialisationsprozesses bestimmte Fähigkeiten erwerben, derer Krappmann vier Leistungen betont: 1. Rollendistanz. Erste Voraussetzung für eine Ich-Identität ist die Fähigkeit des Individuums, eigene Rollen und damit verbundene Erwartungen von außen her zu sehen und sie kritisch zu durchleuchten 2. Role-taking. Das Individuum muss sich in die Rolle des anderen hineinversetzen können, um die Handlungsweise des anderen nachvollziehen und abschätzen zu können 3. Ambiguitätstoleranz. Das Individuum muss in der Lage sein, Widersprüchlichkeiten in verschiedenen Werteregelungen und Bedürfnissen zu erfassen und zu tolerieren (d.h. diese Konflikte zu präzisieren und mit ihnen zu leben lernen) 4. Identitätsdarstellung. Jedes Individuum muss versuchen, seine Identität den anderen darzustellen und sie durchzusetzen, da die anderen erst, wenn sie das Individuum kennen, ihm auch vertrauen können alle diese Leistungen beanspruchen insbesondere die Sprache, sprachliche Kommunikation ist ein entscheidendes Mittel in der sozialen Integration diese Sichtweise betrachtet den Menschen nicht mehr als alleinigen Gegenstand, sondern erfasst größere Einheiten (Familie, Gesellschaft), wodurch wichtige Beziehungen innerhalb dieser deutlich werden Seite 12 von 47 Sigmund Freud Pädagogik 12.1, September 2004 Sigmund Freud Der psychische Apparat - das Seelenleben des Menschen gleicht einem Apparat, welcher aus mehreren Instanzen besteht - Es: Diese Instanz ist von Geburt an vorhanden, das Es besteht aus den zwei Urkräften (Eros und Destruktion), aus deren Mischungen alle Triebe entstehen, welche im Es wirken, das Es handelt nach dem Lustprinzip, es will seine Triebe um jeden Preis erfüllen - Ich: Das Ich entsteht in den ersten Lebensjahren (zwischen Geburt und dem 5. Lebensjahr), es nimmt die Außenwelt wahr und vermittelt zwischen ihr und dem Es, es verfügt über das Es und entscheidet, wann dessen Triebe zugelassen werden können und wann sie unangebracht oder sogar gefährlich sind und deswegen unterdrückt werden müssen (Realitätsprinzip) - Über-Ich: Entsteht im Alter von etwa 5 Jahren, es enthält das Gewissen, moralische Grundsätze, welche ihm hauptsächlich von den Eltern vermittelt wurden, es gib Befehle an das Ich und bestraft es, sollte es sie ignorieren, es nimmt gewissermaßen die Stelle der Eltern ein, welche zuvor bei Fehlverhalten bestraften, es handelt nach dem Moralitätsprinzip, Lustgewinn darf nur dann geschehen, wenn er moralisch vertretbar ist Der Begriff der Verdrängung in der Tiefenpsychologie - eine Patientin Freuds, welche nach dem Tod ihrer Schwester für einen kurzen Moment Liebe für ihren Schwager empfunden hatte, hatte diesen sofort verdrängt, sie erinnerte sich nicht mehr daran, und erkrankte an hysterischen Symptomen. Bei der Behandlung gelang es, diese Erinnerung wieder hervorzurufen, die Patientin wurde dadurch gesund - Freud vergleicht den Vorgang der Verdrängung mit dem Aussperren eines Störenfriedes aus dem Saal (wobei der Saal hier die bewusste und der Raum außerhalb die unbewusste Ebene im menschlichen Geistesleben wäre). Dieser stört jedoch von hier aus weiter, indem er schreit oder an die Türe pocht, und belästigt vielleicht sogar noch mehr als er es im Saal tat. Erst durch einen Friedensvermittler, welcher den Störenfried zur Ruhe bringt und veranlasst, dass er wieder in den Saal darf, könnten die Unruhen beendet werden. Abwehrmechanismen Name Verschiebung Reaktionsbildung (Verkehrung ins Gegenteil) Rationalisierung Projektion Definition Beispiel das Beängstigende des angst auslösenden Objekts wird auf ein anderes Objekts verschoben das Beängstigende wird durch Übersteigerung gegenteiliger Impulse dem Bewussten ferngehalten Die Angst vor dem Vater wird verschoben, eine Angst vor Pferden wird entwickelt. Ein Mann, dessen starke Liebe zu einer Frau nicht erwidert wird, beginnt, diese zu hassen. Aggressivität wird in „Scheißfreundlichkeit“ ausgelebt Jemand, der aus Höhenangst nicht auf einen Turm steigen will, gibt den anderen und sich selbst eine rationale Erklärung (z.B. keine Zeit, zu teuer etc.) das Beängstigende kann vorgestellt werden, jedoch ohne die dazugehörigen Gefühle, eine verstandesgemäße Erklärung wird gesucht beängstigende Eigenschaften der eigenen Person werden auf eine andere Person übertragen (projiziert) und bei dieser bekämpft Ein aggressiver Mensch wirft seinem Gegenüber Aggression vor. Seite 13 von 47 Pädagogik Verleugnung Agieren Verdrängung Isolierung Konversion / Somatisierung Sublimierung Identifikation (mit dem Angreifer) Regression Kompensation Introjektion Fixierung Sigmund Freud eine fehlende oder nur schwach ausgebildete Fähigkeit wird als besonders stark eingeredet eine Konfliktsituation wird immer wieder herbeigeführt, um zu gutem Ausgang gebracht zu werden. Diese nimmt jedoch immer wieder den gleichen unlösbaren Ausgang und führt zu neuen Wiederholungen eine unangenehme Erinnerung wird aus dem Gedächtnis gelöscht, zurück bleibt eine Erinnerungslücke die Emotion, welche mit einer schmerzhaften Erinnerung verbunden ist, wird von dieser gelöst, an ihre Stelle tritt evtl. ein erdachtes Gefühl ein psychischer Konflikt wird in ein somatisches, motorisches (z.B. Lähmung) oder sensibles (z.B. Schmerzen) umgesetzt ein primitiver Trieb wird in Form einer kulturell wertvollen Betätigung ausgelebt 12.1, September 2004 Ein Kind, welches nicht schwimmen kann, redet sich ein, es könne dies besonders gut. Ein Patient, der sich in Gegenwart seiner Mutter immer nervend vorkam, führt die gleiche Situation mit anderen Frauen herbei, wobei er auch hier anfängt zu „nerven“ und abgewiesen wird. Ein Mensch, der seine anale Phase nicht ausleben konnte, besucht, anstatt sich mit Fäkalien zu beschäftigen, einen Töpferkurs das Selbstwertgefühl wird mit Identifikation mit einer Person oder Institution höheren Ranges erhöht eine Person fällt von einem höheren auf einen niedrigeren Entwicklungsstand zurück, da äußere oder innere Verhältnisse eine Befriedigung der Bedürfnisse nicht zulassen eine Schwäche und Frustration auf einem Gebiet wird durch Überbetonung und Befriedigung auf einem anderen Gebiet verhüllt äußere Werte und Standarts werden in die Ich-Struktur einverleibt, um sie nicht mehr als Bedrohung empfinden zu müssen unnormal langes Verharren in einer Phase / einem Entwicklungsstand Die Phasenlehre Freuds orale Phase (etwa bis zur Mitte des 2. Lebensjahres) - der Mund ist der Ort des Lustgewinns, da zum einen das Hauptinteresse des Säuglings in der Nahrungsaufnahme liegt, welcher eine Befriedigung auslöst, und zum anderen Reizungen der Mundschleimhaut eine zusätzliche Befriedigung liefern, auch hat diese Empfindlichkeit der Mundschleimhaut für den Säugling eine Bedeutung für die Erkundung von Gegenständen, welche er in den Mund nimmt - da der Säugling zuvor noch Geborgenheit im Mutterleib hatte, braucht er als Ersatz nun mütterliche Zuwendung (affektive Zuwendung) oder diese einer anderen Bezugsperson, eine gleichmäßige und ausreichende Befriedigung dieser Bedürfnisse führt zu einem Urvertrauen - ein Kind, welches dieses erworben hat ,wird weltoffen, während es ohne unter dauerhaften Störungen zu leiden hat (Hospitalismus, anaklitische Depressionen) anale Phase (2. und 3. Lebensjahr) Seite 14 von 47 Pädagogik Sigmund Freud 12.1, September 2004 - das Kind lernt, seine Enddarm- und Schließmuskulatur zu beherrschen, die erogenen Schleimhautzonen werden nun zum Lustzentrum, so empfindet der Säugling nun einen Lustgewinn bei der Entleerung von Harn- und Darminhalt - das Kleinkind empfindet keinen Ekel vor seinem Kot, es schätzt ihn als Teil seines Körpers, von welchem er sich ungern trennt. Das Kind sieht seinen Kot als sein erstes eigenes Produkt - eine zu strenge und zu früh einsetzende Sauberkeitserziehung kann das gerade erworbene Urvertrauen zerstören und Scham und Zweifel im Kind hervorrufen, Regression und Verlust der Kontrolle über den Schließmuskel sind die Folgen, außerdem kann ein solches Kind später die Merkmale des analen Zwangscharakters annehmen (Waschzwang und Projektion der eigenen unterdrückten Wünsche auf andere, auch Geiz kann ein Merkmal hierfür sein) phallische Phase (3. – 5. Lebensjahr) - das Lustzentrum wandern zu den Geschlechtsteilen, der Penis ist für Kinder beiden Geschlechts das Hauptobjekt des Interesses - wird auch als infantil-genitale Phase bezeichnet (infantil deshalb, weil ein Orgasmus bei Kindern noch nicht möglich ist) - als äußeres Zeichen gilt das Spielen des Kindes an seinen Genitalien (Onanieren) - auch erwachen im Kind heterosexuelle Wünsche, die, da es sich immer noch im Familienrahmen bewegt, beim Jungen auf die Mutter und beim Mädchen auf den Vater gerichtet sind - das Ich ist entwickelt und der Bewegungsapparat ist voll herausgebildet, das Kind kann sich frei bewegen und sprechen - die sexuellen Wünsche des Jungen nach der Mutter lösen den so genannten Ödipuskomplex aus, da der Junge nach der Mutter trachtet und sich seinen Vater im Weg sieht, deswegen ist sein Verhältnis zum Vater ambivalent (zwiespältig) - das Inzesttabu jedoch verbietet Beziehungen zwischen Blutsverwandten, so werden die sexuellen Wünsche bei Junge und Mädchen auf unterschiedliche Weise aufgegeben: - der Junge macht die Erfahrung, dass der Erwachsenen mit seinem Onanieren nicht einverstanden sind und befürchtet, dass er kastriert wird, besonders dann, wenn er die Penislosigkeit des Mädchens feststellt und glaubt, das dieses bereits kastriert sei - das Mädchen besitzt keine Kastrationsangst, da es glaubt, bereits kastriert zu sein. Dies führt erst zu seinem Ödipuskomplex, da es vom Vater ein Kind als Gegenleistung erwartet. Weil diese Wünsche sich nie erfüllen, wird der Komplex langsam verlassen, die Wünsche bleiben jedoch im Unterbewussten bereiten das Mädchen auf seine spätere geschlechtliche Rolle vor (Freud sieht jedoch selber seine Kenntnisse über die Entwicklungsvorgänge beim Mädchen als lückenhaft an) - die Abwendung des Ichs vom Ödipuskomplex sieht Freud als Verdrängung an, diese ist jedoch spezifisch, da durch diese das Über-Ich (welches ansonsten für Verdrängungen verantwortlich ist) überhaupt erst entsteht - dies geschieht beim Jungen insofern, als dass er das Liebesobjekt Mutter aufgibt und sich stattdessen dem Vater zuwendet und sich mit ihm identifiziert, dadurch kann er über den Umweg des Vaters, welcher die Mutter „besitzt“, an der ihm selbst verbotenen Liebe zu ihr teilhaben - der Vater bildet somit den Kern des Über-Ichs des Jungen, ebenfalls findet dieser durch ihn seine Geschlechtsrolle - das Mädchen hingegen bleibt lange in der ödipalen Situation, nach und nach erfährt es die Vergeblichkeit einer Liebesbeziehung mit dem Vater und wendet sich wieder seiner Mutter zu, deren Über-Ich und Geschlechtsrolle es übernimmt Seite 15 von 47 Pädagogik Sigmund Freud 12.1, September 2004 - da bei ihm also das mächtige Motiv der Kastrationsangst fehlt, hat das Mädchen laut Freud ein schwächeres Über-Ich als der Junge, diese Auffassung stellte sich jedoch später als falsch heraus, Mädchen haben aufgrund der psychischen Strafe des Liebesentzuges ein stärkeres Über-Ich als Jungen, welchen nur physische Strafen drohten Latenzphase (5. – 11. Lebensjahr) - nach der stürmischen phallischen Phase folgt eine Phase verminderter sexueller Aktivität - diese ist jedoch kulturspezifisch, da sie nur in Kulturen bestehen kann, in welchen infantile Sexualität unterdrückt wird - in dieser Phase lernt das Kind erste soziale Verhaltensweisen, auch Reaktionsbildungen wie Moral, Scham und Ekel Adoleszenzphase - hier knüpft der Jugendliche wieder an die phallische Phase an, jedoch richten sich seine heterosexuellen Wünsche nun auf andere gegengeschlechtliche Mitmenschen als die Eltern - hiermit ist nach Freud die psychosexuelle Entwicklung abgeschlossen Freuds Psychotherapie – Die psychoanalytische Beziehung Von der Katharsis zur freien Assoziation - zunächst waren bei der Psychotherapie Fremdbeeinflussungen durch den Arzt (in Form von Hypnose, Suggestion (Überredung sich zu bessern), Katharsis (Abreaktion)) üblich, Freud entwickelte aus diesen die freie Assoziation, mit welcher man nun den Zugang zum unbewussten, also zu verborgenen infantilen Konflikten fand - bei dieser Behandlungsmethode musste der Patient alles sagen, was ihm gerade einfiel, egal wie nebensächlich, sinnlos, erotisch oder aggressiv es sein mochte - laut Freud waren die meisten psychischen Erkrankungen mit sexueller Unterdrückung verbunden und Fehlentwicklung in der Kindheit verbunden, jedoch war die Erinnerung an diese meistens verdrängt, diese Hysterien /Neurasthenien nannte Freud in der Folgezeit Angstneurosen, da die Patienten unter Ängsten, Zwängen und Fehlhandlungen litten - verantwortlich war laut Freud ein frühkindliches Erlebnis, ein unterdrückter Triebwunsch, über diese frühkindliche Sexualität war man sich zu Freuds Zeiten noch nicht bewusst, laut Freud kehrte diese unterdrückte frühkindliche Sexualität im Erwachsenenalter in anderer Form wieder, deren Symptome Zwangshandlungen, Ohnmacht, Depression oder Konversion sind, deren Ursachen ist der Patient sich jedoch nicht mehr bewusst, er hat sie abgewehrt Die Übertragung - in der Übertragung wird allgemein eine bestimmte kindliche (Konflikt-) Situation wiederbelebt - hierfür führte Freud seine Couch-Therapie ein, bei welcher der Analytiker schräg hinter dem auf der Couch liegenden Patienten saß, damit dieser in seinem Gesicht keine Reaktion ablesen konnte. Der Patient glaubte nun, in dem Therapeuten seine Eltern, Geschwister oder Partner wieder zu erkennen - der Analytiker muss die Abstinenzregel strikt einhalten, d.h. er muss sich neutral und wohlwollend verhalten und muss außerhalb der Therapie persönliche Distanz zum Patienten wahren, nur so kann er Übertragung von Realität unterscheiden Der Widerstand - da dieses seelische Durcharbeiten von Konflikten für den Patienten mit großer Angst verbunden ist, setzt er ihm oft einen unbewussten Widerstand entgegen Seite 16 von 47 Pädagogik Sigmund Freud 12.1, September 2004 - während seiner Analysestunden entdeckte Freud eine unbewusste Kraft der Verdrängung, welche sich in Schweigen, Stocken, Zuspätkommen oder„Vergessen“ von Sitzungen, ablenkenden Erzählungen, Vergessen von Phantasien und Träumen, Einschlafen, Vermeiden bestimmter Themen oder Isolierung ausdrückten - vom Widerstand gibt es eine fließende Grenze zum Agieren außerhalb der Sitzungen (z.B. Nebentherapie mit Bekannten, verschweigen wichtiger Lebensereignisse) - auch kann es sein, dass der Patient unbewusst nicht geheilt werden will, da ihm seine Krankheit und die damit verbundene Versorgung wichtig ist - der Analytiker muss dem Patienten seinen Widerstand nachweisen und untersuchen, wie und warum diese Abwehrung erfolgt Die Regression - bezeichnet in der Psychoanalyse die Rückkehr zu kindlichen Formen des Erlebens und Verhaltens unter bedrohlich scheinenden Situationen - in der Analyse soll die regressive Situation durch das liegen auf der Couch gefördert werden, da diese Bewegungseinschränkung dem Kleinkindzustand ähnelt, so treten infantile Gefühle und Phantasien deutlicher hervor Die Deutung und das Durcharbeiten - der Analytiker greift in die Erzählungen des Patienten deutend, aber nicht wertend ein - den größten Veränderungsfaktor bildet das Durcharbeiten der infantilen Konflikte, wobei hier oft Widerstände von Seiten des Patienten auftreten, da ihm Veränderung seiner Verhaltensweisen, mit denen er Konflikte bewältigen soll, Unbehagen bereitet - das theoretische Wissen des Patienten reicht nicht aus, er muss die Konfliktsituationen wiedererleben - das Ich des Patienten soll vereinheitlicht und gestärkt werden Seite 17 von 47 Pädagogik Bedeutung des Spiels 12.1, Januar 2005 Bedeutung des Spiels Verschiedene Typen des Spiels Spiel als Trieb-, Phantasie und Alternativbefriedigung - laut einem älteren Erklärungsansatz ist eine Sorte Spiel eine halluzinatorische Wunschbefriedigung, laut welcher das Spiel aus Triebimpulsen und Wünschen des Kindes resultiert, das Kind gibt vor, eine Person zu sein, die es in Wirklichkeit nicht ist, um für eine begrenzte Zeit eine Respektsposition zu genießen, welche es im normalen Leben nicht einnimmt Spiel als Verarbeitung unbewältigter Erfahrungen und als Angstabwehr - in einer anderen Sorte von Spielen bewältigen Kinder wiederholt bestimmte Erfahrungen (vergleichbar mit einem Erwachsenen, welcher immer wieder von einem schweren Erlebnis spricht) - ein Kind, welches oft eine passive Rolle innehat, kann im Spiel eine aktive Rolle übernehmen - ein für ein Kind in Wirklichkeit enttäuschender Handlungsausgang kann im Spiel zu einem Erfolg umgewandelt werden - das Kind kann im Spiel durch seine motorische Bewegen angestaute Emotionen abbauen Spiel als Regression, Tarnung, Flucht vor der Wirklichkeit - in manchen Spielen fallen Kinder hinter den von ihnen erreichten Entwicklungsstand zurück (z.B. beim Nachahmen von Babys oder Tieren), sie können so einem zu starken Realitätsdruck für begrenzte Zeit ausweichen, sie können Verbotenes in erlaubter Form erleben - in so genannten Clownereien tarnen Kinder vielfach gar nicht bemerkte Reaktionen (wie Erschrecken, Verlegenheit, Versprecher, Stottern) durch Übertreibung oder Parodie, so wandeln sie, was ihnen ansonsten Spott eingebracht hätte, in eine gelungene Darbietung, welche sie in den positiven Mittelpunkt rückt - die Kinder demonstrieren hier Verhaltensformen, mit denen sie sich nicht identifizieren möchten, Elemente einer negativen Identität Spiel-Wirklichkeit - das Kind ahmt die Wirklichkeit der Erwachsenenwelt nach, schafft sich jedoch hierbei Teilweise eigene Gesetze, es ahmt Modellsituationen nach und überwindet Enttäuschungsursachen - diese Art von Spiel stellt die infantile Form menschliche Fähigkeit des Schaffens von Modellsituationen dar, in welchem Erfahrungen verarbeitet werden können, um die Realität durch Erfahrung und Experiment zu beherrschen - das Kind muss hierfür flexibel sein, es muss einen fließenden Übergang zwischen Phantasie und Realität empfinden (ein Spielzeug ist Realität und nicht nur ein Ersatz für diese), es bedarf einer bestimmten Form von Magievorstellung (es hat Einfluss auf Geschehnisabläufe der Wirklichkeit) und es muss eine gewisse Objektverschiebung anwenden (z.B. Verschiebung der Aggression auf eine andere Person oder einen anderen Gegenstand als den Verursacher) Das Spiel in der kindlichen Entwicklung - im ersten Lebensjahr liegt das Hauptinteresse des Kindes in seiner Motorik, es manipuliert und betastet vorwiegend den eigenen Körper, ab dem 5. Monat mehr und mehr auch Fremdobjekte, von denen es ab dem 8. Monat die variantenreichsten Objekte bevorzugt - das Funktionsspiel des kleinen Kindes entwickelt sich dann in zwei Richtungen weiter, zum einen benutzt es Objekte in realistischer Weise (in dem es baut, formt, Seite 18 von 47 Pädagogik Bedeutung des Spiels 12.1, Januar 2005 zeichnet, konstruiert), andererseits deutet es Gegenstände anders, beraubt sie ihres unmittelbaren Dingcharakters Konstruktionsspiele - das Kind kritzelt, knetet, formt und schraubt zusammen, kann jedoch erst mit 6 Jahren beabsichtigt herstellen Illusions- / Fiktionsspiele - das Kind deutet Objekte um (z.B. einen Klotz in ein Auto oder einen Menschen), hierbei können Deutungen rasch wechseln und plötzlich aufgegeben werden - Illusionsspiele beginnen im zweiten Lebensjahr und haben ihren Höhepunkt im 5. Lebensjahr, bis sie mehr und mehr zu Rollenspielen werden Rollenspiele - Rollenspiele stellen die höchste Form des Illusionsspiels dar - sie werden zunächst nur mit fiktiven Partnerrollen gespielt, dann jedoch zunehmend mit realen Partnern, mit der Zeit werden immer mehr Rollenträger notwendig, es entstehen Gemeinschaftsspiele und schließlich Regelspiele Regelspiele - beinhalten mehr oder minder spezifische Richtlinien, welche zunächst starr angewendet und dann flexibler und unabhängiger eingesetzt werden - andererseits entwickeln sich auch immer komplizierte Vereinbarungen (Fußball, Handball etc.) Seite 19 von 47 Pädagogik Jean Piaget 12.1, Januar 2005 Jean Piaget - Piaget (1896 . 1980), Biologe, Erkenntnistheoretiker, gilt als der bedeutendste Erforscher der kindlichen Intelligenz seine Theorien sind insofern bedeutend, als sie ein „aktives“ Erziehungskonzept liefern, dass sich an der Welt des Kindes und nicht an der des Erwachsenen orientiert Grundbegriffe der Theorie - Kinder streben im Allgemeinen ein Gleichgewicht zwischen dem, was sie gegenwärtig wahrnehmen, wissen und verstehen an und dem, was ihnen aus einem neuen Phänomen ersichtlich wird - wenn also für eine neue Situation die vorhanden Bedingungen des Kindes ausreichen, bleibt das Gleichgewicht ungestört, reichen sie nicht aus, so ist intellektueller Aufwand irgendeiner Form notwendig, um das Gleichgewicht wieder herzustellen, eine gewisse Anpassung des Organismus an seine Umwelt muss stattfinden - diese Anpassung tritt simultan in zwei Formen auf Assimilation - das, was wahrgenommen wird, wird so verändert, dass es zu den gegenwärtig vorhandenen kognitiven Strukturen passt - Assimilation kann mit dem Vorgang des Kauens und Verdauens von Nahrung verglichen werden, bei welchem die Nahrung zu etwas verwandelt wird, das für den Körper von Nutzen ist Akkommodation - die kognitiven Strukturen werden so geändert, dass das, was wahrgenommen wird, zu ihnen passt - vergleichbar mit den Vorkehrungen des Körpers zum Essen und Verwerten von Nahrung, wie z.B. dem Öffnen des Mundes, Produktion von Verdauungssäften etc. Die Stufenlehre - Piaget unterschied in der intellektuellen Entwicklung vier Hauptstufen: die sensomotorische, die präoperationale (die er in eine präoperationale und eine intuitive unterteilte), die konkret-operationale und die formal.operationale - die Zuordnung dieser Stufen zu einem bestimmten Lebensalter ist nicht streng, sondern als Annäherung zu sehen - die Übergänge zwischen den Stufen sind fließend sensomotorische Stufe (etwa 1. und 2. Lebensjahr) - in dieser Stufe lernt das Kind, sich selbst von den Objekten seiner Umwelt getrennt wahrzunehmen, auf Stimulationen von Licht und Geräuschen zu reagieren, zu versuchen, interessante Erfahrungen auszudehnen, Dinge durch Manipulation zu bestimmen, ein Objekt trotz Ortsveränderung oder Änderung des eigenen Blickwinkels als konstant zu betrachten präoperationale Stufe (etwa 3. – 5- Lebensjahr) - das Kind spricht viel und verhilft sich so selbst zur Entwicklung von eigenen Konzepten, diese sind jedoch häufig falsch und müssen überprüft werden - das Kind ist selbstbezogen, den Standpunkt eines anderen Menschen kann es noch nicht einnehmen - es kann ein Objekt anhand eines einzelnen, deutlich sichtbaren Merkmals einordnen - es kann nicht feststellen, dass gewisse Objekte sich einerseits ähneln, andererseits jedoch auch unterscheiden können - es kann Dinge nach einem Kriterium, sogar nach einem, welches sich auf Veränderung bezieht, einander zuordnen Seite 20 von 47 Pädagogik Jean Piaget 12.1, Januar 2005 - es kann Dinge in unmittelbarer Nähe in eine Reihenfolge bringen intuitive Stufe (etwa 5. – 8. Lebensjahr) - das Kind ist nun zu Schlussfolgerungen in der Lage, welche auf vage Eindrücke und Beurteilungen basieren und sich eng an die Wahrnehmung anlehnen - das Kind kann (jedoch noch unbewusst) Klassen und Kategorien von Objekten bilden - es kann logische Beziehungen mit zunehmender Komplexität verstehen - es eignet sich das Prinzip der Erhaltung an (mit 5 Jahren begreift es die Erhaltung der Masse unabhängig von Form oder Stückzahl, in die ein Objekt verformt und aufgeteilt wird; mit 6 Jahren die Erhaltung des Gewichts und mit 7 Jahren die Erhaltung des Volumens) Stufe der konkreten Operationen (etwa 8. – 12- Lebensjahr) - das Kind kann nun verschiedene logische Operationen durchführen, jedoch nur mit konkreten Dingen - Komposition: Es begreift, dass aus der Kombination von zwei Elementen eines Systems ein weiteres Element resultiert (A + B = C) - Austauschbarkeit: Für die Summe ist die Reihenfolge unwichtig (A + B = C und B + A = C) - Reversibilität: Zieht man von der Summe ein Element ab, erhält man das andere (C – B = A) Stufe der formalen Operation - das Kind kann nun logisches Denken mit Abstraktionen durchführen, es kann, was es aufnimmt, in eine abstrakte, allgemeine Ebene übertragen - es kann alle logischen Möglichkeiten erarbeiten, ohne sich Gedanken darüber amchen zu müssen, welche Möglichkeit realistisch sei - es kann eine Kombinationsanalyse von Möglichkeiten durchführen (wenn C1, C2 und ein Ergebnis R gegeben sind kann es analysieren, inwiefern C1 und C2 auf R einwirkten) - es kann in logischen Sätzen denken - es kann die Inhalte dieser Sätze generalisieren Seite 21 von 47 Pädagogik Aggressionstheorien 12.2, Februar 2005 Aggressionstheorien Frustrations- Aggressionstheorie (FA-Theorie) (nach Dollard, Doob, Miller und Sears) - als Frustration gilt die Störung einer bestehenden zielgerichteten Aktivität - als Aggression gilt jede Verhaltenssequenz, welche auf die Verletzung eines Organismus oder eines Organismusersatzes abzielt - Aggression ist immer eine Folge von Frustration - Frustration führt immer zu einer Form von Aggression - die Stärke der Aggression hängt von der Stärke der Frustration ab - bei Bestrafung kann es zu einer Hemmung der Aggression kommen - die durch eine Frustration hervorgerufene Aggression ist am stärksten gegen den Frustrierenden - jedoch sind Strafen ein ungeeignetes Mittel, da bei starker Hemmung entweder eine Verschiebung der Aggression auf ein anderes Objekt als den Frustrierenden auftritt oder weniger direkte Form der Aggression gegen den Frustrierenden erfolgt oder es erfolgt Selbstaggression als besondere Variante der Verschiebung - Katharsis Hypothese: Das Ausführen einer Aggression reduziert die Neigung zu weiteren Aggressionen (Katharsis = Reinigung) - Kurzzeitmodell: Eine Frustration führt unmittelbar zu einer Aggression - Langzeitmodell: Eine Frustration führt nach längerer Zeit zu einer Aggression Instinktbegriff der modernen Verhaltensforschung (nach Paul Leyhausen) - „Instinktbewegung“ sind für die jeweilige Tierart typische, ererbte Bewegungsweisen, sie sind durch individuelle Erfahrungen unbeeinflussbar, diese sind auf die Erreichung äußerer, biologisch bedeutsamer Ziele gerichtet - weniger jene Ziele, als der zentralnervöse Erregungsprozess motivieren das Lebewesen hierzu, dieser läuft unabhängig von äußeren Reizen in seiner eigenen Rhythmik ab - die Bereitschaft zur Ausführung einer Instinktbewegung steigert sich bei längerem Nichtausführen, bei längerer Stauung kann die Instinktbewegung auch in anderen als den „biologisch richtigen“ Situationen hervorbrechen - die verschiedenen Instinktbewegungen bilden ein wechselseitig ausbalanciertes System, es besteht eine Instinkthierarchie - bei den meisten Instinktbewegungen besteht eine Überlagerung mehrerer Instinkte - wegen diesen „endogenen Erregungsprozessen“ ist das Instinktsystem relativ unabhängig von Außenreizen, jedoch ist es auf die äußere Situation abgestimmt, sodass es unter natürlichen Lebensbedingungen nur selten zu einer so hohen Instinktstauung kommt, welche zu „Reaktion am Ersatzobjekt“ oder „Leerlauf“ führt - durch zentralnervöse Enthemmungsapparate geschieht die betreffende Instinktbewegung im richtigen Moment, diese sind ebenfalls angeboren (angeborenes Schema = angeborener auslösender Mechanismus = AAM) - diese sprechen auf bestimmte Einzelheiten der Umwelt an, so genannte Schlüsselreize, dies sind stets Merkmale, welche unter normalen Umständen die betreffende Situation des Tieres eindeutig kennzeichnen - Prägungen sind Aneignungen verschiedener einzelner Reize, welche eine Reaktion auslösen sollen - sie erfolgen auch häufig weit vor jenem Zeitpunkt, zu dem die betreffende Reaktion erstmalig ausgelöst werden - ihnen ist durch die AAMs bereits ein gewisser Rahmen gegeben Seite 22 von 47 Pädagogik - - Aggressionstheorien 12.2, Februar 2005 für die Einwirkung des betreffenden Reizes ist eine Frist gegeben, dieser Vorgang ist nach Ablauf der Frist irreversibel, sie unterscheiden sich somit deutlich von der Bildung bedingter Reflexe und vom Lernen es gibt ebenfalls Instinktbewegungen, welche nicht durch AAMs, sondern ausschließlich durch äußere Einflüsse ausgelöst werden Die Instinkttheorie (nach Konrad Lorenz): - intraspezifische Aggression: Tiere einer Art stoßen einander ab - z.B. geschlechtliche Rivalität kann innerhalb einer Tierart ohne Beziehung zur Außenwelt zu bizarren Bildungen führen (z.B. das Hirschgeweih, es ist nur zum Rivalenkampf gut, zur Verteidigung gegen Raubfeinde benutzen Hirsche ihre Vorderhufen) - die Selektion, welche unzweckmäßige Bildungen einer Tierart ausmerzt, verirrt sich hier selbst in Sackgassen, dies geschieht immer dann, wenn der Wettbewerb der Artgenossen ohne Beziehung zur außer-artlichen Umwelt allein Zuchtwahl betreibt - diesen Wirkungen der intraspezifischen Selektion ist der Mensch besonders ausgesetzt; er hat alle seine Feinde bezwungen oder ausgerottet und ist nun sein eigener Feind (Homo homini lupus), die Vorfahren des Menschen führten nach dem Bezwingen der Gefahren des Verhungerns, Erfrierens und Gefressenwerdens gegeneinander Krieg, über die Jahrtausende bildeten sich durch Selektion besonders die kriegerischen Tugenden heraus, weswegen der Mensch noch heute ein großes Maß an Aggressionstrieb in sich trägt - diese angeborenen Verhaltensweisen können durch geringfügige Veränderungen der Umwelt aus dem Gleichgewicht geraten und unter ungünstigen Umständen eine Art zugrunde gehen lassen - laut Lorenz ist der Mensch, welcher die Wasserstoffbombe erfand und trotzdem noch einen Aggressionstrieb in sich birgt gefährdet, vor allem weil dieser Aggressionstrieb eben nicht auf Umweltfaktoren beruht und sich deshalb durch Änderung dieser ausschalten lässt, sondern von Geburt an tief in ihm sitzt und spontan und unberechenbar ausbricht Dampfkesseltheorie - laut der Dampfkesseltheorie stauen sich diese Aggressionen so lange auf, bis sie durch einen bestimmten Anlass (dem Menschen widerfährt etwas Ärgerliches) entladen werden, hiernach herrscht wieder so lange ruhe, bis wieder ein bestimmtes Maß an Aggression erreicht ist. Je höher dieser „Druck“, desto geringer muss der Anlass zur Entladung sein, im Extremfall kann sich die Aggression sogar ohne Anlass abreagieren - Lorenz lehnt also die FA-Theorie entschieden ab Möglichkeiten zur Verminderung von aggressiven Handlungen - Katharsis (Abreaktion am Ersatzobjekt), Kanalisierung, Sublimierung - ritualisierte Sonderformen des Kampfes: Sport - kollektive Unternehmungen der Menschheit (Kunst, Kultur, Wissenschaft) - persönliche Bekanntschaft / Freundschaft - Lachen (schafft brüderliche Zusammengehörigkeit, ist Voraussetzung für Freundschaft Instinktreduktion beim Menschen (Arnold Gehlen) - Nur wenige Handlungen des Menschen basieren tatsächlich auf Instinkten - Da beim Menschen die Instinktreduktion eingetreten ist, basieren die meisten Handlungsweisen auf von Mitmenschen und Kultur antrainierten Verhaltensweisen, jedes Verhalten ist sozial bedingt Seite 23 von 47 Pädagogik - Aggressionstheorien 12.2, Februar 2005 Trieb, Drang: spezifischer, zentralnervöser Erregungsprozess, innere Dynamik einer Instinkthandlung Besetzung: „Inbesitznahme“ eines Objekts oder einer Handlungsweise durch einen Trieb potentielle Antriebsbesetzung: Eine Verhaltensweise, welche einem Individuum durch seine Kultur vermittelt wurde, hinter der jedoch ein Instinktresiduum, ein Drang steckt Entdifferenzierung der Antriebsstruktur / Instinktentdifferenzierung: Zuordnung zwischen angeborenem Schlüsselreiz und Auslösemechanismus (AAM) ist zerfallen Instinktreduktion: Die Verkümmerung der Instinkte beim Menschen Instinktresiduum: Instinktreste des Menschen mehr zu Gehlen ab Seite 47 Die Triebtheorie (nach Siegmund Freud) - das Es, welches für die Triebe steht, repräsentiert die körperlichen Anforderungen and das Seelenleben - es besteht aus zwei Grundtrieben: Eros und Destruktionstrieb - der Eros will immer größere Einheiten herstellen und erhalten, der Destruktionstrieb will Zusammenhänge auflösen und Dinge zerstören, darum heißt er auch Todestrieb - diese beiden Grundtriebe wirken gegeneinander oder kombinieren sich (z. B. beim Essen oder beim Sexualakt) - Veränderungen in diesem Mischverhältnis hätten greifbare Folgen (z.B. beim Sexualakt, ein Mensch mit erhöhtem Destruktionstrieb würde zum Lustmörder, einer mit erhöhtem Eros scheu oder impotent) - Destruktionstrieb ist Notwendig für die Erhaltung des Individuums - Zurückhaltung von Aggression ist ungesund und krankmachend - mehr zu Freud ab Seite 13 Aggression als erlerntes Verhalten (nach Albert Bandura u. a.) Lernen am Modell (Lernen durch Beobachtung): - durch Beobachten können neue Verhaltensweisen sehr schnell erlernt werden, unter anderem auch Aggressionen - außerdem bewirkt ein aggressives Modell eine enthemmende Wirkung oder einen Auslöseeffekt von Verhaltensweisen, welche zwar schon vorhanden waren, jedoch nie ausgeführt wurden - das Auftreten und Erscheinungsbild des Modells scheint von niederer Bedeutung zu sein, es kann real oder symbolisch (z. B. im Film) oder nicht einmal direkt beobachtbar (z. B. in erzählten Geschichten), nicht einmal menschlich oder auch eine Zeichentrickfigur sein - beeinflusst werden können sowohl Kinder als auch Erwachsene, wobei Kinder leichter beeinflussbar sind - emotionale Erregung unterstützt die Nachahmungsbereitschaft der Aggressionen - wichtig für die Nachahmungsbereitschaft sind Macht und Prestige des Modells, moralische Rechtfertigung und Konsequenzen seiner Aggressionen (Verbindung mit Lernen am Erfolg / Misserfolg), jedoch werden auch Aggressionen mit negativen Konsequenzen behalten - jeder kennt und beherrscht weit mehr Aggressive Verhaltensweisen, als er jemals anwendet - auch Frustrationen spielen bei der Nachahmungsbereitschaft eine wichtige Rolle - das aggressive Verhalten anderer enthemmt das eigene aggressive Verhalten Lernen am Erfolg (Lernen durch Bekräftigung): Seite 24 von 47 Pädagogik - - Aggressionstheorien 12.2, Februar 2005 Aggression ist ein Mittel der Selbstdurchsetzung, deswegen kann man es auch ohne Modell in bestimmten Situationen erwerben und als nützliche Durchsetzungsmethode beibehalten das Verhalten wird maßgeblich bestimmt durch seine Konsequenzen Bezeichnungen hierfür lauten Lernen am Erfolg, Lernen durch Bekräftigung (oder: Verstärkung), operante oder instrumentelle Konditionierung Medien und Aggression – Ergebnisse der Medienwirkungsforschung Die Medienkinder (Ulrich Eicke, Wolfram Eicke): - Die Tatsache das immer mehr Kinder einen Fernseher und sogar einen eigenen Videorekorder auf dem Zimmer haben, ermöglicht ihnen, Gewaltsendungen alleine und mithilfe des Rekorders sogar unabhängig des Sendetermins zu sehen, sie können hiermit sogar bestimmte Szenen mehrmals und verlangsamt betrachten - Maskenbildner und Trickspezialisten werden immer perfekter und können brutale Szenen immer „lebensechter“ darstellen - Hinter Gewaltfilmen verbirgt sich bereits eine gesamte Gewaltindustrie - Die meisten Gewaltfilme enthalten kaum oder überhaupt keine sinnvolle Handlung und sind meist eine schlichte Aneinanderreihung von Gewaltszenen, welche sich in typischen Schauplätzen des Alltags ereignen und so die Lebenswelt des Betrachter bedrohlich erscheinen lassen - Die Gewaltindustrie hat bereits auf Video- und Computerspiele übergegriffen Ergebnisse der Medienwirkungsforschung (Bründel, Hurrelmann) - Die Auswirkung von Gewaltdarstellungen auf den Betrachter ist abhängig vom Inhalt, der Art und Weise der Gewaltdarstellung, der Persönlichkeit des Zuschauers (Alter, Geschlecht, Intelligenz, soziale Position und Integration) und der Situation, in der gesehen wird (allein, mit Freunden, mit den Eltern) - Gewalt wird meist als positives Modell gezeigt, als lohnenswert und erfolgreich - Viele verschiedene Hypothesen beschreiben die Wirkung der Gewalt auf den Zuschauer: Katharsisthese: Gewaltdarstellungen bauen Aggressionen beim Zuschauer ab Inhibitionsthese: Gewaltdarstellungen hemmen die eigene Aggression aus Angstgefühlen Habitualisierungsthese: Fernsehgewalt bewirkt Abstunpfung gegenüber realer Gewalt Suggestionsthese: Mediengewalt führt zu Nachahmungstaten Erregungsthese: Fernsehgewalt erhöht die emotionale Erregung und damit auch die Aggressionsbereitschaft Rechtfertigungsthese: Mediengewalt führt zur individuellen Legitimation von Aggression und Verbrechen - Das Kumulationsmodell geht von ungünstigen psychischen und sozialen Bedingungen der Person und ihrer Übernahme- und Nachahmungsbereitschaft von Gewaltmodellen aus - Die Faszination Jugendlicher an Gewaltdarstellungen hängt von bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen und Situationen ab - Zum Beispiel sind diejenigen Jugendlichen, welche im eigenen Umfeld (Familie, Nachbarschaft, Freundeskreis, Freizeitbereich) Aggression und Gewalt real erfahren, für Mediengewalt besonders aufnahmeempfindlich, da sie modellbildend wirken und Problemlösungen zeigen, außerdem haben diese Jugendlichen aufgrund ihrer sozialen Lage auch bereits ein hohes Maß an Frustrations- und Versagungserfahrungen und deswegen ein hohes Aggressionspotential, weswegen ihnen Gewaltsendungen besonders attraktiv erscheinen, eine unausgeglichene Lebensperspektive, ein niedriges Seite 25 von 47 Pädagogik Aggressionstheorien 12.2, Februar 2005 Selbstwertgefühl und eine soziale Isolation in Familie und Freundeskreis erhöhen diese Bevorzugung von Gewaltsendungen „Verwahrlosungsstruktur“ der „Neurosenstruktur“: - Verwahrlosungsstruktur: Antisoziale Einstellung gegenüber geschriebenen oder ungeschriebenen Sittengesetzen, steht zu den Wertnormen der in seiner Umwelt herrschenden Gruppe in Opposition, ist jedoch grundsätzlich fähig, in einer Gemeinschaft zu leben, lässt sein Leben durch sein Es, seine Triebe bestimmen, schwaches Über-Ich - Neurosenstruktur: Im Gegensatz zum Verwahrlosten überstrenges Über-Ich, deswegen von Zeit zu Zeit unvermeidbarer Ausbruch der Triebe Seite 26 von 47 Pädagogik Rechtsextremismus 12.2, Mai 2005 Rechtsextremismus - - Rechtsradikalismus: agiert im Rahmen des Verfassungsschutzes und ist von daher nicht Beobachtungsobjekt desselben, auch wenn die Übergänge zwischen Radikalismus und Extremismus fließend sind Rechtsextremismus: ist verfassungsschutzrelevant, da er sich gegen wesentliche Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung richtet Wesentliche Elemente des Rechtsextremismus - Ablehnung des Gleichheitsgrundsatzes und der Vorstellung der Gleichwertigkeit aller Menschen mit gleicher Menschenwürde - fremdenfeindliche bis rassistische Vorstellung - die Vorstellung, dass die Zugehörigkeit zu einer Nation oder Rasse den Wert eines Menschen ausmache (wobei man sich selbst in der Regel als einer höherwertigen Nation oder Rasse zugehörig sieht) - Bevorzugung eines autoritären politischen Systems - Vorstellung, dass der Staat und ein ethisch homogenes Volk als angeblich natürliche Ordnung zu einer Einheit verschmelzen (Ideologie der Volksgemeinschaft) und die staatlichen Führer nach dem einheitlichen Willen des Volkes handeln, in einem solchen Staat würden sich die wesentlichen Kontrollelemente der Demokratie erübrigen - betonter Antisemitismus - revisionistische Tendenzen, welche auf Relativierung, Verharmlosung und im Extremfall auch eine Leugnung des Holocausts sowie auf eine Leugnung der deutschen Kriegsschuld abzielen - übersteigerter Nationalsozialismus, in welchem die Wahrung und Stärkung der eigenen Nation oberste Priorität hat und andere Nationen tendenziell abgewertet werden - dezidierte (gezielte) Fremdenfeindlichkeit, die Eigenschaften der eigenen Völkergruppe werden als besonders hoch gewertet, fremde Volksgruppen sollen benachteiligt oder ausgegrenzt werden - Eliteprinzip, besonderen Eliten, zu denen sich die rechtsextremistische Szene gerne selber zählt, sollen Rechte und Privilegien ohne demokratische Legitimation zugebilligt werden - „Autoritarismus“, die Bereitschaft, sich freiwillig dem „Stärkeren“ bzw. einer nicht legitimierten Herrschaft zu unterwerfen und Schwächere zu beherrschen Ursachen fremdenfeindlicher Gewalt - ein Großteil stammt aus sog. „broken home“-Familien, geschiedenen Familien oder Familien, welche mangelnde sicherheitsgebende Unterstützungen und Verlässlichkeiten gaben, unter psychisch-emotionale Beziehungen litten etc.) - vorwiegend Schüler aus Milieus mit niedrigem sozialem Status sind vertreten, zum einen wird diesen Milieus eine tendenziell höhere Akzeptanz auch körperlicher Gewalt beigemessen, außerdem müssen Personen mit niedriger oder fehlender Qualifikation am ehesten um einen Arbeitsplatz fürchten und Migranten viel unmittelbarer als Konkurrenten um Arbeit und Wohnungen erleben - vorhandene Vorurteile gegenüber Ausländern oder anderen als fremd oder bedrohlich empfundenen Gruppen - Reaktion auf selbst erfahrene Provokation - Suche nach Anerkennung in und Zugehörigkeit zu einer Gruppe - grundsätzliche Gewaltbereitschaft oder Lust auf Gewalt Seite 27 von 47 Pädagogik - Rechtsextremismus 12.2, Mai 2005 oft erheblicher Alkoholkonsum Ein Mann zu werden ist anstrengend und gefährlich für sich und andere Ein Mann zu werden ist anstrengend und gefährlich für sich selbst - Jungen müssen sich anstrengen, um später als typischer Mann zu gelten, welcher aktiv ist, seine Emotionen beherrscht und keine Schwächen zeigt - ihnen wird ein gewisser Entfaltungsraum zugestanden, jedoch wird ihnen Disziplin, Selbstkontrolle und Verzicht abverlangt, außerdem dürfen sie keinesfalls mädchentypisch wirken - als Gewinn wird Herrschaft in Form von sozial vererbtem Sexismus versprochen - die Kehrseite ist, dass sowohl erfolgreiche als auch erfolglose Männer gefangen in ihrem Männlichkeitspanzer oft nicht mehr in der Lage sind, entstressende Verhaltensweisen zu erleben (Genießen, sich entspannen, Schwächen zeigen, sich jemandem anvertrauen, zum Arzt gehen) Ein Mann zu werden, ist anstrengend und auch gefährlich für andere - als Junge wächst man in eine gesellschaftliche Position herein, welche in Relation zu Mädchen und Frauen Macht und Ansehen verspricht - da die herrschende Männerideologie besagt, dass Männer die Macht in unserer Gesellschaft haben, versuchen Jungen diese machtvolle Rolle zu übernehmen - wenn Jungen feststellen, dass Mädchen in irgendeinem Bereich (z.B. sprachlich, sozial, kognitiv), reagieren sie meist abwertend bis aggressiv, sie stören Mädchencliquen besonders dann, wenn sie sich von ihnen unbeachtet fühlen, auch emanzipative Veränderungen bei Mädchen oder Frauen werden mit Unverständnis oder Aggression aufgefasst - wenn die gespürte Herrschaft über Frauen ausbleibt, verspüren Jungen einen Zwang zur Veränderung. Da Jungen keine reflektierte und erfolgreiche Jungensozialisation kennen, führt diese Veränderung nicht selten zu anomischen (nicht normgerechten) oder gewaltsamen Reaktionen - diese Veränderung der Geschlechterverhältnisse kann zu gewissen Formen des Fundamentalismus und anderen reaktionären Konfliktlösungsmustern führen: - Rudelgehabe in Cliquen, Männerbünden, neofaschistischen Gemeinschaften, welche ihre Stärken zelebrieren jedoch in Wirklichkeit nur aus ich-schwachen Individuen bestehen - Ergattern von Zuwendung durch negativ auffälliges Verhalten: Gewalt gegen Schwächere (vor allem gegen Frauen und Kinder), vor allem in dem empfindlichsten Bereich aller Menschen, ihrer Sexualität Arbeit und Instrumentalisierung - entscheidend für rechtsextreme Orientierungen eines Jugendlichen ist nicht die Arbeitslosigkeit, sondern die Arbeitsorientierung - eine Arbeitsorientierung, welche auf Kompetenzerfahrung, Spaß an der Arbeitstätigkeit und Befriedigung sozialer Kontakte basieren, nehmen einen positiven Einfluss auf die politische Orientierung - negative Auswirkungen hat eine instrumentelle Arbeitsorientierung (wie Geld, Karriere, Sicherheit), da in solchen oft die Motivation deswegen verloren geht, weil oft Geld, Karriere und Sicherheit nicht den erhofften Grad erreichen, so wird die Arbeitstätigkeit inhaltsleer - das Verhalten gegenüber anderen Personen wird unter instrumentalistischer Perspektive betrachtet, welche die Verfügung über andere beinhaltet: Verfügung über Konkurrenten in Sachen Geld, Kariere und Sicherheit Seite 28 von 47 Pädagogik - Rechtsextremismus 12.2, Mai 2005 auch innerhalb der Familien spielt weniger der Familienzustand eine Rolle als die Art der Beziehungen der einzelnen Familienmitglieder untereinander. Sind diese instrumentalistisch geprägt, d. h. fehlende emotionale Beziehungen werden mit materiellen Leistungen ausgeglichen, kann beim Jugendlichen ebenfalls die politische Orientierung in Richtung des Rechtsextremismus umschwenken Seite 29 von 47 Pädagogik Selbstverletzendes Verhalten 12.2, Juni 2005 Selbstverletzendes Verhalten Ursachen der Selbstverletzung - schwere Kindheitstraumata - extrem widersprüchliches Familienklima (Widerspruch zwischen Gesagtem und Verhalten, z.B. eine Mutter sagt „Wir lieben dich“, zeigt dies jedoch in keiner Weise), diese Widersprüche lösen Verwirrungen aus, diese wecken unerträgliche Gefühle von Hilflosigkeit, Verständnislosigkeit und Ausgeliefertsein - sämtliche Ereignisse, welche zu Traumata führen: extrem gestörte Eltern-KindBindung, alle Formen körperlicher und seelischer Gewalt Anfällige Bevölkerungsgruppen Kinder / Jugendliche - die Symptomatik ist unter Jugendlichen inzwischen sehr weit verbreitet - außerdem hat selbstverletzendes Verhalten einen hohen Ansteckungscharakter Verhältnis zwischen Frauen und Männern - das Verhältnis zwischen Frauen und Männern, welche selbstverletzendes Verhalten zeigen, liegt bei 6 (Frauen) : 1 (Männer) - dies stimmt mit den bekannten Zahlen über sexuellen Missbrauch an Frauen und Männern überein - Männer gehen anders mit Aggressionen um, sie richten diese eher gegen Fremdkörper, während Frauen Aggressionen eher gegen sich selbst richten Warum steigt die Anzahl der Betroffenen? - die Dunkelziffer ist geringer als in früheren Zeiten da Missbrauch, Misshandlung und Traumatisierung heute öffentlich behandelt werden - Auslöserreize haben zugenommen Varianten selbstverletzenden Verhaltens - es gibt gesellschaftlich anerkannte Formen wie Piercing oder Tätowieren - es gibt jedoch Formen, welche den Charakter der Verstümmelung haben und sich als wiederholendes Verhalten zeigen (z.B. den Kopf gegen Türen, Wände oder Schränke schlagen, sich selbst beißen oder wund kratzen, sich schwere Stich-, Schnittverletzungen oder Verbrennungen zuziehen, sich mithilfe von Laugen und Säuren verätzen, Heilungen von Verletzungen verhindern, sich willentlich Knochenbrüche zuziehen) - selbstverletzendes Handeln wird meist als eine Art Ritual vollzogen, der Betroffene überlegt die Art und Abfolge seiner Verletzungen, breitet die Hilfsinstrumente vor sich aus und vollzieht dann den eigentlichen Akt der Selbstverletzung Therapiemöglichkeiten bei selbstverletzendem Verhalten - es gibt verschiedene Therapiemöglichkeiten, jedoch ist eine vollständige Heilung ausgeschlossen - es gibt drei unterschiedliche Kategorien der Therapie, den medizinischen Zugang, therapeutische Ansätze (Psychotherapie, Familientherapie, lerntheoretische Ansätze) und Selbsthilfegruppen - „Bonding“, ein in den 70er Jahren von Dr. Daniel Casriel entwickelter emotionsorientierter Lernprozess, welcher die Ich-Identität des Einzelnen fördert, neue Verhaltensweisen einübt, das zeigen von Gefühlen und eine Auseinandersetzung mit sich selbst fördert Seite 30 von 47 Pädagogik Geschichte des Bildungssystems 13.1, August 2005 Geschichte des Bildungssystems Historischer Wandel des Bildungssystems - in den 50er Jahren, in welchen andere östliche und westliche Industriestaaten bereits eine Entwicklung des Bildungssystem in Richtung „Demokratisierung“ und Erhöhung der Anzahl an Sekundär- und Hochschul-Absolventen anstrebten, wurde in der Bundesrepublik Deutschland ein eher traditionelles und sozial selektives Bildungssystem wiederaufgebaut - dies lag daran, dass man zu jener Zeit sämtliche Reformansätze des NS-Regimes wieder rückgängig machte (auch jene, welche in Richtung der internationalen Standards gingen) - zugleich hatte man zu jener Zeit eine große Reserve an qualifizierten Arbeitern, zum einen aufgrund von Einwanderern aus der Deutschen Demokratischen Republik und zum anderen aus den ehemaligen Ostgebieten des Deutschen Reiches und der sowjetischen Besatzungszone - auch das politische Klima dieser Zeit aufgrund Erfahrungen mit der nationalsozialistischen Vergangenheit und der kommunistischen Gegenwart hielt Reformen auf - in der DDR hingegen vollzog sich eine andere Entwicklung, da eine Reformation des Bildungssystems einer der Schwerpunkte war - so wurden mit einer sozialen Einheitsschule Diskriminierungen von Geschlechtern und Klassen ausgeschaltet, mit Arbeiter- und Bauernfakultäten sollte der Hochschulbesuch der zuvor benachteiligten Schichten gewährleistet werden, ein Quotensystem sollte Chancengleichheit für Frauen und untere Sozialschichten schaffen - das Curriculum wurde reformiert um die Naturwissenschaften zu fördern - das Bildungssystem stand unter zentralstaatlicher Leitung - es wurden zwei Drittel der Lehrerschaft durch Neulehrer ersetzt - viele Intellektuelle zogen aus Gründen des Bildungssystems aus dem Ausland in die DDR Was bis heute in der BRD erreicht wurde - Abschaffung der Noten in den ersten Schuljahren - Abbau der traditionell-autoritären Lehrerrolle - Aufbau beruflicher Vollzeitschulen - Einführung von Orientierungsstufen und Gesamtschulen als Alternativen - Abbau geschlechtsspezifischer Benachteiligung - wissenschaftlicher Ausbildung für alle Lehrämter - Steigerung des Anteils von Schülern, welche länger zur Schule gehen und einen qualifizierten Abschluss erwerben Das Problem bei gleichen Bildungschancen - niemand darf bei der Zuteilung von Chancen aus Gründen benachteiligt werden, die er nicht selbst zu verantworten hat - weder die soziale Herkunft (z.B. Stand und Rasse) noch die ökonomische Lage (z.B. Einkommen und Besitz), sondern allein die „Begabung“, oder eher die erwiesene Leistung für den Erfolg soll entscheidend sein, wobei die Entfaltung dieser Leistung wiederum chancengleich sein muss - das deutsche Grundgesetzbuch besagt, dass das Recht auf Bildung für jeden chancengleich einlösbar sein muss - das Prinzip der Chancengleichheit und das Leistungsprinzip fordern sich gegenseitig und lassen sich nur miteinander sinnvoll verwirklichen, da die Bildungschancen nach Seite 31 von 47 Pädagogik - - - - - - Geschichte des Bildungssystems 13.1, August 2005 dem Leistungsprinzip zugewiesen werden müssen, was wiederum Chancengleichheit für die Leistungserbringung erfordert wenn bestimmte attraktive Ziele in der Gesellschaft (z.B. Güter, Laufbahnen, Positionen) nicht jedem beliebig zugängig gemacht werden können, so gilt das Leistungsprinzip hier als die fairste Verteilungsmethode, trotz aller mit ihm verbundenen Probleme (wie z.B. sozialer Herkunft, Geschlecht, Alter), jedoch muss Rücksicht auf die Leistungsunfähigen genommen werden, dies geschieht durch das Sozialprinzip (jedem Menschen werden die Grundbedingungen für ein humanes Leben garantiert) unter Leistung versteht man in diesem Zusammenhang eine erzielbare bzw. erzielte als Aufgabe empfundene selbst zustande gebrachte Handlung, welche nach bestimmten Maßstäben bestimmbar ist, dabei spielen Fähigkeit und Anstrengung eine Rolle Leistungsprinzip meint die Zuteilung nach dem Kriterium erwiesener (oder dafür gehaltener) Leistung eine Leistungsgesellschaft ist eine Gesellschaft, welche vom Leistungsprinzip bestimmt ist, in der also jeder die gleiche Chance hat, diese Leistungen zu erbringen und die ihr entsprechende soziale Position einzunehmen, für die er befähigt und sie zu erreichen gewillt ist hierfür sind brauchbare und gerechtfertigte Maßstäbe von Nöten sowie eine leistungsgerechte Zuteilung neuerdings wird die Berechtigung dieser Annahmen bestritten, ihnen wird soziale Ungleichheit unterstellt, jedoch gibt es keine akzeptable Alternative da nicht allein das Kind und seine Eltern für das Erreichen einer Leistung verantwortlich sind, sondern auch deren soziales Umfeld, an der sie keine Schuld tragen, ist bei einem Leistungsprinzip im Bildungswesen keine Chancengleichheit gegeben wer diese mit der sozialen Herkunft verbundenen „Bildungsbarrieren“ abbauen will, muss eine Entwicklungs- und Förderungschancengleichheit anstreben das heißt, dass benachteiligte Kinder mit Materialien und anderen Fördermitteln versorgt werden sollen, um vor der Einschulung einen bestimmten Bildungsstand zu erreichen. Das Problem ist jedoch, dass hier die Kinder übersehen werden, welche nicht benachteiligt oder sogar hochbegabt sind Sockelchancengleichheit: Jeder Bürger wird auf ein gewisses Minimum an Bildung gebracht, um seine individuelle oder gesellschaftliche Lebenschance verwirklichen zu können Seite 32 von 47 Pädagogik Waldorf-Pädagogik 13.1, Dezember 2005 Waldorf-Pädagogik Anthroposophie Im Gegensatz zu den Empirischen Wissenschaften, welche nur den Körper erforschen, behandelt die Anthroposophie die Seele und den Geist und liefert laut Rudolf Steiner genauere Kenntnisse des menschlichen Wesens. Sie besagt im Wesentlichen, dass der Mensch aus vier Wesensgliedern besteht, welche zum Zeitpunkt der Geburt von schützenden Hüllen umgeben sind. Diese Hüllen streifen sich im SiebenjahresIntervallen nacheinander ab. Jedoch sind die Übergänge von einem Wesensglied zum anderen fließend. Die vier Wesensglieder sind: - der physischen Leib - Ist von Geburt an vorhanden. - Stellt den aus leblosen Stoffen bestehenden menschlichen Körper dar, diesen Leib besitzen auch alle Tiere, Pflanzen und Mineralien. - In dieser Phase werden die Organe in ihre natürliche und gesunde Form gebracht, so auch das Gehirn. Deswegen muss es mit natürlichen (da alle toten laut Steiner „verödend und ertötend auf die Bildungskräfte“ wirken) und nicht detailgetreuen (damit das Kind mit seiner Phantasie Details ergänzen muss, um sein Gehirn zu trainieren) Spielgegenständen spielen. Basteln, Malen etc. erzieht den kindlichen Willen, da diese nur über den physischen Leib erfolgen kann. - Dem Kind müssen vor allem harmonische, wohltuende Sinneseindrücke vermittelt werden (gesunde Formen, sanfte Farben, rhythmische Bewegungen). - Da das Kind vorwiegend nachahmt, muss es viel beobachten. Der Erzieher als Vorbild muss tadellos handeln. - der Ätherleib - Wird im zweiten Jahrsiebt geboren, zur Zeit des Zahnwechsels. - Trägt Wachstums- und Fortpflanzungskräfte, der Mensch hat diesen nur noch mit dem Tier- und dem Pflanzenreich gemein. - Das Kind benötigt in dieser Lebensphase die Autorität des Erziehers, einen Menschen, dem es nahe steht und zu dem es aufschauen kann. Diese Autorität muss echt und natürlich sein und darf keineswegs missbraucht werden. - Auch braucht das Kind geistige Autoritäten, Vorbilder aus der Vergangenheit, zum Beispiel Helden, welche dem Kind durch Erzählungen nahe gebracht werden. - Der physische Leib hat nun die Kräfte, um sich selber weiter zu entwickeln. Die Wachstumskräfte des Ätherleibes, welche zuvor den Aufbau des physischen Leibes gewährleisteten, wandeln sich nun in seelische Kräfte um und äußern sich in Form von Denk-, Lern-, und Gedächtnisfähigkeiten. - Otto J. Hartmann vergleicht den Ätherleib mit den bleibenden Zähnen, welche sich in den ersten 6 – 7 Lebensjahren „in aller Stille und Verborgenheit“ entwickeln und erst mit Beginn der Schulzeit nach außen brechen und „für äußere Leistungen verfügbar“ sind. - Aufgrund der Autorität die das Kind verlangt steht seine Erziehung unter dem Prinzip von Autorität und Nachfolge - Da das Kind noch nicht begrifflich denken kann, muss der Erzieher durch sprachliche Bilder und Beispiele auf es einwirken (Gleichnisse und Vergleiche) - Auch wichtig ist die Schulung des Gedächtnisses. Da das Kind viele Dinge noch nicht begreifen kann, soll es sich ein großes Gedächtnisvermögen aneignen, viele Dinge lernen, die es erst später begreifen kann. Rudolf Steiner schrieb: „... Je mehr der junge Mensch schon gedächtnismäßig weiß, bevor es ans begriffliche gehr, desto besser...“. - der Astralleib Seite 33 von 47 Pädagogik Waldorf-Pädagogik 13.1, Dezember 2005 - - Wird im dritten Jahrsiebt geboren, mit dem allmählichen Eintreten der Geschlechtsreife - Mit dieser Schicht hebt der Mensch sich vom Tierreich ab. - Trägt Gewohnheiten und Neigungen des Gedächtnisses, Empfindungen wie Lust, Unlust, Begierden, diese hat er nur noch mit dem Tierreich gemein - Empfunden wird jedoch laut der Anthroposophie nur dann, wenn auf einen äußeren Reiz eine innere Reaktion sein, eine äußere Veränderung genügt nicht - Der Jugendliche ist zu intensivem seelischen Erleben fähig - Er strebt danach, Sinn und Zweck der Dinge und seines Daseins zu erforschen - Er setzt dabei vermehrt seine geistigen Fähigkeiten ein und ersetzt nun den Erzieher durch seine eigenen Ideale und strebt ihnen nach - Der Erzieher muss Verstand und Urteilskraft des Jugendlichen schulen, der Mensch kann nun über die vorher gelernten Dinge selbst urteilen, deswegen darf der Erzieher ihm keine Meinung aufdrängen - Anstatt Autorität ist nun Sachlichkeit wichtig, der Unterricht kann nun zunehmend wissenschaftlich gestaltet sein der Ich-Leib - Diese Schicht steht für das Selbstbewusstsein des Menschen, für sein Erfassen seiner Individualität, seines unsterblichen Wesenskerns, diese stellt ihn über das Tierreich - Tritt im vierten Jahrsiebt bei Eintritt der Mündigkeit und Persönlichkeitsreife an die Oberfläche - Der Mensch ist nun vollständig entwickelt, er kann einen Beruf ausüben und eine Familie gründen - Er ist nun zu Selbstreflexion und –bestimmung fähig Der Waldorfkindergarten - ist auf der ganzen Welt verbreitet, ⅓ davon in Deutschland - Erscheinungsformen: „Klassischer“ Kindergarten, Tagesstätte, Mutter-Kind-Gruppen, Spiel- und Krabbelgruppen, sonderpädagogische Einrichtungen - Alle Erzieher sind stets bereit zur Selbsterziehung und Weiterentwicklung in ihrer Begegnung mit Kindern - Spielen im Waldorf-Kindergarten: - Freies Spiel (Spiel ohne Spielanweisungen mit natürlichen Elementen, dem Kind soll seine Umwelt durch Nachahmen nahe gebracht werden) - Sicherheit (Die Kinder müssen nicht aufräumen, die Erwachsenen halten den Raum stets im gleichen, aufgeräumten Zustand) - Die Spielgegenstände bestehen ausschließlich aus Naturmaterialien (Holz, Kork etc.) und sind nicht detailgetreu (z.B. kein detailliertes Polizeiauto, nur ein grobes Holzauto) - Aufteilung der Zeit: Der Tag besteht etwa aus: Gemeinsamen Essen – Beten – Singen – Freispielzeit – Anderen Beschäftigungen, die Wochentage sind ebenfalls geregelt (z.B. Sonntag für Familie...), das Jahr ist fest in die Jahreszeiten gegliedert, hierzu werden auch Jahreszeiten gefeiert - Alter und Lernphasen werden genau beobachtet - Wichtig sind stete „Heiterkeit“ und „Freude am Leben“ für die optimale Aufnahme der Reize (für die Motivation des Kindes laut Rudolph Steiner entscheidend) - Integration der Eltern (Wöchentliche Foren, Hausbesuche der Erzieher und viele Feste) Die Waldorfschule Seite 34 von 47 Pädagogik Waldorf-Pädagogik 13.1, Dezember 2005 Eurythmie - eu = wohl, schön, gut, rythmus = gleichmäßig gegliederte Bewegung - Stellt eine neue Ausdrucksweise körperlicher Bewegung dar, eine neue Kunstrichtung - nutzt Goethes Metamorphosenlehre - Durch Sprech- und Gesangsorgane erzeugten Bewegungen und Formen in Luft und Äther (hypothetisch: das All ausführendes Medium, gilt als Träger der Lichtwellen) beeinflussen durch ganzkörperliche Bewegung den gesamten Menschen - Laute und Musik stellen keine Kommunikationsmittel dar, drücken nichts aus, stellen innere Vorgänge dar - Vokale verkünden innerseelisches Erleben (Emotionen), Konsonanten äußere Geschehnisse (Reize) - Lauteurythmie: Sprachliches eurythmisieren, Toneurythmie: Musikalisches eurythmisieren - Subjektive Beurteilung des Autors Adolf Baumann: Zweifel an Eurythmie kann nur hegen, wer sie nie versucht hat, Eurythmistinnen werden in der Regel alt und bleiben körperlich jung, der Körper verbraucht sich nicht wie beim Tanz, er verjüngt sich Epochenunterricht - Über vier Wochen wird morgens zu beginn eindreiviertel bis zwei Stunden ohne Pause dasselbe Unterrichtsfach behandelt - so wird innerhalb dieser Zeit ein großes Stoffgebiet oder der Stoff des gesamten Jahres durchgenommen - Das Aufeinanderfolgen von Hauptunterricht (Epochenunterricht), Übungsunterricht (in Einzelstunden) und handwerklich-praktischer Epoche entspricht den über den Tag wechselnden Arbeitsmöglichkeiten des Menschen (morgens große Konzentration, mittags handwerkliche Motivation) Rolle des Klassenlehrers - Lernt seine Schüler schon vor der ersten Klasse kennen - Führt seine Klasse von der 1. bis zur 8. Klasse, macht den Hauptunterricht (Epochenunterricht) - Soll sich in der langen Zeit auf die Kinder spezialisieren, sich mit ihnen verbinden, gilt als schwere Aufgabe Fremdsprachenunterricht - Keine Epochenfächer - beginnt ab der ersten Klasse in zwei modernen Sprachen (Englisch/Französisch oder Englisch/Russisch) - Die Kinder sollen Sprechen und rhythmische Bewegungen lernen - Durch die Klassengemeinschaft finden auch konzentrationsschwache Kinder in das Tun hinein und werden gestärkt Die anthroposophische Temperamentlehre - Temperament = lat. mischen, bedeutet u.a. „richtige Mischung“ - Temperamentlehre von Hippokrates gegründet - baut auf Humoralpathologie (humores = Säfte) - Von diesen Körpersäften leiten sich die Temperamente ab: cholerisch, phlegmatisch, sanguinisch, melancholisch Cholerisches Temperament - Breite Gestalt, schwarze Haare und Augen, präzise, entschlossene Bewegungen, kraftvoll, eindruckerweckend - Erwartet aus den tiefen seines Wesens Widerstand, Korrektur, Maßstäbe - Temperament weder gut noch schlecht - Lehrer muss kraftvoll und sicher sein, darf keine Blöße zeigen, muss klare Entscheidungen geben Seite 35 von 47 Pädagogik - Waldorf-Pädagogik 13.1, Dezember 2005 Darf es bei Zornausbrüchen nicht schlagen oder beschimpfen sondern soll warten bis der Ausbruch abgeklungen ist Seite 36 von 47 Pädagogik Montessori-Pädagogik 13.1, Januar 2006 Montessori-Pädagogik Theorie - so wie er einen „äußeren Bauplan“ in seinen Genen hat, so hat der Mensch von Geburt an auch einen inneren Bauplan, einen Bauplan für seine Seele, welcher die seelische Entwicklung des Kindes weitgehend mitbestimmt - dieser ist jedoch sehr empfindlich gegenüber Umwelteinflüssen, so kann ein falsches Einwirken eines Erwachsenen auf das Kind diesen Bauplan zerstören oder in Unordnung bringen - um dies zu vermeiden, und damit sich die Psyche des Kindes gesund entwickeln kann, bedarf es einer Umgebung (= Umwelt), die seinen seelischen Bedürfnissen gerecht wird, dies zu bewerkstelligen ist Aufgabe des Erwachsenen - - - - - - da der Mensch im Gegensatz zum Tier keine Instinkte besitzt, sondern alle Verhaltensweisen selbst erlernen muss, besitzt er laut Montessori einen absorbierenden Geist, welcher jedoch nur während der ersten Lebensjahre vorhanden ist das Kind lernt hierbei nicht bewusst, der Erwachsene kann dieses Lernen also nicht direkt beeinflussen sondern nur mit einer anregenden Umwelt begünstigen erst etwa ab dem 3. Lebensjahr lernt das Kind bewusst das Kind durchlebt während seiner Entwicklung so genannte sensible Perioden, in welchen es für bestimmte Reize seiner Umwelt besonders empfänglich ist sie ermöglichen ihm, innerhalb dieses Zeitraums bestimmte Fähigkeiten zu erwerben es gibt drei sensible Perioden, eine für die Bewegung, eine für die Ordnung und eine für die Sprache ist eine solche Phase vorüber, können Lernprozesse auf diesem Gebiet nur noch mit großer Mühe vollzogen werden das Kind ist abhängig vom Erwachsenen, es kann ohne ihn nicht überleben es braucht eine konstante Bezugsperson jedoch baut das Kind seine Seele selbst auf, Montessori bezeichnet es deswegen als Baumeister des Menschen es wird hierbei von seinem inneren Bauplan geleitet zwingt ein Erwachsener ihm seinen Willen auf, fordert unbedingten Gehorsam, so missachtet der diesen Bauplan, er hemmt seine Auseinandersetzung mit der Umwelt, dies verhindert eine normale Entwicklung des Kindes Montessori fordert eine neue Erziehung diese muss das Wesen des Kindes erforschen, um wichtige Erkenntnisse über seine sensiblen Perioden, seine kindlichen Bedürfnisse und seinen inneren Bauplan zu erhalten da dies alles bereits mit der Geburt beginnt, muss auch die Erziehung hier bereits ansetzen dem Kind wird hauptsächlich die zu seiner Entwicklung nötige Hilfe gegeben, Montessori betrachtet Erziehung als Hilfe zum Leben, nach dem Motto Hilf mir, es selbst zu tun hierfür benötigt das Kind geeignete Arbeitsmaterialien diese passen laut Montessori die Umwelt den kindlichen Bedürfnissen an diese lassen sich in vier große Bereiche einteilen Seite 37 von 47 Montessori-Pädagogik Pädagogik 13.1, Januar 2006 - - - - Übungen des praktischen Lebens (z.B. Schnürrahmen, Wasser tragen) Sprachmaterialien (z.B. Sandpapierbuchstaben) Mathematisches Material (z.B. Perlenketten, blau-rote Stangen) Sinnesmaterialien (z.B. Farbtäfelchen, Einsatzzylinder, Tastbrettchen, Geräuschdosen) in der Regel unterscheiden sich solche Materialien nur in einer Eigenschaft (z.B. Farbe, Geruch, Form, Oberfläche), so dass jede dieser Eigenschaften hervorgehoben wird wichtig ist die Möglichkeit zur Fehlerkontrolle, das Kind merkt selbst, wenn es einen Fehler gemacht hat und kann ihn korrigieren die Materialien besitzen laut Montessori eine starke Anziehungskraft, sie lassen die Kinder von sich aus aktiv werden, auch wichtig ist das Prinzip der Selbsttätigkeit das Material gilt laut Montessori als Schlüssel, die Welt zu erschließen wenn der empfindliche innere Bauplan des Kindes durch falsche Einwirkungen von außen durcheinander kommt, kommt es laut Montessori zur psychischen Deviation als Abweichung von der normalen Entwicklung negative Folgen sind Persönlichkeitsmerkmale wie Unehrlichkeit, Faulheit, Schüchternheit, Ungehorsam um hier wieder zu einer normalen Entwicklung zu gelangen, bedarf es einer Normalisierung (= Normalisation) hierfür muss das Kind konzentrierte Arbeit leisten, eine anregende, vorbereitende Umwelt muss es aktiv werden lassen hierdurch verschwinden die negativen Persönlichkeitsmerkmale und führen zu einem sozialen Verhalten, es wird freundlich, hilfsbereit, voller Verlangen, Gutes zu tun Aufgaben des Erziehers im Kinderhaus (= Kindergarten) - muss das Kinderhaus anziehend gestalten, für Sauberkeit und Ordnung sorgen - soll die Heranwachsenden mit dem Material vertraut machen - dies schafft wesentliche Voraussetzungen für ihre konzentrierte Arbeit, da sich beim Arbeiten die Aufmerksamkeit des Kindes sammelt (Polarisation der Aufmerksamkeit) - diese kann jedoch vom Erzieher nicht erzwungen werden, er muss geduldig darauf warten, und darf das Kind, wenn es mit einer solchen Arbeit beginnt, nicht stören (weder Lob noch Tadel), er muss lediglich dem Kind die konzentrierte Arbeit ermöglichen, indem er störende Kinder davon abhält - er muss unerwünschte Verhaltensweisen von noch nicht normalisierten Kindern unterbinden - indem er ihre Umgebung vorbereitet, hilft der Lehrer dem Kind bei seiner Entwicklung, „Der Lehrer in unserer Arbeit ist nicht der Bildner und Belehrter des Kindes, sondern der Gehilfe.“ (Montessori) Schule - keine Aufnahmeprüfung, sondern vorbereitender Probeunterricht, im Idealfall hat das Kind vorher einen Montessori-Kindergarten besucht - es werden keine Noten vergeben, diese widersprechen Montessoris pädagogischem Prinzip, da sie die Individualität des Kindes missachten, außerdem stehen sie meistens in einem Verhältnis zum klasseninternen Leistungsdurchschnitt, ein bestimmtes Kind hätte in einer anderen Klasse bessere bzw. schlechtere Noten - eine Leistungsbeurteilung ist jedoch trotzdem notwendig, die Kinder wünschen diese, jedoch soll die Leistung nicht aufgrund von Druck sondern aus Motivation Seite 38 von 47 Pädagogik - Montessori-Pädagogik 13.1, Januar 2006 geschehen, der Lehrer soll die Arbeit anerkennen, sie jedoch weder positiv noch negativ bewerten, wichtig ist keine Korrektur der Arbeit durch einen Lehrer, sondern eine Fehlerkontrolle des Schülers am Montessori-Material laut Montessori ist ausschließlich individueller Lernerfolg und Zufriedenheit beim Schüler wichtig da jedoch Montessori Schulen in Deutschland auch den staatlichen Anforderungen unterliegen, müssen Kompromisse geschlossen werden: Lehrpläne müssen eingehalten werden und Zeugnisse werden in Form von Pensenbüchern ausgehändigt, in welche eine individuelle Leistungsbeurteilung eingetragen wird, überdies bieten diese einen guten Überblick über den im Jahr behandelten Stoff Seite 39 von 47 Pädagogik Erziehung im Nationalsozialismus 13.2, Februar 2006 Erziehung im Nationalsozialismus Jungmädelbund - Mädchen konnten diesem ab dem 10. Lebensjahr beitreten - recht einfache Aufnahmeprobe (60m Lauf in 14 sek., zwei Rollen vorwärts, Teilnahme an einer Fahrt etc.), dieses vermeintliche Erfolgserlebnis stärkt bereits Zugehörigkeitsgefühl des Mädchens - die Mädchen tragen Rangzeichen an ihrem Halstuch, sie unterliegen somit bereits einer hierarchischen, militärischen Ordnung - die Mädchen müssen die bedeutendsten Details über Hitler und einiges über ihre nähere Heimat wissen Bund Deutscher Mädchen (BDM) - beim so genannten Heimnachmittag wird vor allem die geistige Beschäftigung der Mädchen mit diesem und somit der NS-Ideologie gefördert, nicht nur während der Veranstaltung werden spezielle Lieder gesungen, sondern auch außerhalb des Nachmittages sollen die Mädchen im Alltag Verbindungen zum Heimnachmittag suchen Weibliche Identitätsfindung im BDM - für die Identitätsbestimmung ist für die Mädchen der Kontakt zu anderen Mädchen - eine Auseinandersetzung der eigenen Person mit der Umwelt - im BDM hingegen sollte das nachgezeichnete Identitätsgefühl mit Auflösen des eigenen Selbst erreicht werden - durch das Gefühl der Geborgenheit werden verschwinden Unsicherheiten und Orientierungslosigkeit, durch die Unterordnung schienen die Mädchen an den Erfolgen und der Macht der Gemeinschaft teilzuhaben - die Mädchen sahen die Leistungen des BDM als eigene Leistungen und sahen seine Macht als eigene Macht, die reale Machtlosigkeit ermöglichte scheinbare Machtbefugnisse - von daher fühlten sich die Mädchen, trotz dass sie fremdbestimmt waren, wohl - die Mädchen opferten sich selbst zum Wohle der Gemeinschaft auf, die lehnten den eigenen Lebenswert zugunsten der Anerkennung durch die Gemeinschaft ab - M. Waschmann beschrieb dies mit folgenden Worten: „Für dich selbst bist du jetzt tot. Alles, was einmal ich war, ist aufgegangen im Ganzen.“ - die einfachen Erklärungen die die Nazis lieferten (Leben – Tod, Ja – Nein, Gut – Böse), nahmen die Mädchen anstelle komplizierter Weltansichten gerne auf, obschon diese vollkommen wirklichkeitsfern waren - da diese Erklärungen Endgültigkeit und Ewigkeitscharakter übermittelten, entzogen sie sich menschlichen Maßstäben, die Gegebenheiten waren nicht durch Menschen verursacht und waren somit unumstößlich, die Mädchen waren deswegen unempfindlich gegen Grausamkeiten, sie hatten ein subjektiv „ruhiges Gewissen“ - diese Orientierungen verankerten sich weniger bewusst als gefühlsmäßig in den Mädchen - da die Mädchen ihr Leben für den Staat lebten, war Hitler für sie die „Größe Deutschlands“, er personifizierte Deutschland, in ihn konnte man seine Hoffnungen und sein Vertrauen besser setzen als in eine abstrakte Instanz wie die Gesellschaft oder den Staat - diese Werte, welche beispielsweise den Wunsch, sich selbstlos für Deutschland aufzuopfern, enthielten, wurden von außen an die Mädchen herangetragen Seite 40 von 47 Pädagogik - - - - - Erziehung im Nationalsozialismus 13.2, Februar 2006 das Ziel war eine äußere Charakterhaltung, der eigene Körper des Mädchens war nur noch eine Fassade, etwas fremdes, der denen der anderen möglichst gleich war Körperbedürfnisse wurden zurückgeschraubt, Liebe bezog sich ausschließlich auf Äußerlichkeiten („Liebst du mich?“ „Ja!“ „Wie?“ „Wie deinen ganzen Jahrgang.“), deswegen liebten viele Mädchen Soldaten, da er für sie den gesamten Soldatenstand repräsentierte, welchen sie so verehrten diese Ordnungsstrukturen, welcher der BDM übermittelte, gab dem Mädchen Sicherheit vor äußeren Bedrohungen und vor inneren Ängsten und Befürchtungen, ihr so genannter „arischer Mädchenkörper“ gab ihnen Bestimmung und subjektive Orientierung in dieser heilen, irrealen Welt, in welcher Ewigkeitswerte und Gottesnähe übermittelt wurden, wurden alles menschliche Leid und alle Alltagssorgen in den Hintergrund geschoben, das Leben wurde als Rausch empfunden, und je größer die Existenznot wurde, als desto schöner wirkte der Rausch, diese nationalsozialistische Besinnlichkeit mobilisierte neue Kräfte und „frische“ Einsatzbereitschaft eine weitere Komponente, welche zum Identitätsgefühl im BDM beitrug, war Aktivismus und Einsatzfreudigkeit, die Mädchen erwarben innerhalb ihrer Arbeitswelt durchaus Qualifikationen und mussten anspruchsvolle Aufgaben erfüllen, in welchen auch selbstständige Entscheidungen gefordert waren, politische Kompetenz erwarben sie jedoch nicht, man fragte sich nicht nach dem Zweck seiner Arbeit, die Antwort „für die Volksgemeinschaft“ genügte, man hinterfragte nichts die Mädchen erfüllten ihre Arbeit gerne, sie hatten das Gefühl gebraucht zu werden und unersetzlich zu sein, in Wirklichkeit waren sie beliebig ersetzbar, die Anerkennung ihrer Arbeit gab ihnen Sicherheit, das Arbeiten in der Gruppe ein Solidaritätsgefühl Das Frauenideal des Dritten Reiches - bereits 1933 wurde bereits eine freie, natürliche, geisteswache, familiär und beruflich engagierte Frauengeneration herangebildet - Frauen waren für die NSDAP zunächst nur als Gefährtinnen der Männer wichtig - den BDM gab es bereits seit 1929, jedoch wurde er erst ab 1933 wirklich populär - bereits 1932 halfen Frauen beim Reichsjugendtag bei Aufmärschen und Kundgebungen der NSDAP vielseitig mit - Hitler verstand es, Massen für sich zu begeistern, viele Frauen hingen ihm kritiklos an - viele junge Mädchen stimmten der auf „Führertum“ gestellten, betont männeraktivistischen NSDAP zu - Frauen zeigten sich in wilder Hitler-Begeisterung, sie wollten nur einmal in ihrer Nähe sein, sie schickten ihre Kinder für ihn in den Tod, sie wussten nicht, dass Hitler verächtlich von ihnen dachte - nach Hitlers Ansicht ist die Frau passiv, ein Mittel zum Zweck - sowie der Mann seinen Kampf auf dem Schlachtfeld auszutragen hatte, wurde der Kampf der Frau im Gebären von Nachkommen gesehen, keine Kinder zu bekommen galt als minderwertig - bereits mit vierzehn Jahren besagten verschiedene populäre Bücher bestimmte Regeln für Eheschließung und Familienbildung („erbgesunde Frauen“ sollten sich ebenfalls erbgesunde Männer suchen und viele Kinder zur Welt bringen), auch sollten sie nur aus Liebe heiraten, obwohl ihnen gleichzeitig viele äußerliche Vorgaben gemacht wurden - als die typische deutsche Frau galt die stämmige, deutsche Hausmutter, immer lächelnd, blond, blauäugig, hellhäutig, von vielen blonden Kindern umringt, die typischen deutschen Menschen wurden meist stehend dargestellt, „Haltung“ zeigend, Seite 41 von 47 Pädagogik - Erziehung im Nationalsozialismus 13.2, Februar 2006 heroisch, die zahlreichen Mutter-Kind Szenen zeigten Würde und Sommerwiesenidyllik die Familien waren meist bäuerlich, spartanisch hart, kernig, kinderreich und barfuß die kleinen Mädchen trugen Zöpfe, Gretchenkranz oder die Olympiarolle, erwachsene Frauen trugen den sog. deutsche Dutt Frauen sollten sich nicht schminken viele NS-Politiker selbst lehnten insgeheim dieses Frauenideal ab, eine Frau, welche sich gegen die Modischen vorgaben stellte, wurde durchaus von einigen angesehen viele Mädchen gingen gerne zum Jungmädeldienst, um dem strengen Elternhaus zu entfliehen die Parolen des BDM riefen zum einen gemeinschaftsgebundene Identitätsbildung und zum anderen „Du bist nichts, dein Volk ist alles!“ aus, dieses Paradoxon machte auf die Bevölkerung weniger Eindruck als die kernigen Phrasen an sich Erziehung im Nationalsozialismus Frühe Kindheit - Die Ärztin Johanna Haarers (1900 – 1988) besagte, dass bei der Erziehung mit Härte vorgegangen werden müsste - Die Kindeserziehung obliege selbstverständlich der Mutter Schule - Die Schule war ein Hauptziel der Nazis zum Verbreiten ihrer rassistischen Ideologien - Erstes Ziel war die körperliche Abhärtung des Kindes und seine Erziehung zum „rassenbewussten Volksgenossen“ - An zweiter Stelle stand die geistige Erziehung, wobei sich die Nazis vor allem auf Willens- und Entschlusskraft, Verschwiegenheit, Verantwortungsfreudigkeit und Aushalten von Strapazen konzentrierten - Die wissenschaftliche Bildung wurde sehr vernachlässigt, sie fand auch von Hitler in „Mein Kampf“ nur Geringschätzung - Sprachliche Fächer oder das Fach Geschichte wurden nur noch an sehr wenigen Schulen unterrichtet - Die Nazis schafften die gemeinsame Beschulung von Jungen und Mädchen (Koedukation) ab - Ihnen war auch die Erfassung der Jugend in außerschulischen Organisationen der Hitler-Jugend besonders wichtig, da sie sich hier mit stärker erlebnispädagogischen Ansätzen einen emotionaleren Zugang zu den Jugendlichen erhofften, um eine direkte ideologische Kontrolle über sie zu erreichen Minderheiten - Mit dem ‚Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums’ vom 7. April 1933 wurden vor allem jüdische Lehrer und Professoren aus dem Staatsdienst entlassen - Außerdem begrenzten die Nazis den Anteil von „fremden“ (vor allem jüdischen) Schülern in deutschen klassen auf 1,5 %. Später wurde ihnen dann die Teilnahme an Schulveranstaltungen, Klassenfahrten und Besuchen in Schullandheimen verboten, nach den November-Pogromen 1938 wurde ihnen der Besuch an Schulen und Universitäten gänzlich untersagt - Diese ausgeschlossenen Schüler sollten dann in Schulen der Sinti (Synonym für Zigeunergruppen in Deutschland) oder der Juden unterrichtet werden. Jedoch verfügten die Sinti oft nicht über die Mittel dafür. Die jüdischen Einrichtungen bereiteten die Schüler vor allem auf die Emigration vor, des weiteren boten sie den Schülern einen Schutzraum vor Diskriminierungen und vermittelten ihre jüdische Identität als positiven Wert und steigerten so ihre Selbstachtung Seite 42 von 47 Pädagogik Erziehung im Nationalsozialismus 13.2, Februar 2006 - Andererseits jedoch boten sie den Machthabern eine Kontrollmöglichkeit und erleichterten die Deportation und Ermordung - Auch im Ausland, in Polen beispielsweise, richteten die Deutschen ein Schulsystem ein, welches auf die Germanisierung der „deutschstämmigen“ Kinder abzielte Widerstand - Es gab häufige Formen des Jugendwiderstandes gegen die ideologische Vereinnahmung durch die Hitler-Jugend, z.B. die Weiße Rose, die Gruppen um Herbert Baum und um Helmuth Hübener und die Edelweißpiraten Erziehungswissenschaften zu NS-Zeiten - Unterlagen verschiedenen Tendenzen - Sollten zum einen den Machthabern dienen und Konzepte für die Umsetzung ihrer rassistischen Weltanschauung geben - Andere wollten die Autonomie von Pädagogik und Wissenschaft bewahren und waren gegen die Ansätze der HJ Hitlerjugend - Bestand seit 1926, blieb jedoch bis zur NS Machtübernahme 1933 recht unbedeutend - Die Jugendlichen wurde mit gewaltigen Werbekampagnen gelockt, man bot Fahrten und Zeltlager an - Sowohl technisch und sportlich begabte Jugendliche wurden angesprochen (für die Reiter-, Motor-, Flieger-, Marine-, und Nachrichten-HJ) als auch die künstlerisch Begabten (für Fanfarenzüge und Theaterspielscharen) - Nicht Beigetretene zählten als Außenseiter - Beamte waren verpflichtet, ihre Kinder zur HJ zu schicken - Seit dem 01.12.1936 wurde der Beitritt Jugendlicher zur HJ gesetzlich verpflichtet, der Großteil aller Jugendlichen war nun in der HJ erfasst - Die Aufgabe der HJ bestand darin, die Jugendlichen zu erziehen und zu beeinflussen - War militärisch organisiert, täglich absolviert wurden Sport- und Schießübungen, Fahnenappelle, Geländemärsche und Zeltlager, auch Fahrten durch Deutschland wurden des Öfteren unternommen - Allein die körperliche Tüchtigkeit und die soldatische Disziplin war Ziel der HJ, gemeinsame Ausflüge sollten ein Gemeinschaftsgefühl vermitteln - Hilfsdienst leisteten Angehörige der HJ, indem sie Spendengelder sammelten, auch gab es einen freiwilligen Reichsarbeitsdienst (RAD), welcher jedoch ab 1935 für Jungen und ab 1939 auch für Mädchen Pflicht wurde, ab 1943 war auch Kriegsdienst als Luftwaffenhelfer gefordert - Die für Jugendliche attraktivsten Programmpunkte waren die Jugendfilmstunden, welche ab 1934 einmal monatlich stattfanden. Hier zeigte die HJ z. T. eigene Filme, derer sie bis Kriegsende rund 15 produzierte (z. B. „Die Stadt der weißen Zelte“), auch eine sechsteilige Reihe von Wochenschaubeiträgen mit dem Titel „Jugend Europa“ lief in den Kinos - Im März 1945, gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, starben Tausende jugendlicher Mitglieder der HJ, da sie als letzte Reserve von den Russen eingenommene Stadtteile zurückerobern sollten - Formationen: das Deutsche Jungvolk (10 – 14-jährige Jungen), Hitler-Jugend (14 – 18-jährige Jungen, Jungmädelbund (10 – 14 jährige Mädchen), Bund Deutscher Mädel (BDM) (14 – 18-jährige Mädchen), das Werk Glaube und Schönheit (17 – 21-jährige Mädchen Seite 43 von 47 Pädagogik Jean-Jacques Rousseau 13.2, Februar 2006 Jean-Jacques Rousseau Theorie - „Alles ist gut, wie es aus den Händen des Schöpfers kommt; alles entartet unter den Händen des Menschen“ → Anlagetheoretiker - ein Mensch, den man von Geburt an sich selbst überlässt, ist laut Rousseau „völlig verbildet“ - der Mensch wird von Natur (seinen Anlagen, entwickelt Fähigkeiten und Kräfte des Menschen), Mensch (lehrt den Gebrauch dieser Fähigkeiten) und Dingen (seiner Umwelt, erziehen durch Erfahrung) erzogen, widersprechen diese sich, wird der Schüler schlecht erzogen und ist uneins mit sich selber - Die einzige Art der Erziehung, die wir beeinflussen können, ist die der Menschen - man muss sein Kind selbst erziehen, ein anderer kann dies nicht, im Notfall kann ein Freund dies übernehmen, auf keinen Fall jedoch ein bezahlter Lehrer (unwürdiger Beruf) - der Erzieher muss selbst gut erzogen sein, muss Vater oder Übermensch sein, sollte jung, idealer weise im Alter des Zöglings, da dies jedoch nicht möglich, sollte er „so jung, wie ein weiser Mann eben jung sein kann“ sein, er soll Gefährte seines Zöglings sein, er soll im Idealfall bereits ein Kind erzogen haben, dies ist jedoch ebenfalls kaum möglich - die Erziehung beginnt bei der Geburt und darf von nur einem Erzieher durchgeführt werden, vom Kind müssen alle negativen Eindrücke möglichst ferngehalten werden - Erziehung zur Selbstentfaltung (Personalisation), Sozialisation ist schädlich - wichtig ist nur die Lehre der „Pflichten des Menschen“, er darf dem Kind keine Vorschriften geben sondern muss es sie finden lassen - Voraussetzungen für den Zögling: Muss Durchschnittsgeist besitzen, darf weder aus dem Stand der Armen noch aus dem der Reichen stammen, muss glücklich entbunden, stark und gesund sein, darf weder kränklich noch schwächlich sein - Man darf Zögling und Erzieher niemals gegen ihre Einwilligung trennen - Erzieher und Zögling müssen sich als fürs Leben verbunden betrachten, damit „jedem an der Liebe des anderen gelegen“ ist - Rousseau formulierte vier Leitsätze zur Erziehung - Erster Leitsatz: Kinder haben keine überschüssigen Kräfte, sie haben nicht einmal genug Kräfte für alles, was die Natur ihnen abverlangt, man muss ihnen im Gebrauch ihrer Kräfte freien Lauf lassen - Zweiter Leitsatz: Bei allem, wo ihnen körperlich oder geistig die Kräfte fehlen, muss man ihnen helfen und beistehen - Dritter Leitsatz: In dieser Hilfe muss man sich jedoch auf das Nützliche beschränken - Vierter Leitsatz: Man muss den Zögling von Geburt an studieren, um seine Sprache und sein Verhalten zu kennen und ihn einschätzen zu können - Diese Regeln sollen dem Zögling mehr wirkliche Freiheit und gleichzeitig weniger Macht geben, sie sollen mehr selbst tun, sich daran gewöhnen, ihre Wünsche ihren Kräften anzupassen Leben Rousseaus - wurde 1712 in Genf geboren, seine Mutter starb direkt nach der Geburt - als sein Vater Genf verlassen musste, wurde er von Fremden lieblos erzogen - er floh aus Genf und kam zu einer Frau v. Warens, diese schickte ihn ins Kloster nach Turin, wo er zum katholischen Glauben bekehrt wurde, diese legte er jedoch später wieder ab Seite 44 von 47 Pädagogik - - Jean-Jacques Rousseau 13.2, Februar 2006 trieb sich in der Welt umher, bis er 1732 zu Frau v. Warens zurückkam, und sich hier Musik und seine geistige Ausbildung widmete trat 1741 in Paris dem kreis der Enzyklopädisten bei wurde 1750 durch die einzigartige Bearbeitung Preisaufgabe über Kunst und Wissenschaft berühmt (diese verdarben seiner Ansicht nach den ursprünglich guten Menschen) wurde aufgrund seines letzten Werkes „Emil oder über die Erziehung“ jahrelang verfolgt heiratete 1768 die ungebildete Therese Levasseur lebte 1770 wieder in Paris, in ärmlichen Verhältnissen gab alle fünf Kinder aus diesem Verhältnis ins Findelhaus starb 1778 er hat die erste Pädagogik „vom Kindes aus“ entworfen, mit dieser Erziehung will er eine neue Menschheit heraufführen „Emile“ - die natürlichen Anlagen des Kindes müssen sich ungestört entwickeln können, deswegen soll das Kind nicht gewickelt werden - lernt zunächst viel durch Erfahrung und Gewöhnung, da er nicht abhängig werden soll, sind Essens- und Schlafzeiten unregelmäßig - das Furchtgefühl muss unterdrückt werden, dem Begehren aus Bedürfnis soll man nachkommen, dem Verlangen hingegen nicht - man soll dem Kind nicht viel sagen, das wenige jedoch oft und deutlich - in der Lebensphase vom zweiten bis zum zwölften Lebensjahr soll er Leiden lernen, ohne zu weinen, natürliche Hindernisse sollen ihn die Grenzen seines Könnens und Wollens lehren - Strafen sollen stets als natürliche Folgen der schlechten Handlung erfolgen (z.B. Langeweile bei zerbrochenen Spielsachen, Kälte bei zerbrochener Fensterscheibe etc.) - Emile ist von Natur aus gut, man muss ihn keine Tugenden lehren sondern ihn nur von Lastern und Irrtümern bewahren - der Körper des Kindes soll abgehärtet werden durch Leibesübungen, Schlaf auf hartem Untergrund und Baden mit kaltem Wasser - die Sinne sollen ausgebildet werden (die Fähigkeiten des Messens, Zählens, Wägens, Vergleichens, Zeichnens und deutlichen Sprechens sollen geschult werden), sollen jedoch zwanglos und nicht schulmäßig erfolgen - das Alter von 12 – 15 Jahren (als Jüngling) ist die beste Zeit des Lernens, da der Wissenstrieb in Form von Neugierde auftritt, die Erziehung erfolgt durch Erfahrungen mit der Umwelt; Emile muss alles Wissenswerte selbst finden - das Kind ließt unter allen Büchern zunächst nur Robinson Crusoe, weil dieser sich alles selber schaffen musste - bei der Geburt des Mannes erwachen Leidenschaften und geschlechtliche Neugierde; geschlechtliche Entwicklung soll möglichst lange unterdrückt werden; zu dieser Zeit wird Geschichte und Religion gelehrt - nach der Pubertät führt der Erzieher Emile schöngeistige Schriftwerke vor und besonders die alten Sprachen - Emile heiratet Sophie, ein Mädchen welches nicht fern von der Gesellschaft, sondern im Elternhaus erzogen wurde; sie soll ihrem Mann gefallen, ihm das Leben angenehm machen (Rousseau ist nicht für Gleichberechtigung) Negative Erziehung - wichtigste Regel der Erziehung ist sich Zeit zu lassen Seite 45 von 47 Pädagogik - Jean-Jacques Rousseau 13.2, Februar 2006 erste Erziehung soll rein negativ sein sämtliche Irrtümer und Laster sollen ferngehalten werden seelische Kräfte so lange wie möglich in Ruhe lassen „Lasst die Kindheit im Kinde reifen!“ sich genug Zeit lassen, um den Zögling genau beobachten zu können Erzieher muss Kontrolle über die ganze Umwelt haben, damit er Kontrolle über den Zögling hat (z.B. stellt der Erzieher Lernsituationen her) Neugierde soll bei der natürlichen Erziehung genutzt werden Seite 46 von 47 Pädagogik Arnold Gehlen 13.2, Februar 2006 Arnold Gehlen Der Mensch als „unspezialisiertes biologisches Mängelwesen“ - dieser Begriff hat nur annähernde Gültigkeit - da er einen Mangel an spezialisierten Organen hat, ist der Mensch in jeder natürlichen Umgebung lebensunfähig - er besitzt keine artspezifische Umwelt, in die er eingepasst ist, er ist waffenlos, nackt, instinktunsicher - der Mensch ist auf „Handlung“ gestellt, auf die intelligente Veränderung der Naturumstände - Hände und Gehirn mögen als spezialisierte Organe des Menschen angesehen werden, sind dies jedoch in anderem Sinne als die tierischen - im Grunde kann der Mensch sich nur durch Kompensation seiner Mängelausstattung am Leben erhalten, hierfür schafft er sich lebensnotwendige Werkzeuge - der Mensch ist weltoffen, durch Außenereignisse bestimmbar, deswegen ist er verführbar - die Instanz, welche Direktiven und Stabilisationskerne im Menschen setzt, ist die Moral, sie sichert das Verhalten auf einer gegenseitigen Vertrauensbasis - hierbei sind vor allem die Institutionen der Gesellschaft Außenstützen der Moral - genau auf diesem „Mängeln“ basiert die Sonderstellung des Menschen (er kann sich selbst erfassen) - der Mensch ist ein handelndes Wesen, er ist „nicht festgestellt“, er „macht sich zu etwas“, er ist also ein Wesen der Zucht (Selbstzucht, Erziehung, Züchtigung) Instinkte - sind ererbte Verhaltensweisen, die durch Schlüsselreize ausgelöst werden, sie sind stets gleichförmig und automatisch - der Mensch besitzt nur noch Instinktreste, auf welche er sich nicht verlassen kann Erziehung - Gehlen ist Milieutheoretiker - da der Mensch ein hilfloser Nestflüchter ist (d.h. er kommt weder vollkommen hilflos (Nesthocker) noch voll entwickelt (Nestflüchter) zur Welt wie normale Säugetiere), muss er die menschliche Lebensweise erlernen - im ersten Lebensjahr erlernt er eine Schlüsselrolle, Grundlage hierfür sind emotionale Zuwendung und ausreichende Reizvermittlung Seite 47 von 47