Auffälligkeiten

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Lern- und Leistungsschwierigkeiten:
Rechtschreib-Schwäche
Teilleistungsstörungen:
Lese-
Viele der Merkmale einer Lese-Rechtschreib-Schwäche treten bereits in den ersten
Schulwochen auf: Die betroffenen Kinder beherrschen bereits gelernte Buchstaben
nicht und können sie beim Lernen neuer Wörter nicht anwenden, außerdem können
sie gelernte Wörter nicht lesen und auswendig schreiben, Buchstaben werden nicht
richtig benannt, Laute werden akustisch nicht unterschieden und die Kinder können
Buchstaben, die im Wort zusammenliegen nicht zusammen lesen. Vielfach wird
Legasthenie lange nicht bemerkt, da die Kinder versuchen durch erhöhten
Lernaufwand zuhause einen Ausgleich zu schaffen, sie lernen zu lesende Texte
einfach auswendig.
Symptome einer Legasthenie sind: Auslassen, Ersetzen, Verdrehen oder Hinzufügen
von Worten oder Wortteilen, verlangsamte Lesegeschwindigkeit, Startschwierigkeiten
beim Vorlesen, langes Zögern, Verlieren der Zeile, stockendes Lesen von Wort zu
Wort oder von Buchstabe zu Buchstabe, ungenaues, nicht sinnhaftes Betonen beim
Lesen, Vertauschen von Wörtern im Satz oder Buchstaben im Wort und eine
Unfähigkeit Gelesenes wiederzugeben, daraus Schlüsse zu ziehen oder
Zusammenhänge zu sehen. Die meisten Kinder mit Legasthenie lernen Lesen, aber
der Prozess ist verlangsamt, und die Sinnentnahme bereitet mehr Mühe. Wegen der
verbreiteten Strategie des Auswendiglernens zeigt sich die Lese-RechtschreibSchwäche oft erst bei ungeübten Diktaten (dabei kann das Schriftbild durchaus
schön sein), Fehler, die hier typischerweise auftreten sind: Reversion (Verdrehen von
Buchstaben: p/q, b/d, u/n), Reihenfolgefehler (Umstellen von Buchstaben: die/dei),
Auslassen von Buchstaben (auch/ach), Einfügen falscher Buchstaben,
Dehnungsfehler (Zahn/Zan), Regelfehler (z.B. bei Groß- und Kleinschreibung),
Wahrnehmungsfehler (Verwechseln von g/k, d/t, etc.) und Fehleränderungen (ein
Wort wird immer wieder anders geschrieben). Zusätzlich können noch
graphomotorische Störungen auftreten: Zeilen und Zeilenabstand werden nicht
eingehalten, Richtung und Größe der Buchstaben sind instabil, der Schreibdruck ist
unausgeglichen und das Schreibtempo ist verlangsamt.
Bei einer schizophrenen Psychose kann es binnen weniger Wochen zum völligen
Zerfall des Schriftbildes kommen, in diesem Fall spricht man von einer
vorübergehenden Rechtschreibstörung. Bei einer geistigen Behinderung ist es
jedoch möglich, dass das Kind trotzdem flüssiges Lesen lernt, und nahezu keine
Rechtschreibfehler im Diktat macht. Diese beiden Fälle zeigen, dass
Rechtschreibung unabhängig von der allgemeinen Intelligenz erlernt wird, und
deswegen als Teilleistung bezeichnet werden kann, die eine eigene Lernfähigkeit
voraussetzt. Wichtig ist vor Allem, die emotionalen Folgen einer Legasthenie zu
betrachten, denn wenn das Kind trotz aller Anstrengungen nicht in der Lage ist richtig
Lesen und Schreiben zu lernen führt das im Allgemeinen zu Entäuschung und
Verzweiflung.
Bei einer normalen Entwicklung durchläuft das Lesenlernen im Allgemeinen folgende
Phasen: Im logographischen Stadium orientieren sich die Kinder an den visuellen
Merkmalen des Wortes, sie lesen also das Wortbild, im alphabetischen Stadium
dagegen wird das Wort Buchstabe für Buchstabe entschlüsselt, was man
phonologisches Rekodieren nennt. Im orthographischen Stadium befindet sich das
Kind wenn es die Buchstabenfolge der Wörter wiedererkennt und sie so direkt
abrufen kann, diese Verarbeitungsform ermöglicht rasches Lesen.
Bei 80% der Legastheniker sind bereits bei der sprachlichen Entwicklung Störungen
aufgetreten: Ihr Wortschatz war geringer, die Grammatik wurde weniger gut
beherrscht, die Gedächtnisleistung bei sprachlichem Lernstoff war geringer und die
Benennung von Worten, Buchstaben, Zahlen, Farben und Gegenständen geschah
verlangsamt. Schon im Kindergarten zeigen sich Schwächen im phonologischen
Bewusstsein, damit ist die Fähigkeit gemeint Wörter, Silben und Reime in der
gesprochenen Sprache zu erkennen und mit Lauten umzugehen.
Neurobiologische Befunde zeigen, dass Legastheniker Schwierigkeiten haben die
zeitliche Aufeinanderfolge von zwei Tönen wahrzunehmen. Die Anregung von
Hirnregionen, die für die sprachliche Informationsverarbeitung wichtig sind ist
verändert, auch zeigen sich anatomische und histologische Veränderungen in
Hirnregionen zur Verarbeitung von akustischen, sprachlichen und sprachlich
visuellen Informationen.
Für Legasthenie gibt es drei Erklärungsansätze: Der erste geht davon aus, dass die
Informationsverarbeitungsprozesse zwischen verschiedenen sprachlichen Regionen
verändert sind, der zweite nimmt an, dass die Übersetzung zwischen dem visuellen
und dem akustisch sprachlichen System nicht gelingt, der dritte macht die visuelle
Informationsverarbeitung zwischen Auge und Sehrinde verantwortlich. Wegen der
familiären Häufung, und weil eineiige Zwillinge oft gemeinsam betroffen sind, zudem
wegen molekulargenetischen Befunden geht man davon aus, dass Legasthenie zum
Teil vererbt wird.
In Bayern kann wenn die Diagnose gestellt wird ein Nachteilsausgleich gewährt
werden,
hier
wird
zwischen
Lese-Rechtschreibstörung
(Legasthenie),
vorübergehender Lese-Rechtschreibschwäche (z.B. wegen psychischer Erkrankung
oder Schulwechsel) und sonderpädagogischem Förderbedarf differenziert. Wenn
eine Störung vorliegt muss, bei einer Schwäche kann Hilfe gewährt werden. Die
Fördermaßnahmen
umfassen
innere
Differenzierung,
Förderstunden,
klassenübergreifender Stützunterricht und Beratung über außerschulische
Fördermaßnahmen. Der Nachteilsausgleich beinhaltet einen Zeitzuschlag von 50%
bei Prüfungen in allen Fächern, die Möglichkeit zur mündlichen Abfrage, das
Vorlesen der Aufgaben, mediale Hilfe und das mündliche Erarbeiten von neuem
Lernstoff. Außerdem wird auf die Leistungserhebung für Rechtschreibkenntnisse
verzichtet, die Rechtschreibung wird also in allen Fächern nicht benotet. In Deutsch
und in Fremdsprachen werden zudem mündliche und schriftliche Leistungen 1:1
zueinander gewertet. Jedoch wird die Tatsache, dass der Schüler Legastheniker ist
im Zeugnis vermerkt. Über das Vorrücken, wenn in Deutsch oder einer
Fremdsprache eine fünf oder sechs vorliegt entscheidet die Schule, bei dieser
Entscheidung darf die Störung aber keinen Ausschlag geben. Eine einmal getroffene
Entscheidung, ob der Nachteilsausgleich in Anspruch genommen wird hat für die
gesamte Zeit in dieser Schulart Gültigkeit, es sei denn der Schüler revidiert mit
Erreichen der Mündigkeit die Entscheidung seiner Eltern.
Für die Therapie ergeben sich vier Aufgabenbereiche: Die Behandlung des Lesens
und Schreibens, also eine Übungsbehandlung, zudem die Unterstützung des Kindes
bei der psychischen Bewältigung, sowie die Behandlung von Begleitstörungen und
die Behandlung von Störungen des Hörens und Sehens. Die Übungsbehandlung
sollte so früh wie möglich begonnen werden, außerdem sollte sie als Einzeltherapie
stattfinden, wöchentliche Therapie mit täglichen Übungseinheiten verbinden und
etwa ein bis zwei Jahre dauern, wobei auch nach der Therapie regelmäßiges Üben
nicht ausbleiben darf. Sie sollte sowohl inhaltliches Einüben von Lesen und
Rechtschreibung beinhalten, als auch Lernprogramme zum Umgang mit lautlichen
Eigenschaften der Schriftsprache. Hier wird von zweibuchstabigen zu
mehrbuchstabigen Wörtern fortgeschritten. Eltern und Lehrer sollten in der Therapie
miteinbezogen werden. Die gängigsten Therapieformen sind der Kieler Leseaufbau
und die psycholinguistische Lese- Rechtschreibförderung. Beide haben ihren
Schwerpunkt im Einüben von Laut-Buchstabenzuordnungen (Phonem-GraphemKopplungen) und dem zusammenlesen von Einzellauten. Computerprogramme
haben sich als zusätzlicher Baustein sehr wirksam gezeigt, sie sind systematisch und
emotionsfrei, das Kind lernt immer am gleichen Ort, der Computer passt sich den
individuellen Fehlerschwerpunkten an, er wirkt einem impulsiven Arbeitsstil entgegen
und kann dem Schüler Erfolgserfahrungen sichern. Jedoch muss auch weiterhin
handschriftlich geübt werden und eine Therapie ist immer noch mehr als ein
standartisiertes Funktionstraining.
Wichtig ist die Vermittlung von Selbsthilfetechniken, das Kind muss eine realistische
Einstellung zu seiner Schwäche bekommen, denn Legasthenie ist keine Katastrophe.
Zur Bewältigung helfen gute Lern-Rahmenbedingungen, der Erwerb von
Lerntechniken,
wie
Entspannung
und
Konzentrationsmethoden,
und
Selbsbestärkung.
Aufmerksamkeit, Konzentration und Hyperaktivität
AD/HS, also die Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung ist eine
Verhaltensdiagnose, die eine gemischte Gruppe von störendem Verhalten
beschreibt. Die Diagnose wird gestellt, wenn das Verhalten für das Kind
Schwierigkeiten in den Bereichen Entwicklung, Verhalten und Leistung,
Familienbeziehungen und sozialer Interaktion mit sich bringt. Vor Allem drei
Merkmale sind augenfällig: Unaufmerksamkeit, waghalsige Impulsivität und (nicht
immer auch vorhanden) Hyperaktivität. Die Kinder haben Mühe aufmerksam zu sein,
still zu sitzen, Gefühle zu steuern, vor dem Reden zu denken, sie sind meist
furchtlos, warten ungern, halten sich selten an Regeln und haben Schwierigkeiten
Beziehungen zu knüpfen. AD/HS liegt nur vor wenn all diese Probleme gehäuft und
mit hoher Intensität auftreten, und über die Entwicklung hinweg konstant bleiben,
sonst liegt nur eine Übertreibung von altersgerechtem Verhalten vor. Die Symptome
können allerdings auch Folge anderer auslösender Faktoren sein, z.B. Frustration,
mangelnde Motivation oder emotionale Probleme. Wenn die Symptome schwer sind
wird meist zusätzlich medikamentös behandelt, jedoch sind Medikamente kein Ersatz
für das Lehren von Strategien um mit der Störung zurecht zu kommen.
Häufig ist hier auch Komorbidität zu beobachten, das heißt mehrere Symptome
liegen gleichzeitig vor. Weitere auftretende Probleme betreffen die Gesundheit, die
Entwicklung, das Verhalten, die Sozialisation, das Gefühlsleben und die Schule.
Vielfach treten auch spezifische Lernschwierigkeiten in den Bereichen Lesen,
Schreiben oder Rechnen auf, außerdem bewirken die oft negativen Rückmeldungen
ein meist niedriges Selbstwertgefühl.
AD/HS ist zwar eine medizinische Diagnose, jedoch gibt es keinen medizinischen
Test zum Nachweis, eine festgelegte Demarkationslinie anhand von Größen ist eher
willkürlich. Auch wenn eine Störung vorliegt ist das Kind nicht unbedingt behindert,
wenn sich seine Umwelt an seine Bedürfnisse anpasst.
Die primären Symptome sind Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität, die
sekundären Symptome sind Verhaltensschwierigkeiten, schlechte schulische
Leistungen, Lernschwierigkeiten, schlechte Beziehungen zu Gleichaltrigen und ein
negatives Selbstwertgefühl. Als kognitive Defizite sind der Mangel an anhaltender
Aufmerksamkeit und die fehlende Hemmung von impulsiven Reaktionen zu nennen.
Zwischen 0,03% und 3% aller Kinder sind betroffen, die große Schwankung resultiert
aus den unterschiedlichen Kriterien in verschiedenen Ländern.
Wenn man den Entwicklungsverlauf betrachtet, sieht man, dass bereits in der frühen
Kindheit Schlafstörungen auftreten, die Kinder sind reizbar, unruhig und weinerlich.
Im Vorschulalter zeigen sie sich aktiver und forschungsfreudiger als andere Kinder,
jedoch ist ihr Verhalten wegen der Impulsivität oft schwierig. In der frühen Schulzeit
zeigt sich dann der Mangel an Aufmerksamkeit und Konzentration, außerdem die
spezifischen Lernschwierigkeiten und die Schwierigkeiten im Umgang mit
Gleichaltrigen. Im Jugendalter geht die Hyperaktivität in manchen Fällen zurück,
Aufmerksamkeitsmängel, Impulsivität und Erregbarkeit bleiben aber und häufig treten
dann auch oppositionelle Verhaltensstörungen auf. Im Erwachsenenalter halten zu
60% Wahrscheinlichkeit die Schwierigkeiten an und andere emotionale und
Verhaltensstörungen kommen hinzu.
Die Ursachen sind nicht genau geklärt, von biologischen Gesichtspunkten aus
gesehen sind neurologische und biochemische Prozesse verantwortlich, es wird
auch Vererbung vermutet. Bezüglich der Bioumwelt betrachtet liegt eine Interaktion
zwischen der Biologie des Individuums und Umweltauslösern vor. Wenn man bei der
Umwelt sucht, findet man, dass ein dysfunktionales soziales Umfeld in Familie und
Schule zur Unaufmerksamkeit und Überaktivität beiträgt, die Umwelt nimmt in jedem
Fall Einfluss auf Verlauf und Endergebnis. Es ist eine komplexe Interaktion zwischen
dem Umfeld des Kindes und seinem körperlichen und psychischen Zustand
anzunehmen.
Die Kriterien für eine Diagnose sind, dass die Symptome vor dem Alter von sieben
Jahren aufgetreten sind, und mindestens sechs Monate andauern, außerdem muss
die Abweichung von der Entwicklung offensichtlich sein. Zudem muss eine
funktionale Beeinträchtigung vorliegen, und es muss die Gewissheit bestehen, dass
die Symptome nicht das Resultat anderer Störungen oder Einflüsse sind.
Man unterscheidet AD/HS vom vorwiegend unaufmerksamen Typus (also ohne
Hyperaktivität), von AD/HS vom vorwiegend hyperaktiven Typus (also ohne
Aufmerksamkeitsstörung) und von AD/HS im Mischtypus (bei dem also beides
vorliegt). Bei einer Diagnose sollte mit Eltern, Lehrern Psychologen und Ärzten
Rücksprache gehalten werden, dann wird ein individueller Behandlungsplan
aufgestellt.
In der Schule ist es vor Allem wichtig, dass das Kind sich nicht von Gleichaltrigen
abgelehnt fühlt, außerdem muss man ihm Gelegenheiten bieten sich in der Schule zu
bewähren. Ein Kind mit AD/HS benötigt ein gut strukturiertes Umfeld, es braucht
tägliche Routine, die ihm z.B. ein Hausaufgabenheft bieten kann, außerdem muss
man dem Kind einen ruhigen Platz zur Verfügung stellen an den es sich
zurückziehen kann. Um das Kind sowenig Ablenkung wie möglich auszusetzen,
sollte man es soweit wie möglich von Störenfrieden wegsetzen und es permanent
dazu anhalten seinen Arbeitsplatz in Ordnung zu halten. Das Kind braucht
angemessene Aufgaben, mit positiven Zwischenergebnissen, die es motivieren. Der
Geräuschpegel sollte immer auf einer angemessenen Höhe bleiben. Für einen Erfolg
muss das Kind belohnt werden, es braucht einfache, klare Aufgaben und Regeln,
positives Verhalten muss häufig bestärkt, negatives Verhalten jedoch durch
Ignorieren oder Auszeiten bestraft werden. Die sozialen Fähigkeiten müssen
gefördert werden, der Unterricht muss kleinschrittig vorangehen, man sollte
mündliche Antworten zulassen, die schriftlichen Anforderungen dagegen reduzieren,
wichtig ist, dass der Lehrer immer ruhig bleibt. Man sollte verschiedene Lernformen
ausprobieren, sollte jedoch beachten, dass die offenen Aufgabentypen der
Projektarbeit straffer organisiert werden müssen. Man muss außerdem der
Vergesslichkeit entgegenwirken und Augenkontakt fördern. Die Eltern sollten immer
genau über den Schulalltag informiert sein, damit sie beim organisieren helfen
können.
Ritalin wird häufig bei AD/HS eingesetzt und zeigt hier eine außerordentliche
Wirkung. Die Fortschritte, die die Kinder darauf erzielen, sind das Resultat der
größeren Aufmerksamkeit und der verringerten Ablenkbarkeit. Das Medikament
zeigt wenig Nebenwirkungen und führt nicht zur Sucht, dennoch kann es eine
psychosoziale Intervention nicht ersetzen, Medikamente sollten nie die anfängliche
oder einzige Behandlungsform sein.
Bei einer Überweisung an eine Sonderschule ist zu beachten, dass das Kind solange
wie möglich in seiner gewohnten Umgebung und Klasse verbleiben sollte. Nur wenn
die Schwierigkeiten langfristiger Art sind und seine Entwicklung oder die der anderen
Kinder schwer beeinträchtig sind, und außerdem die Leistungen in der normalen
Schulsituation nicht verbessert werden können sollte diese Maßnahme ergriffen
werden.
Störungen des Sozialverhaltens, der Kommunikation und
Persönlichkeitsstörungen: Aggression und Gewalttätigkeit
Zunächst eine Definition: Ein Schüler ist Gewalt ausgesetzt oder wird gemobbt, wenn
er oder sie über eine längere Zeit den negativen Handlungen eines oder mehrerer
anderer Schüler oder Schülerinnen ausgesetzt ist. Negative Handlungen bedeutet,
dass der andere absichtlich verletzt wird, oder ihm Unannehmlichkeiten bereitet
werden, dies kann verbal geschehen oder mit Körperkontakt, also physische
Aggressionen, es kann jedoch auch ohne beides passieren, z.B. durch Ausschluss
aus einer Gruppe. Außerdem muss damit Mobbing vorliegt ein Ungleichgewicht der
Kräfte vorhanden sein, der eine muss also deutlich unterlegen sein. Man
unterscheidet unmittelbare Gewalt, also offene Angriffe von mittelbarerer Gewalt,
also beispielsweise gesellschaftliche Ausgrenzung.
Der Prozentsatz der Schüler die Gewaltopfer werden fällt mit ansteigender
Klassenstufe, vor allem bei physischen Mitteln, was darauf zurückzuführen ist, dass
meist ältere Schüler jüngere terrorisieren, deswegen ist auch beim Prozentsatz der
Gewalttäter kein Rückgang zu verzeichnen.
Jungen sind etwas öfter Opfer von physischer Gewalt als Mädchen, Mädchen
werden stattdessen eher Opfer raffinierterer mittelbarer Formen der Gewalt. Ein
Großteil der Gewalt, bei denen Mädchen Opfer werden, wird von Jungs ausgeübt,
die generell den deutlich höheren Prozentsatz der Gewalttäter stellen. Lehrer
unternehmen meist wenig dagegen. Die Eltern von gemobbten, und vor allem die der
mobbenden Kinder wissen oft wenig von dem Problem und reden mit ihren Kindern
selten darüber.
Man kann vor allem zwei Formen der typischen Gewaltopfer ausmachen, davon ist
der passive bzw. ergebene Opfertyp um einiges häufiger zu finden. Diese Kinder sind
meist ängstlich, unsicher, vorsichtig, empfindsam, still und reagieren oft mit Weinen
oder Rückzug. Sie haben ein niedriges Selbstwertgefühl, denn sie halten sich für
Versager, dumm, wenig anziehend und schämen sich. Auch ist bei ihnen oft eine
Überbehütung durch die Mutter festzustellen, die aber sowohl Ursache aber auch
Folge der Gewalttätigkeit sein kann. Zum anderen gibt es noch provozierende Opfer,
ihr Verhalten löst oft Ärger und Spannungen aus.
Die typischen Gewalttäter sind aggressiv gegenüber Gleichaltrigen, aber auch
Erwachsenen, sie sind impulsiv und haben das Bedürfnis Macht auszuüben und sie
zeigen wenig Mitgefühl. Die gängige Auffassung solche Kinder wollten durch ihr
aggressives Verhalten nur ihre eigene Unsicherheit kompensieren hat sich als falsch
herausgestellt, sie haben im Allgemeinen eine sehr hohe Meinung von sich selbst
und sind weniger ängstlich und unsicher als Gleichaltrige. Die zweite Art, die wir hier
finden sind passive Gewalttäter, die man auch als Mitläufer und Gefolgsleute
bezeichnen kann. Gewalttäter sind in der Klasse eher unterdurchschnittlich beliebt.
Normalerweise sind die aggressiven Reaktionsmuster auch mit körperlicher Stärke
verbunden.
Für die Gewaltanwendung gibt es hauptsächlich drei Motive: Ein Bedürfnis zur
Machtausübung, familiäre Bedingungen und eine instrumentelle Komponente,
beispielsweise wenn die Kinder sich von ihren Opfern Zigaretten oder Geld
beschaffen lassen. Aber die Gewalttätigkeit kann auch eine Komponente eines
allgemein gesetzesbrecherischen und sozialfeindlichen Verhaltensmusters sein,
dann besteht für die Kinder ein erhöhtes Risiko später straffällig zu werden.
Bei Erziehungsstilen und anderen Bedingungen die zur Entwicklung eines positiven
Reaktionsmusters führen sind vier Faktoren zu nennen: Die emotionale
Grundeinstellung der Eltern, also vorhandene oder fehlende Wärme und
Anteilnahme, die entgegengebrachte Toleranz und Liberalität bei aggressivem
Verhalten, Anwendung von machtbezogenen Erziehungsmethoden, wie z.B.
körperliche Züchtigung, und das Temperament des Kindes.
Nicht im Zusammenhang mit dem Aggressionsniveau stehen dagegen
sozioökonomische Bedingungen der Familie, wie Höhe des Einkommens, Dauer der
Erziehung und Wohnstandarts etc.. Wie hingegen die Opferproblematik entsteht ist
weitgehend unklar, aber Maßnahmen um ihr entgegenzuwirken wären beispielsweise
die Erziehung zu mehr Unabhängigkeit und Selbstvertrauen und zur Fähigkeit sich
durchzusetzen.
Sollte in einer Klasse ein Kind ein anderes Mobben werden Gruppenmechanismen
wirksam: Ein Vorbild für gewalttätiges Verhalten beeinflusst unsichere und abhängige
Schüler, man spricht in dem Fall von sozialer Ansteckung. Sollte das aggressive
Verhalten dann auch noch belohnt werden, beispielsweise dadurch dass es toleriert
wird, sinkt die Hemmschwelle bei anderen Schülern, darum ist es wichtig, dass sofort
eingeschritten wird. Wenn mehrere an der Gewalt beteiligt sind, sinkt auch das
Gefühl der individuellen Verantwortung („die anderen haben es ja auch gemacht“).
Wenn das Opfer über eine längere Zeit gemobbt wird, verändert sich auch seine
Wahrnehmung durch die Mitschüler, er wird mit der Zeit als wertloser Mensch
gesehen. Ein zusätzlicher Faktor, der die Entstehung von Gewalt mitbedingt ist
Gewalt in Fernsehen, Videos und Film.
Der Grad der Gewaltprobleme an einer Schule ist abhängig von der Menge der
aggressionsverursachenden Faktoren in einem Gebiet und der Stärke der
entgegenwirkenden Kräfte, also beispielsweise das Verhalten des Schulpersonals,
vor allem der Lehrkräfte.
Ein Interventionsprogramm um mit dem Problem fertig zuwerden muss auf allen
Ebenen wirksam werden: Auf Schulebene sollten Maßnahmen ergriffen werden, wie
das Initiieren einer Fragebogenerhebung um die Ausmaße festzustellen, das
Abhalten eines pädagogischen Tags zur Gewalt und Gewaltprävention an unserer
Schule, außerdem eine Schulkonferenz, um einen gemeinsamen Kurs festzulegen,
aber auch bessere Pausenaufsicht, ein schönerer Schulhof, ein Kontakttelephon,
und Kooperation zwischen Lehrern und Eltern zeigen sich als wirksam. Auf der
Klassenebene sollten Klassenregeln gegen Gewalt bestehen, es sollten regelmäßige
Klassengespräche stattfinden und durch Rollenspiele und entsprechende Literatur
sollte den Schülern die Sicht des Opfers nähergebracht werden. Auch kooperatives
Lernen und positive Klassenaktivitäten können die Gewalt einschränken. Auf
persönlicher Ebene sollten sowohl mit Opfern und Tätern als auch mit den Eltern der
Täter ernsthafte Gespräche stattfinden, neutrale Schüler sollten den Opfern helfen,
zur Not wird ein Klassen- oder Schulwechsel nötig.
An der Diskussion über die Regeln sollten die Schüler aktiv beteiligt sein, sie können
etwa so lauten: Wir werden andere Schüler nicht mobben, wir werden versuchen
gemobbten Schülern zu helfen, wir werden uns bemühen ausgegrenzte Schüler
einzubeziehen. Auch die passive Beteiligung an Gewalt muss erörtert werden, denn
es muss das Bewusstsein geschaffen werden dass auch ein Mitläufer Komplize ist
und so die Verantwortung selbst trägt. Positive Handlungen sollten deutlich gelobt,
negative dagegen konsequent bestraft werden, hierzu eignen sich ernsthafte
persönliche Gespräche mit dem Lehrer oder Schulleiter, oder den Schüler in den
Pausen vor dem Büro des Schulleiters sitzen zu lassen, bzw. ihn in die Nähe der
aufsichtführenden Lehrkraft zu zitieren. Man kann den Schüler auch zeitweilig in eine
andere Klasse versetzen oder ihm Privilegien entziehen und sich mit seinen Eltern in
Verbindung setzen. Wichtig ist, dass die Klasse ein natürliches Forum hat, in dem
solche Sachen geregelt werden, wenn dies regelmäßig stattfindet wird auf den
mobbenden Schüler ein gewisser Gruppendruck ausgeübt.
Disziplin und Erziehungsschwierigkeiten:
Methoden, die der Lehrer wegen des schlechten Betragens eines Schülers ergreift,
können auch andere Kinder mit beeinflussen, dieses Phänomen nennt man
Welleneffekt. Es zeigt sich, dass die Art der Reaktion auf die Störung keinen Einfluss
auf die Entstehung von Welleneffekten hat, jedoch treten sie nicht immer auf, die
Bedingungen für ihre Entstehung sind also sehr komplex.
Man findet mehrere Dimensionen des Lehrerverhaltens, die mit guter Mitarbeit und
geringem Fehlverhalten einhergehen: Die erste wird withitness (Dabeisein, Präsenz)
und overlapping (Überlappung) genannt. Withitness meint den Eindruck zu
erwecken, dass dem eigenen Blick nichts entgeht, Schüler beschreiben dies oft als
Augen am Hinterkopf, overlapping bezeichnet die Fähigkeit mehrere Sachen
gleichzeitig tun und wahrnehmen zu können, also z.B. dem einen Schüler zuzuhören
während man die Störungen des anderen eindämmt. Lehrkräfte die Probleme mit der
Disziplin in ihrer Klasse haben, reagieren oft erst dann auf Störungen wenn sie sich
bereits ausgebreitet haben oder wenn sie richtig schlimm werden, wichtig ist die
richtigen Schüler rechtzeitig zu ermahnen. Die zweite Dimension nennt sich
Reibungslosigkeit und Schwung und betrifft vor allem die Übergänge zwischen
verschiedenen Aktivitäten. Die dritte Dimension ist die Aufrechterhaltung des
Gruppenfokus, was bedeutet gleichzeitig möglichst viele andere Schüler zu
aktivieren, die eigentlich gar nicht dran sind. Hier werden zwei Aspekte für die
Mitarbeit bedeutsam: Zunächst die Gruppenmobilisierung, denn die Art der
Ansprache bewirkt ob die Schüler damit rechnen gleich drangenommen zu werden,
so ist es beispielsweise ungeschickt eine Frage direkt an einen aufgerufenen Schüler
zu stellen und nicht an die ganze Klasse. Als zweites ist das Rechenschaftsprinzip zu
nennen, was bedeutet, dass immer die Leistungen von möglichst vielen Schülern
kontrolliert werden sollten. Die vierte Dimension ist die Vermeidung von Überdruss
durch stimulierende Anstöße an Überleitungsstellen und durch Abwechslung.
Wichtiger als das Eindämmen von Störungen ist die Prävention, also Mittel, die man
einsetzen kann, damit es gar nicht erst zu Disziplinproblemen kommt. Hier ist
zunächst die Prävention durch Aktivierung zu nennen, dieser Punkt bezieht sich
hauptsächlich auf die Unterrichtsführung, denn ein motivierender Unterricht führt zur
Aktivierung vieler, möglichst aller Schüler. Nötig ist eine anregende Darbietung, denn
es ist unrealistisch zu erwarten, dass sich alle Schüler für alles interessieren, also
dass die Interessantheit des Stoffes eine ausreichende Anregung darstellt. Wichtig ist
vielmehr das Ausdrucksverhalten des Lehrers, also seine Stimme, Mimik und Gestik
sowie seine Bewegungen im Raum, das einen Vortrag interessant machen. Auch das
Frageverhalten ist hier eine wichtige Komponente, es sollten sich immer alle Schüler
angesprochen und herausgefordert fühlen, auch wäre meist eine gewisse Zeit zum
Nachdenken sinnvoll, da sonst die Langsameren Schüler sich das Nachdenken
sparen und sofort abschalten. Beim Aufnehmen der Antworten müssen alle Schüler
aufgerufen werden können. Bei Still- und Gruppenarbeit sollen alle nebeneinander
aktiv sein, deswegen sollten die Aufgaben nicht zu schwer sondern mit Anstrengung
lösbar sein, die Instruktion muss präzise erfolgen, die Texte sollten lesbar also
verständlich sein und im Anschluss muss eine breite Kontrolle der Ergebnisse
erfolgen. Gruppenunterricht schafft kooperatives Lernen, er funktioniert aber nicht
von selbst, sondern muss erst gelernt werden. Außerdem sollte jeder einzelne für die
Leistungen der Gruppe individuell verantwortlich sein. Positive Kommentare von
Seiten des Lehrers sind deswegen wichtig, weil es sich lohnen muss aktiv zu sein,
denn nicht jeder sieht den Lohn seiner Arbeit im Lernfortschritt er muss zusätzlich
durch die Reaktion der Lehrkraft erfolgen. Dass bedeutet Beiträge anzunehmen und
an die Tafel zu schreiben etc.. Das Lob sollte nicht aus abgenutzten Floskeln
bestehen und sich präzise auf die Leistung beziehen. Für schriftliche Kommentare
und für das Lob in persönlichen Gesprächen bietet sich eine
individuelle
Bezugsnorm an.
Prävention durch Unterrichtsfluss bedeutet die Vermeidung von Unterbrechungen.
Man sollte also Wartezeiten vermeiden und zügig von einer Aktivität in die nächste
wechseln, klare Instruktionen an der Tafel oder auf Arbeitsblättern helfen dabei. Auch
eigene Störungen sollte man unterlassen, denn oft sind die Reaktionen auf
Fehlverhalten störender als ihr Anlass und kosten mehr Lernzeit.
Prävention geschieht auch durch klare Regeln, bei der Einführung ist darauf zu
achten, dass möglichst alle Lehrer zumindest einer Klasse gemeinsame Regeln
haben, damit diese nicht so willkürlich erscheinen. Auch sollten es sowenig Regeln
sein wie möglich, die so einsichtig sind wie möglich. Man sollte eine positive
Formulierung wählen, also nicht Verbote sondern Gebote. Außerdem muss man
seine eigenen Regeln ernstnehmen, also ihre Einhaltung auch konsequent verfolgen.
Prävention durch Präsenz- und Stoppsignale also beispielsweise durch Blickkontakt,
zeigen sich sehr wirksam. Zu den nonverbalen Signalen gehört alles gut zu
überblicken, sich zu bewegen und Störungen durch Anblicken, Mimik oder eine
dämpfende Handbewegung sofort zu ersticken. Das erfordert natürlich die oben
erwähnte Überlappung. Verbale Signale sollten zur Unterbrechungsvermeidung kurz
und knapp sein, sie sollten zunächst begrenzen und dann (wenn die Störung
eingestellt ist) bekräftigen. Anordnungen sollten in Form einer Bitte geäußert werden,
das Eingreifen sollte frühzeitig erfolgen. Die Toleranzgrenzen müssen klar definiert
sein, anfangs wird das Eingreifen häufig erforderlich sein, später dann weniger. Man
sollte dabei alle Schüler beachten.
Wenn ein Konflikt dennoch auftritt sollte die Intervention in folgenden Schritten
geschehen: Der Tadel muss begründet werden, dann sollte man nach dem
Geschehen fragen und bei der Antwort aktiv zuhören, Ich-Botschaften signalisieren
hier Offenheit. Die Frage nach Lösungen kann man an einzelne richten oder an die
Klasse. Sollte man ein Einzelgespräch führen, müssen die Klärung des Sachverhalts
und die Forderung nach Verhaltensänderung zwei deutlich unterscheidbare Phasen
sein, da sonst der Schüler bereits in der Klärungsphase in eine Verteidigungsposition
gedrängt wird und keine ehrliche Klärung gelingen kann. Das konstruktive
Konfliktgespräch nach Gordon ist eine niederlagelose Form der Intervention, d.h.
keiner fühlt sich danach als Verlierer der Auseinandersetzung. Viel Gewicht wird hier
auf aktives Zuhören, Ich-Botschaften und die Unterscheidung zwischen Sach- und
Beziehungsaspekten gelegt. Man beginnt mit einer Definition des Problems, sammelt
dann Lösungsvorschläge, die erst nach Abschluss dieser Phase gewertet werden.
Dann wird eine Entscheidung getroffen, aber im Konsens und nicht nach
Mehrheitsbeschluss, denn alle müssen mit der Lösung leben können. Die
Entscheidung wird dann realisiert und der Erfolg anschließend beurteilt und die
Entscheidung dann gegebenenfalls geändert.
Angst
Angst ist eine Emotion, tritt aber dennoch in Verbindung mit körperlichen Reaktionen
auf, wie motorische Verspannungen und vegetativ automatischen Reaktionen, also
beschleunigte Herzfrequenz, Schwitzen Erröten, Erblassen, Kälte- oder
Hitzewallungen, trockenem Mund, etc.. Klinisch wird die Angst dann, wenn sie in
diffuser Weise, oder aber objekt- bzw. situationsbezogen ein abnormes Ausmaß
annimmt, letzteres nennt man Phobien. Man beobachtet hier häufig eine
Komorbidität mit depressiven, phobischen oder zwanghaften Symptomen. Beispiele
für verschiedene klinische Fälle von Angst sind Trennungsangst, Panikstörung,
generalisierte Angststörung und Störung mit sozialer Überempfindlichkeit, also Angst
vor Fremden und sozialen Begegnungen etc..
Trennungsängste äußern sich bei der Reaktion auf eine Trennung, durch depressive
Gefühle des Verlustes und einer Sehnsucht nach Wiedervereinigung, sowie
irrationale Befürchtungen über potentielle Gefahren für die Familie. Diese Störung
tritt häufig abrupt und unerwartet auf.
Eine Schulphobie ist im Kern eine Trennungsangst, und liegt meist in Verbindung mit
einer übermäßig engen Bindung an die primäre Bezugsperson vor. Die Kinder haben
Befürchtungen was der Mutter während der Abwesenheit zustoßen könnte, sie
zeigen extreme Ängstlichkeit, depressive Verstimmung und meist auch körperliche
Symptome, es liegt also meist eine Somatisierung vor.
Schulangst ist eine direkt auf die schule gerichtete Angst und ist meist gepaart mit
Leistungsängsten und Lernschwächen. Bei einer generalisierten Angststörung liegen
Angstzustände mit diffuser innerer Spannung und Unruhe vor. Bei einer
Panikstörung treten unvorhergesehene schwere Angstattacken auf, die meist nach
wenigen Minuten wieder vorbei sind. Andere Bilder sind beispielsweise die Störung
mit sozialer Überempfindlichkeit oder Mutismus.
Ursachenfaktoren für die Entstehung einer Angststörung liegen im Temperament des
Kindes, denn oft zeigt sich schon früh eine generelle Ängstlichkeit, außerdem in
belastenden Umweltveränderungen, also Trennungserfahrungen oder die
Erkrankung bzw. der Verlust von Bezugspersonen. Wie solche Belastungen bewältigt
werden hängt vom Entwicklungsstand des Kindes, von der Qualität der
Familienbeziehungen und von der Modellfunktion der Eltern ab.
Eine Phobie sind nicht situationsangemessene Ängste vor Objekten oder
Situationen, die zur Vermeidung führen. Die Symptome sind altersgebunden, im
Kindesalter kommt beispielsweise die Angst vor Tieren, Dunkelheit, Verletzung und
Tod vor, im Schulalter dagegen soziale Phobien und in der Adoleszens
beispielsweise die Agoraphobie. Bedingende Faktoren für die Entstehung sind z.B.
traumatische Erlebnisse, das Temperament des Kindes und ängstliche Modelle.
Phobien gelten als gelernte Reaktionen, deshalb ist die erfolgreichste Therapie eine
systematische Desensibilisierung. Dies ist eine verhaltenstherapeutische Methode, in
der eine allmähliche Annäherung an das Angstbesetzte Objekt oder die Situation
erfolgt, während gleichzeitig gegenkonditioniert wird, z.B. mit körperlichen
Entspannungsübungen.
Sozialer Rückzug
Die Verhaltensweisen und Probleme eines sozial unsicheren Kindes variieren
kindspezifisch und aufgrund von unterschiedlichen Sozialisationshintergründen,
dennoch haben die meisten Kinder kaum Kontakt zu Gleichaltrigen, sind sozial
isoliert, weisen ein sozial inkompetentes Verhalten auf, sind gehemmt, schüchtern,
unsicher und ängstlich.
Allen ist gemeinsam, dass sie in ausgeprägter Weise selbstzentriert sind, motorische
Unruhe zeigen, und man die Anzeichen des unsicheren Verhaltens auch im
Gesichts- und Körperausdruck findet, beispielsweise vermeiden von Blickkontakt,
verkrampfen, etc.. Außerdem leben alle in sozialer Isolation und halten an
Sicherheitssignalen fest, was bedeutet, dass sie die Wohnung nicht verlassen wollen
und sich ungern von ihrer Mutter trennen.
Über diese Symptomatik hinaus lassen sich zwei Typen unterscheiden: Der erste
zeigt generelles Verweigerungsverhalten, diese Kinder haben die Tendenz keinen
sozialen Verpflichtungen nachzukommen, sie sind meist von der Familie
überbeschützt und sehen deshalb keine Notwendigkeit Kontakt zu Gleichaltrigen zu
suchen oder ihren Verpflichtungen in der Familie nachzukommen. Auch findet man
eine ausgeprägte Furcht vor Misserfolg, da ihnen solche Erfahrungen wegen der
Überbehütung fehlen und die Kinder so nicht lernen können damit umzugehen.
Einige dieser Kinder reden sehr viel, oft zum Selbstschutz, und können sich lange
und befriedigend mit sich selbst beschäftigen und ziehen sich dabei in eine
Phantasiewelt zurück.
Der zweite Typ zeigt passives und initiativeloses Verhalten, die Kinder sind meist von
ihrer Familie nicht akzeptiert, sie erzählen nichts, bitten um nichts, wirken nach
außen verschlossen, können sich nicht selbst behaupten und nein sagen.
Die Entwicklung sozial unsicheren Verhaltens ist vergleichbar mit der Entwicklung
von Hilflosigkeit, zwei Faktoren sind hier ausschlaggebend: Die Unkontrollierbarkeit
und die Unvorhersagbarkeit. Unkontrollierbarkeit entsteht für Kinder sowohl durch
Verwöhnen als auch durch Vernachlässigung, Überbehütung schränkt das Kind ein,
es kann seine Ziele nicht erreichen und erlebt so permanent Misserfolge.
Verwöhnung stellt einen unausweichlichen positiven Reiz dar, den das Kind durch
sein Verhalten nicht beeinflussen kann, Vernachlässigung dagegen ist ein ständiger,
unausweichlicher aversiver Reiz, beides empfindet das Kind also als nicht
kontrollierbar. Unvorhersagbarkeit erfährt das Kind beispielsweise bei der Geburt von
Geschwistern, einer zweiten Heirat der Mutter oder beim Verlust von Freunden oder
Familienmitgliedern, auch ein inkonsistenter Erziehungsstil lässt keinerlei
Verhaltensvoraussagen für das Kind zu, und ist damit unkontrollierbar. Das Kind
kann in diesen Fällen die Verbindung zwischen eigenem Handeln und der Reaktion
der Umwelt nicht erkennen.
Der oben beschriebene erste Typ wird Sonntagskinder genannt, sie erfahren ihre
Unkontrollierbarkeitsbedingungen vor allem durch Überbehütung und Verwöhnen, sie
verstehen deshalb den Zusammenhang zwischen Misserfolg und ihrem eigenen
Verhalten nicht. Der oben genannte zweite Typ wird als deprivierte Kinder
bezeichnet, sie erfahren ihre Unvorhersagbarkeit und Unkontrollierbarkeit durch
Vernachlässigung, sie haben durch ihr eigenes Handeln keinen Einfluss darauf, ob
die Eltern Zeit mit ihnen verbringen oder nicht. Sie erfahren von ihrer Familie keine
Sicherheitssignale und durch das meist noch zusätzliche inkonsistente
Erziehungsverhalten entsteht soziale Angst.
Je nach Typ unterscheidet sich das Selbstkonzept, abhängig von den jeweiligen
Attributionsmustern: Die Sonntagskinder attribuieren Erfolg internal stabil, dagegen
Misserfolg external, daraus ergibt sich ein positives Selbst- aber ein negatives
Fremdbild. Deprivierte Kinder attribuieren Erfolg external, Misserfolg aber internal
und stabil, für sie ergibt sich so ein negatives Selbst- und Fremdbild.
Bei der Entwicklung von sozial unsicherem Verhalten ist der Kreislauf der Selbst- und
Fremdverstärkung zu berücksichtigen, da das Kind die Anwesenheit von
Sicherheitssignalen als angenehm empfindet, hält es sich überwiegend zuhause und
bei den Eltern auf, so meidet es soziale Kontakte und erfährt durch die mangelnde
Übung im Umgang mit Gleichaltrigen soziale Misserfolge, worauf das Bedürfnis nach
Sicherheitssignalen verstärkt wird. Das Kind lernt so nicht, dass auch das
Zusammensein mit Gleichaltrigen ein Sicherheitssignal sein kann, wenn die Eltern es
dann in Schutz nehmen verschlimmert sich die Situation noch.
Delinquenz
Eine Straftat liegt vor, wenn eine Tat oder Unterlassung einen rechtlichen
Straftatbestand erfüllt und derjenige die Verantwortung dafür trägt, er also
strafmündig ist und Handlungsalternativen vorhanden waren. Das Strafrecht ist die
moralische Überzeugung der Mehrheit der Bürger allerdings können auch Minoritäten
einen Wandel herbeiführen. Delinquenz ist psychologisch betrachtet nicht homogen
und muss deshalb differenziert werden. Psychologisch können Straftaten z.B. nach
Handlungszielen, -situationen, und –alternativen sowie nach normativen
Überzeugungen und Selbstkompetenz des Täters analysiert werden. Bezüglich der
Täterpersönlichkeit lassen sich keine allgemeinen Normen festlegen, denn nicht alle
haben Defizite in der Selbstkontrolle ihrer Triebe und Affekte oder Mangel an
Zukunftsperspektiven. Es zeigt sich, dass ein Großteil der Straftaten von einer
kleinen Zahl von Vielfachtätern begangen wird.
Aufgrund von Risikofaktoren lassen sich Delinquenzprognosen erstellen, denn
Studien ergeben eine Abhängigkeit von Variablen der Elternfamilie, also Kriminalität
der
Eltern,
zerbrochene
Ehen,
Wohnungsverhältnisse,
wirtschaftliche
Schwierigkeiten, chaotische Lebensführung, feindselige und konfliktreiche
Interaktion, inkonsistente Aufsicht, harte Strafen, etc.. Aber auch von Kontakten zu
Delinquenten, Leistungsdefiziten, schlechten Schulleistungen, Schulabbruch, rasch
wechselnde Jobs und häufiger Arbeitslosigkeit ist eine Abhängigkeit festzustellen,
außerdem zu Verhaltensauffälligkeiten wie Aggressivität, Problemtrinken,
Drogengebrauch und Impulsivität. Jedoch ist hier nicht festzustellen, was Ursache
und was Folge ist, und ob nicht mehrere Merkmale nur Symptome eines anderen
sind. Risikofaktoren müssen also eindeutig identifiziert werden, damit man ihnen mit
Schutzfaktoren begegnen kann, also protektiven bzw. immunisierenden Faktoren,
wie eine positive Beziehung zur Mutter, schulische Motivation oder schulischer
Erfolg. Eine Frühprognose ist aber nur möglich wenn es eine Kontinuität in der
Delinquenzentwicklung gibt, also Prädikatoren für die weitere Lebensspanne. Aber
die Delinquenz variiert in ihrer Art und Häufigkeit mit dem Lebensalter, sie erreicht
ihren Höhepunkt zwischen 16 und 20 Jahren.
Die Mehrheit aller Jugendlichen begeht gelegentlich Straftaten, dieser Anstieg im
Jugendalter und die Abnahme im Erwachsenenalter ist erklärungsbedüftig. Wir finden
zwei Täterkategorien, die persistent Delinquenten zeigen von der frühen Kindheit bis
ins höhere Erwachsenenalter antisoziales Verhalten, bei den Jugenddelinquenten
tritt dieses Verhalten nur während der Jugend auf. Die ersten zeigen eine hohe
Kontinuität: Sie sind in der Kindheit unverträglich, ungehorsam und aggressiv,
begehen in den ersten Schuljahren kleinere Diebstähle, in den mittleren Schuljahren
dann größere. Ab 22 Jahren kommen dann Raub und Vergewaltigung dazu, ab 30
Gewalt in der Familie, Betrug und andere illegale Geschäfte. Die Formen wechseln
aufgrund der unterschiedlichen Gelegenheiten. Bei der zweiten Gruppe setzt das
antisoziale Verhalten in der Adoleszenz ein und wird im frühen Erwachsenenalter
wieder aufgegeben, sogar wenn schwere Straftaten begangen wurden. Dieses
diskontinuierliche
Phänomen
bedingt,
dass
man
Vorhersagen
von
Erwachsenendelinquenz allenfalls bei zehnjährigen, nicht aber bei fünfzehnjährigen
machen kann.
Die Erklärung für dieses Phänomen liegt in der Situation der Jugendlichen in der
modernen Gesellschaft: Frühe Sexualreife und später Abschluss der Ausbildung
führen dazu, dass die Zeitspanne zwischen biologischem und gesellschaftlichem
Erwachsensein immer weiter wächst. Den Jugendlichen bleiben die Privilegien der
Erwachsenen vorenthalten, also Autonomie, legale Drogen, wirtschaftliche
Unabhängigkeit, etc., diese versuchen sie sich durch Straftaten zu beschaffen. Der
Status eines Jugendlichen beruht auf seinem Schulerfolg und seinem symbolischen
Besitz z.B. Kleidung, sind in beiden bereichen Defizite vorhanden steigt das Risiko
des Delinquenz. Da die Jugenddelinquenz so häufig auftritt, kann man sie fast als
normales Entwicklungsphänomen bezeichnen, außerdem können keine weiteren
Verhaltensauffälligkeiten nachgewiesen werden. Aber die Jugenddelinquenz birgt
auch Risiken: Wenn Entwicklungsunfälle passieren, also z.B. Drogenabhängigkeit
oder frühe Schwangerschaft ist die Rückkehr in das normale soziale Gefüge oft nicht
mehr möglich. Sollte zum Beispiel durch eine Vorverurteilung die Delinquenz sozial
etikettiert sein kann das Fremdbild auf das Selbstbild einwirken, denn eine primäre
Devianz, also eine Abweichung von der Norm wird stabilisiert wenn sie entdeckt und
etikettiert wird. Außerdem hängt es von den Chancen, die der Jugendliche hat ab ob
er später auf seine delinquenten Verhaltensweisen zurückgreift.
Soziologische Theorien betrachten kaum die Entwicklung von Delinquenz, sie
Übersehen
deshalb
die
Differenzierung
zwischen
persistenten
und
Jugenddelinquenten, sie können deshalb einen Ausstieg kaum prognostizieren und
suggerieren so die Stabilität der Delinquenz. Biogenetische Theorien gehen davon
aus, dass nur antisoziales Verhalten in der Kindheit und im Erwachsenenalter, nicht
aber in der Jugend erblich ist. Zu beobachten ist auch, dass nur wenige ihre ersten
Straftaten nach dem Alter von 17 Jahren begehen.
Bei persistent antisozialem Verhalten liegen meist bereits Störungen in der Kindheit
vor, z.B. Hirnschädigungen, Aufmerksamkeitsstörungen, Störungen der motorischen
Koordination, Hyperaktivität und Impulsivität, dies führt zu unterdurchschnittlichen
kognitiven Leistungen. Auch treten bei vielen Kindern schon im Säuglingsalter
Irritierbarkeit, unstabile Tagesrythmen und exzessives Schreien auf, dadurch wird
natürlich auch ungünstiges Verhalten der Eltern provoziert, was sich dann wieder auf
das Verhalten des Kindes auswirkt. Delinquenz ist also auch
unter dem
Gesichtspunkt der Kind Umwelt Interaktion zu betrachten.
Drogenkonsum
Man muss zunächst eine Unterscheidung vornehmen zwischen Gebrauch und
Missbrauch: Missbrauch liegt vor wenn über einen längeren Zeitraum mittlere oder
großen Mengen konsumiert werden, unabhängig von der Art der Substanz,
außerdem auch wenn kleine Mengen in unangemessenen Situationen konsumiert
werden also z.B. am Ausbildungsplatz, hinterm Steuer oder alleine, d.h. ohne
Gesellschaft. Es ist auch als Missbrauch anzusehen wenn die physiologischen und
persönlichen Bedingungen für einen verantwortungsbewussten Umgang nicht
gegeben sind, wenn Anzeichen einer physischen Abhängigkeit auftreten, wenn
Gesundheit oder soziale Beziehungen Schaden nehmen, oder wenn Gewalttätigkeit
auftritt oder Rechtsbrüche erfolgen, beispielsweise im Rahmen der
Beschaffungskriminalität.
Häufigkeit und Menge des Alkoholkonsums steigen während der Jugend an und
fallen ab dem frühen Erwachsenenalter wieder ab, auch die Erwartung von Heirat
oder Elternschaft reduzieren den Gebrauch. Ab Anfang der 70ger hat sich der
Drogenkonsum stark verbreitet, dann aber wieder nachgelassen, während die
Zunahme durch die nachlassende Kontrolle der Familie zu erklären ist, sind die
Gründe für den anschließenden Abfall Veränderungen im politischen Bereich
bezüglich der Beschaffbarkeit, z.B. die Einführung des Jugendschutzgesetzes, und
die Erfahrung der negativen Effekte durch die Jugendlichen, am eigenen Leib oder
durch die Medien.
Bei den tatsächlichen Problemtrinkern finden sich fünf mal mehr Jungs als Mädchen,
außerdem sind urbane Gebiete mehr betroffen, und es zeigen sich auch
Unterschiede zwischen den ethnischen Gruppen. Frühe Risikofaktoren sind
genetischer, personaler und sozialökonomischer Art, außerdem setzt der Missbrauch
von Drogen den vorherigen Gebrauch von weniger problematischen Substanzen
voraus, man spricht hier von Einstiegsdrogen, sie sorgen für einen Abbau der
Hemmungen. Auch treten in Verbindung mit Drogenmissbrauch oft andere
Problemverhaltensweisen wie z.B. Delinquenz auf. Bei vielen dieser Jugendlichen
zeigten sich schon in der Kindheit Probleme mit der Selbststeuerung, die Eltern
weisen meist eine geringe Konventionalität auf, sie haben ihre Kinder wenig unter
Aufsicht und stellen ihnen kaum Herausforderungen, sie nehmen wenig Einfluss und
bieten wenig Unterstützung. Der autoritative Erziehungsstil hat sich jedoch bewärt
um Drogenproblemen vorzubeugen.
Wenn der Gebrauch von Alkohol und Drogen nur gelegentlich erfolgt und auf die
Jugend beschränkt bleibt ergeben sich keine negativen Folgen, in schwereren Fällen
kann es aber zu einer Beschleunigung des psychosozialen Übergangs in die
Erwachsenenrolle kommen, wenn beispielsweise der Drogenkonsum zu einem
Schulabbruch führt und der Jugendliche so deutlich früher in die Arbeitswelt eintritt.
Sollte ein Missbrauch vorliegen droht das langfristige Scheitern der Bewältigung
jugendspezifischer Entwicklungsaufgaben.
Vorbeugende Maßnahmen sind das Hinausschieben, Reduzieren und Einstellen des
Konsums. Bei der Primärprävention hat sich die Aufklärung über die Gefahren und
Risiken als ungeeignet erwiesen, da es die Neugier schürt. Sinnvoller sind
Maßnahmen, die die Jugendlichen befähigen den Verlockungen der Gleichaltrigen
zum Mitmachen zu widerstehen. Bei der Sekundärprävention gilt es den Übergang
vom Gebrauch zum Missbrauch zu verhindern, zum Beispiel durch das Anbieten
alternativer Aktivitäten.
Bei all diesen Maßnahmen geht es nicht darum den Gebrauch zu verhindern sondern
den Missbrauch, denn bestimmte Erfahrungen müssen gemacht werden,
Jugendliche ohne alterstypische Erfahrungen mit solchen Substanzen erweisen sich
meist als psychosozial schlechter angepasst.
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