Präsentation

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Fakultät für Psychologie
Arbeitsgruppe Klinische und
Gesundheitspsychologie
Lehr- und ForschungsPraxis
des Ordinariats Klinische Psychologie
Aufmerksamkeitsdefizit-/
Hyperaktivitätsstörung (AD/HS)
im Erwachsenenalter:
Ätiologie, Diagnostik und Therapie
Anastasia Sofianopoulou, MSc
Klinische Psychologin
Kognitive Verhaltenstherapeutin
Mitarbeiterin der LeFoP im Rahmen des Europäischen Programms
Leonardo Da Vinci
Falsche Annahmen über AD/HS
™ Rechtfertigung für unpassendes Verhalten
™ Beliebte Diagnose AD/HS
™ Nur Jungen können unter Hyperaktivität leiden
™ Erziehungsstil der Eltern und Lehrer verursacht AD/HS
™ Ausschließliche medikamentöse Behandlung wird als beste
Behandlungsmethode für AD/HS angesehen
™ Medikamente sind gefährlich und erzeugen ein
Suchtverhalten
Ablauf
™
Begriffsabklärung
™
Geschichte von AD/HS
™
Epidemiologie
™
Verlauf der Störung
™
Störungsbild bzw. Schwierigkeiten im Alltag
™
Diagnostische Kriterien
™
Ätiologie
™
Klinisch-psychologische Diagnostik
™
Komorbidität & Differenzialdiagnostik
™
Pharmakologische Behandlung
™
Klinisch-psychologische Behandlung
™
Zusammenfassung
DEFINITION VON AD/HS
Die
Aufmerksamkeitsdefizit-/
Hyperaktivitätsstörung
(AD/HS) ist eine, bereits im Kindesalter (vor dem 7.
Lebensjahr) beginnende psychische Störung, die sich primär
durch Konzentrationsschwierigkeiten, Schwierigkeiten in der
Impulskontrolle, sowie übertriebene Aktivität auszeichnet
(APA, 1994).
Die Störung steht auch im Zusammenhang mit heftigen
Problemen bzw. Schwierigkeiten im Jugend- und
Erwachsenenalter.
Geschichte von AD/HS
™ 1865: erste Fallbeschreibung von Heinrich Hoffman (dt. Physiologe)
™ 1902: Symptombeschreibung von G. Still, die AD/HS ähnlich sind
™ 1947: Amphetaminbehandlung im Erwachsenalter (Hill)
™ 1952: „Minimal Brain Damage“ und „Hyperkinetic Syndrom“ (DSM, APA)
™ 1963: „minimal brain dysfunction“, 99 Symptome werden aufgelistet
™ 1980: 3 Arten: AD/HS mit Hyperaktivität, AD/HS ohne Hyperaktivität, und
AD/HS „residual type“ im Erwachsenenalter (DSM-III, APA)
™ 1994: keine Kriterien für die Diagnose der Störung im Erwachsenenalter
(DSM-IV, APA)
™ 2003: „ADHS bei Erwachsenen“ Weiterbildungsschwerpunkt beim
Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie,
Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN)
Epidemiologie
™ Kindesalter
ƒ Zwischen 3 und 5% bis zu 20%
ƒ Studienabhängig (Stichprobe, Kriterien, Instrumente,
kultureller Kontext) (Barkley, 1998)
ƒ Junge : Mädchen Æ 1,5-12 : 1 (Mädchen Æ „silent minority“)
™ Im Erwachsenenalter
ƒ 2 - 4%, bis 5% (Barkley, 1998)
ƒ 2/3 der Kinder mit AD/HS behalten die Symptome auch im
Erwachsenenalter
ƒ mit 25 Jahren erfüllen noch 15% alle Kriterien nach DSM-IV,
65% erfüllen die Kriterien „in partial remission“
Verlauf (I)
™ 50-70% der Kinder mit AD/HS behalten die Symptome bis ins
Erwachsenenalter
™ Symptome variieren
ƒ Hyperaktivität lässt nach
ƒ Impulsivität bleibt
ƒ Unaufmerksamkeit/ Ablenkbarkeit beeinträchtig den Alltag noch
stärker
ƒ 3 Verlaufsformen nach Hechtman (1992):
+ Relativ normaler Verlauf (10-20%)
+ Ständige soziale und emotionale Probleme sowie Probleme mit
der Aufmerksamkeit und Impulskontrolle (60%)
+ Schwere psychiatrische bzw. soziale
Psychopathologie (10-30%).
Verlauf (II)
Verlaufsbeeinflussung durch folgenden Faktoren:
™ Intelligenz (bessere Anpassungsfähigkeiten, sozialer und
akademischer Erfolg)
™ Temperament
™ Somatische Gesundheit
™ Harmonische Beziehungen in der Familie sowie hohes soziales
und finanzielles Niveau
™ Weitere psychologische Faktoren: niedriges Vulnerabilitätsniveau,
hoher Selbstwert, soziale Fertigkeiten, Managementfertigkeiten
Störungsbild bzw. Schwierigkeiten
- Kinder & Jugendliche Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit, fehlende
Selbstregulationsfähigkeiten, Probleme im Bereich der
exekutiven Funktionen Æ
™ Familie (Beziehungen)
™ Defizit bei sozialen Fertigkeiten (soziales Umfeld)
™ schulisches bzw. akademisches Versagen
™ Weitere Probleme: Verletzungen, Autounfälle, Alkohol- und
Drogenkonsum, Rauchen, antisoziales Verhalten/ Delinquenz
™ Komorbidität: Angst-, Zwangsstörungen, Bipolare Störung, usw.
Störungsbild bzw. Schwierigkeiten (I)
- Erwachsene ™ Unaufmerksamkeit
™ Impulsivität
™ Ablenkbarkeit
™ Motorische Hyperaktivität
™ Weitere Verhaltensweisen
ƒ Affektlabilität und -kontrolle Æ explosives Verhalten
ƒ Emotionale Überreagibilität
ƒ Desorganisiertes Verhalten
ƒ Alkohol- & Substanzmissbrauch
ƒ Schlaf- & Appetitsschwierigkeiten
Störungsbild bzw. Schwierigkeiten (II)
- Erwachsene ™ Partnerschaft, Familie und Freunde
™ Arbeit
™ Delinquenz, Schlägereien, Überfälle
™ Freizeit (Risikosportarten, Geschwindigkeitsrausch, Glückspiele)
™ Militärdienst
™ Substanzmissbrauch
™ Komorbidität
™ Weitere Schwierigkeiten:
ƒ Niedriges Selbstwertgefühl
ƒ Mangel an Sozialkompetenzen und Emotionsregulation
ƒ Akademisches Versagen
Diagnostische Kriterien
™ Bei Kindern:
ƒ ICD-10 (WHO, 1992)
ƒ DSM-IV (APA, 1994): vorwiegend hyperaktiv-impulsiver Typus;
vorwiegend unaufmerksamer Typus ohne Hyperaktivität; Mischtypus
™ Bei Erwachsenen ?
ƒ Kriterien nach DSM-IV bzw. ICD-10 (leicht „modifiziert“):
Cut-off Werte 4 bzw. 5 statt 6 (BAP, 2007)
ƒ Wender (1995)
ƒ BAP (2007): „extended adult symptom checklist“
Diagnostische Kriterien nach Wender (1995)
A. Symptome schon im Kindesalter
B. Charakteristika im Erwachsenenalter
1. Aufmerksamkeitsstörung
2. Motorische Hyperaktivität
3. Affektlabilität
4. Desorganisiertes Verhalten
5. Niedrige Stresstoleranz
6. Impulsivität
7. Emotionale Überreagibilität & Verminderte Affektkontrolle
C. Abwesenheit der folgenden Störungen
1. Affektive Störungen
2. Schizophrene Störungen
3. Borderline - Persönlichkeitsstörung
4. Antisoziale Persönlichkeitsstörung
5. Substanzmissbrauch
Diagnostische Kriterien nach BAP (2007)
™ Unfähigkeit sich auf Details oder langweilige Tätigkeiten zu
konzentrieren
™ Probleme Instruktionen zu folgen und zu zuhören
™ Vergesslichkeit
™ Ablenkbarkeit
™ Unpassende bzw. übertriebene Aktivität, oder inneres Gefühl von
Unruhe bzw. Nervosität
™ Schwierigkeit den Fluss von Gedanken zu kontrollieren
™ Schwierigkeiten Kommunikationsregeln zu akzeptieren
™ Wutanfälligkeit, Ungeduld, Enttäuschung
™ Affektlabilität
™ Niedrige Stresstoleranz
™ Impulsivität und Risikoverhalten
Ätiologie
Multimodales Modell
ÆSchwerpunkt: neurobiologische und genetische Faktoren
Ätiologie (I)
Neurobiologische Faktoren
™ Neurotransmitter: unzureichende Menge von Dopamin und
Norepinephrin im Frontallappen
Æ Verhaltenshemmung,
Arbeitsgedächtnis, Motivregulation und Bewegungskontrolle
™ Niedriger Glukosespiegel (Frontallappen, Okzipitallappen,
Kleinhirn) Æ Impulshemmung, Unaufmerksamkeit, Defizite im
Arbeitsgedächtnis
™ Strukturelle Verschiedenheiten (weniger elektrische Aktivität,
niedrigeres Erregungsniveau)
ƒ Basalganglien: Kontrolle von Verhalten und Motorik
ƒ Frontaler orbitaler Cortex: Affektregulation
ƒ Präfrontaler Cortex: Planung, Steuerung, Impulskontrolle
ƒ Kleinhirn: Motorik, Lernen, soziales Interaktionsverhalten
Ätiologie (II)
Genetische Faktoren
™ Vererbungseffekt: 0.80; 0.50 – 0.98
eineiige Zwillinge: 0.80 - 0.98 (besonders für den vorwiegend hyperaktivimpulsiven Typus)
™ 10-35% der Eltern haben auch AD/HS
™ 1/3 der Männer mit AD/HS zeugen ein Kind mit AD/HS
™ Die Störung tritt öfters bei erstgeborenen Jungen auf
™ Gene, die mit der Störung in Verbindung stehen:
DRD4, DRD5, DAT, DBH, 5-HTT, HTR1B und SNAP25
™ Weitere Untersuchungen sind nötig
Ätiologie (III)
™ Risikofaktoren
ƒ Medizinische Probleme während der Schwangerschaft
ƒ Rauchen, Substanzmissbrauch, Kontakt mit toxischen Substanzen
ƒ Niedriges Geburtsgewicht, vorzeitige oder verspätete Geburt, Kaiserschnitt
™ Umweltfaktoren
ƒ Nationalität
ƒ Geschlecht
ƒ Soziodemographische Variablen
™ Familiäre Faktoren
ƒ Elternpsychopathologie
ƒ Familien- und Paarkonflikte, intensive Kritik und Kontrolle, negative Haltung
dem Kind gegenüber.
Æ Teufelskreis
Æ Verlauf, Entwicklung & Interventionen werden beeinflusst
Dynamic Developmental Theory
(Sagvolden et al., 2005)
Komorbidität
Komorbidität & Differenzialdiagnostik
Hohe Komorbiditätsrate: 88% weisen eine zweite Störung auf
™ Depression: 16-25%
™ Bipolare Störung: 10%
™ Angststörungen: 10-40%, besonders Generalisierte Angststörung &
Zwangsstörung
™ Persönlichkeitsstörungen:
ƒ Antisoziale PS: bis 83%
ƒ Borderline PS: 25%
™ Substanzmissbrauch: 14-33% (Impulsivität oder Selbstmedikation)
™ Lernstörungen: 10-90%
Klinisch-psychologische Diagnostik (I)
Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie
und Nervenheilkunde (DGPPN) (2003)
™ Interview:
ƒ Vollständige psychiatrische Untersuchung
ƒ Erfassung von Differenzialdiagnosen und Komorbiditäten
ƒ Spezifisches Inhalt:
• Entwicklungsanamnese
• Aufgetretene Symptome von AD/HS
• Entwicklung der Symptome und resultierende Beschwerden
• Familienanamnese
Symptome müssen vor dem 7. Lebensjahr auftreten
Klinisch-psychologische Diagnostik (II)
™ Ausschluss organischer psychischer Störungen Æ
Krankheitsanamnese und Körperliche Untersuchung
™ Interview mit Vertrauenspersonen und/oder Eltern
™ Standardisierte Untersuchungsinstrumente (Symptomchecklisten
bzw. Selbstbeurteilungsfragebögen):
ƒ z.B. Wender-Utah-Rating-Skala, Conners-Skala, Brown-Skala,
modifizierte Symptomcheckliste nach DSM-IV; MMPI-II, BAI, BDI.
™ Testpsychologische Untersuchungen
ƒ zur Sicherung der Diagnose; Planung & Überprüfung der Therapie
(z.B. IQ-Messung; neuropsychologische Tests zu Aufmerksamkeit und
Exekutivfunktionen)
Screening - Fragen
Abklärung bei Erwachsenen
™ Gibt es weitere AD/HS-Betroffene in der Familie?
™ Welche Rückmeldungen von Seiten der Lehrer oder Mitschüler gab es
über Ihr Verhalten in der Klasse?
™ Bleiben Sie, gemessen an Ihrer Intelligenz, hinter den Erwartungen
zurück?
™ Schieben Sie ständig Dinge auf?
™ Haben Sie Probleme, sich selbst zu organisieren?
™ Haben Sie Probleme damit, Beziehungen aufrechtzuerhalten?
™ Wie oft wechseln Sie Ihren Arbeitsplatz?
™ Wie häufig erleiden Sie Unfälle oder Verletzungen?
(ÖGPB, 2008)
Interventionen
Pharmakologische Behandlung
™ Verschiedene Medikamente
ƒ Stimulanzien (Methylphenidate)
ƒ Trizyklische Antidepressiva
ƒ Lithium
ƒ Antidepressiva (Atomoxetin, Bupropion)
ƒ Phenylalanin
ƒ Nikotinpflaster
ƒ Nikotin-Rezeptor-Agonisten
™ Therapie 1. Wahl Æ Stimulanzienbehandlung
ƒ Nebenwirkungen: Appetitminderung, Schlafstörungen, Magen-Darm-Beschwerden
™ Andere Substanzen: viele Nebenwirkungen bei geringer oder
fehlender Wirksamkeit Æ nicht empfehlenswert
™ Multimodale Therapie
Klinisch-psychologische Behandlung
™ Ziele: Verständnis, Kontrolle, Umgang mit den Symptomen,
Modifikation der Umgebung Æ Anpassungsfähigkeit wird gefördert
™ Behandlungsalternativen:
ƒ
Psychoedukation (Patient und Familie)
ƒ
Pharmakologische Behandlung
ƒ
Änderungen im Lebensstil/ Umweltmodifikation
ƒ
Einzeltherapie: CBT (z.B. Verhaltensanalyse, Gefühlsregulation,
Impulskontrolle, Stressmanagement)
™ Familien-, Partnertherapie
™ Gruppentherapie
™ Selbsthilfebücher und Selbsthilfegruppen
Zusammenfassung
™ AD/HS ist keine „moderne“ Krankheit bzw. Störung
™ 4-5% der Bevölkerung leidet unter AD/HS, 2% werden behandelt
™ 50 - 70% der Kinder mit AD/HS behalten die Symptome im
Erwachsenenalter
™ Der Unaufmerksame Typus wird nicht so oft diagnostiziert
™ Es handelt sich um eine neurobiologische Störung; die Umweltfaktoren
beeinflussen den Verlauf und die Intensität der Symptome
™ Grosse Aufmerksamkeit bei der Diagnostik & Therapieplanung
™ Intervention ist notwendig (z.B.: Multimodale Therapie)
™ Medikamentöse Interventionen gehören zu den effektivsten
Interventionsformen
Literatur
Brown, T.E. (2005). Attention Deficit Disorder: the unfocused mind in children and adults. New Haven &
London: Yale University Press.
Hesslinger, B., Philipsen, A., & Richter, H. (2003). Psychotherapie der ADHS im Erwachsenenlater: ein
Arbeitsbuch. Göttingen: Hogrefe.
Wender, P.H. (1995). Attention deficit hyperactivity disorders in adulthood. New York: Oxford University
Press.
Nutt, D.J., Fone, K., Asherson, P., Bramble, D., Hill, P., Matthews, K., Morris, K.A., Santosh, P., SonugaBarke, E., Taylor, E., Weiss, M. & Young, S. (2007). Evidence-based guidelines for management of
attention-deficit/hyperactivity disorder in adolescents in transition to adult services and in adults:
recommendations from the British Association for Psychopharmacology. Journal of
Psychopharmacology, 21(1), 10-41.
The Attention Deficit Disorder Association (2000). Guiding Principles for the Diagnosis and Treatment of
Attention Deficit/ Hyperactivity Disorder. The Greater Rochester Attention Deficit Disorder Association,
Newsletter.
Wichtige Links
™ www.add.org
™ www.adders.org
™ www.addresources.org
™ www.adhd.net
™ www.caddra.ca
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