Stellungnahme der UEAPME zum WEIßBUCH ZUR UMWELTHAFTUNG KOM (2000) 66 endg. I. Schlußfolgerungen In Anbetracht der Tatsache, daß das Weißbuch keinen meßbaren und keinen statistischen Beweise vorlegt hinsichtlich: Der seriösen Konkurrenzprobleme innerhalb der Europäischen Union aufgrund der verschiedenen nationalen Systeme bezüglich der Umwelthaftung; Des tatsächlichen Niveaus der Reduzierung der Wettbewerbsfähigkeit, mit der die europäischen Unternehmen nach der Annahme eines europäischen Systems der Umwelthaftung mit den von der EU-Kommission vorgeschlagenen Merkmalen auf den internationalen Märkten konfrontiert wären; Der reellen Auswirkungen dieses Systems der Umwelthaftung auf die europäischen KMU; und aufgrund des derzeitigen Fehlens von europäischen Mechanismen zur Deckungsvorsorge für die Unternehmen, unterstützt die UEAPME die Annahme einer EU-Rahmenrichtlinie zur Umwelthaftung nicht. Die UEAPME bevorzugt keine der im Weißbuch vorgeschlagenen Alternativen, da sie davon überzeugt ist, daß erst zuverlässig Informationen zu den oben genannten Punkten vorlegen müssen bevor die Europäische Kommission ihre Initiative in diesem Bereich fortsetzt. II. Spezifische Bemerkungen 3. Teil. Argumente für ein Umwelthaftungssystem der Gemeinschaft und die erwarteten Auswirkungen 3.1. Durchsetzung der zentralen Umweltgrundsätze des EG-Vertrags Die UEAPME ist für das Verursacherprinzip. Jedoch sollte dieses Prinzip auf gerechte Weise angewandt werden, ohne automatisch an andere legale Prinzipien gebunden zu sein, wie das System der Haftung ohne beabsichtigtes Verschulden und die Umkehr der Beweislast. 2 Die Kombination dieser Elemente ist für KMU tödlich, insbesondere für kleine und Mikrounternehmen, die einem System der Haftung unterliegen, das die Kläger motiviert, vor Gericht zu treten. Diese Situation zwingt die Unternehmen dazu, viel Zeit, Geld und Energie in juristische Angelegenheiten zu investieren, die vielleicht gar nicht gerechtfertigt sind, und somit bedroht sie die Wettbewerbsfähigkeit der KMU. 3.2. Sicherung der Dekontaminierung und Sanierung der Umwelt Die UEAPME teilt die Meinung der Europäischen Kommission, daß die durch den Verursacher gezahlte Kompensation dazu genutzt werden soll, die Umwelt zu dekontaminieren und zu sanieren. 3.5. Verbesserung des Funktionierens des Binnenmarktes Das Weißbuch schlägt vor, ein einheitliches Umwelthaftungssystem der Gemeinschaft für die Unternehmen der Europäischen Union einzurichten, um Wettbewerbsverzerrungen durch die unterschiedlichen Auffassungen der Mitgliedstaaten zu vermeiden. In diesem Kapitel des Weißbuches steht jedoch geschrieben “Im Moment ist noch unklar, ob Wettbewerbsprobleme auf dem Binnenmarkt bestehen, die durch ein unterschiedliches Herangehen der Mitgliedstaaten an die Umwelthaftung hervorgerufen werden”. Da es keine zuverlässige Statistik über die Auswirkungen der aktuellen nationalen Umwelthaftungssysteme gibt, ist die UEAPME nicht mit der übereilten Vorgehensweise der europäischen Kommission einverstanden, eine Rahmenrichtlinie in diesem Bereich anzunehmen. Eine bindende Gesetzgebung sollte auf Sicherheiten und nicht auf Hypothesen beruhen. Außerdem entspricht man bei dieser Unsicherheit nicht dem Subsidiaritätsprinzip, da nicht bewiesen ist, daß ein Eingriff der Gemeinschaft tatsächlich notwendig ist. Dies gilt ebenfalls für das Prinzip der höchsten Bedeutung, um die Auswirkungen eines europäischen Umwelthaftungssystems auf die externe Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu minimieren. In Anbetracht der derzeitigen Globalisierung, sollte die Reduzierung der Wettbewerbsfähigkeit durch ein europäisches Umwelthaftungssystem so genau wie möglich eingeschätzt werden. Die Unsicherheit ist kein Grund für eine Aktion auf Gemeinschaftsebene. 4. Teil. Mögliche Merkmale eines Umwelthaftungssystems der Gemeinschaft 4.1. Keine Rückwirkung Die UEAPME begrüßt die Tatsache, daß das eventuelle System nicht rückwirkend sein wird. Außerdem teilt die UEAPME die Meinung der Europäischen Kommission, daß eine gemeinsame Definition der "in der Vergangenheit verursachten Verschmutzungen" gefunden werden muß, um jegliche Wettbewerbsverzerrung innerhalb des Binnenmarktes durch die unterschiedlichen Interpretationen der Mitgliedstaaten zu vermeiden. 4.2. Anwendungsbereich des Systems 3 4.2.1.a) Schädigung der biologischen Vielfalt Hinsichtlich des Natura 2000 Netzes, muß darauf hingewiesen werden, daß die Mitgliedstaaten sehr freigiebig bei der Deklaration von Schutzgebieten in ihrem Land waren (Österreich hat zum Beispiel 30 % der Fläche Niederösterreichs als Schutzgebiet erklärt). Die Mitgliedstaaten haben Teile ihres Gebietes in das Natura 2000 Netz eingeschrieben, ohne an ein eventuelles europäisches Umwelthaftungssystem zu denken. Deshalb kann dieses Kriterium nicht als Grundlage eines europäischen Umwelthaftungssystems für Schädigung der biologischen Vielfalt gelten. Die Mitgliedstaaten sollten nochmals über die Fläche der Schutzgebiete nachdenken, die im Hinblick auf eine eventuelles Umwelthaftungssystem in das Natura 2000 Netz eingebaut werden. 4.3. Art der Haftung, die zulässigen Rechtfertigungsgründe und die Beweislast Die Haftung Die UEAPME unterstützt das Prinzip der Haftung ohne beabsichtigtes Verschulden nicht. Dies würde ganz einfach zu viel Lasten für KMU bedeuten, insbesondere für Kleinbetriebe und Mikrounternehmen. Dieses Prinzip zeichnet KMU, die den Umweltgesetzgebungen entsprechen oder mehr als weitgehend erfüllen, nicht genügend aus. Ganz im Gegenteil, es entmutigt sie, neue Initiativen im Bereich des Umweltschutzes zu ergreifen. Die UEAPME unterstützt jedoch den Vorschlag der Europäischen Kommission, eine Haftung anzuwenden, die auf dem Verschulden von Schädigungen an der biologischen Vielfalt durch ungefährliche Aktivitäten beruht . Die Beweislast Die UEAPME spricht sich ebenfalls gegen die Umkehr der Beweislast aus, da dieses Prinzip die Kläger dazu ermutigt, vor Gericht zu gehen. Dadurch werden viele juristischen Aktionen, die nicht begründet sind, provoziert. Wie bereits erwähnt, kann die Kombination der strikten Haftung und der Umkehr der Beweislast für kleine Unternehmen tödlich sein, da sie dazu gezwungen würden, viel Zeit und Geld zu investieren, um sich gegen meist unbegründete juristischen Aktionen zu verteidigen. Diese Lage würde noch schlimmer, wenn nur traditionelle Rechtfertigungsgründe erlaubt wären. Man sollte im Auge behalten, daß eine dauerhafte Entwicklung bedeutet, das schwierige Gleichgewicht zwischen dem grundsätzlichen Bedürfnis, die natürlichen Ressourcen zu schützen und einem gesunden Wirtschaftswachstum zu erreichen. Gemäß der UEAPME, verhindert die Kombination der Haftung ohne beabsichtigtes Verschulden, die Umkehr der Beweislast und die Nutzung von traditionellen Rechtfertigungsgründen dieses Gleichgewicht, in dem es eine Situation schafft, in der Unternehmen, insbesondere KMU, zugunsten des Umweltschutzes diskriminiert werden. 4 Rechtfertigungsgründe Die UEAPME ist der Meinung, daß ein eventuelles europäisches Umwelthaftungssystem immer auf dem Grundsatz des Verschuldens beruhen soll. Auf jeden Fall sollten Rechtfertigungsgründe erlaubt werden bei Schädigungen durch Emissionen von Unternehmen, die eine legale Erlaubnis haben und/oder den Gesetzen entsprechen, oder durch den Einsatz neuester Techniken und Entwicklungsrisiken. In diesem Zusammenhang sollte den EMAS registrierten Unternehmen die Beachtung geschenkt werden, die sie auch verdienen, da EMAS einen Nachweis für Konformität gibt und auf die permanente Verbesserung der Umwelt abzielt. Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes Die UEAPME ist für die Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes, der von der Europäischen Kommission vorgeschlagen wird. Die UEAPME ist jedoch der Meinung, daß eine von den lokalen Behörden gegebene Erlaubnis immer als erlaubter Rechtfertigungsgrund angesehen werden sollte für Schäden, die durch Emissionen erfolgen. Außerdem sollten die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten kontrollieren, daß die Verpflichtung zur Zahlung eines Teils der Entschädigung die genehmigenden Behörden nicht dazu bewegt, sich selbst dadurch zu schützen, das die Bedingungen, die die Unternehmen erfüllen müssen, unverhältnismäßig erhöht werden. 4.4. Wer soll haften? Die UEAPME unterstützt den Vorschlag, daß, wenn eine Tätigkeit durch ein Unternehmen ausgeübt wird, das eine juristische Person darstellt, die juristische Person haftet und nicht die leitenden Angestellten oder Mitarbeiter, die möglicherweise daran beteiligt waren. 4.5. Kriterien für die verschiedenen Schadensarten 4.5.1. Schädigung der biologischen Vielfalt Die UEAPME befürwortet die Tatsache, daß das System nur bei erheblichen Schäden angewandt werden sollte. Sie unterstützt ebenfalls die Annahme einer Kosten-NutzenAnalyse und einer Angemessenheitsanalyse, um unverhältnismäßig hohe Wiederherstellungskosten zu vermeiden. Die UEAPME schlägt vor, eine Definition für "erhebliche Schäden" zu entwickeln, um verschiedene Interpretationen der Mitgliedstaaten zu vermeiden. Die UEAPME ist ebenfalls der Meinung, daß die "Wiederherstellung eines vergleichbaren Zustands der natürlichen Ressource" sinnvoll und realistisch ist. Somit könnten untragbare Kosten zur Wiederherstellung einer gleichen Quantität und Qualität der natürlichen Ressourcen vermieden werden, da dies sowieso meist unmöglich ist. 4.5.2. Altlasten 5 Auch in diesem Fall unterstützt die UEAPME, daß "das System lediglich bei erheblicher Kontaminierung" angewandt werden soll, ebenso wie die Tatsache, daß nur der erhebliche Schaden gedeckt werden soll. Außerdem begrüßt die UEAPME die Tatsache, daß "die besten zur Verfügung stehenden Verfahren, die wirtschaftlich und technisch durchführbar sind" als Instrument für die Beurteilung der Sanierungsziele genutzt werden sollten, statt der "besten zur Verfügung stehenden Techniken". Jedoch ist die UEAPME erstaunt, daß die "wahrscheinlich künftige Flächennutzung" als Kriterium dienen soll. Der Begriff "wahrscheinlich" ist zu unsicher, um als Kriterium dienen zu können, da er sehr unterschiedlich interpretiert werden kann. 4.7. Zugang zu den Gerichten 4.7.3. Gewährleistung ausreichender Sachkenntnis und Vermeidung unnötiger Kosten. Die UEAPME ist nicht mit dem Vorhaben einverstanden, Interessengruppen einen besseren Zugang zu Gerichten zu gewähren, da sie dieses Recht mißbrauchen könnten durch eine Aktion gegen Unternehmen, um damit Ziele zu erreichen, die nicht mit Umweltschutz in Zusammenhang stehen. Dies könnte erleichtert werden durch die Einführung der Umkehr der Beweislast in das eventuelle Umwelthaftungssystem. Allerdings teilt die UEAPME die Meinung der Europäischen Kommission, daß die Sanierung immer auf kosteneffektiver Grundlage erfolgen soll. Der Vorschlag, Lösungen wie Schlichtungsverfahren zu nutzen, wird unterstützt, da sie zur Vermeidung einer übertriebenen Bürokratie und der legendären Langsamkeit einiger nationaler Systeme beitragen könnten, sowie zur Reduzierung der Gerichtskosten. 4.9. Deckungsvorsorge Die Deckungsvorsorge ist eins der Schlüsselelemente des Umwelthaftungssystems. Das Weißbuch macht hierzu zwei wichtige Aussagen: “Solange es jedoch keine weithin akzeptierten Meßverfahren für die Bezifferung von Umweltschäden gibt, ist es schwierig, den Haftungsbetrag im voraus zu bestimmen” (Seite 27); “Betrachtet man den Versicherungsmarkt …., so wird deutlich, daß Versicherungen gegen Risiken im Zusammenhang mit Umweltschäden noch verhältnismäßig wenig entwickelt sind,…” (Seite 28). Die UEAPME ist der Meinung, daß kein europäisches Umwelthaftungssystem angenommen werden sollte ohne den KMU die Möglichkeit zu gewähren, sich gegen die finanziellen Konsequenzen einer eventuellen Umweltverschmutzung abzusichern. Der heutige Mangel an Versicherungsschemen und Bankgarantien für Umwelthaftung zusammen mit einer Haftung ohne beabsichtigtes Verschulden, der Umkehr der Beweislast und traditionellen Rechtfertigungsgründe würde zum Konkurs einer großen Anzahl von KMU führen. Dies würde direkte Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der EU sowie auf die Beschäftigung haben, da 99,8% der europäischen Unternehmen KMU sind und sie die meisten Arbeitsplätze schaffen. 6 Bevor irgendeine Form eines europäischen Umwelthaftungssystems angenommen wird, sollte die Europäische Union: dazu beitragen, eine angemessene, effektive und von allen akzeptierten Methode einzusetzen, um Umweltschäden einzuschätzen; sicherstellen, daß die Banken und Versicherungen Instrumente zur Deckung der Umwelthaftung entwickeln, die den Strukturen und Bedürfnissen der KMU angepasst sind, insbesondere hinsichtlich des finanziellen Aspektes. In diesem Zusammenhang möchte die UEAPME folgende Vorschläge machen: Um das Image der KMU den Versicherungen gegenüber zu verbessern und weniger hohe Versicherungsprämien zu erlangen, sollten KMU über die Aspekte ihrer Auswirkung auf die Umwelt und über Umwelthaftung informiert und darin ausgebildet werden. Diese Tätigkeit, die KMU-Umweltberater ausgeübt werden soll, könnte ebenfalls zu wichtigen Vorbeugungsmaßnahmen führen. Deshalb bittet die UEAPME die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten mit den nationalen KMU-Organisationen zusammenzuarbeiten, um entsprechende Kurse zu entwickeln. Die Europäische Kommission sollte die Versicherungen davon überzeugen, Versicherungspools zu entwickeln. Diese Pools würden das Risiko vermindern, da es unter allen Teilnehmern aufgeteilt würde. Dies würde ebenfalls dazu beitragen, den Widerstand des Versicherungssektors gegen die Deckung von Umweltschäden zu vermindern. Außerdem könnte dies verhindern, daß die Versicherungen die Summe der Deckung begrenzen. 7. Wirtschaftliche Auswirkungen der Umwelthaftung auf EG-Ebene Im Weißbuch steht geschrieben "die Haftung könnte sich auf KMU erheblicher auswirken”. Die Europäische Kommission sollte inzwischen wissen, daß KMU den Schlüssel zu der europäischen Wettbewerbsfähigkeit darstellen. Anstrengungen sollten gemacht werden, um auf europäischer und nationaler Ebene sowohl die Gründung als auch das Wachstum von KMU zu fördern. Der Begriff “könnte” in diesem spezifischen Bereich gibt keine meßbare Information. Bevor eine verpflichtende Gesetzgebung wie eine Richtlinie angenommen wird, sollte die EUKommission der EU über zuverlässige statistische Daten verfügen über die tatsächlichen Auswirkungen einer derartigen Gesetzgebung auf KMU. Einfache Schätzungen und Hypothesen reichen nicht aus. Die UEAPME bittet die Europäische Kommission dringend, eine umfassende Studie über die Auswirkungen auf KMU durchzuführen, bevor sie verbindliche Initiativen ergreift. Brüssel, im Mai 2000