Die Haftung im öffentlichen Dienst des Landes Hessen dbb beamtenbund und tarifunion Landesbund Hessen Eschersheimer Landstraße 162, 60322 Frankfurt Tel. 069 / 28 17 80, Fax 069 / 28 29 46, Mail: [email protected] 2 Die Haftung der Beamten Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, hier Bild einfügen Sie kennen den alten Beamtenwitz: „Was haben die nur alle gegen die Beamten. Die tun doch gar nichts“ Nun, wir alle wissen, was an diesem Spruch in Zeiten der Arbeitsverdichtung dran ist, und deshalb kann man sich die Kommentierung dieses Spruches auch sparen. Im Gegenteil. Eher dürfte der Spruch gelten: „Wo gehobelt wird, fallen Späne.“ Dies löst naturgemäß Ängste bei den oft unter immenser Arbeitsbelastung und Termindruck arbeitenden Beschäftigten im öffentlichen Dienst aus. Kann ich für Fehler, die mir fast zwangsläufig unterlaufen, eigentlich zur Rechenschaft gezogen werden? Der dbb Hessen will mit dieser kleinen Einführung in die Problematik den Versuch unternehmen, das Feld der Haftung für fehlerhaftes Handeln einmal aufzurollen. Ob das immer „allgemein verständlich“ gelingt, kann allerdings bei diesem juristischen Minenfeld nicht garantiert werden. Letztlich wird es immer auf den Einzelfall und auf die Sicht des zuständigen Gerichts ankommen. Und Sie wissen ja, vor Gericht und auf hoher See… Dennoch wollen wir den Versuch wagen, Ihnen wenigstens die Grundsätze nahe zu bringen. Um es jedoch ganz klar zu sagen: Über dieses Thema gibt es in der Kommentierung auch die eine oder andere kontroverse Ansicht zu dem einen oder anderen angesprochenen Problem. Deshalb erwarten Sie von dieser kleinen Einführung nicht die Verkündigung absoluter, wasserdichter Wahrheiten oder gar eine Expertise zu allen in der Praxis auftretenden Fragen. Ach ja, wenn wir schon über Haftung reden. Natürlich können wir auch keine Haftung für die absolute Richtigkeit und juristische Ausgefeiltheit jeder Formulierung übernehmen. 3 Zur besseren Lesbarkeit haben wir meistens auf die „weibliche“ Form verzichtet. Am Rande sei aber vermerkt, dass auch Frauen Fehler machen können. Etwas Beruhigendes kann man den Beschäftigten auf den Weg mitgeben. In der Praxis stellt sich die Frage einer tatsächlichen Inanspruchnahme eines Beschäftigten im Wege der Haftung eigentlich eher selten. Der Dienstherr ist auf entscheidungswillige Beschäftigte angewiesen. Wenn man als Beschäftigter das Gefühl haben müsste, über einem schwebe ständig das „Damoklesschwert“ des Regresses, würde dies eher zu einer Lähmung der Entscheidungsfreude führen, und dies kann auch die Verwaltung eigentlich nicht wollen. Deshalb werden die Personalverantwortlichen schon im wohlverstandenen Eigeninteresse regelmäßig nur in wirklich begründeten Fällen die Frage eines Regresses aufwerfen. Andererseits gibt es eben doch Fälle mit manchmal gravierender finanzieller Auswirkung und deshalb schadet es nichts, wenn man sich mit dieser Problematik einmal auseinandersetzt. Nicht Gegenstand dieser Betrachtung ist eine etwaige disziplinarrechtliche Ahndung von Pflichtverletzungen. Nur am Rande und zum Abschluss der Ausführungen streifen wir das Thema, dass Beschäftigte bei der Verwirklichung eines Straftatbestandes im Zusammenhang mit der Amtsausübung – z. B. fahrlässige Körperverletzung – selbstverständlich persönlich auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können. Es grüßt Sie Ihr Walter Spieß Landesvorsitzender 4 Fremdschaden und Eigenschaden Ein Beamter kann zum einen durch oder bei seinem Handeln Dritte (Fremdschaden), aber auch den Dienstherrn unmittelbar schädigen (Eigenschaden). Amtshaftung Wenden wir uns zunächst der Frage zu, wie die Rechtslage ist, wenn es im Rahmen der Amtsausübung zu Schädigungen Dritter kommt, die auf ein wie immer auch geartetes Verschulden eines oder mehrerer Amtsträger zurückzuführen sind. Unter Amtshaftung versteht man die Haftung des Staates aufgrund von Amtspflichtverletzungen seiner Beamten. Schadensersatz ist von dem Geschädigten ggf. im Rahmen eines zivilgerichtlichen Verfahrens vor dem Landgericht geltend zu machen. Wichtig Beamte im Sinne der haftungsrechtlichen Bestimmungen sind im Übrigen auch Tarifkräfte. Bereits § 14 BAT und § 11a MtArb verweisen z. B. bezüglich der Schadenshaftung der Angestellten und Arbeiter der Länder auf die für Beamte geltenden Vorschriften. Dies gilt auch für die neue Tariflandschaft. So verweisen § 3 Abs. 6 und 7 TVöD und § 3 Abs.7 TV-L ausdrücklich für Beschäftigte des Bundes und der Länder auf die bundesbeamtenrechtlichen und die landesbeamtenrechtlichen Regelungen bzw. gilt für Beschäftigte im Kommunalbereich die Einschränkung der Schadenshaftung bei dienstlich oder betrieblich veranlassten Tätigkeiten – wie im Beamtenbereich – auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Auch bei dem in Verhandlung befindlichen hessenspezifischen Manteltarifvertrag – Hessen ist aus der TdL ausgetreten, deshalb gilt für die Landesbeschäftigten der TV-L nicht – wird sich mit Sicherheit eine entsprechende Klausel finden. Deshalb gelten die nachstehenden Ausführungen gleichermaßen für die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst. 5 Auf welche Vorschriften stützt sich die Amtshaftung? Zunächst einmal ist § 839 BGB einschlägig. Aus dieser Vorschrift muss zunächst eine persönliche Schadensersatzpflicht des Beamten herzuleiten sein (haftungsbegründende Norm). Artikel 34 GG bestimmt jedoch, dass der Dienstherr anstelle des Beamten in Anspruch genommen werden muss (haftungsverlagernde Norm), d.h., verletzt der Beamte in Ausübung des ihm anvertrauten öffentlichen Amtes - also im Rahmen der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit - gegenüber einem Dritten, z. B. gegenüber dem Bürger, gegen den sich der Verwaltungsakt richtet oder einem Dritten, der hierdurch in seinen Rechten verletzt wird, seine Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Dienstherrn, in dessen Dienst der Beamte steht. § 839 BGB ( Haftung bei Amtspflichtverletzung ) lautet: Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu verlangen mag. Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amtes findet diese Vorschrift keine Anwendung. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Die haftungsüberleitende Norm des Art. 34 GG lautet: Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm gegenüber einem Dritten obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Diensten er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden. 6 Wir merken uns: Die verfassungsrechtliche Bestimmung (Art. 34 GG) setzt ein Verhalten voraus, das nach § 839 BGB eine persönliche Schadensersatzpflicht des Beamten begründen würde und lässt an seiner Stelle die Körperschaft (Bund, Land, Kommune oder sonstige Körperschaft) haften, die ihm das Amt anvertraut hat oder in deren Diensten er steht. Der Dienstherr haftet nicht neben dem Beamten, sondern anstelle des Beamten. Unabhängig vom Grad des Verschuldens des Amtsträgers gilt: Gegen den Beamten selbst kann der Geschädigte im Regelfall nicht vorgehen. Beispiel: Ein Polizeibeamter, der mit Billigung seines Dienstherrn nach Dienstschluss seine Dienstwaffe mit nach Hause nimmt und dort verwahrt, handelt insoweit regelmäßig in Ausübung eines öffentlichen Amtes. Für Schäden aus einer unsorgfältigen Verwahrung haftet deshalb der Beamte nicht persönlich, sondern dessen Dienstherr (BGH v. 25.11.99 - III ZR 123/99, ZBR 00 S. 213). Beispiel: Ein Polizeifahrzeug der Hessischen Polizei überfährt bei einer Verfolgungsjagd mit eingeschalteter Sirene eine rote Ampel. Es kommt zu einem Unfall mit einem anderen Fahrzeug, dessen Fahrer die Sirene nicht hörte und bei grün die Kreuzung überquerte. Trotz Sirene - die „Rotlicht überfahrende“ Polizei war an dem Unfall schuld. Der Geschädigte muss seinen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Bundesland Hessen geltend machen, nicht gegenüber dem Fahrer des Polizeiwagens. Beispiel: Ein Bauträger hat Eigentumswohnungen verkauft. Voraussetzung für die Kaufpreiszahlung ist eine Eigentumsvormerkung für die Käufer im Grundbuch. Der zuständige Rechtspfleger benötigt wegen Arbeitsüberlastung fast zwei Jahre für die Bearbeitung entsprechend gestellter Anträge. Mangels Zahlungseingang der Kaufpreise geht der Bauträger pleite. Der Bauträger muss sich mit seiner Klage auf Schadensersatz gegen das für die Behörde zuständige Land wenden, und kann den Rechtspfleger nicht unmittelbar persönlich zur Rechenschaft ziehen. Anmerkung: In einem solchen Fall (Eintragung der Vormerkung erst nach einem Jahr und acht Monaten) hat der Bundesgerichtshof am 11.1.07 (- III ZR 3022/05-) entschieden, dass der Dienstherr des überlasteten Beamten haften muss. Die Behörde könne sich nicht auf mangelnde Zuweisung von Haushalts- 7 mitteln und Personal als Entschuldigungsgrund berufen. Es sind auch Fälle denkbar, in denen Amtshaftungsansprüche von Beschäftigten gegenüber ihrem eigenen Dienstherrn bestehen, so z. B. in Mobbing-Fällen. Beispiel: Ein Polizeibeamter wird im Rahmen der gemeinsamen Dienstausübung von seinem Vorgesetzten systematisch und fortgesetzt schikaniert und beleidigt. Der Vorgesetzte, der im Rahmen dieser gemeinsamen Dienstausübung den Untergebenen respektlos behandelt, wird regelmäßig hoheitlich tätig. Dies hat zur Folge, dass für etwaig daraus entstehende Gesundheitsschäden des Untergebenen nach Amtshaftungsgrundsätzen grundsätzlich nicht der vorgesetzte Beamte persönlich, sondern dessen Dienstherr haftet (BGH, Beschl. v. 1.8.02 – III ZR 277/01, ZBR 03 S. 57). Die Haftungsüberleitung auf den Dienstherrn gilt nicht nur für hoheitliches Handeln im engeren Sinne, sondern auch im Bereich der Leistungsverwaltung (Daseinsvorsorge), wenn die öffentliche Hand anstelle des auch möglichen Abschlusses eines bürgerlichen Vertragsverhältnisses den Weg der schlichthoheitlichen Leistungserbringung gewählt hat. Beispiel: Ein Kind ertrinkt in einem öffentlichen Freibad. Der Betrieb des Bades ist durch eine „Badeordnung für das Freibad“ geregelt. Die Eltern sehen eine Verletzung der Aufsichtspflicht des aufsichtsführenden Bademeisters, weil dieser im Restaurant des Schwimmbads zum Zeitpunkt des Unfalls einen Kaffee zu sich nahm und von dort das Becken nicht einsehen konnte. Die Klage der Eltern auf Schadensersatz hat sich gegen die betreibende Gemeinde und nicht gegen den Bademeister zu richten. Allerdings muss die schädigende Handlung in Ausübung des Amtes und nicht nur gelegentlich der Amtshandlung erfolgen. Beispiel: Ein Vollziehungsbeamter nimmt anlässlich einer Vollstreckungshandlung in der Wohnung Geld an sich. Für diesen Diebstahl haftet der Dienstherr nicht. Hier bot die Amtsausübung lediglich Gelegenheit zur Ausübung der Tat, die allein dem Beamten zuzurechnen ist. Dies gilt natürlich erst recht für alle Fallgestaltungen, in denen der Beamte aus privaten Motiven handelt. Beispiel: Ein Förster schießt aus Eifersucht auf seinen Nebenbuhler. Eine Staatshaftung kommt hier nicht in Betracht. 8 Prima, könnte man als Beamter nun sagen. Dann kann mir ja bei der Amtsausübung, auch wenn ich Fehler mache, nichts passieren. Das stimmt nur bedingt. Richtig ist zwar, dass sich die Amtshaftungsansprüche Geschädigter bei öffentlich-rechtlichem Handeln des Beamten unmittelbar nur gegen den Dienstherrn richten. Dieser kann aber unter bestimmten Voraussetzungen, den Beamten oder die Beamten, die den Schaden verursacht haben, in Regress nehmen. Wir müssen also bezüglich der Haftung der Beamtinnen und Beamten bei Pflichtverletzungen zwischen dem Außenverhältnis und dem Innenverhältnis unterscheiden. Wir merken uns: Die Haftung für rechtswidriges Verhalten der öffentlichen Gewalt und die persönliche Haftung des Beamten sind strikt auseinander zu halten. Handelt also der Beamte für die öffentliche Gewalt und entsteht einem Dritten hierdurch ein Schaden, wird dessen Schadensersatzanspruch an den Beamten (§ 839 BGB) gemäß Art 34 GG auf den Staat übergeleitet. Voraussetzungen der Amtshaftung im Einzelnen Die Amtshaftung setzt im Einzelnen voraus: Es muss ein fehlerhaftes und zugleich schuldhaftes (vorsätzliches oder fahrlässiges) Handeln eines Amtsträgers vorliegen. Es würde hier den Rahmen dieses Überblicks sprengen und man würde letztlich auch scheitern, wenn man den Versuch machen wollte, zusammenfassend alle, einem Amtsträger obliegenden Amtspflichten im Einzelnen aufzulisten und zu erläutern. Natürlich müssen Sie bei Ihrer Aufgabenwahrnehmung das Verfassungsrecht achten, die Ihnen nach den Beamtengesetzen (in Hessen: HGB und Beamtenstatusgesetz) auferlegten Pflichten erfüllen und natürlich auch die für Ihren Fachbereich geltenden Spezialgesetze, Rechtsverordnungen und „verwaltungsinternen“ Setzungen, wie Richtlinien, Erlasse und Verfügungen beachten. 9 Für die tägliche Arbeit heißt das: Der Amtsträger hat den Einzelfall nach Recht und Gesetz unter Beachtung aller hierzu ergangenen Bestimmungen zu entscheiden und ihn fehlerfrei und zügig zu bearbeiten. Dazu gehört auch, dass nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen wird, und ein etwa bestehendes Ermessen fehlerfrei ausgeübt wird. Wenn man das hört, bleibt man besser im Bett, denn wer will schon von sich behaupten, diesem Anspruch in jedem Einzelfall voll gerecht zu werden. Das fängt schon mit der gründlichen Sachverhaltsermittlung an. Wird diese schlampig geführt, kann schon hierin ein Pflichtverstoß liegen. Jeder Amtsträger hat die Pflicht, vor einer hoheitlichen Maßnahme, die geeignet ist, einen anderen in seinen Rechten zu beeinträchtigen, den Sachverhalt im Rahmen des Zumutbaren so umfassend zu erforschen, dass die Beurteilungsund Entscheidungsgrundlage nicht in wesentlichen Punkten zum Nachteil des Betroffenen unvollständig bleibt (BGH, U. v.19.5.88 - III ZR 32/87). Hohe Anforderungen also an eine pflichtgemäße Amtsausübung - und dies in Zeiten hohen Erledigungsdrucks. Sie müssen das aber so sehen: Es ist wie mit den zehn Geboten. Der moralische Anspruch ist hoch, aber wer hat nicht schon dagegen verstoßen? Menschen brauchen eben solche idealtypischen Messlatten. Aber selbst „Olympiasieger im Hochsprung“ reißen bisweilen die Latte. Stetiges Bemühen, idealtypischen Ansprüchen gerecht zu werden, ist also angesagt. „Gelegentliche, leichte Fehler“ sind aber „lässliche Sünden“ und müssen im Behördenalltag eben hingenommen werden. Dennoch kann sich die Behörde grundsätzlich im Rahmen der Amtshaftung gegenüber dem geschädigten Dritten auch bei „Flüchtigkeitsfehlern“ ihrer Beamten davon nicht „exkulpieren“, aber ob es dem Amtsträger selbst an den Kragen geht, ist eine andere Sache und scheidet bei leichtem fahrlässigen Handeln aus. Der Rechtskreis eines betroffenen Dritten muss durch eine Amtshandlung oder durch Nichthandlung oder verspätetes Handeln im Amt verletzt sein. 10 Es muss ein Schaden eingetreten sein und zwar kausal durch die schuldhaft begangene Amtspflichtverletzung oder anders ausgedrückt: Der Schaden muss in direktem Zusammenhang mit der Amtspflichtverletzung stehen. Schaden ist grundsätzlich jeder Nachteil, den jemand durch ein Ereignis an seinem Vermögen oder seinen sonstigen rechtlich geschützten Gütern erleidet. Im Rahmen der Amtshaftung ist vorwiegend ein Vermögensschaden relevant. Dieser kann auch entgangenen Gewinn erfassen. Erfolgen rechtswidrige Eingriffe in nicht vermögenswerte Güter, wie z. B. die Gesundheit, sind ebenfalls Schadenersatzansprüche des Geschädigten denkbar. In begründeten Fällen kann auch Schmerzensgeld verlangt werden. Die juristische Person des öffentlichen Rechts, die Anstellungskörperschaft, schuldet Geldersatz, nicht die Wiederherstellung des Zustands vor der Schädigung. Für die Berechnung eines Vermögensschadens hat die Rechtsprechung die so genannte Differenztheorie entwickelt. Der Schaden besteht danach in der Differenz zweier Güterlagen, nämlich der tatsächlichen durch das Schadensereignis geschaffenen und der unter Ausschaltung dieses Ereignisses gedachten. Ein Schadenersatzanspruch kann trotz Vorliegens der vorgenannten Voraussetzungen aufgrund von Haftungsbeschränkungen ausgeschlossen sein. Im Einzelnen sind folgende, gewichtige Haftungsbeschränkungen zu beachten: Verletzung der Schadensabwendungspflicht durch Nichteinlegung eines Rechtsmittels Beispiel: Ein Steuerbescheid ist aufgrund einer offenkundig völlig unvertretbaren Rechtsauslegung zuungunsten eines Steuerpflichtigen fehlerhaft erlassen worden. Zwar mag hier - anders als bei falscher, aber vertretbarer Rechtsauslegung - Fahrlässigkeit und damit ein Verschulden des Bearbeiters bei der Bearbeitung der Steuererklärung vorliegen. Aber durch Einlegen eines Einspruchs, ggf. in Verbindung mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, kann der Steuerpflichtige einen ansonsten eintretenden Vermögensschaden abwenden. Unterlässt er dies, und wird der Verwaltungsakt mangels rechtzeitiger Einspruchseinlegung rechtskräftig, entfällt der Amtshaftungsanspruch. 11 Verzicht auf ggf. anderweitig zu erlangenden Schadensersatz, z. B. von einer Versicherung. Soweit dem Amtsträger lediglich fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen ist, tritt nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB die Ersatzpflicht des Staates bzw. der Anstellungskörperschaft zurück, wenn der Geschädigte auf andere Weise Ersatz seines Schadens erlangen kann. Die Durchsetzung des Ersatzanspruchs muss allerdings möglich und zumutbar sein. Liegt ein Mitverschulden des Geschädigten vor, führt dies ggf. zu einer Minderung des Schadensersatzanspruchs oder zu dessen Wegfall. Beispiel: Bei einem Genehmigungsverfahren ist der Antragsteller bestimmten, ihm obliegenden Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen. Regress Wenn der Staat Schadenersatz leisten musste, kann er den Beamten nur im Falle des Vorsatzes oder grober Fahrlässigkeit in Anspruch nehmen (Regress). Die Rechtsgrundlage für die Haftung der Landesbeamten finden wir nunmehr in § 48 Beamtenstatusgesetz, das zum 1.4.2009 in Kraft tritt. Dieser lautet: Beamtinnen und Beamte, die vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihnen obliegenden Pflichten verletzen, haben dem Dienstherrn, dessen Aufgaben sie wahrgenommen haben, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Haben mehrere Beamtinnen oder Beamte gemeinsam den Schaden verursacht, haften sie als Gesamtschuldner. Der Dienstherr ist grundsätzlich berechtigt, einen Vermögensschaden der ihm durch die vorsätzliche oder grob fahrlässige Dienstpflichtverletzung eines Beamten entstanden ist, durch Leistungsbescheid einzufordern. Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit - eine Auslegungsfrage Vorsatz liegt vor, wenn der Beamte den Pflichtverstoß bewusst oder gar absichtlich begeht oder in Kauf nimmt. Grobe Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn der Beamte die gebotene Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Grobe Fahrlässigkeit ist im Allgemeinen gegeben, wenn nicht das beachtet wird, was 12 im vorhandenen Fall jedem einleuchten müsste oder wenn schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden. Grobe Fahrlässigkeit setzt - in Abgrenzung zur einfachen Fahrlässigkeit (vgl. § 276 Abs. 2 BGB) nicht nur einen objektiv schweren Verstoß gegen die erforderliche Sorgfalt voraus. Hinzukommen muss ein auch in subjektiver Hinsicht schweres Verschulden i. S. eines persönlich besonders schwer vorwerfbaren Verhaltens, wobei grundsätzlich auch insoweit konkrete Feststellungen erforderlich sind. Es muss eine besonders krasse und auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegen, die das in § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet. Dabei ist vor allem an ein Verhalten aus Eigensucht, Rücksichtslosigkeit oder verantwortungslosem Leichtsinn zu denken, bei dem der Betreffende sich über naheliegende, mit Händen zu greifende Warnungen oder Bedenken hinwegsetzt. Im Unterschied dazu sind kurzfristige Fehlreaktionen in der Regel- mangels erschwerender Umstände - keine grobe Fahrlässigkeit. Wie zu betonen ist, kann grobe Fahrlässigkeit wegen ihrer subjektiven - persönlichen - Momente nicht im Wege des sog. Anscheinsbeweises nachgewiesen werden (VGH BadenWürttemberg, U. v. 19.2.91 - 4 S 2895/90). Auch darf die Gesamtsituation, in der sich der Schaden ereignet hat, nicht außer Acht gelassen werden. So können sich die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht im Rahmen eines Einsatzes zur Gefahrenabwehr verringern. Die Handlungsfähigkeit und die Entscheidungsfreude eines Beamten dürfen nicht durch Regressrisiken gelähmt werden, wenn bei Güterabwägung der Einsatz Vorrang hat (VG Braunschweig v. 26.9.92, 7 A 7324/91). Sehr häufig stellt sich in der Praxis auch die Frage des Regresses bei Unfällen mit Dienstfahrzeugen. Hierzu sei aus dem aktuellen Erlass des HMdF vom 02.01.2009 die Tz. C. 10 zitiert (StAnz. 09 S. 223): Regress Hat die Fahrzeugführerin oder der Fahrzeugführer den Unfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt, hat sie oder er den dem Land daraus unmittelbar entstandenen Schaden zu ersetzen (§ 91 HBG, § 14 BAT, § 11a MTArb). Wegen Fremdschäden nimmt das Land die Kraftfahrerin oder den Kraftfahrer nur insoweit in Regress, als auch eine private Kfz-Haftpflichtversicherung gegenüber der Kraftfahrerin oder dem Kraftfahrer leistungsfrei wäre. Ein Regress 13 kommt danach in Betracht bei vorsätzlicher und widerrechtlicher Herbeiführung des Schadens (§ 103 VVG) bis zur vollen Höhe des vom Land bezahlten Fremdschadens, bei grobfahrlässiger oder vorsätzlicher Verletzung der Kraftfahrerin oder dem Kraftfahrer obliegenden Verhaltens- und Anzeigepflichten nach §§ 5 bis 7 der Kraftfahrzeug-Pflichtversicherungsverordnung bis zur Höhe der dort genannten Beträge. Die Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführer können sich gegen die mit dem Führen von Kraftfahrzeugen auf Dienstreisen zusammenhängenden Risiken aufgrund eines Rahmenvertrags auf eigene Kosten versichern (Erlass des Ministeriums der Finanzen vom 27. April 1999, geändert durch Erlass vom 30. Juli 1999 StAnz. S. 2521 ). Von weiterem Interesse sind zu Fragen der Schadensabwicklung bei Unfällen mit Dienstfahrzeugen die hierzu ergangenen Richtlinien (Kfz-Unfallrichtlinien vom 22.2.2005 StAnz. S. 961 ). Wir merken uns: Wir befinden uns hier bei der Frage des Regresses auf „schwammigem Boden“. Hier wird regelmäßig der Einzelfall zu untersuchen sein. Maßstab der Prüfung ist, wie sich ein „pflichtbewusster Durchschnittsbeamter“ verhalten hätte. Sonderfall - Rechtswidrige Weisung und Remonstration Wie aber steht es mit der Haftung, wenn der Beamte auf Weisung handelt und diese Weisung nicht rechtmäßig ist. Grundsätzlich ist der Vorgesetzte ja bekanntlich weisungsbefugt und der nachgeordnete Beamte weisungsgebunden. Erkennt der Beamte die Rechtswidrigkeit oder hat er ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Anordnung muss er remonstrieren. Sie haben richtig gelesen, dies ist kein Schreibfehler. Demonstrieren dürfen Beamte in ihrer Freizeit zwar auch, dies ist hier aber nicht gemeint. Das Geltendmachen von Bedenken gegen dienstliche Anordnungen erfolgt im sogenannten Remonstrationsverfahren (§ 71 HBG). 14 Der Beamte muss unverzüglich seine Bedenken auf dem Dienstwege vortragen. Bestätigt - auf Verlangen des remonstrierenden Beamten schriftlich - der Vorgesetzte die dienstliche Anordnung, hat sich der Beamte, wenn er weiterhin Bedenken hat, an den nächsthöheren Vorgesetzten zu wenden. Wird die Weisung von diesem oder einer noch höheren Ebene bestätigt, muss die Anordnung ausgeführt werden. Dies gilt selbst dann, wenn der Beamte immer noch nicht von ihrer Rechtsmäßigkeit überzeugt ist. Der Remonstrierende ist dann allerdings auch von jeglicher Verantwortung - also insbesondere disziplinar- und haftungsrechtlich - für die möglicherweise objektiv rechtswidrige Handlung befreit. Nur wenn das dem Beamten aufgetragene Verhalten einen eklatanten Verstoß gegen die Rechtsordnung darstellt - also erkennbar strafbar oder ordnungswidrig ist oder die Würde des Menschen verletzt - braucht, ja darf er den Anordnungen nicht Folge zu leisten. Folgt er dennoch den Anweisungen, ist er für die Rechtsverletzung mitverantwortlich. Wird, z. B. weil Gefahr im Verzug ist, die sofortige Ausführung der Anordnung verlangt, sind die Beamtinnen und Beamten - so keine eklatante, erkennbare Rechtsverletzung vorliegt - bei Befolgen einer „bedenklichen“ Anordnung von der eigenen Verantwortung befreit, wenn eine Überprüfung der Anordnung durch vorgesetzte Stellen aus Zeitgründen scheitert. Schadenshöhe im Regressfall Unter Zugrundelegung der Differenzmethode ist als Schaden der Unterschied zwischen der Vermögenslage des Dienstherrn, wie sie sich infolge der schuldhaften Pflichtverletzung gestaltet hat und seiner Vermögenslage, wie sie ohne dieses Ereignis bestehen würde, maßgeblich. Beispiel: Ist ein Beamter im Rahmen eines Schadens an einem Dienstfahrzeug gegenüber dem Dienstherrn zum Schadensersatz verpflichtet, kann er auch zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung wegen Verlustes der Gebrauchsmöglichkeit des Dienstfahrzeuges verpflichtet sein (VGH Bad.-Württ. v. 25.7.2000 - 4 S 1587/98, IÖD 00 S. 258). 15 Schadensersatzpflicht bei unmittelbarer Schädigung des Dienstherrn Ein Beamter kann seinen Dienstherrn auch unmittelbar schädigen. Typische Fälle sind z. B. die Beschädigung oder die Zerstörung von im Eigentum des Dienstherrn stehenden Sachen oder der Verlust von Geld oder Sachen. Geschieht dies vorsätzlich oder grob fahrlässig, ist der Beamte zum direkten Schadensersatz verpflichtet. Beispiel: Ein Beamter verstaut den ihm zu dienstlichen Zwecken überlassenen Laptop im Kofferraum seines Fahrzeugs. Das Dienstgeschäft erstreckt sich über mehrere Tage. In einer Nacht wird das am Straßenrand geparkte und ordnungsgemäß verschlossene Auto samt Kofferraum aufgebrochen und der Laptop aus dem Fahrzeug gestohlen. Es stellt sich nun die Frage, ob der Beamte von seinem Dienstherrn zum Schadensersatz herangezogen werden kann. Insbesondere, wenn es klare dienstliche Weisungen gibt, den Laptop nicht unbeaufsichtigt im Fahrzeug aufzubewahren, hat der Beamte äußerst schlechte Karten, obwohl er das Fahrzeug ordnungsgemäß verschlossen hat. Besonders kritisch kann es werden, wenn neben dem materiellen Schaden des Verlustes des Laptops auch die darauf abgespeicherten Daten missbräuchlich genutzt werden und hierdurch weiterer Vermögensschaden, ggf. auch Dritter, eintritt. Bei der Höhe des Schadens ist auch hier der oben beschriebene Schadensbegriff i.S.d. Differenzmethode maßgeblich. Beispiel: Hat der Beamte dem Dienstherrn Gelder entzogen, so umfasst der zu ersetzende Schaden auch eine Vermögenseinbuße wegen Zinsverlust. Es bedarf nicht der Aufklärung des konkreten Zusammenhangs zwischen der Pflichtwidrigkeit und dem Zinsschaden (BVerwG v. 19.7.01 – 2 C 42.00, IÖD 02 S. 26). Beispiel: Ein vom Beamten aus Anlass seiner dienstlichen Tätigkeit angenommenes „Schmiergeld“ kann vom Dienstherrn analog § 667 BGB und im Rahmen seines beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs herausverlangt werden, da regelmäßig zumindest das gezahlte Schmiergeld in die Kostenkalkulation der auftragserhaltenden Firma eingeflossen ist. § 123 Abs.1 VwGO ist Rechtsgrundlage für eine auf die Sicherung von Geldforderungen gerichtete einstweilige Anordnung. Sie entspricht dem in den §§ 916 ff. ZPO geregelten dinglichen Arrest (VGH München v. 16.7.92 - 3 CE 92.1143 - ZBR 93 S 29). 16 Haftungsbeschränkungen im Fall des Regresses und der Schadensersatzpflicht bei unmittelbarer Schädigung des Dienstherrn Haftungsbeschränkung wegen Mitverschuldens des Dienstherrn In aller Regel hat der Beamte die gegen ihn bestehenden Schadensersatzansprüche seines Dienstherrn zu erfüllen. Allerdings ist durchaus auch ggf. vorliegendes Mitverschulden der Anstellungskörperschaft zu prüfen. So kann auch den Dienstherrn ein zuzurechnender Schadensanteil treffen, beispielsweise bei Organisationsmängeln und unzureichenden Kontrollen. In diesem Falle ist der Schaden quotenmäßig zwischen dem Beamten und dem Dienstherrn aufzuteilen. Auch kann ein Mitverschulden des öffentlichen Dienstherrn/Arbeitgebers z. B. wegen nicht abgestellter Arbeitsüberlastung vorliegen. In diesem Zusammenhang wollen wir auch kurz auf die Möglichkeit des Beschäftigten eingehen, eine so genannte „Überlastungsanzeige“ zu erstatten. Mit der Überlastungsanzeige macht der Beschäftige deutlich, dass er durch die Arbeitsbelastung an seinem Arbeitsplatz überfordert ist. Er muss in dieser die Situation an seinem Arbeitsplatz genau schildern, welche Aufgaben von ihm zu erfüllen sind und worin die Ursache für die unzumutbare Überlastung, z. B. in unvertretbarer Arbeitsverdichtung durch Personalfehlbestand etc., zu sehen ist. Außerdem sollte von dem Beschäftigten dargestellt werden, welche eigenen Anstrengungen er unternommen hat, der Situation Herr zu werden, welche Lösungsmöglichkeiten er sieht und welche Risiken damit verbunden sind, wenn der Arbeitgeber bzw. der Dienstherr nicht helfend eingreift. Eine solche Überlastungsanzeige, die aus Beweisgründen grundsätzlich schriftlich erfolgen sollte, stellt den Beschäftigten allerdings nicht von seiner Pflicht frei, im Rahmen der Möglichkeiten seine Dienstleistung mit der erforderlichen Sorgfalt zu erbringen und berechtigt nicht zu pflichtwidrigem Handeln. Hat der Beschäftigte seine Überlastung angezeigt und bleibt der Arbeitgeber untätig, kann dies in Schadensfällen– je nach Einzelfall – zu einem Regressausschluss oder zu einer Haftungsbeschränkung führen. Wir wollen allerdings nicht verschweigen, dass solche Überlastungsanzeigen auch gewisse Risiken bergen. Ist nämlich eine Überlastungssituation objektiv nicht gegeben und empfindet der Beschäftigte die Arbeitsbelastung subjektiv nur so, könnte der Dienstherr hieraus ggf. Rückschlüsse auf die Belastbarkeit des Beschäftigten ziehen. Beamte sind z. B. dann nicht davor gefeit, dass daraus bei der 17 nächsten Beurteilung ggf. negative Konsequenzen gezogen werden. Auch bei der Übertragung höherwertiger Stellen könnte das Kriterium „Belastbarkeit“ bei der Personalauswahl eine Rolle spielen. Leichtfertig sollte man also nicht zu diesem Mittel greifen. Minderung des Schadenersatzes wegen Vorliegens einer unbilligen Härte Eine teilweise Abstandsnahme von der Verfolgung begründeter Forderungen kann nur ausnahmsweise in Betracht kommen. Dies ist beispielsweise denkbar im Falle eines besonders hohen Schadens, dessen voller Ersatz die Lebenshaltung des Beamten in unerträglicher Weise beeinträchtigen oder bei Vorliegen eines in seiner Person geprägten, besonders gestalteten Einzelschicksals, das die Durchsetzung der Forderung als besondere oder gar unbillige Härte erscheinen lassen würde. Dabei steht dem Dienstherrn bei der Entscheidung der Frage, ob er im Rahmen seiner Fürsorgepflicht unter Heranziehung des Haushaltsrechts auf eine Forderung gegen seinen Beamten ganz oder teilweise verzichtet, grundsätzlich auch in Härtefällen ein Ermessen zu, das ggf. bei Vorliegen von „typischer Unbilligkeit“ auch auf „0“ reduziert sein kann. Schadensersatzausschluss durch Zielvereinbarung, Risikomanagement oder ähnliche Bearbeitungsvorgaben Es stellt sich nun die weitergehende Frage, ob der Dienstherr nicht im Innenverhältnis - sei es ausdrücklich oder indirekt durch Einschränkungen der Prüfungswürdigkeit von Sachverhalten - auf Regressforderungen oder Schadenersatz ausdrücklich oder „de facto“ verzichten kann? Nun - hier sind wir in einer gewissen „Grauzone“. Zivilrechtlich kann man sehr wohl weitergehende Haftungsausschlüsse vereinbaren. Das Beamtenrecht ist aber „vereinbarungsfeindlich“. Beamtenrechtlich gilt immer die Gesetzeslage. Ich will es einmal „weich“ formulieren. Gibt es „von oben“ die Vorgabe bei „Bagatellfällen“ nach dem Motto „es wird schon stimmen - Augen zu und durch“ zu verfahren, wird man im Zweifelsfall dem Beamten, der sich nach solchen Vorgaben richtet, nicht den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit machen können. Dies dürfte sowohl für Schäden gelten, die Dritten durch die ohne intensive Prüfung erfolgte Bearbeitung entstehen, als auch - und das dürfte der Regelfall sein- für etwaige Schäden, die dem Dienstherrn (z. B. Land Hessen) durch Einnahmeausfälle oder zu hohe Erstattungen an Dritte entstehen. 18 Beispiel: Unterstellen wir, es gäbe die Vorgabe, bei der Steuerveranlagung wegen der geringen steuerlichen Auswirkung bis zu dem Betrag von 50 € auf die Vorlage von Belegen bei der Geltendmachung von Fachliteratur als Werbungskosten zu verzichten und diese Aufwendungen als „glaubhaft“ anzusehen. Manchmal muss der Dienstherr halt im Interesse einer effektiven Arbeitserledigung „Prioritäten“ setzen. Ein nachgeordneter Beamter, der entsprechend verfährt, kann nicht zur Rechenschaft gezogen werden, selbst wenn es sich nachträglich eindeutig herausstellt, dass anzuerkennende Kosten für Fachliteratur tatsächlich nicht angefallen sind. Dies gilt erst recht, wenn im Zuge des Einsatzes neuer Techniken Anträge maschinell oder durch Einsatz von EDV und Internet durch den Bürger selbst oder entsprechend den Angaben des Bürgers eingegeben und nur ein gewisser Prozentsatz von Fällen aufgrund eines Prüfungsrasters - ggf. komplettiert mit Zufallsauswahlen - von dem zuständigen Sachbearbeiter noch kontrolliert werden. Dieser kann nicht in Regress für fehlerhafte Fallbearbeitung von Anträgen genommen werden, die zwar nominell in seinen Zuständigkeitsbereich fallen, die er aber system- oder vorgabebedingt nicht zu Gesicht bekommen hat. Doch sind nicht etwa auch den Vorgesetzten durch Gesetzesvorgaben anderer Art, Grenzen bei dem Verzicht auf solch intensive Kontrollen gesetzt? Gewiss gilt der Grundsatz, dass jede Ebene der Verwaltung - und damit natürlich auch die Führungsebene - gehalten ist, dafür Sorge zu tragen, dass das Verwaltungshandeln recht - und gesetzesmäßig ist, keine Ermittlungspflichten verletzt werden und auch die Einzelfallgerechtigkeit nicht zu kurz kommt. Es gibt aber auch schon seit „Urzeiten“ den Grundsatz im Deutschen Verwaltungsrecht: „Man soll nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen.“ Nicht jeder Einzelfall muss mit der gleichen Intensität ausgeforscht und ohne Rücksicht auf die zu erwartenden Auswirkungen „hin- und hergewendet“ werden. Auch muss eine verantwortungsbewusst handelnde Führungskraft die von ihr nicht beeinflussbaren Rahmenbedingungen, die von Dritten - z. B. politischen Vorgaben hinsichtlich Personalausstattung und sonstigen Ressourcen - gesetzt sind, in Rechnung stellen und mit dem vorgegebenen „Mangel an Ressourcen“ im Interesse des Staates, aber auch des Bürgers, vernünftig umgehen. Hier müssen die Vorgesetzten in einen Abwägungsprozess der nach Wichtigkeit zu setzenden Prioritäten eintreten. Da mag - und gerade bei einer Eingriffsverwaltung ist meist der Staat der „Dumme“ - objektiv betrachtet das Risiko des Eintritts eines gewissen Schadens nicht von der Hand zu weisen sein. Wenn aber durch eine nachvollziehbare Prioritätensetzung nach menschlichem Ermessen die Gefahr eines ungleich größeren Schadens minimiert werden kann, weil eben ge- 19 wichtigere Fälle bei knappen Ressourcen genauer unter die Lupe genommen werden können, dürfte dies vertretbar sein. Letztlich werden auch außen stehende Stellen, wie z. B. der Rechnungshof, einem Vorgesetzten nicht begründet den Vorwurf einer Pflichtverletzung machen können, wenn dieser nach bestem Wissen und Gewissen eine „prioritäre“ Arbeitserledigung unter Inkaufnahme von Defiziten in nachrangigen Aufgabenstellungen vorgegeben hat. Eher umgekehrt! Greift der Vorgesetzte nicht steuernd ein, ist er möglicherweise seiner Führungsund Leitungsverantwortung nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Ob dies dann allerdings ausreicht, um ihn in Regress zu nehmen, ist natürlich eine andere Frage und bleibt der Prüfung im Einzelfall vorbehalten. Auch bei modernen Führungsinstrumenten wie Zielvereinbarungen, kann es im Spannungsfeld zwischen Quantität und Qualität der Arbeitserledigung ggf. zu gemeinsamen Absprachen über Prüfungsintensitäten kommen, die dann ggf. eine Inanspruchnahme des Beamten, der sich an diese Absprache hält, ausschließen. Klar ist aber andererseits, dass die Amtshaftung bei fehlerhaftem Verwaltungshandeln gegenüber einem geschädigten Dritten durch Absprachen im Innenverhältnis über die Art und Weise der Arbeitserledigung zwischen Vorgesetztem und nachgeordnetem Beamten nicht berührt wird. Gesamtschuldnerische Haftung Bei gesamtschuldnerischer Mithaftung stellt sich die Frage, ob der Dienstherr entsprechend der Regelung des § 421 BGB nach freiem Belieben einen von mehreren Beamten zum Ersatz des gesamten Schadens heranziehen kann (so BVerwG v. 23.10.69) oder ob der Dienstherr in Ausfüllung der Fürsorgepflicht nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat, welchen von mehreren, ihm gesamtschuldnerisch Haftenden, er in welchem Umfang zum Schadensersatz heranziehen will (OVG NW v. 12.2.9o - 12 A 1511/87-, RiA 91,148,149). Zumindest ist das Ermessen nach dem Zweck der Regelung sehr weit und im Wesentlichen nur an den Maßstab der Zweckmäßigkeit und der Billigkeit gebunden (Hess.VGH v. 27.4.94 - 1 UE 667/89, IÖD 94 S. 206). Gesamtschuldnerschaft setzt aber voraus, dass jeden für die Verursachung des Schadens verantwortlichen Beamten ein „qualifiziertes“ Verschulden trifft, er also zumindest grob fahrlässig gehandelt haben muss (OVG Schleswig v. 20.2.92-3 L 198/91, ZBR 92, 385). 20 Verjährung des Schadensersatzanspruchs des Dienstherrn bei Dienstpflichtverletzung des Beamten Für den Schadensersatzanspruch des Dienstherrn gegen den Beamten gilt eine Verjährungsfrist von drei Jahren. Sie beginnt ab dem Zeitpunkt zu laufen, an dem der Dienstherr von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erhält. Nach 10 Jahren von der Begehung der Handlung an gerechnet, ist aber in jedem Fall - Kenntnis hin oder her - die Verjährung eingetreten. Hat der Dienstherr einem Dritten Schadensersatz geleistet, so tritt an die Stelle des Zeitpunkts, in dem der Dienstherr von dem Schaden Kenntnis erlangt, der Zeitpunkt, in dem der Ersatzanspruch des Dritten diesem gegenüber vom Dienstherrn anerkannt oder dem Dienstherrn gegenüber rechtskräftig festgestellt wird (§ 91 HBG). Wird Klage erhoben, ist der Fristablauf gehemmt (BVerwG, U. v. 15.6.06 – 2 C 10.05, IÖD 06 S. 220). Wie kann man sich als Beamter vor Regressforderungen schützen? Nun ja – natürlich zunächst einmal dadurch, dass man Dienstpflichtverletzungen eben vermeidet. Ist es zweifelhaft, ob oder in welchem Ausmaß eine Dienstpflichtverletzung vorliegt, können Sie als Mitglied einer Fachgewerkschaft bzw. eines Fachverbandes des dbb Hessen bei einer drohenden Inanspruchnahme nach Maßgabe der geltenden Rechtsschutzordnungen Rechtsschutz beantragen. Außerdem gibt es Versicherer, die Ihnen für den Fall der Inanspruchnahme eine Vermögenshaftpflichtversicherung anbieten, die dann entsprechend den Vertragsbedingungen eintritt, u.a. auch Versicherer, die bundesweit unter dem Dach des dbb vorsorgewerks zusammengeschlossen sind. Nähere Auskünfte erhalten Sie bei Interesse beim dbb vorsorgewerk, Friedrichstr. 165, 10117 Berlin, Tel.: 030 4081 64 00, E-Mail [email protected] Im Übrigen können Sie auch den Personalrat einschalten, wenn gegen Sie Ersatzansprüche geltend gemacht werden. Hier ist § 75 Abs. 2 HPVG einschlägig. Er lautet: Der Personalrat wirkt auf Antrag des Beschäftigten mit, bevor Ersatzansprüche gegen ihn geltend gemacht werden. Anträgen und Berichten der Dienststelle ist in solchen Fällen die Stellungnahme des Personalrats beizufügen. 21 Schon daraus folgt, dass der Beschäftigte rechtzeitig und umfassend darüber in Kenntnis zu setzen ist, wenn der Dienstherr beabsichtigt, gegen ihn vorzugehen. Strafrechtliche Haftung Auf die mögliche strafrechtliche Haftung des Beamten sei nur ein kurzer Blick geworfen. Vorsätzliches Handeln eines Beamten, das den Tatbestand eines Strafgesetztes erfüllt, rechtswidrig und schuldhaft ist, wird grundsätzlich strafrechtlich geahndet. Dies gilt nicht nur für vorsätzliche Handlungen; der Beamte kann auch Täter eines Fahrlässigkeitsdelikts sein. Hier bestehen keine Unterschiede zum normalen Bürger. Dennoch kann der Beamte – im Rahmen seiner Aufgabenstellung - in grundsätzlich geschützte Rechte Dritter eingreifen, wozu ein „normaler Bürger“ nicht befugt ist. Einen Rechtfertigungsgrund bildet die Einwilligung. Hierzu gehört die behördliche Erlaubnis. Die Erlaubnis schließt zumeist bereits die Tatbestandsmäßigkeit aus. Aufgabenstellungen der Beamten können auch vorsätzliche Taten rechtfertigen, wie z. B. Vollstreckungshandlungen des Gerichtsvollziehers oder die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch Polizeibeamte. Handeln auf Befehl ist ein Rechtfertigungsgrund, wenn die befohlene Handlung rechtmäßig ist. Ist sie das nicht, der Befehl aber dennoch verbindlich, so kann das ein Schuldausschließungsgrund sein. Da heutzutage der Beamte vielfach unter Überlastung leidet- er kommt einfach mit seinen Fällen nicht nach-, stellt sich die Frage einer Verantwortlichkeit aufgrund von Unterlassen gemäß § 13 StGB. Beim Unterlassungsdelikt handelt es sich um eine besondere Deliktsform, denn nicht jeder kann Täter sein. Hier spielt als Rechtsbegriff auch die so genannte „Garantenpflicht“ und die „Garantenstellung“ eine wichtige Rolle. Mit der Garantenpflicht müssen sich alle – auch Amtsträger - befassen, die in irgendeiner Weise Verantwortung für das Tun oder Unterlassen anderer Menschen übernehmen. 22 Beispiel: Eine Sozialarbeiterin versäumt das zuständige Jugendamt zu informieren, obwohl ihr bekannt ist, dass in einer Familie, die sie betreut, schwere Vernachlässigungen und Misshandlungen eines kleinen Kindes an der Tagesordnung sind. Das Kind kommt durch die Misshandlungen zu Tode. Auch wenn die Sozialarbeiterin mit der Straftat direkt nichts zu tun hat, kann sie bei nachgewiesener Verletzung ihrer Garantenpflicht („staatliches Wächteramt“) zur Verantwortung gezogen werden. Aber nicht nur in der Jugendhilfe, sondern auch in anderen Bereichen staatlichen Handels kann sich die Frage der Garantenpflicht stellen. Die Garantenstellung kann sich z. B. aus einer gesetzlichen Aufgabenverteilung ergeben. So werden die zuständigen Behörden und deren beauftragte Amtsträger innerhalb bestimmter Behörden, z. B. im Umweltbereich, so genannte Beschützergaranten. Innerhalb des Aufgabenkreises ist es meist in das Ermessen des Amtsträgers gestellt, mit welcher Priorität er handelt. Es kann aber auch sein, dass die Verwaltung sich selbst Vorgaben in der Form von generellen Regelungen gesetzt hat. Die allgemeinen Vorgaben sind vom Beamten natürlich strengstens zu beachten. Sie sind die Schranken der Garantenstellung und schließen eine Strafbarkeit des Beamten aus. Kann der Beamte selbst im Rahmen seines Ermessens handeln, so besteht seine Garantenpflicht nur darin, das Ermessen ordnungsgemäß zu gebrauchen. Nur wenn eine Ermessenreduktion auf Null besteht, der Beamte also in einer gewissen Form handeln muss, kann er sich strafbar machen. Bloße Ermessenfehler sind strafrechtlich unbeachtlich. Als Faustformel gilt: Wenn der Beamte im Rahmen seiner verwaltungsrechtlichen Pflichten handelt, kann er nicht strafrechtlich herangezogen werden. Ermessensfehler haben grundsätzlich keine strafrechtlichen Folgen.