stud. iur. Patrick Schmitz 28.05.2002 Seminar zum neuen Schuldrecht Prof. Dr. Barbara Grunewald Sommersemester 2002 Thema Nr. 7 : Die Verjährung I Literaturverzeichnis: Altmeppen, Holger „Fortschritte“ im modernen Verjährungsrecht Der Betrieb 2002, S. 514 ff. (zitiert als: Altmeppen, DB 2002, 514, zitierte Seite) Altmeppen, Holger Der Verlustausgleichsanspruch nach § 302 AktG: Noch ein Kunstfehler im „modernen“ Verjährungsrecht Der Betrieb 2002, S. 879 ff. (zitiert als: Altmeppen, DB 2002, 879, zitierte Seite) Begründung zum Regierungsentwurf vom 14.05.2001 BT-Drucksache 14/6040 (zitiert als: Begründung, BT-Drucks. 14/6040, zitierte Seite) Brox, Hans Allgemeiner Teil des BGB 25.Auflage, München 2000 (zitiert als: Brox, BGB AT) Canaris, Claus-Wilhelm Schuldrechtsreform 2002 (Beck’sche Gesetzesdokumentationen) München 2002 (zitiert als: Canaris, Schuldrechtsreform) Dauner-Lieb, Barbara / Heidel, Thomas u.a. (Hrsg.) 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(zitiert als: Ott, MDR 2002, 1, zitierte Seite) Palandt, Otto Kommentar zum Bürgerliches Gesetzbuch 61. Auflage; München 2001 Kommentar zum Bürgerliches Gesetzbuch, Ergänzungsband zum Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts München 2001 (zitiert als: Palandt/Bearbeiter) Soergel, Hs. Th. Bürgerliches Gesetzbuch Band 1 Band 1 Allgemeiner Teil §§ 1 - 240 12. Auflage; Stuttgart, Berlin, Köln 1987 Bürgerliches Gesetzbuch Band 3 Schuldrecht II §§ 433 - 515 12. Auflage; Stuttgart, Berlin, Köln 1991 (zitiert als: Soergel/Bearbeiter) Staudinger, Julius v. Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch 1. Buch Allgemeiner Teil; §§ 164 - 240 Neubearbeitung, Berlin 2001 2. Buch Recht der Schuldverhältnisse, §§ 631 – 651 13. Bearbeitung, Berlin 1994 (zit.: Staudinger/Bearbeiter) Thewalt, Stephan Softwareerstellung als Kaufvertrag mit werkvertraglichem Einschlag. § 651 BGB nach der Schuldrechtsreform Computer und Recht 2002, S. 1 ff. 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IV A. EINFÜHRUNG ................................................................................................................. 1 I. Begriff der Verjährung ................................................................................................................................................... 1 II. Zweck der Verjährung .................................................................................................................................................. 1 1.) Schutz des Nichtschuldners ........................................................................................................................................ 2 2.) Schutz des Schuldners ................................................................................................................................................ 2 3.) Prozessökonomie ........................................................................................................................................................ 2 4.) Marktsteuerungsfunktion ............................................................................................................................................ 3 5.) Bestandsschutz der Gläubigerinteressen ..................................................................................................................... 3 B. SYSTEM DES NEUEN VERJÄHRUNGSRECHTS.......................................................... 3 I. Die Regelverjährung ....................................................................................................................................................... 4 1.) subjektive Komponente (§§ 195, 199 Abs. 1) ............................................................................................................ 4 a) Anspruchsentstehung .............................................................................................................................................. 4 b) Anspruchskenntnis .................................................................................................................................................. 5 c) Zurechnung der Kenntnis Dritter ............................................................................................................................ 5 d) Beweislast ............................................................................................................................................................... 5 e) Schutz des Gläubigers ............................................................................................................................................. 6 2.) objektive Komponente (§ 199 Abs. 2 bis 4) ............................................................................................................... 6 a) Zehnjahresfrist des § 199 Abs. 4 ............................................................................................................................. 6 b) Dreißigjahresfrist bei Schädigung höchstpersönlicher Rechtsgüter (§ 199 Abs. 2) ................................................ 6 c) Doppelfrist bei sonstigen Schadensersatzansprüchen (§ 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und 2) ........................................... 6 d) Rechtsgutsbezogene Verjährungsfristen ................................................................................................................. 7 e) Unterlassung............................................................................................................................................................ 7 II. Besondere Verjährungsfristen ...................................................................................................................................... 7 1.) Grundstücksbezogene Ansprüche ............................................................................................................................... 8 a) Allgemeines ............................................................................................................................................................ 8 b) Sonderfall der „stehengelassenen“ Grundschuld .................................................................................................... 8 c) Anspruchsart ........................................................................................................................................................... 8 d) Verjährungsbeginn .................................................................................................................................................. 9 2.) Verjährung der kaufrechtlichen Mängelansprüche ..................................................................................................... 9 V a) zweijährige Frist des § 438 Abs. 1 Nr. 3 ............................................................................................................... 10 b) Fünfjahresfrist des § 438 Abs. 1 Nr. 2 .................................................................................................................. 10 aa) Bauwerke ........................................................................................................................................................ 10 bb) Baumaterialien ............................................................................................................................................... 11 c) Dreißigjahresfrist des § 438 Abs. 1 Nr. 1 .............................................................................................................. 11 aa) Herausgabeansprüche Dritter.......................................................................................................................... 11 bb) Sonstige, im Grundbuch eingetragene Rechte................................................................................................ 12 d) Arglist des Verkäufers .......................................................................................................................................... 12 e) Händlerrückgriff (§ 479) ....................................................................................................................................... 12 f) Anspruchskonkurrenzen ........................................................................................................................................ 13 g) Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises ......................................................................................................... 14 3.) Werkvertragsrecht .................................................................................................................................................... 14 a) Bauwerke und bauwerkbezogene Werkleistungen (§ 634a Abs. 1 Nr. 2) ............................................................. 14 b) Sachbezogene Werkleistungen (§ 634a Abs. 1 Nr. 1) ........................................................................................... 15 c) Übrige Werkleistungen (§ 634a Abs. 1 Nr. 3) ...................................................................................................... 16 d) Arglist des Werkunternehmers (§ 634a Abs. 3 S. 1) ............................................................................................. 17 4.) Mietvertragsrecht ...................................................................................................................................................... 17 5.) Reisevertragsrecht .................................................................................................................................................... 17 6.) Aktien- und GmbH-Recht......................................................................................................................................... 17 a) Der Verlustausgleichsanspruch (§ 302 AktG) ....................................................................................................... 17 b) Verjährung der Erstattungsansprüche i.S.v. § 31 Abs. 1 bis 3 GmbHG ............................................................... 18 c) Verjährung der Einlageschuld des Gesellschafters ............................................................................................... 18 C. NEUBEGINN, HEMMUNG UND ABLAUFHEMMUNG.................................................. 19 I. Neubeginn der Verjährung .......................................................................................................................................... 19 1. Voraussetzungen des Neubeginns .............................................................................................................................. 19 a) Anerkenntnis ......................................................................................................................................................... 19 b) Vollstreckungsmaßnahmen ................................................................................................................................... 19 2. Folgen des Neubeginns .............................................................................................................................................. 19 II. Hemmung der Verjährung ......................................................................................................................................... 20 1. Hemmungsgründe ...................................................................................................................................................... 20 a) Hemmung bei Verhandlungen .............................................................................................................................. 20 b) Hemmung durch Rechtsverfolgung ...................................................................................................................... 20 aa) Veranlassung der Bekanntgabe des Güteantrags (§ 204 Abs. 1 Nr. 4) ........................................................... 21 bb) Selbständiges Beweisverfahren (§ 204 Abs. 1 Nr. 7) ..................................................................................... 21 cc) Begutachtungsverfahren (§ 204 Abs. 1Nr. 8) ................................................................................................. 21 dd) Veranlassung der Bekanntgabe des Antrags auf Prozesskostenhilfe (§ 204 Abs. 1 Nr. 14) .......................... 21 c) Hemmung bei Leistungsverweigerungsrecht (§ 205) ............................................................................................ 22 d) Einrede der Vorausklage (§ 771) .......................................................................................................................... 22 e) Hemmung wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung (§ 208) ............................................................... 22 VI III. Ablaufhemmung ......................................................................................................................................................... 22 1.) Bei nicht voll Geschäftsfähigen (§ 210) ................................................................................................................... 23 2.) In Nachlassfällen (§ 211) .......................................................................................................................................... 23 D. VERJÄHRUNGSVEREINBARUNGEN .......................................................................... 23 I. Verjährungserleichterungen ........................................................................................................................................ 23 II. Verjährungserschwerungen........................................................................................................................................ 24 E. ÜBERLEITUNGSVORSCHRIFT .................................................................................... 24 I. Allgemeines .................................................................................................................................................................... 24 II. Beginn, Neubeginn und Hemmung ............................................................................................................................ 25 III. Verlängerung der Verjährungsfrist ......................................................................................................................... 25 IV. Abkürzung der Verjährungsfrist .............................................................................................................................. 25 F. STELLUNGNAHME ....................................................................................................... 25 ANHANG: FALL ZUM NEUEN VERJÄHRUNGSRECHT .................................................. 27 I. Grundfall........................................................................................................................................................................ 27 II. Abwandlung ................................................................................................................................................................. 28 1 A. Einführung Die Reform des Schuldrechts im Rahmen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes hat auch das Verjährungsrecht mit einbezogen. Geblieben ist zwar der Standort des allgemeinen Verjährungsrechts (§§ 194 ff. 1)), inhaltlich gab es jedoch erhebliche Veränderungen. Die Neuregelung lässt sich auf zwei Grundgedanken zurückführen: 2) Der erste betrifft das System des neuen Verjährungsrechts. Es geht von der sog. regelmäßigen Verjährung (§ 195) aus, sieht jedoch einige Ausnahmetatbestände vor, die besonderen Regeln unterliegen. Der zweite Grundgedanke betrifft die Gründe, die dem Eintritt der Verjährung entgegenstehen können. Hier wurden die Tatbestände des Neubeginns (§ 212; früher: Unterbrechung) drastisch reduziert, die Hemmungstatbestände (§ 203 – 208) dagegen ausgedehnt. I. Begriff der Verjährung Das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen, unterliegt der Verjährung, § 194 Abs. 1. Folglich beziehen sich die neuen Verjährungsvorschriften ebenso wie die §§ 194 ff. a.F. ausschließlich auf die Anspruchsverjährung. Charakterisiert wird das Rechtsinstitut als der Zeitablauf, der dem Verpflichteten die Möglichkeit eröffnet, die von ihm geforderte Leistung zu verweigern (vgl. § 214 Abs. 1). Der Eintritt der Verjährung zieht damit nicht den Untergang des betroffenen Anspruchs nach sich, sondern begründet für den Schuldner lediglich das Recht, die Leistung durch Erhebung der Verjährungseinrede dauerhaft zu verweigern.3) Als Einrede ausgestaltet, wird sie im Prozess nicht von Amts wegen berücksichtigt, vielmehr muss sich der Schuldner auf sie berufen. Wie nach altem Recht auch, unterliegen Gestaltungsrechte nicht der Verjährung. Für die Ausübung von Gestaltungsrechten bestehen aber regelmäßig Ausschlussfristen (z.B. §§ 121, 124, 532). II. Zweck der Verjährung Das Verjährungsrecht hat die Aufgabe, verschiedene, zum Teil auch 1) 2) 3) Vorschriften ohne Gesetzesangabe sind im folgenden solche des BGB i.d.F. vom 1.1.2002; Vorschriften mit der Angabe a.F. sind solche des BGB in der davor geltenden Fassung. vgl. Huber/Faust, S. 268 Rn 2 Brox, BGB AT, Rn 617 2 widerstreitende Interessen in Einklang zu bringen.4) Im Vordergrund steht dabei zumeist der Schutz des Schuldners (dem steht der Schutz des Nichtschuldners gleich). Jedoch dient die Verjährung ebenfalls der Prozessökonomie und nicht zuletzt der Marktsteuerung. Dem steht diametral das Interesse des Gläubigers an der Durchsetzbarkeit seiner Forderungen gegenüber, bedeutet doch jede Verjährungsregel im Ergebnis einen Anspruchsverlust. 1.) Schutz des Nichtschuldners Als wesentliche Funktion des Verjährungsrechts wird vielfach der Schutz des Schuldners vor der Geltendmachung nicht bestehender Forderungen hervorgehoben.5) Genauer ist von dem Schutz des zu Unrecht in Anspruch genommenen, des Nichtschuldners, zu sprechen.6) Erhebt der Gläubiger gegen diese Klage, kann es für den vermeintlichen Anspruchsgegner mit fortschreitendem Zeitablauf schwierig, wenn nicht sogar unmöglich werden, sich gegen die Inanspruchnahme zu wehren. Er gelangt zudem in Beweisschwierigkeiten, wenn es ihm nicht möglich ist, Beweismittel für einen längeren Zeitraum aufzubewahren oder Zeugen zu benennen. 2.) Schutz des Schuldners Gleichfalls geschützt werden soll die Dispositionsfreiheit des tatsächlichen Schuldners.7) Selbst bei sachlich begründeter Forderung des Gläubigers kann es den in Anspruch genommenen unverhältnismäßig hart treffen, wenn er nach längerem Zeitablauf die geschuldete Leistung doch noch erbringen muss. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn zur Abdeckung eventueller Anspruchsrisiken erhebliche Rückstellungen erforderlich sind.8) Ohne den Eintritt der Verjährung liefe der Schuldner Gefahr, auf unabsehbare Zeit in seinem finanziellen Handlungsspielraum eingeschränkt zu werden. 3.) Prozessökonomie Das Rechtsinstitut dient ferner der Prozessökonomie. Geschützt werden sowohl die Parteien als auch die Gerichte vor Streitigkeiten, die aufgrund der durch Zeitablauf erschwerten Beweissituation einen ungewissen Ausgang haben. Unter diesem Aspekt ist auch der Umstand zu verstehen, dass 4) 5) 6) 7) 8) vgl. Mansel/Budzikiewicz, § 1 Rn 37 BGHZ 122, 241 (244); Palandt/Heinrichs, Überbl. vor § 194 Rn 2; Zimmermann, JZ 2000, 853 (854); Larenz/Wolf, BGB AT § 17 Rn 3 Mansel/Budzikiewicz, § 1 Rn 38 Begründung, BT-Drucks. 14/6040, S. 96; Staudinger/Peters, vor § 194 ff. Rn 5 Mansel/Budzikiewicz, § 1 Rn 40 3 richterliche Hinweisrechte und –pflichten auch im Bereich der Verjährung zunehmend als zulässig erachtet werden, um den Prozess ggf. erheblich abzukürzen sowie zeitaufwendige und kostenträchtige Beweisaufnahmen zu vermeiden.9) 4.) Marktsteuerungsfunktion Im Bereich des Gewährleistungsrechts kann der Gesetzgeber durch das Rechtsinstitut der Verjährung steuernd auf den Waren- und Dienstleistungsmarkt einwirken.10) Ist die Verjährungsfrist länger als der Zeitraum der vertraglich vorausgesetzten Nutzungsdauer, wird der Anreiz zur Verschleißproduktion gesenkt. Ist sie dagegen kürzer, verlagert sich das Risiko der vorzeitigen Abnutzung auf den Abnehmer des Produktes. Dies wirkt im Ergebnis absatzfördernd und erhöht den Investitionsspielraum des Anbieters. 5.) Bestandsschutz der Gläubigerinteressen Den Preis für die oben aufgeführten Ziele zahlt letztlich der Gläubiger, erleidet er doch de facto (nicht de iure) einen Forderungsverlust. Dies wird durch den Hinweis gerechtfertigt, er habe es schließlich selbst in der Hand, seine Ansprüche rechtzeitig geltend zu machen. Versäume der Gläubiger dies, habe er sich die Folgen der Verjährung selbst zuzuschreiben.11) Indes muss dem Gläubiger auch die realistische Chance verbleiben, das Bestehen der in Rede stehenden Forderung zu erkennen, diese zu prüfen und ggf. die gerichtliche Durchsetzung zu initiieren.12) Die vorstehend aufgeführten Ziele des Verjährungsrechts werden zum Teil dahingehend zusammengefasst, dass die Verjährung der Rechtssicherheit (Verkehrssicherheit) und dem Rechtsfrieden diene.13) Eine eigenständige Bedeutung, die über die dargestellten Aspekte hinausgeht, kommt diesen Kriterien indes nicht zu.14) B. System des neuen Verjährungsrechts 9) 10) 11) 12) 13) 14) vgl. zum Aspekt der Prozessökonomie die Darstellung bei Staudinger/Peters, § 222 Rn 13 – 16 Mansel/Budzikiewicz, § 1 Rn 47 Soergel/Niedenführ, vor § 194 Rn 2 Begründung, BT-Drucks. 14/6040, 95; Peters/Zimmermann, 104 Begründung, BT-Drucks. 14/6040 unter Hinweis auf BGHZ 59, 72 (74); Palandt/Heinrichs, Überbl. vor § 194 Rn 4; MüKo/Grothe, § 194 Rn 6 Mansel/Budzikiewicz, § 1 Rn 45 m.w.N. 4 I. Die Regelverjährung Das neue Recht geht von einer sog. regelmäßigen Verjährung aus, die grundsätzlich für alle Ansprüche gilt, soweit keine besonderen Verjährungsregeln eingreifen. Dieses System ist zweispurig aufgebaut: Es besteht aus einer subjektiven und einer objektiven Komponente. 1.) subjektive Komponente (§§ 195, 199 Abs. 1) Die subjektive Komponente ergibt sich aus den §§ 195, 199 Abs. 1. Gemäß § 195 beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre. Sie gilt für alle Ansprüche, für die keine besondere Verjährungsfrist vorgesehen ist.15) Den Fristbeginn hierfür legt § 199 Abs. 1 fest: Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem (1) der Anspruch entstanden ist, und (2) der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen16) und der Person des Schuldners17) Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Es handelt sich um eine sog. Ultimo-Verjährung, deren Beginn erst mit dem Ende des Jahres Eintritt, in dem die beiden genannten Kriterien vorliegen. Dies hat den Vorteil, dass die Gläubiger und ihre Rechtsberater nicht permanent auf die Gefahr der Verjährung achten müssen.18) a) Anspruchsentstehung Der Anspruch entsteht regelmäßig mit seiner Fälligkeit.19) Hier können die Ergebnisse der Rechtsprechung zu § 198 S. 1 a.F. herangezogen werden. Allein bei Schadensersatzansprüchen kommt ein früherer Zeitpunkt in Betracht. Der Grundsatz der Schadenseinheit kann auch im neuen Recht weiterhin zur Bestimmung des Verjährungsbeginns gesetzlicher oder vertraglicher Ansprüche zur Anwendung kommen.20) Dieser umstrittene, in der Rechtsprechung jedoch anerkannte Grundsatz besagt, dass ein Schadensersatzanspruch auch hinsichtlich der noch nicht eingetretenen Schäden mit der Verwirklichung des ersten Schadenspostens insgesamt entstanden ist, soweit die später auftretenden Schadenselemente eine vorhersehbare Folge des Schadensgeschehens waren.21) 15) 16) 17) 18) 19) 20) 21) Mansel, NJW 2002, 89 (90) Die Kenntnis aller Einzelheiten ist hierfür nicht erforderlich; es genügt, wenn der Gläubiger auf der Grundlage der ihm bekannten Umstände mit einiger Erfolgsaussicht Klage erheben könnte. Vgl. Heinrichs, BB 2001, 1417 (1418) m.w.N. Hierzu gehören auch Name und Anschrift des Schuldners, vgl. Heinrichs, BB 2001, 1417 (1418) BGHZ 113, 188 (191 f.); MüKo/Grothe, § 198 Rn 1 ff. vgl. Mansel, NJW 2002, 89 (91) BR-Drucks. 338/01, 240 BGH NJW 1996, 117 5 b) Anspruchskenntnis Als weitere subjektive Voraussetzung nennt § 199 Abs. 1 Nr. 2 die Kenntnis des Gläubigers von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners. Darüber hinaus wird der Kenntnis die grob fahrlässige Unkenntnis gleichgesetzt. Dadurch wird der Verjährungseintritt zu Lasten des Gläubigers erleichtert. Der in eigenen Angelegenheiten untätige Gläubiger läuft damit Gefahr, seine Ansprüche nicht mehr durchsetzen zu können. Hinzu kommt, dass eine fehlerhafte rechtliche Würdigung den Verjährungsbeginn nicht hindert.22) c) Zurechnung der Kenntnis Dritter Auch hier kann die Rechtsprechung zu § 852 Abs. 1 a.F. herangezogen werden.23) Ist der Gläubiger geschäftsfähig, so kommt es analog § 166 Abs. 1 auf die Kenntnis einer anderen Person (Wissensvertreter) nur an, wenn der Wissensvertreter in eigener Verantwortung mit der selbständigen Erledigung von Aufgaben betraut 24), die auch die Sachverhaltserfassung bei der Verfolgung von Ansprüchen und deren rechtzeitige Geltendmachung umfasst.25) Bei einem geschäftsunfähigen oder beschränkt geschäftsfähigen Gläubiger ist auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters abzustellen.26) d) Beweislast Der Schuldner, der die Einrede der Verjährung erhebt (§ 214), hat die den Verjährungseintritt begründenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen, somit auch die Kenntnis (bzw. grob fahrlässige Unkenntnis) des Gläubigers i.S. des § 199 Abs. 1 Nr. 2. In der Regel wird dem Schuldner der Beweis der Kenntnis bei vertraglichen Erfüllungsansprüchen nicht schwer fallen. Die Unkenntnis ist allerdings ein Umstand aus der Sphäre des Gläubigers, sachgerechter wäre es gewesen ihm auch die Beweislast aufzuerlegen. Der Beweis negativer Tatsachen wie der Unkenntnis ist dem deutschen Recht nicht unbekannt, doch zögert der Gesetzgeber traditionell, einen Beweis negativer Umstände vorzusehen.27) Der Gläubiger wird somit durch die Beweislastverteilung begünstigt. 22) 23) 24) 25) 26) 27) Heinrichs, BB 2001, 1417 (1418); Lorenz/Riehm, S.28 Rn 50 vgl. Larenz/Wolf, BGB AT, § 46 Rn 107 ff. BGH NJW 1989, 2323 BGH VersR 1989, 914 vgl. Leenen, DStR 2002, 34 (35); Mansel, NJW 2002, 89 (92) Däubler, NJW 2001, 3729 (3730) 6 e) Schutz des Gläubigers Dieser subjektive Fristbeginn kommt den schutzwürdigen Interessen des Gläubigers entgegen; auf diese Weise kann sein Anspruch nicht verjähren, ohne dass er eine Chance hatte, ihn geltend zu machen.28) Sie hat somit den Charakter einer Überlegensfrist, der Gläubiger hat bis zum Verjährungseintritt drei Jahre Zeit, verjährungshemmende oder unterbrechende Maßnahmen der Anspruchsdurchsetzung einzuleiten.29) Die Kehrseite ist jedoch, dass der Zeitpunkt, in dem der Gläubiger von dem Anspruch Kenntnis erlangt hat oder (ohne grobe Fahrlässigkeit) erlangen musste, nach außen häufig nicht erkennbar ist. Um eine daraus resultierende faktische Unverjährbarkeit der betroffenen Ansprüche zu verhindern, enthält das System der regelmäßigen Verjährung auch eine objektive, d.h. vom Kenntnisstand des Gläubigers unabhängige Komponente.30) 2.) objektive Komponente (§ 199 Abs. 2 bis 4) Diese findet sich in Gestalt des § 199 Abs. 2 bis 4, der Maximalfristen bestimmt (wie dies auch bei § 852 Abs. 1 a.F. der Fall war), nach deren Verstreichen in jedem Fall Verjährung eintritt. a) Zehnjahresfrist des § 199 Abs. 4 Ohne Rücksicht auf das Kenntnis- oder Erkennbarkeitskriterium verjähren alle Ansprüche – ausgenommen Schadensersatzansprüche – nach § 199 Abs. 4 grundsätzlich in einer absoluten Frist von zehn Jahren ab ihrer Entstehung. b) Dreißigjahresfrist bei Schädigung höchstpersönlicher Rechtsgüter (§ 199 Abs. 2) Ausgenommen von der zehnjährigen Maximalfrist sind Schadensersatzansprüche die auf der Verletzung des Leben, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen; für sie gilt – wie bisher nach § 852 Abs. 1 a.F. – eine absolute Verjährungsfrist von dreißig Jahren. Die Maximalfrist beginnt mit Begehung der schadensauslösenden Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen schadensauslösenden Ereignis zu laufen. c) Doppelfrist bei sonstigen Schadensersatzansprüchen (§ 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und 2) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren gemäß § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 28) 29) 30) Huber/Faust, S. 270 Rn 8 Mansel, NJW 2002, 89 (90) vgl. Heinrichs, BB 2001, 1417 (1419) 7 spätestens zehn Jahre nach ihrer Entstehung oder dreißig Jahre nach der Vornahme der schadensauslösenden Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen schadensauslösenden Ereignis (§ 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 2), ohne dass es auf Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis ankommt. Nach § 199 Abs. 3 S. 2 ist auf diejenige Frist abzustellen, die früher abgelaufen ist. d) Rechtsgutsbezogene Verjährungsfristen Die Regelung des § 199 Abs. 2 und 3 hat zur Folge, dass ein Schadensersatzanspruch (je nach Art des geltend gemachten Schadens) unterschiedlichen Maximalfristen unterliegen kann. Das gilt unabhängig von der Höhe des eingetretenen Schadens.31) Ein minimaler Schadensersatzanspruch wegen Körperverletzung verjährt spätestens in dreißig Jahren, ein Anspruch in Millionenhöhe wegen Sachbeschädigung kann dagegen spätestens nach zehn Jahren verjähren. Diese Diskrepanz gibt zu denken und wurde bereits im Gesetzgebungsverfahren kritisiert.32) e) Unterlassung Bei einem Anspruch auf dauerhaftes Unterlassen ist gemäß § 199 Abs. 5 nicht auf das Entstehen des Anspruchs abzustellen, sondern auf die Zuwiderhandlung. Ist der Schuldner dagegen zu einem dauernden Tun verpflichtet, so beginnt die Verjährung entsprechend dem Rechtsgedanken des § 199 Abs. 5 mit jeder Unterlassung neu. II. Besondere Verjährungsfristen Die Schuldrechtsreform hat eine Reihe von besonderen Verjährungsfristen geschaffen oder zumindest geändert. Zu nennen sind exemplarisch § 196, der die Verjährung von Rechten an einem Grundstück innerhalb von zehn Jahren bestimmt, und vor allem § 438, der die Verjährung kaufrechtlicher Mängelansprüche weitgehend verändert. Die weiteren besonderen Verjährungsfristen des BGB wie etwa §§ 606, 801, 804 Abs. 3 S. 1, 1028, 1302, 2287 Abs. 2 und 2332, oder die anderer Gesetze (z.B. § 12 ProdHaftG, § 51 lit. b BRAO, § 68 StBerG, § 51 lit. a WirtschaftsprüferO) gelten auch weiterhin.33) Zu beachten ist § 200, der den Beginn anderer Verjährungsfristen als derjenigen, die in den §§ 195, 199 bestimmt sind, regelt. § 200 31) 32) 33) Mansel, NJW 2002, 89 (93) BT-Drucks. 14/7052, 172 vgl. Mansel, NJW 2002, 89 (93) 8 kommt immer dann zur Anwendung wenn eine dieser anderen Verjährungsvorschriften zwar die Fristenlänge, nicht jedoch den Fristbeginn festlegt. In diesem Fall beginnt die Frist mit der Entstehung des Anspruchs zu laufen. 1.) Grundstücksbezogene Ansprüche a) Allgemeines Nach § 196 verjähren Ansprüche auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück sowie auf Begründung, Übertragung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück oder auf Änderung des Inhalts eines solchen Rechts sowie die Ansprüche auf die Gegenleistung in zehn Jahren. Der Gesetzgeber34) hat eine Sonderregelung für erforderlich erachtet, weil die Durchsetzbarkeit solcher Ansprüche nicht allein vom Willen der Vertragsparteien abhängt. Verzögerungen können sich zum Beispiel durch die vom Finanzamt zu erteilende Unbedenklicheitsbescheinigung oder im Zusammenhang mit der Grundbucheintragung ergeben. Insbesondere beim Kauf eines noch nicht vermessenen Grundstücks kann längere Zeit verstreichen, bis das Vermessungsergebnis in das Kataster eingetragen wird. b) Sonderfall der „stehengelassenen“ Grundschuld Einen weiteren Anwendungsfall des § 196 stellt die „stehengelassene“ Grundschuld dar. Ist zur Sicherung eines Darlehens zu Gunsten des Kreditinstituts eine Grundschuld eingetragen, so wird mit der Tilgung des Darlehens regelmäßig auch der Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld aus dem Sicherungsvertrag fällig. In der Praxis verzichtet der Sicherungsgeber jedoch oftmals darauf, seinen Übertragungs-, Verzichts- oder Aufhebungsanspruch geltend zu machen.35) Auf diese Weise kann das Grundpfandrecht für einen erneuten Kreditbedarf verwendet und dann unmittelbar auf den neuen Kreditgeber übertragen werden, ohne dass die Kosten einer Abtretung anfielen. c) Anspruchsart Grundsätzlich ist es unerheblich, woraus sich der Anspruch im Sinne von § 196 ergibt. Der Anspruch kann sowohl aus einem Schuldvertrag resultieren als auch auf dem Gesetz beruhen.36) Die Ratio der Norm ist zwar auf vertragliche Leistungsansprüche ausgerichtet, doch macht der Normtext eine Begrenzung des Normzwecks nicht deutlich.37) 34) 35) 36) 37) Begründung, BT-Drucks. 14/6040, 105 Mansel/Budzikiewicz, § 4 Rn 10 m.w.N. Palandt/Heinrichs, § 196 Rn 5 AnwaltKommentar/Mansel, § 196 Rn 20 9 d) Verjährungsbeginn Die Verjährung des § 196 beginnt nach § 200 S. 1 mit der Anspruchsentstehung. Zu beachten ist, dass keine Jahresschlussverjährung vorliegt. Fristbeginn und –ende berechnen sich vielmehr nach den Vorgaben der §§ 187 Abs. 1, 188. 2.) Verjährung der kaufrechtlichen Mängelansprüche Die Verjährung von Ansprüchen des Käufers wegen Mängeln der Kaufsache ist nun in § 438 geregelt. Von der Regelung erfasst werden unmittelbar allerdings nur die Ansprüche des Käufers auf Nachlieferung (§ 437 Nr. 1), Schadensersatz und Ersatz vergeblicher Aufwendungen (§ 437 Nr. 3 ). Darunter fallen nicht nur die Ansprüche nach § 280 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 281, sondern auch solche gemäß § 280 Abs. 1, die auf Ersatz von Schäden gerichtet sind, die der Käufer durch die Lieferung einer mangelhaften Sache an seinen sonstigen Rechtsgütern erleidet (Mangelfolgeschäden).38) Die Rücktritts- und Minderungsrechte (§ 437 Nr. 2) unterliegen als Gestaltungsrechte nicht der Verjährung. Sie sind jedoch gemäß § 438 Abs. 4 S. 1 und Abs. 5, Hs. 1 in Verbindung mit § 218 Abs. 1 S. 1 unwirksam, wenn der Anspruch auf Leistung oder Nacherfüllung verjährt ist und der Verkäufer sich hierauf beruft. Dies gilt ausweislich des § 218 Abs. 1 S.2 auch dann, wenn der Nacherfüllungsanspruch nicht erst an der Verjährung, sondern schon daran scheitert, dass seine Erfüllung unmöglich (§ 275 Abs. 1), unverhältnismäßig oder unzumutbar wäre (§ 275 Abs. 2, 3, § 439 Abs. 3). Darüber hinaus ist gemäß § 438 Abs. 4 S. 2 und Abs. 5, Hs. 2 eine Mängelanzeige vor Ablauf der Verjährungsfrist für die Geltendmachung der Mängeleinrede nicht mehr erforderlich (im Gegensatz zu § 478 Abs. 1 S. 1 a.F.). Gemäß § 453 Abs. 1 und 3 finden die Vorschriften der §§ 433 ff. auch auf den Kauf von Rechten und sonstigen Gegenständen entsprechende Anwendung. Diese Verweisung schließt das Verjährungsrecht mit ein.39) Die Verjährung beginnt nach § 438 Abs. 2 bei Grundstücken mit der Übergabe, im Übrigen mit der Ablieferung der Sache. 38) 39) Mansel/Budzikiewicz, § 5 Rn 134 m.w.N. Begründung, BT-Drucks. 14/6040, 227; AnwaltKommentar/ Büdenbender, § 453 Rn 7; Mansel/Budzikiewicz, S. 127; A.A. Canaris, Schuldrechtsreform, XXIX, der eine teleologische Reduktion der §§ 453 Abs. 1, 438 Abs. 1 Nr. 3 im Fall des Rechtskaufs vorschlägt und auf diesen die regelmäßige Verjährungsfrist der §§ 195, 199 zur Anwendung bringen möchte; diese Lösung erscheint de lege ferenda zwar sachgerechter, de lege lata findet sich jedoch keine Stütze dafür 10 a) zweijährige Frist des § 438 Abs. 1 Nr. 3 Nach § 438 Abs. 1 Nr. 3 verjähren die in § 437 Nr. 1 und 3 aufgeführten Ansprüche auch Nacherfüllung, Schadensersatz und Ersatz vergeblicher Aufwendungen grundsätzlich in zwei Jahren. Damit ist sie deutlich länger als die bisher – für Ansprüche wegen Sachmängeln – geltende Sechsmonatsfrist des § 477 a.F. Als Folge sollten die Hilfskonstruktionen der Rechtsprechung entbehrlich (z.B. „selbständiger Beratungsvertrag“40), „Weiterfresserproblematik“41)) werden, die allein aus Gründen der Billigkeit entwickelt wurden, um der kurzen Verjährungsfrist auszuweichen. Unter altem Recht bereitete insbesondere die bei der Mängelhaftung durchgeführte Unterscheidung zwischen Sach- und Rechtskauf immer wieder Schwierigkeiten, wenn Gegenstand des Kaufvertrages ein Unternehmen war. Nach neuem Recht finden die Vorschriften über den Kauf von Sachen auch auf den Kauf von Rechten und sonstigen Gegenständen entsprechende Anwendung. Dies schließt den Kauf von Unternehmen oder Unternehmensteilen ein.42) Der Verweis in § 453 Abs. 1 schließt dabei auch die kaufrechtliche Sonderverjährung nach § 438 mit ein. b) Fünfjahresfrist des § 438 Abs. 1 Nr. 2 aa) Bauwerke Gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 2 lit. a ist bei dem Verkauf von Bauwerken eine Verjährungsfrist von fünf Jahren vorgesehen. Der Gesetzgeber hat somit die Wertung der bisherigen Rechtsprechung übernommen, die bisher bei der Veräußerung neu errichteter Bauwerke oder Eigentumswohnungen die fünfjährige werkvertragliche Verjährungsfrist des § 638 Abs. 1 S. 1 a.F. anwendete.43) Die Vorschrift wurde eingefügt, um einen verjährungsrechtlichen „Gleichklang“ zwischen der kaufrechtlichen und der werkvertraglichen Verjährung für Mängelansprüche bei Gebäuden zu erreichen.44) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des Verjährungsbeginns ist die Übergabe des Grundstücks.45) Gemäß § 94 Abs. 1 S. 1 sind Gebäude wesentliche Grundstücksbestandteile, so dass auch im Rahmen des § 438 Abs. 2 auf die Grundstücksübergabe abzustellen ist. 40) 41) 42) 43) 44) 45) BGH NJW 1997, 3277 ff.; BGH NJW 2001, 2630 (2631) BGHZ 67, 359 ff.; BGHZ 86, 256 ff.; BGHZ 117, 183; BGHZ 138, 230 ff. AnwaltKommentar/Büdenbender, § 453 Rn 3; Palandt/Putzo, § 453 Rn 1, 7 BGHZ 68, 374 f.; 74, 204 (206); 87, 112 (117); BGH NJW 1987, 2372 (2374) m.w.N. Siehe BT-Drucks. 14/6857, 59 (zu Nr. 91) Mansel/Budzikiewicz, § 5 Rn 68 11 bb) Baumaterialien Nach § 438 Abs. 1 Nr. 2 lit. b verjähren Ansprüche wegen Mängeln an Sachen, die bestimmungsgemäß für die Herstellung eines Bauwerks verwendet wurden und dessen Mangel verursacht haben ebenfalls in fünf Jahren. Voraussetzung ist, dass die Materialien ihrer üblichen Verwendungsweise entsprechend für die Errichtung des Bauwerks genutzt worden sind. Nicht ausreichend sind dabei bloße Schönheitsreparaturen oder die Beseitigung einzelner Schäden (etwa der Austausch einer Badezimmerarmatur).46) Seitens der Literatur47) werden Abgrenzungsschwierigkeiten erwartet, ob es sich bei den von der Norm erfassten Sachen um solche handelt, die bei der Errichtung des Gebäudes verbaut wurden oder um solche, die lediglich als Hilfsmittel gedient haben. Der Wortlaut des § 438 Abs. 1 Nr. 2 lit. b lässt eher darauf schließen, dass lediglich die stoffliche Verkörperung der Sachen in dem Bauwerk gemeint ist. Vor allem Sinn und Zweck der Regelung weisen darauf hin, dass nur Materialien, die auch tatsächlich verbaut wurden in ihren Anwendungsbereich fallen sollen.48) Weitere Voraussetzung ist die Kausalität zwischen der Fehlerhaftigkeit der Baumaterialien und der Mangelhaftigkeit des Bauwerks. Problematisch ist außerdem, dass die Frist nur dann eröffnet ist, wenn die mangelhaften Baumaterialien innerhalb von zwei Jahren ab Ablieferung eingebaut werden. Denn ein Aufleben des verjährten Anspruchs durch den Einbau in ein Bauwerk kann es nicht geben.49) c) Dreißigjahresfrist des § 438 Abs. 1 Nr. 1 aa) Herausgabeansprüche Dritter Nach § 438 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) verjähren die Ansprüche wegen Mängeln der Kaufsache in 30 Jahren, wenn der Mangel in einem dinglichen Recht eines Dritten besteht, auf Grund dessen die Herausgabe der Sache verlangt werden kann (sog. Eviktionsfälle). Die Vorschrift wurde in das Gesetz eingefügt, um zu verhindern, dass der Käufer von einem Dritten in Anspruch genommen wird, ihm selber jedoch der Rückgriff gegenüber dem Käufer verwehrt ist.50) Herausgabeansprüche 46) 47) 48) 49) 50) Mansel/Budzikiewicz, § 5 Rn 81 Dauner-Lieb, Stellungnahme, B.II.4. Hiervon geht wohl auch die Gesetzesbegründung aus, vgl. BT-Drucks. 14/6040, 51 vgl. Henssler/Bereska, S. 99, Rn 250 vgl. Begründung, BT-Drucks. 14/6040, 227 12 aus Eigentum verjähren gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 1 in 30 Jahren. Der Käufer einer abhanden gekommenen Sache kann daher vom Eigentümer ggf. fast 30 Jahre lang nach § 985 auf Herausgabe in Anspruch genommen werden. Sofern keine Ersitzung vorliegt, müsste der Käufer das Risiko in dieser Situation tragen. Er könnte seine Ansprüche gegen den Verkäufer gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 nicht mehr durchsetzen, selber jedoch noch dem Herausgabeanspruch des Eigentümers ausgesetzt sein. Daher wurde vom Gesetzgeber dieser Fristengleichlauf eingeführt. bb) Sonstige, im Grundbuch eingetragene Rechte Ebenfalls in 30 Jahren verjähren nach § 438 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) Ansprüche wegen Mängeln der Kaufsache, die aus im Grundbuch eingetragener Rechte Dritter resultieren. Sie soll dem Umstand Rechnung tragen, dass zwischen Vertragsschluss und Gefahrübergang Rechte eingetragen werden können, die durch den Erwerber nicht zu übernehmen sind und von deren Existenz dieser keine Nachricht erhält (z.B. Eintragung einer Zwangshypothek zu Lasten des insolventen Bauträgers vor Eintragung der Auflassung).51) d) Arglist des Verkäufers Nach § 438 Abs. 3 verjähren die Mängelansprüche des Käufers abweichend von § 438 Abs. 1 Nr. 2 und 3 in der regelmäßigen Verjährungsfrist der §§ 195, 199, wenn der Verkäufer den Mangel der Kaufsache arglistig52) verschwiegen hat. Dies gilt sowohl bezüglich der Verjährungsfrist als auch des Verjährungsbeginns. Daher beginnt die Verjährung gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 nicht bereits mit der Übergabe der Sache, sondern erst bei Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis des Käufers von dem Mangel. e) Händlerrückgriff (§ 479) Die in § 478 Abs. 2 genannten Aufwendungsersatzansprüche des Unternehmers gegen seinen Lieferanten verjähren nach § 479 Abs. 1 in zwei Jahren ab Ablieferung der Kaufsache. Dies bezieht sich auf Ansprüche des Unternehmers auf Ersatz der Aufwendungen, die er im Verhältnis zum Verbraucher nach § 439 Abs. 2 zum Zweck der Nacherfüllung beim Verkauf neu hergestellter Sachen zu tragen hat, insbesondere also Transport-, Wege-, Arbeits-, und Materialkosten. Anwendung findet die Vorschrift in der gesamten 51) 52) Mansel/Budzikiewicz, § 5 Rn 110-111 Der Begriff der Arglist entspricht demjenigen in § 477 Abs. 1 S. 1 a.F. 13 Lieferkette, erfasst somit nicht nur den Rückgriff des Letztverkäufers, sondern auch die Ansprüche seines Lieferanten und der übrigen Käufer in der Lieferkette gemäß § 478 Abs. 2 i.V.m. Abs. 5, sofern die Schuldner Unternehmer sind (§ 479 Abs. 3). f) Anspruchskonkurrenzen Bisher nahmen sowohl Rechtsprechung als auch Literatur eine freie Anspruchskonkurrenz zwischen Sachmängelhaftung und Deliktsansprüchen an, wenn die Lieferung der mangelhaften Sache zugleich den Tatbestand der §§ 823 ff. erfüllte.53) Dadurch kam dem Verkäufer die im Vergleich zu § 477 a.F. wesentlich günstigere Verjährungsregel des § 852 a.F. zugute. Aufgrund der Verlängerung der allgemeinen Verjährung für Mängelansprüche auf zwei Jahre stellt sich die Frage, ob die Rechtsprechung an ihrer alten Linie festhalten wird. Der Gesetzgeber hat diese Frage bewusst der Rechtsprechung überlassen.54) Eine freie Anspruchskonkurrenz hätte zur Folge, dass der Verkäufer gemäß §§ 195, 199 ggf. bis zu 30 Jahre ab Begehung der Pflichtverletzung, d.h. ab In-Verkehr-Bringen der Sache55), aus unerlaubter Handlung haften müsste. So würde ihm das Privileg der kurzen Frist des § 438 Abs. 1 Nr. 3 (zwei Jahre) verwehrt und die Ratio der Vorschrift, dem Verkäufer den zeitnahen Abschluss der Transaktion zu ermöglichen, preisgegeben.56) Besonders deutlich wird dieser Wertungswiderspruch im Falle der „Weiterfresserproblematik“ (also die Konstellationen, in welchen ein Mangel an einem funktional abgrenzbaren Bereich der Kaufsache selbst in der Folgezeit zu einer Beschädigung oder Zerstörung auch der anderen Teile der Kaufsache führt). Hinzu kommt, das bei Festhalten an der bisherigen Rechtsprechung für irreparable Fehler und gänzlich unbrauchbare Gegenstände weniger streng gehaftet werden soll als für kleine, reparable Fehler, bei denen entsprechend der „Weiterfresser“-Rechtsprechung § 823 Abs. 1 herangezogen werden kann.57) Es bleibt abzuwarten, ob die Rechtsprechung an der freien Anspruchskonkurrenz festhalten wird. Sachgerechter wäre eine Lösung des Problems der „Weiterfresserschäden“ auf der Ebene der Anspruchsbegründung, nicht erst 53) 54) 55) 56) 57) grundlegend BGHZ 66, 315 (319); Erman/Grunewald, § 477 Rn 8; MüKo/Westermann, § 478 Rn 29; Soergel/Huber, Vor § 459 Rn 258; jeweils mit weiteren Nachweisen Begründung, BT-Drucks. 14/6040, 229 vgl. Soergel/Huber, Vor § 459 Rn 259 vgl. Foerste, ZRP 2001, 342 (343) Mansel/Budzikiewicz, § 5 Rn 150 m.w.N. 14 im Rahmen der Verjährung.58) g) Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Ein Problem ergibt sich im Rahmen des § 218 in Zusammenhang mit dem Anspruch des Käufers auf Rückzahlung des Kaufpreises bei streitigem Mangel. Unter dem alten Recht wurde dieser verjährungsrechtlich genauso behandelt wie der Schadensersatzanspruch.59) Unter neuem Recht soll der Ablauf der Verjährungsfrist gemäß § 218 Abs. 1 S. 1 lediglich zur Unwirksamkeit von Rücktritt oder Minderung führen. Ist der Rücktritt innerhalb der Frist erklärt, kann sich der Käufer mit seinem Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises drei Jahre lang „Zeit lassen“, denn dieser Anspruch scheint der Regelverjährung der §§ 195, 199 zu unterliegen.60) Dieses Problem kann nur dahingehend gelöst werden, dass das Recht auf Rückzahlung des Kaufpreises davon abhängig bleibt, dass der Käufer innerhalb der jeweils maßgeblichen Verjährungsfrist den Fristablauf gehemmt oder unterbrochen hat.61) 3.) Werkvertragsrecht Die Verjährung von Ansprüchen des Bestellers wegen Mängeln der Werkleistung ist nun in § 634a normiert. Sie sieht für die in § 634 Nr. 1, 2 und 4 bezeichneten Ansprüche auf Nacherfüllung, Aufwendungs- und Schadensersatz eine differenzierte Fristenlösung vor. Über § 634a Abs. 4 und 5 i.V.m. § 218 erlangt die Regelung des § 634a Abs. 1 – 3 auch für die in § 634 Nr. 3 genannten Rücktritts- und Minderungsrechte Bedeutung. Diese unterliegen als Gestaltungsrechte zwar nicht der Verjährung, sie sind jedoch unwirksam, wenn der Anspruch auf Leistung oder auf Nacherfüllung verjährt ist und der Schuldner sich hierauf beruft. a) Bauwerke und bauwerkbezogene Werkleistungen (§ 634a Abs. 1 Nr. 2) § 634a Abs. 1 Nr. 2 normiert eine Verjährungsfrist von fünf Jahren für Mängel an einem Bauwerk. Zusätzlich gilt sie auch ausdrücklich für der Werkleistung an einem Bauwerk erbracht wurden.62) Problematisch ist, das der Verjährungsbeginn bei bauwerksbezogenen körperlichen und unkörperlichen Leistungen auseinander fällt. 58) 59) 60) 61) 62) Mansel, in: Ernst/Zimmermann, 333 (389) vgl. Wagner, ZIP 2002, 789 (791) Wagner, ZIP 2002, 789 (791) Wagner, ZIP 2002, 789 (792) Zu den möglichen Planungsleistungen (nach altem Recht) siehe Staudinger/Peters, § 638 Rn 39 15 Gemäß § 634 a Abs. 2 beginnt die Verjährung mit der Abnahme des Werkes. Wann bei einer Architektenleistung die Abnahme erfolgt, bzw. ob diese überhaupt angenommen werden kann, wird in der Literatur nicht einheitlich beantwortet.63) Die Rechtsprechung geht dagegen davon aus, dass auch die (unkörperlichen) Werke des Architekten abnahmefähig sind. Die Abnahme soll in dem Zeitpunkt erfolgen, in dem der Bauherr den Entwurf als vertragsgemäß annimmt.64) Es kann der Fall eintreten, dass die Abnahme des Bauwerks vor der Abnahme der Architektenleistung erfolgt.65) Dann besteht die Gefahr, dass der Bauherr im Falle einer mangelhaften Werkleistung, für die beide Werkunternehmer (Bauunternehmer und Architekt) verantwortlich sind, noch zu einem Zeitpunkt gegen den Architekten vorgehen kann, in dem die Ansprüche gegen den Bauunternehmer bereits verjährt sind.66) Liegt dann ein Fall der gesamtschuldnerischen Haftung vor, steht es dem Architekten offen, trotz besagter Verjährung Regress beim Bauunternehmer nach § 426 Abs. 1 S. 1 zu nehmen. Dies kann er innerhalb der regelmäßigen Verjährung der §§ 195, 199. Bei dem selbständigen Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 S. 1 beginnt die Verjährung nicht vor dem Zeitpunkt, in dem der rückgriffsberechtigte Gesamtschuldner an den Gläubiger geleistet hat.67) b) Sachbezogene Werkleistungen (§ 634a Abs. 1 Nr. 1) Nach § 634a Abs. 1 Nr. 1 verjähren (vorbehaltlich der Sonderverjährung des § 634a Abs. 1 Nr. 2) Ansprüche bei einem Werk, dessen Erfolg in der Herstellung, Wartung oder Veränderung einer Sache besteht, in zwei Jahren. Des weiteren unterfallen dieser Vorschrift Ansprüche wegen mangelhafter Planungs- und Überwachungsleistungen. Hierdurch wird die verjährungsrechtliche Gleichstellung der Ansprüche wegen mangelhafter Planungs- und Überwachungsleistungen und der wegen mangelhafter Ausführung des Werks selbst auf den Bereich der Herstellung, Wartung oder Veränderung einer anderen Sache ausgedehnt. Der Grund dafür liegt darin, dass die Ansprüche gegen denjenigen, der die Sache konstruiert und insbesondere ihre Auslegung plant, in derselben Zeit verjähren sollen, wie Ansprüche gegen den, der diese 63) 64) 65) 66) 67) Vgl. den Überblick bei Locher, Baurecht Rn 248 BGHZ 37, 341 (345 f.) vgl. Soergel/Teichmann, § 638 Rn 60 Mansel/Budzikiewicz, § 5 Rn 234 AnwaltKommentar/Mansel, § 195 Rn 17 16 Planung ausgeführt und die Anlagen gebaut hat.68) Praktische Bedeutung wird die Regelung indes nur in Bezug auf die Wartung oder Veränderung einer Sache entfalten können. Gemäß § 651 finden auf Verträge, welche die Lieferung einer herzustellenden beweglichen Sache zum Gegenstand haben, die Vorschriften des Kaufrechts Anwendung. Dies schließt auch die Verjährungsregel des § 438 ein. Verjährungsbeginn tritt mit der Abnahme des Werkes ein, § 634a Abs. 2. Ist auf Grund der Beschaffenheit eine Abnahme nicht möglich, tritt an deren Stelle die Vollendung des Werkes (§ 646). c) Übrige Werkleistungen (§ 634a Abs. 1 Nr. 3) Für alle von § 634a Abs. 1 Nr. 1 und 2 nicht erfassten Werkleistungen, greift § 634a Abs. 1 Nr. 3, der auf die regelmäßige Verjährungsfrist der §§ 195, 199 verweist. Unproblematisch von der Regelung erfasst sind all jene Werke, die an einem Menschen zu verrichten sind (Transport, Haarschnitt, Tätowierung, etc.). Es ist lediglich zu beachten, dass oftmals die Grenze zum Dienstvertrag fließend ist. Im Bereich der Verjährung wirken sich etwaige Abgrenzungsprobleme jedoch nicht aus. Auch die Gewährleistungsansprüche im Dienstvertragsrecht unterliegen der Regelverjährung.69) Als problematisch dürfte sich die Fallgruppe der unkörperlichen Werke, speziell die Entwicklung von Individualsoftware, erweisen. Hier stellt sich die (höchstrichterlich noch nicht geklärte) Frage, ob Software als Sache zu qualifizieren ist (dann § 438 i.V.m. § 651 einschlägig) oder als eine unkörperliche Werkleistung im Sinne des § 634a Abs. 1 Nr. 3 zu gelten hat (dann Regelverjährung der §§ 195, 199).70) Überzeugender ist indes eine Einstufung als unkörperliche Werkleistung. Schließlich ist der Besteller in erster Linie an der gedanklichen Leistung des Softwareentwicklers, d.h. an dessen kreativer Arbeit, interessiert.71) Dass deren Ergebnis letztlich auf einem Datenträger manifestiert wird, ist lediglich für die Vermittlung der Werkleistung von Bedeutung, kann aber für die Qualifikation des Vertrages nicht entscheidend sein. Parallelen lassen sich 68) 69) 70) 71) vgl. BT-Drucks. 14/7052, 204 Mansel/Budzikiewicz, § 5 Rn 242 für unkörperliche Werkleistung AnwaltKommentar/Raab, § 634a Rn 12; Mansel/Budzikiewicz, § 5 Rn 246; wohl auch Palandt/Sprau, Einf. vor § 631, Rn 22; a.A. Meub, DB 2002, 131 (134) vgl. Thewalt, CR 2002, 1 (7); Mansel, NJW 2002, 89 (96) 17 insoweit zu den Planungsleistungen eines Architekten ziehen. Diese werden nicht als Herstellung einer Sache eingestuft, obwohl diese regelmäßig auf einem Informationsträger festgehalten werden. d) Arglist des Werkunternehmers (§ 634a Abs. 3 S. 1) Nach § 634a Abs. 3 S. 1 verjähren die Ansprüche innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist, wenn der Unternehmer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Nach § 634a Abs. 3 S. 2 darf dies jedoch im Falle des § 634a Abs. 1 Nr. 1 nicht zu einer Verkürzung der Fünfjahresfrist führen. Zu bemängeln ist hier, dass durch Verweis auf die Regelverjährung auch die zehnjährige Höchstfrist (§ 199 Abs. 4 bzw. 3 Nr. 1) für die Arglist läuft. 4.) Mietvertragsrecht Hier sind keine Änderungen bezüglich der Verjährung der Ersatzansprüche und des Wegnahmerechts des Vermieters erfolgt (vgl. § 548). Die Frist beträgt weiterhin sechs Monate; auch der objektive Beginn (§ 548 Abs. 1 S. 2) bleibt unverändert. 5.) Reisevertragsrecht Gemäß § 651g Abs. 2 wird die Frist von sechs Monate auf zwei Jahre verlängert. Der objektive Verjährungsbeginn des § 651g Abs. 2 S. 2. („Soll“-Ende der Reise) wird ebenso beibehalten wie die einmonatige Ausschlussfrist des § 651g Abs. 1. 6.) Aktien- und GmbH-Recht Probleme ergeben sich im Zusammenhang mit dem Aktien- und GmbHRecht, insbesondere § 302 AktG und §§ 19, 31 Abs. 1 bis 3 GmbHG. a) Der Verlustausgleichsanspruch (§ 302 AktG) Die Verlustausgleichspflicht im Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (§ 302 AktG) stellt sich als die wichtigste Sicherung der Gesellschaft und ihrer Gläubiger gegen den Verlust ihrer bilanzmäßigen Vermögenssubstanz dar.72) Nach neuem Recht gilt die Regelverjährung von drei Jahren (§§ 195, 199), wobei zu beachten ist, dass der Anspruch auf Verlustausgleich bereits am jeweiligen Bilanzstichtag fällig wird.73) Die Kapitalgesellschaft kann als Gläubigerin jedoch erst drei Jahre nach Vertragsablauf auf den Verlustausgleichsanspruch verzichten (§ 302 Abs. 3 AktG). 72) 73) Altmeppen, DB 2002, 879 vgl. BGH DB 1999, 2457; Altmeppen, DB 1999, 2453 18 Somit ist es dogmatisch schwer nachzuvollziehen, dass ein Anspruch bereits verjährt sein soll, bevor ihn das Gesetz selbst in einer für alle Beteiligten zwingenden Verbotsregelung auch nur für verzichtbar erklärt.74) Somit ist die gesetzliche Regelung perplex und schon deshalb als nichtig anzusehen (Art. 20 Abs. 3 GG).75) b) Verjährung der Erstattungsansprüche i.S.v. § 31 Abs. 1 bis 3 GmbHG Nach § 30 GmbHG darf der Gesellschafter einer GmbH keinesfalls Leistungen aus dem gebundenen Gesellschaftsvermögen empfangen. Dies gilt auch für verdeckte Zuwendungen in Gestalt von Verkehrsgeschäften zwischen GmbH und ihrem Gesellschafter, die zu Lasten der GmbH nicht marktgerecht sind. Sanktioniert wird ein Verstoß gegen dieses Gebot mit der unbedingten Haftung des Gesellschafters auf Erstattung des Empfangenen (§ 31 Abs. 1 GmbHG). Selbst gutgläubige Gesellschafter unterliegen dieser strengen Haftung.76) Die Ansprüche der Gesellschaft verjähren in fünf Jahren. Der „böslich“ handelnde Gesellschafter demgegenüber haftete nach altem Recht 30 Jahre lang (§ 195 a.F.). Nach neuem Recht kann der „bösliche“ Empfänger, der also die Leistung in Kenntnis ihrer Unzulässigkeit angenommen hat 77), seiner Haftung künftig schon nach drei Jahren entgegenhalten, er sei bei Empfang der Leistung „böslich“ gewesen. Dieser eklatante Wertungswiderspruch lässt sich nicht über den Wortlaut des Gesetzes lösen, vielmehr bedarf es einer Lösung contra legem, um evident unhaltbare Ergebnisse in der Praxis zu vermeiden.78) c) Verjährung der Einlageschuld des Gesellschafters Die zentrale Regelung zur Kapitalaufbringung ist § 19 GmbHG. Danach ist die Befreiung von der Pflicht zur Einzahlung der Stammeinlagen ausgeschlossen, sogar eine Aufrechnung ist dem Gesellschafter untersagt (§ 19 Abs. 2 GmbHG).Strenge Umgehungsvorschriften sorgen dafür, dass die Bareinlage auch nicht durch Sachleistungen ersetzt werden kann (§ 19 Abs. 5 GmbHG). Die Verjährungsfrist für diese Einlageschuld betrug bisher 30 Jahre. Nach neuem Recht kann sich der Gesellschafter bisweilen schon drei 72) 73) 74) 75) 76) 77) 78) Altmeppen, DB 2002, 879 vgl. BGH DB 1999, 2457; Altmeppen, DB 1999, 2453 Altmeppen, DB 2002, 879 (880) siehe zur Perplexität von Gesetzen BverfGE 17, 306; 31, 255; 37, 132 vgl. Altmeppen, DB 2002, 514 siehe dazu BGHZ 136, 125 (131) Altmeppen, DB 2002, 514 (515) 19 Jahre nach Gründung der GmbH auf die Verjährung seiner Einlageschuld berufen (§§ 195, 199). Auch hier tritt ein Wertungswiderspruch zu Tage, der sich über den Wortlaut des Gesetzes alleine nicht lösen lässt. Rechtsprechung und Lehre sind deshalb gefordert, vertretbare Lösungsansätze zu finden, die der Interessenlage der Beteiligten gerecht werden. C. Neubeginn, Hemmung und Ablaufhemmung I. Neubeginn der Verjährung Der Terminus „Unterbrechung“ wurde durch den die Auswirkungen besser beschreibenden Ausdruck „Neubeginn“ ersetzt. Dieser bestimmt dieselben Rechtsfolgen, die vorher durch die Unterbrechung ausgelöst wurden, § 212. Es ist jedoch nur noch in zwei Fällen ein Neubeginn vorgesehen, zum einen bei Anerkenntnis des Anspruchs durch den Schuldner (§ 212 Abs. 1 Nr. 1), zum anderen wegen Beantragung einer gerichtlichen oder behördlichen Vollstreckungshandlung (§ 212 Abs. 1 Nr. 2). 1. Voraussetzungen des Neubeginns a) Anerkenntnis Erkennt der Schuldner den Anspruch an, beginnt die Verjährung erneut, § 212 Abs.1 Nr. 1. Anerkenntnis meint dabei nicht ein Schuldanerkenntnis i.S. des § 781, sondern vielmehr jedes tatsächliche Verhalten, durch das der Schuldner sein Bewusstsein vom Bestehen des Anspruchs unzweideutig zum Ausdruck bringt.79) b) Vollstreckungsmaßnahmen Jeder Antrag des Gläubigers auf Zwangsvollstreckung und jede gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung lässt die Verjährung neu beginnen, § 212 Abs. 1 Nr. 2. 2. Folgen des Neubeginns Der Neubeginn bewirkt, dass die bereits angelaufene Verjährungszeit nicht beachtet wird, und ab dem Neubeginn die Verjährungsfrist in voller Länge neu zu laufen beginnt. 79) BGH NJW-RR 1994, 373 20 II. Hemmung der Verjährung Die Verjährungshemmung hat im neuen Recht eine wesentlich größere Bedeutung als bisher. Bei der Hemmung wird die Zeit, in welcher die Verjährung gehemmt ist, nicht in die Verjährungsfrist mit eingerechnet (§ 209). Endet die Hemmung, dann läuft die Verjährung mit der vor der Hemmung noch offenen Restfrist weiter. 1. Hemmungsgründe a) Hemmung bei Verhandlungen Nach § 203 ist die Verjährung gehemmt, solange zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände schweben, bis eine der beiden Parteien die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjährung tritt dann frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein. Für die Annahme schwebender Verhandlungen genügt jeder Meinungsaustausch über den Anspruch oder die ihn begründenden Umstände, sofern der Schuldner nicht sofort und eindeutig jede Anspruchserfüllung ablehnt.80) Verhandlungen schweben schon dann, wenn der Schuldner Erklärungen abgibt, die dem Gläubiger die Annahme gestatten, der Schuldner lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs ein.81) Nicht erforderlich ist, dass dabei eine Vergleichsbereitschaft oder eine Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird.82) Unterzieht sich der Unternehmer im Einverständnis mit dem Besteller der Prüfung des Vorhandenseins eines Werkmangels oder der Beseitigung des Mangels, so ist darin nach dem Willen des Gesetzgebers83) ein Verhandeln im Sinne des § 203 zu sehen. Der spezielle Hemmungstatbestand des § 639 Abs. 2 a.F. wurde aufgehoben. b) Hemmung durch Rechtsverfolgung § 204 Abs. 1 enthält insgesamt fünfzehn verschiedene Hemmungstatbestände. Enthalten sind unter anderem frühere Unterbrechungstatbestände der §§ 209, 210 und 220 Abs. 1, nun als Hemmung ausgestaltet. Die Anträge müssen stets von dem zur Anspruchserhebung Berechtigten gestellt werden. Die volle Ausschöpfung der Verjährungsfrist bis zum letzten 80) 81) 82) 83) BGH NJW 2001, 885 (886); BGH NJW-RR 2001, 1168 (1169) Mansel/Budzikiewicz, § 8 Rn 17 BGH VersR 2001, 1167 Begründung, BT-Drucks. 14/6040, 111, 267 21 Tag ist zulässig; daher kann der zur Hemmung führende Antrag auch erst in letzter Minute gestellt werden.84) Die Hemmung beginnt grundsätzlich mit Bekanntgabe oder ab Antragszustellung an den Schuldner. Im Falle der noch nicht erfolgten Bekanntgabe oder Zustellung ist die Verjährung bereits durch die Einreichung eines Antrags gehemmt. Die Beendigung der Hemmung bestimmt sich nach § 204 Abs. 2 und 3, sie endet nach Ablauf einer Nachfrist von sechs Monaten ab Beendigung des Verfahrens, bei Stillstand auf Veranlassung der Parteien sechs Monate nach der letzten Verfahrenshandlung. aa) Veranlassung der Bekanntgabe des Güteantrags (§ 204 Abs. 1 Nr. 4) Nach § 204 Abs. 1Nr. 4 führt die Veranlassung der Bekanntgabe des Güteantrags (z.B. der an den Schuldner adressierte Brief mit dem Güteantrag wird zur Post gegeben, bei einer durch die Landesjustizverwaltung anerkannten Gütestelle i.S.d. § 15 a III EGZPO eingereicht oder die Einleitung eines vereinbarten Güteverfahrens wird veranlasst) zu einer Hemmung der Verjährung. bb) Selbständiges Beweisverfahren (§ 204 Abs. 1 Nr. 7) Nach § 204 Abs. 1 Nr. 7 wird der Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens unter Aufhebung der §§ 477 Abs. 2, 639 a.F. zu einem einzigen Hemmungsgrund verallgemeinert. Die Hemmung tritt auch dann ein, wenn der Gläubiger den Antrag stellt. Die Kriterien, in wie weit und in welchem Umfang sein Antrag die Verjährung des Entgeltanspruchs hemmt, müssen von Rechtsprechung und Lehre noch entwickelt werden.85) cc) Begutachtungsverfahren (§ 204 Abs. 1Nr. 8) Auch der Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens oder die Beauftragung des Gutachters im Verfahren nach § 641a stellt einen Hemmungsgrund dar.86) dd) Veranlassung der Bekanntgabe des Antrags auf Prozesskostenhilfe (§ 204 Abs. 1 Nr. 14) Hierdurch wird der von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz kodifiziert, dass auch der erstmalige Antrag auf Gewährung von Prozesskos- 84) 85) 86) siehe BGHZ 70, 235 (239) Palandt/Heinrichs, Überbl. v. § 194 Rn 47 vgl. Henssler/Bereska, S. 72 Rn 151 22 tenhilfe die Verjährung hemmt.87) c) Hemmung bei Leistungsverweigerungsrecht (§ 205) Nach § 205 ist die Verjährung gehemmt, solange der Schuldner auf Grund einer Vereinbarung mit dem Gläubiger vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt ist. Im Gegensatz zu § 202 Abs. 1 a.F. hemmen nur vorübergehende und zu gleich auf einer Vereinbarung beruhende Leistungsverweigerungsrechte die Verjährung, nicht jedoch vorübergehende gesetzliche Leistungsverweigerungsrechte.88) d) Einrede der Vorausklage (§ 771) Nach dem neu eingeführten § 771 S. 2 ist bis zum erfolglosen Zwangsvollstreckungsversuch des Gläubigers gegen den Hauptschuldner auch die Verjährung der gegen den Bürgen gerichteten Forderung gehemmt. Jedoch ist es nach wie vor möglich, diese Hemmungswirkung über die Wirkungen der Streitverkündung nach §§ 74 III, 68 ZPO zu erzielen. e) Hemmung wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung (§ 208) Einen neuen Hemmungsgrund hat der Gesetzgeber bei der Verjährung von Ansprüchen wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung geschaffen. Sie ist nach § 208 bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des Gläubigers gehemmt. Lebt der Gläubiger bei Beginn der Verjährung mit dem Schuldner in häuslicher Gemeinschaft, so ist die Verjährung bis zur Beendigung der häuslichen Gemeinschaft gehemmt. Diese Altersgrenze ist den Grenzen des § 105 JGG entlehnt.89) Grund dafür ist, dass minderjährige Opfer häufig auch nach Erlangen der vollen Geschäftsfähigkeit emotional nicht in der Lage sind, ihre Ansprüche wegen derartiger Taten selbst zu verfolgen.90) Kritisch ist zu sehen, das § 208 nur für Ansprüche wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung gilt, nicht aber bei vorsätzlicher widerrechtlicher Verletzung des Körpers, der Gesundheit, des Lebens oder der Freiheit ohne sexuellen Hintergrund. Dadurch werden die Opfer nicht sexuell motivierter Gewalt weniger stark geschützt, eine kaum nachvollziehbare Wertung.91) III. Ablaufhemmung Die Ablaufhemmung ist ein Unterfall der Hemmung und bedeutet, dass die 87) 88) 89) 90) 91) Henssler/Bereska, S. 78, Rn 180 ff. Mansel/Budzikiewicz, § 8 Rn 110 Begründung, BT-Drucks. 14/6040, 119 Mansel/Budzikiewicz, § 8 Rn 124; siehe dazu ausführlich Egermann, ZRP 2001, 343 ff., der eine längere Hemmungsdauer bzw. Unverjährbarkeit fordert vgl. Zimmermann/Leenen u.a., JZ 2001, 684 (696 f.) 23 Verjährungsfrist erst eine bestimmte Zeit nach Wegfall von Gründen, die der Geltendmachung entgegenstanden zu laufen beginnt 1.) Bei nicht voll Geschäftsfähigen (§ 210) § 210 enthält eine Ablaufhemmung für Ansprüche von und gegen geschäftsunfähige oder beschränkt geschäftsfähige Personen, gleich, ob das Fehlen der (vollen) Geschäftsfähigkeit bekannt war oder nicht. Damit sollen Anwendungsschwierigkeiten des § 57 ZPO ausgeglichen werden.92) 2.) In Nachlassfällen (§ 211) § 211 regelt die Ablaufhemmung der Verjährung von Ansprüchen, die zu einem Nachlass gehören oder sich gegen einen Nachlass richten. Die Vorschrift entspricht sachlich § 207 a.F. D. Verjährungsvereinbarungen Das neue Recht geht von einer völligen Disposivität des Verjährungsrechts aus, so dass die Verjährungsregelungen von den Parteien in den Grenzen der §§ 134, 138 abgeändert werden können. Zentrale Norm ist § 202. I. Verjährungserleichterungen Beim Verbrauchsgüterkauf (§ 474) kann gemäß § 475 Abs. 2 die Verjährung der in § 437 bezeichneten Ansprüche vor Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer nicht durch Rechtsgeschäft erleichtert werden, wenn die Vereinbarung zu einer kürzeren Verjährungsfrist als zwei Jahren, bzw. einem Jahr bei gebrauchten Sachen führen würde. Ferner kann gemäß § 202 Abs. 1 die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus, also vor Anspruchsentstehung, durch Rechtsgeschäft erleichtert werden. Zulässig ist dagegen die nachträglich vereinbarte Verjährungserleichterung der Vorsatzhaftung. Für AGB und Klauseln aus Verbraucherverträgen ergeben sich zusätzliche Schranken aus §§ 309 Nr.8 lit. b) ff) und § 309 Nr.7 lit. a) und b). Weitere Möglichkeiten der Verjährungserleichterung ergeben sich im Bereich der Regelverjährung. Möglich sind eine Verkürzung der dreijährigen Regelverjährung, die Vereinbarung eines objektiven Verjährungsbeginns (z.B. mit Fälligkeit des Anspruchs) und eine Abkürzung der Maximalfristen.93) 92) 93) Begründung, BT-Drucks. 14/6040, 120 vgl. Mansel/Budzikiewicz, § 6 Rn 103-109 24 II. Verjährungserschwerungen Nach § 202 Abs. 2 sind Verjährungserschwerungen bis zu einer Obergrenze von dreißig Jahren ab gesetzlichem Verjährungsbeginn zulässig. In diesem Zusammenhang ergeben sich Probleme bei Abreden, die einen zur Zeit der Vereinbarung noch unbestimmten, von einem künftigen ungewissen Ereignis abhängigen Verjährungsbeginn vorsehen. Es kann sich u.U. erst lange Zeit nach der Vereinbarung die Nichtigkeit der betreffenden Abrede nach §§ 202 Abs. 2, 134 herausstellen. Formularmäßig vereinbarte Verjährungserschwerungen, die in den Anwendungsbereich des § 307 fallen, sind unwirksam, wenn der Verwender seinem Vertragspartner Verjährungsfristen von solcher Länge setzt, dass diesem die Abwehr unbegründeter Ansprüche des Verwenders unzumutbar erschwert wird, weil er in Beweisnöte geraten kann und zudem auf übermäßig lange Zeit zu Rückstellungen gezwungen wird, um eventuelle Mängelansprüche erfüllen zu können.94) E. Überleitungsvorschrift I. Allgemeines Maßgebliche Vorschrift für den Zeitraum des Übergangs hinsichtlich des Verjährungsrechts ist Art. 229 § 5 EGBGB. Entsprechendes gilt auch für die Ausschlussfristen (z.B. §§ 121, 124). Danach findet auf Schuldverhältnisse, die vor dem 1.01.2002 entstanden sind, das BGB sowie die bis dahin bestehenden Sondergesetze in der bis zum 31.12.2002 geltenden Fassung Anwendung. Eine Ausnahme gilt gemäß Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB für Dauerschuldverhältnisse. Diese werden neuem Recht unterstellt, selbst wenn sie vor dem Stichtag entstanden sind. Um den Parteien jedoch die Möglichkeit der Vertragsanpassung zu geben, findet in diesen Fällen das BGB in seiner neuen Fassung erst ab dem 1.01.2003 Anwendung.95) Ansprüche, die am 1.01.2002 nach altem Recht bereits verjährt sind, unterliegen weiterhin den Vorschriften des bis zum 31.12.2001 gültigen Verjährungsrechts. 94) 95) zum bisherigen Recht siehe BGH NJW 1990, 2065 (2066); MüKo/Basedow, § 11 Nr. 10 ABGB Rn 66 vgl. Ott, MDR 2002, 1 (3) 25 II. Beginn, Neubeginn und Hemmung Für die Vielzahl von Hemmungsgründen, die vorher als Unterbrechungstatbestände ausgestaltet waren gilt folgende Sonderregel. Soweit die Unterbrechung nach altem Recht sich über den Stichtag des 31.12.2001 in das Jahr 2002 erstreckt, gilt sie kraft Fiktion mit Ablauf des 31.12.2001 als beendet. An ihre Stelle tritt dann ab 1.01.2002 der jeweilige Hemmungstatbestand nach neuem Recht. III. Verlängerung der Verjährungsfrist Unterliegt ein Anspruch unter Anwendung alten Rechts einer kürzeren Verjährungsfrist als dies nach neuem Recht der Fall ist, behält nach Art. 229 § 6 Abs. 3 EGBGB die kürzere Frist auch über den 31.12.2002 hinaus Geltung. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Anspruch bereits vor dem 1.01.2002 bestanden hat. Ist lediglich das Rechtsverhältnis, dem der Anspruch entstammt, vor diesem Tag begründet worden, der Anspruch selber jedoch erst später entstanden, kommt ausschließlich die neue, längere Frist zum Tragen. IV. Abkürzung der Verjährungsfrist Wenn die Frist nach dem neuen Recht kürzer ist als die nach altem Recht, so läuft grundsätzlich die neue Frist ab dem 1.1.2002. Ausnahmsweise gilt jedoch dann die alte Verjährungsfrist, wenn ihr Ende vor dem Ende der neuen Frist liegt. Grundsätzlich kann man daher ein Günstigkeitsprinzip für den Schuldner ableiten, d.h. Anwendung findet diejenige Verjährungsfrist des alten oder neuen Rechts, die im Einzelfall zuerst abläuft.96) F. Stellungnahme Insgesamt betrachtet bietet die Reform des Verjährungsrechts gute Ansätze, um das BGB ins neue Jahrtausend zu führen. Das neue, zweispurig aufgebaute System der Regelverjährung vermag zu überzeugen. Es wird im Großen und Ganzen zu (sach-)gerechteren Lösungen führen und viele der bisher erforderlichen Hilfskonstruktionen der Rechtsprechung überflüssig machen. Die von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Wertungsmaßstäbe wurden 96) Mansel, NJW 2002, 89 (90) 26 in überzeugender Weise in das neue System integriert. Allerdings fallen mir bei näherer Betrachtung Risse im neuen Verjährungssystem auf. Unstimmigkeiten (wie z.B. die oben angesprochenen im Aktienund GmbH-Recht) trüben den guten Gesamteindruck. An diesen Stellen entdeckt man kleine Mängel, die eine nicht unerhebliche Auswirkung auf die Rechtsprechung haben werden. So werden, gerade im wirtschaftlich eminent wichtigen Bereich des Aktien- und GmbH-Rechts Hilfskonstruktionen unausweichlich sein, um den aufgezeigten eklatanten Wertungswidersprüchen zu entgehen. Ein weiterer Kritikpunkt ist nach meinem Dafürhalten die etwas misslungene Regelung im Bereich der Arglisthaftung, sowohl im Kauf- als auch im Werkvertragsrecht. Es ist nicht einzusehen, dass der arglistig handelnde Verkäufer/Werkunternehmer lediglich drei Jahre lang haften soll. Eine Stärkung der Position des Schuldners wäre wünschenswert gewesen. An diesen Stellen zeigt sich die Eile, mit der das Schuldrechtmodernisierungsgesetz „zusammengeschustert“ wurde, um pünktlich zum 1.01.2002 in Kraft treten zu können. Meines Erachtens wäre die „kleine Lösung“ vorzugswürdig gewesen. So hätte man in Ruhe alle Auswirkungen der Reform überdenken und überprüfen können, ohne Gefahr zu laufen, durch kleine Unstimmigkeiten den ansonsten guten Gesamteindruck zu beeinträchtigen. Trotz der aufgezeigten Unstimmigkeiten ist das neue Verjährungssystem zu begrüßen. Es bleibt lediglich abzuwarten, wie Rechtsprechung und Lehre mit dem „Rohmaterial“ des Gesetzes umgehen werden. 27 Anhang: Fall zum neuen Verjährungsrecht Grundfall: Fahrradfahrer F wird am 31.01.2002 von einem Autofahrer A, der ein Stoppschild übersehen hatte, angefahren. Er erleidet einen Bruch des linken Unterarmes, des linken Oberschenkels und des linken Schienbeinkopfes, tiefe Weichteilverletzungen am linken Scheinbeinkopf und eine Gehirnerschütterung. Das Fahrrad wird komplett zerstört. Da sich weder das Fahrzeug noch der Fahrer ermitteln lassen, wird F gemäß § 12 PflVG vom Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen (E) Schadensersatz geleistet. Wann verjähren die auf E gemäß § 12 PflVG übergegangenen Schadensersatzansprüche gegen A, wenn dieser in den folgenden Jahren nicht zu ermitteln ist? Abwandlung: Die Kosten der ein halbes Jahr dauernden Behandlung werden von der Haftpflichtversicherung des A übernommen. Vier Jahre nach dem Unfall treten bei F erneut Beschwerden am linken Kniegelenk auf. Es stellt sich heraus, dass die bei dem Unfall erlittene Schienbeinkopffraktur in schwerer Fehlstellung verheilt war. F muss sich deswegen erneut ambulant und stationär behandeln lassen. Er verlangt von A Ersatz seiner weiteren Kosten. Dieser beruft sich auf Verjährung. Zu Recht? (Fall nach Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz: Fälle zum neuen Schuldrecht, Fälle 142, 147) I. Grundfall Die Verjährung der auf E übergegangenen Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 1, § 823 Abs. 2 i.V.m. § 229 StGB und § 7 StVG richtet sich nach §§ 195, 199. Die Verjährungsfrist beträgt nach § 195 drei Jahre. Die Frist beginnt nach § 199 Abs. 1 mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und F von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Allerdings war die Person des Schuldners hier weder bekannt noch erkennbar. Für diesen Fall sieht § 199 Abs. 2 eine erkennbarkeitsunabhängige Verjährungsfrist von dreißig Jahren für Schadensersatzansprüche vor, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beru- 28 hen. Hierfür ist nicht die Jahresendverjährung maßgeblich, sondern der Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs. Somit würden die Ansprüche gegen A wegen der Körperverletzung am 31.01.2032 verjähren. Ansprüche wegen der Zerstörung des Fahrrads verjähren als sonstige Schadensersatzansprüche gemäß § 195 Abs. 3 Nr. 1 in zehn Jahren nach ihrer Entstehung, spätestens also am 31.01.2012. Fraglich ist jedoch, wie sich die Abtretung an E auf den Eintritt der Verjährung auswirkt. Gesetzlich geregelt ist dies nicht. Man wird allerdings davon ausgehen können, dass die Abtretung auch weiterhin für den Eintritt der Verjährung unerheblich ist. Denn der Zessionär kann die Forderung nur so erwerben, wie sie beim Zedenten besteht. Er muss daher auch die bereits begonnene Verjährung gegen sich gelten lassen. Somit verjähren die Schadensersatzansprüche, soweit sich A nicht ermitteln lässt, wegen des zerstörten Fahrrads am 31.01.2012 und wegen der Körperverletzung am 31.01.2032. II. Abwandlung Die Verjährung der Schadensersatzansprüche des F aus § 823 Abs. 1, § 823 Abs. 2 i.V.m. § 229 StGB und § 7 StVG richtet sich nach §§ 195, 199. Unproblematisch ist auch hier die Kenntnis des F von der Person des Schädigers. Problematisch könnte dagegen sein, ob der Anspruch bereits entstanden i.S. des § 199 Abs. 1 Nr. 1 ist. Mit dem Begriff will der Gesetzgeber an § 198 a.F. anknüpfen. Entstanden ist der Anspruch regelmäßig dann, wenn er fällig ist; doch genügt es, dass er im Wege der Klage geltend gemacht werden kann. Bedeutung hat diese Auslegung besonders für Spätschäden. Hier kann der Schadensersatzanspruch nur hinsichtlich der bereits eingetretenen Schäden fällig sein, da er sich erst dann beziffern lässt. Dagegen ist eine klageweise Geltendmachung – im Wege der Feststellungsklage – bereits möglich. Auch im neuen Recht ist der Grundsatz der Schadenseinheit anerkannt (vgl. oben unter B.I.1.a). Somit war der Schadensersatzanspruch bereits mit Eintritt der ersten Schäden entstanden i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 1. Folglich ist der Schadensersatzanspruch des F nach wie vor verjährt.