Qi Gong Eine Bereicherung der Shiatsu-Praxis Abschlussarbeit Im Rahmen der Diplomprüfung Zum Dipl. Shiatsu Praktiker An der Internationalen Shiatsu Schule Österreich Von Stemer Wolfgang 19.06.2006-04-24 Qi Gong – eine Bereicherung der Shiatsu-Praxis INHALT Vorwort ..................................................................................................................... 3 Kapitel 1 Was ist Qi Gong? ....................................................................................................... 4 Kapitel 2 Die Ursprünge des Qi Gong ....................................................................................... 6 Kapitel 3 Die Grundlagen des Qi Gong .................................................................................... 3.1 Entspannung 3.2 Atmung 3.3 Haltung 7 Kapitel 4 Qi Gong als Ergänzung der Shiatsu Arbeit ................................................................. 12 Kapitel 5 Die Methoden des „Aktiven Qi Gong“ ...................................................................... 5.1 Stehmeditation ....................................................................................... 5.2 Meditation im Gehen ................................................................................. 5.3 Ba Duan Jin – Die Acht Brokate ............................................................... 5.4 Knochenmarks-Reinigung .......................................................................... 14 14 15 17 21 Kapitel 6 Die Methoden des „Meditativen Qi Gong“ 6.1 Reinigung des Gehirns ............................................................................... 6.2 Kleiner Himmlischer Kreislauf ................................................................. 6.3 Großer Himmlischer Kreislauf ................................................................. 6.4 Die 6 heilenden Laute .................................................................................... 16 18 19 20 Anhang Nachwort ...................................................................................................................... Literaturverzeichnis ...................................................................................................... 25 26 Diplomarbeit: Stemer Wolfgang. 2006 2 Qi Gong – eine Bereicherung der Shiatsu-Praxis VORWORT Als ich im Jahre 1995 in einer Bibliothek herumschmöckerte, bekam ich das erste mal ein Buch über Qi Gong in meine Hände. Obwohl ich mir zum damaligen Zeitpunkt nicht im geringsten erklären konnte was diese 2 seltsamen Silben (Qi Gong – sprich Tschi Gung) bedeuten, überkam mich beim Überfliegen des Buches ein seltsames Gefühl. Ich war auf eine eigenartige Weise sofort fasziniert von dem Inhalt und wollte mich sofort in das Buch vertiefen. Das Vertiefen in dieses Thema hat sich bis heute fortgesetzt. Heute 10 Jahre danach fasziniert mich die Chinesische Bewegungskunst des Qi Gong mehr denn je und es ist zu einem festen Bestandteil meines Lebens geworden. Ich praktiziere Qi Gong mit großer Leidenschaft – phasenweise sehr regelmäßig dann wieder in unregelmäßigeren Abständen. Ich durfte in den letzten Jahren die verschiedensten Qi Gong-Methoden kennen lernen und habe bei vielen Lehrern mein Interesse an diesem Thema vertiefen können. Aus diesem Grunde habe ich dieses Chinesische Heilsystem als Thema meiner ShiatsuDiplomarbeit ausgewählt. Ich möchte damit meiner Qi Gong-Praxis die sich vorwiegend in der Inneren Welt meines Körpers abspielt auch in der Äußeren Welt Ausdruck verleihen. Es war immer schon mein Wunsch über dieses Thema zu schreiben und damit meine Erfahrungen in einer verdichteten Form auf Papier zu bringen. Als ich dann vor 3 Jahren mit meiner Ausbildung in Shiatsu begann spürte ich wieder diese sofortige Begeisterung und Faszination, die ich damals beim ersten Kontakt mit Qi Gong verspürte. Allerdings wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht dass diese beiden Systeme sich sehr gut verbinden lassen und auf wundervolle Art und Weise ergänzen. Heute genieße ich es aus einem „reichen“ Erfahrungsschatz an Übungen auswählen zu können und Sie meinen Klienten mitzugeben auf Ihrem Weg zu mehr Wohlbefinden und Gesundheit. Ich bin dankbar für all die Erfahrungen die ich in den letzten 2 Jahren gemeinsam mit meinen Klienten machen durfte. Ich hoffe dass diese Diplomarbeit dem Einen oder Anderen Shiatsu-Praktizierenden als Inspiration und kleines Nachschlagewerk dient, die er als Ergänzung zu seinen bereits bekannten „Do-In Übungen“ einsetzen kann. In diesem Sinne habe ich versucht möglichst viel praktisch anwendbares Wissen hineinzupacken, welches auch immer einen direkten Bezug zum Shiatsu - dass über allem wie ein leuchtender Stern steht – hat. Die von mir ausgewählten Übungen sind solche die in China sehr beliebt sind und von Millionen Menschen zur täglichen Gesundheitspflege geübt werden. D.h. jeder kann sie gefahrlos für sich nutzen. Aber auch all jene die nicht mit Shiatsu arbeiten, können aus dieser „kleinen Arbeit“ positiven Nutzen für Ihre eigene geistige und körperliche Gesundheit und das Ihrer Lieben ziehen. Die Übungen des Aktiven wie auch des Meditativen Qi Gong sind für mich eine Quelle aus der heraus ich sehr viel Energie für die tägliche Shiatsu-Praxis schöpfe. Qi Gong hilft dem Geber genauso wie dem Empfänger und das hat mich von Beginn an fasziniert. Ich wünsche Dir dass du die wohltuende Wirkung von Qi Gong nicht nur an deine Empfänger weitergibst, sondern sie auch in deinem Leben zu spüren bekommst. Viel Spaß, Freude und Erkenntnis beim Lesen dieser Arbeit. Diplomarbeit: Stemer Wolfgang. 2006 3 Qi Gong – eine Bereicherung der Shiatsu-Praxis Wolfgang Stemer Kapitel 1 Was ist Qi Gong ? Der Chinesische Begriff „Qi“ lässt sich für uns am ehesten durch „Lebensenergie“ übersetzen. Er beinhaltet aber noch mehr als dies. So meint er auch Atem und Luft. In der chinesische Medizin gilt Qi als die belebende Kraft, die alle Lebewesen durchströmt. Das Qi befindet sich allerdings nicht nur im Körper eines Lebewesen sondern auch außerhalb. Qi zeigt sich uns auch in der Natur. So werden Tiere, Blumen und Bäume von Qi durchströmt. Qi ist die lebendige Kraft die allem innewohnt und die Leben erst möglich macht. Die Japaner nennen diese Kraft als „Ki“. In Indien wird sie „Prana“ genannt. Gemeint ist immer dasselbe - die allem innewohnende und uns am Leben erhaltende Kraft und Energie. In der Chinesischen Medizin, wie auch im Shiatsu, ist Gesundheit nur dann möglich wenn das Qi in unserem Körper rein, nicht verschmutzt und trübe ist, ungehindert fließen kann und nicht blockiert wird oder stagniert. Durch schlechte Lebensgewohnheiten kann es im Laufe der Zeit zu Energieblockaden im Körper kommen und es kann sich eine Krankheit manifestieren, die physisch oder psychischer Natur sein kann. Ganz allgemein können wir sagen dass ein lebender Mensch Qi im ganzen Körper besitzt, während bei einem Toten das Qi entwichen ist – die Wärme, die Lebensenergie ist aus seinem Körper gewichen. Das Wort „Gong“ bedeutet in etwa „Körperarbeit“ oder „Erfolg durch Ausdauer und Übung“. Daher heißt Qi Gong „Arbeit mit der Lebensenergie“. Wir lernen, den Fluss und die Verteilung des Qi in unserm Körper durch Bewegungen zu verbessern, um unsere Gesundheit zu stärken und Körper und Geist in Einklang zu bringen. Qi Gong versteht sich als ein ganzheitliches Heilsystem mit langer Tradition, welches sich bis heute kontinuierlich weiterentwickelt hat. Es umfasst gesundheitsfördernde Körperhaltungen, Bewegung, Selbstmassage, Atemtechniken und Meditation. Durch diese verschiedenen Übungsmethoden soll Qi im Körper gesammelt und gespeichert werden wie in einem Reservoir. Ziel ist es das unreine Qi auszuscheiden und frisches reines Qi zu absorbieren. Qi Gong wird „Übung“ oder „Training“ genannt, weil es nicht wie ein Arzneimittel für eine begrenzte Zeit „verordnet“ wird, sonder vielmehr täglich praktiziert werden soll. Dabei genügen 20 – 40 Minuten täglichen Übens um die Gesundheit und das eigene Wohlbefinden in hohem Masse zu verbessern. Jeder kann Qi Gong üben. Es gibt Übungen für jedes Alter und jeden Gesundheitszustand. Die Übungen können im Stehen, Sitzen, Liegen oder Gehen praktiziert werden. So können auch körperlich angeschlagene Menschen leicht Qi Gong praktizieren und Ihre Gesundheit auf nachhaltige Weise verbessern. Diplomarbeit: Stemer Wolfgang. 2006 4 Qi Gong – eine Bereicherung der Shiatsu-Praxis Qi Gong – Methoden Die Qi Gong Techniken lassen sich in zwei Hauptkategorien unterteilen. Zum einen in das „Aktive Qi Gong“ (donggong) und zum anderen in das „Meditative Qi Gong“ (jinggong) oder auch Stilles Qi Gong genannt. Aktives Qi Gong besteht aus sichtbaren Bewegungen bei dem der Körper sich von einer Position in die andere bewegt wie bei einem Tanz, oder er verharrt in einer Position. Bei uns und in China sind diese „Übungen-in-Bewegung“ am populärsten. Donggong gilt als aktiv (yang), doch das Passive (yin) ist ebenfalls darin enthalten. Der Körper bewegt sich zwar, der Geist jedoch ist entspannt und ausgeglichen, er ist zur Ruhe gekommen. Beim Jinggong (meditatives Qi Gong) ist der ganze Körper reglos. Das Qi wird durch geistige Konzentration, Visualisierung und bestimmte Atemtechniken bewegt und kontrolliert. „Übungen-in-Ruhe“ gelten äußerlich als yin (passiv), innerlich jedoch als yang (aktiv). Der Körper verharrt regungslos. Der Geist ist wach und konzentriert sich aktiv auf das Qi. Diese beiden Kategorien lassen sich allerdings nicht streng voneinander trennen. Ruhe und Bewegung sind relative, keine absoluten Prinzipien. Es geht darum, die richtige Balance zu finden zwischen Yin und Yang, nicht nur im Qi Gong, sondern auch im täglichen Leben. Ein wichtiger Grundsatz im Qi Gong lautet: „Suche Ruhe und Ausgeglichenheit in der Bewegung; sei bedacht und aufmerksam in der Ruhe.“ Diplomarbeit: Stemer Wolfgang. 2006 5 Qi Gong – eine Bereicherung der Shiatsu-Praxis Kapitel 2 Die Ursprünge des Qi-Gong Als bäuerliches Volk lernten die alten Chinesen die Qi Gong-Prinzipien auf natürliche Art und Weise, indem sie die Vorgänge in der Natur beobachteten. So hielten sie sich z.B. einfach an die naturgegebenen Zyklen von Pflanzen und Ernten, Leben und Tod. Der Bauer arbeitet fleißig auf seinem Feld indem er den Boden bereitstellt und bearbeitet und sein Feld jätet, um schädliche und krankhafte Einflüsse abzuhalten und dafür zu sorgen, dass die Pflanze ausreichend Sonnenlicht bekommt. Auch für Qi Gong muss man täglich arbeiten und die schädlichen Einflüsse eliminieren. Der frühe Morgen ist nicht nur für den Bauern die wichtigste Zeit sondern auch für einen Qi Gong Übenden. Zu beginn des Tages geht die „Saat“ des Qi am besten auf und bildet starke, gesunde Wurzeln. Im Laufe der Geschichte gab es für Qi Gong die verschiedensten Bezeichnungen. In alter Zeit nannte man es tugu naxin, „Altes ausstoßen, Neues aufnehmen“. xingqi „das Qi strömen lassen“; yangsheng „Leben nähren“; neigong „Innere Übung“ oder meist daoyin „Leiten und Führen des Qi und Dehnen der Glieder“ was in unserem Do-In im Shiatsu entspricht. Obwohl schon vor 3000 Jahren nachweislich Qi Gong ähnliche Übungen in China bekannt waren ist die Bezeichnung „Qi Gong“ hingegen noch relativ jung. Sie wurde zum ersten Mal in einem Text erwähnt, der in der Ming-Dynastie (1368-1644) entstand. Bis ins 20. Jahrhundert verwendetet man die Bezeichnung Qi Gong nicht in seiner heutigen Art – „die Kunst der Qi-Kultivierung“. Die Daoismus-Forscherin Catherine Despeux hat festgestellt, dass das Wort Qi Gong im Titel zweier 1915 und 1929 erschienener Werke erstmals auftaucht. Die therapeutische Verwendung datiert erst aus dem Jahre 1936. Ein gewisser Dong Hao publizierte seinerzeit ein Werk mit dem Titel „Spezialtherapie für Tuberkulose“. Trotz dieser verschiedenartigen Bezeichnungen sind „Qi Gong–Übungen“ in China seit Jahrtausenden bekannt. Möglicherweise waren die Tiertänze der alten chinesischen Schamanen die frühesten Qi Gong ähnelnden Übungen. Dies könnte erklären warum einzelne Qi Gong Körperhaltungen und ganze Stilrichtungen Tiere zum Vorbild haben. „Badende Ente“, „Springender Affe“, Schreiende Eule“ und „ Sich drehender Tiger“ um nur einige zu nennen. Auch jüngere Qi Gong-Systeme bedienen sich des Tierreiches, wie „Löwengebrüll“, „Alter Bär im Wald“ und „Fliegender Kranich“ . Der Qi Gong Schüler entwickelt hierbei Fähigkeiten der jeweiligen Tiere: Balance, Geschmeidigkeit, Schnelligkeit und Stärke. Insbesondere werden während der Übung die den Tieren eigene Gesundheit, Ausdauer und Vitalität auf den Übenden übertragen. 1973 fanden Archäologen in der Nähe von Changsha, der Hauptstadt der Provinz Hunan, ein Textrelikt, das inzwischen zur wichtigsten Informationsquelle über das Qi Gong des Altertums geworden ist. Es handelt sich hierbei um ein Seidentuch das dem verstorbenen König Ma (168 v. Chr.) als Grabbeigabe mitgegeben wurde. Darauf sind die ältesten DaoyinÜbungen abgebildet – insgesamt 44 Stück. Dieses Seidentuch zeigt die wichtigsten Atemübungen, Körperhaltungen, Bewegungen und Selbstmassagetechniken wie sie auch heute noch praktiziert werden. Interessant ist dass in der Beschreibung der Übungen spezielle Gesundheitsprobleme wie z.B. Nierenkrankheit, Blähungen, Knieschmerzen, Ischiasschmerzen, Rheuma, Gastritis und Angstzustände angesprochen werden. Die Übungen wurden wie „Hausmittelchen“ gezielt zur Heilung eingesetzt. Diplomarbeit: Stemer Wolfgang. 2006 6 Qi Gong – eine Bereicherung der Shiatsu-Praxis Kapitel 3 Die Grundlagen des Qi Gong 3.1 Fangsonggong – Die Kunst der Entspannung Das chinesische Wort „Song“ (sprich: sung) hat eine ganz andere Bedeutung als unser Wort Entspannung. Reden wir von Entspannung so meinen wir meist alle Spannung abbauen und beinahe schlaff werden. Song bedeutet hingegen größere Lebendigkeit. Song heißt nicht Eliminierung von Spannung, sondern Eliminierung von unnötiger Spannung. Song versteht sich als Kunst die gewohnheitsmäßigen Muskelverspannungen aufgrund emotionaler Belastung, schlechter Haltung-, Atmungs- und Bewegungsgewohnheiten bewusst zu werden und diese dann abzubauen. „Fang“ bedeutet machen oder zulassen. „Song“ bedeutet Entspannung. „Gong“ ist die Körperarbeit. Somit bedeutet der Terminus Fangsonggong soviel wie „Aktive Entspannung“. Fansonggong stellt eine eigenständige Qi Gong-Methode dar. Zu dieser gehören: Aufmerksamkeit und Ruhe, Mühelosigkeit, Sensibilität, Wärme und Verwurzelung. Aufmerksamkeit und Ruhe Aktive Entspannung bedeutet dass man aufmerksam und offen sich selbst und der Umwelt gegenüber ist. Man verschwendet keine Vitalität durch unnötige Anspannung. Die goldene Qi Gong Regel lautet: „Sei aufmerksam“. Wir können Spannungen nicht abbauen wenn wir uns nicht bewusst sind wo Spannung ist und wie wir diese aufbauen. Allein durch dieses Wahrnehmen unserer Spannungsregionen kann sich der Spannungszustand verändern. In der physikalische Unschärferelation von Heisenberg heißt es, dass das Beobachtete sich durch die Beobachtung verändert. Dies gilt offensichtlich in besonderem Maße für den menschlichen Körper. Verspannte Körperteile neigen dazu ins Unterbewusstsein abzutauchen wo sie nicht mehr wahrgenommen werden, aber trotzdem Stress und Energieverlust im Körper bewirken. Bin ich mir meiner verspannten Schultern bewusst so entspannen sich diese allmählich ganz von selbst. Wenn ich bewusst atme, verlangsamt sich meine Atmung. Aufmerksamkeit ist somit der erste Schritt auf dem Weg zu tiefer Entspannung und Vitalität. Mühelosigkeit Das Ziel von Aktiver Entspannung ist es für jede Aufgabe nur soviel Kraft und Energie wie nötig aufzuwenden. Warum eine Kraftanstrengung von 5 Kilo, wenn nur 4 benötigt werden? Das zusätzliche Kilo ist Energieverschwendung, und tägliche Energieverschwendung bedeutet einen kontinuierlichen Verlust von Lebensenergie. Im Qi Gong heißt das, dass die Knie des Übenden sich beugen sollen, wenn sich eine Fliege auf seine Schultern setzen würde. Er verwendet zum Stehen gerade soviel Energie wie nötig ist, um nicht zusammen zusinken. Dadurch entsteht Mühelosigkeit und Leichtigkeit in den Bewegungen. Wir leben in einer Welt in der genau das Gegenteil gemacht wird. Je mehr wir arbeiten und uns anstrengen umso erfolgreicher gelten wir in den Augen der Gesellschaft. Es gilt für uns zu lernen etwas ohne Mühe und Anspannung zu erledigen. Folgende taoistische Geschichte soll dies verdeutlichen. Ein Mann wird beim Schwimmen in eine gefährliche Stromschnelle hineingetrieben. Konfuzius läuft aufgeregt am Ufer entlang, da er fürchtet der Mann könnte ertrinken. Als dieser später unversehrt wieder ans Ufer gelangt, fragt Konfuzius ihn, wie er sich vor dem Ertrinken retten konnte. Der Mann antwortete: “Ich passe mich dem Hoch und Tief der Wellen an. Ich folge dem Tao des Wassers ohne nachzudenken“. Diplomarbeit: Stemer Wolfgang. 2006 7 Qi Gong – eine Bereicherung der Shiatsu-Praxis Nur soviel Kraft wie nötig zu verwenden ist eine effiziente Methode zur Verbesserung der Gesundheit und Vitalität und zum Abbau von stressbedingter Müdigkeit aufgrund geistiger Überanstrengung. Sobald sich der Körper entspannt, wird der Geist ruhig, bewusst und aufmerksam. Sensibilität Durch Aktive Entspannung wird der Mensch sensibler für die Vorgänge in seinem Körper und für seine Umwelt. Ein angespanntes Körper-Geist-System kann Dinge nur eingeschränkt wahrnehmen. Ein einfacher Test kann dies beweisen. Nimm eine kleine Schüssel mit heißem Wasser und eine zweite mit kaltem Wasser. Halte deine Hand in das heiße und anschließend in das kalte Wasser. Nun mach eine Faust und spanne deine Armmuskeln fest an und tauche die Hände abermals in die Schüsseln. Du wirst nun den Temperaturunterschied nicht mehr so klar feststellen können wie vorher. Anspannung vermindert auch die Sensibilität andern Menschen gegenüber. Versuch einmal einem Menschen mit angespannten Arm die Hand zu schütteln. Wärme und Verwurzelung Entspannung führt zu tiefer und effizienter Bauchatmung. Dies führt zu einer besseren Sauerstoffversorgung des Blutes. Entspannung fördert auch die Weitung der Blutgefäße und bewirkt ein Absinken des Blutdrucks. Außerdem verändert sich die Chemie im Blut zum Positiven und das Säure-Basen-Verhältnis normalisiert sich. Die bessere Durchblutung macht sich oft während Qi Gong Übungen durch warme Hände und Füße bemerkbar. In der chinesischen Medizin gilt entspannte Bauchatmung als Energiepumpe, die das Qi durch die Leitbahnen schickt.. In einem chinesischen Leitfaden heißt es: „Das Qi ist tief in die Füße eingepflanzt, wird vom Bauch kontrolliert und manifestiert sich in den Händen“. Durch Bauchatmung wird also das Dantian (Mittelpunkt des Hara – 4 Querfinger unterhalb de Bauchnabels) mit Qi aufgefüllt. Ist das Dantian einmal gefüllt beginnt das überschüssige Qi in die Meridiane, Knochen und das Gewebe einzufließen, sodass sich insgesamt ein Gefühl der Wärme einstellt. Klinikärzte haben festgestellt dass mit der Erwärmung der Hände im allgemeinen eine Erwärmung des gesamten Körpers einhergeht. Möglicherweise bedingt durch die Reflexzonen die sich an den Händen genauso wie an den Füßen befinden. Ein weiterer Nebeneffekt der Aktiven Entspannung ist ein Gefühl des „Sinkens“ oder der Verwurzelung. Dies geht einher mit Spannungsabbau und Reduzierung von Sorgen und Geistigem Ballast. Das Motto lautet: „Entspanne dich durch deine Füße in den Boden hinein. Steh nicht auf deinen eigenen Füßen sondern auf dem Boden!“ Dies schafft ein Gefühl der Balance, des Halts und des Wohlgefühls. Jemand der Verwurzelt ist und in sich ruht kann schwer aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Verliert er dieses trotzdem so kehrt er aber schnell und mühelos wieder dorthin zurück. Die 3 Methoden des Fangsonggong: 1. Fortlaufende Entspannung und fortlaufendes Sinkenlassen Den gesamten Körper auf einmal zu entspannen ist meist sehr schwierig und führt oft zu noch mehr Anspannung. Es ist einfacher in den Körper hineinzuspüren und zu entdecken wo sich Anspannung spüren lässt. Dabei kannst du beim Kopf beginnen und dich langsam Richtung Füße vorarbeiten. Richte deine Aufmerksamkeit auf den Kopf. Entspanne Scheitel, Stirn, Augenbrauen, Augen, Backen, Kiefermuskulatur, Zahnfleisch und Ohren. Geh dann über zur Nacken- und Halsmuskulatur. Lass alle Muskeln vorn, hinten und an der Seite los. Öffne mental den Nackenwirbel sodass die Diplomarbeit: Stemer Wolfgang. 2006 8 Qi Gong – eine Bereicherung der Shiatsu-Praxis obere Wirbelsäule weich und offen werden kann. Der Kopf schwebt wie ein Korken auf der Wirbelsäule. Die Schultern können zum Boden sinken und die Arme und Hände sich entspannen. Entspanne auf diese Art und Weise Brust, Bauch, Becken, Arme, Hände, Oberschenkel, Unterschenkel und Füße. Lass auch speziell die Anspannung aus deinen inneren Organen los. 2. Über dem Boden schweben Lege dich auf eine bequeme Unterlage. Konzentriere dich nun auf die einzelnen Körperteile, indem du sie zuerst anspannst und dann entspannt an den Boden abgibst. Beginne wieder oben am Kopf. Spann nacheinander dein Gesicht, die Schultern, Nacken , Arme, Hände, Bauch, Beine und Füße an und lass sie dann wieder los. Ein leichtes Anspannen genügt hierbei völlig. Zum Schluss stell dir vor, der Boden wäre ein wundervoller See der deinen Körper trägt. Genieß das Erlebnis des Schwebens. 3. Entspannen der 3 Körperlinien Stell dir vor dein Körper hätte 3 Linien. Entspanne zuerst die Linie vom Scheitel bis zum Steißbein und schließ die Wirbelsäule mit ein. Als nächstes lass die Linie von den Schultern bis zu den Fingerspitzen los. Schließlich lass auch noch die 3. Linie von den Hüften bis zu den Zehen los. Spür wie jede Linie sich entspannt und öffnet. Wiederhole dies sooft wie du möchtest bis du mit dem Ergebnis zufrieden bist. Dies ist eine einfache und effiziente Methode um den gesamten Körper mit Qi und Blut zu versorgen. 3.2 Atmung Qi Gong wird auch oft mit Atemübungen übersetzt. Dies kommt daher dass Qi auch die Bedeutung von Luft oder Atem hat. Bewusstes Atmen ist ein ganz wichtiger Punkt bei allen Qi Gong Übungen. Dabei geht es darum eine mühelose, leichte und effiziente Atmung zu entwickeln die den ganzen Körper mit Sauerstoff und Qi versorgt. Für alle folgenden Übungen gilt dass es am besten ist durch die Nase zu atmen weil dadurch die Luft gereinigt, befeuchtet und in kalten Jahreszeiten erwärmt wird. Atemmethoden 1. „Natürliche Atmung“ Dies stellt die Grundlage der Qi Gong Atmung dar. Shunhuxi bedeutet „Natürliche Atmung“. Shun heißt eigentlich „ungehindert fließen, mit dem Strom schwimmen“. Man nennt dies auch Bauch- oder Zwerchfellatmung. Beim Einatmen wird der Bauch nach außen gedrückt da das Zwerchfell sich senkt und beim Ausatmen senkt sich der Bauch wieder nach innen, sodass sich das Zwerchfell entspannt. Dies stellt die natürlichste und effektivste Atemtechnik dar, da auf diese Art die Lungenlappen bis nach unten hin mit Sauerstoff durchflutet werden. Die Atemfrequenz beträgt hierbei in Ruhe ca. 5-8 Atemzüge pro Minute. 2. „Umgekehrte Atmung“ Diese Technik wird nihuxi genannt und stellt das genaue Gegenteil der Natürlichen Atmung dar. Sie soll auch nur zu „Trainingszwecken“ für kurze Diplomarbeit: Stemer Wolfgang. 2006 9 Qi Gong – eine Bereicherung der Shiatsu-Praxis Zeit angewendet werden . Auf keinen Fall darf sie als normale Atmung während des Alltags verwendet werden. Die Technik ist genau entgegengesetzt zur natürlichen Atmung. Beim Einatmen wird der Bauch nach innen gezogen und beim Ausatmen wölbt er sich entspannt nach vorne. Der Atem geht tief, sanft und unhörbar. Die Konzentration ist dabei stets auf das Dantian gerichtet. Diese Übung stimuliert das Qi und trainiert die Atemmuskeln auf sehr effektive Weise. 3. „Dantian Atmung“ Dies stellt eine sehr heilsame Variante der natürlichen Atmung dar. Das Dantian stellt das wichtigste Energiezentrum des Menschen dar. Beim Einatmen dehnt sich der Unterbauch und der untere Rücken nach außen. Beim Ausatmen ziehen sich beide entspannt wieder zusammen. Du kannst es dir leichter machen wenn du dir vorstellst dass sich ein Ballon in deinem Unterbauch befindet der sich beim Einatmen ausdehnt und beim Ausatmen wieder zusammenzieht. Diese Atemmethode stimuliert den wichtigen Mingmen-Punkt (Tor des Lebens) am untern Rücken. 3.3 Haltung Aus der richtigen Körperhaltung gewinnt man gesundes Qi. Dies ist ein wichtiger Grundsatz im Qi Gong. Eine korrekte Körperhaltung fördert Entspannung, Gleichgewicht, richtiges Atmen und Energiefluss. Es ist wichtig zuerst die elementaren Regeln der Körperhaltung zu beherrschen bevor man die subtileren Techniken der Qi-Regulierung praktiziert. Wie soll das Qi auch fließen können wenn der Körper krumm und schief ist? Durch die richtige Körperhaltung kann man leichter die schwachen und blockierten Zonen des Körpers entdecken um an ihnen zu arbeiten. Wie sieht nun diese Grundhaltung im Qi Gong aus? Qi Gong Grundhaltung Der Rücken sollte sich lang und offen anfühlen so als wäre er ein Seil das leicht nach oben und unten gedehnt wird. Die Vorstellung dass der höchste Punkt des Scheitels mit einem Faden zum Himmel hinauf gestreckt wird hilft diese Dehnung zu spüren. Der Kopf schwimmt wie ein Korken auf der Wirbelsäule. Die Kiefermuskulatur ist entspannt und die Zungenspitze berührt leicht den oberen Gaumen – um den kleinen Kreislauf (siehe Kapitel 6) zu schließen und Speichel zu bilden. Speichel gilt als die „Flüssigkeit des Lebens“. Die Augen schauen entspannt und weich geradeaus ohne etwas zu fokussieren. Die Schultern sinken mit der Schwerkraft nach unten und genauso bewegt sich auch das Brustbein ganz leicht nach unten. Der Nacken kann sich zur Seite und nach unten entlang der Wirbelsäule entspannen. Die Arme hängen entspannt an den Körperseiten. Generell sollen alle Gelenke wie Ellbogen oder Knie immer leicht gebeugt sein. Sie sollen sich offen anfühlen damit das Qi durch diese „Energietore“ hindurchfließen kann. Das Becken wird leicht nach vorne bewegt sodass das Schambein sich einwenig nach oben zum Bauchnabel bewegt und das Steißbein nach vorne „eingerollt“ wird. Dadurch wird die Wirbelsäule im Lendenbereich gerade. Im oberen wird Sie durch die Streckung zum Himmel begradigt. Die Knie werden leicht gebeugt sodass ein federndes Gefühl entstehen kann. Die Füße haben ungefähr Schulterbreiten Abstand voneinander und die Fußkanten sind parallel. In der Vorstellung wachsen aus den Fußsohlen Wurzeln tief in die Erde hinein. Diplomarbeit: Stemer Wolfgang. 2006 10 Qi Gong – eine Bereicherung der Shiatsu-Praxis Diese Körperhaltung soll den Menschen mit der Energie der Erde und des Himmels verbinden. Eine Exakte Haltung bewirkt dass die Energie des Universums ohne Widerstand durch uns hindurch fließen kann und so mit neuer Lebensenergie auf lädt. Diplomarbeit: Stemer Wolfgang. 2006 11 Qi Gong – eine Bereicherung der Shiatsu-Praxis Kapitel 3 Qi Gong als Bereicherung der Shiatsu Arbeit Alle Therapierichtungen die langfristig von Erfolg gekrönt sind haben meiner Meinung nach eine große Gemeinsamkeit. Sie beziehen den Klienten in die Therapie mitein, indem sie ihm die Eigenverantwortung für seine Gesundheit klarmachen. Der gute Therapeut zeigt dem Klienten wie er selbst auf seine Gesundheit achten kann. Das entscheidet oft darüber ob eine Therapie auf lange Sicht wirksam ist oder nicht. Aus diesem Grunde bedienen wir uns im Shiatsu der verschiedensten Do-In Übungen und der makrobiotischen Ernährung. Sie sollen uns als Werkzeuge dienen dass wir den Klienten bereitwillig mit nach Hause geben können. Dabei gibt es Übungen die der Harmonisierung der 5 Elemente dienen. Andere wiederum regulieren die 14 Meridianen des Körpers. Auch die Ernährung soll als „Medizin“ gesehen werden die Yin und Yang in ein harmonisches Gleichgewicht bringt. Bedingt durch meinen Beruf als Wellnesstrainer war mir schon zu Beginn meiner Ausbildung klar dass die „Eigeninitiative“ des Klienten ein ganz wichtiger Faktor ist und aus diesem heraus eine noch erfolgreichere Shiatsuarbeit entstehen kann. Qi Gong stellt meiner Meinung nach eine wundervolle Möglichkeit dar wie jeder selbst auf seine Gesundheit und sein Wohlbefinden achten kann. Mit täglich 20 – 40 Minuten Training ist es möglich seine Lebensenergie in unglaublichen Maße zu steigern. Mit den folgenden Qi Gong Übungen habe ich in meiner Shiatsupraxis positive Erfahrungen gemacht. Da ich mit vielen Klienten nur wenige male Kontakt hatte war eine langfristige „Forschung“ über die Wirksamkeit von Qi Gong Übungen für mich noch nicht möglich. Allerdings habe ich doch von vielen Klienten positive Rückmeldungen zum Qi Gong Training erhalten. Gemeinsamkeiten von Shiatsu und Qi Gong Als ich begonnen habe Qi Gong in meine Shiatsu-Arbeit zu integrieren war es für mich wichtig herauszufinden ob es Gemeinsamkeiten zwischen der Chinesischen Bewegungslehre und der Japanischen Heilamassage gibt. Im Laufe der Zeit hat sich für mich immer mehr herauskristallisiert dass beide Systeme gemeinsame Wurzeln in der Vergangenheit haben müssen, da es so viele Übereinstimmungen gibt. Obwohl Qi Gong eine der Säulen der TCM (Traditionell Chinesische Medizin) ist, lässt sie sich dennoch wunderbar in das aus Japan stammende Zen Shiatsu einfügen. Beide Methoden arbeiten mit einer vitalen Lebensenergie. Im Qi Gong als „Qi“ und im Shiatsu als „Ki“ bezeichnet. Qi und Ki bewegen sich auf Leitbahnen durch den Körper – den sogenannten Meridianen. Dabei bedient sich das Shiatsu dem Wissen der TCM über die klassischen Meridiane die in der Akupunktur verwendet werden. Zusätzlich hat der Begründer des ZenShiatsu, Masunaga, noch 12 weitere Meridiane am Körper entdeckt, welche eine Erweiterung des klassischen Meridiansystems darstellen. Betrachten wir die Grundlagen des Qi Gong so entdecken wir weitere Gemeinsamkeiten zwischen Qi Gong und Shiatsu. Aufmerksamkeit und Ruhe sind nicht nur im Qi Gong wichtig, sondern bilden auch die unabdingbare Grundlage für jede erfolgreiche ShiatsuBehandlung. Das eigene Hara zu spüren und darin zur Ruhe finden ist die Diplomarbeit: Stemer Wolfgang. 2006 12 Qi Gong – eine Bereicherung der Shiatsu-Praxis Ausgangsbedingung für jede Behandlung. Nur aus der Mitte heraus können wir ohne Einmischung unseres konditionierten Verstandes unseren Empfänger spüren und wahrnehmen. Die Aufmerksamkeit in den Unterbauch zu lenken verlangsamt die Verstandesaktivität und bewirkt eine geistige „Leere“. Aus dieser Leere heraus entsteht Wachsamkeit und Aufmerksamkeit. Erst mit dieser urteilsfreien Aufmerksamkeit können wir den Empfänger in seiner Ganzheit wahrnehmen und seine wahren Bedürfnisse erkennen. Mühelosigkeit wie sie im Qi Gong erwünscht ist, ist ebenfalls für unser Shiatsu kennzeichnend. Wir verwenden keine Kraft um die Tsubos (Punkte auf dem Meridian) zu drücken, sondern wir lassen uns aus unserem Hara heraus mühelos in den Tsubo einsinken. Durch dieses mühelose und entspannte Einsinken können wir die Reaktion des Körpers deutlich wahrnehmen. Aufmerksam nehmen wir das Ki des Empfängers und seine Qualität wahr. Mühelosigkeit verlangt auch dass wir als Geber uns natürlich aus unserer Mitte heraus bewegen und somit dem natürlichen Fluss der Energie folgen können. Das nächste Prinzip der Sensibilität finden wir auch im Shiatsu als ganz wichtigen Faktor wieder. Regelmäßiges Qi Gong Training erhöht die Sensibilität für den eigenen Körper aber auch für die Umwelt. Dies wieder um kommt der Shiatsu-Arbeit zugute. Die Sensibilität des Gebers bestimmt in hohem Maße die Qualität der Berührung. Ist der Geber sensibel so vermag er eine korrekte Diagnose zu erstellen und genau zu erspüren wo das Ki von seinem natürliche Verlauf abweicht und korrigiert werden will. Nur durch eine gesteigerte Sensibilität kann es dem Geber möglich sein die Energie des Empfängers klar zu fühlen und somit energetische Ungleichgewichte auszugleichen. Klienten berichten oft über ein Gefühl der Wärme und der Schwere nach einer Behandlung. Dieses Gefühl ist vergleichbar mit der „Wärme und Verwurzelung“ aus dem Qi Gong. Durch den verbesserten Ki- und Blutfluss werden die einzelnen Körperteile besser versorgt und auch energetisch miteinander verbunden. Dies führt oft zu einem Gefühl der Wärme – besonders in Händen und Füßen. Das Nachlassen des Muskeltonus während der Behandlung führt zu einer angenehmen und entspannten Schwere wie sie auch aus dem Autogenen Training bekannt ist. Im Qi Gong führt dieses Nachlassen des Muskeltonus zum Gefühl der Verwurzelung oder Verbindung mit der Erde. Nachdem ich diese Gemeinsamkeiten für mich entdeckt hatte, habe ich mich auf eine spannende Reise begeben. Ich habe im Laufe der Jahre verschiedene Qi Gong Übungen kennengelernt. In den folgenden Kapiteln habe ich die für mich wichtigsten Übungen – sowohl Aktive als auch Meditativezusammengefasst und jeweils ergänzend ihre Anwendung im Shiatsu erwähnt. Natürlich sind das längst nicht alle Möglichkeiten und es obliegt dem Interessierten Leser selbst zu experimentieren und herauszufinden was für seine Arbeit wirksam ist. Wie könnte das bei der Vielschichtigkeit von Shiatsu und der Vielfalt des Qi Gong auch anders sein?! Diplomarbeit: Stemer Wolfgang. 2006 13 Qi Gong – eine Bereicherung der Shiatsu-Praxis Kapitel 4 Die Methoden des „Aktiven Qi Gong“ 4.1 „Stehen wie ein Baum“ Meditation im Stehen ist die wichtigste und am häufigsten praktizierte Form des Qi Gong. Obwohl sie Meditation genannt wird gehört sie zum aktiven Qi Gong. Es handelt sich um eine Methode, bessere Körperhaltung und Ausgewogenheit zu erlangen, kräftigere Beine und Hüften zu entwickeln und zu tieferem Atmen zu kommen. Ich verwende diese Übung bei Empfängern bei denen ich erkenne dass ihre Beschwerden aus einer unbewussten, schlechten Körerhaltung resultieren. Meiner Erfahrung nach schafft das regelmäßige üben des „Stehen wie ein Baum“ beim Empfänger ein deutlicheres Körperbewusstsein aus diesem heraus erst erkannt werden kann dass im Alltag oft eine schlechte Haltung eingenommen wird, z.B. beim Sitzen im Auto, bei der Arbeit oder beim Stehen auf einem Bein oder mit durchgedrückten Knien. Auch bei Menschen denen es an „Erdung“ im weitesten Sinne fehlt gebe ich dies Übung gerne als tägliche „Hausaufgabe“ mit. Generell vermittelt Qi Gong über das bewusste „Verwurzeln“ ein Gefühl der Verbindung mit Mutter Erde. Die meisten genießen die Vorstellung fest verwurzelt zu sein wie ein Baum und spüren schon nach kurzem Üben eine innere Ruhe und eine deutlich vertiefte Atmung welche aus der befreiten Haltung des Beckens und dem generellen Loslassen von Spannungen nach unten resultiert. Die Technik Das Gewicht ist gleichmäßig auf beide Füße verteilt. Der Körper soll weder nach vorne noch nach hinten geneigt sein, weder nach links noch nach rechts gebeugt sein. Das Gewicht ist gleichmäßig auf die gesamte Fußsohle, also Ferse, Ballen und die Seiten verteilt. Die Knie sind leicht gebeugt und das Becken ist ein wenig nach vorne geschoben – so als wollte man das Steißbein nach vorne einrollen. Die Wirbelsäule aufgerichtet und gerade. Am höchsten Punkt des Scheitel stell dir einen golden Faden vor der den Kopf ein wenig in den Himmel zieht und dadurch die Wirbelsäule dehnt und aufrichtet. Das Kinn sinkt ein bisschen zur Brust. Die Arme sind zu Halbkreisen gebogen, entweder auf Höhe des Bauches, der Brust oder des Gesichtes, wie wenn ein großer Energieball locker umfasst wird. Die Handflächen sind zum Körper hingerichtet. Hebe die Arme nicht höher als bis zu den Augenbrauen, und lasse sie nicht tiefer als bis zum Nabel sinken. Der rechte Arm soll nicht zur linken Körperhälfte und der linke Arm nicht zur rechten Körperhälfte hinüberreichen. Die Augen sollten offen und entspannt sein, locker fokussiert und geradeaus in die Ferne blicken. Am besten übt man an einem Fenster mit freiem Ausblick. Eine andere Möglichkeit ist „diffus“ zu blicken um die Aufmerksamkeit im Körper Inneren zu behalten.. Der Atem geht vollkommen natürlich, entspannt, aus dem Zwerchfell heraus. Bei jedem Einatmen spürst du bewusst, dass sich der Bauch langsam ausdehnt, bei jedem Ausatmen zieht er sich wieder zusammen. Achte gelassen auf alles, was sich dem Bewusstsein präsentiert. Das können angenehme oder unangenehme Gefühle sein, Muskelverspannungen können auftreten oder du bemerkst einen endlosen Gedankenstrom der dich ablenkt. Gestatte dir diese Wahrnehmungen und beobachte Diplomarbeit: Stemer Wolfgang. 2006 14 Qi Gong – eine Bereicherung der Shiatsu-Praxis sie einfach. Das Ziel ist, einen Zustand klarer Wahrnehmung zu erzeugen, ohne dich auf ein besonderes Ereignis zu konzentrieren. Am Ende der Meditationsübung im Stehen ist es wichtig dass man in die Ruhestellung (xiuxishi) geht. Die Hände hängen zu beiden Seiten des Körpers herab und bleiben einen Augenblick dort. Dann lege die Hände auf den unteren Rücken und beginn das Gewicht langsam nach vorne, hinten und dann nach links und rechts zu verlagern. Dann beginn damit mit dem Becken in die eine und dann in die andere Richtung zu kreisen, wobei du dir vorstellst dass deine Fußsohlen massiert werden. Dann beende die Übung und mach ein paar Schritte. Anwendung in der Shiatsu-Praxis: Vermittelt dem Empfänger ein besseres Körper-Bewusstsein Gibt dem Empfänger die Möglichkeit den Energiefluss spüren zu lernen Verbesserung der Körperhaltung - auch im Alltag Regulation eines zu hohen oder zu niedrigen Blutdrucks Vermittelt ein Gefühl der Erdung, Stabilität und des Selbstbewußtseins Bei allgemeinem Energiemangel oder Antriebsschwäche – kurze Stehzeiten Bei Verdauungsbeschwerden (Stärkung der ERDE) Als Geber: feineres Gespür für die verschiedenen „Ki-Qualitäten“ und Meridianverläufe entwickeln 4.2 „Meditation im Gehen“ Ziel dieser Methode ist es so langsam und meditativ zu gehen, dass jeder Schritt „fest wie ein Berg“ ist. Mit jedem Schritt der Meditation-im-Gehen wird Meditation-im-Stehen praktiziert. Ruhe und Bewegung werden in Harmonie vereint. Dies führt dazu dass auch in einem geschäftigen Leben wieder Harmonie zwischen Aktivität und Ruhe entstehen kann. Während des Gehens kann das Qi wie ein mächtiger Strom durch den Körper fließen und dadurch „Abfälle“ wegschwemmen und verstopfte Kanäle öffnen. Die Technik: Die Handflächen sind zum Boden gerichtet. Es soll sich ein Gefühl des „Schwimmens“ einstellen, so wie wenn die Hände auf der stillen Oberfläche eines Sees ruhten. Setze dann das linke Bein langsam nach vor, die Ferse berührt als erstes den Boden, dann der übrige Fuß. Verlagere dann das Gesicht von hinten (rechts) nach vorn (links), wobei deutlich zu spüren ist wie das hintere Bein „leer“ wird, während das vordere sich „füllt“. Das Gewicht fließt durch den Fuß in die Erde. Jetzt wird der hintere Fuß in Seitstellung gebracht, d.h. er wird zunächst neben den vorderen Fuß geführt und berührt flüchtig mit dem Zeh die Erde. Das Gewicht ist jedoch immer noch auf dem linken Bein. Darauf wird der „in Stellung gebrachte“ rechte Fuß einen Schritt nach vorne gesetzt – mit der Ferse zuerst. Wieder wird Diplomarbeit: Stemer Wolfgang. 2006 15 Qi Gong – eine Bereicherung der Shiatsu-Praxis der Fuß flach und sanft auf den Boden gebracht und das Geicht allmählich von hinten nach vorne verlagert. Dieser Vorgang wiederholt sich nun Schritt für Schritt über eine beliebig lange Zeitspanne. Vorsetzten, nachziehen, danebenstellen, vorsetzten, nachziehen, danebenstellen...... Auf dem rechten Bild ist eine weitere Möglichkeit dargestellt bei der immer der gegenüberliegende Arm mit dem Bein hochgehoben wird. Linkes Bein und gleichzeitig den rechten Arm heben. Dann einen sanften Schritt nach vorne machen. Dasselbe auf die andere Seite. Anwendung in der Shiatsu-Praxis: Nach Struktureller Arbeit ist dies eine wunderbare Möglichkeit der Integration Für Empfänger welche nicht im Stehen, Sitzen oder Liegen entspannen können oder wollen ist dies eine „aktivere Form“ der Entspannung Schafft ein Bewusstsein wie Entspannung und bewusstes Tun in den Alltag einfließen können, indem alltägliche Dinge aufmerksam und langsam gemacht werden. Erlernen der „Kunst der Langsamkeit“ und der Achtsamkeit im Alltag Bei Konzentrationsstörungen und innerer Unruhe Bei Gleichgewichtsstörungen oder Koordinationsproblemen Diplomarbeit: Stemer Wolfgang. 2006 16 Qi Gong – eine Bereicherung der Shiatsu-Praxis 4.3 Ba Duan Jin – Die Acht Brokate Ba Duan Jin heißt wörtlich übersetzt „Acht Stücke Silberbrokat“, Es handelt sich um 8 elegante, geschmeidige und sehr wichtige Methoden zur Qi-Entwicklung. Die taoistische Tradition schreibt diese Übung Chong Liquan, einem der acht Unsterblichen der chinesischen Sage, zu. Von einem anderen Taoisten soll er in den Bergen Daoyin-Rezepte zur Herstellung eines Lebenselexiers bekommen haben. Die „Acht Brokate“ gehörten zu diesen Methoden. Die Acht Brokate eignen sich gut zum Beginn eines Übungsablaufes. Sie bestehen aus leichten Streckübungen, die Muskeln und Bänder dehnen und die Meridiane und inneren Organe stimulieren. Die Bewegungen sollten fließend, aber kurz sein. Nicht zu schnell, nicht zu langsam. Ich wiederhole die Übungen am liebsten 8 mal. Die Technik: 1. „Zwei Hände strecken sich himmelwärts, um die Drei Erwärmer ins Gleichgewicht zu bringen“ Stell dich in Qi Gong-Haltung auf. Lege die Hände mit verschränkten Fingern auf den Kopf. Strecke nun die Hände während du einatmest nach oben. Die Handflächen weißen nach unten in Richtung Baihui. Gleichzeitig stell dich auf die Zehen. Beim Ausatmen zurück in die Grundstellung und die Hände ruhen einen Augenblick lang auf dem Scheitel. Beim nächste Einatmen wiederhol die Bewegung diesmal allerdings mit den Handflächen nach oben zum Himmel gerichtet. Die Handflächen wechseln nun jedes Mal die Richtung. Wirkung: Harmonisiert die 3 Brennkammern Diplomarbeit: Stemer Wolfgang. 2006 17 Qi Gong – eine Bereicherung der Shiatsu-Praxis 2. „Den Bogen spannen wie beim Bussard-Schießen“ Nimm eine weite, niedrige „Reitstellung“ ein, aber nicht die Knie überanstrengen. Überkreuze dann die Arme mit Fäusten vor der Brust. Zieh beim Einatmen die rechte Faust zur rechten Schulter zurück und zugleich streck den linken Arm nach links zur Seite weg. Die linke Handfläche weißt nach außen und die letzten 3 Finger sind gekrümmt. Schau nach links auf deine Finger. Atme dann aus und balle beide Hände wieder vor der Brust zu Fäusten. Dann wiederhol das Ganze zur anderen Seite. Immer wenn du dich zur Seite öffnest dreht sich der Kopf mit und die Augen blicken auf den ausgestreckten Arm. Wirkung: Diese Übung aktiviert Lunge und Dickdarm. 3. „Nacheinander die Arme heben, um die Milz zu regulieren“ Aus der Grundstellung heraus die Hände mit dem Einatmen auf Magenhöhe heben mit den Handflächen nach oben. Beim Ausatmen bewegt sich die linke Hand nach oben und die Handfläche weißt zum Himmel. Die Finger sind genau über dem Scheitel. Währenddessen sinkt die rechte Hand nach unten und zeigt mit der Handfläche in Richtung Erde. Die Finger zeigen nach vorne. Himmel und Erde verbinden sich auf diese Weise. Beim Einatmen die Hände zueinander drehen und die Energie von oben und unten zusammenführen in dem die Hände wieder vor den Magen gebracht werden. Dann die Übung auf die andere Seite wiederholen. Wirkung: Äußerlich verbessert sie die Beweglichkeit der Rippen. Innerlich massiert sie sanft Magen und Milz und verbessert dadurch deren Funktion. Diplomarbeit: Stemer Wolfgang. 2006 18 Qi Gong – eine Bereicherung der Shiatsu-Praxis 4. „Rückwärtsschauen: gegen Müdigkeit und Verspannung“ Die Arme ruhen entspannt an den Seiten, die Handflächen weisen zur Erde und sind leicht gehoben. Beim Ausatmen den Kopf soweit wie möglich nach links hinten drehen. Beim Einatmen gleitet der Kopf entspannt in die Mitte zurück. Beim nächsten Ausatmen den Kopf nach rechts drehen. Wirkung: Löst Verspannungen der Nackenmuskulatur und stärkt den Hals. Stimuliert die Blutzirkulation im Gehirn und verbessert das Sehvermögen. 4. „Mit dem Schwanz wedeln um das Herzfeuer zu beruhigen“ Nimm eine weite und tiefe Reiterstellung ein . Die Hände ruhen auf den Schenkeln, die Daumen weisen nach hinten. Dann beug dich nach links hinüber und dann nach unten. Der Oberkörper beschreibt jetzt eine Kreis von links unten nach rechts hinüber und dann komm über die rechte Seite nach oben und bleib einen Augenblick in der Mitte. Wiederhole das Ganze dann zur anderen Seite. Mach diese Übung 4 oder 8 mal auf jede Seite. 5. „Sich nach unten strecken und Krankheit ausscheiden“ Diplomarbeit: Stemer Wolfgang. 2006 19 Qi Gong – eine Bereicherung der Shiatsu-Praxis Stell dich einfach hin, die Handflächen auf dem Hintern. Beim Ausatmen bück dich nach unten und lass dabei langsam deine Hände über die Rückseite der Beine hinuntergleiten soweit wie leicht möglich. Beginn dann einzuatmen. Die Handflächen gleiten nun wieder an der Rückseite der Beine hinauf bis der Körper wieder aufgerichtet ist. Dann auf die Zehenspitzen gehen und den Atem einen Augenblick lang anhalten. In der Vorstellung ist der Körper jetzt mit heilendem Qi aufgefüllt. Dann lass die Füße wieder flach auf dem Boden ruhen und amte in Richtung der Zehenspitzen aus. Wirkung: bringt heilendes Qi in den ganzen Oberkörper und macht die Wirbelsäule elastisch. Die Nieren werden stimuliert und verspannte Kniesehnen und Waden werden massiert 7. „Boxen um Qi und Stärke zu vermehren“ Stell dich hin, die Füße etwas mehr als Schulterbreit auseinander. Etwas tief gehen. Die Augen blicken konzentriert auf einen Punkt. Die Hände sind zu Fäusten geballt und befinden sich an den Seiten des Körpers – die Handflächen nach oben gedreht . Boxe jetzt beim Ausatmen langsam und konzentriert nach vorne. Während der Arm sich streckt rotiert die Faust nach unten. Beim Einatmen die Faust wieder zum Körper heranziehen. Dann das ganze in die andere Richtung. Wirkung: Mit intensiven Blick zu boxen stimuliert über die Augen die Leber, trägt zur Reinigung des Körpers von Giften bei und verbreitet heilsames Qi. Als Shiatsupraktiker stärkt sie die Fähigkeit mit klarem Focus zu arbeiten. 8. „Berühren der Zehen zur Stärkung von Nieren und Hüfte“ Stell dich locker hin. Beim Ausatmen bück dich langsam zu den Zehenspitzen hinunter wobei du jeden Wirbel an der Bück-bewegung teilnehmen lässt. Mach die Bewegung so langsam dass du die „aneinanderhängenden“ und steifen Bereiche deiner Wirbelsäule bewusst spürst. Bleibe ein paar Atemzüge lang in dieser Stellung. Spür wie sich der Rücken mit dem Atem dehnt und bewegt. Richte dann beim Einatmen die Wirbelsäule langsam Wirbel für Wirbel wieder auf. Dann beuge dich nach indem du das Becken nach vorne schiebst und inein Hohlkreuz gehst. Bleib ein wenig in dieser Stellung und spür wie dein Brustkorb gedehnt wird. Dann geh zurück in die Ausgangsstellung. Wirkung: Aktiverung des Lenker- und Konzeptionsgefäßes. Wirbelsäule beweglich machen. Fallbeispiel: Eine 45 jährige Frau die regelmäßig bei mir Shiatsu macht leidet an einer leichten Form der Multiple Sklerose. Als sie vor 2 Jahren zu mir kommt ist sie oft erschöpft und müde. Sie klagt über Blähungen und ein allgemeines Kältegefühl im Unterleib. Verbunden damit sind kalte Hände und Füße. Nachts muss sie manchmal auf die Toilette. Die Haradiagnose zeigt ein deutliches Kyo in der Niere an. Auch die Gesichtsdiagnose bestätigt dies. Die Leber ist Jitsu (möglicherweise aufgrund der vielen Medikamente die sie einnimmt). Ich beschließe Ihr die „Ba Duan Jin“ – Übungen beizubringen, nachdem ich ihr erklärt habe wie wichtig eine tägliche Aktivierung der „Selbstheilungskräfte“ ist. Sie ist auf Anhieb begeistert von den Übungen und spürt wie die Hände und der Bauch schon beim ersten mal Diplomarbeit: Stemer Wolfgang. 2006 20 Qi Gong – eine Bereicherung der Shiatsu-Praxis angenehm warm werden, obwohl ihr die Bauchatmung noch etwas schwer fällt. Die Füße sind noch kalt. Sie macht die Übungen die nächsten Monate weiter und berichtet mir nach einigen Wochen dass ihre Müdigkeit völlig verschwunden ist. Blähungen treten nur noch auf bei gewissen Nahrungsmitteln. Bauch, Hände und Füße sind nach den Übungen angenehm warm und dieses Wärmgefühl hält auch immer länger an . Sie muss auch seit sie die Übungen regelmäßig macht keine Schlaftabletten mehr nehmen. Insgesamt spürt sie ihren Körper wieder besser und sie fühlt sich ausgeglichen. Die Anwendung in der Shiatsu-Praxis: Als Ergänzung oder Alternative zu den Makko Ho Übungen, wenn z.B. die Bewegungen auf dem Boden nicht ausführbar sind (in der freien Natur) Wenn der Empfänger steif und unbeweglich ist und dadurch der Ki-Fluss blockiert ist Einzelne Übungen herausnehmen um sie dem Empfänger mit nach Hause zu geben (siehe Wirkung jeder einzelnen Übung) Zur allgemeinen Kräftigung der Rumpf-, Bein-, und Armmuskulatur Als 10 minütige Vorbereitung für eine nachfolgende Shiatsubehandlung Zur Aktivierung und Harmonisierung aller Meridiane und der 5 Elemente 4.4 Knochenmark-Reinigung Die Reinigung des Knochenmarks (xisuijing)besteht aus heilsamen Stellungen, sanften Bewegungen und Konzentrationstechniken, um das Knochenmark von Giften zu reinigen. Die Version die ich hier vorstellen wirkt auf mehr als nur die Knochen ein. Sie stärkt das Immunsystem und fördert Stärke und Dichte der Knochen selbst, speichert Qi im Dantian und stimuliert den Qi-Fluß durch die Haut und verschiedene Akupunkturpunkte. Die Methode: 1. Der meditierende Buddha Nimm eine natürliche Qi Gong Haltung ein. Die Hände sind vor dem Dantian. Halte die Hände so als ob du einen 30 cm großen Ball halten würdest. Hebe jetzt den Ball langsam auf Brusthöhe und leg dann die Handflächen in Gebetshaltung vor dem Brustbein aneinander. Konzentrier dich auf die Dantian-Atmung und werde innerlich still. Bleib in 2-3 Minuten in dieser Position und lass dann die Hände allmählich an der Körperseite nach unten sinken. 2. Das kosmische Wesen Hebe die Arme langsam an den Seiten hoch, die Ellbogen leicht angewinkelt und die Handflächen zeigen auf Schulterhöhe nach außen. Stell dir nun vor dein Körper füllt Diplomarbeit: Stemer Wolfgang. 2006 21 Qi Gong – eine Bereicherung der Shiatsu-Praxis das ganze Weltall aus. Dein Kopf berührt den Himmel, und deine Füße reichen gis zum Erdmittelpunkt. Der rechte Arm ist unendlich weit nach rechts gestreckt. Der linke Arm reicht unendlich weit nach links. Du bist ein kosmisches Wesen. Stell dir weiter vor dass deine Hautporen sich öffnen. Das universelle Qi kann dich ungehindert durchfließen. Lass den Atem kommen und gehen wie er will. Halte diese Position 2-3 Minuten und richte dann dein Bewusstsein wieder auf das Dantian. Spür wie der Atem sich im Inneren deines Körpers bewegt und dann lass die Arme langsam sinken. 3. Waschen des Knochenmarks mit einer Hand Lege deine linke Hand mit dem Handrücken auf den unteren Teil des Rückens (auf Mingmen-Tor des Lebens) gegenüber dem Nabel. Dies aktiviert die Nierenenergie. Währenddessen hebt sich die rechte Hand an der Körperseite bis über den Kopf wo sie 15 cm über dem Scheitel (Baihui – Himmelspass) mit der Handfläche nach unten ruht. Spür die Verbindung von der Mitte der Handfläche (Laogong-Punkt) zum Scheitelpunkt. Es ist als ob du dein eigenes Energiefeld spürst. Behalte diese Stellung ein paar Sekunden bei bis du eine Verbindung spürst. Dann lass langsam die obere Hand vor dem Körper nach unten sinken und stell dir dabei vor das heilendes Qi durch das Knochenmark fließt. Das Qi bewegt sich durch die Knochen des Schädels, des Gesichts, des Brustkorbs, der Wirbelsäule, des Beckens und der Beine hindurch. Betrachte jetzt wie das unreine Qi aus deinen Füßen einen Meter tief in die Erde abfließt. Diese alte Qi verwandelt sich wiederum in neuen Erde. Dann mache das selbe auf der anderen Seite. Lege die rechte Hand auf deinen unteren Rücken und die linke Hand bewegt sich nach oben über deinen Scheitel. 4. Waschen des Knochenmarks mit beiden Händen Hebe beide Hände vor dem Körper mit den Handflächen nach oben. Sobald die Hände das Brustbein erreichen dreh die Hände nach oben und stoß sie über den Kopf. Behalte diese Stellung etwa 10 Sekunden bei und stell dir vor du bist ein Baum mit tiefen Wurzeln und hohen Zweigen, der Himmel und Erde verbindet. Dreh dann die Hände sodass sie zum Scheitel zeigen und lass sie sich bis 15 cm über den Scheitel senken. Die Finger brühren sich dabei nicht. Während du diese Stellung für ein paar Sekunden beibehälst spüre die Energie deiner Aura. Die Laogong-Punkte deiner Hand verbinden sich mit dem Baihui des Scheitels. Lass hierauf deine Hände ganz langsam vor dem Körper nach unten sinken und stell dir wie zuvor vor das heilendes Qi durch deine Knochen und das Mark nach unten fließt und das unreine unten durch die Füße tief in die Erde abfließen kann. Diese Übung wird nur einmal durchgeführt und schließt diese Übung ab. Fallbeispiel: Ein 40 jähriger Mann der sich im Rollstuhl befindet klagt über ständige Schmerzen in der linken Schulter. Diese begleiten ihn schon seit 15 Jahren – seit er im Rollstuhl sitzt. Ich Diplomarbeit: Stemer Wolfgang. 2006 22 Qi Gong – eine Bereicherung der Shiatsu-Praxis mache wöchentlich Shiatsu. Die Diagnose zeigt dass sich im Bereich wo die Wirbelsäule gebrochen ist harte Verspannungen befinden. Sein größeres Problem sind allerdings immer wieder kehrende Harnwegsinfekte (Aufgrund des Katheders) und ständige Erkältungen im Winter. Auch mit 2-3 Grippalen Infekten muss er jeden Winter rechnen. Durch das regelmäßige Shiatsu lösen sich die Verspannungen wunderbar. Das Problem der Infekte allerdings verbessert sich nur unwesentlich. Im darauffolgenden Sommer beschließe ich im die Übung der Knochenmarksreinigung zu zeigen – obwohl ich nicht überzeugt bin dass sie wirksam sind. Aber irgendwie habe ich das Gefühl seine Knochen und sein Mark müssten gereinigt werden. Ihm gefallen die Übungen weil er spürt wie sie Ihn beruhigen und nicht zuletzt weil sie nicht zuviel Zeit beanspruchen. Er beschließt die Übungen 5 mal pro Woche zu machen. In der nächsten Wintersaison erleidet er nur noch 1 Harnwegsinfekt und bleibt von grippalen Infekten und auch weitestgehend von Erkältungen verschont. Auch seine Verspannungen sind viel weniger geworden. Insgesamt fühlt er sich auch dem beruflichen Stress viel besser gewachsen und er kann besser mit schwierigeren Kunden umgehen. Anwendung in der Shiatsu-Praxis: Bei Ostheoporose oder anderen Knochenerkrankungen Bei Anzeichen eines schwachen Immunsystems wie z.B. häufigen Infekten Bei Problemen mit dem Blut oder der Blutqualität Bei Menschen die sich zuviel Abgrenzen und die Verbindung mit Mitmenschen und Natur nicht mehr spüren Kapitel 5 Die Methoden des „Meditativen Qi Gong“ 5.1 Reinigung des Gehirns Setz dich bequem auf einen Stuhl. Verwende ein paar Minuten, um den Atem zu beobachten und bewusst und tief auszuatmen. Wenn der Atem ruhig geworden ist dann atme tief durch die Nase ein und stell dir vor, das heilende Qi sei ein weißer Dunst. Der Dunst zieht sich in den Bauch hinab und zur Basis der Wirbelsäule. Während du vorsichtig den Atem anhälst, dringt der Dunst durch das Steißbein in die Wirbelsäule ein. Stell dir nun das Rückgrat wäre eine leere Röhre für das Qi. Immer noch vorsichtig den Atem anhaltend, lass jetzt den Dunst die Wirbelsäule hinaufsteigen. Spür wie er durch die einzelnen Segmente der Wirbelsäule nach oben steigt bis er den Kopf erreicht. Hier tritt er aus dem Rückgrat aus und wirbelt um Diplomarbeit: Stemer Wolfgang. 2006 23 Qi Gong – eine Bereicherung der Shiatsu-Praxis das Gehirn herum. Das Qi bewegt sich wie eine windzerzauste Wolke. Schick es durch alle Lappen, Höhlen und Gewebe des Gehirns. Vor allem dorthin wo es vor deinem inneren Auge schwer fällt oder blockiert ist. Wenn du ausatmest lass den Atem einfach durch deinen Mund ausströmen. Jetzt ist der Dunst dunkel gefärbt, schwärzlich oder grau. Nach dem Ausatmen kehre zurück zu einer natürlichen Atmung . Atme einige male ein und aus bevor du die Übung wiederholst. Wiederhole diese Übung insgesamt 3 mal und stell dir beim letzten mal vor wenn du ausatmest blässt du alle Wolken weg, die den klaren Himmel verdunkelt haben. Konzentrier dich dann auf den Scheitel und halt in deiner Vorstellung das Bild eines strahlend blauen Himmels fest. Anwendung in der Praxis: Bei Kopfschmerzen oder Migräne Bei Augendruck Bei neurologischen Problemen Zur Reinigung des Bewusstseins und der Gedanken Bei übermäßiger Sorge – „Sorgen wegblasen“ Als Tipp wenn jemand viel vor dem Computer sitzt zur Entspannung zwischendurch Zur Beruhigung vor Prüfungen Bei Einschlafproblemen 5.3 Kleiner Himmlischer Kreislauf Bei dieser Meditation wird das Qi entlang des wichtigsten Yang-Meridians, dem Dumai (Lenkergefäß) und dem wichtigsten Yin-Meridian, dem Renmai (Dienergefäß) geführt. Diese beiden Meridiane dienen dazu , den Fluß der Yang- und Yinenergie in den zwölf organbezogenen Meridianen zu regulieren. Ein wichtiges Ziel des Qi Gong ist es, einen starken Qi-Strom durch diese beiden Kanäle zu erzeugen, sodass mehr Qi in die Nebenkanäle (Organmeridiane) fließt. Weiters bewirkt diese Meditation eine bessere Kommunikation der beiden Meridiane. Technik: Stell dir vor das Lenkergefäß beginnt am Steißbein, folgt der Wirbelsäule, läuft jüber den Kopf weiter und endet am oberen Gaumen. Das Dienergefäß dagegen beginnt an der Diplomarbeit: Stemer Wolfgang. 2006 24 Qi Gong – eine Bereicherung der Shiatsu-Praxis Zungenspitze und endet an einem Punkt in der Mitte des Dammes (huiyin, Zusammenkunft mit dem Yin). Somit ist der Stromkreis an zwei Stellen geöffnet: zwischen Damm und Steißbein und zwischen dem obern Gaumen und der Zungenspitze. Diese Lücken werden durch die Meditationsübung geschlossen. Lasse während des Einatmens die Zungenspitze den oberen Gaumen berühren und sie während des Ausatmens wieder fallen und im Unterkiefer ruhen. Atme vom Steißbein die Wirbelsäule hinauf ein, über den Kopf bis zum oberen Gaumen. Währenddessen zieh die Muskeln am Steißbein zusammen – so wie wenn du die Öffnung schließen würdest. Am Gaumen angekommen lass die Zunge fallen und atme leicht durch den Mund aus, wobei du das Qi von der Zungenspitze an der Vorderseite des Körpers zum Dammpunkt hinunterleitest. Sobald du wieder mit dem Einatmen beginnst berührt die Zungenspitze wieder den oberen Gaumen. Somit ist ein Kreislauf beendet. Mache insgesamt 9 solcher Kreisläufe durch . Anwendung in der Shiatsu-Praxis: Wenn Speicher- und Hohlorgane im Ungleichgewicht sind Zum Ausgleich von Yin und Yang Alls „Alltagsübung“ um zwischendurch Energie zu tanken und Stress zu reduzieren Wenn der Fluß im Zentralkanal blockiert ist, kann diese Übung täglich ausgeführt eine Besserung bewirken. Allgemein wenn es um die energetische Stabilisierung der Wirbelsäule geht 5.3 Großer Himmlischer Kreislauf Diese Übung wird auch oft als „Makrokosmischer Umlauf“ bezeichnet. Hierbei zirkuliert das Qi durch den ganzen Körper, d.h. durch Beine, Arme, Lenkergefäß und Dienergefäß. Diplomarbeit: Stemer Wolfgang. 2006 25 Qi Gong – eine Bereicherung der Shiatsu-Praxis Die Technik: Die Position ist gleich wie beim Kleinen Kreislauf. Auf einem Stuhl sitzend oder liegend, die Beine nicht übereinander lege die Hände aufs Hara und die Zungenspitze berührt den oberen Gaumen. Atme entspannt durch die Nase ein und aus. Dann richte ein paar Minuten lang die Konzentration auf das Dantian. Lenke dann das Qi Vom Dantian hinunter zu den Genitalien und über den Damm das Lenkergefäß nach oben. Es läuft dann weiter and er Vorderseite hinunter und erreicht wieder das Dantian.. Damit ist eine Runde des Kleinen Himmelsumlaufs gemacht, die Grundlage für den Großen Himmelsumlauf. Als nächstes fließt das Qi nun die Außenseite der Beine hinab bis zu den Füßen und wird dann an der Innenseite der Beine hinaufgezogen. Lenke dann das Qi weiter den Rücken hinauf bis zwischen die Schulterblätter. Dort spaltet sich der Strom und fließt an der Innenseite der Arme zu den Händen und dann wieder an der Außenseite der Arme zurück zumRücken. Jetzt bewegt das Qi sich über den Kopf an der Vorderseite des Körpers hinunter zum Dantian. Somit ist ein Umlauf beendet. Das Qi fließt nun wieder die Außenseite der Beine hinab., die Innenseite der Beine herauf, den Rücken hinauf.... Lass auf diese Weise das Qi strömen solange du dich wohlfühlst. Es ist nicht notwendig den Atem irgendwie auf die Meditation abzustimmen. Das Qi wird allein durch das Bewusstsein gelenkt. Anwendung in der Shiatsu-Praxis: Bei Durchblutungsstörungen der Extremitäten (kalte Hände und Füße) Bei Einschlafproblemen wegen zu vieler Gedanken 5.4 Die 6 Qi- Methode – die heilenden Laute Diese Übung wird auch oft als „Sechs-Worte-Geheimnis“ bezeichnet. Sie wird einem buddhistischen Einsiedler des sechsten Jahrhunderts zugeschrieben. Bei dieser Methode werden die inneren Organe mit Hilfe des Atems und des Klangs von schädlichen und stagnierendem Qi gereinigt. In China ist diese Methode sehr populär geworden durch den berühmten Qi gong Meister Dr. Ma Litang. Die Übung kann in sitzender Position durchgeführt werde. Bei jeder einzelnen Übung wird frisches Qi durch die Nase eingeatmet und verbrauchtes durch den Mund ausgeatmet, während laut gesungen wird. Die Technik: Diplomarbeit: Stemer Wolfgang. 2006 26 Qi Gong – eine Bereicherung der Shiatsu-Praxis Richte deine Aufmerksamkeit auf das jeweilige Organ und versuch es mit deinem Bewusstsein zu fühlen. Atem dann frisches Qi in das Organ ein . Wenn du nun ausatmest lass in deiner Vorstellung das alte, verbrauchte Qi mit einem Klang durch deinen Mund entweichen. Machte jede Übung 2-3 mal oder so oft wie du dich dabei wohl fühlst. Lunge: Richte deine Aufmerksamkeit auf das Organ Lunge. Atme ein und stelle dir dabei vor, dass heilendes Qi die Lunge völlig auffüllt. Wenn du nun durch den Mund ausatmest, singe fast unhörbar folgenden langgedehnten Laut: Sii-ahh. Nieren: Richte nun deine Aufmerksamkeit auf die Nieren und empfinde sie in deinem Bewusstsein. Atme frisches Qi in die Nieren ein und atme verbrauchtes Qi mit folgenden Laut aus: Chrruuu. Leber: Lokalisiere die Leber innerlich und spüre sie. Atme dann heilendes Qi in die Leber ein. Atme dann Gifte mit dem Laut Schuuu aus. Der Laut klingt so wie wenn du „Sch, ruhig!“ sagst. Herz: Mach dir dein Herz bewusst. Atme frisches Qi in alle Gewebe, Muskeln, Kammern und Ventile des Herzens ein. Atme aus mit dem Laut Hu. Milz: Empfinde die Milz – ein schwammartiges Organ unter dem linken Rippenbogen. Atme heilendes Qi in das Organ ein und atme unreines Qi mit folgendem Laut aus: Huuu Drei Erwärmer: Hierbei handelt es sich um eine Körperfunktion, kein Organ. Es ist der Aspekt des Qi, der das Wärme- und Feuchtigkeitsgleichgewicht in drei Körperbereichen regelt: Kopf und Brust, Solarplexus und Unterleib. Atme reines Qi in den ganzen Rumpf ein und atme aus mit dem Laut Siii. Während du diesen Laut erzeugst bring den Mund in die Stellung, die er beim lächeln hat und stell dir vor dass ein Glücksgefühl den ganzen Körper durchströmt. Anwendung in der Shaitsu-Praxis: Zur Reinigung und Entgiftung der Organe; wenn z.B. die BO-Punkte empfindlich sind und auf eine Störung des betreffenden Organs hinweisen Zur Allgemeinen Harmonisierung der Organe Um ein geschwächtes Organ im speziellen zu stärken Diplomarbeit: Stemer Wolfgang. 2006 27 Qi Gong – eine Bereicherung der Shiatsu-Praxis Nachwort Diplomarbeit: Stemer Wolfgang. 2006 28 Qi Gong – eine Bereicherung der Shiatsu-Praxis Literaturverzeichnis Cohen Kenneth: Qigong –Grundlagen, Methoden, Anwendung. Weltbild 1997 Tjoeng Lie Foen: Chinesische Naturheilverfahren. Falken Verlag 1986 Niedernhausen Beresford-Cooke: Shiatsu – Grundlagen und Praxis. Urban&Fischer 2003 München Kumar Frantzis Bruce: Die Energie-Tore des Körpers öffnen. Windpferd 2002 Hamburg Olvedi Ulli: Das Stille Qi Gong nach Meister Zhi-Chang Li. Heyne Verlag 2002 Diplomarbeit: Stemer Wolfgang. 2006 29