Die allgemeine Feststellung des Todes bei Stillstand von Atmung und Herzschlag kann von jedem Arzt vorgenommen werden. Die Feststellung des Hirntodes dagegen ist an besondere, unumgängliche Bedingungen gebunden: Sie wird von zwei erfahrenen Ärzten nach genauesten klinischen und apparativen Kontrolluntersuchungen dokumentiert. Ziel der Hirntod-Diagnostik ist es, ein zweifelsfreies Bild vom Zustand des Patienten zu bekommen. Zunächst muss die Ursache der tiefen Bewusstlosigkeit (Koma) geklärt werden, denn nicht bei jedem Koma ist das Gehirn unwiderruflich geschädigt. Erst wenn eine primäre oder sekundäre Hirnschädigung zweifelsfrei feststeht, darf die Hirntod-Diagnostik eingeleitet werden. Patienten, bei denen auch nur der geringste Anhalt für erhaltene Bewusstseinsleistungen besteht, sind von der Hirntod-Diagnostik auszuschließen. Die Funktion des Hirnstamms, welcher die meisten unbewussten Reaktionen steuert, wird mit der Prüfung von fünf verschiedenen Reflexen untersucht. Bei bewusstlosen (nicht-hirntoten) Patienten sind diese Reflexe auslösbar. Erst wenn sie ausgefallen sind, darf – um jede Gefährdung des Patienten auszuschließen – die Fähigkeit zur Eigenatmung mit dem Apnoe-Test geprüft werden. Pupillenreaktion Im Normalfall sind beide Pupillen immer gleich weit und reagieren auf Licht mit einer Verengung. Bei hirntoten Patienten fehlt dieser Reflex: sie reagieren nicht auf Lichtreize. Ist ein Patient bewusstlos, aber noch nicht hirntot, reagiert er auf das schnelle Drehen oder Kippen seines Kopfes mit einer langsamen Gegenbewegung der Augen. Bei einem Hirntoten bleiben die Augen während dieses Tests – wie bei einer Puppe – reaktionslos in Ihrer Ausgangsstellung. Puppenkopfphaenomen Ist ein Patient bewusstlos, aber noch nicht hirntot, reagiert er auf das schnelle Drehen oder Kippen seines Kopfes mit einer langsamen Gegenbewegung der Augen. Bei einem Hirntoten bleiben die Augen während dieses Tests – wie bei einer Puppe – reaktionslos in Ihrer Ausgangsstellung. Hornhautreflex Sobald ein Fremdkörper die äußere Schicht des Auges berührt, schließen sich die Augenlider reflektorisch zum Schutz. Prüft ein Arzt diese Reaktion bei einem Hirntoten mit einem Wattestäbchen, erfolgt keinerlei Reaktion. Schmerzreize im Kopf Auf Schmerzreize im Gesicht reagieren auch (nicht-hirntote) Patienten im tiefen Koma mit erkennbaren Muskelzuckungen oder anderen Abwehrreaktionen der Kopf- und Gesichtsmuskulatur. Bei einem Hirntoten bleibt dieser Reflex aus. Trigeminusdruckpunkte (Foramen supra-/infraorbitale, mentale) Wuerg- und Hustenreflex Berührungen der hinteren Rachenwand lösen bei gesunden Menschen einen Würgereflex aus. Auch Bewusstlose zeigen diesen Würg- und Hustenreflex, solange sie nicht hirntot sind. Apnoe-Test Das unbewusste Atmen, die Spontanatmung, ist ein lebenswichtiger Reflex. Mit dem sog. „Apnoe-Test“ lässt sich zweifelsfrei feststellen, ob die Fähigkeit zur eigenständigen Atmung verloren gegangen ist. Hierzu wird der bewusstlose Patient mit 100% Sauerstoff beatmet. Gleichzeitig wird die maschinelle Beatmung stark reduziert. Dabei kommt es zu einem stetigen Anstieg des Kohlendioxid-Gehaltes im Blut. Dies ist für die Rezeptoren im Hirnstamm der stärkste Antrieb für eine Spontanatmung. In den Richtlinien der Bundesärztekammer wurde ein bestimmter Mindestwert (PCO2:60mmHg) festgelegt, welcher erreicht werden muss, ohne dass ein spontaner Atemzug des Patienten erkennbar ist. Setzt die Eigenatmung nicht ein, ist von einem vollständigen und unwiederbringlichen Ausfall des Atemzentrums auszugehen. Alternativ zum ergänzenden Einsatz der apparativen Untersuchungsmethoden kann die klinische Hirntodfeststellung durch die Einhaltung von vorgeschriebenen Beobachtungszeiten und eine Wiederholung der klinischen Untersuchungen bestätigt werden. Die Dauer dieser Beobachtungszeiten ist von der jeweiligen Ursache der Hirnschädigung und vom Alter des Betroffenen abhängig. Nur bei Kindern unter 2 Jahren und in allen Fällen einer primären Schädigung des Hirnstamms ist zusätzlich mindestens eine technische Untersuchungsmethode obligatorisch. Ergänzend zu den klinischen Untersuchungen können oder müssen (abhängig von der Ursache der Hirnschädigung oder dem Alter des Patienten) apparative Untersuchungen durchgeführt werden, um den Nachweis einer nicht umkehrbaren Schädigung des Hirns zu bestätigen. Elektroencephalogramm Die elektrische Aktivität der Hirnrinde und der darunter liegenden Hirnstrukturen lässt sich mit dem Elektroenzephalogramm sichtbar machen. Für den Hirntod typisch ist das Fehlen jeder elektrischer Aktivität, die sogenannte „Null-Linie“. Eine solche muss unter ganz genau festgelegten Ableitungsbedingungen über 30 Minuten lang nachgewiesen werden. Evozierten Potentiale Die evozierten Potentiale sind ein neueres Verfahren, bei welchem elektrische Antworten des Gehirns als Reaktion auf äußere Reize durch ein spezielles technisches Mittelungsverfahren aus der normalen EEG-Aktivität herausgefiltert werden. Für die Hirntod-Diagnostik von Bedeutung sind die sogenannten Hirnstamm-Potentiale nach akustischer Reizung (spiegelt den Funktionszustand der Hörbahn bis zum Hörzentrum im Gehirn wieder) und die somatosensorisch-evozierten Potentiale (Untersuchung der Reaktion des Gehirns auf elektrische Reizungen eines Nerven am Handgelenk). Für den Hirntod typisch ist das Fehlen der Antwortpotentiale im Hirnstamm und im Großhirn. Hirnszintigraphie Eine Hirnszintigraphie stellt die Durchblutung des Gehirns mittels radioaktiver Gamma-Strahlung dar. Dazu werden dem Patienten schwach radioaktive Substanzen in die Armvene injiziert, welche die durchbluteten Abschnitte des Gehirns sichtbar machen. Nicht durchblutete Regionen erscheinen leer. Mit dieser Methode lässt sich der vollständige Verlust der Hirndurchblutung im Hirntod sehr anschaulich sichtbar machen. Transcranielle Doppler-Sonographie Die transcranielle Doppler-Sonographie liefert ein „akustisches Bild“ der Hirndurchblutung. Mittels spezieller Sonden wird transcraniell, d.h. durch den intakten Schädelknochen hindurch, die Reflexion von Ultraschallwellen an den roten Blutkörperchen des strömenden Blutes gemessen. Die einzelnen großen Hirnarterien liefern dabei ein für den Hirntod typisches Echo-Muster. Angiographie Bei diesem Röntgenverfahren wird ein Kontrastmittel in die Hirnschlagadern gespritzt. Die Hirnarterien können so sichtbar gemacht werden. Bei einem Hirntoten zeigen die Schlagadern an der Stelle, wo sie in die Schädelhöhle eintreten, einen Abbruch des Kontrastmittelflusses. Dies bedeutet einen völligen Durchblutungsstillstand im Gehirn – und damit dessen endgültigen Ausfall. Obwohl sehr aussagekräftig, ist die Angiographie heute aufgrund möglicher Risiken umstritten und wird zunehmend durch andere Verfahren ersetzt. Wie kaum eine andere Diagnose erfordert die Hirntodfeststellung ein Höchstmaß an ärztlicher Sorgfalt und Erfahrung. Aus diesem Grund wurde der Ablauf streng reglementiert. Zwei Ärzte, welche die Hirntod-Diagnostik unabhängig voneinander durchführen, müssen hierin einschlägige Erfahrung besitzen. Kommt der Betroffene als Organspender infrage, darf keiner der beiden Ärzte dem Transplantationsteam angehören. Dies dient der Vermeidung von Interessenkonflikten. Jeder der beiden Ärzte muss die Untersuchungsergebnisse separat in jeweils einem „Protokoll zur Feststellung des Hirntodes“ eintragen und bestätigt die Diagnose Hirntod durch seine Unterschrift