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Dr. Ralf Petercord
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„Schadtypenbeschreibung zur Buchenerkrankung
in Rheinland-Pfalz und Luxemburg“
1. Problemstellung
In Luxemburg und im angrenzenden westlichen Rheinland-Pfalz werden seit dem Sommer
2000 zwei Krankheitsbilder an der Rotbuche beobachtet. Dabei handelt es sich zum einen um
das klassische Buchenrindensterben (Buchenkomplexkrankheit), das erstmalig von HARTIG
1878 beschrieben wurde. Charakteristisch für diese Krankheit ist ein plätzeweises absterben
und aufplatzen der Rinde nach Weißfäulebefall im Endstadium. Häufig finden sich an den
erkrankten Stämmen auch holzbrütende Insekten als Sekundärschädlinge, besonders
Hylecoetus dermestoides und Trypodendron domesticum. Bei dem zweiten Krankheitsbild
handelt es sich um einen Befall durch den holzbrütenden Borkenkäfer Trypodendron
domesticum, ohne dass die Symptome des Buchenrindensterbens auftreten. Entsprechend der
bekannten Besiedlungsstrategie von T. domesticum wird auch dieser Befall als sekundär
eingeschätzt, allerdings sind die disponierenden Faktoren für den Befall noch unbekannt.
Inwieweit ein Zusammenhang zwischen beiden Krankheitserscheinungen besteht ist bislang
unbekannt, daher scheint es zur Zeit geraten zu sein, beide Phänomene getrennt von einander
zu betrachten.
2. Schadtypenbeschreibung des Buchenrindensterbens
Das Buchenrindensterben wird als die „bedeutendste Krankheitserscheinung in
Buchenbeständen“ (WACHENDORF, 1983) angesehen und ist durch den langen Zeitraum
zwischen dem Krankheitsbeginn und dem Auftreten deutlicher Schäden in seinem Ausmaß
schwer einzuschätzen. Aktuelle Untersuchungen an erkrankten Buchen im Forstamt SaarHochwald; Gemeindewald Zerf zeigen, dass bereits 1995 Kambiumschäden aufgetreten sind,
die erst im Jahr 2001 durch das Aufplatzen der Rinde, sekundären Holzbrüterbefall bzw.
Fruchtkörperbildung holzzerstörender Pilze erkennbar wurden. In der Folge ist eine
weitgehende technische Entwertung des Holzes durch Weißfäulepilze entstanden, die zu
erheblichen monetären Verlusten für den jeweiligen Waldbesitzer führt.
Entsprechend der Hypothese von BRAUN (1976, 1977) werden als Auslöser der Erkrankung
Saugschäden im Rindenparenchym nach Massenvermehrungen der Buchenwollschildlaus
(Cryptococcus fagisuga LIND.) angesehen, die durch die besondere Rindenanatomie der
Rotbuche nicht ausgeheilt werden können. Entsprechend dieser Hypothese kann der
Krankheitsverlauf über mehrere Symptome, die einander folgen wie die „Glieder einer Kette“
(SCHWERDTFEGER, 1944) skizziert werden. Dabei kann zwischen Symptomen im
Krankheitsverlauf und akuten Symptomen im Endstadium der Erkrankung unterschieden
werden.
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A Symptome im Krankheitsverlauf
A1 Massenvermehrungen der Buchenwollschildlaus als Auslöser der Erkrankung
Als Auslöser der Erkrankung werden Massenvermehrungen der Buchenwollschildlaus
angesehen (s. Bild 1). Diese können auf drei Ebenen beobachtet werden:
- auf lokal begrenzten Rindenbereichen als Ausdruck einer lokalen Disposition, die dem
Insekt günstige Ernährungsbedingungen in quantitativer und qualitativer Hinsicht
bieten (z.B. Überwallungsränder alter Verletzungen).
- auf Einzelbaumebene als Ausdruck einer physiologischen Disposition als
Nahrungsquelle für das Insekt, die auf individuellen Eigenschaften (z.B. Genotyp,
aktueller Resistenzstatus) bzw. individuell wirksamen Stressoren (z.B. Kleinstandort,
Konkurrenzsituation) beruht.
-
auf Bestandesebene als Ausdruck einer durch übergeordnete Massenwechselfaktoren
(z.B.
physiologisches
Alter,
Witterungsextreme,
Immissionsbelastungen)
synchronisierten individuellen Disposition.
Bild 1: Massenvermehrung der Buchenwollschildlaus auf eng
begrenzten Rindenbereichen (lokale Ebene).
Massenvermehrungen der Buchenwollschildlaus entstehen grundsätzlich stammbürtig und
bedingen günstige Ernährungsbedingungen am jeweils erkrankten Stamm. Eine Ausdehnung
der Massenvermehrung von Stamm zu Stamm findet nicht statt.
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Welche Populationsdichte des Insekts zu gravierenden Saugschäden führt, die von der Buche
nicht ausgeheilt werden können und damit den Ausgangspunkt für die Folgeerkrankung
darstellt, ist bisher nicht bekannt.
A2 Schleimflussflecken als Zeichen einer Kambiumnekrose (s. Bild 2)
Schleimflussflecken kennzeichnen aktuelle Kambiumnekrosen, in dem Phloem- bzw.
Xylemsaft aus den zerstörten Leitungsbahnen an die Rindenoberfläche gelangt und hier durch
die Verdunstung des Wassers und die Besiedlung durch Pilze und Bakterien eine schleimig,
braunschwarze Konsistenz annimmt. Schleimflussflecken entstehen unspezifisch nach
Verletzungen des Kambiums. Im Rahmen des Buchenrindensterbens entstehen sie durch die
Tiefenverlagerung von Rindennekrosen nach Buchenwollschildlausbefall. Der Zeitraum
zwischen der Schädigung durch die Saugaktivität der Buchenwollschildlaus und dem
Entstehen der Kambiumnekrose variiert in Abhängigkeit von der Populationsdichte des
Insekts, der Rindenstärke, der einzelbaumspezifischen Abwehrkraft, dem Dickenwachstum
und dem Auftreten von Rindenspannungen bei Witterungsextremen. Er kann mehrere Jahre
umfassen, so dass der direkte Zusammenhang zwischen dem Lausbefall und der späteren
Kambiumnekrose (Schleimflussfleck) häufig übersehen und negiert wird.
Bild 2: Schleimflussfleck als äußeres
Zeichen einer aktuellen
Kambiumnekrose. Auf der
Rinde sind zudem zahlreiche
Kolonien der Buchenwollschildlaus erkennbar.
Kambiumnekrosen können von den erkrankten Buchen durch Überwallung ausgeheilt werden
und damit die weitere Entwicklung der Erkrankung gestoppt werden.
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A3 Rindennarben
Tiefeinschneidende, strichförmige Rindennarben (s. Bild 3) sind ein sicherer Hinweis auf
nicht ausgeheilte Kambiumnekrosen und markieren diese auf Jahre.
Bild 3: Strichförmige Rindennarben
als Anzeichen nicht ausgeheilter Kambiumnekrosen.
Bild 4: Pilzbefall im Holzkörper
unterhalb einer Rindennarbe.
Gelingt es dem Baum nicht die entstandenen Kambiumnekrosen vollständig zu überwallen,
entstehen Rindenrisse über die holzzerstörende Pilze in den ungeschützten Holzkörper
gelangen können. Unterhalb dieser Rindennarben findet sich daher ein mit Pilzen besiedelter
Bereich des Holzkörpers, dessen Ausdehnung wiederum von der Vitalität des Baumes
abhängig ist (s. Bild 4). Die Besiedlung des Stammes durch die holzzerstörenden Pilze kann
mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Eine Besiedlung durch durch den saprophytischen Pilz
Nectria coccinea steht im Verdacht die Ausheilung der Kambiumnekrosen zu behindern.
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B Akute Symptome im Endstadium der Erkrankung
Als akute Krankheitssymptome im Endstadium der Erkrankung können zeitlich
nebeneinander das Aufplatzen und Ablösen von Rindenpartien (s. Bild 5), die Bildung von
Fruchtkörpern (s. Bild 6) und/oder der Befall von holzbrütenden Insekten (s. Bild 7)
beobachtet werden. Eine zeitliche Reihung dieser Symptome ist nicht feststellbar. Sie sind
jeweils sicheres Zeichen für eine weiterreichende Zerstörung des Holzkörpers durch
holzzerstörende Pilze. Auffälligerweise ist die Belaubung der erkrankten Stämme
mehrheitlich unauffällig und kein sicheres Erkennungsmerkmal für eine Erkrankung.
Bild 5: Abplatzen der Rinde.
Bild 6: Fruchtkörper des Zundeschwamms Fomes
fomentarius an einer vollbelaubten Buche.
Die akuten Symptome im Endstadium des Buchenrindensterbens werden in beiden Ländern
vornehmlich an den Nordexponierten Seiten der erkrankten Stämme beobachtet. Dies gilt
insbesondere für das Aufreißen der Rinde und den Befall durch holzbrütende Insekten. Bei
der Bonitur des Schadensausmaßes sollte daher besonders diese Stammseite betrachtet
werden.
Die Schäden treten vor allem in der Stammmitte in einer Höhe ab 3 m bis zum Kronenansatz
auf.
In Rheinland-Pfalz wurde vor dem Auftreten der akuten Symptome ein Absterben von
Klebästen bzw. von Ästen im unteren Kronenbereich beobachtet, allerdings erwies sich auch
dieser Umstand nicht als sicheres Erkennungsmerkmal.
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Bild 7: Befall von Hylecoetus dermestoides und
Trypodendron domesticum an erkrankter
Rotbuche nach Ablösen der Rinde.
Bild 8: Ausdehnung der holzzerstörenden Pilze in einem erkrankten
Stamm
Eine Veränderung des Moosbesatzes an stark bemoosten Buchen wurde in Luxemburg häufig
vor dem Auftreten der akuten Symptome beobachtet. Danach kommt es zu einem flächigen
Absterben des Mooses. Dieses trocknet regelrecht aus, wird gelb und fällt schließlich fransigausreißend vom Stamm (s. Bilder 9 & 10). Daneben finden sich auch Stämme an denen das
Moos abgestorben ist und wie mit einer Flüssigkeit verklebt ist (s. Bild 11). Bei trockener
Witterung bilden sich regelrechte krustig verklebte Moospartien, die wie Zuckerguss
gebrochen werden können (s. Bild 12). Ein entsprechendes Phänomen zeigt sich auch bei
lebenden Moospartien, die mit einem schwarzen Überzug überzogen sind, der in seiner
Konsistenz an Teer erinnert und ebenfalls nach Austrocknung brechbar ist (s. Bild 13).
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Bild 9 & 10: Abgestorbenes Moos fällt fransigausreißend von Stämmen, die noch keine akuten Krankheitssymptome zeigen.
Inwieweit diese Veränderungen des Moosbesatzes in einem Zusammenhang mit dem
Buchenrindensterben stehen ist noch unbekannt. Möglicherweise handelt es sich bei dem
beobachteten Absterben des Mooses um einen natürlichen Prozess, der in keinem kausalen
Zusammenhang steht. Andererseits besteht die Möglichkeit, das sich das Moos nicht auf den
abgestorbenen Rindenpartien halten kann und abstirbt. In diesem Fall wären die
Veränderungen des Moosbesatzes ein Indikator für das bevorstehende Endstadium der
Erkrankung ohne das bereits die akuten Symptome sichtbar wären.
Der ebenfalls beobachtete Überzug über lebendem und abgestorbenen Moospartien könnte
eine Folge von starkem Schleimfluss sein, zu mindest deutet die klebrige Konsistenz der
Flüssigkeit und teilweise ihre dunkle Verfärbung in diese Richtung. Untersuchungen zur
Klärung des Sachverhalts stehen noch aus.
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Bild 11: Abgestorbenes und
verklebtes Moos.
Bild 12: Abgestorbenes, krustig
verklebtes Moos.
Bild 13: Moos mit einem schwarzen,
im trockenen Zustand
brechbaren Überzug.
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3. Schadtypenbeschreibung des Trypodendron domesticum–Befalls
Der Befall durch Trypodendron domesticum ist nur durch den Auswurf von weißem
Bohrmehl bei der Anlage der Brutsysteme und die kreisrunden ca. 2 mm weiten
Einbohrlöcher zu erkennen (s. Bild 14). Der Befall war sowohl 2001 als auch 2002
mehrheitlich auf die Nordexponierten Stammseiten beschränkt. Stammumfassender Befall
war nur an einzelnen sehr stark befallenen Bäumen zu beobachten und auch in diesen Fällen
waren die Nordseiten stärker befallen als die übrigen Stammexpositionen. In beiden Jahren
lag der Befallsschwerpunkt jeweils am Stammanlauf, allerdings ging der Befall 2001 auch
darüber hinaus und konnte an einzelnen Stämmen bis in den Kronenansatz (12 m Höhe)
hineinreichen An den 2002 neubefallenen Bäumen war der Befall dagegen auf die
Wurzelanläufe bis in eine Höhe von maximal einem Meter beschränkt.
Die Stämme sind ansonsten optisch symptomfrei. Kambiumschäden sind nicht zu erkennen.
Zur Einschätzung des Schadausmaßes müssen die Bestände im Mai/Juni bei trockenem
Wetter von Norden her kommend durchmustert werden.
Bild 14: Einbohrlöcher von Trypodendron domesticum
(rot umrandet).
An den befallenen Stämmen wurden pathologische Veränderungen (sog. Weichbastnekrosen;
bzw. Mikronekrosen) im Bereich des Weichbastes festgestellt (s. Bild 15). Bei diesen
Veränderungen handelt es sich um abgestorbene Rindenpartien mit einem Durchmesser von
weniger als 1 cm, die durch Innenperiderme vom intakten Rindengewebe abgegrenzt sind.
Diese Nekrosen sind auf der äußerlich gesund erscheinenden Rinde nicht erkennbar und
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können nur durch vorsichtiges abschälen der äußeren Rindenschichten gefunden werden. Im
Normalfall können sie daher nicht als Erkennungsmerkmal genutzt werden.
In ersten physiologische Untersuchungen konnten in befallenen Rindenpartien Alkohole
nachgewiesen werden, die als Attraktanz auf Trypodendron domesticum wirken könnten.
Mögliche Ursachen für die Bildung der Weichbastnekrosen bzw. die Entstehung von
Alkoholen sind bislang unbekannt. Ein Zusammenhang mit vorangegangenem
Buchenwollschildlausbefall wird allerdings vermutet.
Stämme an denen neben dem Befall durch Trypodendron domesticum auch der Befall durch
andere holzbrütende Insekten, insbesondere Hylecoetus dermestoides, beobachtet wird oder
an denen gleichzeitig (noch im selben Jahr) Pilzbefall festgestellt wird, zählen nicht zu
diesem Schadtyp und müssen dem Schadtyp des Buchenrindensterbens zu geordnet werden.
Bild 15: Weichbastnekrosen auf der
Innenseite eines
Rindenstücks.
Literatur:
BRAUN, H.J. (1976a): Neueste Erkenntnisse über das Rindensterben der Buchen: Grundursache und
der Krankheitsablauf, verursacht durch die Buchenwollschildlaus Cryptococcus fagi BÄR.
Allg. Forst- u. J.- Ztg. 147: 121 – 130.
BRAUN, H.J. (1976b): Das Rindensterben der Buche, Fagus sylvatica L., verursacht durch die
Buchenwollschildlaus Cryptococcus fagi BÄR., I. Die Anatomie der Buche als Basis-Ursache.
Eur. J. For. Path. 6: 136 – 146.
BRAUN, H.J. (1977): Das Rindensterben der Buche, Fagus sylvatica L., verursacht durch die
Buchenwollschildlaus Cryptococcus fagi BÄR., II. Ablauf der Krankheit. Eur. J. For. Path. 7:
76 – 93.
HARTIG, R. (1878): Die krebsartigen Krankheiten der Rothbuche. Z. Forst- u. Jagdwesen 9: 377 –
383.
PETERCORD, R. (1999): Entwicklung bewirtschafteter Buchen-Edellaubholz-Mischbestände
unter dem Einfluß der Buchenwollschildlaus (Cryptococcus fagisuga Lind.) unter
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besonderer Berücksichtigung physiologischer und genetischer Aspekte. Dissertation,
Hainholz Verlag, Göttingen u. Braunschweig: 277 S.
SCHWERDTFEGER, F. (1944): Die Waldkrankheiten: Ein Lehrbuch der Forstpathologie und des
Forstschutzes. Paul Parey, Berlin: 479 S.
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