Regionaler Gesundheitssurvey für Trier und Trier-Saarburg 4. Risikofaktoren für Herz-Kreislauferkrankungen und Krebs Rüdiger Jacob, Harald Michels Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems und Krebs stellen bundesweit wie auch in der Region die häufigsten Todesursachen dar, wobei in der Stadt Trier insbesondere die Lungenkrebsmortalität besorgniserregend hoch ist.1 Dabei spielen für die Ätiologie dieser auch unter dem Sammelbegriff der chronisch-degenerativen Krankheiten zusammengefassten Erkrankungen individuelle Verhaltensweisen eine wesentliche Rolle.2 Zu nennen sind insbesondere Rauchen, Bewegungsmangel, Hypertonie und Übergewicht. Man sollte hier aber beachten, dass es sich nicht um deterministische, sondern um stochastische Beziehungen handelt. Wer raucht, entwickelt mit größerer Wahrscheinlichkeit einen Lungenkrebs als ein Nichtraucher, aber nicht jeder Raucher erkrankt tatsächlich an einem Bronchialkarzinom. Dementsprechend werden potentiell schädigende Einflussfaktoren als Risikofaktoren bezeichnet. Das Vorliegen eines solchen Faktors erhöht das Erkrankungs- und Sterberisiko, ist aber keine zwingende Ursache für das Auftreten einer Krankheit. Eine zweite Vorbemerkung ist notwendig: Übergewicht kann – als Resultat übermäßiger und falscher Ernährung und Bewegungsmangel – auf ein im Prinzip änderbares Verhalten zurückgeführt werden. Allerdings können hier auch genetische Dispositionen wirksam sein, deren Effekte nur mittelbar durch individuelles Handeln modifiziert werden können, etwa durch entsprechende Diäten und eine geeignete Medikamentation. Erst recht gilt dies für Hypertonie. Bei über 90% der Hypertoniker ist die genaue Ursache der Hypertonie nicht bekannt, Verhaltensprävention kann hier nur bedeuten, den Blutdruck regelmäßig zu kontrollieren, gegebenenfalls blutdrucksenkende Mittel einzunehmen oder regelmäßig Sport zu treiben. Insofern scheint es angebracht zu sein, allgemeiner von individuellen Risikofaktoren - weil sie auf der Ebene betroffener Individuen angesiedelt sind – zu sprechen und den Begriff der verhaltensbedingten Risikofaktoren zu vermeiden. 1 siehe dazu den 1. Gesundheitsbericht für die Stadt Trier und den Landkreis Trier-Saarburg. 2 Die Diskussion über verhaltens- und verhältnisbedingte Kausalfaktoren, die unter anderem zu entsprechenden verhaltens- und verhältnispräventiven Maßnahmen geführt hat, soll hier nicht wiederholt werden. Unbestritten lassen sich eine Vielzahl von pathologischen Einflussfaktoren der natürlichen und sozialen Umwelt benennen, die zu Krebs oder einem Herzinfarkt führen können. Solche Faktoren sind aber durch Befragung kaum zu erfassen, deshalb beschränken wir uns hier auf individuelle Risikofaktoren. 47 Regionaler Gesundheitssurvey für Trier und Trier-Saarburg Risikofaktoren für Herz-Kreislauferkrankungen Risikofaktoren für Herz-Kreislauferkrankungen, die in dem Survey erfasst wurden sind: Bluthochdruck3 Übergewicht und Adipositas (BMI über 25) Rauchen Passivrauchen Stress Durchblutungsstörungen Bewegungsmangel Folgen eines Herzinfarktes oder Schlaganfalls Diabetes Auf die meisten dieser Risikofaktoren (wie auch auf spezifische Messprobleme) wurde bereits im Kapitel „Morbidität“ eingegangen. Erläuterungsbedürftig sind folgende Risikofaktoren: Passivrauchen Alle Personen, die entweder zu Hause oder am Arbeitsplatz Rauch ausgesetzt sind (Fragen 59.A und 59.B), wurden als Passivraucher eingestuft, da man davon ausgehen kann, dass diese Personen über einen längeren Zeitraum exponiert sind.4 Stress Hier wurden nur Personen berücksichtigt, die bei Frage 28 angegeben haben, häufig unter Stress zu stehen. Durchblutungsstörungen Hier wurden alle Personen erfasst, die unter Durchblutungsstörungen des Herzens, Angina Pectoris und/oder arteriellen Durchblutungsstörungen der Beine leiden (Fragen 21.D und 21.G). 3 Wie schon einleitend erwähnt, stellt Bluthochdruck eine Krankheit des Herz-Kreislaufsystems dar. Da diese Erkrankung aber das Auftreten eines Herzinfarktes oder Schlaganfalles begünstigt, fassen wir Hypertonie in diesem Kapitel auch unter den Oberbegriff der Risikofaktoren. 4 Wenn man hier auch noch Personen berücksichtigt, die „an anderen Orten“ (d. h. im Regelfall wohl in Kneipen) Zigarettenrauch ausgesetzt sind, erhöht sich der Anteil der Passivraucher auf 76,5%. Wir haben diese Kategorie bei der weiteren Auswertung allerdings nicht berücksichtigt, weil die Dauer solcher Expositionen sehr unterschiedlich ist und grundsätzlich auch eher vermieden werden kann als Passivrauchen zu Hause oder am Arbeitsplatz. 48 Regionaler Gesundheitssurvey für Trier und Trier-Saarburg Bewegungsmangel Bewegungsmangel wurde allen Personen attestiert, die keinen Sport treiben (Frage 64) und im Beruf viel sitzen mussten (Frage 83). Diese Risikofaktoren weisen folgende Verteilungen auf (vgl. Abb. 4.1). Abb. 4.1: Risikofaktoren für Herz-Kreislauferkrankungen 57,6 38,7 38,1 30,6 20,7 17,4 14,2 5,3 5,1 Pa s siv ra Üb uch e er ge n wi ch t St re s Du Ra s u rc hb che n lu tu ng H Be yp sst. w e Fo egu rton n lg i en gsm e He a rz nge ./S l ch la Di g. ab ete s 70 60 50 40 30 20 10 0 N= 502 Fasst man diese Variablen in einem Summenindex zusammen, der darüber informiert, wie vielen Risikofaktoren man gleichzeitig ausgesetzt ist, ergibt sich folgende Verteilung (vgl. Abb. 4.2). Nur 10,4% der Befragten weisen keinen Risikofaktor für Herz-Kreislauferkrankungen auf. Fast die Hälfte, nämlich 43,1% sind mit drei oder mehr Risikofaktoren konfrontiert. Bedenklich ist auch, dass insgesamt 6,9% mit 5 bis 7 Risikofaktoren für einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall leben und damit eine ähnlich große Gruppe darstellen, wie die bei dieser Betrachtung gänzlich „risikofreien“ Personen. Natürlich haben die von uns erhobenen Risikofaktoren eine sehr unterschiedliche Bedeutung für die Krankheitsentstehung, massiver Bluthochdruck oder die Folgen eines Herzinfarktes sind natürlich sehr viel bedenklicher als nach eigener Einschätzung häufiger Stress. Von Interesse sind daher nicht nur simple Summenindizes, sondern in noch höherem Maß Risikoprofile. 49 Regionaler Gesundheitssurvey für Trier und Trier-Saarburg Abb. 4.2: Risikofaktoren für Herz-Kreislauferkrankungen, Summenindex 35 31,4 30 24,6 25 20 18,1 15 11,6 10,4 10 5,3 5 1,4 0,2 0 0 1 2 3 4 5 6 7 N=491 Für diese Risikoprofile haben wir die Variablen Übergewicht, Rauchen und Hypertonie verwendet, außerdem das neue Merkmal „Vorschädigung“ (Personen, die an Durchblutungsstörungen und/oder den Folgen eines Herzinfarktes oder Schlaganfalls leiden, dies sind 21,7%).5 Tab. 4.1: Risikoprofile für Herz-Kreislaufkrankheiten (geordnet nach Häufigkeiten) Rauchen X Übergewicht X X X Hypertonie X X X X X X X X X X Vorschädigung X X X X X X X X X N 64 56 49 43 25 24 13 10 2 % 12,6 11,0 9,7 8,5 4,9 4,7 2,6 2,0 0,4 Die Übersicht zeigt, dass eine Reihe von durchaus bedenklichen Risikoprofilen vergleichsweise häufig vorkommen. 15,4% der Befragten haben Übergewicht und leiden außerdem an Durchblutungsstörungen, (mindestens) 11% sind Hypertoniker und übergewichtig, rund 10% 5 Das Merkmal „Diabetes“ wurde aufgrund zu geringer Fallzahlen nicht verwendet. 50 Regionaler Gesundheitssurvey für Trier und Trier-Saarburg rauchen und haben Übergewicht und immer noch 5% sind übergewichtig, haben eine Hypertonie und leiden an Durchblutungsstörungen. In Anbetracht der leider zu niedrigen Fallzahlen des Surveys konnten nur die ersten beiden Risikoprofile detaillierter analysiert werden. Erwartungsgemäß ist deren Prävalenz altersabhängig und nimmt mit steigendem Alter zu. Dagegen spielen das Geschlecht und die regionale Herkunft keine Rolle. Allerdings lässt sich für beide Risikoprofile ein Schichtungseffekt nachweisen. 17,6% der Personen, die als höchsten Schulabschluss den Hauptschulabschluss haben, sind übergewichtig und leiden an Durchblutungsstörungen, 20,2% haben Übergewicht und Hypertonie. Tab. 4.2: Übergewicht und Durchblutungsstörungen nach formalem Schulabschluss (Angaben in Prozent) Übergewicht und Durchblutungsstör. ja nein Kein Abschluss oder Mittlere Reife Hauptschulabschluss 17,6 2,3 82,4 97,7 N = 490, Sig. = .000, Cramer´s V = - .262 Fachhochschulreife oder Abitur 2,9 97,1 Tab. 4.3: Übergewicht und Hypertonie nach formalem Schulabschluss (Angaben in Prozent) Übergewicht Hypertonie. ja nein und Kein Abschluss oder Mittlere Reife Hauptschulabschluss 20,2 5,5 79,8 94,5 N = 490, Sig. = .000, Cramer´s V = .232 Fachhochschulreife oder Abitur 5,2 94,8 Auf das Rauchverhalten wird weiter unten im Zusammenhang mit dem damit verbundenen Lungenkrebsrisiko noch näher eingegangen, an dieser Stelle soll aber ausdrücklich betont werden, dass Rauchen auch das Herzinfarktrisiko deutlich erhöht, weil die schädlichen Inhaltsstoffe des Zigarettenrauches die Funktion eines Enzyms der Gefäßinnenhaut, die sog. NO-Synthase, verändert. Im Normalzustand bildet dieses Enzym Stickstoffmonoxid (NO). Stickstoffmonoxid sorgt in den Gefäßen für eine bessere Durchblutung, verhindert das Verklumpen von Blutplättchen und schützt Gefäßwände vor Entzündungen.6 Unter dem Einfluss von Zigarettenrauch stellt die NO-Synthase die Produktion von NO um auf die Produktion freier Radikale. Der Prozess der Gefäßverkalkung wird hier zum einen also dadurch gefördert, 6 Diese schädigende Wirkung von Zigarettenrauch wurde von einem Kardiologen-Team der Hamburger Universitätsklinik nachgewiesen, vgl. dazu Spiegel Online 8/2000 (Wissenschaft). 51 Regionaler Gesundheitssurvey für Trier und Trier-Saarburg dass das für die Gefäßerweiterung nötige Stickstoffmonoxid ausfällt, zum anderen greifen freie Radikale die Gefäßwände an. Selbst entsprechende Vorschädigungen von Organen des Herz-Kreislaufsystems haben leider nicht in jedem Fall zur Konsequenz, das Rauchen aufzugeben: 23% der Personen, die an den Folgen eines Herzinfarktes oder Schlaganfalls, Angina Pectoris oder arteriellen Durchblutungsstörungen der Beine leiden, rauchen.7 Die Daten zeigen sehr deutlich, wie die Prävalenz dieser Krankheiten und Schädigungen mit steigender Exposition zunimmt, wobei als Expositionsmaß sog. Packungsjahre verwendet wurden. Packungsjahre errechnen sich aus der Menge der durchschnittlich täglich gerauchten Zigaretten und der Rauchdauer in Jahren. Ein Packungsjahr bedeutet, dass eine Person ein Jahr lang täglich eine Packung Zigaretten (= 20 Zigaretten) geraucht hat. Wurden stattdessen täglich 40 Zigaretten geraucht, hat diese Person bereits zwei Packungsjahre hinter sich. Vom Umweltbundesamt wurde 1988 in Deutschland erstmals eine Untersuchung durchgeführt, in der das Konzept der Packungsjahre als Grundlage für die Berechnung des Lungenkrebsrisikos bei Rauchern im Vergleich zu Nichtrauchern diente. Dabei wurde eine Klassifizierung in schwache (weniger als 20 Packungsjahre), mittlere (20-40 Packungsjahre) und starke (mehr als 40 Packungsjahre) Raucher vorgenommen.8 Schwache Raucher in der Stichprobe leiden zu 8,9% an Krankheiten und Schädigungen des Herz-Kreislaufsystems, starke Raucher zu 28,3%. Tab. 4.4: Schädigungen des Herz-Kreislaufsystems nach Packungsjahren (Angaben in Prozent) Schädigungen des Herz-Kreislaufsystems nein ja bis zu 20 Packungs- 21 bis 40 Pakjahre kungsjahre 91,1 89,6 8,9 10,4 N = 150, Sig. = .013, Cramer´s V = .240 41 Packungsjahre oder mehr 71,7 28,3 Aus dem gleichen Grund erhöht auch das Passivrauchen das Arteriosklerose-Risiko und damit das Risiko ischämischer Krankheiten wie Herz- oder Hirninfarkt.9 Eine groß angelegte pro7 Die Region unterscheidet sich damit nicht von dem europaweiten Trend. Viele KHK-Patienten rauchen weiterhin und behalten ihr Übergewicht bei, vgl. dazu die Ärzte-Zeitung vom 31.8. 2000. 8 vgl. Umweltbundesamt (Hrsg.) 1988. Wir werden im folgenden noch näher auf Packungsjahre eingehen. 9 vgl. Hense 1997. Außerdem gibt es Belege dafür, dass Passivrauchen das Auftreten von Atemwegerkrankungen bei Kindern begünstigt, vgl. dazu Jöckel 2000. 52 Regionaler Gesundheitssurvey für Trier und Trier-Saarburg spektive Kohortenstudie (in einem Zeitraum von 10 Jahren wurden 32.000 Frauen untersucht) hatte u. a. zum Ergebnis, dass das Herzinfarkt-Risiko bei Passivraucherinnen insgesamt mehr als doppelt so hoch ist wie bei nicht exponierten Personen. Abhängig von der Exposition schwankt dieses Risiko natürlich. Frauen, die selbst nicht rauchen, aber (zu Hause oder am Arbeitsplatz) regelmäßig Zigarettenqualm ausgesetzt waren, hatten eine bis zu 91% höhere Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarktes, bei „Gelegenheitspassivraucherinnen“ lag das relative Risiko immer noch um 58% höher.10 In der Trierer Befragung sind, wie oben schon angemerkt, insgesamt 57,6% Passivraucher, wobei hier nur Personen berücksichtigt wurden, die zu Hause und/oder am Arbeitsplatz mit Zigarettenqualm konfrontiert sind. Mit 72,9% sind Befragte zwischen 18 und 30 Jahren mit Abstand am häufigsten Passivraucher (davon sind wiederum 52,9% ausschließlich Passivraucher, 47,1% rauchen außerdem). Dies ist deshalb bedenklich, weil man inzwischen nachgewiesen hat, dass die Funktion der Schlagadern bereits bei jungen Passivrauchern gestört ist.11 10 vgl. Kawachi u. a. 1997. 11 vgl. dazu Celermajer u.a. 1996. 53 Regionaler Gesundheitssurvey für Trier und Trier-Saarburg Abb. 4.3: Passivrauchen nach Altersklassen (Angaben in Prozent) 80 72,9 70 64,8 68 60 52,4 50 40 29,7 30 20 10 0 18-u.30 30-u.40 40-u.50 50-u.60 60 + N=502, Sig. = .000, Cramer´s V = .329 Risikofaktoren für Krebs Erhoben wurden die Risikofaktoren „Rauchen“ für Krebserkrankungen der Atemwegorgane, Alkoholkonsum für bestimmte Krebserkrankungen der Verdauungsorgane i. w. S., z. B. des Kehlkopfes, der Speiseröhre, des Magens oder der Leber und die Prävalenz von Krebserkrankungen in der Familie als Indikator für eine genetisch bedingte Disposition. Detailliert ausgewertet wurden insbesondere die Daten zum Thema „Rauchen“, da die Lungenkrebsmortalität der Stadt Trier seit Jahren sowohl über dem Landes- als auch über dem Bundesdurchschnitt liegt. Rauchen und Lungenkrebs Während beispielsweise die altersstandardisierte Mortalitätsrate für Lungenkrebs bei Männern in Rheinland-Pfalz für die Jahre 1986 bis 1990 bei 52,86 lag und für Frauen im gleichen Zeitraum bei 7,26, betrugen die entsprechenden Werte in Trier 61,55 für Männer und 11,85 für Frauen. Für das Bundesgebiet insgesamt wurde für Männer eine Mortalitätsrate von 48,54 und für Frauen von 7,39 ermittelt.12 12 vgl. Becker und Wahrendorf 1998, S. 318 ff. Bei solchen Raten werden Todesfälle immer auf 100.000 Personen bezogen. 54 Regionaler Gesundheitssurvey für Trier und Trier-Saarburg Aus diesem Grund wurden im Rahmen des 1. Gesundheitsberichtes für die Stadt Trier und den Landkreis Trier-Saarburg die Todesfälle für den Zeitraum von 1991 bis 1997 genauer untersucht, um spezifische, lokal wirksame Gründe für die erhöhte Lungenkrebsmortalität zu analysieren. Diese Analyse hat ergeben, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit Rauchen als Hauptursache anzusehen ist.13 Bei der telefonischen Befragung gaben 30,6% der Befragten an, gegenwärtig zu rauchen. Tab. 4.5: Rauchen Rauchen? Nie-Raucher Ehemalige Raucher Raucher Summe Gesamt Absolut 230 121 155 506 % 45,5 23,9 30,6 100 Stadt und Kreis unterscheiden sich bei den Raucheranteilen nicht signifikant. Tab. 4.6: Rauchen nach Region (Angaben in Prozent) Rauchen? Nie-Raucher Ehemalige Raucher Raucher Trier 47,7 24,5 27,7 N = 506, Sig. = .340 Trier-Saarburg 43,1 23,3 33,6 Der Anteil der aktiven Raucher liegt in Trier mit 27,7% deutlich unter dem Wert von 1992 (39%).14 Folgende Gründe für diese Diskrepanz sind denkbar: 1992 wurde schwerpunktmäßig in ausgewählten Stadtteilen (Gartenfeld, Barbara, Matthias und Trier-West) befragt, wobei der Raucher-Anteil in Trier-West mit rund 50% sehr hoch war. Bei größerer Streuung der Werte und einer heterogeneren Population fallen solche Ausreißer natürlich weniger stark ins Gewicht. Möglich ist aber auch, dass präventive Bemühungen Früchte getragen haben und sich in den letzten Jahren viele Personen das Rauchen abgewöhnt haben. Dafür spricht der vergleichsweise hohe Anteil von ehemaligen Rauchern in der Stichprobe. Dafür spricht auch, dass insbesondere viele Männer (34,7%) ehemalige Raucher sind. 13 vgl. dazu den 1. Gesundheitsbericht für die Stadt Trier und den Landkreis Trier-Saarburg, S. 121 ff. 14 vgl. dazu den 1. Gesundheitsbericht für die Stadt Trier und den Landkreis Trier-Saarburg, S. 144 ff. 55 Regionaler Gesundheitssurvey für Trier und Trier-Saarburg Ansonsten müssen wir allerdings leider feststellen, dass anders als bei allen bundesweiten Untersuchungen die Raucheranteile nicht wie erwartet geschlechtsspezifisch differieren. Ganz im Gegenteil ist in unserem Sample der Raucheranteil bei den Frauen sogar höher als bei den Männern. Tab. 4.7: Rauchen nach Geschlecht (Angaben in Prozent) Rauchen? Frauen Männer Nie-Raucher 52,0 35,6 Ehemalige Raucher 16,8 34,7 Raucher 31,3 29,7 N = 506, Sig. = .000, Cramer´s V = .215 Die Daten fügen sich aber insofern wieder in den Landes- und Bundestrend, als der Raucheranteil bei den Frauen in den letzten Jahren gestiegen ist, während er bei den Männern abgenommen hat.15 Der Bildungsabschluss hat keinen signifikanten Einfluss darauf, ob jemand raucht oder nicht, wohl aber – wir werden dies weiter unten noch genauer darstellen – auf die Menge der konsumierten Zigaretten. Dabei sind zwei Indikatoren für die tatsächliche Schadstoffexposition gebräuchlich, nämlich die Dauer des Rauchens und das oben schon dargestellte Risikomeßkonzept der Packungsjahre. In der ebenfalls schon erwähnten Studie des Umweltbundesamtes kommen die Autoren u. a. zu dem Ergebnis, dass das Lungenkrebsrisiko für Raucher gegenüber Nichtrauchern um den Faktor 10 erhöht ist und mit zunehmenden Packungsjahren steigt. Bei unter 20 Pakkungsjahren ist das Risiko um den Faktor 18 erhöht, bei 20 bis 40 Packungsjahren um den Faktor 22 und bei mehr als 40 Packungsjahren um den Faktor 28. Wir haben die Zielpersonen danach gefragt, wie viele Zigaretten sie ungefähr an einem gewöhnlichen Tag rauchen, der Mittelwert liegt hier bei 15,6 Zigaretten pro Tag. 16 Umgerechnet in Packungen (20 Zigaretten = eine Packung) ergibt sich folgende Verteilung: 15 vgl. dazu Thefeld 2000. 16 Methodisch ist hier anzumerken, dass die retrospektive Ermittlung des täglichen Zigarettenkonsums gewissen Unschärfen unterliegt. Viele Befragte dürften diese Menge schätzen, wofür die Häufungen der Nennungen bei den Mengen „5“, „10“, „15“, „20“ und „25“ sprechen. Zu vermuten ist außerdem, dass diese Schätzungen eher unter der Menge der tatsächlich gerauchten Zigaretten liegen. Der diesem Verhalten 56 Regionaler Gesundheitssurvey für Trier und Trier-Saarburg Tab. 4.8: Packungen pro Tag Packungen Gesamt Absolut 96 25 24 7 152 weniger als eine eine zwei mehr als zwei Gesamt % 63,2 16,4 15,8 4,6 100 Das Durchschnittsalter, in dem mit dem Rauchen angefangen wurde, beträgt 17,6 Jahre, die durchschnittliche Rauchdauer 27,2 Jahre. Die Kombination von Rauchdauer und der Zahl der täglich gerauchten Zigaretten ergibt dann Packungsjahre. Hier haben wir folgende Verteilung festgestellt: Tab. 4.9: Packungsjahre Packungsjahre Gesamt Absolut 27 29 32 16 7 12 27 150 bis 10 11 bis 20 21 bis 30 31 bis 40 41 bis 50 51 bis 60 61 oder mehr Gesamt % 18,0 19,3 21,3 10,7 4,7 8,0 18,0 100 Der Mittelwert beträgt 37,8 Packungsjahre und liegt damit immer noch deutlich über dem vom Umweltbundesamt ermittelten Wert von 30 Packungsjahren. Verwendet man die vom Umweltbundesamt vorgeschlagene Drei-Klassen-Variante, ergibt sich folgende Tabelle: Tab. 4.10: Packungsjahre (Einteilung des Umweltbundesamtes) Packungsjahre absolut % zugrundeliegende Mechanismus dient der kognitiven Dissonanzvermeidung, da den meisten Rauchern durchaus bewußt ist, dass Rauchen der Gesundheit nicht förderlich ist. Durch kognitive Reduktion der tatsächlich konsumierten Menge, letztlich also durch Selbsttäuschung, erscheint eine Auseinandersetzung mit dem Thema Gesundheit und Rauchen weniger dringlich, nach dem Motto: „Soviel rauche ich ja gar nicht.“ 57 Regionaler Gesundheitssurvey für Trier und Trier-Saarburg bis 20 21 bis 40 41 oder mehr Gesamt 56 48 46 150 37,3 32,0 30,7 100 Ein Drittel der Population zählt mithin zur Gruppe hoch exponierter Personen mit sehr deutlich erhöhtem Lungenkrebsrisiko. Geschlecht und Wohnort haben dabei übrigens keinen signifikanten Einfluss. Bei Männern wie bei Frauen, bei Personen aus Trier wie auch bei solchen aus dem Landkreis findet sich stets in etwa die Verteilung wie in Tabelle 4.10. In letzter Zeit war außerdem im Landkreis ein anstieg der Lungenkrebsfälle festzustellen. Dagegen wirkt sich aber der Bildungsstatus recht deutlich aus. Je höher der formale Bildungsabschluss ist, um so niedriger ist der Anteil starker Raucher. Tab. 4.11: Packungsjahre nach Bildungsstatus (Angaben in Prozent) Packungsjahre bis 20 21 bis 40 41 oder mehr Kein Abschluss oder Mittlere Reife o. Hauptschulabschluss ähnlicher Abschluss 22,0 34,6 32,0 30,4 46,0 34,8 N = 145, Sig. = .001, Gamma = -.444 Fachhochschulreife oder Abitur 57,1 30,6 12,2 Hier ist allerdings zu bedenken, dass in der untersuchten Population der Bildungsstatus altersabhängig variiert: In der Altersklasse der über 60-Jährigen haben 70,4% höchstens den Hauptschulabschluss, bei den Befragten unter 30 Jahren dagegen 66,3% Fachhochschulreife oder Abitur. Packungsjahre als Funktion von Menge und Rauchdauer sind natürlich auch altersabhängig. Wir haben deshalb außerdem untersucht, ob Personen mit niedriger Formalbildung signifikant mehr Zigaretten pro Tag rauchen als Personen mit höheren Abschlüssen. Die Ergebnisse eines entsprechenden Mittelwertvergleichs zeigen, dass dies so ist. Personen mit Hauptschulabschluss rauchen im Durchschnitt 17,6 Zigaretten am Tag, Befragte mit Fachhochschulreife oder Abitur nur 12,9. Tab. 4.12: Täglicher Zigarettenkonsum nach Bildungsstatus (Mittelwerte) Bildungsabschluss Täglicher Zigarettenkonsum: Mittelwert Kein Abschluss oder Hauptschulabschluss 17,6 Mittlere Reife oder ähnlicher Abschluss 16,4 Fachhochschulreife oder Abitur 12,9 N = 147, Sig. von F = .037 58 Regionaler Gesundheitssurvey für Trier und Trier-Saarburg Dieses Ergebnis entspricht damit den schon im 1. Gesundheitsbericht für Trier und TrierSaarburg diskutierten Befunden anderer Untersuchungen, wonach sich Personen aus Unterschichten einer überdurchschnittlichen Exposition mit Zigarettenrauch aussetzen. Dabei spielt im übrigen nicht nur die selbstverursachte Exposition durch Rauchen eine Rolle, sondern auch die durch Passivrauchen. Zigarettenrauch ausgesetzt sind: In der Familie 41,5%, am Arbeitsplatz 38,2%, an sonstigen Orten 61,5%. Summiert ergibt dies folgende Verteilung: Tab. 4.13: Anzahl der Orte, an denen man Zigarettenqualm ausgesetzt ist (Passivrauchen) Orte/Passivrauchen 0 1 2 3 Gesamt Absolut 118 159 124 101 502 % 23,3 31,7 31,7 20,1 100 Nur eine Minderheit von 23,3% bleibt gänzlich von Zigarettenrauch verschont, nahezu genauso viele (20,1%) sind diesem fast ständig, nämlich in der Familie, am Arbeitsplatz und in der Freizeit ausgesetzt. Sehr deutlich unterscheiden sich bei der Exposition durch Passivrauchen allerdings die Raucher von den ehemaligen Rauchern und den Nie-Rauchern. Die befragten Raucher sind zu annähernd 50% in nahezu allen Situationen des täglichen Lebens Zigarettenrauch ausgesetzt (d. h. zu Hause, am Arbeitsplatz und an sonstigen Orten), wodurch sich ihr Lungenkrebsrisiko nochmals deutlich erhöht. Dies hängt damit zusammen, dass im sog. Nebenstrom – dem Rauch, der von glimmenden Zigaretten emittiert wird – die Konzentration von kanzerogenen Stoffen höher ist, als in dem Rauch, den Raucher durch die Zigarette inhalieren (Nitrosamine sind um den Faktor 100, Amino-Biphenyle um den Faktor 30 erhöht). Tab. 4.14: Passivrauchen und Rauchen (Angaben in Prozent) Orte/Passivrauchen 0 1 2 3 Raucher Ehemalige Raucher und Nie-Raucher 1,3 33,4 12,9 40,1 37,4 19,0 48,4 7,5 N = 502, Sig. = .000, Cramer´s V = .592 59 Regionaler Gesundheitssurvey für Trier und Trier-Saarburg Dabei wird das persönliche Krebsrisiko von vielen Rauchern im Sinn kognitiver Dissonanzvermeidung und eines unrealistischen Optimismus mehrheitlich als mäßig oder sogar gering eingestuft. Lediglich 25% betrachten ihr Krebsrisiko als hoch. Diese zu optimistische Sichtweise wird auch nicht durch die Größe der Exposition modifiziert: Nur rund 20% der starken Raucher schätzen ihr Krebsrisiko als hoch ein und unterscheiden sich darin nicht von Personen, die vergleichsweise wenig rauchen. Auffällig ist außerdem der sehr kleine Prozentsatz ehemaliger Raucher, die ihr persönliches Krebsrisiko als hoch einstufen, während umgekehrt nahezu die Hälfte früherer Raucher glaubt, nur ein geringes Krebsrisiko zu haben. Dies deutet darauf hin, dass die Motivation zur Aufgabe des Rauchens primär auf gesundheitlichen Überlegungen und insbesondere auf Krebsängste zurückzuführen ist und man sich nun gewissermaßen als Gratifikation für den ja nicht ganz leichten Entzug eine höhere Krebsresistenz erhofft.17 Tab. 4.15: Einschätzung des persönlichen Krebsrisikos nach Rauchstatus (Angaben in Prozent) Persönliches Krebs- Raucher Ehemalige Raucher risiko: hoch 25,0 6,1 mässig 44,7 48,7 gering 30,3 45,2 N = 448, Sig. = .001, Cramer´s V = .138 Nie-Raucher 15,8 47,1 37,1 17 Das Lungenkrebsrisiko ehemaliger Raucher ist nach ca. 10 Jahren ungefähr wieder auf dem Niveau von NieRauchern (vgl. Becker und Wahrendorf 198, S. 308). 60 Regionaler Gesundheitssurvey für Trier und Trier-Saarburg Tab. 4.16: Einschätzung des persönlichen Krebsrisikos nach Packungsjahren (Angaben in Prozent) Persönliches Krebs- Bis zu 20 Packungs- 21 bis 40 Packungs- 41 Packungsjahre risiko: jahre jahre oder mehr hoch 21,8 31,3 22,2 mässig 45,5 39,6 46,7 gering 32,7 29,2 31,1 N = 148, Sig. = .822 Die Neigung starker Raucher, ihr deutlich erhöhtes Krebsrisiko zu verdrängen, zeigt sich auch in der im Vergleich anteilig niedrigsten regelmäßigen Teilnahme an Krebsfrüherkennungsuntersuchungen. Das Ergebnis ist zwar aufgrund der niedrigen Fallzahlen nicht signifikant, weist aber auf eine mögliche (und bedenkliche) Tendenz hin, die genauer beobachtet werden sollte. Tab. 4.17: Teilnahme an Krebsfrüherkennungsuntersuchungen nach Packungsjahren (Angaben in Prozent) Teilnahme an Krebsfrüherkennung regelmässig unregelmässig gar nicht bis zu 20 Pak21 bis 40 Packungs- 41 Packungsjahre kungsjahre jahre oder mehr 74,3 70,3 50,0 14,3 18,9 30,6 11,4 10,8 19,4 N = 108, Sig. = .245 Nur anspruchsberechtigte Befragte (Frauen über 20 Jahre, Männer über 45 Jahre) Wie wir vermutet hatten, kaufen die weitaus meisten der befragten Raucher, nämlich 75% Zigaretten hauptsächlich in Luxemburg, nur 25% in Deutschland. Dabei gibt es keinen signifikanten Unterschied zwischen Personen aus Trier und Trier-Saarburg. Der Anreiz höherer Zigarettenpreise gilt in beiden Teilen des Untersuchungsgebietes in gleicher Weise und produziert ähnliche Nachfragestrukturen. Sehr deutlich ist das Kaufverhalten – ganz im Sinn der sog. Preiselastizität der Nachfrage - aber von der konsumierten Zigarettenmenge abhängig: 91,3% der starken Raucher kaufen ihre Zigaretten hauptsächlich in Luxemburg ein. Tab. 4.18: Kauf von Zigaretten nach Packungsjahren (Angaben in Prozent) Zigarettenkauf hauptsächlich in: Deutschland Luxemburg bis zu 20 Packungs- 21 bis 40 Packungsjahre jahre 33,3 29,2 66,7 70,8 N = 148, Sig. = .010, Cramer´s V = . 248 61 41 Packungsjahre oder mehr 8,7 91,3 Regionaler Gesundheitssurvey für Trier und Trier-Saarburg Fazit: Alle bislang verfügbaren und ausgewerteten Daten deuten daraufhin, dass die primäre Ursache für die erhöhte Lungenkrebsprävalenz in Trier das Rauchen ist, wobei die vergleichsweise niedrigen Zigarettenpreise in Luxemburg der unmittelbare Auslöser für einen im Vergleich zu anderen Regionen höheren täglichen Konsum sind – und zwar in der Stadt Trier wie auch im Landkreis Trier-Saarburg. Vor diesem Hintergrund ist zu befürchten – und deutet sich bereits auch an – dass die Lungenkrebsmortalität im Kreis in absehbarer Zeit das Niveau der Stadt Trier erreichen wird. 1998 sind in der Stadt 50,1 Personen je 100.000 Einwohner an Bronchial- oder Luftröhrenkarzinomen gestorben, im Kreis waren es 48,7, wobei die Sterberaten bei den Frauen dafür ursächlich sind, dass der Kreis (noch?) etwas besser dasteht: In der Stadt Trier sind 32,3 Frauen je 100.000 Einwohner an Lungenkrebs gestorben, im Kreis 20,4. Bei den Männern ist die Lungenkrebsmortalitätsrate im Kreis dagegen höher und liegt bei 77,9, während sie in Trier 70,2 beträgt. Natürlich lässt sich aufgrund der vergleichsweise niedrigen Fallzahlen der in einem Jahr verstorbenen Personen aus solchen jahresweisen Gegenüberstellungen kein Trend ableiten, die Entwicklung gibt aber zusammen mit Daten aus dem Gesundheitssurvey Anlass zur Sorge.18 Dabei ist außerdem zu bedenken, dass Rauchen – wie im vorherigen Abschnitt schon diskutiert - nicht nur das Lungenkrebsrisiko signifikant erhöht, sondern – insbesondere in Kombination mit Vorerkrankungen wie Bluthochdruck und anderen Risikofaktoren wie Übergewicht und Passivrauchen – auch zu einer drastischen Erhöhung des Risikos von Herz-Kreislauferkrankungen führt. Zusammenfassend lässt sich damit feststellen, dass Rauchen in Trier ein sehr ernstzunehmendes Gesundheitsproblem darstellt. Dies bedeutet im übrigen nicht, dass die These eines krebsfördernden Effektes von Dieselruß und sonstigen Schadstoffen (z. B. am Arbeitsplatz) widerlegt wäre. Vielmehr gehen wir von einer multifaktoriellen Ätiologie aus, wobei die negativen Effekte des Rauchens und Belastungen aus dem Beruf und dem Wohnumfeld sich in ihrer schädigenden Wirkung wechselseitig verstärken. Alkohol Alkohol ist – wie oben bereits erwähnt– ein Risikofaktor für bestimmte Krebserkrankungen. Darüber gibt es eine Reihe weiterer alkoholbedingter Krankheiten, etwa die Leberzirrhose und alkoholbedingte Psychosen. Diese Krankheiten sind in Trier vergleichsweise häufig. 1996 starben in Trier 20,05 Personen je 100.000 Einwohner an Leberzirrhose, im Landkreis waren 18 1999 sind in der Stadt 63,1 Personen je 100.000 Einwohner an Lungenkrebs gestorben, im Kreis 31,1. Im Jahr 2000 waren es 53,1 Personen in der Stadt und 44,4 im Kreis. 62 Regionaler Gesundheitssurvey für Trier und Trier-Saarburg es dagegen nur 11,13 und bundesweit (1995) 10,6.19 Eine weitere Gefahr des Alkoholkonsums besteht in der verminderten Kontrolle im Straßenverkehr, was sich leider vergleichsweise häufig in Unfällen manifestiert. Auch hier musste in der Region, genauer im Landkreis, eine erhöhte Mortalitätsrate infolge von Unfällen festgestellt werden, leider ließ sich den vorliegenden Daten aber nicht entnehmen, ob diese Unfälle unter Alkoholeinfluss erfolgt sind. Insgesamt 82,8% der Befragten trinken (zumindest gelegentlich) Alkohol, 17,2% leben in dieser Hinsicht abstinent (Frage 54). Bundesweit haben 22% angegeben, keinen Alkohol zu trinken.20 Der Alkoholkonsum der Personen, die überhaupt Alkohol trinken, wurde in den Anschlussfragen (55 bis 58.a) differenziert nach Wein oder Sekt, Bier, Viez und Spirituosen erfasst. Wein oder Sekt sind die mit Abstand am häufigsten konsumierten alkoholischen Getränke, Viez wird von den wenigsten Befragten konsumiert. Tab. 4.19: Konsum alkoholischer Getränke (Angaben in Prozent) Wein oder Sekt Bier Spirituosen Viez N 87,4 68,7 39,1 37,9 419 Bei Wein oder Sekt, Bier und Viez sollte die pro Woche konsumierte Menge in Flaschen angegeben werden, bei Spirituosen in Gläsern.21 Die Angaben in Flaschen wurden für die Datenauswertung in Literzahlen umgerechnet.22 Bei Wein oder Sekt wurde mit 0,7 l je Flasche gerechnet, ein Weinkonsum von weniger als einer Flasche pro Woche mit 0,5 l festgelegt. Bei Bier wurde von 0,5 l je Flasche ausgegangen, ein niedrigerer Wochenkonsum wurde mit 0,3 l codiert. Viez wird üblicherweise in Literflaschen abgefüllt, Personen, die weniger als eine Flasche Viez pro Woche trinken, wurde hier analog zu Wein und Sekt ein halber Liter zugerechnet. Damit ergeben sich folgende Verteilungen 19 vgl. dazu Statistisches Bundesamt (Hrsg.) 1998, S. 96. 20 vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.) 1998, S. 94. 21 Methodisch gilt hier die gleiche Anmerkung wie beim Zigarettenkonsum. Es muss davon ausgegangen werden, dass der faktische Alkoholkonsum in der Region durch die Surveydaten eher unterschätzt wird. 22 Die prozentualen Häufigkeiten für die jeweiligen Nennungen finden sich in dem im Anhang dokumentierten Fragebogen. 63 Regionaler Gesundheitssurvey für Trier und Trier-Saarburg Tab. 4.20: Weinkonsum pro Woche in Liter (Angaben in Prozent) 0,5 0,7 1,4 2,1 2,8 3,5 4,2 4,9 N 67,9 18,4 7,1 3,6 2,2 0,3 0,3 0,3 365 Mittelwert: 0,74 Liter Tab. 4.21: Bierkonsum pro Woche in Liter (Angaben in Prozent) 0,3 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 5,5 bis 12 N 30,3 15,0 11,1 10,8 5,2 6,3 2,1 4,5 2,4 1,4 4,9 5,2 287 Mittelwert: 1,81 Liter Tab. 4.22: Viezkonsum pro Woche in Liter (Angaben in Prozent) 0,5 1,0 2,0 3,0 6,0 N 73,6 11,9 11,3 2,5 0,6 159 Mittelwert: 0,82 Liter Fasst man diese drei Datenreihen zusammen zur Gesamtliterzahl der wöchentlich konsumierten alkoholischen Getränke, dann ergibt sich folgende Verteilung: Tab. 4.23: Konsum alkoholischer Getränke (Wein/Sekt, Bier, Viez) pro Woche in Liter (Angaben in Prozent) Unter 1 30,8 1 bis unter 2 28,0 2 bis unter 3 15,9 3 bis unter 4 9,4 4 bis unter 7 11,8 7 bis 12 4,1 N = 415 Mittelwert: 2,22 Liter Differenziert nach Geschlecht, Alter, Bildung und regionaler Herkunft zeigen sich z. T. sehr deutliche Unterschiede. 64 Regionaler Gesundheitssurvey für Trier und Trier-Saarburg Wein wird – auf insgesamt hohem Niveau – anteilig häufiger von Frauen als von Männern getrunken, dagegen ist Bier nach wie vor das typische Männergetränk und auch bei Viez ist der Anteil der männlichen Konsumenten größer als der der weiblichen. Tab. 4.24: Konsum alkoholischer Getränke nach Geschlecht (Angaben in Prozent) Männer Frauen Wein/Sekt 81,2 92 Bier 85,6 55,9 Viez 42,0 34,9 Bei der je Woche konsumierten Menge liegen die Männer allerdings bei allen Getränken vor den Frauen, was sich auch in der Gesamtliterzahl dokumentiert. Entsprechende Mittelwertvergleiche waren – abgesehen von den Unterschieden bei Viez – stets signifikant. Tab. 4.25: Konsum alkoholischer Getränke pro Woche in Litern nach Geschlecht (Mittelwerte) Wein/Sekt Bier Viez Alkohol. Getränke Insgesamt Männer 0,87 2,56 0,93 3,29 Frauen 0,65 0,95 0,73 1,40 Sig. von F .000 .000 .095 .000 Dagegen hat das Alter der Befragten keinen signifikanten Einfluss auf die pro Woche konsumierte Menge an Wein und Bier. Lediglich bei Viez kann auf dem 95%-Niveau ein signifikanter Unterschied festgestellt werden: Während 18- bis 50-Jährige im Durchschnitt rund 0,75 Liter Viez pro Woche trinken, liegt der Konsum bei den über 60-Jährigen bei 1,1 Liter. Der Einfluss der Schichtzugehörigkeit (indiziert durch den formalen Bildungsabschluss) äußert sich in analoger Weise: Wein und Bier werden in allen Schichten in annähernd gleicher Menge getrunken, dagegen liegt der Konsum von Viez bei Personen mit Hauptschulabschluss bei durchschnittlich 1,07 Liter und damit 0,3 Liter über dem von Befragten mit mittlerer Reife oder Hochschulreife. Auffällig ist außerdem, dass Befragte aus Trier tendenziell mehr Alkohol trinken als Befragte aus dem Landkreis. Die Ergebnisse sind zwar nicht signifikant, die in den Unterschieden beim 65 Regionaler Gesundheitssurvey für Trier und Trier-Saarburg Bierkonsum und der Gesamtliterzahl erkennbare Tendenz deckt sich aber mit dem auch schon bei den differentiellen Mortalitätsraten infolge von Leberzirrhose diskutierten Trend.23 Tab. 4.26: Konsum alkoholischer Getränke pro Woche in Litern nach Wohnort (Mittelwerte) Wein/Sekt Bier Viez Alkohol. Getränke Insgesamt Trier 0,77 2,05 0,81 2,38 Trier-Saarburg 0,71 1,60 0,84 2,07 Sig. von F .359 .077 .829 .138. Bei der Frage nach dem generellen Konsum von Spirituosen unterscheiden sich wiederum Männer und Frauen signifikant: 50,8% der Männer trinken hin und wieder Spirituosen, aber nur 30,3% der Frauen. Alter und Schichtzugehörigkeit sind dagegen keine statistisch signifikanten Einflussfaktoren und auch der Wohnort hat keinen statistisch signifikanten Effekt. Wiederum zeigt sich aber die Tendenz des etwas höheren Alkoholkonsums in der Stadt: 40,9% der befragten Trierer trinken zumindest gelegentlich Spirituosen, im Landkreis sind es 37,5%. Auf eine detailliertere Auswertung des Konsums von Spirituosen wurde aufgrund vergleichsweiser niedriger Fallzahlen und unzureichender Varianz in den Daten verzichtet. Krebserkrankungen in der Familie Wie schon im Kapitel „Morbidität dargestellt, gaben 56,3% der Befragten an, dass in ihrer Familie jemand an Krebs erkrankt ist oder in der Vergangenheit erkrankt war (Frage 70). Auch wenn man dabei (in Anbetracht der Frage-Formulierung) bedenken muss, dass bei diesem Prozentsatz bereits verstorbene Personen mitgezählt wurden und (in Anbetracht der vergleichsweise kleinen Grundgesamtheit der Befragung und der vielfältigen verwandtschaftlichen Verflechtungen in der Region) einige an Krebs erkrankte Personen mehrfach erfasst wurden, zeigt das Ergebnis doch zumindest die Ubiquität dieser Krankheit. Deutlich mehr als die Hälfte der Befragten war bereits mit Krebs konfrontiert, wobei – um es noch mal zu betonen – nur nach Krebserkrankungen in der Familie und nicht im Freundes- oder Verwandtenkreis gefragt wurde. 23 Größere Fallzahlen würden hier möglicherweise ein genaueres Bild ermöglichen. 66 Regionaler Gesundheitssurvey für Trier und Trier-Saarburg Unabhängig von Alter, Bildungsstatus oder Wohnort geben dabei jeweils rund 55% der Befragten an, mit Krebserkrankungen in der Familie schon (mindestens) einmal konfrontiert worden zu sein. Interessanterweise hat dagegen das Geschlecht der Befragten einen signifikanten Einfluss auf die Beantwortung der Frage. Deutlich mehr Frauen, nämlich rund 61% haben die Frage bejaht, aber nur rund 50% der Männer. Tab. 4.27: Krebserkrankungen in der Familie nach Geschlecht (Angaben in Prozent) Krebserkrankungen in der Familie? Männer ja 49,5 nein 49,5 weiß nicht 1,0 N = 506, Sig. = .040, Cramer´s V = .040 Frauen 38,1 60,9 1,0 Dieses Ergebnis spiegelt natürlich nicht die faktische epidemiologische Situation, sondern wohl eher sozial bedingte Kommunikationsstrukturen wider. Das Auftreten einer Krebserkrankung in der Familie könnte – bei einem weitgehend statushomogenen Familienverband – durchaus schichtspezifisch variieren, ist aber in jedem Fall ätiologisch völlig unabhängig vom Geschlecht der Person, die über die Prävalenz von Krebs in einer bestimmten Gruppe Auskunft erteilt. Männer sind aber über dieses Thema anscheinend weniger gut informiert und in die entsprechende Kommunikation nicht integriert – Gespräche über Krankheiten und erst recht über schwere (und unter Umständen auch stigmatisierte oder tabuisierte) Erkrankungen sind vielfach offenbar nach wie vor Frauensache. 67