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VERHALTENSBIOLOGIE - : Ethologische Methoden
Die Frage nach dem Anteil von Erbe und Umwelt bei der Ausprägung von Verhaltensweisen ist einer der
zentralen Streitpunkte in vielen wissenschaftlichen Disziplinen (Ethologie, Soziologie, Psychologie). Für
Instinkthandlungen haben wir behauptet, es handle sich um angeborene Verhaltensweisen. Tatsächlich ist es aber
so, dass viele Instinkthandlungen mit Lernvorgängen verknüpft werden und sich so an verschiedene
Gegebenheiten anpassen lassen. Wie aber kann man nachweisen, welche Verhaltensanteile wirklich vererbt
wurden?
Andere Fragestellungen der Ethologie haben praktischere Bedeutung; so will man z.B. erfahren, welche
Ansprüche Tiere an ihren Lebensraum stellen, um eine möglichst artgerechte Haltung zu gewährleisten, oder um
gefährdete Arten in ihren verbliebenen Verbreitungsgebieten besser schützen zu können.
Schließlich lassen Tier-Mensch-Vergleiche auch Rückschlüsse auf unser Verhalten zu, und helfen uns, die
menschliche Psyche besser zu verstehen.
1. Methoden der Ethologie bei Tieren
1.1. Freilandbeobachtungen
Die aufwendigste und langwierigste Methode ist es, Tiere unter natürlichen Bedingungen zu erforschen. Hierzu
muss man vor allem die Langzeitbeobachtungen von Jane Goodall zählen, die Schimpansen in ihrem natürlichen
Lebensraum studierte. Diese Forschung zielt vor allem darauf ab, ein umfassendes Soziogramm zu erstellen,
also ein Modell der sozialen Beziehungen und Verhaltensweisen einer Gruppe von Tieren.
Konrad Lorenz beobachtete zwar ebenfalls Tiere im Freiland, jedoch handelte es sich meist um gezähmte Tiere,
z.B. Gänse. Inwieweit hier der Einfluss des Menschen die Verhaltensweisen veränderte ist schwer
nachzuvollziehen. Andererseits führt diese Forschungsmethode zu rascheren und gut dokumentierbaren
Ergebnissen. Lorenz stellte so z.B. vergleichende Verhaltensstudien an Enten an, als Beitrag zur
Evolutionsforschung.
1.2. Beobachtungen unter Laborbedingungen, Experimente
Will man gezielt einzelne Verhaltensweisen erforschen, so bieten sich Laborexperimente an. Hier kann man die
Versuchsbedingungen so gestalten, dass die Ergebnisse reproduziert werden können, also einer
wissenschaftlichen Überprüfung standhalten müssen. Einzelne Bedingungen können variiert werden. Durch
die Einflussnahme des Experimentators kommt es aber zu einer Veränderung der Verhaltensweisen des
beobachteten Tieres. Rückschlüsse auf natürliche Verhaltensweisen sind daher oft fragwürdig.
1.3. Kaspar-Hauser-Versuche
Im Jahr 1828 wurde in Nürnberg ein männliches, ca. 16-jähriges Findelkind aufgefunden, welches einen Zettel
bei sich trug mit einigen wenigen Angaben zu seiner Person, darunter seinen Namen: "Kaspar". Es war
weitgehend isoliert von anderen Menschen in einem Keller aufgewachsen und wies darum deutliche
Entwicklungsmängel auf. Sein Beispiel gab einer Forschungsmethode ihren Namen: "Kaspar-HauserExperimente".
Bei diesem Typ von Experiment wird ein Lebewesen unmittelbar nach der Geburt von seinen Artgenossen
getrennt und unter spezifischem Erfahrungsentzug aufgezogen. Da keine Artgenossen Einfluss auf die
Entwicklung von Verhaltensweisen nehmen können, müssen alle gezeigten Verhaltensweisen entweder zufällig
oder aber aufgrund vererbter Anlagen zustande kommen. Untersucht man eine genügend große Zahl von
Individuen einer Art, so kann man die Zufallsereignisse ausschließen und die vererbten Verhaltensanteile
ermitteln.
Es versteht sich von selbst, dass diese Art von Experiment für die Erforschung von Verhaltensweisen des
Menschen nicht in Frage kommt! Es wäre ethisch undenkbar und außerdem gesetzlich verboten, Neugeborene
zu isolieren und von Menschen fernzuhalten. Persönlicher Kommentar: Auch bei Tieren ist es natürlich
fragwürdig, ob die wissenschaftliche Neugier es rechtfertigt, Tieren so ihre artgerechte Entwicklung zu
verweigern, da der praktische Nutzen dieser Erkenntnisse zweifelhaft ist.
2. Methoden der Humanethologie
Beim Menschen sind eine Reihe von Studiendesigns von vorneherein ausgeschlossen. Ethische Gründe
verhindern z.B. Kaspar-Hauser-Experimente. Will man hier Erbe-Umwelt-Fragestellungen untersuchen, so
bleiben nur wenige Methoden übrig, deren Aussagekraft wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht wird.
2.1. Beobachtungen bei Neugeborenen
Direkt nach der Geburt können Lernvorgänge für Verhaltensweisen ausgeschlossen werden. Säuglinge zeigen
eine Reihe typischer Reflexe (Saugen, Greifen), die angeboren sein müssen. Auch Attrappenversuche zeigen,
dass verschiedene Säuglinge auf Attrappen (z.B. Gesichter und abstrakte Muster) in typischer Weise reagieren.
2.2. Taubblind geborene Kinder
Bei diesen Menschen fehlt die Möglichkeit, von anderen Menschen z.B. Gesichtsausdrücke zu lernen. Trotzdem
zeigen sie eine typische Mimik, z.B. ein lachendes oder beleidigtes Gesicht um Gefühle auszudrücken.
2.3. Interkulturelle Vergleichende Ethologie
Hier ist vor allem der Humanethologe Eibl-Eibesfeldt zu nennen. Er untersuchte Menschen aus sehr
unterschiedlichen Kulturen, ziwschen denen kein kultureller Austausch nachweisbar ist. Er stellte fest, dass viele
Ausdrucksbewegungen des sozialen Verhaltens übereinstimmen.
2.4. Vergleichende Ethologie bei Tier und Mensch
Eher fragwürdig ist der Versuch, von Beobachtungen am Tier auf Verhaltensweisen des Menschen zu schließen.
Man kann zwar gewisse Homologien bei nahe verwandten Tiergruppen (Menschenaffen) feststellen, jedoch sind
die Ergebnisse eher spekulativ.
VERHALTENSBIOLOGIE - : Konditionierung
Tiere lernen anhand der Erfahrungen, die sie machen, ihr Verhalten entsprechend anzupassen. Dabei muss man
zwei prinzipiell verschiedene Lernvorgänge unterscheiden:
die Reizbedingte (Klassische) Konditionierung: Durch diese Lernform wird keine neues Verhalten, sondern ein
neues Reizmuster gelernt, welches dann ein bereits vorhandenes Verhalten auslöst.
die Verhaltensbedingte (Operante) Konditionierung: Hierbei wird eine neue Verhaltensweise gelernt, die vorher
bei diesem Tier nicht beobachtet werden konnte.
-------------------------------------------------------------------------------1. Reizbedingte (Klassische) Konditionierung
Diese Lernform wurde von Iwan Pawlow beschrieben. Er war Mediziner (Nobelpreis in Medizin 1904) und
beobachtete eher beiläufig, dass seine Versuchshunde bereits beim Anblick ihres Tierpflegers Speichel
absonderten, egal ob sie Futter sehen konnten oder nicht. Sie hatten offenbar gelernt, dass der Anblick des
Pflegers Futter erwarten lässt.
Pawlow führte daraufhin Experimente durch, bei denen er die Versuchsbedingungen standardisierte, so dass sie
wissenschaftlich reproduzierbare Ergebnisse erbrachten. Ausgangssituation
Er isolierte und fixierte die Hunde und maß den Speichelfuss quantitativ, als Maß der Reaktion der Hunde auf
angebotene Reize. Der Anblick von Futter bewirkte eine sofortige Speichelabsonderung. Dies ließ sich durch
einen reflexartigen Reiz-Reaktionszusammenhang erklären.
Das Futter wirkt als ein unbedingter Reiz
Die Speichelabsonderung ist ein unbedingter Reflex
Hier wirkt also lediglich ein bekanntes Reizmuster als Schlüsselreiz für einen angeborenen Reflex (Angeborener
Auslösemechanismus).
Lernphase
Nun wird in unmittelbarer zeitlicher Nachbarschaft (in Kontiguität) zum unbedingten Reiz (Futter) ein zweiter,
neutraler Reiz (ein Glockensignal) dargeboten. Optimale Lernerfolge werden erzielt, wenn der neutrale Reiz 0,5
Sekunden vor dem unbedingten Reiz erscheint.
Das Glockensignal in diesem Versuch kann dabei mit dem Erscheinen des Tierpflegers aus der oben
beschriebenen Zufallsbeobachtung Pawlows verglichen werden. In beiden Fällen passiert nun folgendes:
Der Hund assoziiert den unbedingten Reiz (Futter) mit dem bis dahin neutralen Reiz (Glocke oder Tierpfleger).
Diese Assoziation ist dem Tier nicht bewusst! Es lernt so ein neues Reizmuster (die Glocke/den Tierpfleger) für
ein schon vorhandenes Verhalten (die Speichelabsonderung).
Kannphase
Wird dem Hund nach der Lernphase nun der vormals neutrale Reiz angeboten, so reagiert der Hund darauf mit
Speichelabsonderung. Der ehemals neutrale Reiz wurde nun zum bedingten Reiz, der unbedingte Reflex zum
bedingten Reflex.
-------------------------------------------------------------------------------1.1 Generalisierung und Erweiterung des Erlernten
Das erlernte Reizmuster (Glockensignal), welches nun den bedingten Reflex auslöst, kann auch in leicht
abgewandelter Form dargeboten werden (z.B. eine Oktave höher oder tiefer). Je ähnlicher der Reiz dem
konditionierten Reizmuster ist, desto stärker fällt die Reaktion darauf aus. Man nennt dieses Phänomen
"Generalisierung".
Kein Abiturstoff : Dabei kann man die Versuchshunde ganz schön verwirren. Konditioniert man z.B. einen Hund
darauf, dass ein gezeigter Kreis stets Futtergabe bedeutet, eine Ellipse jedoch stets ohne anschließende Fütterung
gezeigt wird, so kann man in der Kannphase durch schrittweises Abändern von einer dargebotenen Ellipse hin
zur Kreisform einen Bereich beobachten, bei dem der Hund zwischen beiden Reizmustern nicht mehr eindeutig
differenzieren kann. Dies löst einen Konflikt aus zwischen den beiden bedingten Reaktionen ("es gibt bestimmt
gleich Futter"/"es gibt bestimmt gleich kein Futter"). Der Hund reagiert mit Übersprungsverhalten. Ein solches
Verhalten wird auch als "experimentelle Neurose" bezeichnet.
Unter "Erweiterung" versteht man das Phänomen, einen konditionierten Reiz wiederum mit einem neutralen
Reiz zu assoziieren. So kann man z.B. vor dem Glockensignal eine farbige Tafel zeigen. Nach einigen
Wiederholungen löst nun auch die farbige Tafel den bedingten Reflex aus. Man spricht dann von einem
bedingten Reflex 2. Ordnung. Beim Mensch können Reflexe bis zur 7. Ordnung konditioniert werden.
-------------------------------------------------------------------------------1.2 Bedingte Appetenz / Bedingte Aversion
Lernt ein Reh, dass es an einer Futterkrippe im Wald Heu erhält, so wird es bei Hunger diese Futterkrippe
aufsuchen. Auch hierbei wird kein neues Verhalten gelernt, da ja die Futtersuche bei Hunger (Vorliegen der
inneren Handlungsbereitschaft) genetisch bedingt abläuft. Es wird aber ein neues Reizmuster gelernt. Der
vormals neutrale Reiz "Futterkrippe" wird durch die angenehme Erfahrung "Fütterung mit Heu" zum bedingten
Reiz. Das gezielte Aufsuchen der Futterkrippe wird nun als "Bedingte Appetenz" bezeichnet.
Genau so wie angenehme Erfahrungen mit einem bestimmten Reizmuster assoziiert werden, können auch
unangenehme Erfahrungen das Verhalten verändern. Wird z.B. ein Hund beim Gassigehen an einer
Garagenausfahrt (=neutraler Reiz) von einem schnell herausfahrenden Auto erschreckt, so wird der Hund beim
nächsten Spaziergang an der selben Stelle u.U. zurückschrecken oder sich weigern weiterzugehen, auch wenn
kein Auto zu sehen ist. Solche unangenehmen Erfahrungen werden häufig sehr schnell gelernt, was ja auch Sinn
macht, denn manche unangenehmen Erfahrungen überlebt ein Tier nur mit Glück ein einziges mal (z.B.
Erfahrungen mit Fressfeinden). Das Zurückschrecken vor oder Meiden eines bestimmten Reizmusters (in
unserem Beispiel die Garagenausfahrt als nun bedingten Reiz) wird als "Bedingte Aversion" bezeichnet.
-------------------------------------------------------------------------------1.3 Extinktion und Habituation
Im Gegensatz zu Prägungsvorgängen sind Konditionierungen reversibel. Dieses "Verlernen" macht
Konditionierungsvorgänge flexibel. Man kann zwei Arten von "Verlernen" unterscheiden:
Extinktion: Ein durch angenehme Erfahrung gelerntes Appetenzverhalten oder ein bedingter Reflex kann
verlernt werden, wenn der bedingte Reiz wiederholt ohne den ursprünglich notwendigen unbedingten Reiz
dargeboten wird. Am Beispiel des Hundes würde dies heißen, dass das Glockensignal wiederholt ohne
Futtergabe ertönt. Nach einigen Wiederholungen bleibt der Speichelfluss aus. Das Erlernte wurde aber nur
unterdrückt, nicht passiv vergessen. Wenn man nämlich nach einer Erholungspause das Glockensignal erneut
ertönen lässt, so zeigt der Hund wieder die bedingte Reaktion.
Habituation: Eine bedingte Aversion kann abgebaut werden, wenn auf den bedingten Reiz (im obigen Beispiel
die Garagenausfahrt) wiederholt keine unangenehme Erfahrung folgt. Der Hund gewöhnt sich daran, dass die
Garagenausfahrt keine Gefahr bedeutet und reagiert schließlich nicht mehr mit Aversionsverhalten.
Kein Abiturstoff, aber gerade für Schüler unter Abistress ein wichtiger Aspekt: In der Psychologie geht man
davon aus, dass auch menschliche Verhaltensweisen teilweise durch gute und schlechte Erfahrungen gelernt
werden. So können z.B. Phobien (krankhafte Angststörungen) durch unangenehme Erfahrungen entstehen. Die
ursprünglich angstauslösende Erfahrung kann dabei sehr weit zurück liegen, z.B. in der Kindheit. Man meidet
dann, ohne zu wissen warum, bestimmte Situationen, die angstauslösend wirken. Das Vermeideverhalten selbst
wirkt dabei als angenehme Erfahrung, weil ja die Entstehung von Angst vermieden wird. So verstärkt sich dieses
Meideverhalten selbst. Ein Teufelskreis aus Angst und ständig stärker werdendem Vermeideverhalten entsteht.
Schließlich erreicht das Vermeideverhalten selbst Krankheitswert, wenn z.B. ein Mensch mit einer Angststörung
sich nicht mehr traut unter Menschen zu gehen. Er verliert mehr und mehr die Fähigkeit, seinen Alltag zu
bewältigen.
Solche Störungen können aber zum Glück sehr gut therapiert werden, die Heilungsprognose ist bei
Angststörungen sehr günstig. Die Therapie kann dabei auf das Erkennen der Ursache abzielen (psychoanalytisch
orientiert) oder versuchen, statt dem krankmachenden Verhalten ein neues, gesundes Verhalten zu erlernen
(verhaltenstherapeutisch orientiert).
Eine besondere Form der Verhaltenstherapie, die Konfrontationstherapie, benutzt dabei das oben besprochene
Phänomen der Habituation. Der Patient wird langsam an das angstauslösende Reizmuster herangeführt (erst
ähnliche Situationen, später die konkrete angstmachende Situation), die erwartete unangenehme Erfahrung bleibt
aus. Er lernt so, dass seine Ängste unbegründet sind. Diese Therapieform wird z.B. mit 80-prozentigem
Heilungserfolg bei Patienten mit starker Zahnarztangst (Dentalphobie) angewandt. Wenn Sie sich von dieser
Schilderung evtl. persönlich betroffen fühlen, so ist dies nicht weiter erstaunlich. Unter Angststörungen leiden
sehr viele Menschen, alleine an Dentalphobie etwa 15 Prozent der Bevölkerung!
Wenden Sie sich bitte an Ihren Biologielehrer, den Vertrauenslehrer oder Ihren Hausarzt, wenn Sie unter einer
Angststörung leiden. Diese können Ihnen sicher entsprechende Beratungsangebote nennen, wo man Ihnen gerne
und unverbindlich weiterhilft - es lohnt sich, denn es gibt wirklich keinen vernünftigen Grund, seine
Lebensqualität unter einer Angststörung leiden zu lassen!
-------------------------------------------------------------------------------2. Verhaltensbedingte (Operante) Konditionierung
Im Gegensatz zur Klassischen Konditionierung wird bei der Operanten Konditionierung nicht ein neues
Reizmuster für die Auslösung eines bekannten Verhaltens gelernt, sondern es wird eine völlig neue
Verhaltensweise gelernt, wie man sie vor dem Lernvorgang beim entsprechenden Tier nicht beobachten konnte.
Dieser Lerntyp wurde vom amerikanischen Verhaltensforscher Burrhus F. Skinner an Ratten und Tauben
erforscht. Er setzte diese in Versuchskäfige ("Skinner-Box"), in denen sie durch zunächst zufällige Betätigung
eines Hebels eine Belohnung (in Form eines Futterkorns) oder eine Bestrafung (durch einen Stromschlag)
erhielten. Diese Erfahrungen wirkten als positive oder negative Verstärkung für das jeweilige Verhalten. Die
Versuchstiere lernten so, ein Verhalten zielgerichtet zu zeigen (Bedingte Aktion) oder zu unterlassen (Bedingte
Hemmung).
Bedingte Aktion:
- Das Betätigen des Hebels B (neutraler Reiz) ist eine neuartige, zufällig auftretende Verhaltensweise. Sie ist auf
das Neugierverhalten (Erkundungsverhalten) der Ratte zurückzuführen.
- Bei Drücken von Hebel B erhält die Ratte ein Futterkorn. Nach einigen Wiederholungen und bei Vorliegen von
Hunger (innere Handlungsbereitschaft) wird die Ratte dies als Belohnung (positive Verstärkung) für die neue
Verhaltensweise erleben.
- Sie wird dieses Verhalten bei erneutem Hunger sofort wieder zeigen. Die Motivation wird in den Dienst einer
neuen Verhaltensweise gestellt. Sie hat gelernt, dass das Drücken auf den grünen Knopf zur Futtergabe führt.
Der Hebel wure zum bedingten Reiz, das Drücken des Hebels zur Bedingten Aktion.
Bedingte Hemmung:
- Bei zufälligem Betätigen von Hebel D (neutraler Reiz) erhält die Ratte einen Stromschlag. Dieser wirkt als
Bestrafung.
- Der neutrale Reiz (roter Hebel) wird dadurch zum bedingten Reiz. Die Ratte lernt, das Drücken des roten
Hebels zu unterlassen (Bedingte Hemmung)
VERHALTENSBIOLOGIE - : Kommunikation
Kommunikation und soziale Bindung
Alle höheren Tiere, auch solche die als Einzelgänger leben, müssen zumindest zum Zweck der Paarung zeitweise
mit Artgenossen zusammen leben. Viele Tierarten leben jedoch ständig in einem sozialen Verband mit
Artgenossen. Man unterscheidet hier:
 Aggregationen, also zufällige Ansammlungen von Artgenossen, z.B. durch eine gemeinsam benutzte
Tränke oder durch den Einfluss von Faktoren wie Wind, Strömungen etc.
 Anonyme Verbände, die von den Tieren aktiv aufgesucht werden, ohne dass einzelne Individuen
unterschieden werden können.
 Individualisierte Verbände, bei denen sich die Individuen als solche erkennen.
Diese Verbände grenzen sich mehr (geschlossene Verbände) oder weniger (offene Verbände) gegen
Artgenossen ab. Wie können sich aber die Mitglieder eines solchen Verbandes erkennen und wie können sie sich
gegenseitig verständigen und ggf. gemeinsam handeln? Dieses Zusammentreffen oder Zusammenleben erfordert
den Austausch von Informationen zwischen den Artgenossen, also irgendeine Art von Kommunikation!
1. Kommunikation durch einfache Signale
Im Tierreich finden sich verblüffend einfache, und dennoch sehr effektive Formen der Kommunikation.
Bei manchen Tieren genügt ein einziger chemischer Stoff, um eine zielgerichtete, komplexe Verhaltensweise zu
bewirken. So finden z.B. Borkenkäfer über weite Entfernungen ihre Partner, von denen ein Lockstoff - ein
Pheromon - abgegeben wird. Man nutzt dies in der Forstwirtschaft aus, um Borkenkäfer in Pheromonfallen zu
fangen. Im Zusammenhang mit dem Revierverhalten spielen olfaktorische Signale (Kot, Urin, Drüsensekrete) als
Markierungen eine große Rolle.
Viele Tiere benutzen akustische Signale. Jeder kennt das Beispiel des Vogelgesangs, der z.B. zum Anlocken
eines Weibchens dienen kann oder zur Abgrenzung des Reviers. Viele akustische Signale findet man in
Frequenzbereichen, die der Mensch nicht wahrnehmen kann. Ratten benutzen z.B. Ultraschalllaute über 20.000
Hz (1 Hz = 1 Schwingung/Sekunde). Ihr noch hörbares, hohes Fiepen ist das "tiefste" Geräusch, das sie von sich
geben. Wirklich tiefe Töne erzeugen aber Elefanten. Ihre Rufe liegen im Infraschallbereich unter 20 Hz und
können über sehr große Entfernungen wahrgenommen werden.
VIDEO: Löwengebrüll (Start durch Mausberührung)
Besonder beeindruckend ist das Gebrüll beim Löwen, welches mit anderen Signalen zusammen der Abgrenzung
des Reviers dient.
Die downloadzeit dieses Videos (Größe ca. 280kB) beträgt ca. 1.5min (28k-Modem), 50s (56k), 40s (ISDN).
Ihr browser muss evtl. den entsprechenden CODEC downloaden (geschieht automatisch).
Optische Signale findet man ebenfalls bei vielen Tierarten. Auffallende Gefiedermerkmale wie der blaue
Flügelspiegel der Stockerpel haben Signalwirkung im Zusammenhang mit Balzhandlungen. Rachen- oder
Schnabelfarbe spielen eine wichtige Rolle beim Brutpflegeverhalten mancher Vogelarten.
2. Kommunikation durch ritualisierte Verhaltensweisen
Bei verschiedenen Fasanenarten findet man auffallende Bewegungen, die aussehen als ob das Männchen (der
Hahn) nach Futter pickt. Dieses Futterlocken dient im Funktionskreis der Jungenaufzucht dem Hinweis auf
geeignetes Futter. Nun findet man aber im Funktionskreis der Fortpflanzung die selbe Verhaltensweise, die
durch besonders langsame Bewegungsabläufe und häufiges Wiederholen noch verstärkt auffallen. Sie dient der
Balz mit einem Weibchen und stellt eine Ritualisiserung des Futterpickens dar. Es soll beim potentiellen
Geschlechtspartner Aggressions- oder Fluchtverhalten vermeiden.
Typische Kennzeichen von ritualisierten Verhaltensweisen:
 Die Verhaltensweisen entstammen einem anderen Funktionskreis
und werden losgelöst von der ursprünglichen Motivation gezeigt
 Bewegungen werden durch besonders intensive und häufig
wiederholte Ausführung verstärkt
 Auffällige Gefiederfärbungen, Körperteile oder Fellzeichnungen
werden präsentiert (Bsp.: Schwanzfedern beim Pfau)
3. Kommunikation durch Zeichensprache
Nicht nur Menschen können sich mit Hilfe von Zeichen verständigen. Auch einfache Tiere wie Bienen
beherrschen einen Code, mit dem sie wichtige Informationen austauschen können. Der Nobelpreisträger Karl v.
Frisch entdeckte diese "Bienensprache" und ermittelte den zugrunde liegenden Code.
Findet eine Biene eine Futterquelle, so kehrt sie zum Stock zurück, um ihren
Artgenossen Meldung zu machen. Sie gibt einige Tropfen des Nektars ab. Die
anderen Bienen können so die Qualität der Futterquelle feststellen. Nun
beginnt die Biene einen eigenartigen "Tanz", der je nach Entfernung der
Futterquelle variiert.
Bei Entfernungen unter 50-100m tanzt die Biene einen Rundtanz. Dabei
wendet sie jeweils an der selben Stelle und beschreibt den Kreis in der
umgekehrten Richtung erneut.
Bei größeren Entfernungen (die Angaben variieren hier je nach Datenquelle, ein vernünftiger Wert ist ca. 100
Meter) verfällt die Biene in den sogenannten "Schwänzeltanz". Die Biene orientiert ihren Tanz dabei am Stand
der Sonne in Relation zum Ausgang des Bienenstocks, um die Richtung der Futterquelle mitzuteilen. Aber
auch die Menge des Futters wird codiert: Je ergiebiger eine Futterquelle, desto intensiver erfolgt der
Schwänzeltanz.
Liegt die Futterquelle vom Ausflugloch des Stocks genau in Richtung Sonnne, so weist die
Schwänzelrichtung genau nach oben im Stock.
Liegt die Futterquelle vom Ausflugloch des Stocks 45 Grad rechts von der Richtung zur
Sonnne, so weist die Schwänzelrichtung 45 Grad nach rechts oben.
Liegt die Futterquelle vom Ausflugloch des Stocks 90 Grad rechts von der Richtung zur
Sonnne, so weist die Schwänzelrichtung 90 Grad nach rechts.
Die anderen Bienen des Stocks erhalten also Informationen über die Art, Richtung, Entfernung und
Ergiebigkeit der Futterquelle. Sie verfallen nach kurzer Zeit in den selben Tanz wie die Biene, die die
Futterquelle entdeckt hat, und übernehmen dabei die Information. Schließlich fliegen sie zielgerichtet und
selbständig zu der angezeigten Futterquelle.
VERHALTENSBIOLOGIE - : Instinkthandlungen
1. Der Bedingte Reflex und das Prinzip der "Doppelten Quantifizierung"
Wenn ein Reflex nicht, wie
im vorherigen Kapitel
beschrieben, allein
aufgrund eines
verhaltenswirksamen
Außenreizes abläuft,
sondern zusätzlich von
einem inneren Faktor, der
Handlungsbereitschaft,
abhängig ist, dann spricht
man von einem bedingten
Reflex. Die
Handlungsbereitschaft und
der verhaltenswirksame
Außenreiz müssen also
beide gegeben sein, damit
die Handlung abläuft
(Prinzip der Doppelten
Quantifizierung). Die
innere
Handlungsbereitschaft
kann dabei von äußeren
und inneren
Einflussgrößen bestimmt
werden (im Folgenden eine
Übersicht in Anlehnung an
Miram/Scharf, Biologie
heute SII, 1997, jeweils
mit Beispielen):
Einflussfaktoren auf die Innere Handlungsbereitschaft
- Tageszeit: Das Jagdverhalten oder die Zeit der Nahrungssuche ist bei vielen Tieren von der Tageszeit abhängig
(nachtaktive/tagaktive Tiere)
- Jahreszeit: Zugverhalten, Paarungszeit, Brutzeit hängen in Zonen mit Jahreszeiten in hohem Maße von der
Jahreszeit ab. Die Tiere können die Jahreszeit z.B. über die veränderte Tages-/Nachtlänge feststellen.
- Endogene Rhythmik: Auch bei Tieren in Gegenden ohne Jahreszeiten kann man zeigen, dass Brutphasen nur
in bestimmten Zeiten des Jahres auftreten, sie folgen einer inneren Uhr.
- Ökologische Faktoren: Überpopulation verursacht durch sozialen Stress ein verändertes Brutverhalten.
- Aufladende Reize: Nicht erreichbare Beutetiere, z.B. der Fisch im Goldfischglas, der für eine Katze
unerreichbar ist. Erfolg oder Misserfolg einer Handlung haben Einfluss auf die zukünftige
Handlungsbereitschaft.
- Lebensalter: Sexualverhalten wird erst gezeigt, wenn der Körper die entsprechende Geschlechtsreife erreicht
hat.
- Hormone: Sexualhormone dienen als Signale zur Einleitung von Balzhandlungen oder steuern das
Brutverhalten.
- Gesundheitszustand: Kranke Rudeltiere vermeiden Rangordnungskämpfe.
- Endogener Antrieb: Hunger, Durst.
- Erfahrungen: Hund macht schmerzhafte Erfahrungen beim Spielen mit einem Igel und meidet dieses Tier
künftig.
Der formstarre, erbkoordinierte Ablauf, das Alles-Oder-Nichts-Prinzip sind hier nach wie vor gegeben. Solche
starren Handlungen findet man stets als Abschluss (Endhandlung) von Instinkthandlungen.
2. Die Instinkthandlung
Am Beispiel des Beutefangverhaltens der Erdkröte kann
exemplarisch gezeigt werden, dass Instinktverhalten stets in
drei hintereinander ablaufenden Phasen abläuft.
1. Phase: Ungerichtetes Appetenzverhalten
Ursache: Angestiegene Handlungsbereitschaft durch Hunger.
Die Außentemperatur und die Tageszeit (bevorzugt
dämmerungsaktiv) haben ebenfalls Einfluss auf die
Handlungsbereitschaft.
Verhalten: Erhöhte Aufmerksamkeit, motorische Aktivität
(Umherstreifen ohne konkretes Ziel).
Phase beendet, wenn: Wahrnehmung eines Objekts, dessen
Reizmuster es als Beute in Frage kommen lässt. Durch
Attrappenversuche kann gezeigt werden, dass hier verschiedene
Faktoren zusammenwirken.
2. Phase: Gerichtetes Appetenzverhalten (Taxis)
Ursache: Handlungsbereitschaft + spezifisches Reizmuster der
Beute (=verhaltenswirksamer Außenreiz).
Verhalten: Zuwenden zum Objekt, Annähern
Phase beendet, wenn: Beuteobjekt nahe genug und direkt vor
der Kröte.
3. Phase: Endhandlung
Ursache: Handlungsbereitschaft + spezifisches Reizmuster der
Beute (Schlüsselreiz) aktivieren einen (angenommenen)
angeborenen Auslösemechanismus.
Verhalten: formstarrer, reflexartiger Alauf (siehe oben):
Zuschnappen mit der Zunge, Schlucken.
Phase beendet, wenn: Bewegung komplett ausgeführt (Allesoder-Nichts-Prinzip).
Die Endhandlung wird komplett ausgeführt, auch wenn sie nicht zum gewünschten Erfolg führt. Dies kann man
an scheinbar sinnlosen Endhandlungen erkennen. So rollen z.B. Gänse ein aus dem Nest gerolltes Ei in einer
formstarren Endhandlung mit dem Schnabel zurück ins Nest. Nimmt man der Gans das Ei während des
Zurückrollens weg, so führt die Gans die Schnabelbewegung trotzdem bis zum Nest fort, obwohl sie sinnlos ist.
Sie "weiß" nicht, was sie dabei tut, sondern sie arbeitet stur ein erbkoordiniertes motorisches Muster von Anfang
bis Ende ab.
Erfolgreiche oder erfolglose Ausführung einer Endhandlung haben allerdings Einfluss auf die
Handlungsbereitschaft. Eine Erdkröte, die erfolgreich ein Beutetier verschlungen hat, wird danach weniger
Hunger haben - die Handlungsbereitschaft sinkt. Andererseits wird eine erfolglos jagende Erdkröte nach jedem
Misserfolg mehr Hunger haben, da sie ja jedesmal Energie verbraucht - die Handlungsbereitschaft steigt. Die
Endhandlung besitzt also über eine positive oder negative Rückkopplung Einfluss auf die
Handlungsbereitschaft.
3. Attrappenversuche in der Instinktforschung
Durch Experimente fand man heraus, dass nicht das ganze
Objekt, welches als Auslöser oder Schlüsselreiz bezeichnet
wird (z.B. ein Beutetier) sondern bestimmte Charakteristika
dieses Objekts verhaltenswirksam sind. So kann man durch
teilweise relative abstrakte Modelle (Attrappen), die nur eine
bestimmte Reizkomponente (z.B. Farbe oder Form des Objekts)
repräsentieren, zeigen, wie stark diese Reizkomponente
verhaltenswirksam ist und wie sich Variationen/Abweichungen
vom natürlichen Reizmuster auf das Verhalten auswirken.
Am Beispiel der Erdkröte kann man die Verhaltenswirksamkeit eines Reizes messen, indem man z.B. die Zahl
der Zuwendebewegungen (Taxiskomponente der Instinkthandlung) pro Minute zählt. Ein starker Reiz bewirkt
eine intensive Taxis, ein schwacher wenige oder keine Taxisbewegungen.
Größe: Die Größe eines Objekts kann von einem Lebewesen nur in Abhängigkeit von der Entfernung bestimmt
werden. So können wir z.B. mühelos mit einer Briefmarke, die wir direkt vor das Auge halten, einen Elefanten in
10m Entfernung "überdecken". Maß für die subjektive Objektgröße ist daher der Winkelgrad, den ein Bild des
Objekts auf der Netzhaut einnimmt (Je mehr Grad, desto größer erscheint das Objekt dem Tier).
Bei der Erdkröte lösen Objekte, die einen Sehwinkel von 4 - 8 Grad einnehmen die stärkste Taxis aus. Sehwinkel
unter 2 Grad lösen keine Taxis aus, Sehwinkel über 32 Grad hingegen bewirken Fluchtverhalten, da so große
Objekte als Feind wahrgenommen werden.
Form: Als optimal verhaltenswirksam stellte sich in Attrappenversuchen ein rechteckiger Gegenstand von
2,5x10mm bis 2,5x40mm heraus. Diese Maße entsprechen in etwa denen eines Insekts oder eines kleinen
Regenwurms, also den bevorzugten Beutetieren der Erdkröte.
Bewegungsrichtung: Wie oben gesagt, ist ein rechteckiges, längliches Objekt am wirksamsten. Jedoch muss
außerdem die Bewegungsrichtung des Objekts betrachtet werden. Eine ruhende Attrappe löst keine Hinwendung
aus, ebensowenig wendet sich die Erdkröte einem länglichen Objekt zu, welches sich aufrecht auf seiner kurzen
Seite stehend vorwärtsbewegt (eigentlich logisch, denn das entspräche ja einem Regenwurm der auf
Zehenspitzen geht!!). Das längliche Objekt muss sich entlang seiner Längskante bewegen, um Taxis auszulösen.
Zusammenfassend ergeben sich folgende Ergebnisse:
Ein Objekt ist optimal verhaltenswirksam, wenn es ca. 2,5x20mm groß ist, sich entlang seiner Längskante
bewegt und auf der Netzhaut einen Sehwinkel von 8 Grad einnimmt. Ein solches Objekt entspricht in der
Summe (Reizsummenregel) einem sich bewegenden Insekt oder einem kleinen Wurm und wirkt als
SCHLÜSSELREIZ oder AUSLÖSER.
Es wird angenommen, dass man im ZNS des Tieres eine zugehörige Struktur finden kann, die für die Auslösung
der Endhandlung verantwortlich ist, wenn dieser Schlüsselreiz vorliegt. Man bezeichnet dies als "Angeborenen
Auslösemechanismus".
Im Modell kann man einzelne Reizkomponenten (z.B. Form, Farbe, Muster, Bewegung) isoliert betrachten und
modifizieren. In der Natur dagegen findet man immer alle Komponenten des Reizmusters zusammen, als reales
Lebewesen mit seinen durch die genetische Variabilität bedingten Abweichungen von einem Durchschnittstypus.
Die einzelnen Komponenten beim natürlichen Vorbild sind darum niemals alle optimal verhaltenswirksam
ausgeprägt. Im Experiment kann man jede einzelne Reizkomponente so optimieren, dass Objekte konstruiert
werden, die noch stärker als das natürliche Vorbild verhaltenswirksam sind, sogenannte "Übernormale
Attrappen".
4. Sonderformen des Instinktverhaltens
Man sieht an obigen Befunden, dass Tiere zwar häufig relativ einfach strukturierte Reiz-Reaktions-Schemata
zeigen. Dennoch sind diese Verhaltensweisen nicht so mechanisch, wie es bei der modellhaften Darstellung (z.B.
in vielen Schulbüchern und natürlich auch in diesem Tutorial) oft scheint. Ein sogenannter "Schlüsselreiz" muss
nicht zwangsläufig das immer gleiche Verhalten auslösen. Einflüsse von innnen und außen auf die
Handlungsbereitschaft des Tieres modifizieren die Reizantwort stark. Oft finden wir darum Verhaltensweisen,
die auf den ersten Blick unverständlich oder gar sinnlos erscheinen.
"Normales" Verhalten: Die Handlungsbereitschaft bewegt sich meistens innerhalb einer gewissen Bandbreite.
Am Beispiel "Hunger" kann man dies leicht verstehen. Ein Tier wird auf Nahrungssuche gehen, wenn es Hunger
verspürt und solange Jagdverhalten zeigen, bis es gesättigt ist oder genügend Vorräte beiseite geschafft hat.
Beutetiere wirken dabei als Schlüsselreize und lösen typische Verhaltensweisen aus (siehe z.B. oben).
Abweichend von diesem "Normalverhalten" findet man jedoch zahlreiche Sonderformen von
Instinkthandlungen.
Beispiel 1:
Durch langes Hungern , durch ständige Misserfolge bei der Jagd etwa, kann es zu einem dramatischen Anstieg
der Handlungsbereitschaft kommen. Die Folgen davon können sein:
- Beutetiere oder pflanzliche Nahrung, die sonst gemieden wird, werden nun auch gefressen, obwohl diese
Nahrung nicht in das Schlüsselreizschema passt ("In der Not frisst der Teufel Fliegen").
- Das Tier zeigt typische Verhaltenselemente ohne jeglichen verhaltenswirksamen Außenreiz, sogenannte
"Leerlaufhandlungen". Die Verhaltensforschung ist sich nicht einig, ob es solche Leerlaufhandlungen wirklich
gibt, da man das Tier ja nicht in einer völlig reizfreien Umgebung untersuchen kann.
- In anderen Funktionskreisen als der Nahrungssuche (z.B. in Funktionskreisen wie "Fortpflanzung" oder
"Innerartliche Aggression") können sich die typischen Verhaltensweisen gegen ein Ersatzobjekt richten
(umorientiertes Verhalten) oder als autoaggressive Verhaltensweise gegen sich selbst (Retrojektion).
Beispiel 2:
Wird ein verhaltenswirksamer Reiz immer und immer wieder dargeboten, so kommt es zum Absinken der
Handlungsbereitschaft durch zentrale Ermüdung mit typischen Folgen:
- Das Verhalten bleibt aus, obwohl ein optimaler Schlüsselreiz gegeben ist.
- Verhaltensweisen werden nicht vollständig ausgeführt sondern nur einzelne Verhaltenselemente
(Intentionsbewegungen).
- Es werden Verhaltenselemente gezeigt, die zu ganz anderen Funktionskreisen gehören, z.B. wird während der
Balz plötzlich ein Verhaltenselement aus dem Nahrungserwerb gezeigt (Übersprungsverhalten).
Beispiel 3:
Sonderformen des Verhaltens werden auch häufig in Konfliktsituationen gezeigt. Zur Abgrenzung des Begriffs
"Konflikt" gegen seine Verwendung im alltäglichen Sprchgebrauch hier eine Definition vorneweg: Unter einem
Konflikt versteht man in der Verhaltensbiologie eine Situation, in der ein Tier sich einer Situation ausgesetzt
sieht, in der zwei diametral entgegengesetzte Verhaltensweisen möglich sind und das Tier sich nun
"entscheiden" muss (z.B. Flucht oder Angriff). Hier gibt es mehrere mögliche Verhaltensformen:
- "Normalfall:" Das Tier entscheidet sich für eine der beiden Optionen, der Konflikt ist damit gelöst.
- Das Tier zeigt ein ambivalentes Verhalten, z.B. als Kombination von Verhaltenselementen aus beiden
möglichen Verhaltensweisen oder als Hin- und Herpendeln zwischen beiden Verhaltensweisen.
- Es wird ein Übersprungsverhalten gezeigt (z.B. Elemente des Nestbauverhaltens während eines
Rivalenkampfes).
- Es kommt zu umorientiertem Verhalten gegen ein Ersatzobjekt oder gegen sich selbst.
5. Handlungsketten am Beispiel der Stichlingsbalz
Oft treten Instinkthandlungen nicht isoliert
auf, sondern als typische Abfolge
hintereinander ablaufender
Verhaltensweisen, sogenannter
"Handlungsketten".
Zweck von Handlungsketten: Art- und
Individualerkennung.
Ziel: Vermeiden von Irrtümern, z.B. bei der
Partnerwahl.
Bei der Paarung des Stichlings kommt es zu
einer Verschränkung zweier
Handlungsketten von Männchen und
Weibchen. Die Verhaltensweise des einen
Fisches stellt dabei jeweils den Schlüsselreiz
für das folgende Verhalten des Partners dar.
Die folgende Auflistung zeigt diese Abfolge:
Balz des Stichlings
Erscheint
ist Schlüsselreiz für folgendes Verhalten
Zick-Zack-Tanz
ist Schlüsselreiz für folgendes Verhalten
Bauchweisen
ist Schlüsselreiz für folgendes Verhalten
Schwimmt zum Nest
ist Schlüsselreiz für folgendes Verhalten
Folgt dem Männchen zum Nest
ist Schlüsselreiz für folgendes Verhalten
Zeigt den Nesteingang
ist Schlüsselreiz für folgendes Verhalten
Schlüpft in das Nest
Der Schwanzstiel außerhalb des Nests ist Schlüsselreiz für
folgendes Verhalten
Schnauzentriller auf den
Schwanzstiel
ist Schlüsselreiz für folgendes Verhalten
Laicht ab und schwimmt aus dem
Nest
Eier im Nest sind Schlüsselreiz für folgendes Verhalten
Besamt die Eier
VERHALTENSBIOLOGIE - : Höhere Lernleistungen
1. Lernen durch Erkunden und Spielen
Diese Lernleistung ist ein wichtiger Aspekt zum Verständnis v.a. auch der menschlichen Individualentwicklung.
Es wäre wünschenswert, wenn auch in der Schule mehr Rücksicht auf die besonderen Anforderungen dieser
höheren Lern- und Verstandesleistung gelegt werden könnte.
Lernen durch Erkunden und Spielen findet statt unter
folgenden Bedingungen:
- entspannte Atmosphäre ohne Stress, Erfolgsdruck,
Zielvorgabe
- Neugierverhalten gegenüber unbekannten Objekten oder Bei Rotgesichtsmakaken wird beobachtet, dass sie
Verhaltensweisen
Kartoffeln vor dem Verzehr waschen. Diese Fertigkeit
entstand in einer Population und wurde von Generation
Am häufigsten findet das Spielverhalten in der
zu Generation weiter vermittelt. Man spricht hier von
Entwicklungsphase hin zum adulten Tier statt. Dabei
einer "Tradition".
kommt es zur Nachahmung der geschwisterlichen oder
elterlichen Verhaltensweisen (Rollenspiel). Angeborene
oder gelernte Verhaltensweisen werden dabei eingeübt,
erprobt, verbessert oder neu kombiniert.
Werden neue Verhaltensweisen, die sich bewährt haben,
über mehrere Generationen weitergegeben, so spricht man
von einer "Tradition".
2. Lernen durch Einsicht
Werden Tiere mit einer völlig neuen Situation konfrontiert, so gibt es verschiedene Möglichkeiten, mit den
Erfordernissen der neuen Situation umzugehen. Um das Lernen durch Einsicht von anderen Lernformen
abzugrenzen, wird unten ein einfaches Beispiel betrachtet.
Umwegversuche mit Hühnern und Hunden:
Ein Huhn bzw. ein Hund werden durch einen
Maschendrahtzaun von einem Futternapf getrennt. Sie
sind dieser Situation zum ersten mal ausgesetzt, können
also nicht aus Erfahrung handeln, sondern müssen selbst
eine Lösung finden, sprich: den Weg zum Futter
"lernen".
a.) Lernen ohne Einsicht - trial-and-error:
Die einfachste Strategie lautet "ausprobieren". Wird
beispielsweise ein Huhn in einen nach drei Seiten
geschlossenen Drahtverhau gesetzt und jenseits des
Zauns Futter abgestellt, so wird es zunächst mehrere
Versuche starten, durch den Zaun zu gelangen. Dies
führt nicht zum Erfolg.
Der Ausweg über die rückwärtige Öffnung und der
Umweg um den Zaun herum führen schließlich zum
Futter (positive Verstärkung).
Beim nächsten mal wird das Huhn dann gleich um den
Zaun herum gehen, es hat diese Lösung des Problems
durch operante Konditionierung gelernt (bedingte
Aktion).
b.) Lernen mit Einsicht lässt sich in zwei Phasen
gliedern:
Denkphase: Der Hund verschafft sich einen Überblick
über die räumliche Situation, er hat "Einsicht" in die
räumlichen Gegebenheiten. In Gedanken nimmt er den
Lösungsweg vorweg. Nach außen hin ist in dieser Phase
nichts sichtbar, höchstens Andeutungen von
Bewegungen.
Handlungsablauf:
Der Hund begibt sich zum Futternapf. Dies geschieht ...
... zielgerichtet
... ununterbrochen
... auf Anhieb richtig.
Solche Lernvorgänge, bei denen - unsichtbar von außen - in den Tieren ein Denkvorgang abläuft, begegnen uns
im Tierreich häufig. Hier noch einige weitere Beispiele für "Lernen durch Einsicht":
Werkzeuggebrauch: Es ist bekannt, dass Schimpansen Stöckchen benutzen, um Ameisen zu "angeln". Aber
auch bei Vögeln beobachtet man solches Verhalten. Ein Darwinfink auf den Galapagosinseln benutzt Dornen
oder dünne Ästchen als Spieß, um Larven aus Baumritzen zu ziehen.
Werkzeugherstellung: Als noch höher entwickelt ist es anzusehen, wenn Tiere Werkzeuge erst gezielt
herstellen. So schieben z.B. Affen Stöckchen so ineinander, dass sie lange genug sind, um an Futter zu gelangen.
Teilweise spitzen sie sogar die Stöckchen vorher an, so dass diese ineinander geschoben werden können. Auch
beim oben erwähnten Finken kann man beobachten, dass er zu lange Ästchen erst mit seinem Schnabel auf die
passende Länge kürzt.
Handeln nach Plan: Menschenaffen können zur Lösung eines Problems auch Zwischenschritte einplanen. So
können sie z.B. mehrere Kästchen mit verschiedenen Schlüsseln in der richtigen Reihenfolge öffnen, um
schließlich an ein Kästchen mit Futter zu gelangen. Die Zwischenschritte alleine sind dabei sinnlos, nur durch
die geistige Vorwegnahme des Endergebnisses machen sie einen Sinn. Der Affe legt sich also einen Plan bis
zum Endergebnis zurecht.
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