Rechts, Links, oder doch "gemäßigte Mitte"? - Politischer Extremismus in Deutschland Innerhalb des organisierten politischen Liberalismus wird gerne und oft gestritten, wo er im sogenannten "Spektrum der Parteien" einzuordnen sei - in der Mitte zwischen SPD und CDU? Haben sich die Positionen der Volksparteien inzwischen so verändert, dass die FDP rechts der CDU einzuordnen ist? Wen diese Fragen umtreiben, der sieht das politische Spektrum als klare Linie, auf der sich die Parteien nebeneinander einordnen. Dabei ist man sich weitgehend einig, dass die Gruppierungen an beiden Rändern als verwerflich zu betrachten sind. Immer wieder stellt sich die Frage, wo die Grenze zwischen radikaleren, aber demokratischen Positionen einerseits und extremen und verfassungsfeindlichen Ideologien andererseits verläuft. Sensibilisiert durch die eigene Geschichte sind die Deutschen zwar grundsätzlich misstrauisch gegenüber gerade rechtem Gedankengut, doch erfahren die NPD sowie andere rechtsgerichtete Parteien in manchen Gegenden der Bundesrepublik trotzdem einen großen Zuspruch. Immer wieder kommt es überall in Deutschland zu Gewalttaten, die in Zusammenhang mit politischem Extremismus stehen, vom Mord an Generalbundesanwalt Buback in den 70er Jahren bis zu den so genannten "Dönermorden" in den 2000er Jahren. Diese Vorkommnisse führen regelmäßig zu Aufschreien in der Bevölkerung und müssen als Ausrede herhalten für Forderungen nach besserer Überwachung durch Vorratsdatenspeicherung oder Parteiverbote. Die etablierten Parteien sind hier gefordert, ohne Überreaktionen Antworten zu finden auf steigenden Zuspruch zu extremen Parteien und politisch motivierte Verbrechen. Als Regierungspartei in Bund und Land ist hier gerade die FDP in der Pflicht. I. Arten des Extremismus Das Vertreten inhaltlich extremer politischer Positionen ist für die JuLis Bayern nicht grundsätzlich verwerflich, denn die Meinungsfreiheit gehört zu den Grundfesten unseres Rechtsstaates. Extreme Meinungen in der politischen Landschaft dienen der Schärfung des inhaltlichen Profils der Parteien, die sich selbst als "mittig" einordnen. Sie treiben Gedanken auf die Spitze und fordern die Argumentationskraft der gemäßigten politischen Akteure heraus. Aus diesen Gründen müssen radikale Positionen aus Sicht der Jungen Liberalen Bayern zuallererst mit Argumenten bekämpft werden. Erst wenn sie den Grundprinzipien des Grundgesetzes widersprechen oder Gewalt als Mittel der Durchsetzung benutzt wird, ist ein Einschreiten notwendig. Allen extremen politischen Strömungen ist eines gemein: Ihr Ziel sind nicht kleinere und größere Änderungen der deutschen Gesetzeslandschaft, um damit in einzelnen Politikfeldern ihre Ansichten durchsetzen zu können - ihr Blick richtet sich auf das große Ganze. Das haben linker, rechter und auch religiöser Extremismus, soweit er politische Vorstellungen enthält, gemeinsam. Die Jungen Liberalen Bayern fordern daher die Gleichbehandlung extremer und radikaler Gruppierungen jeder Couleur. Linker Extremismus wird derzeit noch oft verharmlost oder nicht wahrgenommen, während gegen rechten Extremismus großer Widerstand ständig stattfindet und auch die Politik besonders sensibilisiert für jedwedes rechte Gedankengut ist. Aufgrund der deutschen Geschichte ist dies zwar nachvollziehbar, es ist aber nicht ersichtlich, warum das andere Ende des politischen Spektrums mehr oder weniger unangefochten bleibt. II. Parteiverbote Die Jungen Liberalen Bayern stehen generell zum Instrument des Parteiverbotes. Doch die Ausgestaltung des Verfahrens ist unklar und rechtsstaatlich bedenklich. Zurzeit ist die einzige Rechtsgrundlage für ein Parteiverbotsverfahren der Satz "Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht." in Art. 21 Abs. 2 des Grundgesetzes. Das Ermessen über Ja oder Nein zum Verbot liegt demnach allein in der Hand der Richter des Verfassungsgerichts. Das führt dazu, dass jedes Verbotsverfahren zu einem großen Teil eine hochspekulatives Glücksspiel darstellt, dass unter anderem von der aktuellen personellen Zusammensetzung der entscheidenden Richter abhängt. In den Augen der Jungen Liberalen Bayern ist dies einem so wichtigen Verfahren wie dem des Parteiverbotes nicht angemessen. Sie fordern daher die Aufstellung eines Kriterienkataloges, der als Anhaltspunkt für die Erfolgschancen eines Verbotsantrages gelten kann und für die Richter des Bundesverfassungsgerichtes verbindlich ist. Unter anderem soll sich in diesem Katalog die Nicht-Existenz von VLeuten innerhalb der zu verbietenden Partei wiederfinden. Weiterhin sehen die Jungen Liberalen eine Klärung der Frage, ob ein erneutes Verbotsverfahren gegen die NPD angestrengt werden soll, als dringend notwendig an. Alternative 1: Dabei sprechen sie sich dafür aus, dass durch den Abzug der VLeute, die der Verfassungsschutz innerhalb der NPD positioniert hat, die Voraussetzungen geschaffen werden, um einen neuen Antrag auf ein Verbot der NPD beim Bundesverfassungsgericht stellen zu können. Bevor ein solcher eingereicht wird, ist unbedingt sicherzustellen, dass er mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird. Stellt sich heraus, dass diese Wahrscheinlichkeit nicht gegeben ist, so ist von einem Verbotsantrag abzusehen. Alternative 2: Dabei sprechen sie sich gegen ein erneutes Verbotsverfahren gegen die NPD aus. Der Abzug der V-Leute, der für ein erfolgreiches Verfahren zwingend notwendig wäre, würde den wertvollen Informationsfluss über die Interna der Partei jäh zum Erliegen bringen und würde bis zu einem möglichen Verbot radikalen Strömungen innerhalb der NPD ermöglichen, unentdeckt agieren zu können. Zudem würde ein möglicher weiterer Sieg der NPD vor dem Bundesverfassungsgericht ihre Stellung innerhalb der Parteienlandschaft stärken. Für die Jungen Liberalen muss in einer Demokratie eine Partei, die eine gewisse Anzahl an Anhängern hat, auf dem politischen Parkett entlarvt und übertrumpft werden, ohne dass man sich des Mittels eines Parteiverbotes bedienen müsste. III. Verfassungsschutz Für die Bekämpfung extremistischer Organisation und politisch motivierter Gewalt ist derzeit sowohl das Bundesamt für Verfassungsschutz zuständig als auch die Landesämter für Verfassungsschutz sowie die Polizei. Dabei führt die aufgeteilte Struktur in Bundesamt und Landesämter aber nicht zu effektiver Arbeitsteilung, sondern zu Verwirrung. Im 21. Jahrhundert müssen nicht nur kleine Gruppierungen in einzelnen Landkreisen beobachtet werden, auch Prävention muss neu gedacht werden. Jugendliche können über das Internet leicht kontaktiert und angeworben werden, die Grenzen zwischen den Bundesländern sind dabei mehr und mehr irrelevant. Die Doppelstruktur der Verfassungsschutzämter in den Ländern führt dabei nur zu großen Datenmengen, die ständig unter den Ämtern hin und her geschoben werden müssen. Die Jungen Liberalen Bayern fordern daher die Abschaffung der Landesämter für Verfassungsschutz. Die Hauptaufgaben des Landesamtes in Bayern sollen stattdessen zum größten Teil der bayerischen Polizei übertragen werden. Die Betreuung der Aussteigerprogramme, das Anlegen von Täterdateien und die Annahme anonymer Hinweise sind bei der Polizei in den richtigen Händen, vielmehr erspart es sogar Schritte des Datenaustausches, wenn die Polizei die direkte Zuständigkeit erhält. Die vom Landesamt für Verfassungsschutz geleistete Öffentlichkeitsarbeit kann überwiegend auf das Bundesamt für Verfassungsschutz übertragen werden. Diese muss nach Ansicht der Jungen Liberalen Bayern außerdem moderner und zielgerichteter werden und darf sich nicht auf den jährlichen, gedruckten Verfassungsschutzbericht beschränken. IV. Volksverhetzung Die Folgen des NS-Regimes und des Zweiten Weltkrieges sind in der Bundesrepublik Deutschland in vieler Hinsicht deutlich sichtbar - eine davon ist das deutsche Recht. In den 90er Jahren wurde in das deutsche Strafgesetzbuch der § 130 "Volksverhetzung" neu eingefügt. Er stellt in den Absätzen 3 und 4 nicht nur die Leugnung, sondern auch die Billigung, Verharmlosung, Verherrlichung und Rechtfertigung des Holocaustes und der nationalsozialistischen Herrschaft unter Strafe. Alternative 1: Die Jungen Liberalen tolerieren keine der im § 130 Abs. 3+4 StGB erwähnten Handlungen und sehen sie als verwerflich an. Dennoch ist für sie ein eng umgrenztes, klares und unpolitisches Strafrecht ein wesentlicher Teil des funktionierenden Rechtsstaates. Gerade die Begriffe "Billigung" und "Verharmlosung" lassen einen solch weiten Interpretationsspielraum, dass vollkommen unklar ist, wann der Tatbestand des § 130 StGB erfüllt ist. Die Jungen Liberalen fordern daher im Sinne eines Rechtsstaates ohne die Möglichkeit für richterliche Willkür die Streichung des § 130 Abs. 3 und 4 StGB. Alternative 2: Trotz rechtsstaatlicher Bedenken ob der Bestimmtheit dieser Strafnorm halten die Jungen Liberalen Bayern grundsätzlich an ihr fest. Für sie ist die abschreckende Wirkung, die von einem Strafgesetz ausgeht, essentiell und die Symbolkraft ein wichtiges Zeichen für die noch lebenden Opfer des NS-Regimes. Die Jungen Liberalen Bayern fordern jedoch die Konkretisierung der unter Strafe gestellten Handlungen durch eine Änderung des § 130 StGB, um Willkür in der Auslegung vorzubeugen. V. Prävention durch Bildung Das Ziel in der Erziehung junger Menschen kann es nach Ansicht der Jungen Liberalen Bayern nicht sein, ihnen bestimmtes politisches Gedankengut erklärungslos zu verbieten. Wir als Liberale ziehen aus unserem Selbstverständnis heraus stets größtmögliche Information über vermeintlich schlechte Einflüsse dem reinen Verbot vor - das gilt auch in Bezug auf politisch extremes Gedankengut. Die momentane Praxis in den Lehrplänen bayerischer Schulen setzt auf die intensive Beschäftigung mit den Geschehnissen des Zweiten Weltkrieges und der Nazizeit und hofft, dass dies von allein dazu führt, dass das Label "rechts" für die Schüler abschreckend wirkt. Längst hat sich aber die Strategie der NPD und anderer politisch extremer Parteien gewandelt: Sie vermeiden jede Meinungsäußerung über das Dritte Reich, betonen, dass dies Vergangenheit sei, und machen junge Menschen stattdessen auf aktuelle politische Problemlagen aufmerksam, um sie zu ködern. Es ist daher nicht allein Aufgabe des Geschichtsunterrichts, Schüler politisch zu sensibilisieren. Die Jungen Liberalen Bayern fordern eine Ausweitung des Sozialkundeunterrichts in allen Schulformen. Zusätzlich zum bisherigen Lehrplan sollen vor allem die Prinzipien des Grundgesetzes sowie die Geschichte und Entwicklung der einzelnen Parteien in Bezug auf ihre Programmatik behandelt werden. Das Ziel soll dabei sein, die Schüler so umfassend über das politische System der Bundesrepublik Deutschland zu informieren, dass sie bei ihrer ersten Teilnahme an Wahlen am Ende der Schulzeit in der Lage sind, Wahlversprechen und -programme kritisch zu hinterfragen und eine überlegte Entscheidung zu treffen. Jeder gut informierte Schüler ist ein Wähler weniger, der auf Köder der extremen Parteien hereinfällt. Zudem fordern die Jungen Liberalen Bayern eine Umstrukturierung des Geschichtsunterricht. Derzeit bietet der Lehrplan gerade in der Kollegstufe an den Gymnasien eine Fülle an Stoff mit Bezug zur NS-Zeit und dem Zweiten Weltkrieg. Dieser Stoff soll sinnvoll gekürzt werden um Zeit zu schaffen für die Themen "Deutsche Geschichte nach 1945" und "Kalter Krieg". Durch die momentane Fokussierung auf rechtes Gedankengut in der Geschichte entsteht ein Missverhältnis zu linksextremem Gedankengut. Die Geschichte der DDR, der Taten der RAF und des Eisernen Vorhangs sind sind unverzichtbar für ein umfassendes politisches Grundverständnis und dürfen in der Schulbildung nicht weiter zu kurz kommen. VI. Ehrenamtliche Arbeit Die ehrenamtliche Arbeit von Vereinen und Organisationen ist eine der wichtigsten Säulen gegen politisch motivierte Gewalt. Es lässt sich aber eine klarer Schwerpunkt in dieser Arbeit feststellen: Die meisten Organisationen kümmern sich um Aussteiger aus der rechten Neonaziszene. Diese Arbeit ist zwar wichtig, jedoch auch etwas einseitig. Auch hier müssen nach Ansicht der Jungen Liberalen Bayern alle Arten extremistischer Gesinnung gleich behandelt werden. Die Gründung von Vereinen, die sich speziell mit linksgerichtetem Extremismus beschäftigen, sowie von solchen Organisationen, die hauptsächlich Aufklärung und Prävention von Jugendlichen betreiben, muss gefördert werden. Die Jungen Liberalen Bayern fordern eine stärkere Kooperation aller Schulformen mit ehrenamtlichen Organisationen, um die klassische Schulbildung mit der Praxis verknüpfen zu können. Dabei darf aber die politische Bildung nicht an Externe "abgeschoben" werden - diese muss weiter im Klassenzimmer stattfinden. Als großes Handlungshindernis für ehrenamtliche Arbeit erweist sich momentan vor allem die Finanzierung. Vereine können nur von einem Jahr zum nächsten planen, langfristige Programme, die nicht direkt in staatlicher Hand liegen, sind damit so gut wie unmöglich. Hier muss eine Finanzierungsmöglichkeit gefunden werden. Die Jungen Liberalen Bayern fordern daher die FDP Fraktion im Bayerischen Landtag auf, zu prüfen, ob die Gründung einer Landesstiftung zur langfristigen Finanzierung möglich ist. Dabei sollen die Mittel, die durch die Stiftung verteilt werden, zum größtmöglichen Teil aus Spenden stammen, um ein gewisses Maß an Staatsferne zu garantieren.