Zur Frage 2 - beim Kanton Aargau

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REGIERUNGSRAT DES KANTONS AARGAU
Aarau, 2. April 2003
03.5
Interpellation Peter Jean-Richard, Aarau, vom 7. Januar 2003 betreffend Definition
der Qualitäten des Grossen Rats und der Bereitstellung von Abstimmungsunterlagen im Zusammenhang mit der Initiative zur Reduktion der Parlamentsgrösse; Beantwortung
I.
Text und Begründung der Interpellation wurden den Mitgliedern des Grossen Rats unmittelbar nach der Einreichung zugestellt.
II.
Der Regierungsrat antwortet wie folgt:
Zur Frage 1
"Welche Qualitäten können für die Beurteilung des GR verwendet werden?"
Die Tätigkeit des Grossen Rats ist Teil des staatlichen Handelns und unterliegt damit gleich wie die Regierungs-, Verwaltungs- und die Justiztätigkeit - bestimmten Qualitätsanforderungen. Allerdings besteht zu den übrigen staatlichen Tätigkeiten insofern ein Unterschied, als dass die besondere demokratische Bedeutung des Grossen Rats die Auswahl
effizienzsteigernder Massnahmen teilweise einschränkt.
Die Frage nach den Qualitäten für die Beurteilung des Grossen Rats ist im Zusammenhang mit einer möglichen Verkleinerung des Parlaments in erster Linie als Frage nach
den Funktionen und Kennzeichnungsmerkmalen des Grossen Rats zu beantworten. Jedes Parlament hat einen verfassungs- und gesetzmässig festgelegten Zuständigkeitsbereich, innerhalb dessen es Leistungen zu erbringen hat. Das Tätigkeitsfeld des Grossen
Rats umfasst unter anderem die politisch wichtigen Bereiche Gesetzgebung, Oberaufsicht, Ausübung der Finanzkompetenzen und Tätigkeit als Wahlbehörde. Von traditionell
grosser Bedeutung ist im Weiteren die Repräsentationsfunktion des Grossen Rats. Dies
gilt sowohl hinsichtlich der Vertretung der Regionen als auch der Vielfalt der politischen
Parteien und Gruppierungen. Dabei soll die verfassungsmässige Fixierung der Sitzzahl
der politischen Stabilisierung und der Konstanz der Arbeitsbedingungen des Parlaments
dienen. Schliesslich zeichnet sich der Grosse Rat durch seinen Milizcharakter aus, der es
grundsätzlich Personen aller Berufsgruppen und sozialer Schichten ermöglichen soll, ein
Grossratsmandat auszuüben.
-2Zur Frage 2
"Wie können diese Qualitäten gemessen werden (Indikatoren)?"
Es gilt die Voraussetzungen zu prüfen, unter denen der Grosse Rat in die Lage versetzt
wird, seine Zuständigkeiten und Aufgaben im Zusammenwirken mit Regierung und Verwaltung möglichst optimal wahrzunehmen. Im Rahmen der laufenden Parlamentsreform
wurden Massnahmen zur Verbesserung der Effizienz und der Wirksamkeit des staatlichen
Handelns vorgeschlagen. Dabei wurde die Notwendigkeit folgender Änderungen betont:
Konzentration des Grossen Rats auf das Wesentliche, Verbesserung der Zusammenarbeit mit Regierung und Verwaltung und optimale Ausgestaltung der parlamentarischen
Strukturen sowie Verfahren. Als bedeutendste Änderung in organisatorischer Hinsicht
wurde ursprünglich die Reduktion der Sitzzahl vorgeschlagen, da eine Verkleinerung des
Grossen Rats als wichtigste Voraussetzung für eine umfassende Parlamentsreform beurteilt wurde. Der Grosse Rat selbst hat sich aber im Rahmen der Beratung des Gesamtberichts zur Parlamentsreform und im Zusammenhang mit der Volksinitiative "Abspecken
beim Grossen Rat!" mehrheitlich gegen eine Verkleinerung der Sitzzahl ausgesprochen.
Zur Frage 3
"Wie sind die Qualitäten des GR im Vergleich mit anderen Parlamenten zu bewerten?"
In den letzten Jahren sind in verschiedenen Kantonen Massnahmen zur Optimierung der
staatlichen Strukturen eingeleitet worden. Im Zuge dieser Reformen wurden auch einige
Kantonsparlamente verkleinert. Beweggründe hierfür bildete in erster Linie das Bestreben
nach einer Effizienzsteigerung des Ratsbetriebs und damit verbunden nach einer Beschleunigung des politischen Entscheidprozesses. Zudem wurde auch die mit einer Verkleinerung der Sitzzahl einhergehende Kostenersparnis angeführt. Hinsichtlich der Repräsentationsfunktion des Parlaments ist regelmässig die Auffassung vertreten worden, dass
die Meinungsvielfalt und die Vertretung der Regionen mit einer Anpassung der Wahlkreise
auch weiterhin gewährleistet werden kann. Die eingeleiteten oder bereits umgesetzten
Reformbestrebungen in anderen Kantonen verdeutlichen die Tendenz zur stärkeren Gewichtung der Leistungsfunktion gegenüber der Repräsentationsfunktion des Parlaments.
Dieser Entwicklung kann sich der aargauische Grosse Rat angesichts des raschen Wandels in Wirtschaft und Gesellschaft nicht entziehen.
Der Blick in die umliegenden Kantone ergibt bezüglich Parlamentsgrösse und Anzahl Sitzungen pro Jahr folgendes Bild:
Kanton
Sitzzahl
Anzahl Sitzungstage 2002/03
(Kalender- oder Amtsjahr)
Aargau
200
29
90
19
Basel-Stadt
130
23
Luzern
120
19
Solothurn
144 (ab LP 2005/09: 100)
16,5
Basel-Landschaft
-3-
St. Gallen
180
12
Zürich
180
59 Halbtage
Zu den Fragen 4 und 5
"Welche dieser Qualitäten werden durch die Reduktion der Parlamentsgrösse beeinflusst?
Welche Veränderungen dieser Qualitäten werden erwartet?"
Die Reduktion der Sitzzahl könnte zu einer effektiven Steigerung der Leistungsfähigkeit
des Grossen Rats beitragen. Die Belastung der Ratsmitglieder dürfte sich aber nicht so
stark erhöhen, dass die Aufgabe nicht mehr im Nebenamt erfüllt werden kann. Dies setzt
voraus, dass die im Rahmen der Parlamentsreform vorgeschlagenen Verbesserungen im
organisatorischen Bereich realisiert werden. Erfolgt gleichzeitig mit der Parlamentsverkleinerung eine Anpassung des Wahlsystems, kann auch die durch das Repräsentationsprinzip geforderte, möglichst grosse Vertretung von Bevölkerung und Regionen in sehr
hohem Masse gewährleistet werden. In diesem Zusammenhang ist schliesslich auch der
Tatsache Rechnung zu tragen, dass die geplante Einführung der Wirkungsorientierten
Verwaltungsführung eine Veränderung des Wirkungsfelds des Parlaments zur Folge haben wird. Bei einer verstärkten Konzentration des Grossen Rats auf die Grundzüge und
Schwerpunkte der Politik, dürfte sich eine quantitative Verringerung der Parlamentsaufgaben ergeben, was tendenziell eine kleinere Mitgliederzahl des Parlaments erfordert.
Zur Frage 6
"Wird der RR die Qualitätsthematik gemäss dieser Interpellation in die Abstimmungsunterlagen einfliessen lassen?“
An seiner Sitzung vom 12. März 2003 hat der Regierungsrat die Abstimmungserläuterungen zur Volksinitiative "Abspecken beim Grossen Rat!" verabschiedet. Dabei stellte sich
die Vorfrage nach dem Umgang mit den unterschiedlichen Auffassungen zwischen ihm
und dem Grossen Rat bezüglich der Frage der angemessenen Parlamentsgrösse. Der
Regierungsrat beschränkte sich in der Folge darauf, in den Abstimmungserläuterungen
den Hintergrund und die Absicht der Volksinitiative sowie die Argumente der Mehrheit des
Grossen Rats darzulegen. Der Darstellung der Ansichten des Initiativkomitees wurde praxisgemäss in einem eigenen Abschnitt Platz eingeräumt. In diesem Umfeld war eine vertiefte Auseinandersetzung mit der vom Interpellanten aufgeworfenen Frage nach den
Qualitäten des Grossen Rats weder möglich noch sinnvoll.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen Fr. 1'517.--.
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