Initiative zur Präzisierung des § 127 Abs. 2 SGB V Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung, namentlich bei der Inkontinenzhilfsmittelversorgung von Heimbewohnern über die Grenzen eines Bundeslandes hinaus, hat sich aufgrund aktueller Vorkommnisse, die folgende Gesetzeslücke offenbart, die im Interesse der Entbürokratisierung in der Pflege, einer flächendeckenden bedarfsgerechten und wohnortnahen sowie einer integrierten Versorgung dringend der Schließung bedarf: Aus § 127 SGB V folgt die Pflicht der gesetzlichen Krankenkassen, die Versorgung ihrer Versicherten mit medizinischen Hilfsmitteln und damit auch Inkontinenzhilfsmitteln (im Folgenden: Inkontinenzmittel) sicher zu stellen mit der Maßgabe, auch die Qualität der Hilfsmittel, die notwendige Beratung der Versicherten, die sonstigen erforderlichen Dienstleistungen sowie die wohnortnahe Versorgung zu gewährleisten. Bei der Versorgung von stationär untergebrachten Versicherten mit Inkontinenzmitteln bieten sich als Leistungserbringer für die Deckung der insofern notwendigen Dienstleistungen (Beratung und Beobachtung der Patienten sowie Anpassung und Lagerung der Produkte) sowie der wohnortnahen Versorgung die Einrichtungen an, bei denen die Versicherten untergebracht sind. Folglich haben die Landesverbände der Krankenkassen mit den Einrichtungen oder deren Verbänden in der Regel Landesrahmenverträge nach § 127 Abs. 2 SGB V abgeschlossen, nach denen die Einrichtungen für die bedarfsgerechte Inkontinenzversorgung Ihrer Bewohner, einschließlich der vorbezeichneten Dienstleistungen, sowie zur Minimierung des Verwaltungsaufwandes Fallpauschalen erhalten. Fraglich ist, welcher Landesrahmenvertrag bei einer grenzüberschreitenden Versorgung Anwendung findet, also in den Fällen, in denen die Einrichtung die Versorgung eines Bewohners übernimmt, dessen Krankenkasse ihren Sitz in einem anderen Bundesland hat als die versorgende Einrichtung. Das Gesetz trifft hierzu keine Aussage. Das Bundessozialgericht hat diese Frage in seinem Urteil vom 10.04.2008 zum Aktenzeichen B 3 KR 8/07 R ausdrücklich offen gelassen. Bisher haben die Krankenkassen in diesen Fällen den Rahmenvertrag anerkannt, den die Einrichtung in ihrem Bundesland mit dem Landesverband der Krankenkassen abgeschlossen hat, welcher der Kassenart der verpflichteten Krankenkasse entspricht. Es galt somit das Regionalitätsprinzip, welches auch der Gesetzeslage bei anderen Sozial- und Versorgungsleistungen entspricht, so beispielsweise bei Vereinbarungen über Sozialhilfeleistungen gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB XII oder nach dem Bundessozialgericht bei der Krankenhausbehandlung nach § 112 SGB V und der Arzneimittelversorgung nach § 129 SGB V. Nunmehr wenden jedoch immer mehr landesunmittelbare Kassen, wie etwa die AOK BadenWürttemberg und die AOK Sachsen-Anhalt, bei der grenzüberschreitenden Inkontinenzversorgung nur noch ihre eigenen Rahmenverträge an oder lassen die betroffenen Einrichtungen durch andere ihrer Vertragspartner beliefern. Dies führt zu einer erheblichen Erschwernis bei der Versorgung, da beide Alternativen für die betroffenen Einrichtungen mit einem wirtschaftlich nicht zumutbaren Aufwand verbunden sind. Werden die Einrichtungen gezwungen, sich unterschiedlichen Landesrahmenverträgen zu unterwerfen, hat dies nicht nur einen erhöhten bürokratischen Aufwand hinsichtlich der unterschiedlichen Beitritte, Vertragspflichten und Abrechnungsmodalitäten zur Folge. Die Einrichtungen müssen auch bei einer Änderung ihrer Bewohnerstruktur immer wieder neu kalkulieren und die Versorgung und die Produktauswahl dem Budget für den jeweiligen Bewohner anpassen. Eine qualitativ gleichwertige Versorgung der Bewohner ist dadurch nicht mehr gewährleistet. Werden die Produkte für die einzelnen Bewohner hingegen durch verschiedene andere Vertragspartner der Krankenkassen geliefert, entspricht es der Erfahrung, dass diese die Produkte in großen Mengen auf Vorrat nur bis zum Haupteingang der Einrichtung liefern und die übrigen für die Inkontinenzversorgung notwendigen Dienstleistungen vernachlässigen. Die Lagerung, Zuteilung, Beratung, Beobachtung und Anpassung der Produkte bleibt so nach wie vor den Einrichtungen aufgebürdet, ohne dass sie in diesem Fall eine Vergütung hierfür erhalten würden. Der Preiswettbewerb der Kassen und der Leistungserbringer wird so auf dem Rücken der betroffenen Einrichtungen ausgetragen. In der Konsequenz gefährdet diese Vorgehensweise die Versorgungssicherheit der Versicherten. Im Zweifel wird sich eine Einrichtung bei mehreren Bewerbern um einen Heimplatz gegen den Bewohner entscheiden, der bei einer Kasse aus einem anderen Bundesland versichert ist, um den beschriebenen Verwaltungsaufwand und die wirtschaftlichen Nachteile zu vermeiden. Damit kommt es zu einer Ungleichbehandlung in der Inkontinenzversorgung insbesondere zwischen Versicherten landesunmittelbarer Kassen und den Versicherten der bundesunmittelbaren Ersatzkassen, bei denen diese Problematik nicht besteht. Dem kann wegen der allgegenwärtigen Mobilität der Bevölkerung nicht das Argument entgegen gesetzt werden, der Versicherte habe die Möglichkeit oder gar die Pflicht, sich in dem Bundesland unterbringen und versorgen zu lassen, in dem auch seine Krankenkasse ihren Sitz hat, nur um den bestmöglichen Versorgungseffekt für sich zu erzielen. Einerseits kann es gerade bei Versicherten aus ländlichen Gebieten vorkommen, dass eine Einrichtung eines anderen Bundesland dem Wohnort des Versicherten näher gelegen ist, als eine Einrichtung im eigenen Bundesland. Andererseits hat der Gesetzgeber durch den Wettbewerb der Krankenkassen bewusst Anreize dafür geschafften, sich bei der Wahl der Krankenkasse am Preis-Leistungs-Verhältnis zu orientieren anstatt an deren Sitz (für die Arzneimittelversorgung so auch: BSG, U. v. 17.01.1996, Az.: 3 RK 26/94). Vor diesem ist Hintergrund ist die gesetzliche Festschreibung des Regionalitätsprinzips auch für die Inkontinenzmittelversorgung von Heimbewohnern dringlich geboten, indem nach Satz 2 des § 127 Abs. 2a SGB V folgender Satz 3 eingefügt wird: „Im Fall der Inkontinezhilfsmittelversorgung von in stationären Einrichtungen gemäß § 71 Abs. 2 SGB XI lebenden Versicherten durch den Einrichtungsträger ist der Rahmenvertrag, den der für den Sitz der Einrichtung zuständige Landesverband der Krankenkassen geschlossen hat, für andere Landesverbände und Krankenkassen derselben Kassenart verbindlich.“