Theorieteil CM - Curriculum Mobilität

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Das Curriculum Mobilität – Eine Einführung
0
Zur Einordnung des Curriculum Mobilität __________________________________ 2
1
Darstellung der formalen Struktur des Curriculum Mobilität ____________________ 4
2
1.1
Schaubilder zum Aufbau und zur fachlichen Verortung des Curriculum
Mobilität __________________________________________________________ 4
1.2
Die Bausteine und deren Funktion ____________________________________ 7
Zum Begriff „Mobilität“ als zentralem Handlungsfeld in Gesellschaft und
Weltgemeinschaft _______________________________________________________ 7
2.1
Die Thematik Mobilität in diesem Curriculum – mehr als automobilisierter
Verkehr __________________________________________________________ 7
2.2
Mobilität als zentrales Thema und Gestaltungsfeld nachhaltiger Entwicklung _________________________________________________________ 12
3
4
Der Beitrag von Bildung zu einer nachhaltigen Mobilität ______________________ 17
3.1
Gestaltungskompetenz im Handlungsfeld Mobilität als Zielgröße des
Curriculums ______________________________________________________ 18
3.2
Inhalte, Themen und didaktische Perspektiven des Curriculum Mobilität __ 24
Didaktische Kriterien zur Arbeit mit dem Curriculum Mobilität: Das Leitbild einer
nachhaltigen Entwicklung _______________________________________________ 27
4.1
Das Nachhaltigkeitsviereck als didaktisches Hilfsmittel __________________ 29
4.2
Strategien nachhaltiger Entwicklung als didaktisches Hilfsmittel __________ 31
Glossar __________________________________________________________________ 34
Linkliste _________________________________________________________________ 39
Anhang __________________________________________________________________ 40
1
0 Zur Einordnung des Curriculum Mobilität
„Ein Professor händigte die Unterlagen für das Abschlussexamen aus und verursachte einige
Verwirrung bei den Studenten. Einer von ihnen sprang auf und rief aufgeregt: "Aber, Herr
Professor, das sind ja die gleichen Fragen, die Sie uns bei der letzten Klausur gestellt
haben!" - "Stimmt", sagte er, "aber die Antworten haben sich geändert."”
(Verfasser unbekannt)
Seit 2002 verfügen die Schulen des Landes Niedersachsen über ein Curriculum zum
Themenfeld Mobilität1. Einmalig war und ist im deutschsprachigen Raum die Gültigkeit
dieses Curriculum Mobilität für alle Schulformen und alle Schulstufen.
Die Offenheit des Curriculums gibt den Schulen die Möglichkeit, ein exakt auf die eigene
Schule bezogenes internes - „schulscharfes“ - Mobilitätscurriculum zu gestalten.
Der zweite hervorstechende Vorteil des Curriculum Mobilität besteht darin, dass es kein
fertiges Produkt darstellt, sondern prozesshaft ausgelegt ist. Dies bedeutet, die Bausteine
werden ebenso wie das theoretische Konzept einer kontinuierlichen Revision unterzogen, um
die Inhalte an sich verändernde pädagogische Rahmenbedingungen sowie dem aktuellen
Stand der Forschung anzupassen. Dieser Grundannahme folgend wurden in den letzten beiden
Jahren mehrere Bausteine überarbeitet. Die Orientierung des Curriculum Mobilität am
Konzept Bildung für eine nachhaltige Entwicklung (BNE)2 zielt auf die Ausrichtung an
Gestaltungskompetenz für eine nachhaltige Entwicklung 3 und eine entsprechende inhaltliche
Ausrichtung der Bausteine: Die überarbeiteten Bausteine weisen die jeweiligen
Teilkompetenzen von Gestaltungskompetenz aus, die in den Blick genommen werden.
Diese sukzessiven Veränderungen kommen dem Konzept der eigenverantwortlichen Schule in
Niedersachsen entgegen: Die einzelnen Schulen haben die Möglichkeit ein markantes
Schulprofil im Themenfeld Mobilität auszubilden, das sich in Leitbild und Schulprogramm
widerspiegelt und einen Indikator für Schul- und Qualitätsentwicklung darstellt.
Um dieses Ziel der sich „individualisierenden“ Schulen zu ermöglichen, wurde die in der
Ausgangsfassung des Curriculums reduzierte Fächerintegration jetzt im Wesentlichen in die
Hand der Schule gelegt.
Begriffsdefinition Mobilität: siehe Glossar
Begriffsdefinition Bildung für eine nachhaltige Entwicklung: siehe Glossar und Kapitel 3
3 Begriffsdefinition Gestaltungskompetenz nach Gerhard de Haan: siehe Glossar und Kapitel 2.3
1
2
2
Bei der zukünftigen Entwicklung des Curriculums werden weitere Schritte diesen
Bildungsansatz unterstützen: Nach einhelliger Meinung der Autorinnen und Autoren der
Curriculum-Revision ist es für die Zukunft nur konsequent
 erstens für das Curriculum Mobilität den Elementarbereich mit in den Blick zu
nehmen und
 zweitens das Curriculum Mobilität zum Orientierungsrahmen Schulqualität in
Niedersachsen stärker in Beziehung zu setzen.
In den folgenden Ausführungen zum Konzept für das Curriculum Mobilität wird zunächst der
strukturelle Aufbau des Curriculum Mobilität in einer Übersicht dargestellt.
Daran schließen sich die Erläuterung der zentralen Funktion des Bausteinkonzeptes und des
Begriffs Mobilität an. Dazu wird das Handlungsfeld Mobilität in seiner lokalen und globalen
Relevanz umrissen. Es folgt eine Einführung in das dem Curriculum Mobilität zugrunde
liegende Bildungskonzept Bildung für eine nachhaltige Entwicklung. Hier finden sich
Ausführungen zum verwendeten Kompetenzbegriff sowie inhaltliche Begründungen für
Themenfelder, die sich mit dem Curriculum Mobilität erschließen lassen. Abschließend
werden didaktischen Kriterien für die Arbeit mit dem Curriculum ebenso behandelt wie die
zwei konkreten didaktischen Hilfsmittel, auf die auch in den Bausteinen immer wieder
verwiesen wird: das Nachhaltigkeitsviereck und die Strategien nachhaltiger Entwicklung. Am
Schluss der Einführung werden im Glossar die grundlegenden Begriffe erläutert, die sowohl
in der Einführung als auch in den Bausteinen eine Rolle spielen. Außerdem sind in einer
Linkliste einige interessante Seiten zu Mobilität und Bildung für eine nachhaltige
Entwicklung aufgeführt.
Die Autorinnen und Autoren dieser Ausführungen freuen sich über einen Diskurs mit der
Leserschaft und sind dankbar für jede Form eines angemessenen Feedbacks.4
4
Eine Liste der Autorinnen und Autoren der Bearbeitungsgruppe findet sich im Anhang
3
1 Darstellung der formalen Struktur des Curriculum Mobilität
1.1
Schaubilder zum Aufbau und zur fachlichen Verortung des
Curriculum Mobilität
Bezugsfelder
Mensch
Mobilität
Umwelt
Themenbereiche
Mobilität und Mobilität und Mobilität und Mobilität und Mobilität und Mobilität und
Sicherheit
Technik
Gesellschaft
Umwelt
Medien
Kultur
Dimensionen und Perspektiven der Themenbereiche
Ökonomisch
Ökologisch
Sozial
Kulturell
Die Bausteine
Regeln und
Einsteigen –
Miteinander -
Verdammt in
Lebensräume –
geregelt werden
umsteigen -
gegeneinander
Rausch und
Lebensträume
aussteigen
Drogen
Tourismus –
Lokal – global –
Führerschein im
Im Takt der
Verbrauchen
zuhause und
egal
Kopf
Zeit
und verbraucht
unterwegs
werden
4
Beteiligung der Unterrichtsfächer am schulinternen Curriculum Mobilität
Primarstufe
Die Schulen wählen gemäß ihrer Planung, Gestaltung
Klasse 1 - 4
und personalen Ausstattung die Unterrichtsfächer aus,
die sich in die Arbeit mit dem Curriculum Mobilität
einbinden wollen: Vorteilhaft für die interne Arbeit
kann die Bildung einer Konferenz für
Sekundarstufe I
Klasse 5 / 6
Sekundarstufe I
Klasse 7 / 8
Sekundarstufe I
Klasse 9 / 10
Sekundarstufe II - Klasse 11
fächerübergreifende Lernbereiche sein, die unter
Berücksichtigung der curricularen Vorgaben der
Fächer ein übergreifendes schulinternes Curriculum
entwirft und modelliert. Analog zur Schul- und
Qualitätsentwicklung wird der Weg zur Gestaltung des
Curriculums prozesshaft gestaltet.5
Die Gymnasien orientieren sich an der Vorgehensweise
in der SEK I. Die Möglichkeiten und Chancen des
Gymnasium
fächerübergreifenden Lernbereichs sollen trotz G8 von
den Gymnasien genutzt werden, um innovative Lehrund Lernmethoden zur Wirkung zu bringen.
BBS
Die Berufsbildenden Schulen bestimmen aufgrund der
eigenen Schulstruktur und den spezifischen
Interessenlagen der Fächer Politik und Deutsch sowie
anschlussfähiger Lernfelder, wie die Schule das
Themenfeld Mobilität in die schulinternen Curricula
implementiert.
5
Diese Konferenz identifiziert die Themen und Inhalte, die bereits in den Standards und den curricularen
Vorgaben vorhanden sind und verknüpft sie miteinander zu einem schulinternen Curriculum Mobilität.
5
Anmerkungen zur inhaltlichen Dimension des Curriculums Mobilität
Klassenstufe
Primarstufe
Im Rahmen der eigenverantwortlichen
Schule haben die Schulen die Rechte und die
Klasse 1 bis 4
Kompetenz die schulinternen Curricula zu
gestalten. Demzufolge ist es logisch, dass die
Sekundarstufe I
Schulen auch die für sie stimmigen Inhalte
identifizieren. Das schulinterne Curriculum
Klasse 5 und 6
weist die Inhalte aus. Die Schule achtet bei
der Formulierung darauf, dass die Inhalte
Klasse 7 und 8
systematisch aufeinander aufbauen, mit dem
Ziel, dass alle Inhalte auf das Ziel
Klasse 9 und 10
ausgerichtet sind, ein Mobilitätsverhalten der
Schülerinnen und Schüler zu ermöglichen,
dass den Prinzipien einer nachhaltigen
Entwicklung gerecht wird.
Sekundarstufe II
Die Berufsbildenden Schulen orientieren die
Gymnasium
inhaltliche Ausrichtung aufgrund der neuen
internen Strukturen (ProReKo) an den
Lernfeldern ihrer spezifischen Schule: Die
Berufsbildende Schulen
Maxime kann aber auch hier nur die
Ermöglichung einer nachhaltigen Mobilität
sein
6
1.2
Die Bausteine und deren Funktion
An dem oben aufgeführten Strukturschema des Curriculum Mobilität lässt sich die zentrale
Stellung des Bausteinkonzepts ablesen.
In den zehn Bausteinen bildet sich die Themenpalette des Curriculum Mobilität in ihrer Weite
ab. Die einzelnen Bausteine sind zu verstehen als ein Bereich eines Netzwerkes, das
inhaltliche Beziehungen zu allen anderen Bausteinen aufweist. Die Summe der Inhalte der
Bausteine macht das Insgesamt des Themenfeldes des Curriculums aus.
Die Bausteine sind „offen“ konzipiert, sodass es den Schulen möglich bleibt, Schwerpunkte
zu bilden sowohl hinsichtlich der Verwendung der einzelnen Bausteine, als auch in Bezug auf
die jeweiligen sachlichen Dimensionen innerhalb des Bausteins. So bleibt gewährleistet, dass
jede Schulart und jede Schulstufe entsprechend ihrer didaktischen und methodischen
Ansprüche und Zielsetzungen ein schulspezifisches internes Curriculum Mobilität entwerfen
und implementieren kann.
Dieser Ansatz des Curriculum Mobilität hat die „eigenverantwortliche Schule“ und das
dadurch ermöglichte individualisierte Schulprofil sowie Schulprogramm der Einzelschule im
Blick. Zugleich bleibt der sehr weit gefasste Begriff von Mobilität erhalten, der verhindern
soll, einseitig den Fokus auf verkehrsbezogene Mobilität und Sicherheitserziehung zu richten.
Zwar sind verkehrsbezogene Mobilität und Sicherheitserziehung wichtige Bestandteile, das
Curriculum Mobilität weist inhaltlich aber weit über diese Teilaspekte hinaus.
2
Zum Begriff „Mobilität“ als zentralem Handlungsfeld in Gesellschaft
und Weltgemeinschaft
2.1
Die Thematik Mobilität in diesem Curriculum – mehr als
automobilisierter Verkehr
Mobilität als Themenfeld für ein schulformübergreifendes Curriculum zu wählen, wirft die
Frage nach der Bedeutung von Mobilität für unser Leben auf. Mobilität, wie es in diesem
Curriculum verstanden wird, ist mehr als automobilisierter Verkehr.
Mobilität ist mit ihren Ausprägungen und Wirkungen ein zentrales gesellschaftliches
Gestaltungsfeld und Spiegel unserer Zeit und Bedürfnisse.
7
Im Themenfeld Mobilität lassen sich unter der Perspektive nachhaltiger Entwicklung6
vielfältige Probleme benennen. Diese sind sowohl auf der Ebene des Individuums, als auch
auf gesellschaftlicher und sogar weltgesellschaftlicher Ebene zu finden. Der automobilisierte
Verkehr stellt in diesem Verständnis nur eine Form der Befriedigung des Bedürfnisses7 nach
Mobilität dar.
Kaum ein Problemfeld des Globalen Wandels8 (WBGU) bleibt durch die Frage nach der
Gestaltung von Mobilität unberührt. Sei es der Klimawandel, der u.a. durch die Emissionen
des Straßen- und Flugverkehrs beeinflusst wird, sei es die Frage nach der Verstädterung auf
der Welt, die mit der Frage nach Verkehrskonzepten einhergeht oder die Problematik der
Welternährung, die damit zusammenhängt, welche Wege unsere Nahrungsmittel über den
Globus zurücklegen und was das für soziale, ökologische, ökonomische und kulturelle
Zusammenhänge bedeutet.
Oft sind Probleme im Bereich Mobilität auch in der konkreten Lebenswelt des Einzelnen
erfahrbar, wie z.B. die zunehmende Monopolisierung von Straßen für Straßenverkehr zeigt.
Diese führt zu einer deutlichen Verlagerung des freien Spiels von Kindern in Wohnungen
oder Institutionen. Damit können u.a. der kulturelle Verlust von Straßenspielen oder das
Flüchten in virtuelle Welten bis hin zur sozialen Isolation einhergehen .
Diese hier nur angedeuteten gesellschaftlichen und individuellen Entwicklungen im Bereich
Mobilität stehen beispielhaft für nicht nachhaltige Entwicklungsprozesse.
6
Begriffsdefinition nachhaltige Entwicklung: siehe Glossar
Begriffsdefinition Bedürfnisse: siehe Glossar
8 Begriffsdefinition Globaler Wandel: siehe Glossar
7
8
9
Abb. 1: Tägliche Distanzen nach Verkehrsmitteln am Beispiel Frankreich 1840-1992 und Bayern 1997 (Karg &
Zängler 2003: 363) [mIV = motorisierter Individualverkehr; ÖV = Öffentlicher Verkehr]
Das Curriculum Mobilität hat zum Ziel, solche problematischen Entwicklungen im Bereich
Mobilität zu thematisieren und unter der Perspektive nachhaltiger Entwicklung zu reflektieren
sowie zur Auseinandersetzung mit positiven Gestaltungsszenarien nachhaltigerer Mobilität zu
motivieren. Schülerinnen und Schülern soll damit ermöglicht werden, das eigene Leben in
Richtung einer nachhaltigen Entwicklung gestalten sowie an gesellschaftlichen Prozessen
nachhaltiger Entwicklung partizipieren zu können.
Grundlegend für die Erreichung dieses Bildungsziels ist die Orientierung an zwei miteinander
zusammenhängenden ethischen Prämissen des Konzepts nachhaltiger Entwicklung: die
Orientierung an Demokratie und Menschenwürde und die damit verbundene Orientierung an
einem verantwortungsvollen Umgang mit den natürlichen Ressourcen der Erde sowie deren
gerechte Verteilung in der Welt (intra- und intergenerationelle Gerechtigkeit9)
9
Begriffsdefinitionen inter- und intragenerationelle Gerechtigkeit: siehe Glossar
10
Sicherung und Entwicklung von Demokratie und Menschenwürde
+ Verantwortungsvoller Umgang mit natürlichen Ressourcen
+ Gerechte Ressourcenverteilung in der Welt
Nachhaltige Entwicklung
Abb. 3 : Ethische Prinzipien nachhaltiger Entwicklung
Unter diesen ethischen Prämissen lässt sich auch eine Definition des Konzepts nachhaltiger
Entwicklung von der Enquête Kommission des Bundestages „Schutz des Menschen und der
Umwelt“ von 1998 verstehen:
„Was die grundlegenden Herausforderungen des Leitbildes einer nachhaltig
zukunftsverträglichen Entwicklung betrifft, besteht mittlerweile breites
Einvernehmen in der Diskussion. Ausgehend von dem im Brundtland-Bericht
1987 hervorgehobenen Handlungsprinzip - „Sustainable development meets the
needs of the present without compromising the ability of future generations to
meet their own needs“ - lässt sich der Anspruch ableiten, die Bedürfnisse einer
wachsenden Zahl von Menschen heute und in Zukunft befriedigen zu können und
gleichzeitig eine auf Dauer für alle unter menschenwürdigen, sicheren
Verhältnissen bewohnbare Erde zu erhalten. Darin sind vielfältige ökonomische,
ökologische, demographische, soziale und kulturelle Problemdimensionen
enthalten, die ein globales, regionales, lokales und zugleich in die Zukunft
gerichtetes Handeln erfordern.“
(Enquête Kommission des deutschen Bundestages „Schutz des Menschen und der
Umwelt“, 1998, S. 28)
Hier manifestiert sich die Einsicht, dass wir über eine menschenwürdige und gerechte Welt
nur nachdenken können, wenn wir in unser Denken und Handeln den verantwortungsvollen
Umgang mit den uns zur Verfügung stehenden natürlichen Ressourcen einbeziehen, da wir in
all unseren Belangen von eben diesen Ressourcen abhängig sind. Diese Einsicht drückt sich
im Prinzip Retinität10 aus, welches auch als grundlegende Idee für Bildungssituationen, die
sich mit nachhaltiger Entwicklung beschäftigen, verstanden werden kann.
Um Menschen in Bildungssituationen hierfür zu sensibilisieren und mit ihnen alternative
Gestaltungsmöglichkeiten zu entwickeln, wurde mit Bildung für eine nachhaltige
10
Begriffsdefinition Retinität: siehe Glossar
11
Entwicklung ein Bildungskonzept entwickelt, welches in diesem Curriculum exemplarisch am
Themenfeld Mobilität erarbeitet wird.
Deutlich wird, in der Frage nach dauerhaft befriedigenden und gerechten Lebensbedingungen
auf der Welt, spielt die Frage nach der Gestaltung von Mobilität sowohl
gesamtgesellschaftlich als auch individuell eine entscheidende Rolle. Das hat Konsequenzen
für Bildung, auf die in diesem Curriculum eingegangen wird.
Quellen:
Enquête Kommission des deutschen Bundestages „Schutz des Menschen und der Umwelt“, Konzept
Nachhaltigkeit. Vom Leitbild zur Umsetzung, 1998, S. 28
Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU): Umweltgutachten 1994. Für eine dauerhaft-umwelterechte
Entwicklung. Stuttgart: Metzler-Poeschel 1994, S. 54
Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU): Welt im Wandel:
Herausforderung für die Wissenschaft. Jahresgutachten 1996. Berlin, Heidelberg, u.a.: Springer 1996
2.2
Mobilität als zentrales Thema und Gestaltungsfeld nachhaltiger
Entwicklung
Mobilität, wie es in diesem Curriculum verstanden wird, meint nicht nur Verkehr, sondern
allgemein die Möglichkeit von Bewegung. Petersen / Schallaböck definieren:
Unter Mobilität “wird die Möglichkeit zur räumlichen Bewegung von Menschen
(und Gütern), nicht jedoch die Bewegung an sich verstanden. (...) So drückt sich
ein hoher Grad an Mobilität darin aus, dass eine Person erstens möglichst viele
Optionen für räumliche Bewegung hat, sie jedoch nicht automatisch alle
wahrnimmt, und zweitens den Aufwand für räumliche Bewegung möglichst
minimal hält. Verkehr ist dagegen realisierte Mobilität.“
(Petersen / Schallaböck, 1995, S. 10)
Ein hoher Grad an Mobilität ist durch technologische und soziale Entwicklungen zu einem
zentralen Kennzeichen und Bestandteil moderner Gesellschaften geworden. Dieser drückt
sich einerseits in der konkreten Zunahme räumlicher Bewegung des Einzelnen aus,
andererseits in immer mehr Möglichkeiten und der vermehrten Nutzung virtueller Mobilität.
12
Die Möglichkeit zu Mobilität spielt im Diskurs um eine nachhaltige Entwicklung eine
entscheidende Rolle. Hier rücken Fragen nach der Art von Bewegung, den damit verbundenen
Emissionen, Fragen des Ressourcenverbrauchs, Gesundheitsaspekte sowie soziale und
kulturelle Fragen in den Fokus. Es geht also im Themenfeld Mobilität insbesondere darum zu
reflektieren, wie viel Mobilität uns gut tut, welche Art von Mobilität einer nachhaltigen
Entwicklung zuträglich ist und wie wir mobil sein wollen. Das ist nicht nur die simple Frage
danach, wie wir Wege gestalten wollen, sondern eine grundsätzlichere, nämlich die nach
Lebensstilen und gesellschaftlichen Entwicklungen.
Die vielfältigen Probleme im Bereich Mobilität lassen sich mit den vier Dimensionen
nachhaltiger Entwicklung analysieren:
Ökologisch
Ökonomisch
Sozial
Kulturell
Beitrag zum Klimawandel (Emissionen); Flächenverbrauch und
Flächenversiegelung; Verbrauch nicht erneuerbarer Ressourcen (insb. Öl);
Eintrag von Luftschadstoffen; Schadstoffeintrag in Gewässer;
Biodiversitätsverlust; ...
Global unterschiedliche Infrastrukturen; Ressourcenspekulation;
Ausrichtung technischer Entwicklungen an hedonistischen Leitbildern und
Bedürfnissen (z.B. Hummer, Sportwagen..); Nichtberücksichtigung von
Umwelt- und Sozialkosten; ...
Sicherheit /Unfälle mit Todes- oder Krankheitsfolge; globale Konflikte durch
ungleiche Möglichkeiten zu Mobilität; Soziale Ungerechtigkeit im Zugang zu
Mobilität; Partizipationschancen; Gesundheitsprobleme durch
Lärmbelästigung, Stress, Feinstaubbelastung; ...
Verstädterung; sinkende Lebensqualität in an automobilisierten Verkehr
angepasste Städte; „beschleunigte“ Lebensweise; Bedürfnisbefriedigung;
Globalisierung von nicht-nachhaltigen Mobilitäts-Leitbildern; Verlust von
kultureller Diversität; ...
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen fasst in einem Sondergutachten von 2005 zur
Mobilität im Verkehrsbereich zusammen:
„ Die durch den Straßenverkehr verursachten Folgeschäden für Gesundheit und
Umwelt sind nach wie vor unakzeptabel hoch. Obwohl die Verkehrssicherheit in
der Vergangenheit erheblich verbessert wurde, ist die Teilnahme am
Straßenverkehr weiterhin eine der gefährlichsten täglichen Aktivitäten. Besonders
gefährdet sind die schwächsten Verkehrsteilnehmer wie zum Beispiel Kinder.“
SRU (2005), S. 35
Im Verkehrsbereich weisen Trendanalysen auf einen weiter zunehmenden Fahrzeugbestand,
deutlich steigende Personen- und Güterverkehrsleistungen und Verschiebungen zu Gunsten
13
des motorisierten Individualverkehrs, des Straßengüterverkehrs und der Luftfahrt hin. Dies
führt zu einem deutlich wachsenden Energieverbrauch und zu ansteigenden
Treibhausgasemissionen. Der Anteil des Verkehrs an klimarelevanten CO2 – Emissionen ist
derweil auf ein Fünftel der Gesamtemissionen angestiegen. (SRU, 2005, S. 35) Gegenüber
nationalen und sektoralen Umwelthandlungszielen ist hier ein deutlicher Widerspruch
auszumachen. Deutliche Fortschritte sind hingegen bei anderen Umweltwirkungen
(Versauerung, Eutrophierung, NMHC-Emissionen) zu verzeichnen. Ein rückläufiger, nicht
energetischer Ressourcenverbrauch und eine steigende Verkehrssicherheit sind positive
Trends. Die absolute Höhe der Verkehrstoten, fast ausschließlich aus dem Straßenverkehr,
weist diesen Bereich dennoch als dringliches Handlungsfeld aus.
Abb. 4: Die Entwicklung der Verkehrsopferzahlen von 1979 bis2003
14
Im Bereich der Lärmbelästigungen durch den (vor allem Straßen-)Verkehr ist eine gewisse
Stagnation auf hohem Belästigungsniveau zu erkennen. Akute und chronische Belastungen
durch Verkehrslärm können zu Schlafstörungen führen sowie insgesamt Risikofaktoren für
Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems darstellen.
Wesentlicher Handlungsbedarf besteht beim steigenden Flächenverbrauch durch
Verkehrstrassen und -infrastruktur. Mit der Flächeninanspruchnahme und -zerschneidung geht
u.a. ein hoher Verlust ein Biodiversität einher.
In Bezug auf soziale Aspekte stehen Fragen der Chancengleichheit, des angemessenen
Zugangs zu Mobilität, der Partizipation an der Verkehrsplanung sowie der Bewegungsfreiheit
im öffentlichen Raum im Vordergrund. Hier wiederholen sich gesamtgesellschaftliche
Benachteiligungsmuster, die z. B. an der ungleichen geschlechts-, raum- oder
alterspezifischen Verfügbarkeit des motorisierten Individualverkehrs und an der sozial
asymmetrischen Verteilung der Umweltbelastungen abzulesen sind.
Infobox:
 Es bestehen im verkehrsbedingten Mobilitätsbereich zahlreiche Problemfelder,
auf denen Veränderungen eintreten müssen:

Bei der Verkehrssicherheit ist die Zahl der Todesopfer rückläufig, aber bei ca. 2,3 Mio.
Unfällen sind 70644 Schwerverletzte in 2008 (Statistisches Bundesamt) zu beklagen. Die Zahl
der verunglückten Kinder war im Jahr 2000 EU-weit am höchsten. Fahranfänger sind
überproportional häufig an Unfällen beteiligt.

Die Luftschadstoffe konnten zwar reduziert werden, eine Gefährdung der Gesundheit ist aber
weiter durch diese gegeben.

Die klimarelevanten Treibhausgase stammen zu 20% aus dem Verkehrssektor.

Ein mehrheitlicher Teil der Bevölkerung fühlt sich durch den vom Verkehr verursachten Lärm
belästigt. Forschungen weisen nach, dass sich durch Lärm verschiedene erhebliche
gesundheitliche Erkrankungen ergeben können.

Die Lebensqualität in den vorwiegend an die Bedürfnisse der Autofahrer angepassten Städte
wird für die Anwohner, insbesondere aber für Kinder und andere Verkehrsteilnehmer
(Fußgänger, Radfahrer...) eingeschränkt.

Die Zersiedelung und Versiegelung der Natur und Landschaft trägt massiv zur Einschränkung
für Flora und Fauna bei. Neben dem Verlust von Biodiversität führt dies zu verminderten
Erholungsmöglichkeiten.
15
Eine der größten derzeitigen sowie zukünftigen Herausforderungen ist die wachsende
Urbanisierung (Verstädterung), besonders in Schwellen- und Entwicklungsländern. Im Jahr
2007 lebten zum ersten Mal mehr Menschen in Städten als auf dem Land und 2030 werden es
über 60 Prozent der Weltbevölkerung sein11. Das zentrale Thema ist dabei die Belastung der
städtischen Infrastrukturen. Stadtbewohner auf der ganzen Welt erwarten Lebensqualität in
Form von guter Luft zum Atmen, sauberem Trinkwasser, einer verlässlichen
Energieversorgung, einem funktionierenden Gesundheitswesen sowie guten Möglichkeiten
zur Mobilität. Darum müssen Verkehrssysteme Millionen von Menschen befördern können,
dabei aber so umweltschonend und sozialverträglich wie möglich sein.
Bei der Wahl von Verkehrsmitteln stehen dabei nicht nur rationale Gründe wie Kosten,
Schnelligkeit, Umweltverträglichkeit oder anderes im Vordergrund, sondern auch
Werthaltungen und Einstellungen, die sich in Lebensstilen manifestieren. Diese Beweggründe
zählen zu den grundlegenden Antriebsstrukturen des Menschen und lassen sich über
Wissensvermittlung allein oder gar eine Verteufelung des motorisierten Individualverkehrs
(MIV) nicht ändern.
Infobox:
 Folgende Bedürfnisse werden vom SRU als Faktoren genannt, die für ein
Verständnis der Verkehrsmittelwahl berücksichtigt werden müssen:
 Selbstbestimmung und Individualität: Das Mobilitätsverhalten ist eigenständig und
individuell planbar. Der ÖPNV vor allem im ländlichen Bereich erfüllt nicht das
Bedürfnis nach Zeitersparnis und Bequemlichkeit. Z.B. können Arbeitsplätze weit
weg von der Wohnung nur durch Individualverkehr schnell erreicht werden. Auch
schulische Zentren erfordern zumindest im Laufe des Schulfortschrittes individuelle
Mobilität.
 Gleichbehandlung und Gleichberechtigung: Viele Menschen haben den Wunsch,
ein eigenes Auto zu besitzen und zu benutzen. Ein deutliches Ansteigen der Kosten
der individuellen Mobilität würde für Menschen mit geringem Einkommen zur
weiteren Ausgrenzung von der aktiven Teilhabe am sozialen Leben und zu
zunehmender Isolation führen.
 Soziale Geltung: Das Auto besitzt neben seiner einfachen Funktion hohen
Symbolwert in Form von sozialem Status, Individualität, Vitalität, erotischer
Ausstrahlung und Dynamik.
(vgl. SRU, 2005, S. 93ff.)
Die Bildung eines kritischen Bewusstseins hinsichtlich individueller Bedürfnisse sowie die
11
siehe: http://www.dsw-online.de/
16
Reflexion von Lebensstilen hinsichtlich Mobilität spielt hingegen sowohl für
Unterrichtssituationen als auch für den konkreten Schulalltag eine große Rolle. Die
Motivation für einen nachhaltigen Mobilitätsstil wird durch direkte Erfahrungen und
Vorbilder, die in der Schule bspw. durch Klassenfahrten oder Austauschprojekte ermöglicht
werden können, am stärksten beeinflusst.
Unterricht kann ansetzen, den hohen Symbolwert problematischer Verhaltensweisen
abzuschwächen und das Image umwelt- und sozialverträglicher Alternativen zu verbessern.
Quellen:
Henseling, Karl Otto (2005): Nachhaltigkeit und Automobilität. In: GAIA 14/4 (2005), S. 299 – 306.
SRU – Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (2005): Umwelt und Straßenverkehr. Hohe Mobilität –
Umweltverträglicher Verkehr. Sondergutachten. Juli 2005.
Umweltbundesamt für Mensch und Umwelt (Hrsg.) (2005): Qualitätsziele und Indikatoren für eine nachhaltige
Mobilität. Anwenderleitfaden.
http://gfn-online.de/NaOek/NaOek-II-03-Nachhaltige-Mobilitaet-2009-09.pdf
http://www.itas.fzk.de/deu/lit/2003/cogr03a_zusammenfassung.htm
3 Der Beitrag von Bildung zu einer nachhaltigen Mobilität
Bildungsprozessen und Bildungseinrichtungen wird für die Erreichung der Ziele einer
nachhaltigen Entwicklung eine wichtige Funktion beigemessen.12 Es ist hilfreich, drei dieser
Funktionen zu unterscheiden (vgl. Bänninger et al. 2007).
Zunächst und gewissermaßen umgekehrt gedacht ist es ein eigenes Ziel nachhaltiger
Entwicklung sicherzustellen, dass heute und zukünftig lebende Menschen ihr Grundrecht auf
Bildung wahrnehmen können. Inwiefern heutige Formen von Mobilität zu diesem Ziel
beitragen, ist kritisch zu prüfen. Darüber hinaus sind Schulen und ihre Verwaltungsstrukturen
aufgefordert, in ihren Abläufen selbst einen Beitrag zu einer nachhaltigen Mobilität zu leisten.
An dieser Funktion setzen Projekte der Organisationsentwicklung an, die beispielsweise die
Ein Beispiel dafür ist die Ausrufung einer Weltdekade „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ für die
Jahre 2005 bis 2014 durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen.
12
17
transportwegebedingten CO2-Emissionen des schulischen Beschaffungswesens durch die
Wahl regionaler Produzenten und Zulieferer reduzieren wollen.
Die Kernfunktion von Schulen im Hinblick auf eine nachhaltige Mobilität liegt jedoch im
Bereich der Kompetenzvermittlung. Durch die Vermittlung grundlegender Kulturtechniken
tragen Schulen dazu bei, dass sich Schülerinnen und Schüler an Entscheidungsprozessen (z.B.
an der öffentlichen Diskussion zum geplanten Ausbau einer Autobahn) beteiligen können.
Daneben braucht ein nachhaltiges Mobilitätsverhalten auch entsprechende
Mobilitätsangebote, zu deren Entwicklung geschulte Fachkräfte benötigt werden. Durch die
Vermittlung spezifischer, z.B. technischer und wirtschaftlicher Fertigkeiten, legen Schulen
den Grundstein dafür, dass Menschen zukünftig nachhaltige(re) Mobilitätsangebote nutzen
können werden. Schließlich ist Bildung ein Schlüssel dafür, dass junge Menschen über die
Kompetenzen verfügen, die komplexen Herausforderungen im Handlungsfeld Mobilität
verantwortungsbewusst und selbstbestimmt zu bewältigen.
Schülerinnen und Schüler zum Nachdenken über Formen und Folgen moderner Mobilität
anzustiften und sie als Mit-Gestalter(innen) an einer nachhaltigen Zukunft zu stärken, ist
zentrales Anliegen des Curriculum Mobilität.
3.1
Gestaltungskompetenz im Handlungsfeld Mobilität als Zielgröße des
Curriculums
Die Komplexität des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung erfordert, dass
Bildungsaktivitäten im Handlungsfeld Mobilität vielfache Wechselwirkungen, u.a. in
zeitlicher und räumlicher (inter- und intragenerationelle Gerechtigkeit) sowie in inhaltlicher
(ökologische, soziale, ökonomische, kulturelle Aspekte) Hinsicht, in den Blick nehmen
müssen. Die Erweiterung fachbezogener Sichtweisen und das Einlassen auf die
Vielschichtigkeit und Vernetztheit des Handlungsfeldes Mobilität im Kontext einer
nachhaltigen Entwicklung stellt Lernende wie Lehrende gleichermaßen vor vielfältige
Herausforderungen. Zugleich eröffnet sich damit die Chance, einen über einzelne
fachbezogene Sichtweisen hinausgehenden, ganzheitlichen Blick auf ein zentrales
gesellschaftliches Gestaltungsfeld zu entwickeln. Mit dem Leitbild einer nachhaltigen
Mobilität rückt die aktive und motivierende Gestaltbarkeit der Zukunft ins Zentrum
schulischen Handelns.
18
Das, was Schülerinnen und Schüler heute an Wissen in der Schule lernen, ist häufig schon
wenig später überholt. Angesichts der Unsicherheit und der geringen Halbwertszeit heutiger
Wissensbestände über den Zustand und mögliche Lösungswege globaler Problemlagen, kann
es in Bildungssituationen nicht um die Vermittlung konkreter, momentan gültiger
Verhaltensweisen und Rezepte gehen. Im Zentrum einer am Leitbild der nachhaltigen
Entwicklung ausgerichteten Bildung steht vielmehr das Bemühen, Lernenden den Erwerb von
Kompetenzen zu ermöglichen, die sie zur Handlungsfähigkeit unter sich verändernden
Bedingungen und zur aktiven Mitgestaltung einer nachhaltigen Entwicklung befähigen. Als
übergeordnetes Ziel strebt das Bildungskonzept BNE entsprechend den Erwerb von
Gestaltungskompetenz für eine nachhaltige Entwicklung an. Mit Gestaltungskompetenz wird
„das nach vorne weisende Vermögen bezeichnet, die Zukunft von Sozietäten, in denen man
lebt, in aktiver Teilhabe im Sinne nachhaltiger Entwicklung modifizieren und modellieren zu
können“ (De Haan & Harenberg 1999).
Welche Kompetenzen sind im Einzelnen vonnöten, um das Handlungsfeld Mobilität im Sinne
einer nachhaltigen Entwicklung (mit)gestalten zu können?
19
In der Diskussion werden gegenwärtig 12 Teilkompetenzen unterschieden, die sich auch auf das Handlungsfeld Mobilität beziehen lassen (s. Tab.
1).13
Gestaltungskompetenz als Zielgröße des Curriculum Mobilität14
Teilkompetenz
Beschreibung für das Handlungsfeld
Mobilität
1. Kompetenz zur
Weltoffen und neue Perspektiven integrierend
Perspektivübernahme
Wissen über Mobilität aufbauen
2. Kompetenz zur
Antizipation
3. Kompetenz zur
disziplinenübergreifenden
Erkenntnisgewinnung
Beispielhafte Konkretisierungen: Die SuS…15
… benennen Ansätze und Konzepte einer nachhaltigen Mobilität
von Entscheidungsträgern in der staatlichen Politik wie der
Zivilgesellschaft.
Mobilitätstrends vorausschauend analysieren und … kennen – an ihre Lebenswirklichkeit angepasst – Methoden der
mögliche nachhaltige Entwicklungen
Zukunftsforschung (z.B. Szenariotechnik, Planspiele,
antizipieren
Zukunftswerkstätten), um Probleme nicht-nachhaltiger
Mobilität zu analysieren und mögliche nachhaltige Entwicklungen
zu antizipieren
Interdisziplinäre Zugänge und Erkenntnisse zur
… beschreiben und erklären Beziehungsgeflechte für die
Mobilität erkennen und nutzen
Darstellung nicht nachhaltiger Mobilitätsformen (z.B.
Syndromkonzept)
… beschreiben und erklären Prüfkriterien für eine nachhaltige
Mobilität (z.B. Indikatorensätze und Verfahren des Auditierens)
13
Das Konzept der Gestaltungskompetenz wurde seit seiner Einführung in den 1990er Jahren kontrovers diskutiert und erfuhr in der Folge eine Reihe von Veränderungen. Als
Konsequenz der lebhaften Diskussion hat sich der Katalog der formulierten Teilkompetenzen seit der ersten Entwicklung des Konzeptes dabei mehrfach geändert, was mitunter
als verwirrend wahrgenommen wird. Der Wandel oder die Präzisierung der ausdifferenzierten Teilkompetenzen lässt sich insbesondere anhand von Reißmann (1998), BLK
(1998), de Haan & Seitz (2001a & 2001b), de Haan (2000 & 2004), de Haan et al. (2008) als Entwicklungslinie nachverfolgen
14
In der Forschung zur BNE wird gegenwärtig kontrovers über Wege und Ansätze zur Messung von Gestaltungskompetenz diskutiert. Wenngleich ein praktikables
Testverfahren, das wissenschaftlichen Gütekriterien standhält, bislang noch aussteht, liegen inzwischen einige praxisorientierte Vorschläge vor, den Erwerb von
Gestaltungskompetenz im Unterricht selbst zu überprüfen (s. Literaturempfehlungen).
15
Die beispielhaften Konkretisierungen dienen allein illustrativen Zwecken zur Erleichterung des Verständnisses. Sie sind in ihrer Terminologie nicht als Operatorenlisten,
Anforderungsbereiche oder verwandten schulfachlichen Kategorisierungs- und Bewertungsschemata zu verstehen.
20
4. Kompetenz zum
Umgang mit
unvollständigen und
überkomplexen
Informationen
5. Kompetenz zur
Kooperation
Risiken, Gefahren und Unsicherheiten im
Handlungsfeld Mobilität erkennen und abwägen
… können z.B. durch Wahrscheinlichkeitsberechnungen oder
Abschätzungsverfahren Risiken und Gefahren nicht nachhaltigen
Mobilitätshandelns analysieren und beurteilen
Mobilitätsbezogenes Handeln gemeinsam mit
anderen planen und umsetzen
6. Kompetenz zur
Bewältigung
individueller
Entscheidungsdilemmata
Zielkonflikte bei der Reflexion über
Handlungsstrategien im Bereich Mobilität
berücksichtigen
7. Kompetenz zur
Partizipation
An kollektiven Entscheidungsprozessen im
Handlungsfeld Mobilität teilhaben
8. Kompetenz zur
Motivation
Sich und andere motivieren, im Sinne einer
nachhaltigen Mobilität aktiv zu werden
9. Kompetenz zur
Andere und eigene Mobilitätsmotive und die
… benennen und analysieren in Gruppen differente Standpunkte
zum Zusammenhang von Mobilität, Gerechtigkeit und
Nachhaltigkeit auf ihre Hintergründe hin und können Kontroversen
diskursiv austragen
… sind in der Lage, die zeitliche Folgenreichweite heutigen
Mobilitätshandelns abzuschätzen und können aktuell begründete
Handlungsentscheidungen treffen, deren Nutznießer andere,
künftig lebende Menschen bzw. Generationen sind
… können Problemlagen, in denen die Verbesserungen im
Handlungsfeld Mobilität nur unter gleichzeitiger Inkaufnahme der
Verschlechterung in einem anderen Handlungsfeld (z.B.
Ernährung) möglich ist, gemeinsam erörtern und
Lösungsvorschläge begründen
… veranschaulichen, wie kooperatives Problemlösen bei der
Entwicklung von Handlungsstrategien für nachhaltige Mobilität
realisiert werden kann
… beschreiben eigene und gemeinsame erfolgreiche Lernpfade im
Kontext einer nachhaltigen Mobilität und stellen dar, wie diese für
weiteres Lernen genutzt werden können
… können ihren persönlichen wie gemeinsamen Umgang mit
Dilemmata, Ungewissheiten und Ambivalenzen erörtern und
bewerten
… beschreiben Lebensweisen, welche eine umwelt- und sozial
21
Reflexion auf
Leitbilder
10. Kompetenz zum
moralischen Handeln
11. Kompetenz zum
eigenständigen
Handeln
12. Kompetenz zur
Unterstützung anderer
ihnen zugrundeliegenden Bedürfnisse und
Leitbilder erkennen
Vorstellungen von Gerechtigkeit und
Ressourcenverantwortung als Grundlage für das
eigene Mobilitätshandeln nutzen
Das eigene Mobilitätshandeln selbständig planen
und gestalten
Empathie und Solidarität für andere zeigen
verträgliche Mobilität sichern und befördern
… ermitteln und beurteilen die Hintergründe, Formen und
Auswirkungen verschiedener Mobilitätsstile auf die Lebens- und
Arbeitssituation von Menschen sowie auf die Biosphäre
… können generationenübergreifende Gerechtigkeitskonflikte im
Zusammenhang mit Mobilität identifizieren und für die Lösung der
Konflikte verantwortbare Vorschläge anbieten
… weisen anhand der Durchführung eines Projektes zur
nachhaltigen Mobilität eigene Erfahrungen mit selbständiger
Planung und selbständigem Handeln nach
… beschreiben und beurteilen Formen der individuellen, sozialen,
wirtschaftlichen und politischen Verantwortungsübernahme
für (nicht) nachhaltige Entwicklungen im Handlungsfeld Mobilität
Tab. 1: Teilkompetenzen der Gestaltungskompetenz im Handlungsfeld Mobilität (mod. nach: de Haan et al., 2008)
22
Quellen:
Bänninger, C., Di Giulio, A. & David, C. K. (2007). Schule und nachhaltige Entwicklung. Gaia‐ Ecological
Perspectives for Science and Society, 16, (4), 267–271.
BLK - Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (1998). Bildung für eine
nachhaltige Entwicklung: Orientierungsrahmen. Materialien zur Bildungsplanung und Forschungsförderung:
Bd. 69. Bonn.
► verfügbar unter: http://www.blk-bonn.de/papers/heft69.pdf
Haan, G. de & Harenberg, D. (1999). Bildung für eine nachhaltige Entwicklung: Gutachten zum Programm.
Bonn: Bund-Länder-Kommission
► verfügbar unter: http://www.blk-bonn.de/papers/heft72.pdf
Haan, G. de, Kamp, G. & Lerch, A., et al. (2008). Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit: Grundlagen und
schulpraktische Konsequenzen. Berlin: Springer Berlin
Haan, G. de & Seitz, K. (2001a). Kriterien für die Umsetzung eines internationalen Bildungsauftrages: Bildung
für eine nachhaltige Entwicklung (Teil 1). ZEP - Zeitschrift für internationale Bildungsforschung und
Entwicklungspädagogik (1), 58-62.
► verfügbar unter: http://www.transfer-21.de/daten/texte/bildungsauftrag.pdf
Haan, G. de & Seitz, K. (2001b). Kriterien für die Umsetzung eines internationalen Bildungsauftrages: Bildung
für eine nachhaltige Entwicklung (Teil 2). ZEP - Zeitschrift für internationale Bildungsforschung und
Entwicklungspädagogik (2), 63-66.
► verfügbar unter: http://www.transfer-21.de/daten/texte/bildungsauftrag.pdf
Haan, G. de. (2000). Kompetent für die Gestaltung der Zukunft: Klare Kriterien müssen die Bildung für eine
nachhaltige Entwicklung neu fokussieren. Politische Ökologie, 15 (Sonderheft 12), 12-14.
► verfügbar unter: http://www.stmuk.bayern.de/blz/web/200061/06.html
Haan, G. de. (2004). Politische Bildung für Nachhaltigkeit. Aus Politik und Zeitgeschichte (7-8), 39-46.
► verfügbar unter:
http://www1.bpb.de/publikationen/KU8AC4,0,Politische_Bildung_f%FCr_Nachhaltigkeit.html
Reißmann, J. (1998). "Nachhaltige, umweltgerechte Entwicklung" - Chancen für eine Neuorientierung der
(Umwelt)Bildung: Entwurf eines Rahmenkonzepts. In A. Beyer (Hrsg.), Nachhaltigkeit und Umweltbildung
(S. 57–100). Hamburg: Verlag Reinhold Krämer.
Weitere Literatur zum Thema:
Bormann, I. & Haan, G. de (Hrsg.) (2008). Kompetenzen der Bildung für nachhaltige Entwicklung:
Operationalisierung, Messung, Rahmenbedingungen, Befunde. Wiesbaden: VS Verlag für
Sozialwissenschaften (ISBN: 978-3-531-15529-6)
Fischer, D. (2006). Erfolgskontrolle II: Was haben die am Ausstellungsprojekt beteiligten Kinder und
Jugendlichen gelernt? In: Wissenschaftsladen Hannover e.V. (Hrsg.). Ausstellungen mit Kindern und
Jugendlichen gestalten. Handreichungen für die schulische und außerschulische Bildungsarbeit zu Umwelt
und Nachhaltigkeit (S. 55–58). Hannover.
► verfügbar unter: http://www.wissenschaftsladenhannover.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/Handreichung_DBU_Web2.pdf
Haan, G. de (2004). Kompetent für eine nachhaltige Zukunft. Magazin Schule, (12), 39–41.
► verfügbar unter: http://www.km-bw.de/servlet/PB/s/1fjqgxvxo0go1apmzgt3y56851kl3ve5/show/1103014/ms_12_39_41.pdf
Haan, G. de & Rauch, F. (Hrsg.) (2005). Nachhaltigkeit und Selbstevaluation - Eine Handreichung.
Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren (ISBN: 3-89676-927-8)
Rauch, F., Streissler, A. & Steiner, R. (2008). Kompetenzen für Bildung für Nachhaltige Entwicklung (KOMBiNE): Konzepte und Anregungen für die Praxis. Wien: Bundesministerium für Unterricht Kunst und Kultur
► verfügbar unter: http://ensi.bmukk.gv.at/pub/berichte/dat/kom_bine.pdf
Rost, J., Lauströer, A. & Raack, N. (2003). Kompetenzmodelle einer Bildung für Nachhaltigkeit. Praxis der
Naturwissenschaften - Chemie in der Schule, 52, (8), 10–15.
► verfügbar unter: http://www.umwelt-audit.lernnetz.de/pages/n292_DE.html.
23
3.2
Inhalte, Themen und didaktische Perspektiven des Curriculum
Mobilität
Was sind Themen und Inhalte im Handlungsfeld Mobilität, die unter der Perspektive einer
nachhaltigen Entwicklung zentral sind und sich für den Erwerb von Gestaltungskompetenz im
Kontext von BNE eignen? Die Auswahl von Themen für Lehr-Lernprozesse im
Handlungsfeld Mobilität bedarf einer fundierten Begründung. Eine Anleitung hierzu bietet ein
Kriterienkatalog, mit dem sich bedeutsame Inhalte aufspüren und hinsichtlich einer
Thematisierung im Unterricht prüfen lassen.16 Auch für die Themenzusammenstellung im
Curriculum Mobilität waren sie ausschlaggebend und haben die letztendliche Auswahl der
einzelnen Bausteine und Themen gestützt.
1. Zentrale lokale und globale Problemlage
Erschließt das Thema den Bedarf, die Bedingungen und die Potenziale im
Handlungsfeld Mobilität im globalen und lokalen Rahmen?
Im Mittelpunkt des Curriculum Mobilität steht die Auseinandersetzung mit den Ursachen und
Auswirkungen globaler Umwelt- und Sozialprobleme und möglicher Lösungsansätze im
Handlungsfeld Mobilität. Dabei sollen die Problemlagen der weltweiten Entwicklung aber
nicht auf einer abstrakten Ebene - also losgelöst von der eigenen Lebenswirklichkeit der
Schülerinnen und Schüler – verhandelt werden. Vielmehr kommt es darauf an, die
Wechselwirkungen zwischen lokalen Erfahrungen und lokalem Handeln (z.B.
Verkehrsmittelwahl) sowie globalen Entwicklungen (z.B. Klimaveränderungen) sichtbar zu
machen.
2. Längerfristige Bedeutung
Ist eine längerfristige Bedeutung des Themas anzunehmen?
Das Curriculum Mobilität gibt Themen, bzw. Inhalten den Vorrang, die eine dauerhafte
Aufgabe oder ein beständiges Problem beschreiben und darstellen (z.B. mobilitätsbedingter
Ressourcenverbrauch). Es will sich damit nicht etwa tagesaktuellen Inhalten verschließen.
Der Fokus liegt jedoch auf der Frage nach der längerfristigen Bedeutung der Inhalte und der
16
Die folgenden Kriterien basieren auf den Relevanzkriterien des WBGU (1996, 133ff.) für die Identifikation von relevanten
Umweltsyndromen (nach de Haan, 2002).
24
Möglichkeit der Gestaltung von Zukunft, wie in den einzelnen Bausteinen des Curriculum
Mobilität beschrieben.
3. Auf breitem und differenziertem Wissen basierend
Sind verschiedene Fächer, Wissenschaften, Disziplinen an der Konstituierung des
Themas beteiligt? Wird der Gegenstand differenziert wahrgenommen?
Ein weiteres Kriterium für die Auswahl von Themen im Handlungsfeld Mobilität sollte es
sein, dass ein differenziertes und interdisziplinäres Wissen über den jeweiligen Gegenstand
existiert. Dies sollte auch in den dargebotenen Materialien sichtbar werden und eine gewisse
Pluralität in der Bearbeitung ermöglichen und erwarten lassen.
4. Handlungspotenzial für den Einzelnen
Werden Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt oder eröffnet? Werden die Grenzen,
Hemmnisse und Möglichkeiten eigener Verhaltensänderung thematisiert?
Das Curriculum Mobilität will Probleme nicht nur beschreiben und analysieren, sondern
insbesondere auch aufzeigen, was man anders machen könnte und wo neue
Handlungsoptionen liegen. Zu fragen ist gegenüber potenziellen Inhalten also, ob das Thema
entsprechende Aktivitäten und Gestaltungsmöglichkeiten aufzeigt, zulässt und befördert.
Didaktische Prinzipien des Curriculum Mobilität
Um Unterricht im Handlungsfeld Mobilität so zu gestalten, dass er den Schülerinnen und
Schülern den Erwerb von Gestaltungskompetenz ermöglicht, werden hier bestimmte
Prinzipien empfohlen, die das didaktische Nachdenken und Handeln anleiten sollten (vgl.
BLK, 1998). Die aufgeführten didaktischen Prinzipien unterstützen somit bei der Umsetzung
der Ziele einer Bildung im Handlungsfeld Mobilität in der konkreten Unterrichtsgestaltung.
1.
Fächerübergreifende Lernangebote
Werden den Schülerinnen und Schülern unterschiedliche Perspektiven auf das
Themenfeld Mobilität ermöglicht?
Ein multiperspektivischer Zugang zu den Themen der einzelnen Bausteine soll globale
Zusammenhänge, Wechselwirkungen mit der Biosphäre, anderen Regionen oder Kulturen
25
und Fragen nach langfristigen Auswirkungen auch im Hinblick auf die Lebensansprüche
künftiger Generationen ermöglichen.
2.
Partizipation
Haben die Schülerinnen und Schüler durch Anstöße im Unterricht Gelegenheit, ihre
Lebenswelt sinnvoll mitzugestalten?
Die Schülerinnen und Schüler sollen an der Gestaltung der Lebenswelt, z.B. durch die
konkrete Planung von Projekten beteiligt werden. Sie sollen sich einmischen, mitbestimmen
und mitgestalten können. Dafür müssen sie die Gelegenheit bekommen, Einflüsse zu
bewerten, sich mit widersprüchlichen Positionen und Einflüssen auseinanderzusetzen, um im
Idealfall dann selbst Einfluss auf die Gestaltung öffentlichen Lebens nehmen zu können.
3.
Kooperation – innovative Schulstrukturen
Kooperiert die Schule mit außerschulischen Partnern und Lernorten?
Zu den besonderen Herausforderungen einer Bildung im Handlungsfeld Mobilität, zählen
Perspektivenvielfalt und die Bezugnahme auf Wissensbestände unterschiedlicher Fächer und
Disziplinen. Diesen Anforderungen kann nicht eine einzelne Person allein gerecht werden.
Eine nachhaltige Mobilitätsbildung schöpft daher aus den verschiedenen Informations-,
Beratungs- und Erfahrungsquellen aus der Nachbarschaft, der Kommune aus Verbänden oder
der Wirtschaft.
Mit einer nachhaltigen Mobilitätsbildung sind somit Anforderungen an Lehr- und
Lernprozesse verbunden, die mit der Vermittlung fachlichen Wissens in den althergebrachten
Formen schulischen Unterrichts oder auch der Verkehrserziehung allein nicht zu erfüllen sind.
Es bedarf mit Blick auf die Unterrichtsplanung daher vielfältiger Methoden und
Sozialformen, um Bildungsprozesse im Sinne der genannten didaktischen Prinzipien gestalten
zu können. Beispielhaft seien hier Projektorientiertes Lernen, Lernen an Stationen oder
situiertes Lernen genannt aber auch Methoden, die sich insbesondere einer Bildung für
nachhaltige Entwicklung zuordnen lassen, wie Nachhaltige Schülerfirmen,
Zukunftswerkstätten oder Planspiele.
Quellen:
26
BLK – Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (1998). Bildung für eine
nachhaltige Entwicklung: Orientierungsrahmen. Materialien zur Bildungsplanung und
Forschungsförderung, Bd. 69. Bonn: Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und
Forschungsförderung (BLK)
BLK-Programm Transfer-21 (2007). Was erwartet mich in der Schule? Tipps, Tricks und Kniffe: Ein Ratgeber
für außerschulische Fachkräfte zur Förderung der Bildung für nachhaltige Entwicklung in der
Ganztagsschule. Berlin Haan, G. de (2002). Die Kernthemen der Bildung für eine nachhaltige Entwicklung.
ZEP - Zeitschrift für internationale Bildungsforschung und Entwicklungspädagogik, Heft 1, 13–20.
Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) (1996).
Herausforderung für die deutsche Wissenschaft: Jahresgutachten 1996. Welt im Wandel. Berlin: Springer
4 Didaktische Kriterien zur Arbeit mit dem Curriculum Mobilität: Das
Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung
Das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung, wie es in der Agenda 21 verankert und von 178
Staaten unterzeichnet wurde, ist ein politisches Programm. Gleichzeitig lassen sich die
Prinzipien nachhaltiger Entwicklung aber auch als didaktische Kriterien zur Arbeit mit dem
Curriculum Mobilität lesen. Sie bieten eine Entscheidungshilfe in Bezug auf Inhalte aber auch
Methoden des Lehrens und Lernens.
Im Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung wird eine der Zukunft zugewandte und für
Veränderungen offene Sichtweise gefordert, die durch das Zusammendenken von Ökologie,
Ökonomie und Sozialem geprägt ist. Dieses Zusammendenken folgt dem Prinzip der
Retinität, das „ein[en] unverzichtbare[n] Bestandteil des theoretischen Rahmens von
Nachhaltigkeit“ (Stoltenberg 2002, S. 15) darstellt. Retinität meint die Vernetzung „aller
menschlichen Tätigkeiten und Erzeugnisse mit der sie tragenden Natur“ (ebd.). Als
„ökologische Schlüsselqualifikation“ (ebd. zitiert nach SRU 1994, S. 164) ist Retinität die
Grundbedingung für ein Bewusstsein für das Ökosystem Erde mit all seinen Ressourcen und
deren Gefährdung sowie dem menschlichen Umgang mit ihnen. Das Retinitätsprinzip kann
aber auch als didaktische Grundlage verstanden werden, wenn über die inhaltlichen Ziele von
Partizipationskompetenz, Antizipationskompetenz und innovativem Lernen nachgedacht
wird.
27
Leitlinien einer nachhaltigen Entwicklung:
Globale Gerechtigkeit
• Soziale Dimension
Dauerhafte
Umweltverträglichkeit und
Biodiversität
• Ökologische Dimension
Zukunftsfähige
wirtschaftliche
Entwicklung
• Ökonomische Dimension
Identität und
Kulturelle Diversität
•Kulturelle Dimension
Abb. 5: Leitlinien einer nachhaltigen Entwicklung
Betrachtung von Unterrichtsinhalten nachhaltiger Entwicklung
aus der Perspektive von Retinität:
Ziel:
Förderung von Gestaltungskompetenz für eine nachhaltige Entwicklung
von Kindern und Jugendlichen
Abb. 6: Didaktische Kriterien zur Arbeit mit Themen einer nachhaltigen Entwicklung
28
4.1
Das Nachhaltigkeitsviereck als didaktisches Hilfsmittel
Im Sinne von Retinität wird im Konzept einer nachhaltigen Entwicklung angestrebt, die
Dimensionen der Entwicklung nicht getrennt voneinander, sondern miteinander vernetzt zu
betrachten. Hierauf zielt das ‚Nachhaltigkeitsdreieck‘ (vgl. de Haan 2002a), das die drei
Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales enthält, mit den jeweiligen
Zielformulierungen ökonomische Leistungsfähigkeit, ökologische Verträglichkeit und soziale
Gerechtigkeit. Stoltenberg und Michelsen (1999) ergänzen diese drei Dimensionen um eine
vierte, die kulturelle Dimension. Sie begründen dies damit, dass durch das Leitbild einer
nachhaltigen Entwicklung auch die „Lebensformen, Wertvorstellungen, Wissenschaft und
Technik, Bildung“ (Stoltenberg/ Michelsen 1999, S. 46) usw. als Einfluss- und
Handlungsfelder betroffen würden. Die vier Dimensionen des Leitbildes einer nachhaltigen
Entwicklung sollen anhand der nachfolgenden Abbildung verdeutlicht werden:
Ökonomische Dimension:
Ökologische Dimension:
Ökologische Produktion und Güter/
Komplexität; Vernetzung;
Dienstleistungen;
Biodiversität; Belastungsgrenzen;
Minimierung des
Regenerationsfähigkeit;
Energieeinsatzes;
Stabilität von Systemen;
Internalisierung
u. a.
Leitbild
externer Kosten;
„sustainable
Kreislaufwirtschaft
development“
u.a.
Soziale Dimension:
Individuelle, kollektive
und globale Verantwortung; neue
Produktions- und Konsumformen;
umweltgerechte Lebensstile;
u. a.
oder
nachhaltige
Entwicklung
Kulturelle Dimension:
Weltbild;
ganzheitliche Naturwahrnehmung;
Rationalität; Religion/ Mythos;
Zeitrhythmus; Identität, kulturelle
Diversität;
u. a.
Abb. 7: Dimensionen einer nachhaltigen Entwicklung [nach Stoltenberg/ Michelsen 1999, S. 46]
Die Dimensionen sind „als mögliche Konfliktfelder lesbar oder lassen sich als Analysefelder
für komplexe Entscheidungen konkretisieren.“ (Stoltenberg 2002, S. 16). Damit lässt sich das
29
Nachhaltigkeitsviereck sowohl dazu nutzen, nicht nachhaltige Entwicklungen zu analysieren,
als auch positive Gestaltungsszenarien einer nachhaltigen Entwicklung zu entwerfen. Die
ökonomische Dimension umfasst eine nachhaltige Entwicklung, die u. a. einen
verantwortungsbewussten Umgang mit natürlichen Ressourcen, gerechte Verteilung von
Arbeit, eine Effizienzsteigerung im Energie- und Materialeinsatz und insgesamt eine
Gewährleistung der Grundversorgung und Lebensqualität der Menschen beinhaltet. In der
ökologischen Dimension von nachhaltiger Entwicklung ist das leitende Ziel die Orientierung
an der Natur- und Umweltverträglichkeit (vgl. Stoltenberg/ Michelsen 1999 und Stoltenberg
2002): „Dabei werden die Erhaltung der Artenvielfalt (Biodiversität) und die Sicherung der
Regenerationsfähigkeit der natürlichen Lebensgrundlagen wie Boden, Wasser, Luft, Flora und
Fauna zu zentralen Kriterien bzw. Indikatoren. Für diese lassen sich an Vorsorge orientierte
Grenzwerte festlegen.“ (Stoltenberg/ Michelsen 1999, S. 47). In der Dimension Soziales und
Entwicklung ist der Kerngedanke der Gerechtigkeit verankert, der dem gesamten
Nachhaltigkeitskonzept zugrunde liegt: „Die Menschen und Völker haben demnach
prinzipiell gleiche Ansprüche auf die Nutzung natürlicher Ressourcen und gleiche Rechte auf
Entwicklung“ (Stoltenberg 2002, S. 17). Diese Dimension beinhaltet sowohl die globale als
auch für zukünftige Generationen gesicherte (inter- und intragenerationelle) Gerechtigkeit im
Zugang zu Ressourcen. Die durch Stoltenberg und Michelsen (1999) zu den drei
erstgenannten Dimensionen ergänzte kulturelle Dimension setzt auf die Partizipation aller
Nationen und aller gesellschaftlicher Gruppen bei der Umsetzung von nachhaltiger
Entwicklung: „Eine breite Mitsprache und Mitbeteiligung der Bürgerinnen und Bürger und
der laut Agenda 21 sogenannten ‚wichtigen Gruppen‘ soll kulturelles Wissen für eine
nachhaltige Entwicklung fruchtbar machen und zugleich die Vergewisserung einer je eigenen
kulturellen Identität ermöglichen.“ (Stoltenberg 2002, S.18)
In Bildungssituationen dient das Nachhaltigkeitsviereck als didaktische Hilfestellung, um die
Aspekte herauszufinden, die unter den verschiedenen Perspektiven zu einem Problemfeld
(z.B. einer nachhaltigen Klassenfahrt) miteinander in Beziehung gesetzt werden müssen. Das
Modell ist zum einen ein Analyserahmen. Zum anderen zeigt es Handlungsfelder, hilft dabei,
Akteure mit unterschiedlichen Positionen, die miteinander z. B. Fragen der Planung und
Durchführung einer Klassenfahrt, aushandeln müssen, zu identifizieren. Die vier
30
Dimensionen lassen sich durchaus auch als Konfliktfelder lesen, denn nachhaltige
Entwicklung ist kein Harmoniemodell.
Das Nachhaltigkeitsviereck ist also auch eine Hilfestellung für didaktisches Nachdenken über
Themen nachhaltiger Entwicklung.
Beispiel: Eine Klassenfahrt unter der Perspektive nachhaltiger Entwicklung gestalten
Ökonomische Dimension:
Ökologische Dimension:
-Stehen bei der Zielauswahl Entfernung
und Erreichbarkeit im Verhältnis zur
Aufenthaltsdauer?
- Wird die regionale Wirtschaft bei der
Wahl der Unterkunft berücksichtigt?
- Wird bei der Verpflegung auf Bio- und
Transfairprodukte, regionale und
saisonale Produkte geachtet?
- ...
-Wird die An- und Abreise
umweltverträglich gestaltet?
-Wird vor Ort auf einen
verantwortungsvollen Umgang mit der
Umwelt geachtet?
-Werden ressourcenschonende Aktivitäten
gewählt?
- Können Voraussetzungen für
Artenvielfalt erfahren werden?
- ...
Soziale Dimension:
Eine Klassenfahrt
planen (Leitbild:
nachhaltige
Entwicklung)
- Sind die Kosten der Fahrt für alle
tragbar?
- Werden regionale Anbieter
berücksichtigt?
- Haben die Schülerinnen und Schüler
Gelegenheit Kompetenzen in bezug auf
Teamfähigkeit, Kooperation,
Partizipation und Kommunikation
auszubilden?
- Wird das Konsumverhalten während
der Fahrt reflektiert?
- ...
4.2
Kulturelle Dimension:
- Werden Kulturgüter im geschichtlichen und
geografischen Kontext erkannt?
- Wird Offenheit / Interesse für
unterschiedliche Kulturen entwickelt?
- Werden kulturelle Identitäten entdeckt,
reflektiert?
- ...
Strategien nachhaltiger Entwicklung als didaktisches Hilfsmittel
In der Diskussion zur Erreichung nachhaltiger Entwicklungsprozesse werden vor allem
folgende drei Strategien unterschieden:
-die Effizienzstrategie
-die Konsistenzstrategie und die
31
-die Suffizienzstrategie.
Die Effizienzstrategie fokussiert darauf, den Einsatz von Stoffen und Energie in allen Phasen
des Produktlebenszyklus zu minimieren und den Wirkungsgrad zu erhöhen, d.h. die
Ressourcenproduktivität zu steigern.
Bei der Konsistenzstrategie stehen die Stoff- und Energieströme im Mittelpunkt. Ziel ist es,
sie den biogeochemischen Kreisläufen und der Regenerationsfähigkeit, bzw. den
Regenerationszeiträumen der Ökosysteme anzupassen.
Die Suffizienzstrategie betrachtet Nutzungs- und Konsummuster, die den Produktverbrauch
begrenzen. Hierbei stehen Fragen der Einschränkung und des Ersatzes umweltbelastender
Praktiken sowie genügsamere Lebensstile im Mittelpunkt.
Zum Erreichen nachhaltiger Entwicklungsprozesse werden alle drei Strategien zusammen
benötigt.
Daneben werden zwei weitere Strategien auf dem Weg nachhaltiger Entwicklung verfolgt:
-die Gerechtigkeitsstrategie
-die Bildungsstrategie
Die Gerechtigkeitsstrategie strebt eine Beteiligung aller Menschen an der Gestaltung ihres
eigenen und des gesellschaftlichen Lebens im Sinne weitreichender Partizipation an und
fordert einen gerechten Zugang zu den Ressourcen und die Bekämpfung von Armut. Die
Förderung intra- und intergenerationeller Gerechtigkeit steht hier im Mittelpunkt.
Die Weltdekade Bildung für eine nachhaltige Entwicklung der UN (2005 – 2014) verfolgt im
Rahmen der Bildungsstrategie die Zielsetzung, durch adäquate Bildungsmaßnahmen zur
Umsetzung der Agenda 21 beizutragen und das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung
dauerhaft in allen nationalen Bildungssystemen zu verankern. Schulen sind aufgefordert
Bildungsprozesse zu initiieren, die dazu beitragen, menschenwürdige Lebens- und
Überlebensbedingungen für heutige und zukünftige Generationen zu schaffen und zu
bewahren, sowie dafür notwendige Lösungswege aufzuzeigen.
Quellen:
BLK (2005): Bildung für eine nachhaltige Entwicklung („21“), Heft 123, Bonn
32
Grober, Ulrich (1999): Der Erfinder der Nachhaltigkeit. In: DIE ZEIT, Nr. 48/25.11.1999, S. 98.
Stoltenberg, Ute/ Michelsen, Gerd (1999): Lernen nach der Agenda 21. Überlegungen zu einem
Bildungskonzept für eine nachhaltige Entwicklung. In: Stoltenberg, Ute/ Michelsen, Gerd/ Schreiner,
Johann (Hrsg.): Umweltbildung- den Möglichkeitssinn wecken. NNA- Berichte, 12. Jahrgang, Heft 1, S. 4554.
Stoltenberg, Ute (2001): Umwelt- Mitwelt- Lebenswelt unter dem Aspekt von Nachhaltigkeit und
Zukunftssicherung. In: Gärtner, Helmut / Hellberg-Rode, Gesine (Hrsg.): Umweltbildung und nachhaltige
Entwicklung. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 53-70.
Stoltenberg, Ute/ Muraca, Barbara (2005): Nachhaltigkeit ist machbar. Das „Schaufenster für eine nachhaltige
Entwicklung“ als innovatives Projekt zur Kommunikation und Entwicklung von Nachhaltigkeit. Frankfurt
am Main: VAS Verlag für Akademische Schriften.
33
Glossar
Bedürfnisse
„So unterschiedlich die Bedürfnisinterpretationen auch sind, die meisten Bedürfnistheoretiker
stimmen darin überein, dass man zwei große Gruppen unterscheiden müsse – wobei die
Grenzziehung natürlich umstritten ist -: die Grundbedürfnisse auf der einen und die
Kulturbedürfnisse auf der anderen Seite. Zu den Grundbedürfnisse – oder auch
Existenzbedürfnissen, lebensnotwendigen Bedürfnissen, elementaren Bedürfnissen, Needs –
gelangt man, wenn man den Menschen als Lebewesen, als Naturwesen und weniger als
geistig-kulturelles Wesen betrachtet. Als weitgehend unbestrittene Grundbedürfnisse werden
genannt: Ernährung, Kleidung, Wohnung, Fortpflanzung und Sexualität. [...] In unserer
Konsumgesellschaft haben die Grundbedürfnisse ihren Charakter als anthropologische apriori
verloren und treten überwiegend als Kulturbedürfnisse in Erscheinung.
Damit sind wir bei den Kulturbedürfnissen – oder auch Luxusbedürfnissen, ‚zusätzlichen
Lebensbereicherungen’, Wants -, welche den Menschen als geistig-kulturelles Wesen
auszeichnen. Das Spektrum dieser Kulturbedürfnisse ist so reich wie das menschliche Leben
selbst. Man hat es zu beschreiben und zu gliedern versucht in Bedürfnissystemen und
Bedürfniskatalogen, welche bis zu hunderte von Nennungen umfassen. Häufig genannt
werden dabei: das Bedürfnis nach neuen Erfahrungen und Abwechslung, das seinen Ausdruck
u.a. im Streben nach räumlicher Mobilität findet, das Bedürfnis des ‚homo ludens’ nach Spiel,
Sport, Leistung, das Bedürfnis nach Sozialkontakten und sozialer Anerkennung.“
König, W. (2000): Geschichte der Konsumgesellschaft. Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte
– Beihefte, Bd. 154. Stuttgart: Verlag Franz Steiner, S. 133-134
Bildung für eine nachhaltige Entwicklung
„Bildung für nachhaltige Entwicklung ist als Bildungskonzept darauf angelegt, den jungen
Menschen die Möglichkeit zu eröffnen, in einer Welt der knappen Ressourcen und nicht
realisierter inter- wie intragenerationeller Gerechtigkeit gestaltend mitwirken zu können. Es
ist mithin kein Konzept der Funktionalisierung, sondern eines der Entfaltung und Freisetzung
von Kompetenzen für eine ökonomisch globalisierte, ökologisch gefährdete und sozial
unausgeglichene Welt.“
34
Bund Länder Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) (Hrsg.) (1999): Materialien zur
Bildungsplanung und zur Forschungsförderung. Heft 72. Bildung für eine nachhaltige Entwicklung. Gutachten
zum Programm von Gerhard de Haan und Dorothee Harenberg. Freie Universität Berlin. S. 11
Gestaltungskompetenz
„Mit Gestaltungskompetenz wird das nach vorne weisende Vermögen bezeichnet, die Zukunft
von Sozietäten, in denen man lebt, in aktiver Teilhabe im Sinne nachhaltiger Entwicklung
modifizieren und modellieren zu können.“
Bund Länder Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) (Hrsg.) (1999): Materialien zur
Bildungsplanung und zur Forschungsförderung. Heft 72. Bildung für eine nachhaltige Entwicklung. Gutachten
zum Programm von Gerhard de Haan und Dorothee Harenberg. Freie Universität Berlin. S. 62
„Gestaltungskompetenz heißt, über Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wissensbestände zu
verfügen, die Veränderungen im Bereich ökonomischen, ökologischen und sozialen Handelns
möglich machen, ohne dass diese Veränderungen immer nur eine Reaktion auf vorher schon
erzeugte Probleme sind.“
Programm Transfer-21 (2007): Was erwartet mich in der Schule? Tipps, Tricks und Kniffe: Ein Ratgeber für
außerschulische Fachkräfte zur Förderung der Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Ganztagsschule.
Berlin, S. 7
Globaler Wandel
„Die Eingriffe des Menschen in die natürliche Umwelt haben ein globales Ausmaß erreicht.
Besonders der Klimawandel, der Verlust biologischer Vielfalt, die Bodendegradation sowie
die Verknappung und Verschmutzung von Süßwasser zählen zu den weltweit
voranschreitenden kritischen Veränderungen der natürlichen Umwelt. Beschleunigt werden
diese Eingriffe in die natürliche Umwelt durch die anhaltende Ausbreitung nicht nachhaltiger
Lebensstile, die anhaltende absolute Armut sowie das Bevölkerungswachstum. Eine Folge
globaler Umweltveränderungen ist die wachsende Verwundbarkeit vor allem der
Entwicklungsländer gegenüber Naturkatastrophen, Nahrungskrisen und Erkrankungsrisiken.
Umweltzerstörung ist daher auch zu einer Sicherheitsfrage geworden. Die Herausforderung
für Wissenschaft und Politik liegt in der neuen Qualität dieser weltweit wirksamen Eingriffe
des Menschen in das System Erde. Mit globaler Umwelt- und Entwicklungspolitik, die sich
35
am Leitbild der nachhaltigen Entwicklung orientiert, sollen diese Probleme bewältigt
werden.“
Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU), 2009
Intergenerationelle Gerechtigkeit
„Nachhaltige Entwicklung ist untrennbar mit Zukunftsverantwortung verbunden, die auch als
intergenerative Gerechtigkeit (Kopfmüller et al. 2001) oder Generationengerechtigkeit (SRZG
2003) bezeichnet wird. Es geht dabei um die langfristige Sicherung und Weiterentwicklung
der Grundlagen der menschlichen Zivilisation angesichts der begrenzten Belastbarkeit der
natürlichen Umwelt und ökonomischer und sozialer Zukunftsrisiken. [...] Wesentliche Fragen
sind, welche Verantwortung wir heute konkret gegenüber zukünftigen Generationen haben,
wie weit unsere Verantwortung in die Zukunft reicht und was aus dieser Verantwortung für
die Beschaffenheit des »Erbes« an unsere Nachkommen folgt, damit diese ebenfalls ihre
Bedürfnisse erfüllen können.“
Grunwald, A. & Kopfmüller, J. (2006): Nachhaltigkeit. Frankfurt am Main: Campus Verlag, S. 27
Intragenerationelle Gerechtigkeit
„Neben der Sorge um die Zukunft steht die Verantwortung für die heute Lebenden und damit
die gerechte Verteilung der Chancen zur menschlichen Bedürfnisbefriedigung in der
Gegenwart im Zentrum der Überlegungen zur nachhaltigen Entwicklung. Danach sind die
Lösung der Entwicklungsproblematik und die Erreichung einer gerechteren Verteilung der
Möglichkeiten der Bedürfnisbefriedigung nicht nur ethisch geboten, sondern stellen auch eine
wesentliche Voraussetzung zur Wahrnehmung der Zukunftsverantwortung dar. Diese Sicht
konsequent verfolgt bedeutet, Zukunftsverantwortung und Verantwortung gegenüber heute
lebenden Menschen als zwei Seiten der gleichen Medaille anzusehen.“
Grunwald, A. & Kopfmüller, J. (2006): Nachhaltigkeit. Frankfurt am Main: Campus Verlag, S. 29f.
Mobilität
„Mobilität heißt sowohl Bewegung als auch Beweglichkeit. Wobei diese Beweglichkeit im
geistigen Sinne, im körperlichen und im räumlichen Sinne verstanden werden kann.
Räumliche Mobilität bezeichnet die Möglichkeit, Aktivitäten an anderen Orten durchführen
zu können. [...] Ortsveränderungen machen sich als Verkehr bemerkbar. Jedoch ist Mobilität
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nicht gleich Verkehr. Die Mobilität wird nicht größer, je länger die Wege werden, sonst wäre
jeder Umweg – z.B. aufgrund einer Baustelle – mobilitätsfördernd. Mit derselben Mobilität
kann viel oder wenig Verkehr verbunden sein. Je näher Ausgangsort und Ziel – zum Beispiel
Wohnort und Arbeitsplatz – beieinander liegen, umso weniger Verkehr entsteht bei gleicher
Mobilität.“
Umweltbundesamt. (2002): Nachhaltige Entwicklung in Deutschland: Die Zukunft dauerhaft umweltgerecht
gestalten. Berlin: Verlag Erich Schmidt, S. 170
Unter Mobilität “wird die Möglichkeit zur räumlichen Bewegung von Menschen (und
Gütern), nicht jedoch die Bewegung an sich verstanden. (...) So drückt sich ein hoher Grad an
Mobilität darin aus, dass eine Person erstens möglichst viele Optionen für räumliche
Bewegung hat, sie jedoch nicht automatisch alle wahrnimmt, und zweitens den Aufwand für
räumliche Bewegung möglichst minimal hält. Verkehr ist dagegen realisierte Mobilität.“
Petersen, Schallaböck (1995), In:Dalkmann/Schäfer-Sparenberg/Herbe: UPI Wuppertal Drucksache Nr. 147 / S.
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„Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat in seinem wichtigen Gutachten zur
„Dauerhaften Entwicklung“ von 1994 die Veränderungen dieses Begriffes nachgezeichnet
und betont, dass nach der sprachlichen Herkunft als Mobilität „Beweglichkeit“ zu verstehen
sei, also die Fähigkeit zur Bewegung, nicht jedoch die Bewegung an sich. Mehr Mobilität zu
haben bedeutet also, mehr Optionen für räumliche Bewegung zu haben - aber nicht
unbedingt, sie auch alle wahrzunehmen.“
Petersen, Rudolf; Schallaböck, Karl-Otto (1995): Mobilität von morgen – Chancen einer zukunftsfähigen
Verkehrspolitik. Berlin, Basel, Boston, S. 10.
Nachhaltige Entwicklung
„Was die grundlegenden Herausforderungen des Leitbildes einer nachhaltig
zukunftsverträglichen Entwicklung betrifft, besteht mittlerweile breites Einvernehmen in der
Diskussion. Ausgehend von dem im Brundtland-Bericht 1987 hervorgehobenen
Handlungsprinzip – „Sustainable development meets the needs of the present without
compromising the ability of future generations to meet their own needs“ – lässt sich der
Anspruch ableiten, die Bedürfnisse einer wachsenden Zahl von Menschen heute und in
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Zukunft befriedigen zu können und gleichzeitig eine auf Dauer für alle unter
menschenwürdigen, sicheren Verhältnissen bewohnbare Erde zu erhalten. Darin sind
vielfältige ökonomische, ökologische, demographische, soziale und kulturelle
Problemdimensionen enthalten, die ein globales, regionales, lokales und zugleich in die
Zukunft gerichtetes Handeln erfordern.“
Enquête Kommission des deutschen Bundestages „Schutz des Menschen und der Umwelt“ (1998): Konzept
Nachhaltigkeit. Vom Leitbild zur Umsetzung, S. 28
Retinität
„Will der Mensch seine personale Würde als Vernunftwesen im Umgang mit sich selbst und
anderen wahren, so kann er der darin implizierten Verantwortung für die Natur nur gerecht
werden, wenn er die `Gesamtvernetzung´ all seiner zivilisatorischen Tätigkeiten und
Erzeugnisse mit dieser ihn tragenden Natur zum Prinzip seines Handelns macht.“
Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) (1994): Umweltgutachten 1994. Für eine dauerhaftumweltgerechte Entwicklung. Stuttgart: Metzler-Poeschel, S. 54
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Linkliste
Links zu Mobilität
http://www.curriculum-mobilitaet.de
http://gfn-online.de/NaOek/NaOek-II-03-Nachhaltige-Mobilitaet-2009-09.pdf
http://www.ifeu.de/
http://www.institutfutur.de
http://www.itas.fzk.de/deu/lit/2003/cogr03a_zusammenfassung.htm
http://www.umweltbundesamt.de/
http://www.vcd.org/mobilitaetserziehung.html
http://www.wupperinst.org/
Links zu Bildung für eine nachhaltige Entwicklung (BNE)
http://www.leuphana.de/nachhaltigkeitsportal.html
(Nachhaltigkeitsportal der Leuphana Universität Lüneburg)
http://www.umweltbildung.de/nachhaltigkeit
(ANU 2000 - Bildung für eine nachhaltige Entwicklung)
http://www.transfer-21.de
(BLK-Programm “Transfer-21” – Bildung für eine nachhaltige Entwicklung)
http://www.dekade.org
(UN-Dekade Bildung für eine nachhaltige Entwicklung, 2005-2014)
http://www.nachhaltigkeit.aachener-stiftung.de
(Lexikon zu nachhaltiger Entwicklung)
http://www.umweltschulen.de
(Umweltschutz / Bildung für nachhaltige Entwicklung in Schulen)
http://www.umweltschule.de
(Umweltschulen in Niedersachsen)
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Anhang
Liste der Autorinnen und Autoren der Einführung zum Curriculum
Mobilität:
Ch. Becker
D. Fischer
T. Gottmann
K. Jürgens
C. Nemnich
U. Schröter
E. Wiegand
Lehrer, FBK-Leiter für Musisch-Kulturelle Bildung,
HS Ada-Lessing-Schule Hannover, Berater für Neue
Technologien im Unterricht, LSchB, Standort
Hannover
Leuphana Universität Lüneburg – Institut für
Umweltkommunikation – Wiss. Mitarbeiter
Leuphana Universität Lüneburg – Institut für
integrative Studien – Wiss. Mitarbeiterin
Lehrer, FK-Leiter Neue Technologien,
KGS Sehnde
Leuphana Universität Lüneburg – Institut für
Umweltkommunikation – Wiss. Mitarbeiterin
Leuphana Universität Lüneburg – Institut für
integrative Studien – Wiss. Mitarbeiter
StR, Carl-Gotthard-Langhans-Schule (BBS),
Wolfenbüttel
Für Feedback oder Diskurs mit den Autorinnen oder Autoren wenden
sie sich bitte an folgende E-Mail-Adresse:
[email protected]
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