Übungen zur Vorlesung Mathematische Rechenmethoden I Prof. Dr. Haye Hinrichsen, WS 16/17 Aufgabe 22 Dirac-δ-Funktion (2 Punkte) Die Heaviside-Sprungfunktion θ(x) ist definiert durch ( 0 für x < 0 θ(x) = . 1 für x ≥ 0 Zeigen Sie durch Überprüfung der Definitionseigenschaften, dass δ(x) = θ0 (x) ist. Lösungsvorschlag für Aufgabe 22: Die drei defnierenden Eigenschaften von δ(x) sind (s. Vorlesungsskript): ( ∞ für x = 0 δ(x) = 0 für x 6= 0 Z +∞ dx δ(x) = 1 (1) (2) −∞ Z +∞ dx δ(x)f (x) = f (0) (3) −∞ Zu (??): Eigenschaft (??) ist mit Vorsicht zu genießen, da δ im streng mathematischen Sinn keine Funktion, sondern eine sog. Distribution ist. Einfach gesprochen sind diese Objekte nur innerhalb von Integralen definiert. Des Weiteren ist die Heaviside-Funktion unstetig an der Stelle x = 0, weshalb eine Ableitung im klassischen Sinn dort gar nicht definiert ist. Dennoch sind hier zwei mögliche Argumente gezeigt, wie Gl. (??) plausibel erklärt werden kann. Heuristischer Beweis: Die Heaviside-Funktion ist für alle x 6= 0 konstant, also gilt für die Ableitung θ0 (x) = 0 ∀x 6= 0 Stellt man sich den Sprung der Heaviside-Funktion an der Stelle x = 0 als vertikale Tangente vor, so muss die Ableitung an dieser Stelle einen unendlichen Wert annehmen. Dies enspricht also genau Gl. (??). Repräsentation der Heaviside-Funktion mithilfe des Arkustangens: Folgende Funktion kann verwendet werden, um die Heaviside-Funktion mit Hilfe eines Grenzwerts anzunähern: θ (x) := x π 1 arctan + π 2 Annhand der folgenden Abbildung sollte klar sein, dass θ (x) im Grenzfall → 0 der Heaviside-Funktion entspricht: θ(x) = lim →0 1.0 x π 1 arctan + π 2 ϵ=1 ϵ = 0.1 0.8 ϵ = 0.01 θϵ (x) 0.6 0.4 0.2 0.0 -10 -5 0 5 10 x Ableiten dieser Gleichung ergibt: θ0 (x) = lim →0 x π 1 d 1 arctan + = lim 2 →0 π dx 2 π + x2 (4) Wobei arctan0 (x) = 1/(1 + x2 ) verwendet wurde. Das Vertauschen von Ableitung und Grenzwert darf hierbei keinesfalls als trivial angesehen werden! Verwendet man nun Gl. (??), erhält man folgendes Ergebnis: →0 x 6= 0 : z}|{ 1 0 =0 θ (x) = lim →0 π 2 + x2 | {z } →x2 6=0 x=0: θ0 (0) = lim →0 1 11 = lim =∞ 2 →0 π π Dies entspricht genau Gl. (??). Zu (??): Diese Eigenschaft kann mithilfe partieller Integration bewiesen werden. Des Weiteren wird angenommen dass f eine vernünftige Funktion ist, womit u.a. gemeint ist, dass die Grenzwerte limx→±∞ f (x) existieren. Z +∞ Z a part.Int. 0 dx θ (x)f (x) = lim dx θ0 (x)f (x) = −∞ a→+∞ −a = lim a→+∞ a θ(x)f (x) −a − Z a dx θ(x)f (x) = 0 −a Z = lim f (a) θ(a) −f (−a) θ(−a) − a→+∞ |{z} | {z } =1 = lim a→+∞ = lim a→+∞ =0 Z f (a) − a dx f 0 (x) 0 −a dx θ(x) f 0 (x) − |{z} =0 Z 0 a dx θ(x) f 0 (x) = |{z} =1 = 0 a f (a) − f (x) 0 = lim (f (a) − f (a) + f (0)) = a→+∞ = f (0) Dies enspricht genau Gl. (??). In der Rechnung wurde dabei mehrmals die Defnition der Heaviside verwendet, insbesondere dass θ(x) = 0 für alle negativen x ist. Zu (??): Diese Eigenschaft folgt sofort aus (??), wenn f (x) ≡ 1 eingesetzt wird. Damit sind alle gewünschten Eigenschaften gezeigt worden und es kann gefolgert werden, dass θ0 (x) = δ(x) ist. Aufgabe 23 Diskrete Fourier-Transformation(2 Punkte) Berechnen Sie die diskrete Fourier-Transformierte folgender Zahlenketten {a0 , . . . , aN −1 }: {1, 0, 0, 0} ; {1, −1, 1, −1} ; {1, i, −1, −i} ; {1, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1} Lösungsvorschlag für Aufgabe 23: Diskrete Fourier-Transformation: N −1 1 X 2πikn ãk := √ e N an N n=0 (5) Interpretiert man die auftretende Exponentialfunktion als Matrix Ω mit den Elementen 1 2πikn Ωkn = √ e N , N lässt sich die diskrete Fourier-Transformation auch als einfache Matrixmultiplikation auffassen: ã = Ωa, (6) wobei a = (a0 , . . . , aN −1 )T und ã = (ã0 , . . . , ãN −1 )T sind. Die Form der Matrizen ist dabei nur von der Dimension N (=Anzahl an komplexen Zahlen an ) abhängig. Für Aufgabe (a)-(c) gilt N = 4, weshalb 1 1 1 1 1 1 i −1 −i Ω= (7) 2 1 −1 1 −1 1 −i −1 i ist. (a) a = (1, 0, 0, 0)T : 1 1 1 1 1 1 1 (??) (??) 1 1 i −1 −i 0 1 ã = Ωa = = 0 2 1 −1 1 −1 2 1 1 −i −1 i 0 1 (b) a = (1, −1, 1, −1)T : 0 1 1 1 1 1 (??) (??) 1 1 i −1 −i −1 0 = ã = Ωa = 2 1 −1 1 −1 1 2 0 −1 1 −i −1 i (c) a = (1, i, −1, −i)T : 0 1 1 1 1 1 (??) (??) 1 1 i −1 −i i 0 ã = Ωa = = 2 1 −1 1 −1 −1 0 2 −i 1 −i −1 i (d) a = (1, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1)T , N = 9: Diese Aufgabe kann nun analog gelöst werden, jedoch handelt es sich hierbei um eine 9 × 9-Matrix mit 81 Einträgen! Aufgrund der Struktur der Angabe (an = 1 ∀n) kann jedoch folgende Formel aus der Vorlesung verwendet werden: ( N −1 X 2πikn N falls k ganzzahliges Vielfaches von N ist e N = (8) 0 sonst n=0 Damit folgt: N −1 8 2πikn Ang. 1 X 2πikn (??) 1 1 X a˜k = √ an e N = e 9 = 3 3 N n=0 n=0 (??) ( ( 9 k=0 3 k=0 = 0 sonst 0 sonst Hierbei wurde verwendet, dass von den Zahlen {0, 1, 2, . . . , 8} nur die 0 ein ganzzahliges Vielfaches von 9 ist. Aufgabe 24 Invarianz unter diskreten Fourier-Transformationen (2 Punkte) Seien a0 , . . . , aN −1 und b0 , . . . , bN −1 komplexe Zahlen und ã0 , . . . , ãN −1 und b̃0 , . . . , b̃N −1 die entsprechenden diskreten Fourier-transformierten Daten. Zeigen Sie, dass N −1 X (a) N −1 X an b∗n = n=0 N −1 X (b) ãk b̃∗k k=0 2 |an | = N −1 X n=0 |ãk |2 k=0 Lösungsvorschlag für Aufgabe 24: Aus der Vorlesung und aus Gl. (??) folgt folgende wichtige Identität: N −1 X e 2πik(m−n) N ∀m, n ∈ {0, . . . , N − 1} = N δm,n (9) k=0 Dabei ist δm,n das sog. Kronecker-Symbol mit ( 1 m=n δm,n := 0 m 6= n Insbesondere gilt: N X N X xm,n δm,n = m=0 n=0 N X xn,n (10) n=0 (a) Beginne mit der rechten Seite: N −1 X (??) ãk b̃∗k = k=0 = = N −1 X N −1 2πikm 1 X √ am e N N m=0 k=0 N −1 N −1 N −1 X X X 1 N 1 N am e 2πikm N k=0 m=0 n=0 N −1 N −1 X X N −1 X m=0 n=0 k=0 am b∗n e ! b∗n e− N −1 2πikn 1 X √ bn e N N n=0 2πikn N 2πik(m−n) N !∗ = = (??) = N −1 N −1 1 X X (??) = am b∗n N δm,n = N = m=0 n=0 N −1 X an b∗n n=0 (b) Verwende |an |2 = an a∗n und setzte b∗n = a∗n in der Formel aus (a) Aufgabe 25 Oszillierender Integrand (2 Punkte) Lösen Sie das Integral Z ∞ f (x) = e ikx dk = lim+ µ→0 −∞ ∞ Z 2 eikx e−µk dk −∞ durch quadratische Ergänzung, wobei Sie annehmen R ∞dürfen, dass Grenzwertbildung und Integration vertauschen. Bestimmen Sie außerdem −∞ f (x)dx. Lösungsvorschlag für Aufgabe 25: Allgemeines Gauß-Integral: Z +∞ −a(x−b)2 dx e r = −∞ π a für a > 0 (11) Diese Formel gilt auch für beliebige b ∈ C, was aber keinesfalls trivial ist! Quadratische Ergänzung: Z +∞ Z f (x) = dk eikx = lim µ→0+ −∞ +∞ 2 dk eikx e−µk = −∞ Z +∞ = lim dk e µ→0+ −µ k2 − ikx µ = −∞ Z +∞ = lim dk e µ→0+ −∞ = lim e −x 4µ 2 µ→0+ Z −µ 2 2 2 ix k− 2µ − i x2 +∞ dk e 4µ = 2 ix (??) −µ k− 2µ = −∞ r = lim µ→0+ π − x4µ2 e µ Damit folgt: Z +∞ Z +∞ dx f (x) = −∞ r dx lim −∞ µ→0+ π − x4µ2 e = µ r Z +∞ 2 π − x (??) = lim dx e 4µ = µ −∞ µ→0+ r π p = lim · 4πµ = µ µ→0+ = 2π Mit dieser Eigenschaft und der im Skript angegeben Formel für die Delta-Distribution (Grenzwert einer immer schmaler und höher werdenden Gauß-Glocke; Setze 2a = 4µ) folgt damit: Z +∞ 1 f (x) = 2πδ(x) bzw. δ(x) = dk eikx 2π −∞