Zusatzthema zu Modul 6 Währungsunion Das Europäische Finanzaufsichtssystem (ESFS) Die globale Finanzkrise von 2008 (Stichwort: Zusammenbruch der US-Großbank Lehman Brothers) hat gezeigt, das die nationalen Praktiken der Eurostaaten zur Beaufsichtigung der Finanzinstitute nicht ausreichend waren. Deutschland wollte jedoch zunächst keine Befugnisse der nationalen Finanzaufsichtsbehörden (Bundesbank und BaFin) auf die europäische Ebene übertragen. Im Januar 2011 konnte dann nach langen Verhandlungen das Europäische Finanzaufsichtssystem (ESFS) eingerichtet werden, dessen wichtigster Bestandteil die Europäischen Finanzaufsichtsbehörden (European Supervisory Authorities, ESA) sind: – die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA mit Sitz in London), – die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA mit Sitz in Paris) und – die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA mit Sitz in Frankfurt am Main). Die Stabilität des gesamten Finanzsystems wird vom Europäischen Ausschuss für Systemrisiken überwacht. Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (European Systemic Risk Board, ESRB) Er besteht aus einem Verwaltungsrat, einem Lenkungsausschuss, einem Beratenden Fachausschuss und einem Beratenden Wissenschaftlichen Ausschuss. Den beratenden Ausschüssen gehören unabhängigen Sachverständige an. Entscheidungen trifft der Verwaltungsrat, der sich zusammensetzt aus dem Präsidenten und Vizepräsidenten der EZB, den Präsidenten der 27 nationalen Zentralbanken, einem Vertreter der Kommission, den Vorsitzenden der drei Europäischen Finanzaufsichtsbehörden sowie den Vorsitzenden der beiden Beratenden Ausschüsse. Der Lenkungsausschuss unterstützt den Verwaltungsrat und bereitet dessen Sitzungen vor. Das Sekretariat des ESRB befindet sich in der EZB in Frankfurt am Main. Der ESRB überwacht das gesamte Finanzsystem, warnt frühzeitig vor Risiken im System und gibt Empfehlungen zur Abwehr dieser Risiken. Seine Warnungen und Empfehlungen können an einen Mitgliedstaat oder mehrere Mitgliedstaaten gerichtet sei, an eine oder mehrere der Europäischen Finanzaufsichtsbehörden oder an nationale Aufsichtsbehörden. 2 Werden die Empfehlungen ohne ausreichende Begründung nicht befolgt, wird der ECOFINRat darüber informiert. Der ESRB kann seine Empfehlungen auch veröffentlichen. EP und Rat werden die Verordnung 1092/2010 EP/Rat zur Errichtung des ESRB nach drei Jahren überprüfen und entscheiden, ob Aufgaben und Organisation des ESRB verändert werden müssen. Internet: http://www.esrb.europa.eu Die Europäischen Finanzaufsichtsbehörden (ESAs) In jeder der drei Behörden ist das entscheidende Organ der Aufsichtsrat (Board of Supervisors), in dem die Präsidenten der nationalen Finanzaufsichtsbehörden der EUStaaten stimmberechtigt sind. Die administrativen Aufgaben der europäischen Behörden erledigt der jeweilige Verwaltungsrat, der sich zusammensetzt aus dem Präsidenten der Behörde und sechs Mitgliedern des Aufsichtsrats. Jede Behörde hat außerdem einen Vorsitzenden und einen Exekutivdirektor, die vom Aufsichtsrat ernannt werden. Das EP kann der Ernennung eines Vorsitzenden widersprechen, es muss die Ernennung der Exekutivdirektoren bestätigen. Finanziert werden die Behörden durch Pflichtbeiträge der nationalen Aufsichtsbehörden und einem Zuschuss aus dem Haushalt der EU. Die Arbeit der drei Europäischen Finanzaufsichtsbehörden soll alle drei Jahre von der Kommission bewertet werden. Die ESAs haben die Aufgabe, die tägliche Arbeit der nationalen Aufsichtsbehörden zu koordinieren und zu intensivieren. Sie sollen technische Standards für die Arbeit der Aufsichtsbehörden entwickeln, die von der Kommission als Durchführungsverordnungen nach Art. 291 AEUV erlassen werden und somit unmittelbare Rechtskraft erlangen. Die ESAs können ferner Leitlinien und Empfehlungen für nationale Aufsichtsbehörden und Finanzinstitute erstellen. Sie können außerdem Verletzungen des EU-Rechts durch nationale Aufsichtsbehörden untersuchen und Empfehlungen zur Beseitigung der Rechtsverletzung abgeben. In Krisenfällen können die ESAs die nationalen Aufsichtsbehörden durch Beschlüsse zwingen, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Um diese Beschlüsse durchzusetzen, haben die ESAs Durchgriffsrechte unmittelbar auf Finanzinstitute, wenn das ordnungsgemäße Funktionieren der Finanzmärkte oder die Stabilität des Finanzsystems durch eine wesentliche Verletzung des EU-Rechts bedroht sind. 3 Zum Schutz des Haushaltsrechts der nationalen Parlamente räumen die EU-Verordnungen zur Errichtung der Europäischen Finanzaufsichtsbehörden den Mitgliedstaaten das Recht ein, gegen Entscheidungen der Europäischen Finanzaufsichtsbehörden in Krisenfällen und zur Streitbeilegung einen Widerspruch einzulegen, wenn diese Entscheidungen haushaltspolitische Auswirkungen haben. Über den Widerspruch entscheidet der ECOFINRat. Die Europäische Bankaufsichtsbehörde (EBA) Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde wurde mit Verordnung 1093/2010 EP/Rat geschaffen. Sie soll zur Integration und zur Stabilität des Bankensektors in Europa sowie zu einer verbesserten und kohärenteren Aufsicht beitragen. Die EBA ist eine Einrichtung mit eigener Rechtspersönlichkeit und hat ihren Sitz in London. Ihre Aufgaben sind insbesondere – Festlegung qualitativ hochwertiger gemeinsamer Regulierungs- und Aufsichtsstandards und -praktiken; – Überwachung und Bewertung des Markts und der Tendenzen bei der Kreditvergabe, insbesondere an private Haushalte und KMU; – Förderung des Einleger- und Anlegerschutzes. Internet: http://www.eba.europa.eu Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) Sie wurde durch Verordnung 1095/2010 EP/Rat geschaffen und hat ihren Sitz in Paris. Vorläufer war der 2011 eingerichtete Ausschuss der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden. Die Behörde regelt den Handel mit Wertpapieren innerhalb der EU. Internet: http://www.esma.europa.eu Die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) Sie ersetzt den 2003 gegründeten „Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung“ (CEIOPS) und wurde durch Verordnung 1094/2010 EP/Rat geschaffen. Internet: https://eiopa.europa.eu