Die Wehrhaftigkeit der Demokratie

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Die Wehrhaftigkeit der Demokratie
Eine Stellungnahme zur Debatte um ein erneutes NPD Verbotsverfahren .
Von Marcel Raschke.
A. Einleitung
Dieser Artikel möchte sich näher mit der Debatte um ein mögliches Verbot der NPD
auseinandersetzen. Dabei ist zu fragen, wie sich die NPD als Partei entwickelt hat
und aktuell agiert (I.), woran das letzte Verbotsfahren gescheitert ist (II) ,wie die
Situation des Rechtsextremismus sich darstellt (II) und schließlich welche Gründe für
ein Verbot oder gegen ein Verbot sprechen (IV).
I. Die Geschichte der NPD1
Die NPD gründete sich 1964 in Hannover. Noch in den 50er Jahren war die
„Sozialistische Reichspartei“ als extremistische Nachfolgepartei der NSDAP vom
Bundesverfassungsgericht in einer frühen Entscheidung verboten worden.2 In der
NPD fanden nun viele ehemalige Mitglieder der verbotenen SRP ihre politische
Heimat. Dabei gelang es der NPD sehr geschickt sich als bürgerlich zu präsentieren.
Sehr schnell konnte sie Erfolge bei den Wahlen erzielen und war in mehreren
Landtagen vertreten. Angestrebtes Ziel war es 1969 bei der Bundestagswahl in das
Parlament einzuziehen3. Mit Adolf Von Thadden hatte sie einen rhetorisch begabten
Vorsitzenden, der zugleich den Anschein von Bürgerlichkeit vermittelte. Die NPD
stolperte jedoch über ihr wahres Dasein. Auf Grund mehrerer verübter Gewalttaten
von NPD Mitgliedern und dem NPD - eigenen Sicherheitsdienst entlarvte die Partei
ihren Hang zur Gewalt und verlor konservativ-bürgerliche Anhänger.
Der Einzug missglückte und Adolf Von Thadden trat schließlich 1970 zurück4. Neuer
Vorsitzender wurde der noch heute aktive Rechtsextremist Martin Mußgnug. Es
folgte eine lange Zeit der Stagnation für die NPD mit vielen innerparteilichen
Grabenkämpfen, Erfolge bei den Wahlen konnten nicht erzielt werden. Am 26.09.
1980 fand der große Anschlag auf das Münchner Oktoberfest seitens eines Mitglieds
der rechtsextremen Wehrsportgruppe Hoffmann statt. Dabei wurden 13 Menschen
getötet und weit über 200 zum Teil lebensgefährlich verletzt. In den 80er Jahren
spielte die NPD aber weiterhin keine bedeutenden Rolle. Erfolge konnten hingegen
ab Mitte der 80er Jahre die Republikaner erzielen, deren damaliger Vorsitzender
Franz Schönhuber die Massen in Bierzelten polarisierte und es auch mit einem
markanten Foto auf das Titelblatt des Spiegel schaffte5. Die Republikaner6 schafften
1
In Kurzform auch nachzulesen bei Lars Flemming, Das gescheiterte NPD-Verbotsverfahren, in: Uwe
Backes, Eckhard Jesse (Hrsg.), Jahrbuch Extremismus & Demokratie 15, Baden-Baden 2003, S. 159,
160 f.
2
BVerfGE 2, 1 - SRP-Verbot.
schon damals gab es eine Diskussion über ein mögliches NPD-Verbot, DER SPIEGEL, 1968,
Ausgabe 52, S. 21 ff.
3
4
Zur Geschichte der SRP und NPD etwas ausführlicher: Hans Gerd Jaschke/Birgit Rätsch/Yury
Winterberg, Nach Hitler, Radikale Rechte rüsten auf, München 2001; S. 143ff.; sehenswert auch
hierzu die gleichnamige dreiteilige ARD-Dokumentationsreihe.
5
DER SPIEGEL, 48. Jahrgang, Ausgabe 22, vom 29.05.1989, Titel: Der rechte Verführer.
mehrere große Erfolge, sie zogen in das Europarlament ein und waren auch zwei
Wahlperioden im Landtag von Baden-Württemberg vertreten, was die These
wiederlegt, Rechtsextremismus spiele nur im Osten eine Rolle.
Ab Mitte der 90er Jahre begann die NPD neu zu agieren. Nach einer Stichwahl
gegen den inhaftierten Rechtsanwalt Günter Deckert wurde der Politologe Udo Voigt
aus Bayern am 23. März 1996 neuer Parteivorsitzender. Er übt dieses Amt bis heute
aus. Seit Beginn der 90er Jahre knüpfte die Partei bereits Kontakte in lose
nationalsozialistische Gruppierungen und in die rechtsextreme Skinhead Szene. 7 Die
NPD radikalisierte sich, neben weiterhin vorhandener populistisch dummer
Propaganda begann sie aber auch tiefgründigere Rhetoriker in den Vordergrund zu
stellen. Sie stellte 1997 unter Voigt als Strategie das sog. „3-Säulen Konzept“ auf.
Die 3 Säulen zum Erfolg sind aus Sicht der NPD demnach der ideologische "Kampf
um die Köpfe", der "Kampf um die Straße" und der "Kampf um die Parlamente".
In der NPD begann sich auch der ehemalige RAF-Aktivist Horst Mahler zu
engagieren, der vom roten Extremisten zum braunen Extremisten gewandelt ist. Am
12. August 2000 in Bruchsal erklärte er gegenüber der Presse seinen Beitritt zur
NPD. Mit seiner Internetseite www.deutschesreich.de und antisemitischnationalistischen Parolen gehört er heute zu den radikalsten Vertretern der NPD. Auf
seiner Internetseite wird das Jahr 1933 etwa als „befreiende Revolution des Volkes
von den Siegermächten des ersten Weltkrieges“ bezeichnet, ebenso wird zu einer
Grundschulung in „Reichsbürgerkunde“ eingeladen. Zur Rechtfertigung seiner
ehemaligen Vergangenheit von 1868 und seinem Wandel zum extremen
Nationalisten vergleicht Horst Mahler dort auch äußerst obskur Hitler und Rudi
Dutschke.
II. Das letzte NPD-Verbotsverfahren
Im Jahre 2000 kochte die Diskussion um ein NPD-Verbot hoch. Bundeskanzler
Schröder rief im Kampf gegen Rechtsextremismus zum „Aufstand der Anständigen“
auf.8
Die Rechtgrundlage für ein Verbot extremistischer Parteien ergibt sich unmittelbar
aus dem Grundgesetz. Nach Artikel 21 Abs. 2 GG sind demnach Parteien, die nach
ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die
freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder
den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, verfassungswidrig.
Nach Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG entscheidet hierüber das Bundesverfassungsgericht. 9
6
Zur Geschichte der Republikaner und der Situation Anfang der 90er Jahre: Michael Schomers,
Deutschland ganz rechts, Sieben Monate als Republikaner in BRD und DDR, Köln 1990.
7 Hinweis: Der Autor ist sich bewusst, dass Skinheads nicht mit Rechtsextremisten gleichzusetzen
sind, und dass es auch eine bewusste Skinhead-Szene gibt, die sich gegen Rechtextremismus
ausspricht. Näheres hierzu sehr ausführlich bei: Klaus Farin, Skinheads, 5. Auflage, München 2002.
8 siehe zu dieser Redefloskel auch Ingo Münch, Der Aufstand der Anständigen, Neue Juristische
Wochenschrift 2001, S. 728 ff.
9 Zum Parteiverbot als Instrument und seiner Rolle in der jetzigen Demokratie: Martin Morlok,
Parteiverbot als Verfassungsschutz – ein unauflöslicher Widerspruch, Neue Juristische Wochenschrift
2001, S. 2931 ff; Zur Frage der Vereinbarkeit mit Europarecht, die auch seitens der NPD aufgeworfen
wurde: Armin Hatje, Parteiverbote und Europarecht, Deutsches Verwaltungsblatt 2005, S. 261 ff.
Im Verbotsurteil zur SRP aus dem Jahre 1952 hatte das Bundesverfassungsgericht
hierzu ausgeführt, dass die Freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des
Art. 21 Abs. 2 GG eine Ordnung darstellt, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt und
Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der
Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der
Freiheit und Gleichheit darstellt. 10
Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind nach Auffassung des
Gerichtes mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz
konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf
Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die
Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die
Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für
alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und
Ausübung einer Opposition.
Die Freiheitliche Grundordnung ist nach dem Bundesverfassungsgericht das
Gegenteil des totalen Staates, der als ausschließliche Herrschaftsmacht
Menschenwürde, Freiheit und Gleichheit ablehnt.11 Im SRP-Verbot nannte das
Gericht als Beweggründe für ein Verbot ausdrücklich Publikationen der Partei mit
antisemitischen Inhalten, und es verwies auf die innere Struktur der Partei, die
Rückschlüsse zulasse, auf das von der Partei angestrebte Gesellschaftssystem, das
nicht mit der Verfassung vereinbar sei.
Am 30. Januar 2001 ging der Antrag der Bundesregierung auf ein Verbot der NPD
beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein, Bundestag und Bundesrat reichten
ihre Anträge am 30. März 2001 ein. Im Oktober erklärte das Verfassungsgericht die
Anträge auf ein Verfahren für zulässig und begründet.12 Die Anträge unterschieden
sich in Länge, Schwerpunktsetzung und Qualität. Trotz Mängeln beinhalteten sie
aber erdrückendes Beweismaterial gegen die NPD. Den längsten und zugleich
fundiertesten Antrag hatten die Vertreter des Bundestages vorgelegt. Als
überzeugend galt hier vor allem der breit angelegte Abschnitt zur
Wesensverwandtschaft der Partei mit dem Nationalsozialismus.13
Am 22. Januar 2002 setzte das Verfassungsgericht überraschend die für Februar
anberaumten Termine zur mündlichen Verhandlung ab14, denn bei einer der Person,
deren Äußerungen in den Verbotsanträgen aufgeführt werden, handelte es sich um
Wolfgang Frenz. Er galt als einer der führenden Köpfe der Partei und war in
mehreren Funktionen langjährig aktiv. Bereits seit 1959 hatte er Kontakt zum
Verfassungsschutz.15 Der Leiter der BMI-Abteilung Verfassung, Klaus-Dieter
Schnapauff, hatte nach einem Hinweis aus Düsseldorf im Januar 2002 den
Verfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch telefonisch davon informiert, daß eine zur
Anhörung
geladene
Person
eine
Aussagegenehmigung
eines
10
BverfGE 2, S. 1, 1.
BverfGE 2, S. 1, 12.
12 Eckehard Jesse, Der gescheiterte Verbotsantrag gegen die NPD, Politische Vierteljahresschrift
2003, S. 292, 293.
13 Lars Flemming, Das gescheiterte NPD-Verbotsverfahren, in: Uwe Backes, Eckhard Jesse (Hrsg.),
Jahrbuch Extremismus & Demokratie 15, Baden-Baden 2003, S. 159, 167 f.
14 Siehe hierzu auch Jörn Ipsen, Rechtsfragen des NPD-Verbots, Neue Juristische Wochenschrift
2002, S. 866 ff.
15 Lars Flemming, Das gescheiterte NPD-Verbotsverfahren, in: Uwe Backes, Eckhard Jesse (Hrsg.),
Jahrbuch Extremismus & Demokratie 15, Baden-Baden 2003, S. 159, 168.
11
Landesverfassungsschutzamtes vorlegen werde. Jentsch bat daraufhin Schnapauff
zwei Tage später erfolglos um eine schriftliche Information.16 Darauf hin wurden die
Termine abgesetzt. Schon im Juni 2001 war bereits vor Frenz mit Tino Brandt, dem
stellvertretenden thüringischen Landesvorsitzenden der NPD, ein Informant des
thüringischen Verfassungsschutzes aufgeflogen.17
Die Organisation der Innenministerien erwies sich mehr als peinlich. Kein
Landesinnenministerium
kannte
die
Informanten
des
anderen,
kein
Landesinnenministerium gab freiwillig zureichende Auskünfte über seine Quellen.
Mitarbeiter des Verfassungsschutzes von Nordrhein-Westfalen sollen Fachkonferenz
im Herbst 2000 zwar Bedenken hinsichtlich der Verwendung von Frenz in den
Verbotsanträgen geäußert haben, konnten sich aber nicht durchsetzen, weil sie
Frenz´ Informantentätigkeit verschwiegen. 18 Hinzu kam peinlicherweise, dass das
Bundesamt für Verfassungsschutz eigentlich schon seit längerem über die
Spitzeltätigkeit von Frenz bescheid wusste, es wurde aber
versäumt die
Informationen weiterzuleiten.
Es wurde nicht besser, sondern nur prekärer. Kurz nach der vorläufigen Aussetzung
durch das Gericht taucht Ende Januar 2005 tauchte mit Udo Holtmann ein weiterer
Spitzel des Verfassungsschutzes auf. Holtmann wurde ebenfalls in den
Verbotsanträgen zitiert, Holtmann war von 1977 an im Bundesvorstand aktiv und
zuletzt bis zum Zeitpunkt seiner Enttarnung NPD-Landesvorsitzender in NRW.19
Enttarnt wurden außerdem Mike Layer, der im Verbotsantrag der Bundesregierung
zitiert wurde. Matthias Meier, Michael Grube und Thomas Dienel wurden ebenfalls
enttarnt, spielten aber in den Verbotsanträgen keine Rolle.20
Das Bundesverfassungsgericht setzte deshalb einen Erörterungstermin zur
Problematik für den 8. Oktober 2002 an und forderte die Antragsteller auf, bis zum
31. Juli schriftlich aufzuklären, ob und welche Personen aus Umfeld der NPD mit
staatlichen Stellen kooperiert hatten oder noch kooperierten. Es wurde darum
gestritten, inwieweit die NPD durch Spitzel fremdgesteuert sei, und damit durch den
Staat letztlich erst die Gründe für ein Verbot vorlägen, sowie über die Frage, ob
zulässige Prozessstrategien seitens der NPD erspitzelt worden seien. Der
Erörterungstermin brachte jedoch keine Klarheit.
Am 18.03.2003 verkündete das Bundesverfassungsgericht schließlich die Einstellung
des Verfahrens aus formalen Gründen. Das Verfahren konnte nicht fortgeführt
werden, weil die hierfür erforderliche qualifizierte Zweidrittelmehrheit im Senat nicht
erreicht werden konnte21. Vier Richter waren der Auffassung, dass ein
Verfahrenshindernis nicht besteht. Drei Richter waren der Auffassung, dass ein nicht
16
Lars Flemming, Das gescheiterte NPD-Verbotsverfahren, in: Uwe Backes, Eckhard Jesse (Hrsg.),
Jahrbuch Extremismus & Demokratie 15, Baden-Baden 2003, S. 159, 169.
17 Lars Flemming, Das gescheiterte NPD-Verbotsverfahren, in: Uwe Backes, Eckhard Jesse (Hrsg.),
Jahrbuch Extremismus & Demokratie 15, Baden-Baden 2003, S. 159, 169.
18 siehe Fußnote 15.
19 Lars Flemming, Das gescheiterte NPD-Verbotsverfahren, in: Uwe Backes, Eckhard Jesse (Hrsg.),
Jahrbuch Extremismus & Demokratie 15, Baden-Baden 2003, S. 159, 170.
20 siehe Fußnote 18.
21 Nach § 15 Abs. 4 BverfGG bedarf in einem Parteiverbotsverfahren eine dem Antragsgegner
nachteilige Entscheidung einer Mehrheit von 2/3 der Stimmen. Stimmberechtigt sind allerdings nur die
Richter, die dem Senat seit Verfahrensbeginn anhören. Siehe hierzu Jörn Ipsen, Das Ende des NPDVerbotsverfahrens, JuristenZeitung 2003, S. 485 ff.
behebbares Verfahrenshindernis vorliegt. Während die eine Seite die Beobachtung
der NPD durch Spitzel als nicht vereinbar mit dem Rechtsstaatlichkeitsprinzip ansah,
sah die andere Seite kein Verfahrenshindernis. Sie vertrat auch die Auffassung, dass
auch nachrichtendienstlich gewonnene Informationen nutzbar seien.22
Man hätte es besser wissen können, genauer: besser wissen müssen. Schon früh
hatten Kenner der Szene vor solchen Fehlern gewarnt und man hätte über die
Spitzeltätigkeit prominenter NPD Vertreter wissen müssen.23 Die merkwürdige
Auskunftsbereitschaft etwa von Wolfgang Frenz gegenüber den Medien 24 hätte ein
Indiz für Verbindungen zu Informationsdiensten sein können. Auch waren die Fehler
in der Abstimmung zwischen dem Bundesämtern und den Landesämtern, bzw.
zwischen den Ministerien mehr als peinlich.
Die Entscheidung des Senates war nicht zu beanstanden. Wer eine Partei der
Gewährleistung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit wegen verbieten will, der
muss in diesem Verfahren selbst auch hohe Anforderungen an Rechtsstaatlichkeit
demonstrieren, um für Glaubwürdigkeit zu stehen.25
Der Prozessvertreter der NPD, Horst Mahler, trat übrigens aus der NPD aus. Er
begründete dieses damit, dass die NPD eine "am Parlamentarismus ausgerichtete
Partei" und daher "unzeitgemäß" sei26. Momentan sitzt Mahler, der zuletzt auch in
Ostwestfalen-Lippe sehr aktiv war, eine Gefängnisstrafe wegen Volksverhetzung
ab.27
III. Die Situation des Rechtsextremismus
Im sächsischen Landtags sitzt die NPD, mit nur einem Abgeordneten weniger als die
SPD. In Brandenburg hat die DVU den Einzug in den Landtag geschafft. Ein
Horrorszenario, das real ist.
Aber: auch wenn die Darstellung gelegentlich anders ist, Rechtsextremismus ist
weder ein Phänomen der neuen Bundesländer, noch ein Phänomen das
konjunkturell verstärkt auftritt. Das Erstarken der Rechten ist nicht allein ein
ostdeutsches Problem. Es darf nicht vergessen werden, das noch vor wenigen
Jahren die Republikaner im Landtag von Baden-Württemberg saßen. Die 4 % der
NPD bei den Landtagswahlen im Saarland sind ebenfalls sehr ernst zu nehmen. Bei
22
Lars Flemming, Das gescheiterte NPD-Verbotsverfahren, in: Uwe Backes, Eckhard Jesse (Hrsg.),
Jahrbuch Extremismus & Demokratie 15, Baden-Baden 2003, S. 159, 173; zur Frage der Verwertung
von Informationen siehe auch Jörn Ipsen, Rechtsfragen des NPD-Verbots, Neue Juristische
Wochenschrift 2002, S. 866, 868, der Schriften von Wolfgang Frenz nicht gänzlich unberücksichtigt
lassen will, sondern für eine Prüfung im Einzelfall plädiert.
23
Vgl. hierzu die Ausführungen des ehemaligen Rechtsextremisten Jörg Fischer, Das NPD-Verbot,
Berlin 2001, S. 61ff. Das Buch erschien bereits vor dem Verfahren.
24
Frenz hat sich zur Radikalität und Entwicklung der NPD ausgiebig und offen im Interview in der ARD
3-Teiler Serie „Nach Hitler, Radikale Rechte rüsten auf“ im Jahre 2001 geäußert. 2002 trat er auch als
Buchauto in Erscheinung indem er über die V-Mann Affäre selbst schrieb: Die Schlapphut-Affäre. Als
V-Mann auf NPD-Führungsebene. Solingen 2002.
25 so auch: Eckehard Jesse, Der gescheiterte Verbotsantrag gegen die NPD, Politische
Vierteljahresschrift 2003, S. 292, 299.
26 Informationsdienst gegen Rechtsextremismus, www.idgr.de, Lexikoneintrag Horst Mahler.
27 Hamburger Abendblatt, 13.01.2005; taz- die tageszeitung, 13.01.2005, Seite 2.
den Kommunalwahlen in NRW zeigte sich, dass in vielen Orten rechte
Gruppierungen die Räte eroberten. Gefördert und ermuntert durch den Wegfall der
5% Hürde. Nach Informationen des NRW-Innenministers Fritz Behrens kamen durch
den Wegfall der 5-Prozent-Hürde landesweit über 100 rechtsextreme Abgeordnete in
die Stadt- und Gemeinderäte. Viele Medien stürzen sich leider jedoch nur
konjunkturell auf interessante Bilder von Glatzköpfen und provozierenden braune
Parlamentariern. Es gilt, was schon der ehemalige Innenminister Gerhard Baum
(FDP) einmal gesagt:
Das Merkwürdige an der Auseinandersetzung in unser Gesellschaft mit dem rechten
Extremismus ist, dass immer wieder viele Phasen der Entspannung eintreten, obwohl
die Lage das gar nicht rechtfertigt.28
Die NPD wird stärker, die anderen rechtsextremen Parteien verlieren stark an
Bedeutungsverlust. Die NPD kann hohe Mitgliederzuwächse verzeichnen, Mitglieder
der sich selbst als rechtskonservativ verstehenden Republikaner treten vielfach über.
Die NPD integriert auch die freie rechtsextreme Szene in ihre Strukturen. Vertreter
der sog. „Freien Kameradschaften“, also losen Bündnisse extremer Prügelknaben
beginnen die Partei nicht länger als „zu parlamentarisch“ zu verachten, sondern
engagieren sich in der Parteistruktur.
IV. Gründe für ein NPD-Verbot
Viele Argumente gegen ein Verbot sind sachlich richtig und sehr ernst zu nehmen. Im
Falle der Neuaufnahme eines Verfahrens darf dieses auf keinen Fall scheitern.
Wichtig ist aus den Fehlern des letzten Verfahrens zu lernen und ein erneutes
Verfahren sehr gründlich durch die Antragssteller vorzubereiten. Zeugen sind auf ihre
Zulässigkeit hin zu prüfen, es dürfen keinesfalls erneut Spitzel des
Verfassungsschutzes benannt werden.
Ein Verfahren als Schnellschusses ist abzulehnen, aber ein Verbot ist möglich,
jedenfalls wenn es ernsthaft angegangen und vorbereitet wird, da genügend
materielle Gründe dafür sprechen. Weil ein Verbot materiellrechtlich wohl möglich
ist29, sind vor allem Fragen der Zweckmäßigkeit eines Verbotsverfahrens zu
diskutieren.30
Demokratie muss vieles ertragen. Auch extreme Positionen. Die offensichtlichen
Feinde der Demokratie müssen jedoch nicht ertragen werden. Wer die Grundrechte
beseitigen will, darf sich nicht auf diese berufen31. Es ist unerträglich, dass die
Institutionen und Mittel der Demokratie missbraucht werden, um sie selbst zu
demontieren. Es gilt: Die NPD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt nutzt ihre
Infrastruktur etwa, um Szenepersonen als Mitarbeiter zu beschäftigen, deren
28
Zitiert aus einem Interview zum Verbot der rechtsextremen Wehrsportgruppe Hoffmann, Nach Hitler,
Radikale Rechte rüsten auf, München 2001; S. 30.
29 Jörn Ipsen, Das Ende des NPD-Verbotsverfahrens, JuristenZeitung 2003, S. 485, 489.
30 so etwa auch: Ingo Münch, Der Aufstand der Anständigen, Neue Juristische Wochenschrift 2001, S.
728, 729; Eckhard Jesse, Soll die Nationaldemokratische Partei Deutschlands verboten werden ?,
Politische Vierteljahresschrift 2001, S. 683 ff., mit der Feststellung, ein Verbotsantrag sei rechtmäßig,
aber unzweckmäßig.
31 Ingo Münch, Der Aufstand der Anständigen, Neue Juristische Wochenschrift 2001, S. 728, 729.
Aufgabe es ist, braunes Gedankengut in der gesamten Republik zu verbreiten. Der
jetzige NPD-Abgeordnete im sächsischen Landtag, Uwe Leichsenring hat es
formuliert, wie es klarer nicht sein kann: „Natürlich sind wir verfassungsfeindlich.
Natürlich dürfen die Nazis (die im Kern wenig "neo") sind nicht durch ein Verbot zu
Märtyrern stilisiert werden. Klar ist auch, dass rechtes Gedankengut natürlich nicht
verschwindet, wenn die NPD verboten wird.
Die uralte Sinus Studie aus dem Jahr 198132 und neuere Studien des Bielefelder
Soziologen Heitmeyer33, der Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und
Gewaltforschung ist, zeigen deutlich, dass es ein zweistelliges Potential für
rechtsextremes und antisemitisches Gedankengut in Deutschland gibt. Dieses muss
nicht nur konjunkturell bekämpft werden, sondern es ist eine andauernde
gesellschaftliche Aufgabe.
Trotzdem sollten Strukturen nicht geduldet werden erhalten, wenn man sie
zersplittern kann. In diesem Zusammenhang wird argumentiert, wenn die NPD
verboten sei, sei sie auch sehr viel schwieriger zu kontrollieren. Demgegenüber
steht, dass die NPD und die rechte Szene in ihrer Handlungsfähigkeit durch ein
Verbot stark eingeschränkt wird. Ein Verbot gibt aber die Chance, das Bündnisse, die
sich momentan auf Grund der Stärke der NPD bilden, wieder auseinanderfallen. Als
Partei ist der NPD in den letzten Jahren gelungen die Anfang der 90er Jahre noch
sehr zersplitterte Szene zusammenzurücken, ein Verbot könnte die Gruppen wieder
zersplittern34, was sie letztlich handlungsunfähiger macht.
Gegen ein NPD-Verbot wird auch zu Feld gezogen, dass die NPD politisch bekämpft
werden müsse. Dieses Argument ist richtig. Juristischer Kampf und politischer Kampf
schließen sich jedoch natürlich nicht aus, jedenfalls für den, der Rechtsextremismus
ernsthaft bekämpfen will.
Auch wird argumentiert, dass es beim Verbot nur darum ginge, der NPD finanzielle
Zuschüsse im Sinne der Wahlkampkostenrückerstattung35 zu nehmen. Es geht
jedoch um mehr, als nur um solche staatlichen Zuschüsse. Die NPD kann jedoch
sämtliche Privilegien für Parteien nutzen um ihr extremes Gedankengut zu
verbreiten. Sie bekommt die Strukturen der Parlamenten, nämlich Mitarbeiter und
kontinuierliche Finanzierung. Wegen der zwingenden Gleichberechtigung entstehen
auch Förderansprüche für eine Stiftung36. Ein schreckliches Szenario, dass
rechsextreme Stiftungen, besser vielleicht als "Brandstiftungen" bezeichnet, in den
Genuss der selben Fördermittel wie die Heinrich Böll Stiftung, die Konrad-Adenauer
32
Wir sollten wieder einen Führer haben, Die Sinus-Studie über rechtsextremistische Einstellungen
bei den Deutschen, Hamburg, 1981.
33
Heitmeyer, Wilhelm (Hrsg.), Deutsche Zustände. Folge 1, 2002; Deutsche Zustände. Folge 2, 2003.
so auch: Armin Pfahl-Traughber, Soll man die NPD verbieten ?, Kommune, Heft 11, Jahrgang 2000,
S. 28, 28.
35 so etwa: Armin Pfahl-Traughber, Soll man die NPD verbieten ?, Kommune, Heft 11, Jahrgang 2000,
S. 28, 28; mit Verweis auf eine Äußerung von Bundeskanzler Gerhard Schröder: Ingo Münch, Der
Aufstand der Anständigen, Neue Juristische Wochenschrift 2001, S. 728 f.
36 zur Frage der Finanzierung der den Parteien nahestehenden Stiftungen: Jörg Geerlings,
Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Probleme bei der staatlichen Finanzierung parteinaher
Stiftungen, Dissertation, Berlin 2003.
34
Stiftung oder die Friedrich Ebert Stiftung kommen. Die NPD hat bereits öffentlich
angekündigt, eine solche Stiftung gründen zu wollen37.
Finanzielle Zuschüsse erhalten auch die Jugendorganisationen der Parteien. Somit
entstehen auch Zahlungsansprüche für die Jungen Nationaldemokraten.
Horrorsszenarien sind etwa staatlich gesponserte Liederabende mit dem
rechtsextremen Barden Frank Rennicke. Hier toleriert der Staat , was nicht zu
tolerieren ist und untergräbt sich selbst, indem er solche Veranstaltungen
mitfinanzieren würde.
Die NPD kann also verboten werden, wenn Fehler des letzten Verfahrens vermieden
würden und kein Schnellschuss erreicht werden soll. Damit sind nicht alle Probleme
gelöst. Natürlich muss auch gegen den dauernden Nährboden für Rassismus aus
der Mitte der Gesellschaft vorgegangen werden. Auch fremdenfeindliche
Äußerungen oder Ressentiments seitens etablierter Parteien sind Dünger für einen
rechtsextremen Nährboden. Alle Demokraten sind aufgefordert, gegen
Rechtsextremismus vorzugehen, dies vor allem dauerhaft38 und ohne die
Notwendigkeit des Ausrufens eines Aufstandes der Anständigen. Es muss nicht nur
gegen die offensichtlichen Extreme vorgegangen werden, sondern auch gegen den
alltäglichen Rassismus. Sonst entstehen immer wieder neue Brandherde.
37
Berliner Morgenpost, 23.02.2005; N24.de, taz- die tageszeitung, 23.2.2005, Seite 2; Frankfurter
Rundschau, 23.02.2005, S.4.
38 Ein Parteiverbot im Ergebnis ablehnend aber einen dauerhaften Kampf gegen Rechtextremismus
fordernd: Armin Pfahl-Traughber, Soll man die NPD verbieten ?, Kommune, Heft 11, Jahrgang 2000,
S. 28, 29.
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