Exzerpt von: Steiner, G. (2001). Lernen; Zwanzig Szenarien aus dem Alltag. Bern: Hans Huber. S. 15-171 und S. 315-333. 1. Angst vor weißen Kitteln Klassisches Konditionieren 1. Einleitung Es geht in diesem Kapitel um die Schlüsselbegriffe: neutraler Reiz (NS), konditionierter Reiz /Reaktion (UCS/ UCR) und unkonditionierter Reiz / Reaktion (CS/CR). Theorie Pawlows 2. Theorie Pawlows Er entdeckte, dass es Hunde dazu bringen kann, schon beim Hören einer Glocke zu speicheln. 3. Beispielsituation Kind musste mit Mutter zum Augenarzt, um Augen zu spülen, was ihm wehtat, so dass es schrie. Beim nächsten Augenarztbesuch schrie es schon beim Anblick der weiß gekleideten Sprechstundenhilfe. Folge : weißer Kittel = ursprünglicher neutraler Reiz (NS) Spülen = unkonditionierter Reiz (UCS) → Schreien = UCR Paarung von NS mit UCS führt dazu, dass der weiße Kittel zum CS für die CR (Schreien) wird. 4. Klassisches Beispielexperiment: Der kleine Albert Watson & Rayner führten 1920 folgenden Versuch durch: Man ließ jedes Mal Lärm erschallen, wenn Albert (Säugling) eine weiße Stoffratte berührte. Dies führte dazu, dass er schon Angst hatte, wenn er die Ratte nur sah. 5. Vergleich mit Beispiel Hier reichte einmaliger Arztbesuch zur Konditionierung, weil UCS sehr schmerzlich war. 6. Reizgeneralisierung Da das Kind schon bei der Sprechstundenhilfe schreit, bedeutet das, dass hier eine Reizgeneralisierung stattgefunden hat, d. h. dem CS ähnliche Reize werden ebenfalls zum CS. 1 7. Extinktion Nach mehreren Arztbesuchen ohne Augenspülung schreit das Kind nicht mehr beim Anblick des weißen Kittels. Es hat also Extinktion stattgefunden, weil mehrmals der CS ohne UCS dargeboten wurde. Aber auch durch beruhigendes Zureden der Mutter und schon vorbereitende Erklärungen findet Extinktion statt. Dies ist jedoch nur mit der Annahme von komplexen kognitiven Prozessen der subjektiven Interpretation der Situation zu erklären. 2. Ein gelernter Herzinfarkt? Das Problem der Extingtion 1. Einleitung Es geht um das Verlernen bestimmter Verhaltensweisen 2. Beispielsituation Aufseher Meier wird von einem Häftling angegriffen und mit einem Wasserkessel niedergeschlagen. Folge: NS = Häftling UCS = Angriff UCR = Angst Durch Paarung von Häftling und Angriff wurde der Häftling zum CS für die CR Angst. Hinzu kam, dass H. Meier in Zukunft auch vor anderen Häftlingen Angst hatte und von Gegenständen, die bei dem Vorfall zugegen waren → Reizgeneralisierung fand statt. 3. Angstbewältigung = Extinktion 1. Möglichkeit: Wiederholte Konfrontation mit Angstsituation ohne dass etwas passiert. ( H. Meier bringt nun Essen nur lieben Sträflingen) 2. Möglichkeit: Systematische Desensibilisierung ( siehe Kapitel 9) 3. Möglichkeit: Lernen am Modell nach Bandura ( H. Meier beobachtet Kollegen, die keine Angst haben) 4. Problem Konditionierte Reaktionen bestehen aus Verhaltens, -physiologischer u. emotionaler Komponente (Flucht, hoher Blutdruck/ hohe Herzfrequenz…,Angst) Extinktion der emotionalen Reaktion und der Verhaltenskomponente wirkt sich oft nicht vollständig auf die physiologische Reaktion aus. =>H. Meier reagiert noch nach Jahren auf Gefängnis und Gefangene mit erhöhtem Blutdruck=> Herzinfarktgefahr. 2 Biofeedbacktraining, in der, H. Meier lernt, seine physiol. Reaktionen selbst zu steuern, könnte Risiko vermindern. 3. The world Faur´s Nails – Lernen nach Versuch und Irrtum 1. Einleitung L. Thorndik´s Theorie (1874-1949) Kognitiver Interpretationsansatz 2. Beispielsituation Es geht um das Entwirren von zwei in besonderer Weise verbogenen Nägeln. Erst gleicht das Verhalten einem mehr oder weniger blinden Ausprobieren. Dabei kann die Lösung zufällig entstehen. Bei den nächsten Versuchen geht es dann schneller. 3. Thorndikes klassischer Versuch: Katze im Problemkäfig Durch zufälliges Ausprobieren tritt Katze auf Hebe, der Käfig öffnet sich und Katze kann an das Futter. Mit Zunahme der Lösungsversuche verkürzt sich die Lösungszeit langsam. Futter = Belohnung und verstärkt letzte Reaktion und hemmt alle, die nicht damit in zeitlicher Verbindung standen. = Effektgesetz. 4. Unterschiede zum Nägelproblem Anreiz ist hier Erfolg zu haben, das Problem zu lösen ≠ Hunger Keine langsame Lösungszeitverkürzung, sondern sprunghafte Verkürzung Lernprozess ist komplexer, da Lösungsschrittreihenfolge gelernt werden muss. 5. Behavioristische Interpretation Lösungsschritte werden nach dem Effektgesetz gelernt Lernprozess beginnt quasi von hinten: Letzt Reaktion wird durch Erfolg verstärkt, dann wird vorletzte Reaktion durch letzte Reaktion verstärkt usw. Um Prozess besser erklären zu können, muss man eigentlich die Vorstellung des Endzustandes als Verstärkung einführen; dies tat Hull (1884-1952) mit dem Begriff der „partiell antizipierten Zielreaktion“. 6. Kognitive Interpretation Aus dieser Sicht hat Verstärkung nicht nur selektive, sondern auch informative Funktion = das gute / ungute Gefühl gibt Information über Veränderung der Lernsituation. Problemlöselernen besteht aus -Motorischer Aktivität + 3 -Kontrollierender Wahrnehmung als Rückmeldung und Möglichkeit zur modifizierten Wiederholung Genauer besteht Problemlosen aus 1.) Koordination der Lernorganisation ( Miller, Galanter, Pribram) 2.) Repräsentation des Problemraumes ( Bruner) Zu 1.) Problemlosehandlung besteht aus TOTE- Einheit = Testphase, Organisationsphase ( Änderung der Lösungsstrategie), Testphase. Dies wiederholt sich bis zur Lösung (Exit) Zu 2.) Repräsentation überwiegend durch analoge Speicherung der Bewegungsabfolgen. Um Reihenfolge zu lernen kommen auch ikonische und symbolische (verbale) Repräsentationen hinzu. 4. Ein unordentliches Kind wird ordentlich – Signale für neue Gewohnheiten 1. Einleitung Das Beispiel zeigt, was nötig ist, um eine Verhaltensänderung zu erzeugen → Identifikation con Verstärkern der unerwünschten Reaktion → Aufbau erwünschter Verhaltensweisen durch neue Signale In diesem Zusammenhang: Unterschiedliche theoretische Interpretation con Verstärkern durch Thorndike und Guthrie 2. Beispielsituation Ein Kind kommt nach Hause und wirft immer seinen Mantel etc. auf den Boden, zum Ärger der Mutter. 3. Analyse der Situation Es handelt sich um eine Gewohnheit ( Habit), die schon lange besteht Auslösender Reiz war vermutlich ursprünglich ein voller Kleiderhaken => Reizgeneralisierung auf fast voll, leer… Verstärker in dieser Situation: Bequemer als selbst aufhängen + Mutter tut es dann für einen 4. Verhaltensänderung durch neue Signale / Interpretationen von Verstärkung Neue Signale: Leerer Kleiderhaken + Mutter schickt Kind noch mal hinaus, so dass es erneut heimkommen kann und Kleider aufhängt Weitere Möglichkeit: Mutter muss ordentliches Verhalten vorleben =>Lernen am Modell möglich (Bandura) Verstärker: Lächeln der Mutter + Anbieten von etwas zum Trinken → Nach Thorndike wirkt die Befriedigung eines Triebes (Durst) verstärkend 4 → Nach Guthrie ist Verstärker ein neuer Reiz, der zu neuer Reaktion führ und daher verhindert, dass die eigentliche Reiz-Reaktionsverbindung nicht durch Interferenz gestört/beeinträchtigt wird 4. 3 Hemmungskonditionierungen um Gewohnheiten aufzubrechen ( nach Guthrie) 1. Methode der inkompatiblen Reize = Reizsituation wird mit Reizen angereichert, die Verhalten hervorrufen, dass mit dem unerwünschten Verhalten inkompatibel ist. Mutter nimmt Kleider ab und gibt sie dann dem Kind zum Aufhängen 2. Toleranzmethode = Darbietung des Reizes, der unerwünschte Reaktion auslöst, erst so schwach, dass er nicht wirkt, dass etwas stärker…Mutter geht mit Kind erst sehr weit um das Arzthaus herum, dann etwas näher…(siehe 1. Kapitel) 3. Ermüdungsmethode = Reiz wird so lange dargeboten, bis Reaktion ermüdet ist. Rodeotechnik beim Zureiten von Pferden 5. Michael der Störenfried – Vom operanten Konditionieren und sozial-kognitivem Lernen 1. Einleitung Theorie des operanten Konditionierens von Skinner und Theorie des sozial-kognitiven Lernens von Bandura 2. Beispielsituation Michael stört ständig den Unterricht und wird von der Lehrerin immer sofort ermahnt, bestraft. Wenn er sich meldete, dann immer lauthals. 3. Wirkung von Verstärkung Aufmerksamkeit ist für Michael ein positiver Verstärker und somit führen auch die Ermahnungen der Lehrerin dazu, dass Michael immer häufiger stört. Das Drannehmen von Michael ist für die Lehrerin ein negativer Verstärker, da dann Ruhe einkehrt. Für Michael ist das Drangenommenwerden ein pos. Verstärker für das laute Melden 4. Extingtion Dritt ein, wenn ein Verhalten nicht mehr belohnt wird. => Lehrerin müsste Michael ignorieren, wenn er stört. Am wirksamsten ist Extingtion, 5 wenn gleichzeitig eine neue Verhaltensweise aufgebaut wird → Lehrerin wendet sich immer Michael zu, wenn er ruhig ist. Schrittweise Verhaltensänderung wird „shaping“ genannt und bedeutet, dass schrittweise das Verhalten belohnt wird, das dem Zielverhalten am ähnlichsten ist. → Lob schon bei 1 Min. still sitzen, dann bei 5 Min. … 5. Diskriminationslernen Wird ein Verhalten nur bei einem spezifischen Reiz verstärkt, so dritt Diskriminationslernen ein.→ Lehrerin reagiert deshalb auf Michael nicht wie auf andere Schüler, weil sie gelernt hat, dass vorübergehendes Schweigen nur andere Schüler zur Ruhe bringt, nicht aber Michael. 6. Verschiedene Verstärkungspläne und ihre Wirkung auf Lerngeschwindigkeit u. Löschungswiderstand Verstärkungspläne Kontinuierliche Verstärkung Intermittierende Verstärkung Intervallverstärkung Quotenverstärkung fixiert variabel fixiert variabel => am besten, wenn Lehrerin ruhiges Verhalten anfänglich kontinuierlich und dann intermittierend verstärkt 7. Bestrafung Skinner: Strafe ist eher unwirksames Mittel für dauerhafte Verhaltensänderung Azrin & Holz führen jedonch Bedingungen auf, unter welchen Strafe auch wirksam sein kann: So intensiv wie möglich Intermittierend aber häufig Unmittelbar Motivation für unerwünschtes Verhalten muss genommen werden Pos. Verstärker dazu entziehen Alternativreaktion verstärken Bestrafung durch Entzug pos. Verstärker 8. Lerneffekte durch Beobachtung und Nachahmung nach Bandura Theorie betont: - Lernmöglichkeit durch Beobachtung Möglichkeit kogn. Repräsentation Möglichkeit zur Selbststeuerung Vier Prozesse steuern Beobachtungslernen, sie bestimmen, ob die anderen Schüler Michael imitiere 6 1. 2. 3. 4. Aufmerksamkeitsprozess, nehmen die Schüler Michael wahr? Behaltensprozess, merken sie sich sein Verhalten Reproduktionsprozess, können sie das Verhalten nachmachen Motivationsprozess, sehen die Schüler es auch als Belohnung an, ermahnt zu werden? 6. Wie Rita die Freude am Zeichnen verlernt – Von Verstärkungen und Belohnung 1. Einleitung Verstärkungen und Belohnung Intrinsische – extrinsische Motivation 2. Beispielsituation Rita, ein junges Mädchen, zeichnet schon als Kind viel. Als sie in die Schule kommt, wird dort gezeichnet, wenn man schon früher mit einer Aufgabe fertig ist. Rita zeichnet daheim nun weniger, woraufhin der Vater ihr Belohnungen für jede Zeichnung verspricht. Nun zeichnet Rita gar nicht mehr. 3. Erklärungen, warum Rita viel zeichnet Behavioristisch: Anfänglich freut sich Mutter über jedes Bild von Rita, später lobt sie gelegentlich ihre Werke, d. h. erst kontinuierliche soziale Verstärkung, dann intermittierend =>Verhalten bleibt erhalten, auch ohne Verstärkung. Sozial- kognitiv: - Rita beobachtet andere beim Zeichnen und ahmt sie nach - Rita nimmt Freude der Mutter wahr und baut kogn. Repräsentation der vielen pos. Rückmeldungen auf ihr Zeichnen hin auf - Diese Repräsentationen sind nun immer antizipierbar, wodurch Zeichnen für sie auch ohne direkte Belohnung intrinsische Anreize gewinnt. 4. Spezifische Merkmale der intrinsischen Motivation des Zeichnens Um verstehen zu können, warum Rita aufhört zu Zeichen, muss man diese Merkmale kennen A) Attraktivität der Zeichnens, dadurch, das Aufgabe immer lösbar ist und Rita ihre geliebte Umwelt darstellen kann B) Die Unabgeschlossenheit der Aktivität, denn Rita entscheidet selbst, wann ein Bild fertig ist C) Kontrollierbarkeit der Aktivität, denn Rita entscheidet, was, wann, wie lange und womit gemalt wird => Gutes Gefühl der Kompetenz und Selbstbestimmtheit 7 5. Erklärungen für das Schwinden der zeichnerischen Tätigkeit Ritas A) Attraktivität ging verloren, denn Rita wird vorgegeben, was gezeichnet wird. B) Verlust der Unabgeschlossenheit, denn Lehrerin bestimmt wann aufgehört wird. C) Verlust der Kontrolle, denn Lehrerin entscheidet, wann, was, wie lange und mit welchem Material gezeichnet wird. D) Rita erkennt instrumentellen Wert des Zeichnens, wegen Belohnung des Vaters. So ist Zeichnen zum Mittel zum Zweck geworden und ist nicht mehr selbst das Ziel. 6. Zwei Theorien, warum extrinsische Belohnung intrinsische Motivation schwächt 1. Überrechtfertigungs-Hypothese: Durch das Hinzukommen von extr. Belohnung wird ein Verhalten nun durch mehr Quellen als nötig motiviert. 2. Kognitive evaluations Hypothese: Diese Theorie postuliert, dass Menschen nach Kompetenz und Selbstbestimmung streben. Bei intrinsisch motivieren Tätigkeiten stellt sich dieses Gefühl ein, denn die Ursache, warum man etwas tut, dann sich selbst zugeschrieben werden. Kommt nun extrinsische Verstärkung hinzu, wo wird die Ursache auf sie attribuiert. ABER: Nicht jede Verstärkung mindert intr. Motivation, es ist abhängig von: 1. Art der Belohnung: materiell vs. verbal 2. Informations vs. Kontrollcharakter, z. B. Belohnung immer oder nur bei guter Qualität 3. Belohnung im Voraus in Aussicht vs. hinterer überraschend gegeben 4. Angemessenes Verhältnis zwischen Belohnung und Aktivität vs. nicht angemessen (Unterstrichen = Wirkt hemmend auf intrinsische Motivation!) 7. Warten und verzichten lernen – Das Lernen von Plänen zur eigenen Impuls- und Verhaltenskontrolle 1. Einleitung Wie kann man lernen auf etwas zu verzichten, bis der richtige Zeitpunkt gekommen ist? 2. Beispielsituation Eine Mutter ist mit ihrem dreijährigem Roland einkaufen. Als sie am Saftregal sind, merkt Roland, dass er Durst hat. Er sagt es seiner Mutter. Sie eragiert 8 nicht gleich, daher beginnt er zu schreien. Die Mutter schimpft, schüttelt ihn, gibt ihm dann aber einen Saft, da es ihr unangenehm ist, wie die Leute schauen. => Die Geschichte zeigt, dass Roland noch lernen muss zu verzichten. 3. Teilfähigkeiten einer Impuls- und Verhaltenskontrolle und sie man sie lernen kann: 1. 2. 3. 4. Unerwünschtes Verhalten hemmen Alternativverhalten zeigen Belohnungen aufschieben Präventivmaßnahmen anwenden Zu 1. Dies ist durch verbale Selbststeuerung möglich. „Nein, dafür ist jetzt nicht zeit!“ Lernen kann Roland das, wenn es seine Mutter ihm vormacht und ihn belohnt, so wie er Anzeichen zu verzichten zeigt Zu 2. Hilfreich ist es sich auf Hauptaktivität zu konzentrieren und Wartezeit damit zu füllen Mutter könnte Roland dazu motivieren ihr zu helfen. „ Holst du mir Milch und Käse?“ Wichtig ist hier wieder die Mutter als Vorbild Zu 3. Um zu lernen, wie man Belohnungen aufschiebt ist erneut die Mutter als Modell wichtig. Sie muss vormachen, wie man ein Ziel „trinken nach dem Einkauf „ steckt, Teilziele aufbaut „erst Käse, dann Brot…dann trinken“ und dass es sich lohnt zu warten. „Man hat etwas worauf man sich freuen kann, Saft schmeckt dann noch besser, man kann stolz auf sich sein“ Zu 4. Mutter muss als Vorbild Roland zeigen, dass es hilfreich ist, wenn man vorbeugend Bedürfnisse zur rechten Zeit befriedigt „trink noch was, bevor wir einkaufen gehen“ Und das es gut ist Erwartungen im Vorfeld zu beeinflussen. „Im Kaufhaus Müssen wir vielleicht lange warten…“ Wenn die Mutter und das Umfeld von Roland ein gutes Vorbild über lange Zeit ist, kann Roland solche Handlungspläne lernen und sich bald selbst steuern. 9 8. Posoziales Verhalten lernen – sozialkognitive Aufbauprozesse und das erlernen sozialer Wertesysteme 1. Einleitung Es geht darum, wie man erlernen kann, sich zugunsten anderer zu verhalten 2. Beispielsituation Einige Kinder spielen in der Nähe ihrer Mütter im Sand. Plötzlich hört man Geschrei – Der kleine Peter hat Mariannchen in den Arm gebissen. Die Mutter von Peter: „So kannst du nicht weiterspielen. Du hast Mariannchen sehr wehgetan. So dass sie weinen muss. Heute musst du alleine spielen, bis du wieder brav bist.“ 3. Analyse der Situation Peter hat antisoziales Verhalten gezeigt, die Mutter ermöglicht ihm jedoch prosoziales Verhalten zu erlernen, denn: für Peter ist es wichtig Empathie zu erlernen. Dies geschieht durch Bestrafung = „Time out“ (alleine spielen müssen) Und vor allem durch die affektive Erklärung der Mutter (was fühlt Mariannchen und warum?) →Dies ermöglicht eine bestimmten Lernprozess, nämlich der Prozess des Verstehens der sozialen Situation. Dadurch ist der Aufbau von sozialen Erwartungssystemen möglich, aus denen sich handlungsleitende Kognitionen entwickeln können. 4. Alternative Erklärung ohne kognitive Elemente Erlernen von Empathie: → Durch klassische Konditionierung, denn negative Gefühle (Schmerz, Trauer, Qual…) waren immer mit Situationen verbunden, in denen ein Kind weinte. → hört es nun ein anderes Kind weinen, stellen sich unangenehme Gefühle ein. → prosoziales Verhalten wie Helfen, Trösten wird also negativ verstärkt, denn dann hört anderes Kind auf zu weinen und man fühlt sich wieder gut. Problem diese Ansatzes: → selbst wenn das Weinen zu prosozialem Verhalten motiviert, wie hat das Kind gelernt zu helfen, zu trösten? → Bandura würde sagen, durch Beobachtung und Nachahmung → Beobachtungslernen vollzieht sich in vier Schritten 1.) Aufmerksamkeit muss auf das Modell gelenkt sein 2.) Handlungen werden kodiert 3.) Handlungen können nun innerlich und motorisch reproduziert werden 4.) Beobachter erhält stellvertretende Bekräftigung, weil er beobachtet, wie 10 das Modell für sein Handeln belohnt wird. 9. Keine Angst vor Examen- Mehr als nur Desensibilisierung 1. Einleitung Es geht um das Verlernen einer spezifischen Angst Aus behavioristischer Sichtweise geht es um Toleranzmethode und um systematische Desensibilisierung Aus Sicht der kogn. Psychologie wird es um Bewältigung des Ungleichgewichts zwischen der Interpretation der Examensanforderung und der Einschätzung der eigenen Fähigkeiten gehen 2. Beispielsituation: Ein Student sitzt am Schreibtisch und will für ein Examen lernen. Er unterbricht seine Arbeit jedoch ständig ( = Handlungsunsicherheit) und lässt sich leicht ablenken durch äußere Geschehnisse und störende Gedanken, z.B. wie er versagen könnte ( = Konzentrationsmangel) => Student leidet also an Examensangst mit den Symptomen Handlungsunsicherheit und Konzentrationsmangel 3. Das Phänomen „Examensangst“ 1. Emotionale Komponente Aus dem Erleben der Handlungsunsicherheit entsteht allg. Erregung , Besorgnis, Angst 2. Physiologische Komponente Examensangst geht einher mit erhöhtem Puls, Hautleitfähigkeit, Verdauungsbeschwerden, Muskelverspannungen, Schlafstörungen, Kopfschmerzen… 3. Faktoren, welche die Stärke der Angst beeinflussen Größe der wahrgenommenen Diskrepanz zwischen Anforderungen und eigenem Können Bekanntheit der genauen Anforderungen und Abläufe der Prüfung Zeitdruck Konsequenzen, die ein Versagen zur folge hätte: materielle, soziale Folgen und Selbstwertverlust 4. Wie entsteht Examensangst? Behavioristische Erklärung: Alle Reize, die mit bereits misslungenen Prüfungen assoziiert werden, können nach dem Prinzip der klassischen Konditionierung Angst auslösen. Diese Erklärung greift jedoch zu kurz. Kognitive Sichtweise: Oft sind es jedoch eher innere Reize ( Erinnerungen, Vorstellungen, Erwartungen), die die angst auslösen Außerdem haben auch Menschen, die noch nie eine schlechte Prüfung hatten, Examensangst. Erkläfung nach Bandura: 11 1.) Durch lernen am Modell (man erlebt wie andere versagen) 2.) Durch geringe Selbstwirksamkeitserwartung mit den Folgen Zweifel, Ängste, Vermeidungsverhalten, geringere Anstrengungen und Planung 5. Examensangst abbauen durch Gegenkonditionierung und Desensibilisierung 1. Identifizierung der angstauslösenden Stimuli ( Kalender, Bücher, Uni…) 2. sortieren dieser Stimuli nach der Stärke der Angst, die sie auslösen 3. Das Einüben einer tiefen Entspannung (z.B. durch autogenes Training) auf einen Befehl hin, z. B. „nur die Ruhe“ => Entspannung wird CR auf den Befehl als CS hin. 4. Verbindung des Befehls mit der Vorstellung des am wenigsten angstauslösenden Stimuli => gut geübte Entspannungsreaktion kommt Angstreaktion zuvor und so wird Angststimuli ebenfalls zu CS für Entspannung 5. Nun stellt man sich den Nächsten angstauslösenden Stimuli vor… dann Verbindung des Befehls mit realen Stimuli 6. Examensangst abbauen mit Methoden der kogn. Psychologie Hauptaufgabe: Es muss die Diskrepant zwischen der Interpretation der Prüfungsanforderung und der Einschätzung der eigenen Möglichkeiten verringert werden 1. Lernprozesse während der Vorbereitungsphase: Beschaffung genauer Informationen, welcher Stoff gelernt werden soll => Vermeidung falscher Interpretationen über die Anforderungen Planung, Einteilung der Lernstoffes und Überprüfung der Einhaltung Gezieltes Abruflernen => Man schätzt seine Fähigkeiten als hoch genug ein Vermeidung falsche Informationen ( z.B. das 80% durchfallen) und Vermeidung richtiger Informationen zum falschen Zeitpunkt ( z.B. kurz vor der Prüfung, was man nicht kann) 2. Lernprozesse während der Prüfung Die Ruhe finden durch verbale Selbstinstruktion („nur die Ruhe“) und Vermeidung innerer Angstauslöser (Zweifel, Misserfolgserwartungen…) Teilerfolge herbeiführen, indem man mit einfachen Aufgaben beginnt Aufgabenirrelevante Gedanken (Tagträume, perseverierende Gedanken…) gefangen setzen durch verbale Selbstinstruktion ( „ich werde erst in einer Stunde wieder an meinen Freund denken!“ „schreiben, schreiben, schreiben!“) 12 10. Vorgesetzte lernen den Umgang mit Stress-Kognitives Verhaltenstraining und Aufbau handlungsleitender Kogn. 1. Einleitung Es geht also um das Phänomen Stress und den Umgang mit ihm 2. Beispielsituation Wachtmeister Müller, der gerade befördert wurde, ruft das erste Mal seine Mannschaft zum Morgenrapport. Alle stehen ordnungsgemäß in zwei Reihen, bis auf Korporal Schmid, der demonstrativ lässig mit den Händen in den Taschen dasteht. Von Außenstehenden kaum zu bemerken, gerät Müller nun unter Stress, da seine subjektive Interpretation ihn glauben macht, Schmid macht das nut um ihn lächerlich zu machen, um ihn zu provozieren un zu ärgern. Die genauen Stressauslöser sind also Unsicherheit, wie er reagieren soll Das Gefühl sich vor allen zu blamieren Sorge, dass er sich nicht durchsetzen kann und das Schule macht 3. Stressmerkmale 1. Emotionale Reaktion: Wut, Ärger, Angst 2. Physiologische Reaktionen: Puls, Blutdruck, Hautwiderstand steigt Adrenalin, Cortison, Blutzuckerspiegel erhöht 3. Reaktionen auf Verhaltensebene: schwer sichtbar, vielleicht ein nervöses hin und her treten 4. Reaktion auf kogn. Ebene: Das Bemerken , dass ihm Verhaltenspläne fehlen 4. Das Lernen von Verhaltensalternativen für die Stressbewältigung 1. Reaktion zurückhalten durch verbale Selbstinstruktion („nur die Ruhe“) und Analyse der sozialen Situation, 2. Interpretation überprüfen seiner Rolle und die des Stressors (Schmid könnte z.B. einfach nur gekränkt sein, weil er nicht befördert wurde und Müller als ehem. Kollege nun sein Vorgesetzter ist) → Um Perspektiven Übernahme und Handlungsalternativen zu lernen ist es gut Kurse zu besuchen, in denen solche Situationen nachgespielt werden ein Kursleiter als Modell Beobachtungslernen ermöglicht und nichtaggressive Verhaltensmöglichkeiten aufzeigt 5. Den Umgang mit seine Emotionen lernen zur Stressbewältigung Eine gute Möglichkeit seine Emotionen zu steuern sind „Ich-Botschaften“, d.h.: 13 1. Wird offen gesagt was genau einen stört ( „es stört mich, dass sie die Hände in den Taschen haben“) 2. Muss deutlich mitgeteilt werden, welche Emotionen man empfindet („es macht mich wütend und unsicher“) => Müller wird den gefühlsmäßigen Druck los, dann gelassen regieren und Schmid hat die Möglichkeit zur Empathie, zu Verständnis und kann sein Verhalten ändern Da diese Ich-Botschaften Mut und Überwindung kosten ist es wichtig, sich gezielt selbst dafür zu belohnen, oft wird so eine Situation nämlich lieber heruntergespielt 11. Gelernte Hilflosigkeit bei einem Oberstufenschüler - Nicht-Kontingenzen und Ursachenzuschreibung 1. Einleitung Es geht darum, wie man die Einstellung erwerben dann, an seiner schlechten Lage nichts ändern zu können Es geht aber auch darum, wie diese Einstellung verlernt werden kann 2. Beispielsituation Einschüler der 12. Klasse bekommt eine Klausur in Mathe zurück mit einer guten Note. Statt sich zu freuen sagt er: „Das ist Zufall. Das nächste Mal ist es bestimmt wieder das alte Lied, ich kenn das doch!“ Dazusagen muss man, dass er bereits öfters viel gelernt hat und trotzdem eine schlechte Note schrieb. => es leidet an gelernter Hilflosigkeit, denn es sieht keinen Zusammenhang zwischen seinen Anstrengungen und den Ergebnissen und erwartet in Zukunft auch nur schlechte Ergebnissen 3. Wie wird Hilflosigkeit gelernt? 1. Durch das realisieren von Nicht-Kontingenzen zwischen den Vorbereitungsaktivitäten und den Ergebnissen von Klausuren 2. Durch fatale Kausalattribution internal „Es liegt an meinen Fähigkeiten“ stabil spezifisch „und zwar an mathematischen Fähigkeiten“ 3. Durch den Aufbau ungünstiger Erwartungen 4. Merkmale gelernter Hilflosigkeit 1. Motivationales Defizit: Der Schüler macht keine Anstalten etwas zu unternehmen 2. Kognitives Defizit: Zusammenhänge werden nicht gesehen und falsch beurteilt 14 3. Emotionales Defizit: Gefühle der Verunsicherung und Niedergeschlagenheit. Unfähigkeit sich über Erfolge zu freuen 4. Gefährdung des Selbstwertgefühls, wenn man sich mit anderen vergleicht, die offensichtlich keine Schwierigkeiten haben 5. Wie kann Hilflosigkeit verlernt werden? 1. Durch eine Veränderung des Attributionsmusters hin zu external indem man dem Schüler klar macht, dass die schlechten Noten nicht an seinen mangelnden Fähigkeiten liegen, sondern an seinen Lernstrategien instabil spezifisch 2. Beseitigung des kogn., motivationalem und damit auch emotionalem Defizits durch das herbeiführen von Teilerfolgen, das Erreichen von Zwischenzielen Hierfür ist ein handlungsorientiertes Vorgehen wichtig, kein nachdenken mehr über Misserfolge, sondern effektives Lernen 18. Stadtgeographie für eine Taxifahrer- über den Aufbau „kognitiver Karten“ 1. Einleitung Es geht um den Aufbau kognitiver Strukturen, in denen begriffliches und räumliches Wissen repräsentiert ist. 2. Beispielsituation Ein junger Taxifahrer hat sich vorgenommen, die Stadtgeographie von Basel perfekt zu lernen. Das bedeutet, es muss eine innere Karte, eine kogn. Karte ( kK) aufbauen 3. Frühe Untersuchungen Es wurde bereits um 1900 über räumliches Lernen gearbeitet Erst Toolman führte den Begriff kK in die Lernpsychologie ein In seinen klassischen Experimenten bewies er, dass Ratten nicht nur ReizReaktionsverbindungen lernen, sondern kogn. Repräsentationen aufbauen Versuch: Ratten lernen über kreißrunden Platz zu laufen, in den Gang, der zu Futter führt Nun wird Gang zu Futter versperrt Ratten nehmen dann nicht den Gang, der links oder rechts des versperrten liegt, sondern gleich den, der in Richtung Futterkammer führt 15 4. Das Produkt kogn. Karte Enthalten: 1. Informationen, was es in kK gibt 2. Informationen, wo sich diese Elemente befinden 3. Informationen, wie man sie erreichen kann 4. Also räumliches und nicht räumliches Wissen Räumliches = Wissen über Relationen zwischen zwei Objekten Räumliche Inklusionen, z.B. Hotel befindet sich in der Stadtmitte, in der Fußgängerzone Metrisch räumliche Relationen= Wissen über Distanz und Richtung zwischen zwei Obj. Proximitätsrelationen: Wissen, das ein Obj. in der Nähe eines anderen ist Nicht räumliches Wissen = Namen, Bedeutungen von Obj. 5. Der Aufbau kogn. Karten 1. Zuerst müssen in Rahmen verbalen Lernens Namen der Straßen, Plätze, Hotels… gelernt werden. Diese Namen können kann beim Erkunden der Stadt mit dem aussehen dieser assoziier werden = Paarassoziationslernen 2. Nun werden markante Punkte gelernt. Markant ist z.B., weil es auffällig, mit wichtiger Funktion, von persönlicher Bedeutung etc. ist 3. Schließlich müssen die Routen von einem ort zum anderen gelernt werden. Hierbei handelt es sich um das Lernen von Produktionsregeln. Z.B.: Wenn ich am Bahnhof bin und zur Uni will, dann muss ich zuerst links, dann rechts… 4. Das räumliche Überblickswissen entsteht dann durch Übung im Abfahren der Stadt oder geistigem Abfahren des Stadtplans. Markante Punkte bilden die Grundstruktur, das Wissen über Überschneidungen der einzelnen Routen führt dann zum Übersichtswissen 6. Wie sind kogn. Karten repräsentiert? Das nichträumliche Wissen ist in semantischen Netzwerken repräsentiert Ebenso das Wissen über Inklusionsrelationen und proximalen Relationen Räumlich- metrische Relationen sind dagegen analog repräsentiert, d.h. die Repräsentation gibt die inhaltlichen Merkmale der abgebildeten Umwelt unmittelbar wieder ( bewiesen durch Experimente die zeigen, dass längere Absuchwege in einer kK zu längeren Reaktionszeiten führen 7. Resumée Bei diesem Lernprozess werden mehr als bloße ReizReaktionsverknüpfungen erlernt. ( Wobei das auch der fall ist: Paarassoziationslernen und Produktionsregeln) Die in der kK enthaltenen Informationen erlauben zahlreiche Inferenzen z.B. über Größe von Distanzen, Fahrtzeiten… 16 17