2. Regionale Perspektive – Saar-Lor-Lux

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UNIVERSITÄT TRIER
Fachbereich IV – Volkswirtschaftslehre
insbesondere Stadt- und Regionalökonomie
Studentisches Forschungsprojekt
Nachhaltige Regionalentwicklung
Sommersemester 2003 und Wintersemester 2003/2004
Nachhaltige Regionalentwicklung in Saar-Lor-Lux
Band I
Erstellung eines Indikatorensystems zur Messung
nachhaltiger Entwicklung auf Basis des Vier-Kapital-Modells
Endbericht des studentischen Forschungsprojektes
Universität Trier
Fachbereich IV: Volkswirtschaftslehre
insbesondere Stadt- und Regionalökonomie
Trier im Februar 2004
Praxisbezogene Studienform
Nachhaltige Regionalentwicklung
Leitung: Prof. Dr. H. Spehl und Dipl. Geografin M. Gensheimer
Autoren der Arbeit
Theoretischer und regionaler Hintergrund sowie Redaktion
Sylvia Borsch, Christian Fastenrath, Carmen Justen, Jessica Schmitz, Kay
Spiegel, Ling Wu, Helge Zahrnt
Humankapital
Carolin Hertling, Teresa Joneck, Claire Masson, Nicole Schick, Verena Schnell,
Felix Scholzen
Naturkapital
Davron Absalyamov, Nickolas Gakhokidze, Lars Holstenkamp, Anja Lassonczyk,
Jochen Thome, Julia Zvinchukova
Sachkapital
Anita Augustin, Manuel Meißner, Markus Norman Throm, Alexander Thron,
Bakhtiyor Umarov
Sozialkapital
Britta Ganswindt, Ling Gui, Christoph Kohl, Astrid Schultze, Daniela Sperling
Vorwort
Der vorliegende Bericht ist das Ergebnis des Ausbildungsprojekts „Nachhaltige
Regionalentwicklung“, das von einer Gruppe 30 Studierender der
Volkswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftslehre und Soziologie an der Universität
Trier über zwei Semester hinweg bearbeitet wurde. Im Rahmen dieser
Praxisbezogenen Veranstaltung im Hauptstudium arbeiteten die Studierenden
weitgehend selbständig in mehreren kleinen Projektteams. Dabei wurden sie von
uns sowohl fachlich als auch methodisch betreut und unterstützt. Neben Literaturund Datenrecherchen bestand die Arbeit der Projektteams in der Anwendung
erlernter Methoden der empirischen Sozialforschung, der Anfertigung von
Berichten sowie der Präsentation der Ergebnisse. Durch die Arbeit in
Projektteams konnten die TeilnehmerInnen darüber hinaus wichtige Erfahrungen
in Teamarbeit, Zeitmanagement und Kommunikationsfähigkeit sammeln.
Das Ziel des Projektes bestand in der Erstellung eines Indikatorensets, mit dessen
Hilfe Aussagen über die Entwicklung der Region Saar-Lor-Lux im Sinne einer
Nachhaltigen Regionalentwicklung getroffen werden können. Die von der
Forschungsgruppe entwickelten Indikatoren werden im Sinne des Vier-KapitalModells von Paul Ekins differenziert nach Indikatoren zur Abbildung der
Nachhaltigkeit in den Bereichen Sachkapital, Naturkapital, Humankapital und
Sozialkapital.
Die nun vorliegenden Ergebnisse sind ein wichtiger Schritt hin zu einem Set von
Regionalindikatoren, mit deren Hilfe Fortschritte in Richtung einer Nachhaltigen
Entwicklung im Saar-Lor-Lux-Raum ermittelt werden können. Insbesondere im
Bereich der Datenbeschaffung gibt es Ansatzpunkte für weitere Arbeiten zu
diesem Thema, was u.a. darauf zurückzuführen ist, dass für die untersuchte
Region nicht durchgängig Daten zu allen Indikatoren für jede Teilregion zur
Verfügung standen. Die begonnene Arbeit wird daher am Lehrstuhl für Stadt- und
Regionalökonomie in den kommenden Jahren fortgesetzt werden.
An dieser Stelle möchten wir uns bei den Stellen bedanken, die uns statistische
Daten zur Verfügung gestellt haben: den Statistischen Landesämtern von
Rheinland-Pfalz und dem Saarland sowie Eurostat Data Shop Berlin. Ohne ihre
Unterstützung wären eine erste Analyse und damit eine Erprobung der Indikatoren
nicht möglich gewesen.
Prof. Dr. Harald Spehl
Dipl.-Geografin Michaela Gensheimer
I
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ................................................................................................................... I
Abbildungsverzeichnis ......................................................................................... V
Tabellenverzeichnis ........................................................................................... VII
Abkürzungsverzeichnis ................................................................................... VIII
1. Einleitung ........................................................................................................... 1
2. Regionale Perspektive – Saar-Lor-Lux ........................................................... 4
2.1 Die regionale Ebene zur Messung von Nachhaltigkeit ................................. 4
2.2 Gebietsabgrenzung ........................................................................................ 5
2.3 Geschichte ..................................................................................................... 7
2.4 Der Bestand der vier Kapitalarten in der Region .......................................... 8
2.4.1 Naturkapital/Ressourcen ........................................................................ 8
2.4.2 Wirtschaft ............................................................................................... 9
2.4.3 Humane Faktoren ................................................................................... 9
2.4.4 Soziale Faktoren ................................................................................... 10
3. Nachhaltige Entwicklung ............................................................................... 11
3.1 Der Begriff der Nachhaltigkeit .................................................................... 11
3.2. Nutzungsintensität der Ressourcen ............................................................ 13
3.2.1.Starke Nachhaltigkeit ........................................................................... 13
3.2.2 Schwache Nachhaltigkeit ..................................................................... 14
3.2.3 Funktionale Substituierbarkeit ............................................................. 15
3.3 Realisierung des Nachhaltigkeitskonzepts .................................................. 16
4. Ansätze zur Messung von Wohlstand und Nachhaltigkeit.......................... 20
4.1 Wohlstandsmessung über des Bruttoinlandsprodukt .................................. 20
4.2 Alternative Ansätze zur Messung von Wohlstand und Nachhaltigkeit ...... 22
4.3 Weitere Ansätze zur Messung von nachhaltiger Entwicklung ................... 24
4.3.1 Der Pressure State Response Ansatz ................................................... 24
4.3.2. Der Ansatz des BBR ........................................................................... 25
4.3.3. Der Nachhaltigkeitsbericht der Bundesregierung ............................... 29
II
5. Das Vier-Kapital-Modell – Nachhaltigkeitsmessung über Indikatoren .... 33
5.1 Das Vier-Kapital-Modell ............................................................................ 33
5.1.1 Darstellung des Vier-Kapital-Modells und seine Operationalisierung 33
5.1.2 Genauere Beleuchtung der vier Kapitalarten ....................................... 35
5.1.3 Welche Anwendungsmöglichkeit ergeben sich für das Vier-KapitalModell? ......................................................................................................... 36
5.2 Konzeptionelle Grundlagen für eine indikatorengestützte
Operationalisierung nachhaltiger Entwicklung ................................................. 38
5.2.1 Operationalisierung nachhaltiger Entwicklung über Indikatoren ........ 38
5.2.2 Anforderungen und Merkmale von Nachhaltigkeitsindikatoren.......... 39
5.2.3 Nachhaltigkeitsindikatoren und Werturteile ........................................ 41
5.2.4 Möglichkeiten und Grenzen einer Aggregation von Indikatoren ........ 42
5.2.5 Das System von Nachhaltigkeitsindikatoren dieser Arbeit .................. 43
6. Analyse der vier Kapitalbereiche .................................................................. 45
6.1 Humankapital .............................................................................................. 45
6.1.1 Bedeutung des Humankapitals für die nachhaltige Entwicklung ........ 45
6.1.2 Operationalisierung von Humankapital ............................................... 46
6.1.3 Analyse der Daten ................................................................................ 62
6.1.4 Wechselwirkungen innerhalb des Humankapitals ............................... 74
6.2 Naturkapital ................................................................................................. 75
6.2.1. Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes .................................... 75
6.2.2. Indikatorenauswahl ............................................................................. 86
6.2.3. Graphische Darstellung und Analyse .................................................. 95
6.2.4. Wechselwirkungen innerhalb des Naturkapitals ............................... 108
6.2.5. Fazit: Die Entwicklung im Bereich des Naturkapitals ...................... 111
Anhang: Datenlage und Erfahrungen bei der Datenrecherche .................... 112
6.3 Sachkapital ................................................................................................ 118
6.3.1 Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes ................................. 118
6.3.2 Nachhaltigkeit .................................................................................... 118
6.3.3 Deduktion der Nachhaltigkeitsindikatoren ........................................ 119
6.3.4 Idealindikatoren - abgeleitet auf Grundlage der Produktionsfunktion122
6.3.5 Realindikatoren .................................................................................. 124
6.3.6 Analyse der Realindikatoren .............................................................. 136
6.3.7 Wechselwirkungen innerhalb des Sachkapitals ................................. 151
Anhang I: Diskussion und weiterführende Überlegung zu Anlagevermögen
als Nachhaltigkeitsindikator ........................................................................ 154
Anhang II: Fehlerrechnung Bruttoanlagevermögen.................................... 156
6.4 Sozialkapital .............................................................................................. 157
6.4.1 Untersuchungsgegenstand: Sozialkapital ........................................... 157
6.4.2. Herleitung der Ideal- und Realindikatoren ........................................ 160
6.4.3. Analyse .............................................................................................. 168
6.4.4 Wechselwirkungen innerhalb des Sozialkapitals ............................... 182
6.4.5 Fazit .................................................................................................... 183
III
7. Analyse der Indikatorbeziehungen zwischen den Kapitalen .................... 185
7.1 Vorgehensweise ........................................................................................ 185
7.2 Analysen .................................................................................................... 187
7.2.1 Sachkapital – Naturkapital ................................................................. 187
7.2.2 Sachkapital – Humankapital .............................................................. 188
7.2.3 Sachkapital – Sozialkapital ................................................................ 188
7.2.4 Humankapital – Sozialkapital ............................................................ 189
8. Fazit ................................................................................................................ 191
Literaturverzeichnis .......................................................................................... 194
IV
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Die Region Saar-Lor-Lux ................................................................. 6
Abbildung 2: Idealtypische Zielsetzungsstrategie ................................................ 19
Abbildung 3: Pressure-State-Response Modell .................................................... 25
Abbildung 4: Zieldimensionen des BBR-Ansatzes .............................................. 28
Abbildung 5: The Creation of Wealth and Utility................................................. 34
Abbildung 6. ISCED- Klassifikation .................................................................... 50
Abbildung 7: Bevölkerungsanteil mit höchstem abgeschlossenem
Bildungsbereich ISCED 0-2 (1997) (Primar- und Sekundarbereich I) ......... 62
Abbildung 8: Bevölkerungsanteil mit höchstem abgeschlossenem
Bildungsbereich ISCED 3-4 (1997) (Sekundarbereich II) ............................ 63
Abbildung 9: Bevölkerungsanteil mit höchstem abgeschlossenem
Bildungsbereich ISCED 5-6 (1997) (Tertiärbereich).................................... 63
Abbildung 10: Anteil der Studierenden an der Gesamtbevölkerung .................... 65
Abbildung 11: Schüler-Lehrer-Verhältnis im Schuljahr 2001/2002 ..................... 66
Abbildung 12: Schüler-Lehrer-Verhältnis in Rheinland-Pfalz und im Saarland .. 68
Abbildung 13: Demographische Struktur innerhalb der Erwerbspersonen:
Anteil der Erwerbspersonen zwischen 55 und 64 Jahren an den
Erwerbspersonen zwischen 25 und 34 Jahren............................................... 69
Abbildung 14: Studierende in naturwissenschaftlichen und technologischen
Fachrichtungen an der Universität im Saarland in den Wintersemestern ..... 70
Abbildung 15: F&E-Ausgaben pro Beschäftigtem im F&E-Bereich im
Unternehmenssektor...................................................................................... 71
Abbildung 16: F&E-Ausgaben pro Beschäftigtem im F&E- Bereich im
Staatssektor ................................................................................................... 72
Abbildung 17: F&E-Ausgaben pro Beschäftigtem im F&E- Bereich im
Hochschulsektor ............................................................................................ 73
Abbildung 18: Anteil der Forstfläche in der Region Saar-Lor-Lux an der
Gesamtfläche (in %)...................................................................................... 95
Abbildung 19: Entwicklung der Waldschäden in Rheinland-Pfalz, Saarland,
Luxemburg und Wallonien. Anteil der deutlich geschädigten Bäume
(Stufen 2-4, bestehend aus mittelstark und stark geschädigten sowie
abgestorbenen Bäumen) ................................................................................ 96
Abbildung 20: Entwicklung der Rebfläche gemessen an der Gesamtfläche (in
%) .................................................................................................................. 98
Abbildung 21: Entwicklung der Naturschutzfläche in der Region RheinlandPfalz (in ha) ................................................................................................... 99
Abbildung 22: Nitratgehalt im Grundwasser in der Region Rheinland-Pfalz .... 100
V
Abbildung 23: Nitratgehalt im Grundwasser in der Region Saarland ................ 101
Abbildung 24: Nitratgehalt im Grundwasser in der Region Wallonien .............. 102
Abbildung 25: Nitratgehalt der Oberflächengewässer in der Region RheinlandPfalz ............................................................................................................ 103
Abbildung 26: Nitratgehalt der Oberflächengewässer in der Region Saarland .. 104
Abbildung 27: Chloridgehalt der Oberflächengewässer in der Region
Rheinland-Pfalz ........................................................................................... 105
Abbildung 28: Entwicklung der Siedlungs- und Verkehrsfläche in RheinlandPfalz, Saarland, Luxemburg und Wallonien (in %) .................................... 106
Abbildung 29: Entwicklung der NO2-Konzentration in der Luft in der
Großregion (in µg/m3)................................................................................. 107
Abbildung 30: Kapitalstock (Bruttoanlagevermögen in Mio. Euro) .................. 136
Abbildung 31: Modernitätsgrad (in %) ............................................................... 138
Abbildung 32: Kapitalproduktivität (Index Basis 1995) ..................................... 139
Abbildung 33: Zusammenhang von Kapitalproduktivität, Kapitalintensität und
Kapitalstock in ausgewählten Regionen (Lothringen) ................................ 139
Abbildung 34: Zusammenhang von Kapitalproduktivität, Kapitalintensität und
Kapitalstock in ausgewählten Regionen (Saarland) .................................... 140
Abbildung 35: Zusammenhang von Kapitalproduktivität, Kapitalintensität und
Kapitalstock in ausgewählten Regionen (Luxemburg) ............................... 140
Abbildung 36: Kapitalintensität (Index Basis 1995)........................................... 143
Abbildung 37: Trendentwicklung der F&E-Ausgaben (in %) ............................ 145
Abbildung 38: Anzahl der Patentneuanmeldungen............................................. 147
Abbildung 39: Anteil der High-Tech-Patentneuanmeldungen zu
Gesamtpatentneuanmeldungen ................................................................... 147
Abbildung 40: Branchenstruktur – Anteil der Beschäftigten im High-TechBereich ........................................................................................................ 150
Abbildung 41: Erwerbstätigenquote (in %) ........................................................ 169
Abbildung 42: Arbeitslosenquote (in %) ............................................................ 171
Abbildung 43: Kriminalitätsrate bezogen auf die Gesamtbevölkerung (in %) ... 173
Abbildung 44: Polizeibesatz bezogen auf die Gesamtbevölkerung (in %) ......... 174
Abbildung 45: Anzahl der Krankenhausbetten (je 1.000 Einwohner) ................ 176
Abbildung 46: Anzahl von Ärzten (je 1.000 Einwohner) ................................... 177
Abbildung 47: Wahlbeteiligung bei Landtags- bzw. Regionalwahlen (in %) .... 178
Abbildung 48: Anzahl der Mitglieder in Sportvereinen bezogen auf die
Gesamtbevölkerung % ................................................................................ 181
VI
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Wechselwirkungen der Indikatoren des Naturkapitals ...................... 109
Tabelle 2: Datenrecherche zur Ermittlung der Indikatoren im Naturkapital ...... 114
Tabelle 3: Wechselwirkungen der Indikatoren des Sachkapitals ........................ 151
Tabelle 4: Fehlende Daten für das Sozialkapital................................................. 168
Tabelle 5: Wechselwirkungen der Indikatoren des Sozialkapitals ..................... 182
Tabelle 6: Wechselwirkungen zwischen den Indikatoren der vier Kapitale ....... 186
VII
Abkürzungsverzeichnis
ADEME
Agence de l`Environment et de la Maitrise de l`Energie
BBR
Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung
BIP
Bruttoinlandsprodukt
BNatSchG
Bundesnaturschutzgesetz
bspw.
beispielsweise
DGRNE
Direction Generale des Ressources Naturelles et de l`Environment
EURES
European Employment Services
frz.
französisch
HDI
Human Developement Index
IKSMS
Internationale Kommission zum Schutz der Mosel und der Saar
INSEE
Institut national de la statistique et des etudes economiques
ISCED
International standard classification of education
ISEF
Index of sustainable economic welfare
KW
Kommunalwahlen
LTW
Landtagswahlen
NRTEE
National Round Table on the Environment and the Economy
OECD
Organization for Economic Cooperation and Development
PbSf
Praxisbezogene Studienform
SEEA
System for integrated environmental and economic accounting
SNA
system of national account
STATEC
Service central de la statistique et des etudes economiques
u.a.
unter anderem
UGR
Umweltökonomische Gesamtrechnung
v.a.
vor allem
VGR
Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
z.B.
zum Beispiel
VIII
1. Einleitung
1. Einleitung
Im Rahmen des einjährigen studentischen Forschungsprojektes im Hauptstudium
zum Thema „Nachhaltige Regionalentwicklung“ analysierten Studierende der
Wirtschafts- und Sozialwissenschaften die Großregion Saar-Lor-Lux hinsichtlich
einer Regionalentwicklung im Sinne der Nachhaltigkeit.
Ziel der vorliegenden Studie ist die Ermittlung des Ist-Zustandes der Großregion
sowie die Bewertung der Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit seit dem Jahr
1990. Im Verlauf der Arbeit soll die Frage beantwortet werden, ob sich die
Region nach dem Leitbild der schwachen oder starken Nachhaltigkeit entwickelt.
Anhand von statistischen Daten konnten die einzelnen Regionen im Raum SaarLor-Lux miteinander verglichen werden und Defizite in einzelnen Bereichen
aufdeckt werden. Diese Studie soll der Bevölkerung einen Zugang zum Thema
„Nachhaltige Regionalentwicklung in Saar-Lor-Lux“ gewähren, der sowohl eine
Diskussion belebt, als auch eine zukünftige Partizipation der Bevölkerung an
Entscheidungsprozessen erleichtert.
Diese Arbeit basiert auf der Nachhaltigkeitsdefinition (Sustainable Development)
der Brundtland-Kommission. Diese Kommission beschäftigte sich zwischen 1983
und 1987 mit der Verbesserung der gesellschaftlichen Wohlfahrt in der
Gegenwart und Zukunft. In dem 1987 veröffentlichten Endbericht der
Kommission wird das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung folgendermaßen
verstanden: „Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu
riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen
können.“1 Es spielen hierbei sowohl die inter-, als auch die intragenerationale
Gerechtigkeit eine wichtige Rolle.
Grundlage dieser Studie ist das Vier-Kapital-Modell, auf dessen Basis ein System
von Nachhaltigkeitsindikatoren entwickelt wurde. Die Bestände der vier Kapitale
(Sach-, Human-, Natur- und Sozialkapital) sowie deren besonders relevante
Entwicklungen werden durch Indikatoren abgebildet. Anforderungen an die
gewählten Indikatoren sind eine präzise Abbildung der Realität, Praxisnähe und
Anwendbarkeit. Da jedoch zur Messung der idealen Indikatoren benötigte Daten
aus finanziellen und zeitlichen Gründen nicht erhoben werden konnten, wurde auf
ähnliche und geeignete Realindikatoren zurückgegriffen, deren Daten der
Forschungsgruppe zur Verfügung standen.
Zunächst wird im zweiten Kapitel auf die regionale Ebene von Nachhaltigkeit
eingegangen. Die untersuchte Modellregion (Saar-Lor-Lux) wird detailliert
beschrieben und auch unter dem historischen Gesichtspunkt skizziert. Der aktuelle
Bestand der Kapitale in der Region, aufgegliedert in die – noch zu erläuternden –
1
Hauff, V. (1987), S.46.
1
1. Einleitung
vier Kapitalbereiche, ermöglicht an dieser Stelle zunächst einen kurzen Überblick
über den Untersuchungsgegenstand der Studie. Die Betrachtung eines
grenzüberschreitenden Raumes ist eine Besonderheit im Vergleich zu
vorhandenen Studien. Dies wirft jedoch Probleme im Hinblick auf die
unterschiedliche Verfügbarkeit von Daten in den einzelnen Ländern auf.
Im dritten Kapitel folgt eine genauere Erläuterung des Begriffes Nachhaltigkeit.
Sie beinhaltet die ausführliche Definition auf Grundlage des Brundtland
Berichtes. Anschließend wird das Konzept der starken und schwachen
Nachhaltigkeit näher erläutert, woraus schließlich das Prinzip der funktionalen
Substituierbarkeit von Ressourcen abgeleitet wird. Der letzte Abschnitt gewährt
Einblicke in die Realisierung und Umsetzung des Nachhaltigkeitsprinzips.
Im vierten Kapitel werden verschiedene Ansätze zur Operationalisierung einer
nachhaltigen Entwicklung erklärt. Hierbei werden die zur Messung von
Wohlstand und Wohlfahrt möglichen Ansätze kritisch beleuchtet. Es folgt eine
Erläuterung des Pressure-State-Response Ansatzes und des Ansatzes vom
Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) mit dessen Zielsetzungen.
Weiterhin werden die Handlungsfelder und Zielsetzungen der Bundesregierung in
Bezug auf eine nachhaltige Entwicklung der gesamten Bundesrepublik aufgezeigt.
Der von der Projektgruppe ausgewählte Vier-Kapital-Ansatz wird anschließend in
seinen theoretischen Grundlagen vorgestellt. Auch auf die Frage, der
Anwendungsmöglichkeiten des Modells in der Praxis und der damit verbundenen
Operationalisierung der Kapitale über Nachhaltigkeitsindikatoren wird
eingegangen. Aus den Anforderungen an die zur Analyse verwendeten
Indikatoren ergeben sich die allgemeinen und konzeptionellen Grundlagen für
eine indikatorengestützte Operationalisierung nachhaltiger Entwicklung. Die
Besonderheiten und Problemfelder wie zum Beispiel eine mögliche Aggregation
von Indikatoren werden ebenfalls kritisch behandelt.
Im fünften Kapitel wird das Vier-Kapital-Modell erklärt. Nach einer genaueren
Beschreibung werden Anwendungsmöglichkeiten aufgezeigt und die
Operationalisierung des Modells über Nachhaltigkeitsindikatoren beschrieben.
Außerdem werden konzeptionelle Grundlagen für eine indikatorengestützte
Analyse nachhaltiger Entwicklung an dieser Stelle theoretisch erläutert.
Im sechsten Kapitel erfolgt die Messung von Nachhaltigkeit in den vier
Kapitalbereichen für die Region Saar-Lor-Lux mit Hilfe der gewählten
Indikatoren. Für jeden Kapitalbereich werden die Besonderheiten und
Problemfelder erörtert. Die entwickelten Indikatoren werden auf
zusammenfassenden Indikatorenblättern in einem gesonderten Heft beschrieben.
An dieser Stelle erfolgt eine ausführliche Beschreibung; Auswahlmotive werden
erläutert und die Daten zum jeweiligen Indikator aufgeführt.
2
1. Einleitung
Schließlich folgt im siebten Kapitel die Analyse der Beziehungen zwischen den
Kapitalbereichen. Besonders wichtig sind hier die Wechselwirkungen innerhalb
sowie zwischen den einzelnen Kapitalen und zwar insbesondere die harmonischen
und die konflikthaften Beziehungen.
Im Fazit wird anhand der zuvor gewonnenen Informationen eine Aussage über die
nachhaltige Entwicklung der Region Saar-Lor-Lux möglich. Nun kann vor dem
Hintergrund der zuvor angeführten Daten eine Aussage über den Stand der
nachhaltigen Entwicklung in der Großregion Saar-Lor-Lux gemacht werden.
Außerdem sind an dieser Stelle Vorschläge für eine Erweiterung und Vertiefung
der vorliegenden Arbeit zu finden.
3
2. Regionale Perspektive – Saar-Lor-Lux
2. Regionale Perspektive – Saar-Lor-Lux
Zunächst wird die untersuchte Region näher beschrieben, wobei eine Eingrenzung
des Begriffes „Region“ vorgenommen wird, bevor die geschichtlichen und
aktuellen Gegebenheiten im Untersuchungsgebiet dargestellt werden.
2.1 Die regionale Ebene zur Messung von Nachhaltigkeit
Diese Arbeit bezieht sich auf die regionale Ebene. „Unter einer Region kann man
die geographische Verräumlichung eher unräumlicher Phänomene physischmaterieller (Ökonomie, Ökologie), sozialer und psychischer Art“ verstehen.2 Die
Eingrenzung dieses Raumes kann anhand von lokalen Entwicklungen wie bspw.
der Arbeitsteilung stattfinden. Auch andere Merkmale wie der Kontext der Region
in der nationalen und internationalen Entwicklung und die Interaktion mit anderen
Regionen oder Stoffkreisläufen können zur Gestaltung herangezogen werden.3
Eine genaue räumliche Abgrenzung der Region ist für die Vergleichbarkeit der
Daten wichtig. Die verschiedenen Verflechtungen der Regionen miteinander und
die Mobilität der Bewohner erschwert dies aber.4 Die hier verwendete Definition
der Region Saar-Lor-Lux orientiert sich an den heute gültigen politischen Grenzen
der Teilregionen, obwohl dies zur Folge hat, dass die untersuchte Region größer
ist als die Kernregion, in der die regionale Identität als am stärksten vermutet
wird. Durch diese Ausweitung der Region wird von einer verbesserten Datenlage
ausgegangen, da auf der politischen Ebene der Teilregionen die statistischen
Ämter einen großen Teil der zu untersuchenden Daten verfügbar machen können.
Die oben angesprochene regionale Identität entsteht aus dem Zusammenspiel von
gesellschaftlichen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Ereignissen in einem
Gebiet.5 Der geschichtliche Verlauf der Großregion belegt eindrucksvoll, dass
dieses Zusammenspiel nicht immer harmonisch verlief. Trotzdem ist über die
politischen Grenzen hinweg eine Identität der Menschen mit ihrer Umgebung und
der angrenzenden Gebiete entstanden. Die wirtschaftlichen und sozialen
Verflechtungen sind hier gewachsene Strukturen und nicht nur durch die
Globalisierung entstanden, die diese heute weiter fördert.6
Seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gibt es in den EUMitgliedsstaaten einen Trend zur Dezentralisierung und Globalisierung.7 Dies
führte unter anderem zu einer Bedeutungszunahme der regionalen Ebene aufgrund
der Überschaubarkeit und der besseren Identifikation mit kleinräumigen
2
Majer, H. et al. (1996), S.15.
Vgl. Majer, H. et al. (1996), S.15ff.
4
Vgl. Majer, H. et al. (1996), S.20.
5
Vgl. Greif, M. (2000), S.37.
6
Vgl. Greif, M. (2000), S.35.
7
Vgl. Greif, M. (2000), S.53.
3
4
2. Regionale Perspektive – Saar-Lor-Lux
Gebieten.8 Aus diesem Grund wächst auch die Bedeutung der Region für die
nachhaltige Entwicklung.9 Die Wichtigkeit der kommunalen Ebene zur
Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung wird insbesondere durch die Lokale
Agenda 21 hervorgehoben. Sie betont
die Notwendigkeit
der
Handlungsbereitschaft von Lokalbehörden als treibende Kraft für die Umsetzung
der in Rio de Janeiro vereinbarten Ziele. Die Vorzüge der regionalen und
kommunalen Ebene sind die unmittelbare Nähe und die damit verbundene
verbesserte Chance, dass sich die Bürger mehr für das Thema Nachhaltigkeit
interessieren. Auch sind die Verantwortlichen besser zu identifizieren und die
überschaubaren Verhältnisse ermöglichen Kooperationen und verantwortungsbewusstes Handeln.10 Als Beispiele für die schon heute bestehenden
Kooperationen im Großraum Saar-Lor-Lux können sowohl die vielen Projekte im
Bereich des Umweltschutzes, initiiert durch das Saar-Lor-Lux Umweltzentrum11,
als auch die im Bereich des Humankapitals gestarteten Projekte wie das durch
Eures (European Employment Services = europäische Beschäftigungsdienstleistungen)12 angeregte Informations- und Beratungssystem genannt werden.
Diese Projekte sind oft nur auf spezielle Einzelfragen oder Bereiche reduziert und
für eine allgemeine Aussage zur Situation bzw. der Nachhaltigkeit der Region
nicht geeignet.
2.2 Gebietsabgrenzung
Die Großregion Saar-Lor-Lux besteht aus den Teilregionen Rheinland-Pfalz,
Saarland (BRD), Wallonien (Belgien), dem Großherzogtum Luxemburg und
Lothringen (Frankreich). Diese europäische Modellregion wurde zum einen
ausgewählt, weil die Universitätsstadt Trier in der untersuchten Region liegt und
die Autoren dieses Berichtes ein verstärktes Interesse an der hiesigen Situation
haben. Ein weiteres Argument für diese Region ist der Standortvorteil, da durch
die unmittelbare Nähe zum Untersuchungsgebiet die Kommunikationskosten
niedrig gehalten werden konnten. Außerdem wurden bereits vorhandene Kontakte
mit den entsprechenden Institutionen genutzt und ausgebaut.
Diese Modellregion ist weiterhin als Untersuchungsgebiet ausgewählt worden, da
hier die Verflechtungen wirtschaftlicher und sozialer Aspekte über die
Staatsgrenzen hinaus sehr ausgeprägt sind. Dies hängt vor allem mit dem
geschichtlichen und politischen Hintergrund dieses Gebietes zusammen.
8
Vgl. Greif, M. (2000), S.38ff.
Vgl. Greif, M. (2000), S.60.
10
Vgl. Majer, H. et al. (1996), 18ff.
11
Vgl. Deutsche Bundesstiftung Umwelt, vom 31.01.04.
12
Vgl. Eures, vom 31.01.04.
9
5
2. Regionale Perspektive – Saar-Lor-Lux
Abbildung 1: Die Region Saar-Lor-Lux
Koblenz
#
RheinlandPfalz
Prov. Luxembourg
(Wallonien, B)
Arlon #
Luxembo#urg
#
Mainz
Trier
Saarland
Saarbrü
cken
#
#
#
#
Kaiserslautern
Metz
Lorraine
#
Nancy
Quelle: Barth, B. et al. (2001).
Schon Ende der 40er Jahre gab es im Bereich der Benelux-Staaten die Idee eines
wirtschaftlichen Zusammenschlusses, in dem die Koordinierung der Wirtschaftsund Sozialpolitik umgesetzt werden sollte.13 1971 richteten die Regierungen der
betreffenden Teilgebiete des Großraumes Saar-Lor-Lux eine Kommission ein,
welche sich bis heute mit der Planung und Organisation der grenzübergreifenden
Raumordnung beschäftigt. Seitdem wurde diese Kooperation weiter ausgebaut
und weitere Institutionen wie bspw. die statistischen Landesämter bemühen sich
um eine über Staatsgrenzen hinweggehende Zusammenarbeit.14
Durch diese Kooperationen, vor allem seitens der statistischen Ämter und deren
Abgleichung der Daten, war es möglich, auch überregional die Indikatoren im
gesamten Gebiet gleichwertig auszurichten (das heißt, in den Gebieten können
dieselben Indikatoren benutzt werden, da zur Berechnung dieser die gleichen
Grundlagen verwendet wurden).Dennoch stellte die Datensammlung aufgrund der
verschiedenen Amtssprachen und der noch nicht vollständigen Angleichung der
statistischen Systeme eine besondere Herausforderung dar.
13
14
Vgl. Erbe, M. (1993), S.307ff.
Vgl. Großregion (2002), vom 13.01.04.
6
2. Regionale Perspektive – Saar-Lor-Lux
2.3 Geschichte
Die Großregion hat eine politisch sehr ausgeprägte Geschichte, die sich sowohl
innerhalb der einzelnen Teilregionen als auch über die heutigen Grenzen hinweg
abspielte.
Rheinland-Pfalz wurde 1946 durch Verordnung der französischen Militärregierung aus den Gebieten bayrische Pfalz, dem linksrheinischen Teil von
Hessen-Darmstadt und der preußischen Rheinprovinz geschaffen. Die Landesverfassung wurde 1947 verabschiedet. Ende der sechziger Jahre wurde eine
Gebietsreform durchgeführt und die drei heutigen Regierungsbezirke Trier,
Koblenz und Rheinhessen-Pfalz entstanden.15
Das heutige Saarland hingegen hat in den letzten 200 Jahren acht Mal seine
Staatszugehörigkeit gewechselt (Deutsch-Französisch).16 Diese Tatsache prägt
auch heute noch das soziale und gesellschaftliche Gefüge im Saarland. Im 2.
Weltkrieg wurde die Region, als Standort wichtiger Industriebetriebe stark
zerstört. 1945 wurde das heutige Bundesland zu einem Teil der französischen
Besatzungszone und 1946 wurden weitere Gebiete von Rheinland-Pfalz an das
Saarland angegliedert. Seit dem Ende der vierziger Jahre versuchten die
Franzosen verstärkt das Saarland zu einem eigenständigen Staat zu etablieren, bis
sich im Oktober 1955 die Mehrheit der Bevölkerung in einer Abstimmung für die
Angliederung an die Bundesrepublik Deutschland aussprach.17
Luxemburg wurde bereits im Jahr 963 als Grafschaft das erste Mal erwähnt und
1354 zum Herzogtum erhoben. 1441 ging es an das Haus Burgund zurück und
später an die Habsburger. Als Folge des spanischen Erbfolgekrieges wurde es zu
einem Teil der österreichischen Niederlande und fiel 1795 gemeinsam mit diesen
an Frankreich. Im Jahre 1815 kam es aufgrund des Wiener Kongresses zu einer
Personalunion mit den Niederlanden. 1839 trat Luxemburg mehr als die Hälfte der
Fläche an Belgien ab und erlangte dadurch mehr Autonomie. In beiden
Weltkriegen wurde es von Deutschland überrannt und gab 1948 mit dem Eintritt
in die Benelux-Zollunion und 1949 mit Beitritt zur NATO seine Neutralität auf.18
Die Zwangsvereinigung von Flandern und Wallonien zum unabhängigen
zentralistischen Einheitsstaat Belgien im Jahre 1830 führte schnell zu inneren
Spannungen und ultrarechten Bewegungen.19 Wallonien gehörte zu den ersten
europäischen Regionen, die industrialisiert wurden. Nach dem 2. Weltkrieg und
dem Niedergang der Industriezweige verlor Wallonien jedoch seine Funktion als
wirtschaftliche Antriebskraft Belgiens.20
15
Vgl. Henn, T., vom 7.12.03.
Vgl. Bundesregierung Deutschland, vom 7.12.03.
17
Vgl. Henn, T, vom 7.12.03.
18
Vgl. Lotharingia, vom 13.01.04.
19
Vgl. RBI aktuell, vom 6.12.03.
20
Vgl. Lotharingia, vom 7.12.03.
16
7
2. Regionale Perspektive – Saar-Lor-Lux
Auch das Gebiet Lothringen (frz. Lorraine) war ein Streitpunkt zwischen
Deutschland und Frankreich und wechselte oft die nationale Zugehörigkeit.
Während des 2. Weltkrieges wurde Lothringen erneut von Deutschland annektiert.
Die Bevölkerung Lothringens reagierte mit einem passiven Widerstand. 1944
wurde Lothringen von den amerikanischen Invasionstruppen befreit und ist
seitdem wieder französisches Staatsgebiet.21
2.4 Der Bestand der vier Kapitalarten in der Region
Diese geschichtliche Entwicklung hat auch heute noch einen großen Einfluss auf
die sozialen Gefüge und damit auch auf die Politik und Wirtschaft in der Region.
Im folgenden Abschnitt sollen daher die daraus resultierenden Ergebnisse
aufgezeigt und die Region in den Bereichen Umwelt, Wirtschaft, soziale und
humane Faktoren mit Hilfe einiger statistischer Kennzahlen dargestellt werden.
2.4.1 Naturkapital/Ressourcen
Die Großregion Saar-Lor-Lux umfasst eine Fläche von ca. 65.400 km². Die größte
Teilregion ist Lothringen mit ca. 23.500 km². Danach folgen Rheinland-Pfalz
(19.900 km²) und Wallonien (ca. 16.800 km²). Das Saarland und Luxemburg
besitzen mit jeweils ca. 2.600 km² die kleinsten Flächen in der Großregion.22
Die Nutzung der Fläche ist in den Teilregionen ähnlich und stellt sich wie folgt
dar. In der Großregion werden ca. 49% der Fläche landwirtschaftlich genutzt. Die
größten landwirtschaftlich genutzten Flächen liegen in Luxemburg (56%),
Lothringen und Wallonien (je ca. 52%). Der Anteil der bewaldeten Fläche beträgt
in der Großregion wie auch in Lothringen 35%. Im Saarland, in Luxemburg und
Wallonien ist dieser Anteil ein wenig kleiner und beträgt jeweils ca. 33% der
Gesamtfläche, während in Rheinland-Pfalz ca. 40% der Fläche bewaldet ist. Die
Siedlungs- und Verkehrsdichte ist im Saarland relativ am höchsten und beträgt
hier ca. 19% der Fläche.23
Die nicht erneuerbaren Ressourcen sind allerdings sehr unterschiedlich verteilt.
Steinkohlelager werden, bzw. wurden im Saarland, in Wallonien und Lothringen
abgebaut. Eisenerzvorkommen gab es vor allem in Lothringen aber auch in
Luxemburg. Der Weinanbau blüht vor allem in Rheinland-Pfalz und Luxemburg.
In Lothringen hingegen wurden auch Steinsalzvorkommen, Kalkstein, Stein, Ton,
Lehm und Holz als Ressourcen ausgeschöpft.24
21
Vgl. Schaepp, vom 7.12.03.
Vgl. Großregion, Großregion in Zahlen, weitere Strukturdaten, vom 7.01.04.
23
Daten eigene Berechnung auf Grundlage der Daten von Großregion 2001, vom 7.01.04.
24
Vgl. Internetquellen von Fußnote 16-23.
22
8
2. Regionale Perspektive – Saar-Lor-Lux
2.4.2 Wirtschaft
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) betrug 2001 für die Großregion Saar-Lor-Lux
239,4 Mrd. €. Nahezu die Hälfte des BIP wird in Rheinland-Pfalz (91,8 Mrd. €)
und im Saarland (24,5 Mrd. €), also insgesamt 116,3 Mrd. €, erwirtschaftet.
Wallonien hat 2001 ein BIP von 56 Mrd. € und Lothringen ein BIP von 45 Mrd. €
realisiert. Das geringste BIP erzielte Luxemburg mit 21 Mrd. €. Wenn man das
BIP allerdings auf die Einwohner umrechnet ergibt sich für Luxemburg mit
48.287 € je Einwohner das höchste BIP in der Großregion. Auf dieser
Berechnungsgrundlage sind Rheinland-Pfalz und das Saarland mit einem BIP pro
Einwohner von 22.715 € und 22.997 € ungefähr gleich stark, während Wallonien
mit 16.809 € und Lothringen mit 19.832 € BIP je Einwohner noch weit unter dem
Durchschnitt von 21.392 € BIP je Einwohner zurückliegen.25
Die meisten Erwerbstätigen waren 2001 im Tertiären Sektor beschäftigt. In
Luxemburg arbeiteten ca. 76% der Erwerbstätigen im Dienstleistungsbereich.
Wallonien liegt mit einem Anteil von 74% ebenfalls deutlich über dem
Gesamtdurchschnitt von 70%. In den anderen Teilregionen sind je ca. 68% der
Erwerbstätigen im Dienstleistungssektor tätig. Die Landwirtschaft bietet dagegen
nur 2,5% der Erwerbstätigen Arbeit. Im Saarland spielt die Landwirtschaft keine
große Rolle mehr, denn hier sind nur 0,9% aller Erwerbstätigen in diesem Sektor
beschäftigt. Die prozentual größten Anteile an Beschäftigten in der
Landwirtschaft mit 2,9% bzw. 2,8% aller Erwerbstätigen sind in Rheinland-Pfalz,
bzw. Lothringen zu finden. Diese relativ hohen Anteile lassen sich zumindest in
Rheinland-Pfalz mit dem traditionellen Weinanbau erklären.26
2.4.3 Humane Faktoren
In der Großregion leben insgesamt 11.228.522 Menschen. Die wenigsten davon,
nämlich nur 444.050 Menschen wohnen in Luxemburg. Die Bevölkerungsdichte
beträgt hier wie auch in der Gesamtregion 172 Einwohner pro km². Mit 415
Einwohnern pro km² ist die Bevölkerungsdichte im Saarland bei einer
Bevölkerungszahl von 1.066.470 Einwohnern am größten. In Rheinland-Pfalz
hingegen leben die meisten Bewohner (4.049.066) und die Bevölkerungsdichte
liegt über dem Schnitt der Großregion bei 204 Einwohnern pro km². In Lothringen
ist die Bevölkerungsdichte mit 98 Menschen pro km² am geringsten, obwohl hier
2.310.376 Personen wohnen. In Wallonien leben 3.358560 Menschen, was einer
Bevölkerungsdichte von 199 Personen pro km² entspricht.27
Für das Humankapital zählt aber nicht alleine der Bestand an Personen, sondern
primär der Bildungsstand. Dieser wird im Allgemeinen durch die vorhandenen
25
Vgl. Großregion, Großregion in Zahlen, Wirtschaft, vom 7.01.04.
Vgl. Großregion, Großregion in Zahlen, Beschäftigung und Arbeitsmarkt, vom 7.01.04.
27
Vgl. Großregion, Großregion in Zahlen, Bevölkerungsdichte, vom 07.01.04.
26
9
2. Regionale Perspektive – Saar-Lor-Lux
Abschlüsse dargestellt. Im Schuljahr 2001/2002 gab es in der Großregion 326.984
Schüler und Studenten an Fachschulen, Fachhochschulen und Universitäten.28
2.4.4 Soziale Faktoren
Die sozialen Faktoren sollen einen Überblick über die Zufriedenheit und
Sicherheit der Menschen geben. Da diese Werte aber nur schlecht zu messen sind
werden hier nun einige Daten dargestellt, die indirekt auf diese Dinge schließen
lassen wie die Erwerbsquote, die Arbeitslosenquote und die Zahl der Ärzte pro
10.000 Einwohner. Die Erwerbsquote betrug 2001 im Schnitt 52% bei den
Männern und 36% bei den Frauen. Auffällig bei den Männern war dass 56% in
Rheinland-Pfalz und nur 47% in Wallonien erwerbstätig waren. Bei den Frauen
hingegen waren fast 40% in Rheinland-Pfalz und nur 32% in Wallonien
erwerbstätig. Die Arbeitslosenquote bewegte sich zwischen 10,6% in Wallonien
und 2,4% in Luxemburg. In der Großregion waren insgesamt durchschnittlich
7,4% der Erwerbspersonen ohne Arbeit.29
In der Region Saar-Lor-Lux sind ca. 32 Ärzte für 10.000 Einwohner zuständig. In
Luxemburg gibt es je 10.000 Einwohner die geringste Anzahl an Ärzten (26 pro
10.000 Einwohner). Im Saarland sind pro 10.000 Einwohner mit 38 die meisten
Ärzte vertreten.30
Diese Beschreibung gewährt nur einen ersten Einblick in die Region. Eine
genauere Untersuchung erfolgt in den Kapiteln 6 und 7, in denen die Region
systematisch erfasst und auf Nachhaltigkeit hin analysiert wird.
28
Vgl. Großregion, Großregion in Zahlen, Bildung und Kultur, vom 7.01.04.
Vgl. Großregion, Großregion in Zahlen, Beschäftigung und Arbeitsmarkt, vom 7.01.04.
30
Vgl. Großregion, Großregion in Zahlen, weitere Strukturdaten, vom 7.01.04.
29
10
3. Nachhaltige Entwicklung
3. Nachhaltige Entwicklung
Nachdem im zweiten Kapitel ausführlich die Gegebenheiten in der Region SaarLor-Lux beschrieben wurden, wird nun die Frage gestellt, was nachhaltige
Entwicklung bedeutet und wie ein Nachhaltigkeitskonzept aussehen könnte.
Dazu wird im ersten Teil dieses Kapitels der Begriff der Nachhaltigkeit näher
beleuchtet und die Brundtland-Definition kritisch anderen Definitionen
gegenübergestellt. Der zweite Teil diskutiert umfassend die verschiedenen
Auffassungen und Ansätze von Nachhaltigkeit, und daraus resultierend die
funktionale Substituierbarkeit. Im dritten Teil wird schließlich das Vier-KapitalModell herbeigeführt und am Ende kurz eine Zielsetzungsstrategie erläutert.
3.1 Der Begriff der Nachhaltigkeit
Der Begriff Nachhaltigkeit stammt aus der Forstwirtschaft des 18. Jahrhundert.
und wird heute als Übersetzung des englischen Wortes Sustainability verwendet.
Nachhaltigkeit bedeutete damals, dass nur so viel Holz eingeschlagen werden
durfte wie im Wald wieder nachwachsen konnte. Ziel war eine
zukunftsbetrachtende Schonung von Primärenergieträgern um eine langfristige
Versorgung zu gewährleisten. Im Laufe der Zeit wurde dieses Leitbild auch auf
andere Bereiche im umweltwissenschaftlichen Kontext ausgeweitet. Vor allem
heute werden unter nachhaltiger Entwicklung in der deutschen Literatur folgende
verwandte Begriffe angeführt:

Dauerhaft umweltgerechte Entwicklung

Ökologisch-dauerhafte Entwicklung

nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung

zukunftsfähige Entwicklung etc.31
Im auslaufenden 20. Jahrhundert wurde der Begriff sustainable development in
den Abschlussbericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung
aufgenommen. Die Verfasserin Gro Harlem Brundtland stellte heraus, vor
welchen Herausforderungen das Prinzip der Nachhaltigkeit nun steht und in
welchen Verantwortungsbereich es fällt.
„Die Menschheit hat die Fähigkeit, Entwicklungen nachhaltig zu machen - zu
gewährleisten, dass sie die Bedürfnisse der gegenwärtig lebenden Menschen
erfüllt, ohne dadurch die Lebensgrundlage zukünftiger Generationen auf das Spiel
zu setzen."32
31
32
Vgl. Zeschmar–Lahl, B. (2002), vom 03.12.2003.
Hauff, V. (1987), S.46.
11
3. Nachhaltige Entwicklung
Zentrales Argument ist die so genannte inter- und intragenerative Gerechtigkeit.
Um zukünftigen Generationen alle Optionen zu gewährleisten, muss die heutige
verantwortliche Generation anfangen nachhaltig zu handeln.
Der Brundtland-Bericht hat maßgeblich dazu beigetragen, dass bisher getrennt
betrachtete Problembereiche wie Umweltverschmutzung in Industrieländern,
globale Hochrüstung, Schuldenkrise etc. nicht durch einzelne Maßnahmen gelöst
werden können, sondern in einem Wirkungsgeflecht gesehen werden müssen.33 Es
geht um die integrative Betrachtung ökologischer, sozialer und ökonomischer
Aspekte. Diese werden zum ersten Mal als untrennbare Einheit gesehen. Die
Aussage des Berichts bringt vielerlei Probleme auf ökologischer, sozialer und
kultureller Basis mit sich, die ein sowohl regionales als auch globales langfristiges
Handeln erfordern34 (siehe Kapitel 3.3). Sowohl der Brundtland-Bericht als auch
die Agenda 2135, ein globaler Aktionsplan der Vereinten Nationen und
Staatsregierungen haben der Nachhaltigkeit auf der Umwelt- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCED) 1992 in Rio de Janeiro schließlich
zum Durchbruch verholfen: Wirtschaftswachstum, aber auch Sozial- und
Umweltverträglichkeit sollen langfristig gewährleistet sein.36
Etwas anders sah es 1991 die International Chamber of Commerce (ICC):
Wirtschaftliches Wachstum sei eine Grundvoraussetzung zur Verwirklichung des
Umweltschutzes. Aus diesem ergeben sich weitere Ziele.37
Auch die Europäische Union verfolgt das Ziel, langfristiges Wirtschaftswachstum
mit dem Umweltschutz zu verbinden. Hohe Umweltschutznormen stimulieren
dabei Innovationen und Geschäftsmöglichkeiten38, da sich Institutionen und
Konzerne ständig auf den aktuellen Stand der Umwelttechnik bringen müssen. Da
diese Normen bis jetzt aber noch nicht ausreichend durchgesetzt sind, ist es für die
Konzerne offensichtlich immer noch gewinnmaximierender auf die Umwelt
entweder kaum oder gar nicht Rücksicht zu nehmen. Unter dieser gedanklichen
Voraussetzung ergeben Umweltinnovationen zur Kostenreduzierung keinen Sinn.
Wirtschaftswachstum ist selbstverständlich in Regionen, in denen die
Befriedigung der Grundbedürfnisse nicht gewährleistet ist, aus dem jeweiligen
Nachhaltigkeitskonzept nicht wegzudenken. Zur Wohlstandsverbesserung wäre in
diesem Falle ein überproportionales Wirtschaftswachstum zum Bevölkerungswachstum wünschenswert, d.h. trotz Wachstum der Bevölkerung erhöht sich das
Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und pro Jahr. Es könnten, aus dieser Sichtweise
heraus, die zusätzlichen Einnahmen aus dem Wirtschaftswachstum für die
Umsetzung der Nachhaltigkeit verwendet werden. Für die Verfasser dieser Arbeit
33
Vgl. Hauff, V. (1992), S.163ff.
Vgl. Zeschmar-Lahl, B. (2002), vom 03.12.2003.
35
Vgl. Vereinte Nationen (2002).
36
Vgl. Günter, M. (2002), S. 16.
37 Vgl. Günther, E. et al. (2000), S.14f.
38
Vgl. Europäische Union (2000), vom 03.12.2003.
34
12
3. Nachhaltige Entwicklung
aber gelten Wachstum und Nachhaltigkeit in Form von Umweltschutz zwar nicht
unter allen Umständen als Widerspruch an sich, doch oft beeinflusst das Eine
jeweils das Andere auf eine negative Weise. Durch eine Strategie nach dem Motto
get rich and clean up later wird der Nachhaltigkeitsgedanke sicherlich falsch
verstanden. Da Ressourcen nur in begrenztem Maße vorhanden sind, resultieren
daraus die Grenzen des Wachstums. Die Definition der Sustainable Performance
Group passt da schon besser in das Konzept der Nachhaltigkeit: In die
unternehmerische Wertschöpfung sollen ökonomische, ökologische und soziale
Wertschöpfungspotentiale einbezogen werden.39 Umweltschutz ist vielleicht eher
eine Voraussetzung für langfristiges Wachstum. Kurzfristiges Wachstum im
herkömmlichen Sinne ist oft umweltschädlich. Schließlich sollte im Rahmen der
Nachhaltigkeit von Entwicklung und nicht von Wachstum gesprochen werden,
also von qualitativer Veränderung und nicht von quantitativem Wachstum.40
3.2. Nutzungsintensität der Ressourcen
Wie soll das Konzept zur Nachhaltigkeit letztendlich aussehen? Wie im
vorangegangenen Kapital bereits erwähnt, existiert ein langfristiges
Wachstumsproblem. Nach Meadows gibt es für diese „Neuen Grenzen des
Wachstums“ folgende Lösung: Verbesserung der Ressourcenproduktivität,
Wachstumsdrosselung oder gar Wachstumsverzicht.41 Natürlich sollten auf der
einen Seite die Ressourcen Verwendung finden, um damit das ökonomische
Alltagsleben aufrecht zu erhalten, andererseits hat vor allem die Natur einen so
hohen Lebenserhaltungswert, dass speziell der zerstörerische Abbau der
natürlichen Reserven in der heutigen Zeit Probleme mit sich bringt. 42 Dieses
Konfliktpotential zwischen starker und schwacher Nachhaltigkeit soll nun im
Einzelnen ausdiskutiert werden. Das Ergebnis ist schließlich die funktionale
Substituierbarkeit.
3.2.1.Starke Nachhaltigkeit
Hier geht man entweder von der Nicht-Substituierbarkeit oder der Substituierbarkeit durch identische Stoffe des natürlichen Kapitals aus. Wichtig sind die
strikte Artenerhaltung und ein strikter Verzicht auf die Ausbeutung nicht
erneuerbarer Ressourcen. Ist momentan, aufgrund von globalen Knappheiten, ein
künftiger Ressourcenengpass zu erwarten, so müsste zu Gunsten der
nachfolgenden Generationen ein Verzicht geleistet werden. Man konzentriert sich
hier auch auf die physischen Auswirkungen der Ökonomie auf andere Gesellschaftsbereiche, sogenannte Trade-Offs, bei denen die Verbesserung in einem
39
Vgl. Günther, E. et al. (2000), S.15.
Vgl. Szerenyi, T. (1999), S.9.
41
Vgl. Maedows, D.H. et al. (1992), S.33.
42
Vgl. Becker, B. (1996), S.35.
40
13
3. Nachhaltige Entwicklung
Bereich automatisch zu einer Verschlechterung in einem anderen Bereich führt;43
Dies sollte unter allen Umständen vermieden werden. Dabei käme allerdings das
Wirtschaftsleben zum Erliegen.
Langfristig könnte keine Generation unmittelbaren Nutzen aus einer nichterneuerbaren Ressource ziehen. Aufgrund der fehlenden Effektivität dieses
Nachhaltigkeitsprinzips sollte die Nutzung an funktionsäquivalente Potentialentwicklungen gekoppelt sein.44
3.2.2 Schwache Nachhaltigkeit
Die schwache Nachhaltigkeit stellt ein Konzept der vollkommenen bzw.
nutzenorientierten Substituierbarkeit des natürlichen Kapitals dar. Unter dieser
Prämisse würde das Kriterium der Nachhaltigkeit bei der Ersetzung einer
Ressource nicht verletzt werden.45 Nach Solow müsste man ökonomisch auf ein
Prinzip schließen, welches die Produktionskapazität für eine unbestimmte Zukunft
schützt. Extreme Vertreter dieser Nachhaltigkeitsthese, meist sind es
Neoklassiker, wie Barnett und Morse, sehen die Möglichkeit der Substitution bei
jeder Ressource. Dadurch, dass jede Generation der jeweils nachfolgenden einen
Produktivitätsfortschritt hinterlässt, würde eine endliche Ressource entsprechend
durch die invisible hand ohne Verluste für die menschliche Wohlfahrt ersetzt
werden.46 Die Welt kann ohne natürliche Ressourcen weiterexistieren, und es
wäre keine Katastrophe.47 Der Produktionsfaktor Boden könnte ohne weiteres
durch Arbeit und/oder Kapital ausgeglichen werden. Wichtig ist nur, dass die
monetäre Summe aller Kapitalarten gleich bleibt. Naturkapital kann somit durch
Sachkapital ohne weiteres ersetzt werden.
Weiterhin neigen die Anhänger dieser Nachhaltigkeitsthese dazu, den überdimensionalen Verbrauch des Naturkapitals durch das Prinzip der Diskontierung
zu rechtfertigen. Mit anderen Worten, es wird davon ausgegangen, dass
gegenwärtige Güter und Nutzen erheblich höher bewertet werden als zukünftige.
Diese Sichtweise wird stark kritisiert, da man hier annehmen muss, dass
zukünftige Generationen nicht mit Sicherheit über bessere Problemlösungsmöglichkeiten verfügen.48
Dass die neoklassischen Substitutionsregeln so nicht gelten, bewies 1971
Georgescu-Roegen. Dieser Bioökonom traf zwei Annahmen:
I.
Der Energieerhaltungssatz besagt, dass Materie und Energie vom
Menschen weder kreiert noch vernichtet werden können. Weiterhin
existiert ein Austauschlimit zwischen Energie/Materie und der
43
Vgl. Daly, H. (1991; 1996), S.40.
Vgl. Ewringmann, D. (1999), S.31.
45
Vgl. Szerenyi, T. (1999), S.13.
46
Vgl. Critical Review (1993), S.42.
47
Vgl. Martínez Alier, J. (1992), S.126.
48
Vgl. Zeschmar-Lahl, B. (2002), vom 03.12.2003.
44
14
3. Nachhaltige Entwicklung
restlichen Energie-/Materiemenge. Während der ökonomischen
Umwandlung verwendet man die aus der Natur kommenden
natürlichen Ressourcen und Emissionen jeglicher Art werden
ausgestoßen. Georgescu-Roegen spricht hier von niedriger Entropie,
wenn die Materie/Energie in den Prozess eintritt und von hoher
Entropie, wenn sie den Prozess wieder verlässt. Es existiert also
sowohl frei verfügbare Energie und Materie als auch Energie, die
niemals verwendet werden kann und darf. Hieraus ergibt sich
unmittelbar die zweite Annahme.49
II.
Wenn sich die Energie in einem geschlossenen System nach außen
verflüchtigt hat, so ist das Umkehren dieses Vorgangs ohne externe
Einflüsse nicht möglich (Zum besseren Verständnis sei hier ein
Beispiel angeführt: Geschmolzene Eiswürfel in einem Glas werden auf
Wunsch nicht wieder automatisch zu Eiswürfeln). Schließlich
verringert sich die freie Energie eines geschlossenen Systems
unwiderruflich bzw. die nicht verfügbare Energie erhöht sich auf eine
progressive Weise. Mit anderen Worten, bei jedem ökologischen und
ökonomischen Prozess muss mehr Input verwendet werden als Output
herauskommt.50
Von daher entsteht ein immer größer werdendes Defizit. Die menschliche
Ökonomie zentriert sich in der niedrigen Entropie der Umwelt. Die Umwelt an
sich ist sehr knapp.51
Dies ist die Auffassung der ökologischen Ökonomie. Sie ist ökozentriert und
bildet eine Gegenposition zur neoklassischen Umweltökonomie und der Auffassung einer Substitutionsmöglichkeit von Naturkapital. Dieser Standpunkt und
seine Folgen werden im folgenden Unterkapitel näher erläutert.
3.2.3 Funktionale Substituierbarkeit
Bei der funktionalen Substituierbarkeit werden bestimmte natürliche Funktionen
künstlich ersetzt und andere erhalten. Partiell sind alle Kapitale gegeneinander
ersetzbar, aber eben nicht vollständig.52 Wenn man bis an das Ende aller Tage
abschätzen kann, wie viele Ressourcen noch gebraucht werden, so könnte man
diese Menge kalkulieren und entsprechende Ersetzbarkeitsregeln festlegen. Die
Umwelt ist wegen der Entropie-Theorie unbedingt zu schonen; nur so sorgt die
Natur für langfristiges wirtschaftliches Wachstum.
Das Problem ist aber, dass zukünftige Substitutionsmöglichkeiten nur schwer
abzuschätzen sind. Es ist ungewiss, ob bestimmte Funktionen verschiedener
49
Vgl. Martínez Alier, J. (1992), S.127.
Vgl. Martínez Alier, J. (1992), S.127.
51
Vgl. Martínez Alier, J. (1992), S.128.
52
Vgl. Knaus, A. et al. (1998), S.50f.
50
15
3. Nachhaltige Entwicklung
Kapitale in Zukunft überhaupt notwendig sind, während andere Nutzenfunktionen, die heute unbekannt sind, für künftige Generationen von
entscheidender Bedeutung sein könnten. Eine vorübergehende Beanspruchung
von nicht regenerativen Ressourcen kann aber sinnvoll sein, wenn dadurch
entsprechende Vermögenswerte für zukünftige Generationen geschaffen werden.53
Schließlich sollte die Summe aus natürlichem und künstlichem Kapital gleich
bleiben. Speziell die damit verbundene Wohlfahrtserhaltung kann in dem
umstrittenen Wohlfahrtsindex Index of Sustainable Economic Welfare (ISEW)
festgehalten werden. Anders ausgedrückt heißt das, dass die Menschheit von den
Zinsen leben und nicht den unersetzbaren Kapitalstock von Mutter Erde innerhalb
weniger Generationen aufbrauchen soll.54 Welche Werturteile liegen dem
zugrunde? Es müssen die Interessen aller zukünftigen Generationen berücksichtigt
werden.
3.3 Realisierung des Nachhaltigkeitskonzepts
„Indefinite growth of whatever type can not be sustained by finite ressources“55
Wie im Kapitel 3.2.3 bereits erwähnt, liegt das Problem darin, dass begrenzte
Ressourcen auf einen unendlichen Zeithorizont verteilt werden müssen.
Intertemporale bzw. intergenerative Gerechtigkeit zur Ressourcenverteilung stellt
einen spezifischen Schwerpunkt der nachhaltigen Entwicklung dar.56 Eine Grundvoraussetzung hierfür ist die intragenerative Gerechtigkeitsvorstellung, d.h. die
gerechte Verteilung der Ressourcen zwischen den Bewohnern in einem
abgesteckten Gebiet, für die Bewahrung und Entwicklung gleicher Potentiale, z.B.
Reduzierung des Wohlstandsunterschiedes zwischen Nord und Süd. 57 Um die
intergenerative Gerechtigkeit zu gewährleisten darf das heutige Wachstum nicht
die Wachstumsaussichten der zukünftigen Generationen einschränken. Der
Brundtlandbericht geht davon aus, dass man den zukünftigen Generationen nur
Verluste hinterlässt. Für die Zerstörung der Umweltressourcen haben unsere
Enkel und Urenkel keine Möglichkeit, die Schuldigen von heute zur Rechenschaft
zu ziehen. Zu diesem Problem finden sich im Brundtlandbericht aber keine
Lösungsansätze; es fehlen konkrete Handlungsanweisungen auf konkrete
Sachfragen.58 Eindeutige Regeln und Normen können aus dem
Nachhaltigkeitskonzept nicht abgeleitet werden. Vielmehr steht diese Sichtweise
für eine Philosophie, die in der Praxis langsam aber sicher Konturen annimmt.
Nun ist es Aufgabe der Wissenschaft, Lösungen für diese Probleme zu erarbeiten.
Ein wissenschaftliches Konzept steht aber nicht unbedingt auf widerspruchsfreiem
53
Vgl. Knaus, A. (1998), S.50f.
Vgl. Pearce, et al. (1993), vom 04.12.2003.
55
Goldsmith, (1972), S.6ff.
56
Vgl. Szerenyi, T. (1999), S.10.
57
Vgl. Summerer, S. (1996), S. 43.
58
Vgl. Günter, M. (2002) , S. 16.
54
16
3. Nachhaltige Entwicklung
Fundament, so dass das Konzept der Nachhaltigkeit stark von der Interpretation
und Wahrnehmung des verantwortlichen Akteurs abhängt.59 Das Prinzip der
funktionalen Substituierbarkeit stellt ein realistisches und weitgehendes Faktum
dar, was es anzustreben gilt.
Nach Meadows sind die Werte wie Bescheidenheit und Genugtuung, die hier eine
Rolle spielen, von enormer Wichtigkeit und müssen weitergedacht werden.
Effizienzsteigerungen nützen nichts, solange Unersättlichkeit und Egoismus ein
typisches Phänomen des gegenwärtigen Zeitgeistes sind.60 Deshalb ist politisches
Engagement äußerst wichtig. Dabei dürfen sich die einzelnen Politikbereiche
nicht gegenseitig behindern, was meist einer der Hauptgründe für viele nicht
nachhaltige Trends ist; vielmehr sollten hier relevante Politikbereiche integriert
werden. Auch eine zu starke Konzentration auf kurzfristige Entwicklungen kann
dazu führen, dass man das langfristige Vorhaben aus den Augen verliert.61
Instabilität in einem Kriterium hat automatisch Auswirkungen auf ein anderes
Kriterium, so dass auch dort eine Destabilisierung stattfindet.62 Dies soll aber
möglichst vermieden werden. Die drei Komponenten einer nachhaltigen
Entwicklung sind im Zusammenhang zu betrachten. Ökologische Nachhaltigkeit
sollte von daher also, sowohl global als auch national, mit dem ökonomischen
Wandel unter Berücksichtigung der sozialen Integration verknüpft werden 63 (siehe
Kapitel 3.2.1). Weiterhin sei hier etwas über die Harmonie-Situationen gesagt.
Diese bedeuten eine Realisierung von Maßnahmen, die mehrere Anforderungen
gleichzeitig und konfliktfrei erfüllen.64 Die oben erwähnten Konflikte sind damit
aber nicht aus der Welt geschafft. Schon im ersten Teil dieses Kapitels forderte
die Sustainable Performance Group eine Berücksichtigung aller ökonomischen,
ökologischen und sozialen Aspekte. Die Politik sollte diese in Einklang bringen
und, aus eben genannten Gründen, die Ökologie als Grundlage voraussetzen.
Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen befasst sich mit den Problemen
der Verantwortbarkeit des menschlichen Handelns und mit dem Heranziehen von
Kriterien und Maßstäben für dessen Rechtfertigung. Eine von ihnen entwickelte
„Drei-Säulen-Konzeption“ soll die Wechselwirkungen zwischen ökologischen,
ökonomischen und sozialen Kriterien veranschaulichen.65 Daraus wird für uns das
Vier-Kapital-Modell abgeleitet: Naturkapital deckt die ökologische, Sachkapital
die ökonomische, Sozial- und Humankapital die soziale Dimension ab. Zu jedem
Kapital messen einzelne Indikatoren den Stand der Dinge bezüglich der
Nachhaltigkeit. Zentraler Begriff der sich daran anschließenden Analyse ist die
59
Vgl. Pfister, G. (2002), S.10.
Vgl. Zeschmar-Lahl, B. (2002), vom 03.12.2003.
61
Vgl. Europäische Union (2000), vom 03.12.2003.
62
Vgl. Kreibich, R. (1996), S.48.
63
Vgl. Zeschmar-Lahl, B. (2002), vom 03.12.2003.
64
Vgl. Müller-Christ, G. (1998), S.324.
65
Vgl. SRU (1994), S.36.
60
17
3. Nachhaltige Entwicklung
Ultrastabilität. Es geht dabei nicht um Stillstand, sondern darum sowohl
Grundbedürfnisse als auch Entwicklungsmöglichkeiten in der Gesellschaft
sicherzustellen.66 Andere Autoren vertreten deshalb ergänzend das Prinzip der
Vorsorge. Dementsprechend sollten folgende Generationen nach dem Nachhaltigkeitsprinzip nicht nur nicht schlechter gestellt sein, sondern es sollte ihnen besser
ergehen. Wichtig für die Umsetzung dieses Vorsorgeprinzips ist eine dauerhafte
Motivation der Bevölkerung, die sich auf rückwärtige Dankbarkeit und
zukunftsgerichtete Vorsorgeverpflichtung bezieht.67
Mit den Nachhaltigkeitsprogrammen werden die Veränderungen noch komplexer,
schneller und tiefgreifender. Damit verbundene Investitionen entwerten und
ersetzen bestehende Kapitalanlagen und zerstören darauf spezialisierte produktive
Ressourcen.68 Nach Meinung von Kreibich ist nachhaltige Entwicklung nur
möglich, wenn die folgenden vier Handlungsregeln eingehalten werden:
1. Selbst bei Wirtschaftswachstum soll der Gesamtverbrauch der Ressourcen
durch technischen Fortschritt rückläufig sein.
2. Regeneration und Inanspruchnahme der erneuerbaren Ressourcen sollen
übereinstimmen.
3. Die Verarbeitungskapazität der Umwelt sollte langfristig in der Lage sein
die Emissionsraten abzubauen.
4. Technologien und Produkte, bei deren Einsatz soziale und ökologische
Folgen nicht abschätzbar sind, sollten nicht verwendet werden.69
Eine Verbesserung zur Bewirtschaftung der Ökosysteme und eine nachhaltige
Zukunft kann durch die Vereinigung der Umwelt- und Entwicklungsinteressen
gewährleistet werden. Die ausdrückliche Verantwortung der Kommunen in der
Region Saar-Lor-Lux wurde bereits in Kapitel 2.1 erwähnt. Eine
regionalübergreifende Partnerschaft, die auf nachhaltige Entwicklung ausgerichtet
ist, kann zur Koordination und zur Durchsetzung des Nachhaltigkeitsprinzips
durchaus von Vorteil sein. Speziell in den Kapiteln 6 und 7 wird mit dem Hilfe
des Vier-Kapital-Modells untersucht werden, ob sich die Großregion unter den
oben genannten Voraussetzungen im Sinne der Nachhaltigkeit. Dabei sollte nach
folgendem Schema vorgegangen werden:
66
Vgl. Morosini M. et al. (2002), S.4.
Vgl. Birnbacher, D. et al. (1996), vom 03.12.2003.
68
Vgl. Mayer Ries, J.F. (1998), S.16.
69
Vgl. Kreibich, R. (1994), S.206 f.
67
18
3. Nachhaltige Entwicklung
Abbildung 2: Idealtypische Zielsetzungsstrategie
Quelle: Günther, E. et al. (2000), S.13 (verändert nach Jakubowski, P. et al. (1997): Strategien
umweltpolitischer Zielfindung. Eine ökonomische Perspektive. Münster).
Es könnte eine Konkretisierung durch eine zeitlich Fixierung (etwa Monate oder
Jahre) stattfinden. Zunächst einmal muss ein gewisses Leitbild einer nachhaltigen
Entwicklung konstruiert werden. Auf diesem weiteren Weg ist es wichtig sich vor
allem auch über die Ziele und die Instrumente zu deren Erreichung klar zu werden
um letztendlich Maßnahmen ergreifen zu können. Hierfür ist es wichtig zu wissen
wie das Nachhaltigkeitsprinzip zum Wohlstand beiträgt, was im nächsten Kapitel
behandelt wird.
19
4. Ansätze zur Messung von Wohlstand und Nachhaltigkeit
4. Ansätze zur Messung von Wohlstand und Nachhaltigkeit
Wohlstand ist wie Mist, er taugt nichts, wenn er nicht gestreut ist.
F. Bacon
Mit der Nachhaltigkeitsdebatte entstand ein neuer Ansatz zur Lösung der
gesellschaftlichen Probleme. Durch die Integration ökonomischer, ökologischer
und sozialer Fragestellungen sowie der Berücksichtigung intertemporaler
Gerechtigkeit soll das Wohlergehen der Gesellschaft verbessert und gerechter
gestaltet werden. Neben den genauen Instrumenten zur Erreichung einer
nachhaltigen Entwicklung bleibt zu fragen, wie solch eine Entwicklung gemessen
werden kann. Die Wohlfahrtsökonomik hat Konzepte zur Messung der Wohlfahrt
erarbeitet, kann allerdings kein vollkommen befriedigendes Ergebnis liefern. Der
weit verbreitete Wohlstandsindikator Bruttoinlandsprodukt (BIP) vernachlässigt
wichtige Aspekte der Lebensqualität. Deswegen wurden mit dem Human
Development Index und dem Index of Sustainable Economic Welfare
umfassendere Ansätze entwickelt, die allerdings nicht die breite Anwendung wie
das BIP erfahren haben und es bisher nicht ablösen konnten. Neben einer
indikatorbasierenden Operationalisierung des Nachhaltigkeitskonzepts wie z.B.
der Pressure-State-Respone-Ansatz der OECD oder der Ansatz des Bundesamtes
für Bauwesen und Raumordnung (BBR) wird die Nachhaltigkeitsstrategie der
Bundesrepublik Deutschland vorgestellt.
4.1 Wohlstandsmessung über des Bruttoinlandsprodukt
Die Begriffe Wohlstand und Wohlfahrt werden teilweise synonym verwendet, sie
haben jedoch eine unterschiedliche Bedeutung. Wird Wohlstand eng definiert, so
bedeutet er die Verfügungsmöglichkeit über wirtschaftliche Güter. Bereits bei
Adam Smith ging es um den Wohlstand der Nationen. Smith als Vertreter der
Klassik sah den Reichtum einer Nation in seinen Gütern und Maschinen
begründet und setzte sich damit von der merkantilistischen Auffassung ab,
Wohlstand nur als Reichtum des absoluten Herrschers zu verstehen. Ebenfalls auf
Smith geht zurück, dass der Wohlstand durch Arbeitsteilung und gerechte
Verteilung erhöht werden kann. Weiter gegriffen umfasst Wohlstand den
Lebensstandard und wird oft im Gegensatz zu Armut verwendet. Eine
Wohlstandsgesellschaft hat durch wirtschaftliche Prosperität ein hohes
Lebensniveau erreicht und kann die Bedürfnisse ihrer Mitglieder durch materielle
Güter (z.T. auch Luxusgüter) befriedigen. Wohlfahrt dagegen bedeutet Lebensqualität und das Wohlergehen des Einzelnen bzw. der Gesellschaft und ist von
hohem Wert in der modernen Gesellschaft. Wohlfahrt ist eher ein qualitatives
Maß und im Gegensatz zum Wohlstand weitaus schwieriger zu messen. Die
Wohlfahrtsökonomik versucht Maßstäbe für die Wohlfahrtsmessung zu ermitteln
20
4. Ansätze zur Messung von Wohlstand und Nachhaltigkeit
und Bedingungen für eine Maximierung der Wohlfahrt abzuleiten. In Modellanalysen konnte die paretianische Wohlfahrtsökonomik nachweisen, dass die
vollständige Konkurrenz unter restriktiven Annahmen zum Wohlfahrtsoptimum
führe. Die neuere Wohlfahrtsökonomik vertritt dagegen die Sichtweise, dass der
Staat mittels Steuer- und Finanzpolitik eingreifen müsse, um ein Wohlfahrtsoptimum zu erreichen.
Eine grundlegende Frage für die Wohlfahrtsmessung ist, was Wohlfahrt ausmacht
und wie sie gesteigert werden kann. Wohlfahrt kann als Summe aller materiellen
(Güter) oder immateriellen (Nutzen) Elemente einer Gesellschaft gesehen werden.
Bei zu Marktpreisen bewerteten Gütern ergibt sich ein Problem für die
Wohlfahrtsmessung. Wenn sich die auf relativer Knappheit basierenden
Marktpreise ändern oder eine Geldwertänderung eintritt, ändert sich zwangsläufig
die Bewertungsbasis für das Wohlfahrtsmaß. Die Bewertung von Wohlstand
erfolgt daher über ein subjektives Maß: den Nutzen. Die Quantifizierung und
Verrechnung von Nutzen für die Gewinnung eines gesellschaftlichen
Nutzenoptimums wirft ebenfalls Probleme auf. Es gibt jedoch keine Möglichkeit,
Nutzeneinheiten zu definieren, die für alle Mitglieder einer Gesellschaft gültig
und verrechenbar sind, da Nutzen nur ordinal und nicht kardinal messbar ist.70
Trotz der konzeptionellen Schwierigkeiten bei der Wohlfahrtsmessung hat man
das Sozialprodukt (verwendet wird das Bruttoinlandsprodukt BIP) als Maß
akzeptiert, da es einfache zeitliche und räumliche Vergleiche von Volkswirtschaften zulässt. Das BIP umfasst alle Waren und Dienstleistungen, die
während einer Periode in einer Volkswirtschaft produziert werden. Somit besitzt
es eine Aussagekraft über die wirtschaftliche Produktion und Leistungsfähigkeit.
Diese Aussagekraft muss allerdings relativiert werden, denn „[ein] Teil des
Sozialprodukts wird dazu benutzt, Schäden zu kompensieren, die nicht aufträten,
wenn das Sozialprodukt nicht so hoch wäre.“71 In die Berechnung des
Sozialproduktes gehen Faktoren ein, die unbestreitbar die Wohlfahrt einer
Gesellschaft senken. Oft angeführte Beispiele für diese Tatsache sind die
Zunahme von Unfällen sowie Umweltverschmutzung. In beiden Fällen werden
Dienstleistungen und Güter verwendet um die Schäden zu beseitigen, d.h. das
Sozialprodukt steigt, aber die Lebensqualität steigt mit Sicherheit nicht. Schäden
an Gütern, der Umwelt, den Menschen oder der Volkswirtschaft im Allgemeinen
müssten demnach vom Sozialprodukt für eine adäquate Wohlstandsmessung
subtrahiert werden. Eine weitere Schwäche des Wohlstandsmaßes Sozialprodukt
ist die mangelnde Aussagefähigkeit über die Verteilung von Einkommen. Der
Wohlstand einer Gesellschaft kann nicht hoch eingeschätzt werden, wenn sich
Einkommen und Vermögen nur in der Hand weniger Menschen befindet. Gerade
der Durchschnittswert BIP pro Kopf, der zum Vergleich verschiedener
70
71
Vgl. Gabler (2000), Eintrag: Wohlfahrt, S.3547.
Hardes, H.D. et al. (1994), S.236.
21
4. Ansätze zur Messung von Wohlstand und Nachhaltigkeit
Volkswirtschaften herangezogen wird, vernachlässigt die Einkommensverteilung.
Weitere Kritik an der Sozialproduktrechnung muss geäußert werden, da Schattenund Haushaltswirtschaft sowie die Zunahme von Freizeit nicht erfasst werden und
Staatsaktivitäten nur über Kosten und nicht über Wertschöpfung einbezogen
werden.72 Costanza und andere weisen auf Inkonsistenzen in der Sozialproduktrechnung hin. Der Schwerpunkt der Berechnung liegt auf den Marktaktivitäten, dennoch werden u.a. Mietwerte von Wohnungen, in denen die
Eigentümer leben hinzugerechnet.73 Wenn dieser Bereich hinzugerechnet wird,
müsste dies auch für weitere Bereiche, z.B. Umweltverbrauch oder soziale
Entwicklung zulässig sein.
4.2 Alternative Ansätze zur Messung von Wohlstand und Nachhaltigkeit
Bedeutet also ein höheres Sozialprodukt mehr Wohlstand für alle? Wichtige
Aspekte von Wohlstand sind Gesundheit, Erwerbstätigkeit, Freizeit, physische
Umwelt, Sicherheit, Möglichkeiten zur gesellschaftlichen und politischen
Partizipation und persönliche Zufriedenheit.74 Dies zeigt, dass man einen
Wohlstandsindikator braucht, der sämtliche Facetten und Dimensionen des
Lebens abbildet. Alternativen zum Sozialprodukt als Wohlstandsmaß sind der
Human Development Index, der Index of Sustainable Economic Welfare und die
umweltökonomische Gesamtrechnung, welche jeweils den sozialen bzw.
ökologischen Aspekt von Wohlfahrt hervorheben.
Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) hat einen Index
entwickelt, der die soziale Entwicklung in einem Land abbilden soll. Der
sogenannte Human Development Index (HDI) umfasst wesentliche
Sozialindikatoren wie
Lebensdauer, Bildungsstand (gemessen
über
Analphabetismus), Gesundheit sowie Realeinkommen. Insbesondere lassen sich
mit diesem Index Entwicklungsunterschiede zwischen Industrie- und Entwicklungsländern aufzeigen. Der Index vermag es jedoch nicht, deutliche
Unterschiede zwischen den Industrieländern darzustellen sowie die Zukunftsfähigkeit von ökologischer und ökonomischer Entwicklung abzubilden.75 Trotz
einiger Schwächen ist der HDI in die wissenschaftliche und politische Diskussion
eingegangen und stellt ein Wohlfahrtsmaß jenseits des Sozialproduktes dar.76
Der Index of Sustainable Economic Welfare (ISEW) versucht die Zukunftsfähigkeit von Wohlstand und Lebensqualität in einer einzigen Zahl darzustellen.
Faktoren zur Berechnung des ISEW sind Einkommensverteilung, privater
Konsum, Beschäftigung und weitere soziale und ökologische Faktoren. Die
Kosten der Umweltzerstörung, Ausbeutung von Ressourcen, Verkehr sowie
72
Vgl. Hardes, Mertes (1994), S.236.
Vgl. Costanza, R. et al. (2001), S.137f.
74
Vgl. Hardes, H.D. et al. (1994), S.240.
75
Vgl. Spangenberg, J.H. (1996), S.211.
76
Vgl. Spangenberg, J.H. et al. (1998), S.9.
73
22
4. Ansätze zur Messung von Wohlstand und Nachhaltigkeit
Unfälle gehen ebenfalls in die Berechnung ein.77 Somit werden Aussagen über
soziale und wirtschaftliche Aktivitäten getroffen, die tatsächlich die Lebensqualität erhöhen. Im Gegensatz zum quantitativen Indikator BIP vertritt dieser
Index eher einen qualitativen Ansatz. Der ISEW zeigt eine Entkopplung von
Wirtschaftswachstum und Lebensqualität in den Industrieländern seit den 1970er
Jahren. Die Wirtschaft und das Einkommen sind seit Jahrzehnten gewachsen, die
Lebensqualität dagegen gesunken. Gründe dafür sind u.a. hohe Arbeitslosigkeit,
Umweltschäden, zunehmende Einkommensdisparitäten und die Erkenntnis, dass
Einkommen nicht ausschlaggebend für das individuelle Glück ist. Aufgrund der
Entkopplung wäre es grundsätzlich möglich, die Entwicklung umzudrehen und
die Lebensqualität unabhängig vom Wirtschaftswachstum steigen zu lassen.78
Wiederum zeigt sich, dass der Wohlstandsindikator BIP den wirklichen gesellschaftlichen Wohlstand nur unzureichend abbildet. Der ISEW ist als Fortschritt
für eine adäquate Wohlstandsmessung gegenüber der Sozialproduktrechnung zu
sehen.79 Kritisch am ISEW sind die Probleme bei der Datenerhebung sowie die
Monetarisierung von Umweltschäden. Die Vergleichbarkeit mit anderen Ländern
wird durch Mangel an bestimmten Daten eingeschränkt.80
Ein sehr wichtiger Aspekt für die Entwicklung sämtlicher Wohlstandsindikatoren
ist die grundlegende Werthaltung. Beim BIP geht der Konsum grundsätzlich
positiv in die Sozialproduktrechnung ein. Es wird nicht differenziert nach
Konsumarten, die negative externe Effekte für die Gesellschaft verursachen. Beim
ISEW vermindern einige Konsumarten den Wohlfahrtsindex. Es ist deutlich, dass
hier eine direkte Wertung geschieht. Weniger auffallend ist die Werthaltung bei
der Sozialproduktrechnung, die aber dennoch vorliegt. Einige Aspekte gehen
nicht in die Rechnung ein, d.h. ihr Gewicht ist Null – dies ist ebenfalls eine
eindeutige Werthaltung.
Als Reaktion auf die Kritik von ökologischer Seite an der Sozialproduktrechnung
wurde die umweltökonomische Gesamtrechnung (UGR) entwickelt. Die UGR
wurde aus dem System for Integrated Environmental and Economic Accounting
(SEEA) der Vereinten Nationen abgeleitet und für deutsche Verhältnisse
angepasst. Dieses statistische Satellitensystem ist keine reine Umweltstatistik,
sondern weist eine Nähe zur Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung auf. Die
Interdependenzen zwischen Wirtschaft und Umwelt werden statistisch dargestellt,
wobei sich allerdings das grundlegende Problem der Bewertung und
Monetarisierung von Umweltveränderungen ergibt.81
77
Vgl. Costanza, R. et al. (2001), S.155f.
Vgl. Spangenberg, J.H. (1996), S.211.
79
Vgl. Costanza, R. et al. (2001), S.159.
80
Vgl. Günther, E. et al. (2000), S.56.
81
Vgl. Beirat Umweltökonomische Gesamtrechnungen beim BMU (2002), S.29ff.
78
23
4. Ansätze zur Messung von Wohlstand und Nachhaltigkeit
4.3 Weitere Ansätze zur Messung von nachhaltiger Entwicklung
Im Folgenden werden verschiedene Ansätze zur Messung nachhaltiger
Entwicklung vorgestellt. Dazu gehören der auf Indikatoren basierende PressureState-Response Ansatz der OECD, der Ansatz des Bundesamtes für Bauwesen
und Raumordnung sowie die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung.
4.3.1 Der Pressure State Response Ansatz
Der Pressure-State-Response Ansatz, welcher Abbildung 3 veranschaulicht , ist
ein spezielles Umweltindikatorensystem, das 1994 von der OECD für ihre
Mitgliedstaaten entwickelt wurde. Ziel war es ein Indikatorensystem für den
Bereich Umwelt zu entwerfen, das internationalen Gebrauch finden kann. Der
Pressure-State-Response Ansatz wurde erarbeitet um Einflüsse auf die Umwelt
und die darauffolgenden Reaktionen von Wirtschaft und Politik zu beobachten,
d.h. es wurde der Versuch unternommen die ökologische mit der ökonomischen
Dimension zu verbinden.82
Dem Ansatz liegt eine kausale Handlungskette zugrunde, die wie folgt aufgebaut
ist: Die Pressure-Indikatoren beschreiben den Druck der Gesellschaft, welcher auf
die Umwelt einwirkt, z.B. durch Verkehr oder Schadstoffe. State-Indikatoren
veranschaulichen den Zustand der Umwelt, der sich v.a. durch die Einflüsse des
Menschen entweder direkt oder indirekt verändert woraufhin die Gesellschaft, die
Politik und die Wirtschaft durch Umweltschutzmaßnahmen Reaktionen zeigen,
die durch die Response-Indikatoren operationalisiert werden. Der Pressure-StateResponse Ansatz wurde erarbeitet um Einflüsse auf die Umwelt und die darauffolgenden Reaktionen zu beobachten und kann nicht ohne weiteres auf die
ökonomische und die soziale/humane Dimension nachhaltiger Entwicklung
übertragen werden83
Dieses Modell ist sehr eng gefasst. Dies zeigt sich darin, dass es nur eine
Wirkungsrichtung beschreibt, nämlich die der Gesellschaft auf die Umwelt. Es
sagt aber nichts über die Rückwirkungen oder Konsequenzen aus, die diese
Einflüsse auf die Gesellschaft haben.84 Diese Tatsache und die unzureichende
Berücksichtigung der ökonomischen und der sozialen/humanen Dimension
erklären den Entschluss, im Folgenden nicht den OECD Ansatz zu verfolgen,
sondern das Vier-Kapital-Modell als Grundlage für diesen Forschungsbericht zu
wählen
82
Vgl. Birkmann, J. et al. (1999).
Vgl. Ecolog-Institut, vom 23.01.2004.
84
Vgl. Haberl, H. et al. (2001), S.9.
83
24
4. Ansätze zur Messung von Wohlstand und Nachhaltigkeit
Abbildung 3: Pressure-State-Response Modell
Quelle: Birkmann, J. et al. (1999), S.24.
4.3.2. Der Ansatz des BBR
Das Modell des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) ist ein
indikatorgestütztes Nachhaltigkeitskonzept.
Der BBR-Ansatz verfolgt im Wesentlichen zwei Ziele:
1. die Systematisierung und Konkretisierung der Ziele nachhaltiger Entwicklung
auf der Basis von Raumordnung und Raumentwicklung
2. eine flächendeckende und regelmäßige Berichterstattung aus der Sicht des
Bundes, wobei die Indikatoren auf der regionalen Ebene dargestellt werden.85
Der Indikatorenkatalog und die abgeleiteten Ziele stützen sich v.a. auf die
Ergebnisse der Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992
und die Agenda 21, welche bis zum jetzigen Zeitpunkt sowohl national als auch
international große Anerkennung finden. Die vier Leitziele der Rio-Konferenz
lassen sich wie folgt zusammenfassen:86
1. Gesundes und produktives Leben für die Menschen
2. Intra- und intergenerative Gerechtigkeit
85
86
Vgl. Irmen, E. et al. (1999), S.451.
Vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, S.7.
25
4. Ansätze zur Messung von Wohlstand und Nachhaltigkeit
3. Verringerung der Ungleichheit der Lebensstandards und Beseitigung von
Armut und
4. Schutz, Erhalt und Wiederherstellung der Gesundheit und Unversehrtheit des
Ökosystems Erde.
Diese Leitziele sind von einer ausgesprochen globalen Sichtweise geprägt,
woraufhin die Nationalstaaten von der EU aufgefordert wurden ihre Ziele daran
auszurichten. Mit dem Ziel nachhaltiger Entwicklung wurde die effektive
Ausführung dieser Aufgabe explizit der nationalen Verantwortung übertragen.
Die Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ nahm sich
dieser als Erste an. Des Weiteren bildet das Raumordnungsgesetz in §1
(nachhaltige Entwicklung als primäres Leitziel) und §2 (Grundsätze der
Raumordnung) eine Basis zur Systematisierung und Konkretisierung der Ziele
nachhaltiger Entwicklung. Anhand der Grundlagen der Enquete-Kommission und
des Raumordnungsgesetzes lassen sich die Leitziele der Rio-Deklaration in vier
Zielen konkretisieren:
1. Solidarität in der Gesellschaft
2. Ökonomische Wettbewerbsfähigkeit und nachhaltiges Wirtschaften
3. Soziale und räumliche Gerechtigkeit
4. Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen.
Bereits auf dieser Ebene wird versucht über die Integration der drei
Nachhaltigkeitsebenen hinaus Ziele zu formulieren, die auf die soziale und
räumliche Entwicklung ausgerichtet sind. Die Ziele lassen sich im Sinne des BBR
soweit auf Unterziele und Teilziele herunterbrechen, dass es ab einer bestimmten
Stufe möglich ist sie anhand von Indikatoren zu messen.87
Auf die Vor- und Nachteile des Indikatorenkatalogs wird später in diesem Kapital
noch genauer eingegangen
Solidarität in der Gesellschaft
Dieses Ziel ist in die Unterziele Gewährleistung der Menschenwürde und der
freien Entfaltung der Persönlichkeit, Wahrung der Leistungen einer solidarischen
Gesellschaft, Förderung des individuellen solidarischen Beitrags für die
Gesellschaft und Förderung der internationalen Zusammenarbeit aufgegliedert.88
Die erste Zieldimension hat einen eher übergeordneten Charakter. Sie beinhaltet
die Vorstellung, dass solidarisches Handeln sowohl das Ziel einer nachhaltigen
Gesellschaft als auch oberste Maxime der Nachhaltigkeit ist. Allerdings ist sie aus
der räumlichen Perspektive nicht relevant und obwohl sie zwar marginal auf die
87
88
Vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, S.8f.
Vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, S.8.
26
4. Ansätze zur Messung von Wohlstand und Nachhaltigkeit
Indikatoren der anderen Zieldimensionen Einfluss nimmt, wurden explizit keine
Indikatoren ausgewählt.89
Ökonomische Wettbewerbsfähigkeit und nachhaltiges Wirtschaften
Auch diese Zieldimension ist in Unterziele gegliedert. Dazu gehören der Erhalt
und die Verbesserung der wirtschaftlichen Leistungskraft und Wettbewerbsfähigkeit, Erhalt und Schaffung einer vielfältigen Wirtschaftsstruktur, Erhalt und
Verbesserung des Humankapitals und die Verbesserung der Ressourcenproduktivität der Wirtschaft.90
Die zweite Zieldimension vereint, mit Schwerpunkt auf der ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit, ökonomische, ökologische und soziale Belange. Dies
verursacht besonders im Hinblick auf den räumlichen Aspekt Konflikte, die aber
bisher größtenteils zugunsten der ökonomischen Perspektive ausgetragen wurden.
Wichtig bei dieser Zieldimension ist die Implikation des intergenerativen
Anspruchs der Nachhaltigkeit.91
Soziale und räumliche Gerechtigkeit
Unter dieser Zieldimension lassen sich die Unterziele Befriedigung der
individuellen Bedürfnisse, Sicherung der sozialen Stabilität, Wahrung der Entwicklungschancen für die junge Generation und gleichberechtigter Zugang zu
Arbeit und gesellschaftlichem Leben subsumieren.92
Die soziale Gerechtigkeit beinhaltet das Ziel der ausgewogenen Verteilung
sozialer Komponenten des Lebens, was einerseits die Befriedigung der
Bedürfnisse privater Haushalte andererseits aber auch die soziale Stabilität in der
Gesellschaft impliziert. Die Ziele der räumlichen Gerechtigkeit beziehen sich auf
gleichwertige Lebensverhältnisse und ausgewogene räumliche Strukturen
(Raumordnungsgesetz). Auch in dieser Zieldimension ist der intergenerative
Charakter der Nachhaltigkeit sehr ausgeprägt.93
Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen
Die letzte Zieldimension beinhaltet die Unterziele Schutz der biologischen
Vielfalt, Verringerung der Nutzungsrate regenerativer Ressourcen zum Erhalt der
natürlichen Regenerationsfähigkeit, Verringerung der Verschmutzungsrate zum
Erhalt der natürlichen Absorptionsfähigkeit und Rückgang in der Nutzung nichtregenerativer Ressourcen.94
89
Vgl. Irmen, E. et al. (1999), S.451.
Vgl. Irmen, E. et al. (1999), S.452.
91
Vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, S.9.
92
Vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, S.8.
93
Vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, S.10.
94
Vgl. Irmen, E. et al. (1999), S.453.
90
27
4. Ansätze zur Messung von Wohlstand und Nachhaltigkeit
Diese Zieldimension hat zu einer breiten Diskussion geführt und lehnt sich stark
an die Grundsätze der Enquete-Kommission an. Sie hat durch die Verbindung mit
ökonomischen und sozialen Zielen einen stark integrativen Charakter (Schutz der
biologischen Vielfalt, Rückgang in der Nutzung nicht-regenerativer
Ressourcen).95 Die Abbildung 4 bietet einen Überblick über alle Zieldimensionen
und ihren Unterzielen.
Abbildung 4: Zieldimensionen des BBR-Ansatzes
Quelle: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2002), S.8.
Der Indikatorenkatalog des BBR bietet einige Vorteile, so z.B. sein integrativer
Ansatz. Des Weiteren beachtet der Indikatorenkatalog die Anforderungen, die an
Nachhaltigkeitsindikatoren gestellt werden, wie z.B. seine Aussagefähigkeit
(Wirkungsrichtung des Indikators, d.h. hat eine Veränderung des Indikators
positive oder negative Konsequenzen für die Nachhaltigkeit), Verständlichkeit,
Zuverlässigkeit, Messbarkeit etc. Ein weiterer Vorteil dieses Ansatzes ist die
räumliche Vergleichbarkeit, da die Indikatoren alle auf der gleichen regionalen
Ebene erfasst werden. Darüber hinaus sind sie auch auf höheren Ebenen wie Bund
oder Länder aussagefähig.96
95
96
Vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, S.11.
Vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, S.19.
28
4. Ansätze zur Messung von Wohlstand und Nachhaltigkeit
Allerdings bietet der Ansatz auch Nachteile, die im Rahmen dieser Arbeit
ausschlaggebend für die Bevorzugung des Vier-Kapitel-Modells statt des BBRAnsatzes waren. Dazu gehört u.a. die fehlende zeitliche Vergleichbarkeit durch
nicht vorhandene ausreichend lange Zeitreihen. Bei einigen Indikatoren muss
erstmalig eine Datengrundlage geschaffen werden. Außerdem ist der
Indikatorenkatalog nicht geeignet für niedrigere Ebenen wie Kreisen oder
Gemeinden. Eine entscheidende Schwachstelle des Konzeptes ist, dass es nahezu
70 Indikatoren beinhaltet. Dies führt zu einer gewissen Unübersichtlichkeit und
erschwert den Vergleich zwischen einzelnen Regionen deutlich. Darüber hinaus
ist es bei ca. der Hälfte der Indikatoren noch nicht möglich sie auf regionaler
Ebene zu erheben.97
4.3.3. Der Nachhaltigkeitsbericht der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat im April 2002 unter dem Titel „Perspektiven für
Deutschland“ eine Strategie für eine nachhaltige Entwicklung herausgegeben.
Darin wurden Ziele, Indikatoren und Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele
festgelegt. Bis zum Herbst 2004 will die Regierung einen Fortschrittsbericht
ausarbeiten, in dem sie zum Einen die erreichten Ziele offenbaren, aber auch die
Strategie weiterentwickeln will. Das Green Cabinet, ein Staatssekretärausschuss
für nachhaltige Entwicklung der Regierung, hat vier neue Ziele formuliert:
1. Potenziale älterer Menschen in Wirtschaft und Gesellschaft
2. Neue Energieversorgungsstruktur unter Einbeziehung der erneuerbaren
Energien
3. Alternative Kraftstoffe und Antriebstechnologien und
4. Verminderung der Flächeninanspruchnahme.98
Das erste Ziel bzw. Handlungsfeld wird v.a. vor dem Hintergrund des steigenden
Anteils älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung betrachtet. Dies impliziert
den intergenerativen Charakter der Nachhaltigkeit, nämlich Bedürfnisse heutiger
Generationen mit den Bedürfnissen zukünftiger Generationen zu verknüpfen. Auf
der einen Seite besteht heutzutage noch die Sichtweise, die auf die Problematik
der wachsenden Anzahl älterer Menschen im Hinblick auf die Sicherung des
Sozialsystems gerichtet ist. Andererseits gewinnt die positive Sicht dieses
Wandels im Hinblick auf gesellschaftliche Entwicklung, Wachstum etc.
zunehmend an Bedeutung. Dafür spricht auch das Verhalten und die wachsenden
Potenziale seitens der älteren Menschen, so z.B. verbesserte Finanz- und
Bildungsvoraussetzungen, umfangreiches Erfahrungswissen, größere Bandbreite
an Kompetenzen etc. Diese wachsenden positiven Potenziale bleiben jedoch
bisher zum größten Teil ungenutzt, was sich v.a. anhand der Anzahl der
97
98
Vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, S.19.
Vgl. Rat für nachhaltige Entwicklung (2004), S.2, vom 23.01.2004.
29
4. Ansätze zur Messung von Wohlstand und Nachhaltigkeit
Frühverrentungen zeigt. Dem will die Regierung durch bessere Integration älterer
Menschen entgegenarbeiten. Dafür müssen Rahmenbedingungen geschaffen
werden.99 Die Schwerpunkte liegen dabei auf der Arbeitswelt und der Bildung.
Bei dem Handlungsfeld Arbeitswelt geht es darum, Betriebe und Unternehmen
auf eine altersmäßig andere Zusammenstellung vorzubereiten. Dies betrifft z.B.
die Beschäftigungsvoraussetzungen- und Erwartungen, aber auch die Bedürfnisse.
Darüber hinaus soll der Frühverrentung entgegengewirkt werden, indem in den
Betrieben Lebensarbeitszeit erhöhende Voraussetzungen geschaffen werden. Die
Kriterien, welche die Regierung zur Erreichung dieser Ziele aufstellt, beinhalten,
dass die Arbeitsplätze, die Arbeitsorganisation und die Arbeitszeit an das
veränderte Leistungsvermögen angepasst (veränderte Arbeitsabläufe und
Aufgaben, spezielle Pausenregelungen...), frühzeitige Entwicklungsplanung
ermöglicht (frühzeitige Förderung der Altererwerbsarbeit), berufliche
Umorientierung erleichtert (alternative Perspektiven ermöglichen) und die
Lebensarbeitszeit neu organisiert werden (flexiblere Muster der Lebensarbeitszeit). Das Handlungsfeld Bildung zielt auf die bessere Ausbildung und
Qualifizierung älterer Menschen vor dem Hintergrund des wachsenden Anteils
älterer Beschäftigter und sinkender Studierender ab. Dies erfordert eine enge
Zusammenarbeit mit Unternehmen, die durch Umgestaltung der Arbeit die
Rahmenbedingungen für zusätzliche Ausbildung schaffen können. Diese Aufgabe
stellt auch für die Hochschulen eine Herausforderung dar. Die Bundesregierung
hat sich in diesem Handlungsfeld entschieden Zugänge zu Bildungsabschlüssen
zu vereinfachen (Verbesserung der Chancen für den Erwerb neuer Bildungsabschlüsse). Gemeinsames Lernen der Generationen wird gefördert, um die
Hochschulen für Weiterbildung zu gewinnen und darauf aufbauend die Studienangebote für ältere Menschen weiterzuentwickeln. Das dritte Handlungsfeld in
diesem Zusammenhang ist das Lernen in der Arbeit. Dies impliziert
Überschneidungen der Handlungsfelder Arbeitswelt und Bildung, d.h. die
Internalisierung von Wissen durch learning by doing. Die Kriterien für dieses
Handlungsfeld sind das lebenslange berufliche Lernen in der Arbeit zu fördern,
Bildungs- und Qualifizierungsangebote mit der Arbeitswelt zu verbinden (z.B.
berufsbegleitende Weiterbildung) und die Weiterbildung für Veränderungen zu
nutzen.100
Der Schwerpunkt im zweiten Handlungsfeld liegt auf der Energieversorgung.
Durch eine gleichzeitige Steigerung der Energieeffizienz, die in Deutschland in
den neunziger Jahren bei ca. zwei Prozent lag, und dem Ausbau erneuerbarer
Energien, die bis zum Jahre 2010 gegenüber 2000 verdoppelt werden sollen,
versucht die Bundesregierung bei angemessener Berücksichtigung von Kostenaspekten sowohl die Energiepolitik voranzutreiben als auch den Klimaschutz zu
99
Vgl. Rat für nachhaltige Entwicklung (2004), S.3-4, vom 23.01.2004.
Vgl. Rat für nachhaltige Entwicklung (2004), S.5-9, vom 23.01.2004.
100
30
4. Ansätze zur Messung von Wohlstand und Nachhaltigkeit
verbessern. Die dadurch geschaffenen neuen Arbeitsplätze und der
Innovationssprung schaffen einen guten Nährboden für eine effiziente nachhaltige
Entwicklung. Eine starke Umstrukturierung soll auch in der deutschen und
europäischen Energiewirtschaft stattfinden. Die Strategie erfordert eine
Integration der erneuerbaren Energien und einer umweltverträglichen und
wirtschaftlichen Umstrukturierung der Energiewirtschaft. Ziel ist die effiziente
Verbindung einer wettbewerbsfähigen Energiewirtschaft und einem effektiven
Klimaschutz.101
Das dritte Handlungsfeld beschäftigt sich mit alternativen Kraftstoffen und
Antriebstechnologien zur Verminderung der Treibhausgase und weiteren Senkung
des Brennstoffverbrauchs. Im Jahre 2015 wird das Verkehrswachstum im
Vergleich zu 1997 um bis zu 20% zunehmen. Gleichzeitig steigen die Transportleistungen im Güterverkehr und Straßengüterfernverkehr. Die Entwicklung
alternativer Kraftstoffe und verbesserter Antriebstechnologien stellt daher für die
nachhaltige Entwicklung eine Notwendigkeit und Herausforderung dar. Die
Bundesregierung arbeitet derzeit an einem Konzept für alternative Kraftstoffe und
Antriebstechnologien, das den Kriterien Klimarelevanz, Erhöhung der Energieversorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit bzw. Wettbewerbsfähigkeit und
Umweltverträglichkeit genügen muss.102 Anlehnend an diese Kriterien bzw. Ziele
müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die eine effiziente Lösung
sinnvoll erscheinen lassen. Zunächst will die Bundesregierung eine Bestandsaufnahme veranlassen, die einen allgemeinen Überblick über die bisherigen
Konzepte und Maßnahmen gibt. Daran anschließend sollte ein Strategiekonzept
entwickelt werden, das alternative Kraftstoffe und Antriebstechnologien beurteilt
und sich mit dem finanziellen Rahmen auseinandersetzt.103
Das letzte Handlungsfeld beinhaltet die Verminderung der Flächeninanspruchnahme. Dieses Handlungsfeld hat einen ausgesprochen integrativen Charakter, da
es sowohl die ökologischen, die ökonomischen und die sozialen Ansprüche einer
nachhaltigen Entwicklung vereint. Bis zum Jahre 2020 soll, unter Berücksichtigung der Zielsetzungen der nachhaltigen Entwicklung, eine Verminderung
der Flächeninanspruchnahme auf bis zu 30ha pro Tag erfolgen. Ziel ist eine
erhöhte Nutzung vorhandener Flächen und eine positive Entwicklung der
Beschäftigung in der Bauindustrie. Ein stufenweises Vorgehen zur Erreichung
dieser Ziele erscheint der Bundesregierung sinnvoll. Zunächst soll eine Überprüfung der laufenden Bundesressorts im Hinblick auf eine Verminderung der
Flächeninanspruchnahme stattfinden. Danach sollen Maßnahmen entwickelt
werden, welche die Flächeninanspruchnahme langfristig (nachhaltig) vermindern
können. Zu diesem Zweck strebt der Rat für nachhaltige Entwicklung einen
101
Vgl. Rat für nachhaltige Entwicklung (2004), S.9-10, vom 23.01.2004.
Vgl. Rat für nachhaltige Entwicklung (2004), S.11, vom 23.01.2004.
103
Vgl. Rat für nachhaltige Entwicklung (2004), S.12, vom 23.01.2004.
102
31
4. Ansätze zur Messung von Wohlstand und Nachhaltigkeit
Dialog mit Ländern und Kommunen an um gemeinsam Maßnahmen zu
entwickeln.104
Obwohl die beschriebenen Ansätze ihre Vor- und Nachteile bieten, haben wir uns
im Rahmen dieses Forschungsberichtes auf die Verwendung des Vier-KapitalModells zur Veranschaulichung nachhaltiger Entwicklung geeinigt, da uns die
Einteilung in vier Dimensionen, die alle relevanten Bereiche für nachhaltige
Entwicklung abdecken, sinnvoll und effizient erscheint. Das Vier-Kapital-Modell
ist demnach die theoretische Grundlage auf deren in dieser Arbeit Indikatoren
entwickelt wurden, welche ein möglichst genaues Abbild der Region hinsichtlich
einer nachhaltigen Entwicklung schaffen sollen.
Im folgenden Kapitel wird das Vier-Kapitel-Modell erläutert. Basierend auf
diesem Modell werden in Kapitel 6 die entwickelten Nachhaltigkeitsindikatoren
für alle vier Kapitale dargestellt.
104
Vgl. Rat für nachhaltige Entwicklung (2004), S.14, vom 23.01.2004.
32
5. Das Vier-Kapital-Modell – Nachhaltigkeitsmessung über Indikatoren
5. Das Vier-Kapital-Modell – Nachhaltigkeitsmessung über
Indikatoren
5.1 Das Vier-Kapital-Modell
5.1.1 Darstellung des Vier-Kapital-Modells und seine Operationalisierung
Im vorherigen Kapitel wurden verschiedene Ansätze zur Wohlstandsermittlung
und Operationalisierung von Nachhaltigkeit dargestellt. Neben dem klassischen
Bruttoinlandsprodukt und umfassenderen Konzepten wie dem HDI und ISEW
wurden Systeme von Nachhaltigkeitsindikatoren vorgestellt. Alle Konzepte
nehmen Bezug auf den Wohlstand (bzw. die Wohlfahrt) einer Gesellschaft und
messen diesen. In diesem Kapitel wird der Ansatz vorgestellt, auf dem diese
Arbeit theoretisch aufbaut: das Vier-Kapital-Modell. Es ist ein Modell der
Wohlstandsgenerierung,
anhand
dessen
sich
der
gesellschaftliche
Produktionsprozess durch die vier Kapitalarten (Real-, Natur-, Human- und
Sozialkapital) abbilden lässt. Jedes Kapital erzeugt einen flow, bspw. die
wirtschaftlichen Leistungen im Sachkapital. Ebenfalls das Humankapital trägt zur
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bei. Das Naturkapital wird dann als solches
anerkannt, wenn es zum menschlichen Wohlergehen beiträgt, also Energie,
Nahrung, Entlohnung etc. liefert (kein intrinsischer Wert) und Sozialkapital
gewährleistet den Zugang des einzelnen zu den anderen Kapitalarten.
In einem Kreislaufmodell (siehe Abbildung 5) fließen die vier Kapitale als Einsatzfaktoren in den Produktionsprozess ein und stellen die Grundlage für Güter
und Dienstleistungen dar, welche konsumiert oder investiert werden können. Ein
Anfangsbestand der Kapitale wird zum Funktionieren des Systems
vorausgesetzt.105 Paul Ekins erweiterte mit diesem Modell die klassische
Auffassung des Produktionsprozesses um ein weiteres Kapital, genauer gesagt
wird Arbeit in Human- und Sozialkapital aufgegliedert. Dabei wird auch deutlich,
dass in dem von Ekins entwickelten Modell, die verschiedenen Faktoren enger
zusammenwirken. Es kommt im Vergleich zum Ausgangsprozess nun zu einem
dichteren Wirtschaftskreislauf, indem kaum noch ein wirtschaftlicher Faktor nicht
von mindestens zwei bis drei anderen abhängig ist.
Konventionelle Produktionsfunktion:
Wohlstand = f (Arbeit, Kapital, Boden)
Produktionsfunktion nach dem Vier-Kapital-Modell:
Wohlstand = f (Sachkapital, Naturkapital, Humankapital, Sozialkapital)
105
Vgl. Ekins, P. (1992), S.149.
33
5. Das Vier-Kapital-Modell – Nachhaltigkeitsmessung über Indikatoren
Damit ist der Besonderheit dieses Modells aber noch nicht Rechnung getragen,
denn es werden weitere Aspekte der Kapitale (C) mit einbezogen. Das
Naturkapital (EC) übernimmt wichtige Funktionen als Bereitsteller von
Ressourcen und environmental services sowie als Senke aus anthropogenen
Aktivitäten. Durch die Betrachtung des Sozialkapitals (SOC) wird das Modell um
soziale Strukturen, Normen und Institutionen erweitert. Aus den vier Kapitalien
lassen sich nun die Ursachen für Wohlstand und Nutzen (U) ableiten. Nicht nur
der Konsum (CO) schafft Wohlstand, sondern auch die Qualität der Umwelt und
der Bildung sowie soziale Kontakte in der Gesellschaft.
Abbildung 5: The Creation of Wealth and Utility
Quelle: Ekins, P. (1992), S.149.
Im Vergleich zum konventionellen Produktionsprozess wird hier auch deutlich,
dass der Faktor Abfall (W) eine wichtige Rolle spielt, da er unter der Berücksichtigung einer nachhaltigen Entwicklung mit in den Wirtschaftsprozess
eingebunden wird.106 Nicht zuletzt, weil durch den Konsum und den
Produktionsprozess selbstverständlich Abfälle entstehen. Letztendlich werden
aufgrund des eigentlichen Produktionsprozesses und der erstellten Güter
Investitionen (I) möglich, die wiederum auf alle vier Kapitale verteilt werden.
Diese Verbindungen der einzelnen Kapitale (EC, HC, PC und SOC) über die
verschiedenen wirtschaftlichen Faktoren (CO, E, I, P, U und W) verweisen bereits
in der Theorie auf die Problematik, die in der Realität folgen wird. Es handelt sich
106
Vgl. Ekins, P. (1998), S.148f.
34
5. Das Vier-Kapital-Modell – Nachhaltigkeitsmessung über Indikatoren
dabei um positive und negative Wechselwirkungen sowohl innerhalb der
einzelnen Kapitale, als auch zwischen diesen.
Ein wichtiger Aspekt dieses Modells sind die Wechselwirkungen, die sich
zwischen den Kapitalen beobachten lassen, den konflikthaften (Trade-Offs) und
den harmonischen (Win-Wins) Beziehungen. Im Allgemeinen wird unter TradeOff der Verlust in einer Kapitalart als Konsequenz der positiven Entwicklung in
einer anderen Kapitalart verstanden, so z.B. die viel zitierte Abnahme im Naturkapital als Folge des Sachkapitalanstiegs (siehe Kapitel 5.1.3). Im Gegensatz dazu
wird unter einer Win-Win Situation die positive Entwicklung zweier oder
mehrerer Kapitale zur selben Zeit verstanden, z.B. hat eine positive Entwicklung
des Sozialkapitals zumeist auch eine positive Entwicklung des Humankapitals zur
Folge.107
5.1.2 Genauere Beleuchtung der vier Kapitalarten
Das Vier-Kapital-Modell beinhaltet die vier Kapitale bzw. Dimensionen
Ökologie, Ökonomie, Sozial- und Humankapital. In diesen Dimensionen werden
die zu entwickelnden Indikatoren so abgestimmt, dass ein einheitliches
Indikatorensystem entsteht, welches die Nachhaltigkeit bzw. den Bestand des
jeweiligen Kapitals in einer Region abbildet.
Die ökologische Dimension beinhaltet alle Bereiche, die eine nachhaltige Bewirtschaftung der Natur abbilden. Hier wird sowohl auf den Verbrauch von
erneuerbaren und nichterneuerbaren Ressourcen eingegangen als auch auf die
„Assimilationskapazitäten der Ökosysteme“ (bspw. Schutz der Ozonschicht,
Klimastabilität, biologische Vielfalt, etc.)108, damit diese auch von künftigen
Generationen genutzt werden können (siehe Kapitel 3.2). Dies veranschaulicht
besonders den Grundgedanken der inter- und intragenerativen Gerechtigkeit einer
nachhaltigen Entwicklung.109 In der ökonomischen Dimension werden solche
Werte erfasst, die von Menschen geleistet oder erstellt wurden. (bspw.
Finanzkapital, Infrastruktur, Produktionsanlagen, etc.). Von vielen Theoretikern
wird diese Dimension als eine über den anderen stehenden Dimensionen
angesehen. Erstrebenswerte Ziele und Indikatoren anhand derer sich nachhaltige
Entwicklung veranschaulichen lässt sind z.B. ein hoher Beschäftigungsgrad, ein
angemessenes und gerecht verteiltes Einkommen und Preisstabilität.
Die soziale und die humane Dimension werden häufig zusammen abgebildet, da
sie häufig sich überschneidende Themengebiete beinhalten, welche nicht exakt
voneinander abzutrennen sind. Die soziale Dimensionen bzw. das Sozialkapital
beinhaltet v.a. soziale Werte und Normen und wirkt auf verschiedenen
107
Vgl. Glimm-Lükewille, D. (2002), S.1.
Vgl. Held, M. et al. (2001), S.15.
109
Vgl. Held, M. et al. (2001), S.15.
108
35
5. Das Vier-Kapital-Modell – Nachhaltigkeitsmessung über Indikatoren
gesellschaftlichen Ebenen als „bonding-, bridging- oder linking social capital“110.
Es umfasst beispielsweise die Bereiche soziale Sicherheit und gerechte Verteilung
der Lebenschancen, wohingegen im Humankapital, über das Becker sagt:
„activities that influence future monetary and psychic income by increasing the
resources in people“111, im Wesentlichen davon ausgegangen wird, dass
Bildungsstand, Arbeitsvermögen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Qualifikationen
der Bevölkerung als nachhaltig angesehen werden.112
5.1.3 Welche Anwendungsmöglichkeit ergeben sich für das Vier-Kapital-Modell?
In dieser Forschungsarbeit wird das Vier-Kapital-Modell, welches sich, wie in
Kapitel 3.3 dargestellt, aus den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit ableitet, als
methodische Grundlage für eine nachhaltige Regionalentwicklung verwendet. Das
Modell lässt sich sehr gut mit statistischen Daten verbinden. Ein System von
Nachhaltigkeitsindikatoren kann abgeleitet werden, mit dem die Bestände der vier
Kapitalarten erfasst und angezeigt werden sollen. Ein Vergleich dieser
Bestandsdaten erlaubt eine Aussage, ob sich die Region im Sinne der
Nachhaltigkeit entwickelt hat. Eine Situation wird als nachhaltig beschrieben,
wenn der Kapitalbestand insgesamt über die Zeit konstant geblieben ist oder sich
verbessert/vergrößert hat (Vorsorgeprinzip- siehe Kapitel 3.3). Eine Abnahme der
Kapitalmenge kann unter Umständen, aber nur bis zu einem bestimmten
Minimalniveau (critical threshold), durch die Bestandszunahme eines anderen
Kapitals ausgeglichen werden. Ein integraler Aspekt der Nachhaltigkeit ist die
Gerechtigkeit zwischen heutigen und zukünftigen Generationen. Um spätere
Generationen nicht schlechter zu stellen, ist es Ziel einer nachhaltigen
Entwicklung den Kapitalbestand zu erhalten.
Im Humankapital ist Nachhaltigkeit als Bewertungskriterium und Anforderungsstrategie für die Förderung von Forschung -und Bildungsprogrammen zu sehen.
Deshalb spielte dies in den letzten 10 Jahren zunehmend eine Rolle in den
Forschungsbereichen der Akademien. Bildung und Ausbildung, ständiges Lernen,
geistige Produktivität, Innovationsmentalität und Know-How-Transfer sind ein
wichtiger Teil des gesellschaftlichen produktiven Potenzials und zu einer der
Hauptquellen des gesellschaftlichen Reichtums zu zählen. Deshalb sind diese
Bereiche forciert zu entwickeln.113 Heutzutage erhebt und sammelt die
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in
jenen Bereichen vergleichbare Statistiken (PISA oder curriculum-cased tests).
Der Aufbau von Sozialkapital sichert nachhaltige Strukturen und Prozesse. Hierzu
zählen vor allem die Zufriedenheit und Sicherheit der Bevölkerung.
110
Vgl. OECD (2001 a), S.42.
Vgl. Becker (1964 ), S.1.
112
Vgl. Gausgruber-Berner, R. et al. (1990), S.9ff.
113
Vgl. Banse, G. (2003); S.63ff.
111
36
5. Das Vier-Kapital-Modell – Nachhaltigkeitsmessung über Indikatoren
Die Messung des Naturkapitals präsentiert sich in folgenden Bereichen:
Naturressourcen-, Land-, und Ökosystem. Trotzdem ist es nicht einfach ein
Ökosystem zu messen, denn „In theory, the correct approach is to observe the
services that are provided by ecosystems to the economy and to estimate the value
that these services represent as contribution to production. In practice, even if we
can define what this service are, we cannot observe them directly, just as we
cannot observe the transportation service that an automobile provides us.”114
Dennoch können gewisse nachhaltige Tendenzen des Naturkapitals aus der
Realität abgeleitet werden. Im Prinzip bedeutet die Messung der natürlichen
Ressourcen in diesem Bereich eine Evaluierung der Ressourcenquantitäten
und/oder -qualitäten.
Schon am Anfang der modernen ökonomischen Theorie zeigte sich, dass die
Produktion von der Effektivität des Sachkapitals abhängt. Aufgrund dieser
Schlichtheit war eine Messung schon seit langer Zeit sehr unproblematisch. Nach
der Definition ist Kapital im intergenerativen Gesamtzusammenhang genau das,
was heute aufgrund von Effizienzerweiterung eingespart werden kann, damit sich
die Wirtschaft weiterentwickelt. Dieses Konzept der Zukunftsinvestition stimmt
in hervorragender Weise mit dem zeitlichen Aspekt der nachhaltigen Entwicklung
überein. Ökonomische Produktion wird zwar gewünscht, nicht aber weil die
Produktion an sich gut ist, sondern weil sie zum Wohlstand beiträgt.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass der Beitrag zur Nachhaltigkeit sich auf die
direkte Nutzung ökonomischen Aktivitäten und die indirekte Nutzung von
Ökosystemen bezieht.
Nachhaltigkeit ist und bleibt eine regulative Idee zum langfristigen Umgang mit
natürlichem Kapital sowie den anderen Kapitalen. Die Unterschiede zwischen
schwacher Nachhaltigkeit und starker Nachhaltigkeit beruhen insbesondere auf
unterschiedlichen Annahmen über die Substituierbarkeit zwischen Natur- und
Sachkapital, die Kompensation von Schäden und die Diskontierung zukünftiger
Ereignisse (siehe Kapitel 3.2).
Bevor im sechsten Kapitel die einzelnen Kapitale sowie die jeweiligen
Indikatoren beschrieben werden, werden im nächsten Abschnitt konzeptionelle
Grundlagen und Anforderungen für ein System von Nachhaltigkeitsindikatoren
gelegt.
114
Smith, R. et al. (2001), S.10, vom 11.12.2003.
37
5. Das Vier-Kapital-Modell – Nachhaltigkeitsmessung über Indikatoren
5.2 Konzeptionelle Grundlagen für eine indikatorengestützte
Operationalisierung nachhaltiger Entwicklung
Es müssen Indikatoren für eine nachhaltige Entwicklung entwickelt
werden, um eine solide Grundlage für Entscheidungen auf allen
Ebenen zu schaffen und zu einer selbstregulierenden Nachhaltigkeit
integrierter Umwelt- und Entwicklungssysteme beizutragen.
Agenda 21 (Kapitel 40.4)
Ziel dieser Arbeit ist die Beurteilung, ob sich die Region Saar-Lor-Lux im Sinne
der oben beschriebenen Nachhaltigkeit entwickelt. Dazu wurden Indikatoren zu
den vier Kapitalen formuliert, welche die Entwicklung in der Region seit dem
Jahr 1990 abbilden sollen. Ein indikatorgestütztes System zur Operationalisierung
und Bewertung von Nachhaltigkeit hat verschiedene Merkmale sowie
Anforderungen von Seiten der Wissenschaft und Praxis, die im Folgenden
dargestellt werden. Des Weiteren wird gefordert, die Werthaltung, die in
wissenschaftlicher Arbeit vertreten wird deutlich zu machen. Bevor auf das
System von Nachhaltigkeitsindikatoren dieser Arbeit eingegangen wird, wird die
mögliche Aggregation von Indikatoren vorgestellt, für diese Arbeit aber
abgelehnt. Dieses Kapitel stellt die Grundlagen für die Kapitel 6 und 7 und kann
somit als Bindeglied zwischen Theorie und empirischen Ergebnissen gesehen
werden.
5.2.1 Operationalisierung nachhaltiger Entwicklung über Indikatoren
Viele theoretische und abstrakte Konzepte sind nicht direkt beobachtbar oder
messbar. Trotzdem sollen diese Konzepte empirisch untersucht und überprüft
werden. In dieser Arbeit sollen Aussagen über die regionale Entwicklung im
Sinne der Nachhaltigkeit getroffen werden. Wie aber lässt sich Nachhaltigkeit
beobachten und messen? Die Zuordnung von beobachtbaren Sachverhalten zu
dem theoretischen Konzept oder Begriff wird als Operationalisierung bezeichnet.
Das heißt, es muss Messanweisungen geben, die sich auf direkt beobachtbare
Sachverhalte beziehen. Diese beobachtbaren Sachverhalte stellen (manifeste)
Variablen oder Indikatoren dar.115 Indikatoren sind somit Hilfsgrößen und eine
Vereinfachung für die Messung eines komplexen Sachverhalts. Szerenyi
beschreibt Indikatoren ferner als Variablen, „die über den reinen Zahlenwert
hinaus eine eigene Bedeutung“116 besitzen, welche abhängig von der
Interpretation des Indikators ist. Indikatoren dienen zum einen der Beschreibung,
der Prognose und dem Vergleich und zum anderen dienen sie der Bewertung,
Zielformulierung und Erfolgskontrolle.117 Das eigentliche Interesse gilt aber nicht
115
Vgl. Schnell, R. et al. (1999), S.125.
Szerenyi, T. (1999), S.30.
117
Vgl. Szerenyi, T. (1999), S.33.
116
38
5. Das Vier-Kapital-Modell – Nachhaltigkeitsmessung über Indikatoren
primär dem Indikator, sondern dem Indikandum (zu beobachtender Sachverhalt)
und dessen Veränderung im Zeitablauf.118
Durch die intergenerative Gerechtigkeit erhält der Nachhaltigkeitsgedanke eine
dynamische Komponente. Im Laufe der Zeit müssen die Prioritäten und Ziele der
Gesellschaft und Politik fortwährend begutachtet und an die Bedürfnisse der
Menschen angepasst werden. Deswegen „wird eine Operationalisierung der
Nachhaltigkeit durch Indikatoren gefordert“119. Ein System von Nachhaltigkeitsindikatoren ist keine reine Auflistung oder Zusammenstellung von
Wirtschafts-, Sozial- und Umweltindikatoren. Die Herausforderung liegt in der
Entwicklung spezieller Indikatoren, die eine adäquate Aussage über die drei
Dimensionen (Ökologie, Ökonomie und Soziales) der nachhaltigen Entwicklung
machen können. Da es zwischen den Dimensionen zu Wechselwirkungen kommt,
müssen Konflikte zwischen den Indikatoren (Trade-Off-Situationen) und
Harmonien zwischen den Indikatoren (Win-Win-Situationen) abgebildet werden.
Die Nachhaltigkeitsindikatoren beschreiben zentrale Problemfelder und sollen
eine Antwort geben, ob sich eine Region dem Ziel der nachhaltigen Entwicklung
nähert oder eher entfernt. Zudem haben sie die Aufgabe, die Politikmaßnahmen
eines Landes oder einer Region zur Erreichung von Nachhaltigkeit zu bewerten
sowie bei deren Auswahl zu unterstützen. Die Indikatoren identifizieren prioritäre
Problemfelder und Defizite in der Entwicklung. Für eine einfache Anwendung des
Indikatorsystems muss eine Auswahl an Indikatoren getroffen werden, damit das
System an das jeweilige Ziel angepasst werden kann. Mit Hilfe eines guten
Indikatorsystems lassen sich eine Ist- sowie eine Soll-Analyse erstellen und eine
Trendprognose abgeben. Am Ende steht die Erfolgskontrolle, die Informationen
für eine Anpassung des Indikatorsystems und der Politikmaßnahmen liefert.
Damit Nachhaltigkeit kein Konzept der Wissenschaft und der Politik bleibt, üben
Nachhaltigkeitsindikatoren eine Kommunikationsfunktion aus. Die Gesellschaft
wird informiert und gleichzeitig angehalten, an dem Prozess der Indikatorenentwicklung teilzunehmen. Die Adressaten sind verschiedene gesellschaftliche
Gruppen (Wissenschaftler, Entscheidungsträger, Öffentlichkeit etc.), die unterschiedliche Ansprüche an die Informationen haben (zum zielgruppenspezifischen
Aggregationsniveau siehe unten).120
5.2.2 Anforderungen und Merkmale von Nachhaltigkeitsindikatoren
Damit Nachhaltigkeitsindikatoren die beschriebenen Aufgaben erfüllen können,
werden von wissenschaftlicher und politischer Seite verschiedene Anforderungen
gestellt. Die gewählten Indikatoren sollen die Zusammenhänge zwischen und
innerhalb der Dimensionen der Nachhaltigkeit repräsentativ und treffsicher
118
119
Vgl. Birkmann, J. et al. (1999), S.17.
Szerenyi, T. (1999), S.29.
39
5. Das Vier-Kapital-Modell – Nachhaltigkeitsmessung über Indikatoren
abbilden. Die Relevanz (Wichtigkeit) und Validität (Zuverlässigkeit) der
Indikatoren sind von entscheidender Bedeutung. „Die Relevanz von Indikatoren
betrifft was untersucht bzw. kommuniziert werden soll. Die Validität von
Indikatoren besagt wie etwas untersucht bzw. kommuniziert wird.“121 Die
Auswahl der Indikatoren soll transparent und nachvollziehbar für die Gesellschaft
erfolgen. Nur unter dieser Bedingung kann das Konzept der Nachhaltigkeit der
Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. An den Umgang mit Nachhaltigkeitsindikatoren werden funktionale Anforderungen gestellt. Indikatoren müssen
reliabel sein, d.h. ein Indikator, der eine bestimmte Situation oder Entwicklung
misst muss bei mehrmaliger Messung immer das gleiche Ergebnis liefern. Da eine
nachhaltige Entwicklung gemessen werden soll, müssen die entsprechenden
Indikatoren Veränderungen im Zeitablauf abbilden können sowie eine Frühwarnfunktion übernehmen. Die Indikatoren müssen in der Lage sein, die oben
beschriebenen Wechselwirkungen der Dimensionen abzubilden. Sie sollen
außerdem einen räumlichen sowie zeitlichen Vergleich zwischen und innerhalb
von Regionen erlauben. Die politischen Anforderungen sind Zielfähigkeit, die
Möglichkeit zur adressatengerechten Aggregation, Verständlichkeit sowie eine
gesellschaftliche Akzeptanz des Indikators. In Bezug auf die Datengrundlage
werden weitere Anforderungen gestellt. Es muss eine qualitativ hochwertige und
regelmäßig aktualisierte Datengrundlage geben. Andernfalls müssen Daten mit
vertretbarem Aufwand selber erhoben werden. Fehlen Daten oder besteht
Unsicherheit über deren Qualität können entsprechende Indikatoren trotzdem
vorgeschlagen und verwendet werden. Es ist jedoch notwendig, die
Einschränkungen und Problemfelder zu dokumentieren, um der Anforderung der
Nachvollziehbarkeit zu entsprechen.122 Es lässt sich abschließend zu den
Anforderungen sagen, dass der Offenlegung, Dokumentation und Transparenz
eine wichtige Stellung zukommt. Die Systeme von Nachhaltigkeitsindikatoren
werden regions- und zielspezifisch mit unterschiedlichen Auswahlkriterien sowie
Werturteilen entwickelt. Diese wie auch Methode und Modelle müssen offen
gelegt werden.
Weil das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung mehrdimensional ist und einen
intertemporalen bzw. langfristigen Ansatz verfolgt, haben die Indikatoren zur
Abbildung dieses Leitbildes einige besondere Merkmale. Da die drei
Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales integrativ berücksichtigt werden,
sind Nachhaltigkeitsindikatoren interdisziplinär. Aufgrund der Mehrdimensionalität, bildet ein Nachhaltigkeitsindikator mindestens zwei der drei
Dimensionen ab. Ein Nachhaltigkeitsindikator ist demnach sozial-ökologisch,
sozial-ökonomisch, ökologisch-ökonomisch oder sogar sozial-ökologisch120
Vgl. Szerenyi, T. (1999), S.29ff., sowie Kopfmüller, J. (2001), S.318f., sowie Günther, E. et al.
(2000), S.46ff.
121
Morosini, M. et al. (2002), S.21.
40
5. Das Vier-Kapital-Modell – Nachhaltigkeitsmessung über Indikatoren
ökonomisch.123 Eng verbunden mit der Mehrdimensionalität sind die
Wechselwirkungen, die sich zwischen den Dimensionen ergeben. Nachhaltigkeitsindikatoren müssen solche Wechselwirkungen identifizieren, die Politik muss
Entscheidungen für eine Abwägung treffen. Die Konflikt- und HarmonieSituationen zwischen den Indikatoren bedürfen einer ausführlichen Analyse. Bei
der Bewertung von Harmonie-Konstellationen treten keine Schwierigkeiten auf,
da es für beide Dimensionen bzw. Kapitale positive Entwicklungen gibt. Bei der
Beurteilung eines Konfliktes ist dies schon schwieriger, da entschieden werden
muss wie stark sich die Einflüsse gegenseitig aufheben und welcher dominiert.
Wegen des intergenerativen Ansatzes, ist der Zeitaspekt grundlegend für
Nachhaltigkeitsindikatoren. Daraus leiten sich drei Indikatorentypen ab: Der
Trendindikator, der Prognoseindikator sowie der Bedingungsindikator für
Szenarien. Der intragenerative Ansatz führt zu Distributionsindikatoren, welche
die Verteilung zwischen Bevölkerung sowie verschiedenen Regionen abbilden.
Solche Verteilungsindikatoren sind nach verschiedenen Merkmalen wie Alter
oder Geschlecht disaggregiert. Nachhaltigkeit ist ein Leitbild, das die
Partizipation aller Gesellschaftsgruppen vorsieht. Partizipation ist bei der
Indikatorentwicklung und -auswahl wichtig, weil die Werturteile, die in das
Indikatorsystem einfließen von der Gesellschaft abhängen. Da es in sämtlichen
gesellschaftlichen sowie ökologischen Prozessen Veränderungen gibt, muss das
System von Nachhaltigkeitsindikatoren über Evaluationen und Rückkopplungen
regelmäßig an neue Bedingungen, Bedürfnisse oder Werte angepasst werden.124
5.2.3 Nachhaltigkeitsindikatoren und Werturteile
Show me your indicator list,
and I will tell you what your ethics are!125
Wie bereits an verschiedenen Stellen betont, werden bei der Entwicklung von
Nachhaltigkeitsindikatoren Werturteile gefällt werden. Da Nachhaltigkeit ein
normatives Leitbild ist, sind ebenso die Nachhaltigkeitsindikatoren normativ. Das
bedeutet, sie sind so genannte Soll-Ist-Indikatoren, welche die Differenz zwischen
dem aktuellen Entwicklungszustand und dem wünschenswerten Referenzzustand
messen. Notwendig dazu ist eine konsensorientierte Indikatorwahl, die auf einem
partizipativen Prozess basiert. Zuvor muss dafür geklärt werden, „welche
Entwicklung in Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft als relevant für eine
nachhaltige Entwicklung anzusehen ist.“126 Neben den Werturteilen einer
Gesellschaft müssen ebenso die verdeckten Werturteile berücksichtigt werden, die
122
Vgl. Kopfmüller, J. (2001), S.320, sowie Günther, E. et al. (2000), S.49ff.
Vgl. Szerenyi, T. (1999), S.36.
124
Vgl. Szerenyi, T. (1999), S.36ff.
125
Bossel, H. (1996), S.193ff.
126
Kopfmüller, J. (2001), S.318.
123
41
5. Das Vier-Kapital-Modell – Nachhaltigkeitsmessung über Indikatoren
das Indikatorsystem von Seiten der Wissenschaft beeinflussen. Die Auswahl der
Methode, der Experten (falls welche befragt werden) sowie letztendlich der
Indikatoren bedeutet unvermeidlich die Hinzufügung eigener Wertung. Dies ist
unumgänglich und keinesfalls wissenschaftlich falsch. Notwendig ist eine
deutliche Offenlegung der Werthaltung, damit diese nicht in der Arbeit
unerkenntlich verankert ist.127
5.2.4 Möglichkeiten und Grenzen einer Aggregation von Indikatoren
Es gibt Indikatorsysteme mit über hundert Indikatoren (z.B. Indikatorsystem der
Commission on Sustainable Development) und Systeme, in denen die Indikatoren
zu einem Index verdichtet sind (z.B. ISEW). Der Aggregationsgrad hängt eng mit
der Kommunikationsfähigkeit sowie mit dem Informationsgehalt eines Indikatorsystems zusammen. Bei der Entwicklung der Indikatoren muss zielgruppenorientiert zwischen einem hohen und einem niedrigen Aggregationsniveau
abgewogen werden. Ersteres erfordert eine präzise mathematisch-statistische
Methode zur Verrechnung, die ggf. die Indikatoren unterschiedlich stark
gewichtet. Methode, Gewichte und Annahmen müssen dabei offen gelegt und
nachvollziehbar gemacht werden, d.h. die Werthaltung muss dargelegt werden.
Der Vorteil liegt in einer einfachen Kommunizierbarkeit und Beurteilung über die
Nachhaltigkeit einer Region. Nachteilig muss gesehen werden, dass der
Informationsgehalt sinkt und es keine perfekte und problemlose Methode zur
Aggregation gibt. Bei einem niedrigen Aggregationsniveau stehen die Indikatoren
ohne Verrechnung nebeneinander. Es ist schwieriger zu einer klaren Aussage über
die Nachhaltigkeit einer Region zu kommen, dafür ist der Informationsgehalt
hoch. Die Wahl des Aggregationsniveaus ist abhängig von der Zielgruppe. Die
Aggregation zu einem oder mehreren synthetischen Indikatoren bedeutet eine
Informationsverdichtung und macht die Gesamtaussage für die breite
Öffentlichkeit vermittelbar. Für Wissenschaftler ist dagegen die Verwendung von
Primärdaten ohne Verdichtung geeignet, weil die Daten mit statistischen
Methoden analysiert werden. Ein wichtiges Kriterium ist hier die Validität und
Begründetheit der Indikatoren. Das geeignete Aggregationsniveau für
Entscheidungsträger liegt dazwischen und bietet Daten, mit denen politische
Maßnahmen unterstützt werden können.128 Zu betonen ist, dass jede Aggregation
von Indikatoren einen wertenden Eingriff bedeutet, der entsprechend
dokumentiert werden muss. Das Gleiche gilt für eine unterschiedliche
Gewichtung der Indikatoren. Wenn die Meinung vertreten wird, dass ein
bestimmter Indikator wichtiger als ein anderer ist, kann man Ersterem mit einem
127
Vgl. Abaza, H. et al. (2002), S.26f.
Vgl. Szerenyi, T. (1999), S.34f., sowie Kopfmüller, J. (2001), S.319, sowie Günther, E. et al.
(2000), S.47f.
128
42
5. Das Vier-Kapital-Modell – Nachhaltigkeitsmessung über Indikatoren
höheren Gewicht versehen. Auch in diesem Fall müssen Annahmen und
Methoden der Gewichtung deutlich gemacht werden.
Wenn eine Aggregation von Indikatoren vorgenommen werden soll, muss zuvor
eine grundlegende Entscheidung über die Substituierbarkeit der Nachhaltigkeitsdimensionen bzw. der Kapitalarten getroffen werden. Die beiden Extreme der
Aggregation – Verwendung von Primärdaten oder Verdichtung zu einer Kennzahl
– entstammen einer unterschiedlichen Deutung des Leitbildes Nachhaltigkeit. In
der Auffassung einer starken Nachhaltigkeit gibt es keine Substitutionsmöglichkeiten zwischen den Dimensionen, sondern es besteht eine Komplementarität zwischen ihnen. Beim Konzept der schwachen Nachhaltigkeit besteht
dagegen ein substitutives Verhältnis, so kann z.B. Naturkapital durch Sachkapital
ersetzt werden. Bei der funktionalen Substituierbarkeit sind die Kapitalien
gegenseitig ersetzbar, allerdings nur in bestimmten Grenzen (siehe Kapitel 3.2.3).
5.2.5 Das System von Nachhaltigkeitsindikatoren dieser Arbeit
Nachdem allgemeine Merkmale und Anforderungen an Nachhaltigkeitsindikatoren dargestellt wurden, sollen im Folgenden die Besonderheiten des
Indikatorsystems dieser Arbeit erläutert werden. Es gibt kein allgemeingültiges
System von Nachhaltigkeitsindikatoren, das für alle Regionen Anwendung finden
kann. Die Regionen, Bedürfnisse und Werte der Gesellschaft sowie die
politischen und wissenschaftlichen Ziele können sich unterscheiden und ziehen
unterschiedliche Indikatorsysteme nach sich. Deswegen wurde in diesem Projekt
ein eigenes System basierend auf dem Vier-Kapital-Modell für die Region SaarLor-Lux entwickelt. Die eigene Entwicklung von Nachhaltigkeitsindikatoren soll
unabhängig von der Datenverfügbarkeit geschehen. Die Autoren haben in einem
ersten Schritt versucht, ideale Indikatoren zu entwickeln, die den Bestand an
Sach-, Natur-, Sozial- und Humankapital abbilden. Die Anzahl dieser
Idealindikatoren sollte zwischen fünf und zehn liegen und ihre Relevanz sollte
möglichst hoch sein. Erst in einem zweiten Schritt wurden die Idealindikatoren
auf Datenverfügbarkeit geprüft. Falls keine Daten erhältlich waren, wurden die
Indikatoren dahingehend verändert, dass sie aussagekräftig und relevant bleiben,
Daten aber vorhanden sind. Wichtig sind in diesem Zusammenhang die
Begründung, warum bestimmte Idealindikatoren ausgewählt wurden und die
Dokumentation des Prozesses, in dem die Idealindikatoren modifiziert wurden.
Neben Relevanz und Datenverfügbarkeit sind die wichtigsten Anforderungen an
die Nachhaltigkeitsindikatoren dieser Arbeit Validität, Nachvollziehbarkeit,
Abbildung der Wechselwirkungen sowie die Möglichkeit räumlicher und
zeitlicher Vergleiche. Die Auswahl der Indikatoren soll begründet und transparent
geschehen. Eine Aggregation der Indikatoren wird in dieser Arbeit aus
verschiedenen Gründen nicht vorgenommen. Die Verrechnung von Indikatoren ist
nur unter stringenten Annahmen über die Substituierbarkeit der Kapitalarten
43
5. Das Vier-Kapital-Modell – Nachhaltigkeitsmessung über Indikatoren
durchzuführen, darüber hinaus gibt es keine Methode zur Aggregation, die
vollkommen problemlos ist. In dieser Arbeit geht es vorrangig um die begründete
Auswahl und Entwicklung von Idealindikatoren und die Überprüfung der
Datenverfügbarkeit. Für diesen Zweck ist es nicht sinnvoll, die Indikatoren
miteinander zu verrechnen, denn die Aussagekraft eines jeden Indikators steht im
Mittelpunkt der Arbeit. Bereits oben wurde bemerkt, dass die Aggregation
abhängig von der Zielgruppe zu geschehen hat. Die Zielgruppen dieser Arbeit
sind zum einen die Wissenschaft, für die keine Aggregation vorgenommen
werden muss und zum anderen Entscheidungsträger aus Politik und Verwaltung,
für die die Methodik der Indikatorenbegründung im Vordergrund stehen soll.
Grundsätzlich wird hier eine Aggregation nicht abgelehnt. In zukünftigen
Projekten kann das entwickelte System von Nachhaltigkeitsindikatoren
modifiziert und zu synthetischen Indikatoren verdichtet werden. Darüber hinaus
kann eine Gewichtung von Indikatoren basierend auf Expertengesprächen
erarbeitet werden. In der zweiten Arbeitsphase des Projektes wurden Vorschläge
für eine Methode präsentiert.129
Die Anwendung von Indikatoren als Werkzeug führt noch nicht zu einer
nachhaltigen Entwicklung. Sie ermöglicht nur die Messung hinsichtlich dieser.130
Ein Indikatorensystem für sich bedeutet noch keine Entwicklung im Sinne der
Nachhaltigkeit. Es ist vielmehr ein Instrument, welches die Erreichung oder
Abweichung vom Leitbild messen kann. Spangenberg et al. wollen die Menschen
mit zwei Instrumenten versehen, zum einen einer Vision (Leitbild) als Kompass
und einem System von Nachhaltigkeitsindikatoren zur Messung.131 Die Akteure,
welche eine nachhaltige Entwicklung erreichen können sind die Adressaten von
Indikatorsystemen, also Entscheidungsträger und die Öffentlichkeit, wozu
natürlich auch Unternehmen gezählt werden. Im Folgenden werden die
Indikatoren für die vier Kapitalbereiche vorgestellt. Darauf wird eine Analyse der
Beziehungen innerhalb und zwischen den Kapitalbereichen durchgeführt.
129
Vgl. Meißner, M. et al. (2003)
Günter, E. et al. (2000), S.46.
131
Vgl. Spangenberg, J.H. et al. (1998), S.12.
130
44
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
6.1 Humankapital
Der Begriff des Humankapitals bezeichnet in seiner engen Begriffsfassung den
akkumulierten Wissens- und Bildungsstand eines Individuums oder einer Gruppe
von Individuen.132 Die entscheidende Besonderheit des Humankapitals besteht
darin, dass es sich um ein immaterielles, personengebundenes Kapital handelt.
Dies bedeutet, dass es im Gegensatz zu anderen Kapitalarten in den Trägern bzw.
Besitzern inkorporiert ist und damit nicht ohne weiteres gehandelt oder übertragen
werden kann.133
Zur Messung der Nachhaltigkeit der Humankapitalentwicklung werden drei
Bereiche herausgegriffen. Zum einen handelt es sich um die formelle schulische
Ausbildung bis hin zum tertiären Bildungsweg an Universitäten und Fachhochschulen. Um daneben auch die Humankapitalbildung bzw. -erhaltung im späteren
Verlauf des Lebens zu erfassen, wird zum anderen die Dimension der Weiterbildung untersucht. Zusätzlich wird infolge der ökonomischen Orientierung dieser
Arbeit als dritter Bereich Forschung und Entwicklung (F&E) betrachtet, da hier
unter Einsatz des Humankapitals die entscheidenden Weichen für die
Führungsposition einer Region im Hochtechnologiebereich gelegt werden, und
somit wieder der Bogen zum Wirtschaftsbereich geschlagen wird.
6.1.1 Bedeutung des Humankapitals für die nachhaltige Entwicklung
Aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive findet Humankapital zunehmend
Berücksichtigung im Zuge der Untersuchung nachhaltiger Entwicklung, da der
Beitrag menschlicher Fähigkeiten am Beginn des Übergangs zur Informationsgesellschaft stark an Bedeutung für Wachstum und Einkommen gewonnen hat.134
Während lange Zeit ein Großteil des wirtschaftlichen Produktivitätszuwachses
durch den gestiegenen Kapitaleinsatz erklärt werden konnte, erfordern die neuen
wissensbasierten Technologien keine hohen Sachinvestitionen mehr, sondern
Investitionen in einen immateriellen Humankapitalstock. Dabei ist weniger die
Quantität als vielmehr die Qualität dieses Humankapitals von Bedeutung, da neue
Wirtschaftszweige, wie die Informationstechnologie, die Verschiebung der
Arbeitsnachfrage hin zu Höherqualifizierten verstärken. Der Übergang zu eher
wissensbasierten Produktionsstrukturen kann also nur durch relativ mehr
Investitionen in Bildung und somit eine Verschiebung zwischen Human- und
Sachkapital erfolgen.135 Auch in der Großregion Saar-Lor-Lux stellen Bildung
132
Vgl. Pfeiffer, F. et al. (1999), S.30.
Vgl. Fraunhofer Institut Systemtechnik und Innovationsforschung (Hrsg.) (2003), S.3.
134
Vgl. Pfeiffer, F. et al. (1999), S.5.
135
Vgl. Bosch, G. (2000), S.10f. vom 26.12.2003.
133
45
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
und Qualifikation der Bevölkerung in besonderem Maße einen Schlüsselfaktor für
die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts und die internationale Wettbewerbsfähigkeit dar. Dennoch ist der direkte Einfluss dieser beiden Faktoren auf
Wachstum, Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit nur schwer zu erfassen oder
gar zu quantifizieren.136
Der Humankapitalstock als wichtiger Produktionsfaktor im Übergang zu einer
wissensbasierten Gesellschaft soll auch das Leitbild bei der Erarbeitung der
Indikatoren sein und die ökonomisch geprägte und damit gesamtgesellschaftliche
Perspektive bei der Indikatorenwahl begründen.
6.1.2 Operationalisierung von Humankapital
Betrachtet man das Humankapital von der Definition ausgehend als Kapitalstock
bestehend aus dem in Personen akkumulierten Wissen, ergibt sich als Idealindikator eine Messgröße, die genau diesen Bestand abbildet. Im Gegensatz zu
anderen stärker materiellen Kapitalarten stellt sich dabei zunächst weniger das
Problem der Datenverfügbarkeit, als vielmehr das der schwierigen Operationalisierbarkeit. Das Humankapital ist in seiner Abstraktheit und Komplexität nicht
mit Hilfe eines einzigen Indikators abbildbar. Selbst beim Versuch, den Humankapitalbestand auf verschiedene Dimensionen herunterzubrechen, finden sich
keine Teilbereiche, die ein umfassendes Bild dieses Kapitals liefern könnten.
Dennoch soll in den folgenden Abschnitten versucht werden, in Abstimmung mit
den methodischen Möglichkeiten und den vorhandenen Daten ein möglichst
optimales Indikatorenset abzuleiten, ohne dabei allerdings Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen.
Ausgehend vom Kern der Definition, nämlich dem Humankapital als dem
angehäuften Wissen, wird dieses auch in der folgenden Analyse zumeist in einem
engeren Sinne anhand der formellen Qualifikationen betrachtet. Dies ist zum
einen auf methodischer Seite bedingt durch die Verfügbarkeit entsprechender
Daten. Zum anderen lässt sich diese Entscheidung aus ökonomischer Sicht durch
die hauptsächliche Relevanz der Bildungsabschlüsse für die Leistungsfähigkeit,
sowohl des Einzelnen als auch der Volkswirtschaft begründen. Hier zeigt sich,
dass bei der Untersuchung von Humankapital im Bezug auf seinen Beitrag zu
einer nachhaltigen Entwicklung zwischen individuellen und gesamtgesellschaftlichen Effekten unterschieden werden muss, wobei eine starke
Interdependenz zwischen beiden Sichtweisen besteht. Stets bilden formelle
Qualifikationen die Grundlage für den Ausbau und die Erweiterung von
Fertigkeiten und Fähigkeiten bspw. durch Lernen am Arbeitsplatz oder Weiterbildung im Unternehmen137 und sind Voraussetzung dafür, dass das Humankapital
ökonomisch einsetzbar ist. Insbesondere aus wirtschaftlicher Sicht wird
136
137
Vgl. Fraunhofer Institut Systemtechnik und Innovationsforschung (Hrsg.) (2003), S.3.
Vgl. Fraunhofer Institut Systemtechnik und Innovationsforschung (Hrsg.) (2003), S.3f.
46
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Humankapital nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zum Zweck, d.h. zum
Zweck einer erhöhten Arbeitsproduktivität betrachtet. Aufgrund des entscheidenden Einflusses der Wirtschaft auf alle anderen Lebensbereiche wird Nachhaltigkeit in den folgenden Ausführungen verstärkt aus einem ökonomischen
Blickwinkel betrachtet.
6.1.2.1 Die Humankapitaltheorie von Becker
Becker betrachtet in seiner sog. Humankapital-Theorie die Kosten für die Humankapitalbildung analog den Investitionen in Sachkapital als Aufwendungen, deren
Erträge zum Teil erst in der Zukunft anfallen, insbesondere in Form einer
erhöhten Arbeitsproduktivität und eines entsprechend höheren Einkommens.138
Die Grundidee dieses Modells ist, dass individuelle Fähigkeiten durch zeitlich
vorgelagerten Aufwand in Form von Zeit und / oder Lernmitteln erweiter- und
entwickelbar sind. Basierend auf der neoklassischen Investitionstheorie, nach der
im Gleichgewicht die Kosten eines Investitionsprojekts dem Barwert der
erwarteten Erträge entsprechen, investiert jedes Individuum gemäß einer
individuellen Investitionsrechnung nur so lange in sein Humankapital, wie die
erwarteten Erträge die Kosten übersteigen.139
Der Theorie von Becker liegt das Menschenbild des homo oeconomicus zugrunde,
das für individuelle Entscheidungen bezüglich der Investitionen in Humankapital
nur bedingt tauglich ist, da nicht von einem vollkommen rationalen Entscheidungsverhalten ausgegangen werden kann. Dennoch kann dieses Modell
zumindest für die Weiterbildungsangebote in Unternehmen hilfreiche Erklärungsgrundlage sein, da hier aufgrund der Profitorientierung und des formalisierten
Entscheidungssystems durchaus von einem rationalen, kosten- und nutzenoptimierenden Verhalten ausgegangen werden kann. Aber auch für individuelle
Entscheidungen bzgl. der Investitionen in Humankapital ist es insbesondere im
Zusammenhang mit dem Sozialkapital zumindest insoweit von Bedeutung, als
Investitionen umso eher getätigt werden, je größer die soziale Sicherheit und je
sicherer damit die künftigen Erträge sind.
6.1.2.2 Input- vs. Outputorientierte Betrachtung
Aufgrund des abstrakten, immateriellen Charakters des Humankapitals gestaltet
sich eine direkte Messung schwierig. Es ist deshalb notwendig, auf Ersatzindikatoren zurückzugreifen, aus denen sich unter bestimmten Annahmen
ebenfalls Aussagen über die Höhe des Humankapitalstocks ableiten lassen. Eine
solche Messung kann sowohl auf der Input- als auch auf der Outputseite ansetzen.
Ersteres kann anhand der monetären und zeitlichen Aufwendungen für Aus- und
Weiterbildung und F&E erfolgen. Aus einer output- bzw. ertragsbasierten
138
139
Vgl. Fraunhofer Institut Systemtechnik und Innovationsforschung (Hrsg.) (2003), S.3.
Vgl. Pfeiffer, F. et al. (1999), S.21.
47
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Perspektive wird der Humankapitalbestand dagegen über eine Verdienstanalyse
bzw. eine Untersuchung der beruflichen Stellung erfasst werden. Dazu wird der
Wert des Bildungsvermögens dem Gegenwartswert der zukünftigen zusätzlichen
Arbeitseinkünfte gleichgesetzt, die im Vergleich zu einer weniger ausgebildeten
Referenzgruppe berechnet werden.
Unterstellt man einen funktionalen Zusammenhang zwischen beiden Betrachtungsweisen, erübrigt sich eine Unterscheidung, da unter dieser Annahme ein
höherer Bildungsabschluss gleichbedeutend mit einem höheren individuellen
Humankapitalstock und einem höheren Verdienst ist. Es handelt sich folglich um
komplementäre Konzepte, so dass der Input stellvertretend für den Humankapitalbestand und den Output und selbstverständlich auch umgekehrt betrachtet
werden kann.140 Ergänzend zu einer direkten Erfassung des Bestandes anhand der
Bildungsabschlüsse soll deshalb versucht werden, den Humankapitalstock
zusätzlich anhand des Input näher zu beschreiben. Gegen eine Betrachtung von
der Outputseite kommend spricht, dass sich die Großregion Saar-Lor-Lux über
vier Nationalstaaten mit jeweils unterschiedlichen Lohn- und Gehaltssystemen
erstreckt. Eine outputorientierte Betrachtung anhand der Gehälter wäre deshalb
zwischen den einzelnen Teilregionen nicht vergleichbar.
6.1.2.3 Bildung
In Abgrenzung zu dem oft weiter reichenden Verständnis des Begriffs „Bildung“
in der Alltagssprache soll im Folgenden mit dem Begriff „Bildungsvermögen“ nur
der Teil des Humankapitals bezeichnet werden, der auf die allgemeine Bildung
und die berufliche Ausbildung im Rahmen des formellen Bildungssystems
zurückgeht. Darin enthalten sind sowohl die schulische und evtl. universitäre
Grundausbildung als auch formelle Weiterbildung im Zusammenhang mit dem
Berufsleben.
Folgt man dem Rat für Nachhaltige Entwicklung, verfolgt Bildung drei wesentliche Ziele: Sie soll der Entwicklung der Persönlichkeit dienen, die Teilhabe an
der Gesellschaft fördern und die Wahrnehmung von Beschäftigungschancen
ermöglichen.141 Aspekte wie die Persönlichkeitsbildung werden bei der Operationalisierung von Humankapital normalerweise ausgeklammert. Dieser Schritt
lässt sich rechtfertigen, da für das sehr abstrakte Konstrukt der „Persönlichkeit“
bisher keine befriedigende Messmethode mit ausreichender Datenverfügbarkeit
existiert. Auch lässt sich keine eindeutige Aussage über den Beitrag der
Persönlichkeitsbildung zur nachhaltigen Entwicklung machen. Der zweite
Zielaspekt, die Teilhabe an der Gesellschaft, soll hier ebenfalls nicht
berücksichtigt werden, da er unter dem Oberbegriff der „Partizipation“ ein
Teilgebiet des Sozialkapitals darstellt. Die Wahrnehmung von Beschäftigungs140
141
Vgl. Pfeiffer, F. et al. (1999), S.27.
Vgl. Rat für Nachhaltige Entwicklung (Hrsg.), S.44.
48
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
chancen als dritte Zielsetzung ist der am häufigsten untersuchte Aspekt im
Zusammenhang mit einer nachhaltigen Bildung, der oft auch unter den synonym
verwendeten Begriffen „Employability“ oder „Beschäftigungsfähigkeit“ zu finden
ist. Da heute die Teilnahme am Arbeitsleben (von zumindest einem
Haushaltsmitglied) und der damit verbundene ökonomische Status Voraussetzung
sind für eine aktive und erfolgreiche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und
es sich damit in gewisser Weise um eine Vorsteuergröße der anderen beiden
Zielsetzungen handelt, wird auch in den folgenden Ausführungen der Fokus
verstärkt auf Bildung als „Eintrittskarte“ ins Erwerbsleben gerichtet.
In Bezug auf die Nachhaltigkeit eines Landes oder einer Region interessieren aber
auch die gesamtgesellschaftlichen Effekte der Bildung. In diesem Zusammenhang
ist Bildung als Produktionsfaktor im Wettbewerb mit anderen Wirtschaftsstandorten zunehmend von elementarer Bedeutung. Im internationalen Wettbewerb ist sie häufig sogar der einzige Faktor, der Regionen noch
unterscheidet.142 Der Bildung kommen damit aus standortpolitischer Sicht
ähnliche Aufgaben zu wie dem Humankapital im Allgemeinen. Bei der Standortwahl dürfte die Bildung allerdings von höherer Relevanz sein, da sie aufgrund
ihrer besseren statistischen Erfassbarkeit häufig stellvertretend für den Humankapitalbestand in die Investitionsentscheidungen mit einbezogen wird. Im
Gegensatz zu den anderen Kapitalien kann eine Beurteilung der Nachhaltigkeit
der Humankapitalentwicklung für den Bildungsbereich nicht isoliert erfolgen. Sie
gewinnt erst Aussagekraft im Vergleich mit anderen Regionen, die als Wirtschaftsstandorte in Konkurrenz zur Großregion Saar-Lor-Lux stehen.
6.1.2.3.1 Schul- und Hochschulbildung
Mit dem Begriff der Schul- und Hochschulbildung werden alle formellen
Bildungswege vom Primär- bis zum Tertiärbereich bezeichnet. Um im Rahmen
der Untersuchung die unterschiedlichen nationalen Bildungssysteme vergleichbar
zu machen, bietet es sich an, auf die von der UNESCO ausgearbeiteten ISCEDKlassifikation zurückzugreifen.
Die 1976 entwickelte International Standard Classification of Education – kurz
ISCED – macht Bildungsstatistiken verschiedener Länder vergleichbar. Sie wurde
1997 aufgrund verschiedener Unzulänglichkeiten überarbeitet. Der ISCED 1997Schlüssel für den Tertiärbereich unterscheidet seitdem auch zwischen
theoretischen (ISCED 5A bspw. Hochschul- und Fachhochschulausbildung) und
eher beruflichen bzw. unmittelbar berufsorientierten Ausbildungen wie Ausbildungen an Verwaltungsfachhochschulen, an Berufs- oder Fachakademien etc.
(ISCED 5B). Die Überarbeitung ist aus methodischer Sicht problematisch zu
bewerten, da Vergleiche zwischen altem und neuem Standard nur bedingt möglich
142
Vgl. Bosch, G, S.1.
49
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
sind. Dies spiegelt sich vor allem in der Darstellung von Zeitreihen wider.143 Die
im Rahmen der Forschungsarbeit verwendeten Daten basieren ohne Ausnahme
auf der ISCED 1997-Klassifikation.
Abbildung 6. ISCED- Klassifikation
ISCED 1976
ISCED 1997
Elementarbereich
Primarbereich oder erste Stufe der
Grundbildung
Vorschulbereich
0
0
Primarbereich
1
1
Sekundarbereich Stufe I
Sekundarbereich Stufe II
2
3
2
3
Sekundarbereich I (2A, 2B und 2C)
Sekundarbereich II (3A, 3B und 3C)
4
Nichttertiäre Bildung nach dem
Sekundarbereich (4A, 4B und 4C)
5
Erste Stufe des Tertiärbereichs (führt nicht
unmittelbar zu einer höheren
Forschungsqualifikation) (5A, 5B)
6
Zweite Stufe des Tertiärbereichs (führt zu
einer höheren Forschungsqualifikation)
Tertiärbereich, erste Stufe, führt nicht zu
einer Qualifikation, die einem ersten
Hochschulabschluss entspricht
5
Tertiärbereich, erste Stufe, führt zu einer
Qualifikation, die einem ersten
Hochschulabschluss oder einem
gleichwertigen Abschluss entspricht
6
Tertiärbereich, zweite Stufe, führt zu einer
Qualifikation, die auf einem ersten
Hochschulabschluss oder einem
gleichwertigen Abschluss aufbaut
7
Sonstige Bildungsgänge
9
Quelle: Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften
(2003).
Höchster erreichter Bildungsstand
Zur Messung des Bildungsstandes bietet sich der Indikator für die höchste
abgeschlossene Bildungsstufe an. Dieser misst das über die Schulpflicht
hinausgehende Bildungsniveau, d.h. den Anteil der Personen, die als höchstes
Bildungsniveau ein Level von ISCED 0-2 (Primarbereich und Sekundarbereich I),
ISCED 3-4 (Sekundarstufe II) oder ISCED 5-6 (Tertiärbereich) erreicht haben. Er
gibt folglich Auskunft über die Zahl der Personen, die im jeweiligen Jahr einen
entsprechenden Abschluss aufweisen können.
Es handelt sich damit um den einzigen Indikator, der eine direkte Bestandsaufnahme der formellen schulischen Qualifikationen ermöglicht.
Investitionen in Bildung sind sowohl für den Einzelnen als auch für die
Gesamtgesellschaft lohnenswert. Der über die Schulpflicht hinausgehende
Bildungsstand hat entscheidenden Einfluss auf das Qualifikationsniveau und die
damit verbundene Beschäftigungsfähigkeit und spiegelt sich aus Sicht des
Einzelnen insbesondere in einem höheren Einkommen und einem geringeren
Arbeitslosigkeitsrisiko wider. Zudem stellt er die wesentliche Basis für
143
Vgl. UNESCO (1997), vom 09.12.2003, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH
50
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
lebensbegleitendes Lernen, Anpassungsfähigkeit und Chancengleichheit dar. Eine
gute Qualifikation ermöglicht aber nicht nur dem Einzelnen die Teilnahme am
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben, sondern bildet auch die
Voraussetzung dafür, dass eine Gesellschaft die Herausforderungen der Zukunft
bewältigen kann. Die gesamtgesellschaftliche Bedeutung zeigt sich eindrucksvoll
in dem Zusammenhang zwischen Steigerungsraten beim Humankapital durch
Erhöhung des allgemeinen Bildungsniveaus und den Wachstumsraten einer
Volkswirtschaft.144
Im Primar- und Sekundarbereich I (ISCED 0-2) werden normalerweise die
Grundlagen entweder für den Eintritt ins Erwerbsleben oder häufiger für eine
weitere schulische Laufbahn gelegt. Der Abschluss des Sekundarbereiches II
(ISCED 3-4) ist insofern von besonderer Bedeutung, als er zu einem Hochschulstudium berechtigt und deshalb auch als Potenzialgröße für eine hoch qualifizierte
Ausbildung im Rahmen des tertiären Bildungsweges gesehen werden kann.145 Die
Absolventen, die von der Möglichkeit einer Hochschulausbildung Gebrauch
gemacht haben, werden im Rahmen des ISCED 5-6-Niveaus erfasst.
Seit 1999 werden jährlich zwischen 78 und 85 Prozent der Bevölkerung in den
Teilregionen zu ihrem höchsten erreichten Bildungsstand befragt. Da in den
verschiedenen Teilregionen jeweils ein unterschiedlich großer Anteil der
Gesamtbevölkerung befragt wurde, können die Ergebnisse nicht im Vergleich zur
Gesamtbevölkerung betrachtet werden, sondern müssen ins Verhältnis zu den
befragten Personen gesetzt werden. Ein Vergleich zwischen den Teilregionen ist
dann anhand der Anteile von Personen mit dem jeweiligen Abschluss an der
Gesamtstichprobe möglich. Unter der Voraussetzung, dass es sich um eine
repräsentative Auswahl handelt, stimmt die Struktur der Abschlüsse in der
Stichprobe mit der Verteilung in der Gesamtbevölkerung überein. Um anhand der
intertemporal unterschiedlichen Verteilung der Bildungsabschlüsse auch
Aussagen über die qualitative Entwicklung machen zu können, muss unterstellt
werden, dass die Qualität des einzelnen Abschlusses im Zeitverlauf gleich
geblieben ist.146 Unter dieser Annahme ist eine Verschiebung der Verteilung hin
zu einem höheren ISCED-Niveau gleichbedeutend mit einer Qualitätsverbesserung des Humankapitals und damit aus Sicht der Nachhaltigkeit positiv
zu bewerten.
Anzahl der Studierenden ISCED 5-6 (1997)
In einer hoch entwickelten Dienstleistungsgesellschaft hängt das Wirtschaftswachstum zunehmend von der Ressource Wissen und somit von einem steigenden
(ZEW) (2003), vom 27.01.2004.
144
Vgl. BMBF (Hrsg.) (2003), vom 26.12.2003.
145
Vgl. Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW) (2003), vom 27.01.2004,
Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) (2003).
146
Vgl. Ewerhart, G.
51
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Anteil hoch qualifizierter Fachkräfte ab. Ein hohes Bildungsniveau ist
insbesondere Voraussetzung für das Entstehen technologie- und wissensintensiver
Branchen. Die Aufgabe, diesen Bedarf zu decken, fällt in besonderem Maße den
Hochschulen zu. Der Indikator misst den Bestand an Studierenden in den
jeweiligen Teilregionen. Obwohl diese aufgrund der zahlreichen Studienabbrecher
nicht mit den Absolventen gleichgesetzt werden kann, wird bei einer Erhöhung
der Studierendenzahl von einem positiven Einfluss auf den Humankapitalbestand
ausgegangen, weil dadurch die Zahl der potenziellen Absolventen steigt. Der
Indikator lässt zudem indirekt auch qualitative Aussagen bzgl. des Humankapitals
zu, da mit steigendem Anteil höherwertiger Abschlüsse die Qualität des
Humankapitalstocks steigt. Dies darf allerdings nicht verwechselt werden mit der
Qualität der Lehre an sich. Um zu verhindern, dass die demographischen
Unterschiede die Aussagekraft des Indikators beeinträchtigen, empfiehlt es sich,
die Zahl der Studierenden auf die Größe der Bevölkerung in der typischen
Altersgruppe zu beziehen. Da die Bevölkerungszahlen jedoch nicht nach
Altersgruppen gegliedert vorliegen, muss auf die Gesamtbevölkerung als
gemeinsame Bezugsbasis ausgewichen werden.
Bildungsausgaben als Anteil am BIP
Mangels weiterer Bestandsindikatoren zur Messung der Höhe des durch
schulische Bildung angehäuften Humankapitals muss dieses zusätzlich
stellvertretend durch Stromgrößen approximiert werden. Einen geeigneten
Indikator stellen die Bildungsausgaben als Anteil am BIP dar. Dabei ist zu
beachten, dass Investitionsentscheidungen erst mit zeitlicher Verzögerung ihre
Wirkung zeigen, so dass Erfolge oder Misserfolge häufig erst nach Jahren
festgestellt werden können.147
Voraussetzung für die wirkungsvolle Gestaltung von Bildungssystemen ist die
ausreichende Verfügbarkeit finanzieller Ressourcen. Da das Bildungswesen aus
den Ressourcen der Gesellschaft, in welche es eingebettet ist, unterhalten werden
muss, lassen sich Bildungsinvestitionen einerseits in dem unterschiedlichen
Wohlstand begründen und spiegeln andererseits die unterschiedliche Bedeutung
wider, die der Bildung beigemessen wird.148 Wie in den meisten Industrieländern
wirken auch in der Großregion zum Teil gegenläufige Einflussfaktoren auf die
Mittelanforderungen im Bildungssystem. Zum einen erfordern die neuen
Herausforderungen, wie die Tendenz zur Höherqualifizierung, höhere
Bildungsausgaben, andererseits verringern die demographischen Verschiebungen
und die damit einhergehende Verringerung der Schülerzahl die Mittelanforderungen. Um sowohl unterschiedliche Wohlstandsniveaus als auch demo147
Vgl. Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW) (2003), vom 27.01.2004,
Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) (2003).
148
Vgl. Bundesamt für Statistik, Neuchâtel Schweiz (2003), vom 24.11.2003.
52
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
graphische Entwicklungen zu berücksichtigen, ist es sinnvoll, die
Bildungsausgaben pro Schüler / Studierenden im Verhältnis zum BIP pro Kopf
auszudrücken.
Weitere Aussagen über den Beitrag der Bildungsausgaben zur Abbildung der
Nachhaltigkeit des Humankapitalstocks lassen sich nur unter Zugrundelegung
besonderer Annahmen machen. Höhere Bildungsausgaben sind bspw. dann
nachhaltig, wenn man davon ausgeht, dass dadurch einer größeren Zahl von
Jugendlichen Zugang zu einer kostenlosen Ausbildung gewährt und damit die
Chancengleichheit innerhalb der Gesellschaft gefördert wird. Um die
Bildungsausgaben international vergleichen zu können, muss vorausgesetzt
werden, dass es keine nationalen Unterschiede hinsichtlich der Kosten für
Bildungsressourcen vergleichbarer Qualität gibt. Diese Annahme ist insbesondere
durch die Einbeziehung Luxemburgs problematisch, wo das Niveau der Lehrergehälter deutlich über dem der anderen Länder liegt, obwohl die Qualität der
Bildung nicht unbedingt besser ist.149 Die Höhe der Mittelaufwendungen für den
Bildungsbereich lässt also nur bedingt Aussagen über die Qualität der Bildung zu.
Weitere Verzerrungen könnten auch durch die unterschiedliche Größe der
Volkswirtschaften entstehen, wenn man davon ausgeht, dass auch im
Bildungssystem Kostendegressionseffekte zum Tragen kommen.150 Fraglich ist
zudem, ob die ausgebildeten Humanressourcen später auch in der Region als
Arbeitskräftepotenzial zur Verfügung stehen, in der die Kosten für ihre
Ausbildung angefallen sind. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die große Zahl
luxemburgischer Studenten an ausländischen Universitäten relevant. Es kann
lediglich angenommen werden, dass sich zumindest ein Teil der Humankapitalfluktuation durch gleich große Zu- und Abwanderungsströme gegenseitig
ausgleicht.
Schüler-Lehrer-Relation
Voraussetzung für einen nachhaltigen Lernerfolg ist eine möglichst individuelle
Betreuung der Schüler, die sich anhand des Schüler-Lehrer-Verhältnisses
darstellen lässt. Obwohl dieser Indikator keine direkte Aussage über die Qualität
des Unterrichts macht, ist die Größe der Klassen oder Lerngruppen zumindest
eine der Rahmenbedingungen, die die Unterrichtsqualität beeinflussen.151
Besonders im Primarbereich ist es wichtig, dass der Lehrer sich intensiv um die
einzelnen Schüler kümmern kann.
149
Vgl. Europäische Kommission - Generaldirektion Bildung und Kultur (Hrsg.) (2000), vom
27.01.2004.
150
Vgl. Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW) (2003), vom
27.01.2004,und Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) (2003).
151
Vgl. BMBF (Hrsg.) (2003), S.19.
53
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
6.1.2.3.2 Weiterbildung
„Weiterbildung umfasst die Gesamtheit der Lernprozesse, in denen Erwachsene
ihre Fähigkeiten entfalten, ihr Wissen erweitern und ihre fachlichen und
beruflichen Qualifikationen verbessern oder sie neu ausrichten, um ihren eigenen
Bedürfnissen und denjenigen ihres gesellschaftlichen Umfeldes zu entsprechen.
Die Begriffe Erwachsenenbildung und Weiterbildung werden heute in der
Bildungspraxis und in der Theorie synonym verwendet.“152
Im traditionellen Bildungsverständnis wurde bisher nur von drei Bildungsbereichen gesprochen. Es setzt sich aber immer mehr ein umfassender
Bildungsbegriff durch, der die Weiterbildung als vierten Bereich, den
Quartärbereich, einschließt. Der Begriff Quartärbereich bezeichnet aber nicht ein
höheres Bildungsniveau als das tertiäre, sondern vielmehr die Weiterbildung für
Erwachsene und umfasst auch außerschulische Inhaltsfelder, wie Lebens- und
Berufserfahrung, die in Verbindung mit einer Weiterbildung nutzbar gemacht
werden können.153
Lernen hört nach der Ausbildung nicht auf. Zum einen unterliegt Humankapital
ähnlich dem Sachkapital einer gewissen Abnutzung (z.B. durch Verlernen), die
durch Investitionen, d.h. Lernen, ausgeglichen werden kann. Es gibt keine
Gewähr dafür, dass eine einmal erlernte Tätigkeit ein Erwerbsleben ausfüllt.
Berufe und Tätigkeiten können obsolet werden, während gleichzeitig neue
Berufsbilder und Anforderungen infolge wirtschaftlichen Wettbewerbs und
Strukturwandels entstehen. Zudem gewinnt Weiterbildung insbesondere
angesichts der demographischen Verschiebungen zunehmend an Bedeutung. Der
Strukturwandel kann bei sinkender Zahl junger und zunehmender Zahl älterer
Erwerbstätiger sowie der exponentiellen Wissensvermehrung nicht allein durch
„natürliche“ Zu- und Abgänge (Berufseintritt und Verrentung) bewältigt werden.
Vielmehr müssen auch Erwerbstätige bereit sein, in Form formeller oder
informeller Weiterbildung weitere oder gegebenenfalls andere Qualifikationen zu
erwerben.154
Weiterbildung wird in diesem Sinne gleichgesetzt mit formellen betrieblichen
Qualifizierungsmaßnahmen. In ihrer ursprünglichen Definition umfasst sie aber
sowohl formelle als auch informelle Weiterbildungsmaßnahmen, die nicht
notwendigerweise mit dem ausgeübten Beruf in Verbindung stehen müssen. Es
kann sich demzufolge auch um freiwillige Weiterbildung aus Interesse an einem
bestimmten Thema oder um eine Umschulung in Folge von Arbeitslosigkeit
handeln. Die verfügbaren Daten sind allerdings häufig auf das Berufsleben und
hier insbesondere auf die Teilnahme an formeller Weiterbildung beschränkt. Die
Relevanz formeller betrieblicher Weiterbildung lässt sich dadurch begründen,
152
Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektion (2003), vom 10.12.2003.
Vgl. Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektion (2003), vom 10.12.2003.
154
Vgl. Pfeiffer, F. et al. (1999), S.119.
153
54
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
dass der Anteil der am Arbeitsplatz erworbenen Fähigkeiten (Learning on the job)
am gesamten erforderlichen Wissen der Arbeitstätigkeit tendenziell eher abnimmt.
Ursache dafür ist zum einen, dass die durch die Technisierung immer abstrakteren
Arbeitsprozesse mehr Hintergrundwissen erfordern. Zudem sind aufgrund der
Komplexität der Prozesse die Kosten infolge von Lernfehlern drastisch gestiegen.
Infolgedessen muss der innerbetriebliche Anlernvorgang zum Teil durch eine
formalisierte Berufsaus- und Weiterbildung abgelöst werden.155
Eine Operationalisierung der formellen betrieblichen Weiterbildung bereitet
dennoch methodische Probleme, da es national und international kaum
vergleichbare anerkannte Weiterbildungsabschlüsse gibt und somit eine Bestandsaufnahme des durch Weiterbildung akkumulierten Humankapitals nicht möglich
ist. Alternativ muss deshalb auch hier eine inputorientierte Betrachtung der
Investitionen in Weiterbildung herangezogen werden.
Kosten der Unternehmen für Weiterbildung
Betrachtet man die Gesamtkosten für Weiterbildung, stellt man fest, dass diese
neben den Betrieben auch vom Staat und den Individuen selbst finanziert werden.
Die Unternehmen mit ihrer betrieblichen Weiterbildung stellen dabei allerdings
den wichtigsten Träger dar, insbesondere, weil ihre Aktivitäten unter dem Aspekt
der technologischen Leistungsfähigkeit von besonderer Bedeutung sind. Die Höhe
der privatwirtschaftlichen Weiterbildungsinvestitionen ist im Normalfall nicht am
Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung, sondern an einer individuellen
Investitionsrechnung orientiert, so dass unter Umständen aus volkswirtschaftlicher
Sicht lohnenswerte Investitionen in Weiterbildung privatwirtschaftlich unterbleiben können.156 Wie bereits im Rahmen der Humankapitaltheorie Beckers
angedeutet, investieren Betriebe, ähnlich wie beim Sachkapital, genau so viel in
Weiterbildung, wie sie dafür an gesteigerter Arbeitsproduktivität erhalten, so dass
diese Kosten als Abbildung des Humankapitalwachstums in monetären Größen
gesehen werden können. Unterstellt man des Weiteren, dass betriebliche
Qualifikationsmaßnahmen der Anpassung des Humankapitals an veränderte
Anforderungen dienen, dann können die Weiterbildungskosten auch als Indikator
der Innovationsneigung, also der Bereitschaft, mit einem zunehmend
dynamischen Wettbewerbsumfeld Schritt zu halten, angesehen werden.
Teilnahmequoten an Weiterbildung
Zusätzlich zur Betrachtung der Weiterbildung aus Unternehmenssicht, sollte auch
die Frage einbezogen werden, inwiefern die Angestellten dieser Betriebe von den
Weiterbildungsangeboten Gebrauch machen. Dies lässt sich anhand der
Teilnahmequoten an Weiterbildung untersuchen. Unterstellt man, dass zumindest
155
156
Vgl. Bosch, G. (2000), S.17.
Vgl. Pfeiffer, F. et al. (1999), S.119.
55
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
ein Teil der betrieblichen Qualifizierungsmaßnahmen auf freiwilliger Basis
angeboten wird, spiegelt dieser Indikator die Motivation des Einzelnen wider, sein
Humankapital zu erweitern und anzupassen. Gesamtgesellschaftlich kann die
Teilnahmequote als Indikator für die Haltung einer Gesellschaft zum lebenslangen
Lernen betrachtet werden. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer
„lernenden Gesellschaft“. Ein Benchmark bzgl. der Teilnahmequoten an Weiterbildung wurde von der Europäischen Kommission herausgegeben. Darin wird als
Zielwert festgelegt, dass sich bis 2010 im EU-Durchschnitt mindestens 15% der
Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter (Altersgruppe 25 bis 64 Jahre) am
lebenslangen Lernen beteiligen.157
Auf eine Analyse der Nachhaltigkeit für die Großregion Saar-Lor-Lux im Bereich
Weiterbildung muss verzichtet werden, da weder über die statistischen
Landesämter, noch über die Großregion Saar-Lor-Lux oder Eurostat Daten zum
Thema Weiterbildung verfügbar waren.
6.1.2.3.3 Zukünftiger Forschungsbedarf für den Bereich Bildung
Eine Untersuchung der Bildung aus Sicht einer nachhaltigen Entwicklung
beschränkt sich meist aus methodischen Gründen auf eine bloße Betrachtung der
Bildungsinvestitionen in monetären Größen und eine Analyse der Verteilung der
unterschiedlichen Bildungsabschlüsse in der Bevölkerung. Damit finden aber
gleichzeitig viele Aspekte der Nachhaltigkeit aufgrund von Schwierigkeiten bei
der Operationalisierung und mangelnder Datenverfügbarkeit keine Berücksichtigung, obwohl sie mit Blick auf eine möglichst umfassende Abbildung der
Nachhaltigkeit des Humankapitals mit einbezogen werden müssten. Es handelt
sich damit um Themengebiete, in denen für die Zukunft noch erheblicher
Forschungsbedarf besteht.
Die gewählten Indikatoren erlauben zwar Aussagen über die generellen
Zugangschancen zu den verschiedenen Ausbildungswegen und die dafür
aufgewandten finanziellen Mittel, nicht aber über die Nachhaltigkeit der
Bildungsinhalte. Laut BMBF ist ein Bildungssystem dann zukunftsfähig und
damit nachhaltig, wenn es dazu beiträgt, individuelle Leistungen zu verbessern
und dem Einzelnen das Wissen und die Kompetenzen vermittelt, die zur
Partizipation und aktiven Gestaltung eines nachhaltigen, zukunftsfähigen Lebens
und Wirtschaftens befähigen.158 Der Einzelne muss lernen, was Nachhaltigkeit
bedeutet und welche Maßnahmen bzw. Verhaltensregeln für eine nachhaltige
Entwicklung erforderlich sind bzw. wie er aktiv durch sein Verhalten beitragen
kann.159 Neben den persönlichkeitsformenden Inhalten der Bildung sollte
Nachhaltigkeit also auch direkt Inhalt der Bildung sein. Bisher mangelt es
157
Vgl. Europäische Kommission (Hrsg.) (2003), vom 26.12.2003.
Vgl. BMBF (Hrsg.) (2003), S.14 vom 26.12.2003.
159
Vgl. BMU (Hrsg.), S.111, vom 26.12.2003.
158
56
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
allerdings an geeigneten Indikatoren zur Erfassung dieser sehr komplexen
„weichen“ Faktoren. Neben den Schwierigkeiten bei der Operationalisierung sind
diese Aspekte für einen solch großen räumlichen Rahmen auch
erhebungstechnisch nicht erfassbar.
6.1.2.4 Die wirtschaftliche Nutzbarkeit des Humankapitals
Humankapital umfasst in seiner weiter gefassten Definition auch Aspekte wie
Gesundheit und Alter des Individuums, die Voraussetzung dafür sind, dass das
angehäufte Humankapital im Wirtschaftsprozess auch einsetzbar ist. Wie wichtig
dieser Bereich für die Untersuchung der Nachhaltigkeit der Humankapitalentwicklung in einer Region ist, zeigen die Ergebnisse einer Untersuchung von
Ewerhart. In dem Versuch, den Humankapitalstock für die VGR erfassbar zu
machen, entwickelte er Messgrößen sowohl für den Bestand an als auch für die
Investitionen in Humankapital und kam zu dem Ergebnis, dass der Anteil der
Netto-Investitionen an den Brutto-Investitionen lediglich 5% betrage. Dies
bedeutet, dass nur ein Bruchteil der eigentlichen Investitionen den Humankapitalbestand effektiv erhöht, da infolge der demographischen Verschiebungen fast
genauso viel Humankapital ausscheidet wie in Form von jüngeren Kohorten
nachrückt.160 Während der Messansatz selbst für die Zwecke der Forschungsarbeit
nicht brauchbar ist, unterstreichen die Ergebnisse der Berechnungen die
Bedeutung der demographischen Struktur für die Bewertung des Humankapitalbestandes und sprechen damit für die Aufnahme eines entsprechenden Indikators
bei der Operationalisierung des Humankapitals.
Demographische Struktur der Erwerbspersonen
Während die Bildungsinvestitionen und -abschüsse auch die Qualität des
Humankapitals abbilden, misst die Zahl der Erwerbspersonen alleine die
Quantitäten, d.h. das für den Produktionsprozess verfügbare Mengengerüst an
Arbeitskräften. Sie setzen sich zusammen aus Erwerbstätigen und Erwerbslosen
und bilden so das Arbeitskräfteangebot einer Region ab. Da die Erwerbspersonen
eingegrenzt werden durch die gesetzliche Lebensarbeitszeit (15 bis 64 Jahre),
erlauben sie gleichzeitig Aussagen über den arbeitsmarktrelevanten Teil der
demographischen Struktur, also den Teil des Humankapitals, der aufgrund seines
Alters theoretisch wirtschaftlich „nutzbar“ ist. Vor dem Hintergrund
demographischer Verschiebungen in Richtung einer überalternden Bevölkerung
gewinnt zunehmend auch die gesamte Alterstruktur an Bedeutung. Um diese
darzustellen, wird die Zahl der Erwerbspersonen einerseits ins Verhältnis zu den
jüngeren, demnächst nachrückenden Kohorten gesetzt (0-14 Jahre); zum anderen
wird sie mit den älteren, bereits verrenteten Jahrgängen verglichen (65 Jahre und
älter). Da uns aber weder Datenmaterial zu den Bevölkerungszahlen nach Alters160
Vgl. Ewerhart, G., S.3ff.
57
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
gruppen vorliegt, noch die Gesamtzahl aller Erwerbspersonen zwischen 15 und
64, wird alternativ die Altersstruktur innerhalb der Erwerbspersonen gemessen.
Um diese abzubilden, wurden aus allen Erwerbspersonen zwei Zehn-JahresKohorten gewählt und ihre jeweilige Größe zueinander in Beziehung gesetzt. Es
handelt sich dabei zum einen um die Gruppe der 55- bis 64-jährigen Erwerbspersonen, also den Teil des Humankapitals, der voraussichtlich innerhalb der
nächsten zehn Jahre aus dem Arbeitsangebot ausscheiden wird. Setzt man sie ins
Verhältnis zur Kohorte der 25- bis 34-Jährigen, die junge, potenzielle
Arbeitskräfte beinhaltet, die dem Wirtschaftsprozess noch über mehrere
Jahrzehnte erhalten bleiben werden, lassen sich anhand des gebildeten Quotienten
Aussagen über die zukünftige Entwicklung des Humankapitalstocks machen. Die
25- bis 34-Jährigen haben gegenüber der Kohorte der 15- bis 24-Jährigen den
Vorteil, dass sie auch den größten Teil derer mit einschließen, die eine
weiterführende sekundäre oder tertiäre Bildung gewählt haben.
Die Zahl der Erwerbspersonen weist im Vergleich zu der der Erwerbstätigen den
Vorteil auf, dass sie auch die Arbeitslosen einschließt, die ein Arbeitskräfte- und
damit Humankapitalpotenzial darstellen, das theoretisch einsetzbar ist. Man
spricht in diesem Zusammenhang auch von einer „stillen Reserve“. Dabei ist zu
beachten, dass der Indikator lediglich das quantitative Arbeitsangebot misst, nicht
aber dessen Qualifizierung. Zudem bleibt unklar, welcher Teil der Erwerbspersonen effektiv am Erwerbsleben teilnimmt. Genauere Aussagen darüber sind
erst in Verbindung mit der Zahl der Erwerbstätigen und der Arbeitslosenquote
möglich.
6.1.2.5 Forschung und Entwicklung
Definiert man F&E nach international gebräuchlichen Definitionen als
„systematische, schöpferische Arbeit zur Erweiterung des vorhandenen
Wissens“161, so zeigt sich bereits in der Definition die enge Beziehung zum
Humankapital, obwohl der F&E-Bereich eigentlich dem Sachkapital zugeordnet
wird. F&E soll deshalb an dieser Stelle noch einmal aus der Sicht des
Humankapitals betrachtet werden, da ihm eine Art Brückenkopffunktion bei der
Verbindung von Humankapital und dem Wirtschaftsbereich zukommt. Zudem
nimmt F&E auch eine Schlüsselposition im Abhängigkeitsgefüge innerhalb des
Humankapitalbereichs ein, da starke Verflechtungen zwischen Forschung,
Innovation, Bildung und industrieller Wettbewerbsfähigkeit existieren. Durch
F&E werden neue Produkte und Verfahren entwickelt, indem technische
Verbesserungen herbeigeführt werden, entweder durch Qualitätsverbesserungen
oder dadurch, dass sie bei gleich bleibender Qualität Kostensenkungen
zulassen.162 Es handelt sich bei den F&E-Ergebnissen allerdings nur in ihrer
161
162
Grenzmann, C. (2003), S.6, vom 15.12.2003.
Vgl. Grenzmann, C. (2003), S.6, vom 15.12.2003.
58
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Entstehung um personengebundenes Wissen. Im weiteren Verlauf verliert das
Wissen seinen Personenbezug, indem es in Form von Plänen und Patenten
festgehalten und transferierbar gemacht wird. F&E spielt damit ebenso wie
Bildung eine zentrale Rolle beim Übergang zu einer wissensorientierten
Wirtschaft. Die Relevanz des Indikators für die Nachhaltigkeit einer Region ergibt
sich neben der Förderung des Wirtschaftswachstums auch aus dem Beitrag der
Wissenschaft zur Förderung des nachhaltigen Umgangs mit der Umwelt und zur
menschlichen Entwicklung. Dem F&E- Bereich fällt dabei die Aufgabe zu, in den
Bereichen
Klimaänderung,
Ressourcenverbrauch
(z.B.
Ökoeffizienz),
Bevölkerungstrends und Umweltverschlechterungen wichtige Informationen für
die Erarbeitung langfristiger Strategien für eine nachhaltige Entwicklung zu
liefern.163
Ein weiteres Mal stellt sich die Frage, wie dieser Humankapitalstock gemessen
und bewertet werden kann. Auch hier muss zwischen Bestands- und Stromgrößen
unterschieden werden. Unter Annahme eines funktionalen Zusammenhangs
zwischen dem Input in F&E-Maßnahmen (eingesetzte finanzielle und personelle
Ressourcen) und der Schaffung neuen Wissens würde eine Aufnahme des Humankapitalbestandes genügen, da sich aus ihm die Inputs anhand der Funktion
rückläufig ableiten ließen. Von einer solchen Beziehung kann aber im F&EBereich nicht ausgegangen werden, da der Zusammenhang zwischen Investitionen
und F&E-Leistungen sehr komplex ist und sich Investitionen im F&E-Bereich erst
mit zeitlicher Verzögerung auswirken. Ideal wäre deshalb eine Erhebung sowohl
der Input- als auch der Bestandsgrößen. Als möglicher Bestandsindikator kommt
die Zahl der Patente in Frage, die aber dem Sachkapital zuzurechnen sind.
Deshalb wird wiederum ersatzweise auf Input-Größen zurückgegriffen.
Tertiärabschlüsse in naturwissenschaftlichen und technologischen Fachrichtungen
Für die zukünftige wissenschaftlich-technologische Entwicklung werden
insbesondere Absolventen auf den Gebieten Mathematik, sowie Natur- und
Ingenieurswissenschaften benötigt. Dieser Indikator misst die Humanressourcen,
die vom Bildungssystem frei werden und dann für F&E genutzt werden können
und stellt somit ein Bindeglied zwischen dem Bildungs- und dem F&E-Bereich
dar. Da die Ausübung erlernter Tätigkeiten zunehmend in den Hintergrund tritt,
und Kreativität und die Generierung neuer Ideen sowie deren Umsetzung immer
wichtiger werden, sind hoch qualifizierte Fachkräfte erforderlich.164
Eine Fokussierung auf Absolventen technologischer und naturwissenschaftlicher
Fachrichtungen in Abgrenzung zu den Tertiärabschlüssen aller Fachrichtungen ist
zur Ermittlung des in F&E einsetzbaren Humanressourcenpotenzials zweckmäßig,
da sich die in F&E eingesetzten Humanressourcen in der Regel durch ein sehr
163
164
Vgl. Europäische Gemeinschaften (2001), S.152.
Vgl. Pfeiffer, F. et al. (1999), S.87.
59
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
spezifisches Einsatzfeld auszeichnen.165 Um Humankapital in diesem Sinne zu
optimieren, müsste die Wahl von mathematischen, naturwissenschaftlichen und
technischen Fachrichtungen gefördert werden und die Attraktivität entsprechender
Berufe gesteigert werden. Dies setzt voraus, dass bisher ein ungedeckter Bedarf an
F&E-Personal besteht. In Hinblick auf das Humanressourcenpotenzial einer
Region stellt sich allerdings die Frage, inwieweit die so ausgebildeten
Humanressourcen einer Region erhalten bleiben, da F&E-Tätigkeiten privater
Unternehmen oft an bestimmten Standorten konzentriert sind.
Daten zu Tertiärabschlüssen in naturwissenschaftlichen und technologischen
Fachrichtungen sind für die Großregion Saar-Lor-Lux nicht verfügbar. Alternativ
können auch die Studierenden naturwissenschaftlicher und technologischer Fachrichtungen herangezogen werden, wobei dieser Indikator keine Aussage über den
Anteil derer macht, die ihr Studium erfolgreich abschließen. Diese Daten sind nur
für das Saarland erhältlich, weshalb keine begründete Aussage für zur
Trendentwicklung in der Großregion getroffen werden kann.
F&E- Ausgaben pro Beschäftigtem im F&E- Bereich
Die Bedeutung von F&E wird in der volkswirtschaftlichen Betrachtung häufig an
den Aufwendungen für F&E, d.h. an den in einer Region für wissenschaftliche
und technologische Produktion eingesetzten Finanzressourcen, abgelesen. F&EAusgaben dienen der Aktivierung des Innovationspotenzials der Wirtschaft und
des Einzelnen und sind damit Investitionen in die Zukunft eines Unternehmens
und der Volkswirtschaft. Indem sie ins Verhältnis zu dem im F&E-Sektor
beschäftigtem Personal gesetzt werden, spiegeln sie die durchschnittliche
finanzielle Ausstattung jedes Mitarbeiters wider. Diese enthält neben dem Gehalt
und den Ausgaben für die jeweiligen technischen Arbeitsgeräte auch
Gebäudemieten etc., die nicht direkt dem Forschungsprozess zugute kommen.
Dennoch kann aufgrund der vergleichsweise hohen Gehälter und der meist extrem
teuren technischen Ausstattung von Forschungseinrichtungen davon ausgegangen
werden, dass ein großer Prozentsatz dieser Ausgaben direkt den Forschungsprozess unterstützt. Bei den Beschäftigten im F&E-Bereich handelt es sich um
hoch qualifizierte Absolventen eines tertiären Bildungsgangs. Der Indikator kann
deshalb auch als Messgröße für den Aufwand zur wirtschaftlichen Nutzbarmachung dieses Potenzials gesehen werden.
Zukünftiger Forschungsbedarf für den F&E-Bereich
F&E-Aufwendungen und -Personal sind Input-Faktoren, die keine Aussage über
den Erfolg als Ergebnis des Einsatzes von F&E machen. Wie nachhaltig diese
letztendlich sind, hängt davon ab, ob sie zu einer verbesserten F&E-Leistung und
165
Vgl. Fraunhofer Institut Systemtechnik und Innovationsforschung (Hrsg.) (2003), S.15, vom
26.12.2003.
60
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
damit zu einer höheren Arbeitsproduktivität in einer Region führen. Kritisch zu
sehen ist der Einfluss unterschiedlicher Gehaltsniveaus auf die Höhe der F&EAusgaben. Da laut Stiftsverband Statistik rund zwei Drittel der F&E Aufwendungen Personalkosten darstellen,166 hängt ihre Höhe stark von der der
national üblichen Gehälter ab.
Neue Technologien sind nur dann nachhaltig, wenn sie dem Menschen dienen und
dazu beitragen, die Lebensqualität zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen
zu schützen und die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Die Aussagekraft der Indikatoren würde daher durch zusätzliche Informationen über das
genauere Einsatzgebiet der finanziellen und personellen Ressourcen erhöht
werden. Dadurch könnten beispielsweise F&E- Ausgaben im Rüstungsbereich
herausgefiltert werden, die dem Ziel nachhaltiger Entwicklung entgegenstehen,
statt es zu fördern.
Wichtig für die Großregion Saar-Lor-Lux wird zukünftig insbesondere auch eine
bessere Koordination der einzelnen Forschungsaktivitäten über die Ländergrenzen
hinweg sein. Voraussetzung dafür ist der Auf- und Ausbau einer modernen
Infrastruktur, wie regionaler und globaler wissenschaftlicher und technologischer
Informationsnetze. Eine stärkere Verbindung zwischen Wissen, Innovation und
industriellem Erfolg erfordert zudem eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen
Hochschulen und Industrie und zwischen verschiedenen Unternehmen. Im
Rahmen von F&E muss es daher ein zentrales Anliegen sein, den Transfer von
Ergebnissen aus F&E-Vorhaben in die gesellschaftliche Praxis zu intensivieren
und systematische Wege für deren Transfer in die verschiedenen Bildungsbereiche bereitzustellen, um Vorsorge für die Bereitstellung entsprechend
qualifizierter Fachkräfte zu treffen.167
166
167
Vgl. Pfeiffer, F. et al. (1999), S.87.
Vgl. BMBF (Hrsg.) (2003), S.24, vom 26.12.2003.
61
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
6.1.3 Analyse der Daten
Höchster erreichter Bildungsstand
Bei der Interpretation der Daten ist zu beachten, dass jeweils der höchste erreichte
Abschluss erhoben wurde. Dies bedeutet, dass ein abnehmender Anteil der
Personen im Primär-, Sekundarbereich I positiv bewertet werden kann. Dagegen
spiegeln Aufwärtstrend im Sekundarbereich II und im Tertiärbereich eine
qualitative Erweiterung des Humankapitalstocks der Regionen wider und dienen
damit der Nachhaltigkeit.
Abbildung 7: Bevölkerungsanteil mit höchstem abgeschlossenem
Bildungsbereich ISCED 0-2 (1997) (Primar- und Sekundarbereich I)
60
50
40
30
20
1999
2000
2001
Rheinland-Pfalz
Saarland
Lothringen
Wallonien
2002
Luxemburg
Quelle: Statistisches Bundesamt-Eurostat Data Shop Berlin, Eurostat Datenbank New Cronos,
Stand: 05. Februar 2004. Bevölkerungszahlen für 2002 stammen von der Kooperation der
Statistikämter zur Verfügung gestellt auf der Seite www.grossregion.lu.
Obwohl ein Abschluss des Sekundarbereiches I prinzipiell den direkten Einstieg
ins Berufsleben ermöglicht, ist aus Sicht des Trends zur Höherqualifizierung und
damit aus der Perspektive der Nachhaltigkeit eine Verringerung des Anteils von
Personen mit einem höchsten Abschluss auf Sekundar I-Niveau wünschenswert.
Anhand der Abbildung ist ersichtlich, dass seit 1999 nur in Wallonien und
Lothringen der Anteil der Personen mit höchstens ISCED 0-2-Niveau leicht
gesunken ist, wobei die Ausgangssituation in den beiden Teilregionen mit 50 bzw.
55 Prozent am schlechtesten war. Das Saarland und Rheinland-Pfalz liegen weit
unter dieser Quote. Hier verlassen nur rund 30 Prozent der Schüler die Schule
nach der Sekundarstufe I. Dennoch verzeichnen die deutschen Teilregionen
ebenso wie Luxemburg seit 1999 einen leichten Anstieg.
62
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Abbildung 8: Bevölkerungsanteil mit höchstem abgeschlossenem
Bildungsbereich ISCED 3-4 (1997) (Sekundarbereich II)
60
50
40
30
20
1999
2000
2001
Rheinland-Pfalz
Saarland
Lothringen
Wallonien
2002
Luxemburg
Quelle: Statistisches Bundesamt-Eurostat Data Shop Berlin, Eurostat Datenbank New Cronos,
Stand: 05. Februar 2004. Bevölkerungszahlen für 2002 stammen von der Kooperation der
Statistikämter zur Verfügung gestellt auf der Seite www.grossregion.lu.
Bei den Abschlüssen im Sekundarbereich II liegen das Saarland und RheinlandPfalz dagegen mit rund 50 Prozent etwa 10 bis 20 Prozent über den anderen
Teilregionen. Dies deutet einerseits darauf hin, dass in Deutschland die
Bildungsabschlüsse im Vergleich zu den anderen Teilregionen hin zu einem
höheren Bildungsniveau verschoben sind. Andererseits bedeutet dies auch, dass
alle hier erfassten Personen mit Abitur nicht den Weg einer tertiären Bildung
eingeschlagen haben und somit ihre erworbene Hochschulzugangsberechtigung
nicht genutzt haben. Der Grund dafür liegt zum Teil in der Besonderheit der
dualen Ausbildung in Deutschland, die auch für Abiturienten immer attraktiver
wird und zunehmend das Abitur voraussetzt (z.B. Banklehre).
Bezüglich der Entwicklung im Zeitverlauf zeigt sich für alle Teilregionen ein
positives Bild, da der Anteil der Sekundar II-Abschlüsse kontinuierlich ansteigt.
Lediglich Luxemburg verbleibt ungefähr auf dem Niveau von 1999. Besonders
erfreulich ist die Entwicklung für Lothringen und Wallonien, da hier die
sinkenden Werte im Sekundarbereich I einhergehen mit wachsenden Anteilen im
Sekundarbereich II, was eine Qualitätsverbesserung des Humankapitalbestands
bedeutet.
Abbildung 9: Bevölkerungsanteil mit höchstem abgeschlossenem
Bildungsbereich ISCED 5-6 (1997) (Tertiärbereich)
63
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
20
15
10
1999
2000
2001
Rheinland-Pfalz
Saarland
Lothringen
Wallonien
2002
Luxemburg
Quelle: Statistisches Bundesamt-Eurostat Data Shop Berlin, Eurostat Datenbank New Cronos,
Stand: 05. Februar 2004. Bevölkerungszahlen für 2002 stammen von der Kooperation der
Statistikämter zur Verfügung gestellt auf der Seite www.grossregion.lu.
Der relativ niedrige Anteil von Personen mit Sekundarabschluss II in Wallonien
wird kompensiert durch die vergleichsweise hohe Quote von Personen mit einem
Hochschulabschluss. Dies deutet darauf hin, dass der Sekundarabschluss II in
Wallonien keinen eigenständigen Vorteil bringt, sondern nur als Mittel zum
Zweck einer Hochschulzugangsberechtigung gesehen wird. Positiv zu bewerten
ist in diesem Zusammenhang auch der Anstieg des Anteils von Personen mit
einem Tertiärabschluss in Wallonien. In den anderen Teilregionen liegen die
Anteile 5 bis 10 Prozent unter denen in Wallonien und zeigen eine stagnierende
bis leicht sinkende Tendenz
Beim Gesamturteil über der Nachhaltigkeit der Großregion im Bezug auf die
Struktur der Bildungsabschlüsse gleichen sich die gegensätzlichen Entwicklungen
so aus, dass weder von einer nachhaltigen, noch von einer unnachhaltigen
Entwicklung gesprochen werden kann. Unnachhaltig ist insbesondere der im
Saarland, Rheinland-Pfalz und Luxemburg zu beobachtende Anstieg der Personen
mit niedrigstem Bildungsabschluss und der außer in Wallonien stagnierende
Anteil von Personen mit Hochschulabschluss, der im Widerspruch steht zum
Trend zur Höherqualifizierung. Dagegen ist der steigende Prozentsatz von
Personen mit Hochschulzugangsberechtigung positiv zu bewerten, da dies
zukünftig auch zu steigender Beteiligung am Tertiärbereich führen wird, und da
die wachsenden Qualifikationsanforderungen der Arbeitgeber immer häufiger
zumindest einen Sekundarabschluss II (z.B. Abitur) erforderlich machen.
Nachhaltig einzuschätzen ist auch der momentan schon in Wallonien zu
beobachtende Anstieg der Personen mit Hochschulabschluss.
64
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Anteil der Studierenden
Im Gegensatz zum höchsten erreichten Bildungsstand, der unter anderem den
Anteil Personen betrachtet, die bereits über einen Hochschulabschluss verfügen,
macht dieser Indikator Aussagen über die Personen, die sich derzeit in einem
tertiären Ausbildungsgang befinden.
Abbildung 10: Anteil der Studierenden an der Gesamtbevölkerung
5
4
3
2
1
0
1998
1999
2000
Rheinland-Pfalz
Saarland
Lothringen
Wallonien
2001
Luxemburg
Quelle: Statistisches Bundesamt-Eurostat Data Shop Berlin, Eurostat Datenbank New Cronos,
Stand: 22. Dezember 2003.
Die relative Zahl der Studierenden bleibt über den Zeitraum von 1998 bis 2001 in
allen Teilregionen ungefähr konstant. Lediglich Wallonien verzeichnet einen
geringfügigen Anstieg, während die Studierendenzahl im Saarland leicht
zurückgeht. Im interregionalen Vergleich liegt Luxemburg weit hinter den
anderen Teilregionen zurück. Ursache dafür ist zum einen die Tatsache, dass das
Centre Universitaire derzeit nur für einige Fachbereiche das erste Studienjahr
anbietet. Eine Ausweitung um weitere zwei Semester ist geplant. 168 Aus diesem
Grund absolvieren momentan noch viele luxemburgische Studierende ihr Studium
an einer ausländischen Universität. Zudem bietet das Bankenwesen für junge
Menschen auch ohne Studium einen gut bezahlten Arbeitsplatz. Ebenso lässt sich
für die beiden deutschen Teilregionen, die im Vergleich zu Wallonien und
Lothringen niedrige Studierendenquote zum Teil auf länderspezifische Gegebenheiten zurückführen.169 Grund für diese unterschiedliche Entwicklung in
Deutschland sind wahrscheinlich die Unterschiede in den Ausbildungssystemen
der verschiedenen Länder. In Deutschland ist die duale, nichttertiäre Berufsaus168
169
Vgl. Auswärtiges Amt (2003), vom 27.01.2004.
Vgl. BMBF (Hrsg.) (2003), S.5f, vom 26.12.2003.
65
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
bildung mit entsprechend anerkanntem Abschluss weit verbreitet. Dagegen
besteht in anderen Ländern nicht die Möglichkeit zu einer solchen Art der Berufsbildung. Dort werden die Jugendlichen sozusagen zu einer Ausbildung im
tertiären Bereich gedrängt, da es sonst kaum anerkannte Berufsausbildungsformen
gibt.170
Der Indikator „Anzahl der Studierenden“ gibt zwar Auskunft darüber, wie viel
Humankapital in den Regionen gebildet wird, es kann jedoch nicht davon
ausgegangen werden, dass die späteren Absolventen und somit das Humankapital
der Region erhalten bleiben. Auch macht der Indikator keinerlei Aussagen
darüber, ob die Studierenden ihr Studium auch beenden. Diese sog. Abbrecherquote wird hier nicht berücksichtigt, ist aber bei der Annahme über die
potenziellen Absolventen durchaus zu beachten.
Ein Gesamturteil für die Großregion bezüglich der Nachhaltigkeit der Humankapitalentwicklung auf Basis der Studierendenzahlen fällt grundsätzlich positiv
aus, da die Qualität des Humankapitalstocks im Zeitverlauf zumindest gleich
geblieben ist. Eine Verbesserung ist insbesondere für Wallonien zu erwarten,
wenn sich die höhere Zahl der Studierenden in den Absolventenzahlen
niederschlägt. Dennoch wird aus einer Studie des BMBF ersichtlich, dass die
Großregion Saar-Lor-Lux im Vergleich zu anderen europäischen Ländern im
Bereich der Studierendenzahlen zurückliegt oder zumindest einen eventuellen
Vorsprung einbüßt.171 Dies lässt zukünftige Einbußen in der Attraktivität des
Wirtschaftsstandorts erwarten.
Schüler-Lehrer-Relation
Zeitreihen zur Schüler-Lehrer-Relation sind nur für Rheinland-Pfalz und das
Saarland erhältlich. Zusätzlich stehen über die Kooperation der Statistikämter der
Großregion für alle Teilregionen Daten für das Schuljahr 2001/2002 zur
Verfügung, die aufgrund der unterschiedlichen methodischen Grundlagen
allerdings nicht mit der Zeitreihe für Rheinland-Pfalz vergleichbar sind.
Abbildung 11: Schüler-Lehrer-Verhältnis im Schuljahr 2001/2002
170
171
Vgl. Europäische Kommission (Hrsg.) (2000), vom 26.12.2003.
Vgl. BMBF (Hrsg.) (2003), S.4ff, vom 26.12.2003.
66
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
20
15
10
5
0
Primar
Sekundar
Gesamt
Rheinland-Pfalz
Saarland
Luxemburg
Lothringen
Wallonien
Quelle: Kooperation der Statistikämter, zur Verfügung gestellt auf der Seite www.grossregion.lu.
Im statischen Vergleich der Teilregionen untereinander stellt sich die Betreuungssituation für das Jahr 2001/2002 für die beiden deutschen Bundesländer
wesentlich schlechter dar als für die anderen Teilregionen. Im Saarland kommen
im Schnitt etwa 19 Schüler auf einen Lehrer, in Rheinland-Pfalz sind es ungefähr
18. In Wallonien dagegen muss sich ein Lehrer durchschnittlich nur um ca. 8
Schüler kümmern und kann deshalb jeden Schüler intensiver betreuen. Grund
dafür ist die eher ländliche Siedlungsstruktur in Wallonien. Eine geringe Klassengröße ist insbesondere im Primarbereich wichtig, da hier auf die Schüler, die zum
Teil erhebliche Entwicklungsunterschiede aufweisen, individueller eingegangen
werden muss, um so den Grundstein für späteres Lernverhalten zu legen. In
Hinblick darauf überraschen die Ergebnisse für Luxemburg, Rheinland-Pfalz und
Wallonien, wo die Klassen im Primarbereich größer sind als die im
Sekundarbereich.
Zieht man die Entwicklung des Indikators für Rheinland-Pfalz und das Saarland
hinzu, zeigt sich eine leicht negative Tendenz, da ein Lehrer in Rheinland-Pfalz
im Schuljahr 1999/2000 einen Schüler mehr betreuen muss als zehn Jahre zuvor.
Im Saarland stieg die durchschnittliche Klassengröße sogar um drei Schüler.
Diese Entwicklung ist mit Blick auf die Nachhaltigkeit der Bildung prinzipiell
negativ zu beurteilen, wobei ein solch geringer Anstieg keine wesentlichen
Auswirkungen auf die Unterrichts- und Betreuungsqualität haben dürfte. Die
Schüler-Lehrer-Relation ist demzufolge trotz der interregionalen Unterschiede
über alle Teilregionen als angemessen zu beurteilen und eröffnet damit die
Möglichkeit für eine nachhaltige Bildung.
67
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Abbildung 12: Schüler-Lehrer-Verhältnis in Rheinland-Pfalz und im
Saarland
20,0
17,5
15,0
12,5
19
89
/9
0
19
90
/9
1
19
91
/9
2
19
92
/9
3
19
93
/9
4
19
94
/9
5
19
95
/9
6
19
96
/9
7
19
97
/9
8
19
98
/9
9
19
99
/2
00
0
10,0
Rheinland-Pfalz
Saarland
Quelle: Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz, Bad Ems, Statistik der allgemein bildenden
Schulen].
Demographische Struktur der Erwerbspersonen
Zur Untersuchung der Altersstruktur innerhalb der Erwerbspersonen wurde die
Kohorte der 55- bis 64-Jährigen ins Verhältnis gesetzt zu der der 25- bis 34Jährigen. Ein Anstieg der Indikatorwerte bedeutet in diesem Falle eine
Verschiebung hin zu älteren Erwerbspersonen, die aus Sicht der Nachhaltigkeit
negativ zu bewerten ist.
Das Verhältnis der älteren zur jüngeren Kohorte liegt in Wallonien und
Luxemburg über den ganzen Zeitraum hinweg konstant bei etwa 20% und ist erst
in den letzten beiden Jahren auf ca. 25% gestiegen. Auch Lothringen pendelt mit
etwas größeren Schwankungen um diesen Wert. Für die beiden deutschen
Bundesländer lagen bereits die Ausgangswerte 1990 mit rund 35% weit über
denen der anderen Gebiete. Das konstant starke Wachstum der älteren Kohorten
im Verhältnis zu den jüngeren hat dazu geführt, dass sich dieser Abstand bis 2002
noch vergrößert hat. Am stärksten war der Anstieg im Saarland. Hier kommen auf
eine Erwerbsperson zwischen 55 und 64 zwei Erwerbspersonen zwischen 25 und
34, während es in Luxemburg fünf sind. Der Anstieg der Quotienten lässt sich mit
Blick auf die zugrunde liegenden Einzelwerte sowohl auf die steigende Zahl
älterer Erwerbspersonen als auch auf die sinkende Zahl jüngerer zurückführen.
68
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Abbildung 13: Demographische Struktur innerhalb der Erwerbspersonen:
Anteil der Erwerbspersonen zwischen 55 und 64 Jahren an den
Erwerbspersonen zwischen 25 und 34 Jahren
60
50
40
30
20
10
0
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002
Rheinland-Pfalz
Saarland
Lothringen
Wallonien
Luxemburg
Quelle: Statistisches Bundesamt-Eurostat Data Shop Berlin, Eurostat Datenbank New Cronos,
Stand: 22. Dezember 2003.
Während das Saarland und Rheinland-Pfalz momentan unter Umständen noch
Vorteile aufgrund der größeren Berufserfahrung eines Großteils der Erwerbspersonen genießen, werden diese beiden Teilregionen in den kommenden zehn
Jahren vor dem Problem stehen, dass eben dieses Arbeitskräftepotenzial dem
Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen wird. Jedes Jahr werden größere
Kohorten ausscheiden, deren Humankapital durch immer kleinere nachrückende
Kohorten ersetzt werden muss. Hintergrund dieser Entwicklung sind insbesondere
die demographischen Verschiebungen in der Großregion. Infolge der deutlichen
Unterschiede in der Entwicklung der Teilregionen bezüglich dieses Indikators
muss auch bei der Beurteilung der Nachhaltigkeit regional differenziert werden.
Für Luxemburg, Wallonien und Lothringen fällt das Urteil positiv aus. Aufgrund
der vergleichsweise ausgeglichenen Altersstruktur werden hier auch in Zukunft
genügend junge Menschen ins Erwerbsleben eintreten, um die ausscheidenden
Erwerbspersonen zu ersetzen. In den beiden deutschen Teilregionen geht dagegen
der momentane Trend weg von einer nachhaltigen Entwicklung, was in den
nächsten Jahren zu einem Engpass im Bereich des Humankapitals führen könnte.
Um dem entgegenzuwirken, wären einerseits Veränderungen in der demographischen Struktur notwendig, die sich vor allem in höheren Geburtenraten
äußern müssten. Da sich entsprechende Entwicklungen aber erst mit einer
zeitlichen Verzögerung von mindestens 15 Jahren auf die Zahl der Erwerbspersonen auswirken, ist zudem das Bildungswesen gefordert, das zahlenmäßige
69
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Missverhältnis durch eine relativ bessere Qualifikation der nachrückenden
Kohorten auszugleichen.
Studierende in naturwissenschaftlichen und technologischen Fachrichtungen
Daten zu den Studierendenzahlen gegliedert nach Fachrichtung sind nur für die
saarländischen Hochschulen erhältlich.
Abbildung 14: Studierende in naturwissenschaftlichen und
technologischen Fachrichtungen an der Universität im Saarland in
den Wintersemestern
4.000
3.000
2.000
1.000
0
1990
1991
Mathe & Naturw iss.
1992
Ingenieurw iss.
Quelle: Jahrbuch 2003 Saarland.
Die Studierendenzahlen an den saarländischen Hochschulen in den naturwissenschaftlichen und technologischen Fachrichtungen sind im Laufe der letzten zehn
Jahre zurückgegangen. Insbesondere bei den Ingenieurswissenschaften hat sich
die Anzahl der Studierenden fast halbiert. Diese Entwicklung ist aus Sicht der
Nachhaltigkeit und vor dem Hintergrund des Trends zur Höherqualifizierung und
dem notwendigen Strukturwandel hin zum Hochtechnologiebereich negativ zu
bewerten. Da viele Branchen auf die kontinuierliche Entwicklung neuer Produkte
und damit auf gut ausgebildetes F&E-Personal angewiesen sind, könnte dies
zukünftig dazu führen, dass Standortentscheidungen zugunsten anderer Regionen
gefällt werden. Eine weitergehende Analyse der Entwicklung der Großregion ist
mangels längerer Zeitreihen und aufgrund fehlender Daten für die anderen
Teilregionen nicht möglich.
70
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
F&E-Ausgaben pro Beschäftigtem im F&E-Bereich
Die Bruttoinlandsaufwendungen für F&E beinhalten alle Aufwendungen für
Anlagegüter und laufende Ausgaben innerhalb der für F&E vorgesehenen
statistischen Einheit. Die Ausgaben werden dabei aufgeschlüsselt nach
Einrichtung/Sektor, in dem die F&E-Aktivitäten durchgeführt werden:
Wirtschaftssektor, Staatssektor und Hochschulsektor sowie sonstige Institutionen
ohne Erwerbszweck. Die F&E- und Innovationsstatistiken basieren derzeit
weitestgehend auf dem von der OECD entwickelten methodischen Rahmen
(Frascati Handbuch, Oslo-Handbuch etc.)172
Abbildung 15: F&E-Ausgaben pro Beschäftigtem im F&E-Bereich im
Unternehmenssektor
110.000
100.000
90.000
80.000
70.000
60.000
50.000
1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002
Rheinland-Pfalz
Saarland
Lothringen
Wallonien
Luxemburg
Quelle: Statistisches Bundesamt-Eurostat Data Shop Berlin, Eurostat Datenbank New Cronos,
Stand: 22. Dezember 2003.
Bisher liegen allerdings die Daten für den F&E-Bereich sowohl zum Personal als
auch zu den Ausgaben für die gewünschten NUTS-Regionen nur lückenhaft vor.
Insbesondere für Luxemburg existieren für den Staatssektor lediglich F&E-Daten
für die Jahre 2000 und 2001; für den Unternehmenssektor sind bisher keine Daten
erhältlich. Allerdings stehen die Aussichten gut, dass sich die Datenlage infolge
einer Ratsentscheidung vom 24. Januar 1994 in den kommenden Jahren
verbessern wird. Langfristiges Ziel ist der Aufbau eines europäischen statistischen
Informationssystems für Forschung, Entwicklung und Innovation.
Trotz der Unvollständigkeit der Zeitreihen lassen sich Trends bei den Ausgaben
im F&E-Bereich ausmachen. Auffällig bei der Betrachtung des Unternehmenssektors ist zum einen der fast parallele Verlauf der Indikatorwerte für Wallonien
172
Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Hrsg.) ( 2001), S.3ff.
71
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
und Lothringen, wobei die lothringischen F&E-Mittel durchgehend etwa 20.000
Euro unter denen des Spitzenreiters Wallonien liegen. Nach einem leichten Abfall
zwischen 1995 und 1997 verzeichnen beide Teilregionen momentan einen mehrjährigen Aufwärtstrend. Noch stärker gestiegen sind die F&E-Ausgaben pro
Beschäftigtem in den beiden deutschen Teilregionen, wobei auch hier der fast
identische Verlauf auffällig ist. Während die Mittelaufwendungen im Saarland
und in Rheinland-Pfalz zu Beginn der 90er Jahre noch auf dem Niveau von
Lothringen lagen, näherten sie sich bis 1997 dem von Wallonien an. Ab diesem
Zeitpunkt kann mangels Daten keine Aussage über die weitere Entwicklung im
deutschen Teil der Großregion gemacht werden.
Abbildung 16: F&E-Ausgaben pro Beschäftigtem im F&E- Bereich im
Staatssektor
100.000
87.500
75.000
62.500
50.000
37.500
25.000
1991
1992 1993
1994
1995
1996 1997
Rheinland-Pfalz
Saarland
Lothringen
Wallonien
1998
1999 2000
2001
Luxemburg
Quelle: Statistisches Bundesamt-Eurostat Data Shop Berlin, Eurostat Datenbank New Cronos,
Stand: 22. Dezember 2003.
Für den aus Sicht der Ausgabenbeträge weniger bedeutenden Staatssektor zeigt
sich folgendes Bild: Die lothringischen und wallonischen Aufwendungen für F&E
sind geringer als die in Rheinland-Pfalz und dem Saarland, wobei diesmal
Wallonien mit seinen Ausgaben etwa 10.000 Euro pro Person hinter Lothringen
liegt. Insgesamt ist für alle Regionen ein Aufwärtstrend bei den Staatsausgaben zu
beobachten.
Auch im Hochschulsektor ist ein Anstieg der Ausgaben zu verzeichnen, wobei
Lothringen nach einem starken Rückgang der Mittel inzwischen wieder das
Niveau der beiden deutschen Bundesländer erreicht hat. Für Wallonien lassen sich
mangels Daten keine Aussagen machen. Die Werte für Luxemburg liegen, wie
72
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
erwartet, weit unter denen der anderen Teilregionen, da sich der Hochschulsektor
und die damit verbundenen Forschungseinrichtungen erst im Aufbau befinden.
Abbildung 17: F&E-Ausgaben pro Beschäftigtem im F&E- Bereich im
Hochschulsektor
60.000
50.000
40.000
30.000
20.000
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
Rheinland-Pfalz
Saarland
Lothringen
Wallonien
1998
1999
2000
2001
Luxemburg
Quelle: Statistisches Bundesamt-Eurostat Data Shop Berlin, Eurostat Datenbank New Cronos,
Stand: 22. Dezember 2003.
Steigende F&E-Ausgaben in der Region sind vor dem Hintergrund einer
nachhaltigen Entwicklung positiv zu bewerten, da sich mit den Mitteln auch die
Chance erhöht, dass die F&E-Arbeit zu erfolgreichen Ergebnissen führt. Die Auswirkungen werden sich allerdings erst mit zeitlicher Verzögerung bemerkbar
machen, wenn sich die Ausgaben in technischem Fortschritt und Innovationen
niederschlagen. Die Untergliederung der Ausgaben nach Einrichtungen gibt
Auskunft über die unterschiedliche Mittelherkunft in den Teilregionen. Die
Gelder aus der Privatwirtschaft fließen fast immer in profitorientierte Forschungsprojekte, die nicht notwendigerweise am Leitbild der Nachhaltigkeit orientiert
sein müssen. Dennoch ist der konstante Anstieg in allen Teilregionen aus Sicht
einer nachhaltigen Entwicklung positiv zu bewerten, da aufgrund der
gewachsenen ökologischen und sozialen Verantwortung der Unternehmen die
Ergebnisse des F&E-Prozesses auch der Gesamtgesellschaft zugute kommen
dürften, wobei Lothringen das Schlusslicht im Vergleich der Teilregionen bildet.
Die Mittel des Staats- und Hochschulsektors fließen dagegen meist in Grundlagenforschung, d.h. das hier generierte Wissen bildet die Grundlage für die
angewandte F&E.173 Sie ist nicht an kommerziellen Aspekten orientiert und
erhöht somit dem allgemein zugänglichen Wissenstand einer Gesellschaft. Auch
173
Vgl. European Commission (2003), vom 15.12.2003.
73
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
hier ist die Entwicklung aufgrund des stetigen Anstiegs der Finanzierungsmittel in
allen Teilregionen positiv zu bewerten.
6.1.4 Wechselwirkungen innerhalb des Humankapitals
Innerhalb des Bereichs Humankapital existieren zahlreiche Interdependenzen,
wobei dem F&E-Bereich eine zentrale Position zukommt. Eine erfolgreiche
Forschungsarbeit setzt qualifiziertes Personal voraus. Höhe und Umfang der
privaten Investitionen im Bereich Forschung und Entwicklung hängen letztendlich
von der Qualität des staatlichen Bildungsangebotes und den an den Universitäten
vermittelten Fähigkeiten von Wissenschaftlern sowie einem adäquaten Fächerangebot ab.174 Daneben kann auch ein umgekehrter Zusammenhang festgestellt
werden, denn Innovationen, d.h. neues Wissen und seine intelligente Anwendung,
müssen verstärkt zurück in die Bildungsarbeit transferiert werden.175 Sie erhöhen
damit den Bestand an gesellschaftlichem Wissen, der im Rahmen der Bildung
weitergegeben werden kann. Gleichzeitig bewirken sie das Entstehen neuer
Berufsbilder und machen eine Ausweitung der Ausbildungsangebote und
Studiengänge erforderlich. In gleicher Weise beeinflussen die veränderten
Anforderungen infolge von Innovationen auch den Bereich Weiterbildung. Die
Beschäftigen im F&E-Bereich haben zwar selbst Weiterbildungsbedarf, erzeugen
aber im Wesentlichen einen abgeleiteten Bedarf für andere Beschäftigtengruppen.
Dazu gehören zum Beispiel die Facharbeiter, die neue Verfahren in der
Produktion erlernen und umsetzen müssen.176 Die Weiterbildungsaktivitäten
bauen wiederum auf dem im Rahmen der schulischen Ausbildung erworbenen
Grundwissen auf. Dieses ist nicht nur Grundstein für betriebliche
Weiterbildungsmaßnahmen, sondern auch Voraussetzung für andere Arten der
weiterführenden Qualifikation. So ist der Abschluss des ISCED-Niveaus 3-4
Bedingung für die Zulassung zu einem Hochschulstudium. Je mehr Studierende es
wiederum zu einem Zeitpunkt gibt, desto mehr Fachkräfte wird es einige Jahre
später geben.
174
Vgl. Pfeiffer, F., et al. (1999), S.28.
Vgl. BMBF (Hrsg.) (2002), S. 11, vom 26.12.2003.
176
Vgl. Pfeiffer, F., et al. (1999), S.125.
175
74
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
6.2 Naturkapital
6.2.1. Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes
6.2.1.1. Definition des Naturkapitals
Das Naturkapital stellt eine Erweiterung des klassischen Produktionsfaktors
Boden dar. Als Synonym kann der Begriff des Naturvermögens 177 angesehen
werden. In dieser Arbeit sollen unter Naturkapital in Anlehnung an die weite
Abgrenzung im Rahmen der „Integrierten Volkswirtschaftlichen und
Umweltgesamtrechnung“ (System for Integrated Environmental and
Economic Accounting, SEEA) der Vereinten Nationen die Bestandteile
und Leistungen der natürlichen Umwelt verstanden werden, die Menschen
tatsächlich ökonomisch nutzen oder potenziell nutzen können.178 Dabei wird unter
natürlicher Umwelt ein System verstanden, das die Elemente Lebewesen, Luft,
Gewässer und Boden sowie deren wechselseitigen Beziehungen untereinander
umfasst.179
Der Mensch nutzt die natürliche Umwelt, indem er ihr Ressourcen entnimmt und
den Boden als Standort für die Güterproduktion und als Lebensraum verwendet.
Darüber hinaus dient die natürliche Umwelt als Senke, sie absorbiert stoffliche
und energetische Rückstände von Produktion und Konsum.180 Senken stellen
damit eine Dienstleistung der Natur dar, die als Input für den Produktionsprozess
benötigt wird. Die SEEA unterscheidet in diesem Zusammenhang Ressourcenfunktionen, Senkenfunktionen und (Dienst-)Leistungsfunktionen, wobei die
Nutzung der Natur als Standort damit der Ressourcenfunktion zugeordnet wird.181
Bei der Umweltnutzung durch den Menschen treten quantitative und qualitative
Änderungen des Naturkapitals auf. Bestände und Qualitäten verringern oder
vermehren bzw. verbessern oder verschlechtern sich. Hoffmann-Kroll et al.
folgend, lassen sich drei Blickwinkel bei der Beschreibung des Umweltzustandes,
also der Qualität des Naturkapitals unterscheiden: Funktionsfähigkeit bzw.
Funktionalität, Struktur und Stoffe. Aus dem Blickwinkel der Funktionalität
sollen Aussagen gemacht werden, inwieweit die Ökosysteme als Ganze
funktionieren. Visuell erfassbare, äußerliche Merkmale und Kennzeichen von
Landschaften und Ökosystemen, die auf menschliche Aktivitäten hindeuten,
werden unter dem Blickwinkel der Struktur erfasst. Der dritte Blickwinkel
177
Vgl. Ritter, L. et al. (2002), S.271ff.
Vgl. Ritter, L. et al. (2002), S.271.
179
Vgl. Gabler (2000), Eintrag: natürliche Umwelt, S.2206.
180
Vgl. Gabler (2000), Eintrag: natürliche Umwelt, S.2206.
181
Vgl. United Nations et al. (Hrsg.) (2003), S.5, vom 24.01.2004.
178
75
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
schließlich, der stoffliche, zielt auf eine Erfassung stofflicher Belastungen der
Elemente der natürlichen Umwelt ab.182
Die im Rahmen dieser Arbeit verwendete weite Definition des Naturkapitals
umfasst sowohl produzierte wie auch nicht produzierte Bestandteile an
Naturkapital. Sie geht damit über Definitionen hinaus, die unter Naturkapital nur
jenes Vermögen verstehen, „das ohne menschliche Aktivität einfach vorhanden
ist, aus dem Menschen Bedürfnisbefriedigung und Nutzen ziehen können“183. In
vielen Fällen ist aufgrund der Tatsache, dass der Mensch massiv in die Natur
eingegriffen hat und eingreift, eine Unterscheidung von produziertem und nicht
produziertem Naturkapital, also von einem solchen, das durch menschliche
Aktivität geschaffen bzw. geformt wurde, und einem ohne menschliche Eingriffe
einfach vorhandenen Naturkapital, nicht möglich oder wenigstens schwierig.
Daher soll auf die weite Definition zurückgegriffen werden. 184 Im Rahmen der
Land- und Forstwirtschaft v.a. hat der Mensch begonnen, Pflanzen und Tiere zu
„kultivieren“ bzw. zu „bewirtschaften“. Diese Kapitalform, die aus Produktionsprozessen hervorgegangen ist und hervorgeht, kann als Kategorie zwischen Naturund Sachkapital angesehen werden. Es handelt sich also bei „Nutzwäldern,
Nutzvieh, Nutzpflanzen, Fischbeständen in Fischteichen usw.“185 um produziertes
bzw. „kultiviertes Naturkapital“186. Da auch das Sachkapital Ergebnis von
Produktionsprozessen ist, ergibt sich an dieser Stelle ein Problem der Abgrenzung
von Natur- und Sachkapital. Auch wenn angenommen wird, dass das kultivierte
Naturkapital in seinen wesentlichen Charakteristika dem „echte[n]
Naturkapital“187 entspricht, wohingegen das Sachkapital sich in seinen Eigenschaften deutlich vom ursprünglichen Ressourceninput unterscheidet, bleiben
vermutlich Fälle bestehen, in denen eine eindeutige Abgrenzung schwierig ist.
Insofern soll das kultivierte Naturkapital an den Stellen, an denen dies notwendig
erscheint im Hinblick auf eine Beurteilung der Entwicklung in der Großregion
bzw. den einzelnen Regionen, gesondert betrachtet werden. Die Abgrenzungen
zum Human- und Sozialkapital gestalten sich sehr viel leichter. Human- und
Sozialkapital bezeichnen Vermögensbestandteile, die allein Menschen und
Beziehungen von Menschen untereinander umfassen. Der Begriff des
Naturkapitals hingegen impliziert stets, dass wenigstens ein nicht menschliches
Element im betrachteten System enthalten ist.
182
Vgl. Hoffmann-Kroll, R. et al. (1997), S.700.
Szerenyi, T. (1999), S.11.
184
Darüber hinaus sei darauf verwiesen, dass der Mensch als Lebewesen zugleich auch Teil der
natürlichen Umwelt ist und in das Beziehungsgeflecht eingebunden ist. Siehe die oben genannte
Definition der natürlichen Umwelt. Zu den Abgrenzungsschwierigkeiten vgl. weiterhin die
Definitionen von Natur und Umwelt in Morosini, M. et al. (2002), S.31ff.
185
Costanza, R. et al. (2001), S.126.
186
Costanza, R. et al. (2001), S.126.
187
Costanza, R. et al. (2001), S.126.
183
76
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Damit liegt dieser Arbeit eine Definition des Naturkapitals zugrunde, die sich
vermutlich präziser mit dem Begriff des „Umweltkapitals“ umschreiben ließe.188
Da sich in anderen Arbeiten, in denen ebenfalls das Vier-Kapital-Modell gewählt
wurde, und in der Literatur im Allgemeinen der Begriff des Naturkapitals
durchgesetzt hat, soll dieser auch in der vorliegenden Arbeit verwendet werden.
6.2.1.2. Komponenten des Naturkapitals
Typologie und Systematik
Unterschiedlichen Umsetzungen des Kapitalmodells bzw. Sätzen von
Umweltindikatoren liegen verschiedene Systematiken zugrunde. So lassen sich
eine Betrachtung einzelner Elemente der natürlichen Umwelt und eine
Betrachtung systemischer Zusammenhänge als zwei mögliche Blickwinkel
unterscheiden.189 Werden einzelne Elemente betrachtet, so lassen sich als
Hauptkomponenten des Naturkapitals Boden, Wasser, Luft, Tier- und Pflanzenwelt sowie Klima feststellen.190 Die einzelnen Elemente können den
Umweltnutzungsarten – Ressourcen, Standort und Senken – bzw. den Naturfunktionen zugeordnet werden. Danach ergeben sich als Naturkapitalkomponenten natürliche Ressourcen (fossile und mineralische Bodenschätze;
biotische Ressourcen: Holzvorräte, Fischbestände, Flora und Fauna in natürlichen
Lebensräumen; Grund- und Oberflächenwasser), Bodenfläche sowie (aquatische
und terrestrische) Ökosysteme inklusive Atmosphäre.191 Ballschmiter et al.
klassifizieren die in der Literatur vorhandenen unterschiedlichen Systematiken
anhand mehrerer Subsysteme. Dabei deckten die Subsysteme „Umweltmedien“,
„Ökosysteme“, „Stoffströme“ und „Raum“ jeweils die gesamte Umwelt ab.192 Als
Subsysteme wurden für die Beschreibung des Naturkapitals in dieser Arbeit die
Ressourcen sowie die Umweltmedien Wasser, Boden und Luft ausgewählt.193
Diesen Komponenten werden in der folgenden Beschreibung einzelne Umweltnutzungsarten bzw. Funktionen zugerechnet. Hierauf folgen eine Beschreibung
weiterer möglicher Komponenten und eine Erörterung, inwieweit diese Aspekte in
die gewählte Darstellung integriert sind. Der ökologische Blickwinkel, d.h. eine
Einbeziehung der systemischen Zusammenhänge, wird separat behandelt, wie
auch andere weiterführende Überlegungen, die den gewählten Ansatz ergänzen
könnten bzw. für die Analyse der Entwicklungen im Bereich des Naturkapitals
von Relevanz sind.
188
Vgl. Morosini, M. et al. (2002), S.31ff.
Vgl. Hoffmann-Kroll, R. et al. (1997), S.697.
190
Vgl. Bliefert, C. (1997), S.4.
191
Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.) (2002), S.45.
192
Vgl. Morosini, M. et al. (2002), S.65.
193
Vgl. Morosini, M. et al. (2002), S.33.
189
77
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Ressourcen
Natürliche Ressourcen umfassen gemäß der SEEA-Vermögensklassifikation
mineralische Ressourcen und Energieträger (fossile Brennstoffe, metallische und
nicht-metallische Mineralien), Bodenressourcen, Wasserressourcen sowie
biologische Ressourcen (Holzressourcen, pflanzliche Ressourcen außer Holz,
aquatische Ressourcen und Tierbestände außer aquatische Ressourcen).194 Sie
bilden die physische Grundlage sämtlicher Produktionsprozesse. Da Wasser wie
Boden nicht nur als Ressourcen, sondern in ihrer Eigenschaft als Umweltmedien
ebenfalls als Senke (und darüber hinaus als Standort) genutzt werden, sind sie als
eigene Komponenten aufgeführt und werden daher unter den Ressourcen nicht ein
weiteres Mal erfasst. Die biologischen Ressourcen umfassen sowohl kultivierte
wie auch nicht-kultivierte Bestandteile, wobei sich beide Formen in der Empirie
nicht immer klar trennen lassen.
Neben den Ressourcenbeständen sollen auch die Ressourcenqualitäten erfasst
werden. Hierunter sind nicht nur die chemisch-physikalischen Eigenschaften bzw.
Zusammensetzungen im Hinblick auf mögliche Nutzungen in Produktionsprozessen oder die ernährungsphysiologischen Eigenschaften bei einigen
biologischen Ressourcen zu verstehen, sondern bei den pflanzlichen und
tierischen Ressourcen insgesamt auch die biologische Vielfalt. Da die
Biodiversität unter dem Gesichtspunkt der Ressourcenqualität in den vorliegenden
Ansatz integriert wird, soll hierunter lediglich die Variabilität bzw. Artenzahl
gefasst werden und von der Abundanz der Arten abgesehen werden. 195 Ob eine
höhere Biodiversität durch die Verteilung von Umweltrisiken zu einer erhöhten
Stabilität von Ökosystemen beiträgt,196 ist zwar umstritten. Gleichwohl gilt die
Biodiversität als ein Kriterium für das Funktionieren von Ökosystemen.197
Darüber hinaus gehen mit einer sinkenden biologischen Vielfalt auch potenziell
nutzbare Ressourcen verloren.
Zur Erfassung der Artenvielfalt können Maße der Lebensräume (Habitat),
Schlüsselarten (keystone species) und bedrohten Arten herangezogen werden.198
Eine Nachhaltigkeit hinsichtlich der Ressourcennutzung allein, d.h. bei
Abstraktion von der Frage der Substituierbarkeit natürlicher Ressourcen durch
andere Kapitalformen, ist dann erreicht, wenn der Bestand199 an erneuerbaren und
nicht erneuerbaren Ressourcen erhalten bleibt und die Qualität der Bestände nicht
abnimmt. Für erneuerbare Ressourcen bedeutet dies, dass die Nutzungsrate nicht
über der Regenerationsrate einschließlich der Erhaltungsmaßnahmen der
194
Vgl. United Nations et al. (Hrsg.) (2003), S.511f, vom 24.01.2004.
Vgl. Haeupler, H. (1995), S.101ff.
196
Vgl. Klötzli, F. (1995), S.291.
197
Vgl. Haeupler, H. (1995), S.99ff.
198
Vgl. Smith, R. et al. (2001), S.19, vom 11.12.2003.
199
Sofern nicht anders angegeben, bezeichnet der Begriff des Bestandes im Rahmen des
Naturkapitals die Quantität im Gegensatz zur Qualität.
195
78
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Menschen liegen darf. Bei nicht erneuerbaren Ressourcen ist die Reichweite über
die Zeit zu erhalten200 bzw. sind die aus dem Abbau derselben erzielten Erlöse in
erneuerbare Ressourcen zu investieren.201 Können Bestände und Qualitäten nicht
in einem Aggregat zusammengefasst werden, so ist bei gegenläufigen Trends das
jeweilige Ausmaß der Veränderungen bei der Bewertung hinsichtlich der
Nachhaltigkeit der Entwicklung in die Entscheidung mit einzubeziehen.
Wasser
Die Komponente Wasser umfasst die Oberflächengewässer wie Seen und Flüsse
sowie das Grundwasser.202 Genutzt wird Wasser sowohl als Ressource, als auch
als Senke – als Trinkwasser, für die Bewässerung, für industrielle Prozesse, zu
Erholungszwecken, zur Abfallbeseitigung und zur Energieproduktion – und dient
zudem als Lebensraum aquatischer Organismen.203
Unter quantitativen Gesichtspunkten ist es von besonderem Interesse, ob der
Wasserbestand ausreichend groß ist, um die verschiedenen Nutzungsansprüche
decken zu können. Hierbei müsste allerdings der Verbrauch den einzelnen
Nutzungsarten zugeordnet werden. Sollen „Grenzen für die Nutzung der
Ressource Wasser“204 definiert werden, müssten zudem die Region überschreitende Wasserströme in die Analyse mit einbezogen werden.205 Dies geht
über den hier verfolgten Ansatz, der eine Beschreibung des Umweltzustandes und
nicht eine Analyse der Pressure-Faktoren verfolgt, hinaus.206 Zudem ist es
fraglich, ob eine Änderung des Wasserbestandes im betrachteten, relativ kurzen
Zeitraum seit 1990 in der untersuchten Großregion in signifikantem Maße
aufgetreten ist. Daher sollen im Bereich des Wassers ausschließlich qualitative
Gesichtspunkte untersucht werden, die gerade dann, wenn nicht von dem Ansatz
einer starken Nachhaltigkeit ausgegangen wird, in der Zustandsanalyse (in der
Region Saar-Lor-Lux) eine größere Rolle spielen. Unter qualitativen
Gesichtspunkten kann festgestellt werden, dass die unterschiedlichen Nutzungsarten des Wassers eng miteinander verknüpft sind. Wird Wasser z.B. als Senke
genutzt, so nimmt die Qualität in der Funktion des Wassers als Trinkwasser ab.
Damit erscheint es vertretbar, bei der Definition der Wasserqualität in der
Hauptsache auf die Eignung als Trinkwasser und zur Bewässerung in der Landwirtschaft abzustellen und dies ggf. durch Indikatoren zur Eignung als
Lebensraum aquatischer Organismen zu ergänzen. In aller Regel wird damit unter
200
Vgl. Morosini, M. et al. (2002), S.117, sowie Costanza, R. et al. (2001), S.129.
Vgl. Da Silva Matos, I., et al. (1997), S.233.
202
Vgl. Da Silva Matos, I., et al. (1997), S.238, sowie United Nations et al. (Hrsg.) (2003), S.511.
203
Vgl. NRTEE (2003), S.24.
204
Da Silva Matos, I.;et al. (1997), S.239.
205
Vgl. Da Silva Matos, I., et al. (1997), S.239.
206
Auf die Frage der grenzüberschreitenden Beziehungen wird unter 6.2.1.3. näher eingegangen
werden.
201
79
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
dem stofflichen Blickwinkel von Qualität der Gehalt an Schad- und/oder Nährstoffen im Grund- und Oberflächenwasser untersucht.
Nachhaltig ist eine Entwicklung im Bereich der Wasserqualität dann, wenn sich
die Wasserqualität verbessert, wenigstens aber gleich bleibt. Ein politisch
definierter Grenzwert für den Stoffgehalt sollte nicht überschritten, sondern nach
Möglichkeit im Jahresmittel deutlich unterschritten werden.
Boden
Der Boden wird zum einen als Standort genutzt, zum anderen aber auch als
Senke. Bei seiner Funktion als Standort werden je nach Grad der Untergliederung
mehr oder weniger Nutzungsarten unterschieden. Als Hauptkategorien gelten die
Siedlungs- und Verkehrsfläche (Gebäude- und Freifläche, Betriebsfläche,
Erholungsfläche, Verkehrsfläche und Friedhöfe), die Landwirtschaftsfläche,
Wald- bzw. Forstfläche, Wasserfläche sowie sonstige Flächen.207
Erfasst werden können bei der Flächenerhebung die Nutzung oder die
Bodenbedeckung. Eine diesbezügliche Unterscheidung ist insofern von
Bedeutung, als dass einzelne Bodennutzungen durchaus unterschiedlich bedeckte
Flächen enthalten können.208 Bei der Nutzungsart Forst- bzw. Waldfläche werden
bspw. auch im Waldgebiet enthaltene Wiesen mitgerechnet.
Da die Bodenfläche sich insgesamt in ihrer Größe in der Großregion Saar-LorLux nicht ändert, macht es wenig Sinn, die gesamte Bodenfläche als Indikator zu
wählen, also eine aggregierte Bestandsmessung vorzunehmen. Damit wird auch
bei dieser Komponente hinsichtlich der Zustandsbeschreibung im Wesentlichen
auf den Qualitätsaspekt abgestellt. Qualitativ betrachtet kann eine Bodenbelastung
durch Erosion, Verdichtung, Schadstoffe oder Organismen verursacht werden.
Einzelne Nutzungsarten bedürfen unterschiedlicher Beschaffenheiten des Bodens.
Hier ist insbesondere im Bereich der Landwirtschaft bzw. bei der Erhebung der
potenziell landwirtschaftlich nutzbaren Fläche auf den Nährstoff- wie Schadstoffgehalt im Boden zu verweisen. Unter Schadstoffen werden Schwermetalle
und schwer abbaubare organische Verbindungen verstanden, die sich im Boden
anreichern und ihn damit belasten. Der Boden kann als Puffer genutzt werden,
weil er in unterschiedlichen Mengen Problemstoffe bindet und als Filter wirkt.
Kann er nicht mehr als Puffer und Filter verwendet werden, weil seine
Möglichkeiten aufgrund von Säureerträgen ausgeschöpft sind, mobilisieren sich
Nähr- und Schadstoffe. Mobilisierung dieser Stoffe kann eine Grundwasserbelastung verursachen. Nähr- und Schadstoffe können aber auch aus dem
Boden über die Pflanzen verstärkt in die Nahrungskette gelangen. Eine
Überlastung des Bodens bringt daher nicht nur ökologische, sondern auch
207
Vgl. United Nations et al. (Hrsg.) (2003), S.512f, sowie Statistisches Bundesamt (Hrsg.)
(2002), S.2 und S.16ff.
208
Vgl. Smith, R. et al. (2001), S.9.
80
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
ökonomische Konsequenzen mit sich.209 Krankheitserregende und genetisch
veränderte Organismen können ebenfalls zu einer Gefährdung der Bodenfruchtbarkeit und damit zur Verschlechterung der Bodenqualität führen. 210 In der
Landwirtschaft oder während Bauarbeiten entstandene Verdichtungen vermindern
ebenso die Bodenleistung. Außerdem führt auch fehlender Bewuchs des Bodens
zu Erosion und Bodenverlust.211
Nachhaltig ist eine Entwicklung im Bereich des Bodens dann, wenn sich die
Qualität verbessert bzw. sie wenigstens gleich bleibt. Anders formuliert besagt
diese Regel, dass nicht mehr Stoffe in den Boden freigesetzt werden dürfen, als
aufgenommen werden können, die zusätzliche Belastung also nicht höher sein
darf als die Assimilationskapazität des Bodens.212
Luft
Luft als Medium in der Atmosphäre wird im Wesentlichen als Senke genutzt, ist
darüber hinaus bei allen Verbrennungsprozessen (d.h. der Sauerstoff in der Luft)
und bei der Photosynthese (CO2) von zentraler Bedeutung. Dabei wird der
bodennahe Teil der Atmosphäre (Troposphäre) und damit nur ein Teil des
gesamten atmosphärischen Systems in dieser Arbeit betrachtet.213 Damit rücken
für die Lebewesen in der Biosphäre (Biogeosphäre) wichtige Prozesse in den
Blickwinkel der Betrachtung.214
Unter quantitativen Gesichtspunkten ist allenfalls eine Betrachtung der
chemischen Zusammensetzung der Luft denkbar, wovon im Folgenden, zumal in
einem Zeitraum von zehn Jahren keine signifikanten Änderungen der wichtigsten
Luftbestandteile in der Troposphäre zu erwarten sind, abgesehen werden soll.
Somit rückt bei der Luft ebenfalls der qualitative Gesichtspunkt ins Zentrum der
Analyse. Hier ist insbesondere die Nutzung der Luft als Senke von Interesse.
Unter Luftqualität soll dabei eine Belastung verstanden werden, „[which] does
not negatively affect human health“215. Genereller lässt sich formulieren, dass
weder Menschen noch andere Lebewesen negativ in ihrer Gesundheit
beeinträchtigt werden sollten.
Die Entwicklung in einer Region ist bzgl. der Luftqualität dann als nachhaltig
anzusehen, wenn die Qualität der Luft wenigstens gleich bleibt, besser aber noch
zunimmt. Hierbei ist zu beachten, dass Grenzwerte nicht überschritten werden
dürfen.
209
Vgl. Landesamt für Geologie und Bergbau Rheinland-Pfalz (Hrsg.) (2003), vom 08.12.2003.
Vgl. Amt für Umweltschutz des Kantons St. Gallen (2001), vom 07.06.2001.
211
Vgl. Amt für Umweltschutz des Kantons St. Gallen (Hrsg.) (2003b), vom 28.07.2003.
212
Vgl. Morosini, M. et al. (2002), S.117.
213
Die in der Stratosphäre befindliche Ozonschicht wird damit beispielsweise aus der Betrachtung
innerhalb dieser Komponente ausgeklammert. Siehe hierzu auch den folgenden Abschnitt zu
Energie, Klima und Wald.
214
Vgl. Breckle, S.-W. (1995), S.75ff.
215
NRTEE (2003), S. 22.
210
81
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Energie, Klima und Wald
Auch wenn mit den Komponenten Ressourcen, Wasser, Boden und Luft eine nach
Ermessen der Autoren umfassende Beschreibung des Gegenstandes möglich ist,
soll kurz auf weitere mögliche Komponenten eingegangen werden, die z.T. auch
in vorherigen Arbeiten innerhalb des Projektes in Erwägung gezogen wurden. Es
sind dies die Komponenten Energie (inkl. einiger Überlegungen zum
Naturraumpotenzial), Klima (inkl. einiger anderer abiotischer Ökofaktoren) und
Wald.216
Energie wird in aller Regel bei Stromrechnungen und in Indikatorenkatalogen
unter den Pressure- bzw. bei alternativen und regenerativen Energiequellen unter
Response-Indikatoren berücksichtigt. Es wird etwa auf Energieverbrauch (ggf.
einzelner Sektoren) oder Energieeffizienz abgestellt.217 Die Energiegewinnung
mittels unterschiedlicher Ressourcen kann als Produktionsprozess angesehen
werden, die daraus entstandene Energie mithin als Output und der Verbrauch
wiederum als Verteilung des Outputs. Diese Aspekte liegen damit außerhalb des
gewählten Ansatzes dieser Arbeit.
Energieträger sind allerdings unter den Ressourcen enthalten, so dass das
mögliche Potenzial durchaus in die Überlegungen mit eingeht. Bei einigen
Energieträgern, etwa Sonne und Wind, sind Änderungen allerdings nicht zu
erwarten, jedenfalls nicht im betrachteten Zeitraum, so dass diese nicht als
Ressourcen mit in Betracht gezogen wurden.218 Dass das Wasser unter dem
Gesichtspunkt der Energiegewinnung nicht miteinbezogen wurde, liegt daran,
dass neben möglicher Erfassungsschwierigkeiten und Problemen der Datenverfügbarkeit natürliche Änderungen des Potenzials ebenfalls in einem Zeitraum
von zehn Jahren nicht zu erwarten sind und bei anthropogenen Veränderungen die
Frage der Bewertung Komplikationen aufwirft. Hier wären ergänzende Indikatoren zu den Auswirkungen der anthropogenen Veränderungen notwendig, die
sich möglicherweise nicht in Änderungen der bereits gewählten Indikatoren
widerspiegeln.
Ähnliche Überlegungen bzgl. des betrachteten Zeitraumes wie bei den
Energieträgern Sonne und Wind lassen sich allgemein im Bereich des Klimas
anführen. Dieser Faktor ist für einen Vergleich des Entwicklungspotenzials
einzelner Regionen sicherlich von Relevanz. Dies impliziert allerdings eine
andere als die dieser Arbeit zugrunde gelegte Fragestellung. Die Beurteilung von
Schwankungen bedürfte zudem eines Vergleichs mit Daten aus früheren Perioden.
Gleiches gilt für die Einbeziehung von (Natur-)Katastrophen wie Überflutungen
216
Vgl. Borsch, S. et al. (2003a), sowie Borsch, S. et al. (2003b).
Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2001a), S.6f, vom 30.11.2003, United Nations et al.
(Hrsg.) (2003), S.518, vom 24.01.2004, Morosini, M. et al. (2002), S.65ff.
218
Vgl. United Nations et al. (Hrsg.) (2003), S.518.
217
82
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
und Erosion,219 welche zudem eher dem Bereich von Pressure-Indikatoren zuzuordnen wären. Andere abiotische Ökofaktoren (z.B. regional-geologischer Aufbau, orographische Umweltfaktoren)220 dienen ebenfalls eher einer Beschreibung
des Entwicklungspotenzials einer Region. Eine Betrachtung der Entwicklungen
der Ozonschicht als klimarelevanter Faktor wäre durchaus wünschenswert, stößt
aber zum momentanen Zeitpunkt bei der Operationalisierung auf Schwierigkeiten,221 weshalb hiervon abgesehen wurde.
Soweit Wälder als Lieferant der Ressource Holz dienen, sind sie, wie an entsprechender Stelle dargestellt wurde, in der Komponente Ressourcen enthalten.
Darüber hinaus übernehmen Wälder weitere Funktionen (z.B. Wasserschutz und
Artenschutz)222, die allerdings, wie bei Ökosystemen insgesamt, nicht direkt
gemessen werden können.223 Damit ist davon auszugehen, dass sich die
Leistungen, die Wälder erbringen, in den betrachteten Umweltmedien bzw. in der
Ressourcenqualität, genauer in der Qualität der Wälder, widerspiegeln. Eine
separate Aufführung erscheint den Autoren daher als nicht notwendig. Allenfalls
für eine detaillierte Ursachenanalyse wäre dies erforderlich, was im Rahmen der
vorliegenden Arbeit allerdings nicht geleistet werden kann.
6.2.1.3. Weitergehende Überlegungen
Ökosysteme als Bestandteil des Naturkapitals
Aufgrund der Schwierigkeiten, die mit dem Versuch einer Erfassung ökosystemarer Zusammenhänge verbunden sind, und wegen des angestrebten
möglichst hohen Aggregationsniveaus, wurde davon abgesehen, einzelne Ökosysteme und/oder Landschaften separat zu erfassen und damit ein weiteres
Subsystem in den Indikatorensatz zu integrieren.224 Neben der „Überkomplexität“225 stellt sich zudem das Problem einer möglichen doppelten
Berücksichtigung, sofern die Subsysteme Ressourcen und Umweltmedien
beibehalten werden.226
Gleichwohl wäre eine Unterteilung in einzelne Ökosysteme und/oder Landschaftstypen und eine damit einhergehende separate Erfassung der Daten
einzelner relevanter Indikatoren nicht nur aufgrund einer besseren Zuordnung und
möglicherweise auch Wahl von Indikatoren sowie von Fragen der Verteilung, wie
sie im folgenden Abschnitt erörtert werden, sondern beispielsweise auch deshalb
219
Vgl. United Nations et al. (Hrsg.) (2002), S.19.
Vgl. Meyer, D. E. (1995), S.19.
221
Vgl. Smith, R. et al. (2001), S.20.
222
Vgl. Ministerium für Umwelt und Forsten Rheinland-Pfalz (o.J.), vom 28.01.2004.
223
Vgl. NRTEE (2003), S.20.
224
Vgl. Hoffmann-Kroll, R. et al. (1997), S.696ff.
225
Morosini, M. et al. (2002), S.26.
226
Vgl. Smith, R. et al. (2001), S.5.
220
83
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
wünschenswert, weil damit ein weiterer Aspekt der Biodiversität, die
ökosystemare Vielfalt,227 abbildbar wäre.228
Soweit es möglich erschien, wurden ökosystemare Beziehungen, nicht zuletzt in
der Analyse und der Betrachtung der Wechselwirkungen, miteinbezogen. Darüber
hinaus ist festzustellen, dass in dieser Hinsicht Weiterentwicklungen des Ansatz
möglich und evtl. gar notwendig sind, um das Naturkapital und die Entwicklungen innerhalb desselben besser mit Hilfe von Indikatoren abbilden zu
können.
Relevanz von Verteilungsfragen
Weniger bei der Verteilung der Ressourcen innerhalb einer Region, gleichwohl
aber bei der Verteilung von Immissionen spielen Verteilungsfragen eine Rolle,
auch innerhalb des gewählten Ansatzes. Diese lassen sich in lokale, temporale und
soziale Verteilungsfragen unterteilen. Von Interesse ist dabei zum einen, wie
Immissionen lokal innerhalb der Region verteilt sind, da dies auf eine besondere
Schädigung an bestimmten Orten hinweist, die mit entsprechenden negativen
Auswirkungen für Menschen wie für Flora und Fauna an diesen Orten
einhergehen. Damit einher geht auch die Frage, welche Bevölkerungsgruppen
(bspw. gestaffelt nach Einkommensgruppen) welcher Umweltbelastung in
welcher Höhe ausgesetzt sind, ob etwa ärmere Bevölkerungsschichten stärkere
Beeinträchtigungen aufgrund ungünstigerer Wohn- und / oder Arbeitsorte erleiden
müssen (soziale Verteilungsfrage). Nicht zuletzt ist die zeitliche Verteilung von
Immissionen wie auch Nährstoffen von Relevanz, da es zu temporären
Überschreitungen von Grenzwerten bzw. massiven Schwankungen kommen kann.
Die Schädlichkeit bzw. Nichtschädlichkeit einer Immission ist abhängig vom
Belastungsgrad bzw. der Dosis.229 Aus zeitlichen Gründen sowie aufgrund
fehlender Kompatibilität der für einzelne Regionen innerhalb der Großregion
Saar-Lor-Lux erhaltenen Daten wurde von einer Einbeziehung dieser
Verteilungsfragen, insbesondere der temporalen Verteilung der Immissionswerte,
weitestgehend abgesehen. An dieser Stelle besteht daher der Bedarf einer
Weiterentwicklung des Indikatorensatzes. Ebenfalls in räumlicher Dimension
tauchen bei auf die gesamte Region bezogenen Daten insofern Probleme auf, als
dass Ressourcenquantität und -qualität, Artenvielfalt und Qualität der einzelnen
Umweltmedien sich auch in einzelnen Ökosystemen bzw. Landschaftstypen
unterscheiden können. Verschiebungen zwischen den Ökosystemen und
Landschaftstypen, die durch die aggregierten Werte nicht erfasst werden, können
allerdings, etwa hinsichtlich der Belastbarkeit oder der Frage der Funktionsfähigkeit für die Beurteilung relevante Änderungen ergeben. Hier ist, wie bereits
227
Vgl. Schmitz, A., et al. (1998), S.267.
Vgl. Haeupler, H. (1995), S.103.
229
Vgl. Guderian, R., et al. (1995), S.59.
228
84
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
oben dargelegt wurde, eine Weiterentwicklung des Ansatzes wünschenswert, aber
auch mit Schwierigkeiten der Operationalisierung behaftet.
Grenzwerte: Limits perspective vs. tapestry metaphor
Bei den Komponenten Wasser, Boden und Luft ist im Rahmen der Nachhaltigkeitsregeln bereits darauf hingewiesen worden, dass bei der Beurteilung der
Entwicklungen hinsichtlich der Nachhaltigkeit Grenzwerte zu beachten sind. Bei
einer Analyse der Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen Naturkapitalkomponenten wie zwischen den Kapitalformen lässt sich dieser Sachverhalt auf
alle Naturkapitalkomponenten ausdehnen. Es existiert demnach eine kritische
Masse an Naturkapital, die es wenigstens zu erhalten gilt.230 Diese Grenzwerte
sind allerdings in aller Regel nicht mit naturwissenschaftlichen Methoden
eindeutig und losgelöst von Werturteilen bestimmbar, sondern sie werden
politisch festgesetzt.231 Aus naturwissenschaftlicher Sicht lassen sich im Bereich
des Gesundheits- und Naturschutzes mehrere Arten von Schwellenwerten unterscheiden, wenngleich sich die Arten nicht scharf voneinander trennen lassen.232
Welcher Wert gewählt wird und welche Gewichtung vorgenommen wird, ist eine
normative Entscheidung. Daher soll, sofern politisch festgelegte Grenzwerte
existieren, bei der Beurteilung der Nachhaltigkeit auf diese zurückgegriffen
werden. Es darf dabei allerdings nicht übersehen werden, dass es klare
Trennlinien, d.h. eindeutig definierte Schwellenwerte, in vielen Fällen eben nicht
gibt. Vielmehr sind die festgelegten Grenzen abhängig von der Urteilskraft der
Menschen, die hierüber entscheiden, sowie deren Präferenzen. Anthropogene
Umweltschädigungen bewirken oft nur graduelle Änderungen in Bestand und /
oder Qualität. Der Biologe Davidson hat dies mit der „tapestry metaphor“233
umschrieben, die er als Gegenbild zur „limits perspective“234 entwirft.
Räumliche Weiterentwicklung: Außenbeziehungen / Grenzüberschreitungen
In räumlicher Perspektive ist eine Weiterentwicklung des Ansatzes in zweierlei
Hinsicht denkbar. Zum einen könnten bei Bestandsänderungen Im- und Exporte
von Naturkapital in die Analyse integriert werden, um abzuschätzen zu versuchen,
inwieweit das vorhandene Naturkapital für die Produktion und Bedürfnisbefriedigung innerhalb der jeweiligen Region ausreicht. Bei der Analyse von
Qualitätsänderungen
stellen
sich
insofern
Schwierigkeiten
der
Operationalisierung, als dass nicht mit Sicherheit und nicht zu annehmbaren
Kosten festgestellt werden kann, durch welche Aktivitäten welche Immissionen
verursacht wurden. In der Analyse sind diese grenzüberschreitenden Aktivitäten
230
Vgl. Da Silva Matos, I., et al. (1997), S.233.
Vgl. Morosini, M. (2002), S.121ff.
232
Vgl. Morosini, M. (2002), S.122f.
233
Davidson, C. (2000), S.439.
234
Davidson, C. (2000), S.438.
231
85
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
insofern zu berücksichtigen, als dass bei möglichen Empfehlungen auf die
grenzüberschreitenden Verflechtungen hinzuweisen ist. Der überregionale
Charakter der Umweltmedien Wasser und Luft bspw. verlangt auch überregionale
Verhandlungen zur Lösung möglicher Umweltprobleme.
Ein zweiter Aspekt, um den der Ansatz hinsichtlich der Außenbeziehungen
erweitert werden könnte, ergibt sich aus einer globalen sozialen Perspektive,
verbunden mit der Frage, welchen Anteil des weltweiten Naturkapitals eine
Region verbrauchen bzw. gebrauchen dürfe.235
6.2.2. Indikatorenauswahl
6.2.2.1. Anmerkungen zu den Umweltökonomischen Gesamtrechnungen und zur
Frage der Bewertung
Die Umweltökonomischen Gesamtrechnungen (UGR) sind als Satellitensystem zu
den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) für die vorliegende Arbeit
und den gewählten Vier-Kapital-Ansatz insofern von Interesse, als dass im
Rahmen der UGR auch über eine Erfassung des Bestandes an Naturkapital
nachgedacht wird.236 Dabei haben allerdings einzelne Staaten unterschiedliche
Elemente der SEEA, die sie für die jeweiligen Gegebenheiten als wichtig
erachteten, herausgegriffen und weiterentwickelt, so dass eine staatenübergreifende Analyse hierdurch erschwert wird. Auch sind die Arbeiten
insbesondere bei der Erfassung des Naturkapitalbestandes und der -qualität
bislang noch am Anfang, so dass für den gewählten Zeitraum kaum auf Daten aus
den UGR (bzw. SEEA) zurückgegriffen werden kann. Zudem liegen UGR für die
einzelnen Bundesländer bspw. derzeit nicht vor, so dass auch die für einige Jahre
vorhandene Materialflussrechnung nicht genutzt werden kann.237 Es ist daher zu
hoffen, dass die Bemühungen um eine regionale Untergliederung der UGR fortgeführt werden und dass vergleichbare Arbeiten in Frankreich, Belgien und
Luxemburg unternommen werden.
Ebenfalls im Rahmen der Entwicklung des SEEA wurde, um zu den VGR
vergleichbare Daten zu gewinnen und evtl. gar ein „Ökoinlandsprodukt“ bzw.
„Ökosozialprodukt“238 errechnen zu können, erwogen, das Naturvermögen
monetär zu erfassen. Teile des Vermögens nach den Systems of National Accounts
(SNA) der Vereinten Nationen, die ohnedies monetär erfasst werden, lassen sich
dem Naturkapital zuordnen.239 Dies gilt für produziertes Naturvermögen und
Gegenstände mit Eigentumsrechten, für die folglich ein Marktwert existiert. Eine
235
Vgl. Da Silva Matos, I., et al. (1997), S.240.
Vgl. United Nations et al. (Hrsg.) (2003), S.4ff.; Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit (Hrsg.) (2002), S.45.
237
Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.) (2002),
S.139ff.
238
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.) (2002), S.35f.
239
Vgl. United Nations et al. (Hrsg.) (2003), S.553ff.
236
86
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
physische Messung ist, wenigstens in der Theorie, für alle Elemente des
Naturkapitals möglich. Gleiches trifft auf die monetäre Bewertung nicht zu. Der
Vorteil einer monetären Bewertung läge im einheitlichen Maßstab sowie in der
Möglichkeit, relativ leicht aggregierte Größen zu bestimmen. Eine monetäre
Erfassung nicht auf Märkten gehandelter Bestandteile des Naturkapitals stößt
allerdings auf konzeptionelle und empirische Schwierigkeiten, 240 so dass hiervon
auch in der vorliegenden Arbeit Abstand genommen wird.
6.2.2.2. Ressourcen
Idealindikatoren
Als Idealindikatoren wären bei der Komponente Ressourcen aggregierte Bestände
an Ressourcen in physischen und bei auf Märkten gehandelten Ressourcen
monetären Einheiten sowie die Anzahl der Arten anzusehen. Dabei wäre es
wünschenswert, wenn bei den physischen wie monetären Aggregaten Qualitätsaspekte bereits berücksichtigt wären. Allerdings liegen weder Messungen für
derartige Größen vor, noch bestehen anerkannte methodische Ansätze zur Aggregation in diesem Bereich.241
Realindikatoren
Es muss daher eine Erfassung einzelner Ressourcen vorgenommen werden.
Hierbei soll zunächst das kultivierte Naturkapital betrachtet werden. Ein
möglicher Indikator in diesem Bereich ist der Bestand an Nutztieren und Nutzpflanzen in monetärer Einheit als Anteil des Bruttoanlagevermögens. Daten zu
diesem Indikator liegen allerdings nicht vor. Darüber hinaus ist es möglich, die
Anzahl an Nutztieren und -pflanzen getrennt zu erfassen. Die Zahlen für den
Nutztierbestand liegen, aufgeschlüsselt nach einzelnen Tierarten, vor. Um mit
Sicherheit eine Aussage hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Entwicklung der
Großregion treffen zu können, muss dieser Indikator allerdings ergänzt werden
um einen Indikator, der die Qualitätsänderungen anzeigt, da bspw. ein Anstieg der
Nutztierzahlen mit einer intensiveren, möglicherweise auch weniger artgerechten
Tierhaltung einhergehen könnte (und umgekehrt). Einteilungen der Betriebe in
unterschiedliche Qualitätsklassen liegen nach Erkenntnis der Autoren allerdings
nicht vor, ebenso wenig Daten zum Gesundheitsstand der Viehbestände. Bei den
Nutzpflanzen sind im Wesentlichen Flächendaten verfügbar. Hier können bspw.
Rebflächen zur Analyse herangezogen werden. Dabei wird davon ausgegangen,
dass sich die Pflanzendichte mit der Zeit nicht oder nur minimal verändert, so dass
Änderungen der Flächendaten mit proportionalen Änderungen der Pflanzenanzahl
einhergehen. Ein Indikator, der direkt auf die Qualität der Rebstöcke schließen
240
Vgl. Smith, R. et al. (2001), S.9.
87
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
lässt, liegt nicht vor. Gleichwohl wurde die Rebfläche aufgrund ihrer regionalen
Bedeutung als Indikator ausgewählt, zumal zeitlich und räumlich vergleichbare
und regelmäßig aktualisierte Daten vorliegen. Ebenfalls, wenigstens in Teilen,
dem kultivierten Naturkapital zuzurechnen ist der Wald- bzw. Holzbestand. Als
Bestandsgröße könnte hier das Holzvolumen (in Festmeter) als Indikator gewählt
werden. Eine Inventur und damit Erfassung des Holzvolumens wurde in
Deutschland allerdings zuletzt 1987 vorgenommen und wird derzeit vorbereitet
bzw. durchgeführt.242 Alternativ könnten die Stromgrößen Holzeinschlag sowie
Nachwuchs und Wiederaufforstungen (Regeneration) gegenübergestellt werden.
Zur erstgenannten Größe sind auch Daten erhältlich. Zur Regenerationsrate
konnten im Rahmen dieses Projektes aber keine Daten ausfindig gemacht werden,
so dass von diesem Ansatz abgesehen werden musste. Daher wurde auch an dieser
Stelle hilfsweise auf die Flächendaten zurückgegriffen, die zwar diese
Teilkomponente weniger gut erfassen, aber ansonsten alle geforderten Indikatoreneigenschaften aufweisen. Um anhand der Forstfläche Aussagen zur
Entwicklung des Holzbestandes (also des Gesamtvolumens an Holz) zu machen,
wird davon ausgegangen, dass jede Flächeneinheit durchschnittlich eine ähnlich
große Dichte und Masse der einzelnen Bäume aufweist. Der Bestand und die
Struktur der Bäume der Forstfläche müssen also insgesamt recht homogen sein.
Sind diese Annahmen erfüllt, entwickelt sich die Ressource Holz nachhaltig,
wenn die Forstfläche gleich bleibt oder zunimmt. Die Wald- bzw. Holzqualität
könnte aus dem stofflichen Blickwinkel durch Schadstoffbelastungen der Bäume
(und möglicher anderer Waldpflanzen) bestimmt werden. Aus struktureller
Perspektive bietet sich als Indikator der Grad der Schädigungen der Baumkronen,
verteilt auf fünf Schadensklassen an, der in den Waldschadensberichten als
Indikator verwendet wird. Aufgrund der Verfügbarkeit auch vergleichbarer Daten
für die einzelnen Regionen innerhalb der Großregion Saar-Lor-Lux wird auf
letztgenannten Indikator zurückgegriffen. Im Rahmen der Klassifizierung von
Waldschäden werden die Bäume der Schadensstufen 2 bis 4 untersucht.243
Im Bereich der mineralischen und energetischen Ressourcen wäre eine Erfassung
der Bestände einzelner Ressourcen denkbar, in der Großregion wegen ihrer
wirtschaftlichen Relevanz vor allem der Kohle- und der Eisenerzbestände, auch
wenn diese Bedeutung in den letzten Jahren sicherlich abgenommen hat. Ein
Problem hierbei liegt in der Schwierigkeit, diese Ressourcenvorkommen
zuverlässig zu schätzen. Zudem konnten nur Daten zur Kohleförderung im
Saarland ausfindig gemacht werden. Hierbei stellt sich dann die Frage, welche
241
Siehe auch die Ausführungen über die UGR sowie die Literaturhinweise in den entsprechenden
Fußnoten.
242
Vgl. Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft – Institut für Forstökologie und
Walderfassung (o.A.), vom 30.01.2004.
88
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Schlussfolgerungen aus abnehmenden Förderdaten gezogen werden können.
Zudem wird es kaum gelingen, die Abnahme des Bestandes und mögliche
Zunahmen bei den erneuerbaren Ressourcen gegeneinander aufzurechnen, wie es
die Zinsregel nahe legt, derzufolge Erträge aus der Förderung nichterneuerbarer
Ressourcen in erneuerbare Ressourcen investiert werden sollten. Eine monetäre
Bewertung einzelner Ressourcenbestände, der erwiesenen Bestände, ist im
Rahmen der SNA vorgesehen,244 Daten hierzu liegen allerdings für die einzelnen
Regionen nicht vor.
Die Qualität der wildlebenden Flora und Fauna könnte aus stofflicher Perspektive
mittels Schadstoffbelastungen von Tieren und Pflanzen insgesamt oder einzelner
Arten abgebildet werden. Hierzu liegen allerdings keine Daten vor. Ähnliches gilt
für die Anzahl der Arten auf der Roten Liste, die sich aus strukturellem
Blickwinkel als Biodiversitätsindikator anbietet. Für einzelne Gattungen scheinen
Daten vorzuliegen.245 Hierzu wäre allerdings eine ausgiebigere Recherche
notwendig, als sie im Rahmen dieses Projektes durchführbar war. Weitere
mögliche Indikatoren zur Biodiversität wären die Entwicklung der Anzahl
einzelner Schlüsselarten, wobei eine regionsspezifische Auswahl zu treffen wäre,
möglicherweise gar eine Auswahl für jedes Ökosystem bzw. jeden Landschaftstyp. Dieser Ansatz wurde daher nicht weiter verfolgt. Die
Naturschutzfläche, die wildlebenden Arten als Lebensraum dient und die damit
zum Erhalt der Artenvielfalt beiträgt, wird stattdessen als Indikator für
Biodiversität und wildlebende Flora und Fauna vorgeschlagen. Daten hierzu
liegen für Rheinland-Pfalz vor und wurden für das Saarland angefragt. Aussagen
über den Zustand der Naturschutzgebiete sind allerdings mit diesem Indikator
nicht möglich. Neben einer Verständlichkeit und gesellschaftlichen Akzeptanz
dürfte die Naturschutzfläche auch weitere geforderte Indikatoreneigenschaften
aufweisen, da ein räumlicher und zeitlicher Vergleich möglich erscheint sowie
eine Abbildung von Wechselwirkungen gegeben ist. Hinsichtlich der Relevanz
wäre eine Erfassung der Arten auf der roten Liste vorzuziehen. Besser wäre auch
eine Erfassung aller streng geschützten Gebiete, d.h. zusätzlich zu den Naturschutzgebieten gemäß § 23 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege
(Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG) auch der Nationalparke (§ 24 BNatSchG)
und der Biosphärenreservate (§ 25 BNatSchG).246 Hierbei ergibt sich allerdings
zum einen ein Problem im Auffinden vergleichbarer Definitionen für Frankreich,
Luxemburg und Belgien, zum anderen besteht aufgrund möglicher
243
0= keine Schäden (<10%), 1= leicht geschädigt (10-25%), 2= mittelstark geschädigt (25-60%),
3 = stark geschädigt (60-99%) und 4= abgestorben (100%). Vgl. Ministère de l’Environnement
Luxembourg (Hrsg.) (1998), S. 39, vom 05.12.2003.
244
Vgl. United Nations et al. (Hrsg.) (2003), S.511ff.
245
Vgl. Ministerium für Umwelt des Saarlandes (o.A.), vom 30.01.2004.
246
Vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.) (2002), S.89f., sowie BNatSchG.
89
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Überschneidungen die Schwierigkeit, mehrfach gezählte Flächen zu identifizieren
und bei Doppelzählung wieder herauszurechnen.247
6.2.2.3. Wasserqualität
Idealindikatoren
Die Komponente Wasser soll vor allem in stofflicher Hinsicht analysiert werden,
wobei zwischen Grundwasser und Oberflächengewässern unterschieden wird.
Den Idealindikator, der die Wasserqualität in vollem Umfang anzeigt, gibt es
nicht. Es gibt eine Vielzahl von Nähr- und Schadstoffen, die im Bereich des
Wassers eine wichtige Rolle spielen und berücksichtigt werden können.
Stellvertretend werden im Rahmen dieser Arbeit Indikatoren ausgewählt, die eine
Beurteilung der Entwicklung der Qualität des Grundwassers und der Oberflächengewässer zulassen.248
Realindikatoren
Prinzipiell können Indikatoren organischer oder anorganischer Stoffe im Wasser
gewählt werden, sowohl für Oberflächengewässer als auch für Grundwasser.
Viele Stoffe werden aufgrund anthropogener Aktivitäten in die Gewässer eingetragen. Stickstoffverbindungen wie Nitrat und Ammonium sowie Phosphate
gelangen unter anderem durch die Verwendung von Düngemitteln in der
Landwirtschaft sowie durch gewerbliche Abwässer in die Oberflächengewässer.
Hohe Nitratkonzentrationen in Trinkwasser und Nahrung sind gesundheitsschädlich und können Blausucht bei Säuglingen und die Bildung von kanzerogenen
Nitrosaminen249 verursachen.250 Unter gewissen chemischen Bedingungen wird
Nitrat denitrifiziert. Bei diesen Abbauprozessen können giftige Nitrite
auftreten.251 Nitrat trägt außerdem zur Eutrophierung der Gewässer bei,252 d.h.
aufgrund des Nährstoffüberschusses kommt es zu einer vermehrten Algen- und
Planktonproduktion, was zu einer erheblichen Sauerstoffreduktion führt.
Infolgedessen ist vor allem in stehenden Gewässern ein „Umkippen“ möglich,
wenn der Sauerstoff vollständig verbraucht ist.253 Des Weiteren können Schwermetalle wie Blei, Cadmium, Chrom, Kupfer oder Nickel ins Wasser eingebracht
werden. Diese werden meist von der chemischen Industrie im Bereich Farben und
Lacke freigesetzt. Eine hohe schädigende, toxische Wirkung im Wasser haben
auch Pestizide, die in der Landwirtschaft zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt
247
Siehe zum letztgenannten Problem im Zusammenhang mit Daten für Wallonien auch Abschnitt
6.2.3.1.
248
Vgl. Kap. 6.2.1.2.
249
Vgl. Wissenschaft Online (Hrsg.) (2003 a), vom 29.01.2004.
250
Vgl. Landesamt für Umweltschutz des Saarlandes (Hrsg.) (2001), S.2.
251
Vgl. Landesamt für Umweltschutz des Saarlandes (Hrsg.) (2001), S.3.
252
Vgl. IKSMS (Hrsg.) (1999), S.18.
253
Vgl. Wissenschaft Online (Hrsg.) (2003 b), vom 29.01.2004.
90
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
werden. Salze (z.B. Chloride und Sulfate) gelangen in die Gewässer in Form von
Abwässern bei der Kalisalzaufbereitung.
Das Grundwasser wird unter anderem auf die Bestandteile Nitrat, Sulfat und
Alkalimetalle wie Natrium und Kalium hin untersucht. 254 Erhöhte
Konzentrationen dieser Stoffe sind meist infolge von Düngemitteleinsatz in der
Landwirtschaft festzustellen. In der Region Saar-Lor-Lux hat dieser Sektor noch
eine relativ große Bedeutung. Insofern wird vermutet, dass Stoffe, die vermehrt
im Rahmen der Landwirtschaft sowohl in Oberflächengewässer als auch ins
Grundwasser eingetragen werden, für die Großregion besonders relevant sind. Zur
Beurteilung der Wasserqualität sowohl von Grund- als auch Oberflächenwasser
wird als ein Realindikator die durchschnittliche Nitratkonzentration gewählt, da
Nitrat in Düngemitteln in der Landwirtschaft eingesetzt wird. Auch auf die
gesundheitsschädigende Wirkung des Nitrats im Trinkwasser sei an dieser Stelle
nochmals hingewiesen. Die Aufbereitung von nitratverunreinigtem Wasser ist
zwar durch chemische Verfahren möglich, jedoch sehr teuer.255 Hinsichtlich der
notwendigen Eigenschaften eines Indikators erfüllt der Indikator Nitratgehalt die
Forderung nach Nachvollziehbarkeit in der Bevölkerung, er hat für die Region –
wie oben beschrieben – eine gewisse Relevanz und ist reliabel. Für Teilregionen
sind auch Zeitreihen des Indikators vorhanden, so dass eine Aussage über die
Entwicklung im Zeitablauf getroffen werden kann. Interregionale Vergleiche sind
schwierig, da den Autoren nicht bekannt ist, ob einheitliche technische
Messverfahren benutzt werden.
Zusätzlich schlagen die Autoren vor, stellvertretend für die große Anzahl von
Pestiziden die Konzentration von Atrazin, Diuron und Isoproturon als
Realindikator zu wählen.256 Der Realindikator hat eine hohe Relevanz im
Hinblick auf die Bedeutung der Landwirtschaft in der Großregion. Die drei
ausgewählten Pestizidarten gehören neben anderen im Rahmen der neuen EUWasserrahmenrichtlinie zu den „prioritär gefährlichen Stoffen zur Prüfung“257,
deren Entwicklung zukünftig verstärkt kontrolliert werden soll. Da sich die Datenverfügbarkeit als mangelhaft herausgestellt hat und noch Messprobleme
existieren, werden die Pestizide im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter beachtet,
sollten aber in zukünftigen Indikatorenkatalogen zur Beurteilung der nachhaltigen
Regionalentwicklung Saar-Lor-Lux enthalten sein.
Des Weiteren wird der Chloridgehalt als Realindikator gewählt, da die
Chloridbelastung insbesondere in der Mosel aufgrund von Produktionsrückständen der Sodafabriken im Raum Nancy ein großes Problem darstellt.258
Die Mosel kann als typischer Fluss der Großregion bezeichnet werden, da alle
254
Vgl. Landesamt für Wasserwirtschaft Rheinland-Pfalz (Hrsg.) (2001), S.34ff.
Vgl. Landesamt für Umweltschutz des Saarlandes (Hrsg.) (2001), S.2.
256
Vgl. Landesamt für Umweltschutz des Saarlandes (Hrsg.) (2002), S.4.
257
Umweltbundesamt (Hrsg.) (2003), vom 29.01.2004.
255
91
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Teilregionen mit Ausnahme von Wallonien zum Einzugsgebiet gehören. Deshalb
hat dieser Realindikator eine hinreichende Relevanz für diese Arbeit.
6.2.2.4. Bodenqualität
Idealindikatoren
Ideal wäre eine vollständige Erfassung aller vier, die Bodenqualität beeinträchtigenden Faktoren – Schadstoffe oder Organismen, Verdichtung und Erosion.
Ein Index auf dem angestrebten Aggregationsniveau ist nicht vorhanden. Auch
innerhalb einzelner der genannten Problemfelder liegen keine Indikatoren vor, die
eine vollständige Abbildung ermöglichen. Daher muss auf einzelne repräsentative
Indikatoren zurückgegriffen werden.
Realindikatoren
Unter dem stofflichen Blickwinkel ließen sich einzelne Schadstoff- bzw.
Nährstoffkonzentrationen im Boden untersuchen. Es gibt jedoch keine Zeitreihen
zu diesen möglichen Indikatoren. Einzelne Regionen führten in den betrachteten
Jahren zu unterschiedlichen Zeitpunkten Messungen durch. Zudem liegen vielfach
keine flächendeckenden Untersuchungen vor. Um bspw. die Umweltrelevanz von
Stickstoff beurteilen zu können, müsste der Anteil des mineralischen Stickstoffs
im Boden bestimmt werden. Erfasst wird allerdings in Rheinland-Pfalz beim
Stickstoff nur der Gesamtgehalt im Boden.259
Daher soll als Indikator die Siedlungs- und Verkehrsfläche vorgeschlagen werden,
die aus struktureller Perspektive Aussagen zur Bodenqualität ermöglicht. Obwohl
die Siedlungs- und Verkehrsfläche und die versiegelte Fläche nicht gleichgesetzt
werden dürfen, weil die Siedlungs- und Verkehrsfläche einen großen Teil
unbebauter und nicht versiegelter Fläche, wie z.B. Hofräume, Grünflächen,
Seitenstreifen u. a. enthält, lässt sich doch vermuten, dass ein großer Teil der
Zunahme bei dieser Flächennutzungsart auf zusätzliche versiegelte Flächen
zurückgeht. Die wachsende Siedlungs- und Verkehrsfläche verursacht zudem
Verluste der natürlichen Bodenfläche.260 Durch eine Abnahme der
Siedlungsdichte infolge von Suburbanisierungsprozessen wird zusätzlich der
Lebensraum für Flora und Fauna eingeschränkt.261 Eine damit einhergehende
einseitigere Bodennutzung führt wiederum zu einer Abnahme der Bodenqualität.
Der gewählte Indikator ist damit relevant und bildet auch die Wechselwirkungen
der Dimensionen der Nachhaltigkeit ab. Er ist zudem verständlich. Auch werden
Datenerhebungen regelmäßig durchgeführt. Auf die hinsichtlich der
258
Vgl. IKSMS (Hrsg.) (1999), S.27.
Auskunft des Landesamtes für Geologie und Bergbau Rheinland-Pfalz vom 22.12.2003.
260
Vgl. Amt für Umweltschutz des Kantons St. Gallen (Hrsg.) (2003a), vom 21.07.2003.
261
Vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.) (2002), S.107ff., sowie zur Frage der
Verteilung Abschnitt 6.2.1.3.
259
92
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Begriffsabgrenzungen zwischen den einzelnen Regionen bestehenden
Schwierigkeiten wird in der Analyse im Abschnitt 6.2.3. näher eingegangen.
6.2.2.5. Luftqualität
Idealindikatoren
Ideal wäre in diesem Bereich ein Indikator, der die Qualität der Luft direkt
ausdrücken könnte. Es müssten Luftqualitätsindizes vorhanden sein, die sowohl
über eine längere Periode, als auch für alle Regionen vorhanden wären. Zusätzlich
müsste dieser Indikator auch alle relevanten Aspekte der Luftqualität umfassen.
Den gewünschten direkten Indikator für Qualität gibt es nicht, da vielfältige
Faktoren auf die Luft einwirken. Insbesondere sind diese negativer, die Luft
verschmutzender Art, die die Qualität mindern. Deshalb zeigt diese Arbeit die
Belastung der Luft durch einen ausgewählten Schadstoff an.
Realindikatoren
Mögliche Realindikatoren sind alle Arten von Schadstoffen, die negative
Auswirkungen auf den Menschen und Ökosysteme haben. Es kann also u.a. die
Ozon-, Stickstoffoxid-, Staub- und Schwefeldioxidbelastung der Luft untersucht
werden. Es stellt sich allerdings die Frage, ob die zu beobachteten Schadstoffe in
der Gegenwart noch signifikante gesundheitsschädigende Werte aufweisen.
Teilweise sind in der Vergangenheit schon Maßnahmen ergriffen worden, die
Belastung zu reduzieren und die Werte schwanken heute weit unterhalb der
festgelegten Grenzwerte (gemäß BImSchV oder Richtlinien des Rates der
Europäischen Union). Die meisten der oben beispielhaft genannten Schadstoffe
haben inzwischen an Gewicht bei der Bewertung der Luftqualität verloren, da sie
in den letzten Jahren massiv zurückgegangen sind.262 Heute liegen sie zumeist von
einzelnen kurzfristigen Schwankungen (z.B. Ozon im Sommer 2003) abgesehen,
unterhalb der festgelegten Grenzwerte. Der einzige Schadstoff, der noch als
gängiger Verkehrsindikator eine Relevanz aufweist, ist Stickstoffdioxid (NO2) aus
dem Bereich der Stickstoffoxide (NOx).263 Wichtiger zur Begutachtung der
menschlichen Gesundheit wäre aktuell der Feinstaub PM10.264 Hierbei handelt es
sich um feinste Partikel, die sowohl menschlichen (z.B. Getreideproduktion und
-lagerung) wie auch natürlichen (z.B. Blütenpollen) Quellen entstammen können.
Das Gefährliche an diesen Feinstaubpartikeln ist, dass sie sich mit
Luftschadstoffen verbinden können und durch ihre geringe Größe sogar in die
Lunge eindringen und sich dort festsetzen können. Zeitreihen der PM10- oder
PM2,5-Werte sind jedoch noch nicht vorhanden, da eine Messung aufgrund
262
Vgl. Müller-Jung, J. (2004), S.N1.
Auskunft von Herrn J. Junk, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Klimatologie des FB
VI der Universität Trier, vom 16.12.2003.
264
Vgl. Müller-Jung, J. (2004), S.N1.
263
93
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
freiwilliger Selbstverpflichtungen in Deutschland erst seit 2001 betrieben wird.
Auf europäischer Ebene müssen festgelegte Grenzwerte erst Anfang 2005 erreicht
werden.265
Im Rahmen dieser Arbeit wird der NO2-Gehalt der Luft als Realindikator der
Qualität herangezogen. Er besitzt zum einen als Verkehrsindikator noch immer
eine gewisse Relevanz, vor allem in Ballungsgebieten, andererseits sind hier auch
Daten über eine längere Spanne vorhanden, da der Indikator bereits seit mehreren
Jahren gemessen wird. NO2 entsteht bei Verbrennungsprozessen (z.B.
Autoverkehr, industrielle Produktion), in denen sich der vorhandene Luftstickstoff
mit dem Luftsauerstoff zu Stickstoffmonoxid NO verbindet. NO reagiert in Folge
sehr schnell mit dem Sauerstoff der Luft zu Stickstoffdioxid NO2.266 Die EURichtlinie 1999/30/EG des Rates vom 22.04.1999 über Grenzwerte für
Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei in der
Luft besagt, dass die Jahresmittelwerte für Stickstoffdioxid (NO2) nicht mehr als
40 µg/m³ betragen dürfen. Dieser Grenzwert ist bis zum 31.01.2010
flächendeckend zu erreichen.267
Hinsichtlich der Indikatoreneigenschaften und -anforderungen, die im Rahmen
dieser Arbeit betrachtet werden, ist der NO2-Gehalt wie schon erwähnt relevant
zur Bewertung der Luftqualität, die Datenverfügbarkeit ist in allen Teilregionen
gewährleistet. Auch eine regelmäßig aktualisierte und hochwertige
Datengrundlage ist vorhanden. Werte zur Luftqualität werden von den einzelnen
Messstationen ständig erhoben und für unterschiedliche Interessenlagen
differenziert aufgearbeitet (z.B. Berechnung von Monats- und Jahresmittelwerten,
Maximalwerte in bestimmten Zeitperioden). Der Indikator dürfte für die
Bevölkerung nachvollziehbar sein, denn die negative Wirkung auf die Gesundheit
ist erwiesen, so dass einsichtig ist, dass eine steigende NO2-Konzentration
belastend für die Gesundheit sein kann. Begrenzt aussagefähig ist der Indikator im
Bereich der Wechselwirkungen, da eine gewisse NO2-Konzentration nicht nur an
den Orten beobachtet wird, in denen sie auch entstanden ist. Sie ist also nicht
vollständig regional beschränkt, wenn auch in Gegenden mit starkem
Verursacheraufkommen höhere NO2-Konzentrationen beobachtet werden.
Zeitliche Vergleiche sind aufgrund der Daten ohne weiteres möglich, räumliche
Vergleiche z.B. zwischen den Teilregionen sollten möglichst unterlassen werden.
Es werden unterschiedliche Messmethoden angewendet, die eine räumliche
Vergleichbarkeit vereiteln.
265
Vgl. Helbig, A.; et al. (2003), S.43f.
Vgl. Landesamt für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz (Hrsg.) (o.A. a), vom
15.01.2004.
267
Vgl. Luftqualitätsrichtlinie, Anhang II.
266
94
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
6.2.3. Graphische Darstellung und Analyse
6.2.3.1. Ressourcen
Forstfläche und Waldschäden
Abbildung 18: Anteil der Forstfläche in der Region Saar-Lor-Lux an der
Gesamtfläche (in %)
45
40
35
30
25
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002
Rheinland-Pfalz
Saarland
Lothringen
Wallonien
Luxemburg
Quelle: Eurostat Datenbank NewChronos, INSEE – Direction Régionale de Lorraine et al. (o.A.),
eigene Berechnungen.
Wie aus der obigen Abbildung ersichtlich wird, hat sich die Forstfläche nicht stark
verändert. In Wallonien ist sie leicht zurückgegangen, dagegen ist in RheinlandPfalz ein Anstieg zu vermerken. Lothringen verzeichnet bis 1998 tendenziell
einen Anstieg, ab 1999 jedoch einen leichten Rückgang der Forstfläche. Dennoch
befinden sich die Zahlen zur Forstfläche im Jahr 2002 noch auf einem höheren
Niveau als Anfang der 90er Jahre. Im Saarland stagnierte die Forstfläche. In
Luxemburg ist sie kurzfristig zurückgegangen, im Jahr 2001 wieder auf den alten
Wert gestiegen.
In Rheinland-Pfalz und Luxemburg ist der Anteil der deutlich geschädigten
Bäume (Stufe 2 bis 4) in der beobachteten Periode insgesamt stark angestiegen,
wobei das Saarland nach einem anfänglichen Anstieg seit 1995 einen sinkenden
Anteil von deutlich geschädigten Bäumen aufweist. Im Falle Walloniens wurden
Laubbäume und Nadelhölzer getrennt voneinander untersucht. Beide Arten
unterliegen im beobachteten Zeitraum starken Schwankungen, welche aber
ungefähr gleichgerichtet sind (1989-91: steigende Tendenz, bis 1994 bzw. 1995
fallende Tendenz). 1996 liegen die Werte schließlich wieder annähernd auf dem
Anfangsniveau der Beobachtung von 1989, für Laubbäume mit einer fallenden,
95
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
bei den Nadelhölzern mit einer steigenden Tendenz. Für Lothringen liegt nur ein
Wert vor, so dass keine Aussage zur Entwicklung gemacht werden kann.
Abbildung 19: Entwicklung der Waldschäden in Rheinland-Pfalz,
Saarland, Luxemburg und Wallonien. Anteil der deutlich
geschädigten Bäume (Stufen 2-4, bestehend aus mittelstark und stark
geschädigten sowie abgestorbenen Bäumen)
40
30
20
10
0
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002
Rheinland-Pfalz
Saarland
Wallonien (Laub)
Wallonien (Nadel)
Luxemburg
Quellen: Ministerium für Umwelt und Forsten Rheinland-Pfalz (Hrsg.) (2003), Statistisches
Landesamt Saarland (1999), vom 10.01.2003, Ministère de l'Environnement Luxembourg (Hrsg.)
(1998), vom 10.01.2004, Ministère de la Région wallonne (1996), vom 14.01.2003, Statistisches
Landesamt Saarland et al. (2000).
Probleme sind lediglich in der Datenbeschaffung für Lothringen aufgetreten.
Ansonsten scheint die Beobachtung der Waldschäden mit Hilfe des Stufenschemas in den Teilregionen relativ einheitlich praktiziert zu werden.
Da die Forstfläche stellvertretend für den Bestand an Holz steht, können keine
Aussagen über die Qualität der jeweiligen Bestände gemacht werden. Dazu wird
der Waldzustand gemessen an beobachteten schadhaften Bäumen herangezogen.
Steigt der Bestand an Forstfläche, ist also noch nicht gesagt, dass der Holzbestand
sich verbessert hat. Dies ist nur der Fall, wenn dabei die Qualität im Sinne einer
Reduktion oder eines Gleichbleibens der Waldschäden konstant geblieben oder
angestiegen ist.
Nach den getroffenen Annahmen und Definitionen ist die Entwicklung der
Forstfläche in Wallonien nicht nachhaltig, in den anderen Teilregionen schon,
denn tendenziell ist sie dort angestiegen oder zumindest gleich geblieben.
Allerdings ist die Abnahme in Wallonien marginal und damit zu vernachlässigen.
Ist darüber hinaus auch in anderen Bereichen der Holzvorrat pro Hektar gestiegen,
wie es im Wirtschaftswald in Rheinland-Pfalz in den vergangenen 30 Jahren der
96
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Fall war,268 so wird diese Beurteilung zusätzlich gestärkt. Gleichwohl liegen dazu
Daten für die übrigen Regionen und für nicht zum Wirtschaftswald gehörige
Waldgebiete in Rheinland-Pfalz nicht vor.
Wenn die Anzahl der deutlich geschädigten Bäume ansteigt, ist die Entwicklung
definitionsgemäß nicht nachhaltig. Somit kann in Rheinland-Pfalz und
Luxemburg nicht von Nachhaltigkeit gesprochen werden, während das
Waldschadensniveau im Saarland seit 1995 in Richtung Nachhaltigkeit geht. Bei
Lothringen sind wegen Datenmangels keine Aussagen möglich. In Wallonien ist
die Entwicklung der Schädigung von Nadelhölzern nachhaltig, denn über den
beobachteten Zeitraum ist die Anzahl der geschädigten Bäume, wenn auch unter
Schwankungen, stark zurückgegangen. Bei den Laubbäumen ist die Entwicklung
bis 1993 nachhaltig, ab 1994 steigen die Werte der Bäume mit deutlicher
Schädigung, so dass der Prozess nun nicht mehr nachhaltig ist.
Eine genaue Aussage über die nachhaltige Entwicklung der Teilregionen ist
schwierig, da ein gewisser Anteil Waldschäden nicht ohne weiteres mit einer
Zunahme der Forstfläche aufgerechnet werden kann. Definitionsprobleme dieser
Art ergeben sich für Rheinland-Pfalz und Luxemburg (Forstfläche nachhaltig,
Waldzustand nicht). Nachhaltig ist die Entwicklung im Saarland, da zumindest
seit 1995 der Anteil der deutlich geschädigten Bäume kontinuierlich zurückgegangen ist, während die Forstfläche konstant blieb. Für Lothringen ist eine
kombinierte Betrachtung der beiden Indikatoren nicht möglich, da für die
Waldschäden nur ein einziger Wert vorliegt. In der Teilregion Wallonien ist die
Entwicklung vermutlich nicht nachhaltig, da die Forstfläche zurückgegangen ist
und der Zustand der Laubbäume eine Verschlechterung erfuhr. Nur wenn die
Nadelhölzer, bei denen die Schädigung in den letzten Jahren stark
zurückgegangen ist, einen sehr hohen Anteil an den gesamten Bäumen einnimmt,
kann die Entwicklung hier noch nachhaltig sein.
Rebfläche
Nach einem anfänglich leichten Anstieg der Rebfläche in Rheinland-Pfalz bis
1992 nimmt sie seitdem fortwährend ab (Ausreißer 1997-98: einmalig
Gleichbleiben und Wiederzunahme). In Luxemburg, Lothringen und dem
Saarland bleibt die Fläche konstant, abgesehen von den Jahren 1994/95, in denen
in Lothringen ein etwas niedrigerer Wert (300 ha) als in den übrigen Jahren
vorliegt, und 1992-94, wo in Luxemburg ein etwas höherer Wert vorliegt.
Weinanbau scheint in der Teilregion Wallonien nicht betrieben zu werden,
teilweise sind die Daten nicht verfügbar bzw. vertraulich. In Rheinland-Pfalz geht
die Rebfläche zurück, der Bestand an Weinstöcken entwickelt sich gemäß der
getroffenen Definition nicht nachhaltig.
268
Vgl. Ministerium für Umwelt und Forsten Rheinland-Pfalz (Hrsg.) (1998), S.18.
97
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Abbildung 20: Entwicklung der Rebfläche gemessen an der Gesamtfläche
(in %)
4
3
2
1
0
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002
Rheinland-Pfalz
Saarland
Luxemburg
Lothringen
Quelle: Eurostat Datenbank NewChronos, INSEE – Direction Régionale de Lorraine et al. (o.A.),
eigene Berechnungen.
Für die übrigen Teilregionen kann von nachhaltiger Entwicklung gesprochen
werden, denn die Fläche bleibt abgesehen von einer temporären Änderung in
Luxemburg und Lothringen gleich. Der Indikator scheint sich jedoch am ehesten
für Rheinland-Pfalz und Luxemburg zu eignen, denn in den anderen Teilregionen
macht die Rebfläche gemessen an der Gesamtfläche nur einen verschwindend
geringen Anteil aus (z.B. Saarland: 1 km²). Über die wirtschaftliche Bedeutung
des Weines kann aufgrund dieser Flächendaten nicht immer eine treffsichere
Aussage gemacht werden. Möglich ist ein Rückschluss im Falle des Saarlandes
und Lothringens, denn bei einer derart geringen Rebfläche kann diese Ressource
keine große Rolle spielen. Bei Rheinland-Pfalz ist der Wein eine bedeutende
Sonderkultur. Dieses Bundesland ist innerhalb Deutschlands der größte
Weinhersteller.269
Naturschutzfläche
Daten liegen für die Naturschutzfläche nur für Rheinland-Pfalz vor. Im
beobachteten Zeitraum seit 1994 hat diese dort stark und kontinuierlich
zugenommen.
Wallonien scheint ebenfalls die Naturschutzflächen zu erheben. Allerdings haben
die Autoren Abgrenzungsschwierigkeiten bei den verschiedenen in Wallonien
erhobenen Flächen und Daten. Es sei dennoch darauf hingewiesen, dass dort fünf
verschiedene Lebensräume von besonderer Bedeutung für die Bewahrung
269
Vgl. Borsch, S. et al. (2003b), S.4.
98
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
natürlicher Schätze untersucht werden: Heimische natürliche Reserven,
Forstreserven, aggregierte natürliche Reserven, Feuchtzonen von biologischem
und unterirdische Höhlen von wissenschaftlichem Interesse.270 Unklar ist dabei,
welche Abgrenzung der Begrifflichkeit in Deutschland entspricht.
Abbildung 21: Entwicklung der Naturschutzfläche in der Region
Rheinland-Pfalz (in ha)
40.000
35.000
30.000
25.000
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003
Rheinland-Pfalz
Quellen: Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz (2003).
Gemäß den getroffenen Definitionen ist die Flächenentwicklung der Naturschutzgebiete in Rheinland-Pfalz nachhaltig. Die entsprechende Fläche hat zugenommen
und schafft daher mehr Raum für die Entfaltung der Arten. Ob es dazu in der
Realität wirklich kommt, könnte nur ein Qualitätsindikator, der die Artenvielfalt
bzw. die Abnahme oder Bedrohung derselben (z.B. Rote Liste) direkt misst,
anzeigen. Zu einem solchen Indikator wurden im Rahmen dieser Arbeit allerdings
keine in Zeitreihen vorhandenen Daten gefunden.
6.3.3.2. Wasserqualität
Vorab sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass sich die Datenrecherche im
Bereich Wasser als sehr problematisch dargestellt hat. In allen Teilregionen
werden Daten hinsichtlich der Wasserqualität erhoben. Entsprechende Berichte
werden auch bei den jeweiligen Umweltämtern bzw. verantwortlichen
Institutionen veröffentlicht, meist sogar im Internet. Allerdings hat sich gezeigt,
dass unterschiedliche Darstellungsformen angewandt werden, die nicht miteinander zu verknüpfen sind. Darüber hinaus werden bei der Wasseranalyse auch
fachliche Grenzen der Autoren deutlich. Im Folgenden wird deswegen der
270
Vgl. Ministère de la Région wallonne–DGRNE (Hrsg.) (o.A. a), vom 14.01.2004.
99
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Versuch unternommen, Wasserqualität hinsichtlich der Komponenten Grundwasser und Oberflächenwasser für jede Teilregion einzeln zu analysieren. Der
Leser sollte sein Augenmerk weniger auf absolute Messergebnisse als auf die
relative Entwicklung innerhalb einzelner Regionen richten. Als Orientierung und
zur Einordnung der Größenordnung der jeweiligen Konzentrationen sei auf
entsprechende Grenzwerte im Trinkwasser hingewiesen. Der Nitratgehalt darf im
Trinkwasser nicht größer als 50 mg/l sein.271
Durchschnittliche Nitratkonzentration im Grundwasser
Abbildung 22: Nitratgehalt im Grundwasser in der Region RheinlandPfalz
50
40
30
20
10
0
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
ØNitratgehalt (mg/l)
Quelle: Landesamt für Wasserwirtschaft Rheinland-Pfalz (2002), eigene Berechnungen.
Wie aus der Grafik ersichtlich wird, hat sich die Nitratkonzentration unter
Schwankungen im Beobachtungszeitraum erhöht, insofern kann die Entwicklung
in Rheinland-Pfalz nicht als nachhaltig bezeichnet werden. Prinzipiell müssten
allerdings weitere Eigenschaften hinsichtlich der Messdaten und deren Datengrundlage überprüft werden. So wird die Datenmenge vom Landesamt für
Wasserwirtschaft Rheinland-Pfalz selbst als inhomogen bezeichnet.272 Einerseits
sind nicht alle Messstellen im ganzen Beobachtungszeitraum im Messprogramm
enthalten, andererseits sind die Probeentnahmeintervalle im Zeitablauf auch nicht
gleich groß. Gerade beim Grundwasser hat auch die Auswahl der Messstellen im
Hinblick auf die jeweiligen geologischen Verhältnisse einen entscheidenden
Einfluss auf die Messergebnisse. Standortbezogen sind natürliche Hintergrund271
Vgl. Nitratrichtlinie, Anhang I, A.2.
Auskunft von Herrn. Plaul, Leiter der Abteilung Grundwasserbeschaffenheit beim Landesamt
für Wasserwirtschaft Rheinland-Pfalz, vom 28.01.04.
272
100
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
belastungen von etwa 15 mg/l zu erwarten.273 Auch Umweltbedingungen wie
Niederschlag und Verdunstung wirken sich auf die Messergebnisse aus. Trotz der
methodischen Probleme durch die Nutzung von Durchschnittswerten als Indikator
sei aber darauf hingewiesen, dass auch das Landesamt für Wasserwirtschaft in
Rheinland-Pfalz nach detaillierten Analysen zu dem Ergebnis kommt, dass der
Nitrateintrag im Grundwasser gerade unter landwirtschaftlichen Nutzflächen
„nach wie vor auf zu hohem Niveau stattfindet“274.
Abbildung 23: Nitratgehalt im Grundwasser in der Region Saarland
Quelle: Landesamt für Umweltschutz des Saarlandes (Hrsg.) (2001), S.5.
Es ist den Autoren nicht gelungen Datentabellen mit einzelnen Messwerten für
das Saarland zu bekommen. Stellvertretend wird hier auf den Bericht zur
Nitratbelastung des Grundwassers im Saarland von 1980-2000 Bezug genommen.
Danach ergibt sich eine Entwicklung auf nahezu gleichbleibendem Niveau im
Saarland, was also im Rahmen dieser Arbeit als nachhaltig zu bezeichnen ist.
Auch für das Saarland wird darauf hingewiesen, dass die Nitratkonzentration
unter landwirtschaftlich genutzten Flächen deutlich höher ist.275 Des Weiteren sei
auch an dieser Stelle auf die messtheoretischen Probleme hinsichtlich des
gewählten Realindikators verwiesen.
Für Wallonien liegen die Daten bereits in aggregierter Form für die Zeiträume
1996-99 sowie 2000-02 vor. Wie aus der Grafik ersichtlich ist, hat sich die
Nitratkonzentration leicht erhöht, was als nicht nachhaltig bezeichnet werden
kann. In Wallonien liegt die natürliche Nitratbelastung bei ca. 10 mg/l. Die
273
Vgl. Landesamt für Wasserwirtschaft in Rheinland-Pfalz (2001), S.34.
Landesamt für Wasserwirtschaft in Rheinland-Pfalz (2001), S.36.
275
Vgl. Landesamt für Umweltschutz des Saarlandes (Hrsg.) (2001), S.6.
274
101
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Zunahme wird mit Hinweis auf gesteigerte landwirtschaftliche Aktivitäten und
punktuelle Umweltverschmutzungen erklärt.276
Abbildung 24: Nitratgehalt im Grundwasser in der Region Wallonien
50
40
30
20
10
0
1996-99
2000-02
ØNitratgehalt (mg/l)
Quelle: Ministère de la Région wallonne – DGRNE (o.A. c), eigene Berechnungen.
Für Luxemburg und Lothringen konnten keine Daten hinsichtlich der
Nitratkonzentration im Grundwasser gefunden werden. Die Autoren gehen aber
dennoch davon aus, dass die Daten erhoben werden. Alleine schon aufgrund
verschiedenster EU-Regelungen im Bereich Trinkwasser müssten Daten zur
Grundwasserqualität erhoben werden.
Durchschnittliche Nitratkonzentration in Oberflächengewässern
Anfragen der Autoren z.B. bei der Internationalen Kommission zum Schutz der
Mosel und der Saar waren bis Abgabe des Endberichtes nicht erfolgreich. Die
Kommission ist als länderübergreifende Institution in der Großregion (mit
Ausnahme von Wallonien) für die Wasserqualität von Mosel und Saar zuständig
und kann prinzipiell die benötigten Daten zur Verfügung stellen. Leider ist dies
bis zum Abschluss dieses Projektes nicht mehr möglich gewesen.
276
Vgl. Ministère de la Région wallonne–DGRNE (2003), S.41, vom 29.01.2004.
102
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Abbildung 25: Nitratgehalt der Oberflächengewässer in der Region
Rheinland-Pfalz
6
5
4
3
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
Ø Nitratgehalt (mg/l)
Quelle: Landesamt für Wasserwirtschaft Rheinland-Pfalz (Hrsg.) (2002), S.41.
Für Rheinland-Pfalz liegen keine flächendeckenden Messdaten für Gewässer vor.
Exemplarisch wird die Entwicklung der Nitratkonzentration von Mosel und Saar
in Rheinland-Pfalz dargestellt. Die Daten, die dem Bericht Gewässergüte der
Mosel in Rheinland-Pfalz 1964-2000 vom Landesamt für Wasserwirtschaft
Rheinland-Pfalz entnommen wurden, liegen nicht als Durchschnittswerte sondern
als 90-Perzentil-Werte vor.277 Der 90-Perzentil-Wert als ein Verteilungswert sagt
aus, dass 90% der Beobachtungswerte unterhalb des angegebenen Wertes liegen.
Insofern können die 90-Perzentil-Werte in diesem Fall als eine Art Maximalwert
verstanden werden, wobei die höchsten Werte abgeschnitten und nicht betrachtet
werden. Da es sich bei den Daten hinsichtlich des Skalenniveaus um metrische
Daten handelt, ist es möglich, ein arithmetisches Mittel der 90-Perzentil-Werte
einzelner Messstationen in einem Jahr zu berechnen, so dass eine Entwicklung im
Zeitablauf deutlich wird.
Es ist eine leicht schwankende Entwicklung zu erkennen, wobei gegen Ende der
Dekade im Vergleich zu 1990 eine leichte Reduzierung der Nitratkonzentration
festgestellt werden kann. Insofern kann von einer nachhaltigen Entwicklung
gesprochen werden.
277
Vgl. Landesamt für Wasserwirtschaft Rheinland-Pfalz (Hrsg.) (2002), S.41.
103
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Abbildung 26: Nitratgehalt der Oberflächengewässer in der Region
Saarland
20
15
10
5
0
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002
Ø Nitratgehalt (mg/l)
Quelle: Umweltministerium des Saarlandes (2002), eigene Berechnungen.
Die Nitratkonzentration der Oberflächengewässer im Saarland zeigt eine leicht
schwankende Entwicklung mit sinkender Tendenz, allerdings auf hohem Niveau.
Gemäß der in dieser Arbeit gewählten Regel ist diese Entwicklung als nachhaltig
zu bezeichnen. Die absoluten Daten liegen allerdings innerhalb des von der
Internationalen Kommission zum Schutz der Mosel und der Saar (IKSMS)
vorgeschlagenen Güteklassesystems in der mittleren Kategorie, was einer
beträchtlichen Belastung entspricht.278
Für Wallonien liegen nur Messdaten für die Jahre 1994 und 2000 vor. Es zeigt
sich eine minimale Erhöhung der durchschnittlichen Nitratkonzentration. Die
Erhöhung ist allerdings sehr gering und es liegen nur zwei Werte vor, so dass
keine Aussage zur Nachhaltigkeit getroffen werden kann.
Für Luxemburg und Lothringen wurden keine Daten hinsichtlich der
Nitratkonzentration in den Oberflächengewässern gefunden.
278
Vgl. IKSMS (Hrsg.) (1999), S.8.
104
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Durchschnittliche Chloridkonzentration in Oberflächengewässern
Abbildung 27: Chloridgehalt der Oberflächengewässer in der Region
Rheinland-Pfalz
500
400
300
200
100
0
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
Ø Chloridgehalt (mg/l)
Quelle: Landesamt für Wasserwirtschaft Rheinland-Pfalz (Hrsg.) (2002), S.57.
Wie die obige Abbildung zeigt, hat sich die Chloridkonzentration bei Mosel und
Saar in Rheinland-Pfalz verringert. Bzgl. der Verwendung der 90-Perzentile sei
nochmals auf die Anmerkungen bei der Analyse der Messdaten zur
Nitratkonzentration verwiesen. Allerdings basiert die Reduktion wohl lediglich
auf einer Verdünnung durch die Zuflüsse von Saar und Sauer.279
Daten zum Chloridgehalt wurden lediglich für Rheinland-Pfalz gefunden und
ausgewertet.
Zur Wasserqualität in der Großregion
Für Rheinland-Pfalz ergibt sich ein uneinheitliches Bild. Die Wasserqualität des
Grundwassers hat sich verschlechtert, wohingegen bei der Qualität der
Oberflächengewässer eine Verbesserung zu erkennen ist. Im Saarland kann beim
Grundwasser von einer Entwicklung auf ähnlichem Niveau gesprochen werden.
Bei den Oberflächengewässern ist eine leicht sinkende Tendenz zu erkennen. In
Wallonien hat sich die Grundwasserqualität verschlechtert, für die Oberflächengewässer kann aufgrund der Datenlage keine Aussage getroffen werden.
Luxemburg und Lothringen sind aus der Betrachtung herausgefallen, da es den
Autoren nicht gelungen ist, Messergebnisse aufzufinden bzw. von den
Institutionen zu erhalten.
279
Vgl. Landesamt für Wasserwirtschaft Rheinland-Pfalz (Hrsg.) (2002), S.58.
105
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
6.2.3.3. Bodenqualität
Abbildung 28: Entwicklung der Siedlungs- und Verkehrsfläche in
Rheinland-Pfalz, Saarland, Luxemburg und Wallonien (in %)
25
20
15
10
5
0
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003
Rheinland-Pfalz
Saarland
Luxemburg
Wallonien
Quellen: Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz (2003), Statistisches Bundesamt (Hrsg.)
(2001b), vom 25.01.2004, STATEC (Hrsg.) (2003), vom 25.01.2004, Statistisches Bundesamt
(Hrsg.) (2003), vom 30.11.2003, Ministère de la Région wallone – DGRNE (Hrsg.) (o.A. e),
eigene Berechnungen.
Wie aus der Grafik entnommen werden kann, nimmt die Siedlungs- und
Verkehrsfläche in Rheinland-Pfalz, Saarland, Luxemburg und Wallonien im
beobachteten Zeitraum stark und beständig zu. Die Entwicklung ist daher nicht
nachhaltig.
In den einzelnen Teilregionen werden die Flächennutzungsarten unterschiedlich
klassifiziert. Daraus resultieren abweichende Begriffe des zu messenden
Sachverhaltes. Welcher französische Begriff jeweils mit der Siedlungs- und
Verkehrsfläche gleichzusetzen ist, konnte aufgrund fehlender oder unklarer
Erläuterungen im Falle Walloniens und Luxemburgs nicht eindeutig festgestellt
werden. Für Wallonien sind in der Tabelle die Werte der terres bâties
ausgewiesen, welche offenbar zusätzlich die Wasserflächen enthalten.280 Da
jedoch eine Zunahme derselbigen zu vernachlässigen sein dürfte und weil Daten
im zweijährigen Turnus ausgewiesen sind, wurde auf diese Quelle
zurückgegriffen. Die im statistischen Jahrbuch der Großregion als Surface bâtie
ausgewiesene Fläche ist mit 1.110 km² deutlich kleiner, ein Wert liegt allerdings
nur für 1997 vor.281 Unterschiedliche Werte aufgrund differierender Termini
wurden auch für Luxemburg gefunden. Neben „sols bâtis et voies de
280
281
Vgl. Ministère de la Région wallonne–DGRNE (o.A. b), vom 05.12.2003.
Vgl. Statistisches Landesamt Saarland et al. (2000), S.121.
106
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
communication“282 werden Werte für die „Surfaces bâtie“283 ausgewiesen.
Aufgrund der Verfügbarkeit zweier Daten, die sich über den gesamten
Untersuchungszeitraum erstrecken, und der Nähe zur Definition im statistischen
Jahrbuch der Großregion, wurden für die Analyse Werte aus STATEC
entnommen. Die Daten aus der zuerst genannten Abgrenzung weisen allerdings
auf den gleichen Trend, eine Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche, hin.
Bei Lothringen ist es soweit nicht möglich eine Aussage zu treffen, weil keine
Daten vorhanden sind bzw. gefunden werden konnten. Liegt auch in dieser
Teilregion eine steigende Siedlungs- und Verkehrsfläche vor, so lässt sich
schlussfolgern, dass in der Großregion Saar-Lor-Lux eine steigende
Bodenbelastung und damit in diesem Bereich eine nicht nachhaltige Entwicklung
zu verzeichnen ist.
6.2.3.4. Luftqualität
Abbildung 29: Entwicklung der NO2-Konzentration in der Luft in der
Großregion (in µg/m3)
50
40
30
20
10
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003
Rheinland-Pfalz
Saarland
Lothringen
Wallonien
Luxemburg
Quellen: Statistisches Landesamt Saarland (2003), vom 30.11.2003, Landesamt für Umweltschutz
und Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz (o.A. b), vom 10.12.2003, Ministère de l’Environnement
Luxembourg (Hrsg.) (2003), S. 40, vom 05.12.2003, Ministère de la Région wallone – DGRNE
(Hrsg.) (o.A. f), vom 05.12.2003, Ministère de l’Ecologie et du Développement durable; ADEME
(Hrsg.) (o.A.).
Wie in der obigen Abbildung ersichtlich, ist die NO2-Konzentration in RheinlandPfalz, dem Saarland und Lothringen über den beobachteten Zeitraum
Ministère de l’Environnement Luxembourg (Hrsg.) (2002), S.26, vom 05.12.2003.
STATEC (Hrsg.) (2003), sowie Statistisches Landesamt Saarland et al. (2000), S.121, vom
05.12.2003.
282
283
107
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
zurückgegangen. Heutige NO2-Werte sind wesentlich niedriger als noch vor
einigen Jahren, so dass die Entwicklung nachhaltig ist. In Luxemburg ist der
Anteil an Schadstoffen nach anfänglichem Rückgang seit 1994 wieder leicht
angestiegen, liegt aber noch unter dem von der EU festgelegten Grenzwert. In
Wallonien blieb das Niveau der Schadstoffkonzentration unter Berücksichtigung
einzelner Schwankungen relativ konstant.
Generell ist eine vorsichtige Interpretation der Daten empfehlenswert. Was die in
der Grafik vorgestellten Werte nicht sagen:
1. In Ballungsgebieten ist die NO2-Konzentration meistens noch weit über den
von der EU festgelegten 40 µg/m³.
2. Die Verteilung der Messstationen ist entscheidend für den jeweiligen
Gesamtdurchschnitt der Werte einer Region, d.h.: das generell höhere
Schadensniveau in Rheinland-Pfalz gegenüber den anderen Regionen kann z.B.
auch von einem höheren Anteil der städtischen Messstationen an den gesamten
Stationen in Rheinland-Pfalz determiniert sein.
3. Die Jahresmittelwerte lassen keine Aussagen über eventuell erreichte
kurzfristige Maximalwerte der NO2-Konzentration zu, die vielleicht sehr negative
Auswirkungen auf z.B. die Gesundheit hat.
Abgesehen von Luxemburg ist die Entwicklung der Luftschadstoffkonzentration
nachhaltig, da sie abgenommen hat, bzw. konstant geblieben ist. Doch auch in
Luxemburg sind die Anstiege marginal und die Werte befinden sich zudem noch
unter der EU-Richtlinie.
6.2.4. Wechselwirkungen innerhalb des Naturkapitals
Im Folgenden werden die vermuteten Wechselwirkungen innerhalb des
Naturkapitals dargestellt und anhand der Daten überprüft, ob bei Zielkonflikten
tatsächlich eine gegenläufige und bei Zielharmonien eine gleichgerichtete
Entwicklung zu beobachten ist. Dabei werden jedoch diejenigen Indikatoren
ausgeklammert, bei denen Daten nur für eine Region oder in zu geringem Umfang
vorliegen. Die in die Untersuchung einbezogenen Indikatoren und deren
Entwicklung sind in der Tabelle 1 zusammengestellt worden, wobei im Hinblick
auf die Nachhaltigkeit der Großregion positive Entwicklungen mit einem Plus,
negative mit einem Minus und neutrale Entwicklungen mit einer Null
gekennzeichnet wurden. Nicht bei allen gegenläufigen oder gleichgerichteten
Entwicklungstendenzen bestehen allerdings kausale Zusammenhänge, so dass im
Folgenden nur auf vermutete Wechselwirkungen eingegangen wird.
108
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
NO2-Konzentration
Siedlungs- und Verkehrsfläche
Nitrat - Oberflächengewässer
Nitrat - Grundwasser
Rebfläche
Forstfläche
Waldschäden
Tabelle 1: Wechselwirkungen der Indikatoren des Naturkapitals
+
Forstfläche
+/+
+/-
+/+
+/0
+/+
+/-
+/+
-
Waldschäden
-/+
-/-
-/+
-/0
-/+
-/-
-/+
+
Rebfläche
+/+
+/-
+/+
+/0
+/+
+/-
+/+
0
Nitrat - Grundwasser
0/+
0/-
0/+
0/0
0/+
0/-
0/+
+
Nitrat - Oberflächengewässer
+/+
+/-
+/+
+/0
+/+
+/-
+/+
-
Siedlungs- und
Verkehrsfläche
-/+
-/-
-/+
-/0
-/+
-/-
-/+
+
NO2-Konzentration
+/+
+/-
+/+
+/0
+/+
+/-
+/+
Anmerkung:
+ = positive Entwicklung
- = negative Entwicklung
0 = Konstanz
Quelle: eigene Erstellung
Es wird ein Zusammenhang zwischen der Forstfläche und der Siedlungs- und
Verkehrsfläche angenommen. Möglich ist, dass die Forstfläche zunimmt, wenn
die Siedlungs- und Verkehrsfläche abnimmt und umgekehrt. Die gemessenen
Daten bestätigen diese Harmoniebeziehung nicht, da in der Großregion sowohl
die Siedlungs- und Verkehrs- wie auch die Forstfläche entweder zugenommen hat
oder annähernd gleich geblieben ist. Dies lässt darauf schließen, dass es weitere
flächenmäßige Nutzungsarten gibt, die zugunsten der betrachteten Flächen
abgenommen haben, z.B. die Rebfläche. Eine Betrachtung der Daten zeigt, dass
jene für Rheinland-Pfalz minimal abgenommen hat, während sie für die anderen
Teilregionen – von einmaligen Veränderungen abgesehen – weitgehend konstant
geblieben ist. Allerdings kann die leichte Abnahme dieser Bodennutzungsart in
Rheinland-Pfalz nicht allein den Raum für die stärkere Ausweitung der Siedlungsund Verkehrsfläche gestellt haben. Deshalb muss es noch immer Flächennutzungsarten geben, die zugunsten der Siedlungs- und Verkehrsfläche
abgenommen haben. Eine mögliche Harmoniebeziehung besteht zwischen der
Forstfläche und einer verbesserten Luftqualität unter der Voraussetzung, dass die
NO2-Belastung abnimmt, wenn die Forstfläche ansteigt. Bei Betrachtung der
vorhandenen Daten wird deutlich, dass in Rheinland-Pfalz und Lothringen von
1990-2003 die Forstfläche tendenziell leicht gestiegen ist und dabei die NO2Konzentration der Luft zurückgegangen ist. Diese Ergebnisse bestätigen die
vermuteten Zusammenhänge.
109
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Es kann eine Harmoniebeziehung hinsichtlich der notierten Waldschäden und der
Nitratkonzentration des Grundwassers existieren. Da die Bäume ihre Nährstoffe
aus dem Boden beziehen, ist eine Vergiftung durch nitratbelastetes Grundwasser
nicht auszuschließen. Die Daten bestätigen diesen Zusammenhang für RheinlandPfalz und das Saarland. In den 90er Jahren ist der Anteil deutlich geschädigter
Bäume in Rheinland-Pfalz gewachsen, während eine gleichgerichtete
Entwicklung der Nitratbelastung des Grundwassers vorliegt. Im Saarland ist die
Nitratbelastung zwar gleich geblieben, jedoch sind seit 1995 deutlich weniger
Bäume geschädigt worden als zuvor. Dies kann auf die ausbleibende
Mehrbelastung durch Nitrat zurückzuführen sein. Für Luxemburg, Wallonien und
Lothringen kann aufgrund des herrschenden Datenmangels keine Aussage
gemacht werden.
Zwischen Luft und Waldschäden wird seitens der Autoren ebenfalls eine
Harmoniebeziehung vermutet, diese bestätigt sich bei Betrachtung der Daten
jedoch nur teilweise im Saarland. Dort ist die NO2-Konzentration im betrachteten
Zeitraum stark zurückgegangen, während der Anteil deutlich geschädigter Bäume
seit 1995 auch zurückgegangen ist. Allerdings ist ein Rückschluss von der NO2Konzentration auf Waldschäden nicht unproblematisch, da sich der
Zusammenhang in den anderen Teilregionen nicht auf diese Weise bestätigt hat,
außerdem gibt es eine große Anzahl weiterer Faktoren, die einen Einfluss haben
können. Zusätzlich wird vermutet, dass die Nitratkonzentration der
Oberflächengewässer und des Grundwassers in einer Harmoniebeziehung stehen.
Bei Untersuchung der Daten zeigt sich, dass in Rheinland-Pfalz die
Nitratbelastung
des
Grundwassers
angestiegen
ist,
während
die
Oberflächengewässer (hier: Saar und Mosel) konstante Werte bzw. einen leichten
Rückgang verzeichnen. Dies spricht gegen den vermuteten Zusammenhang. Für
das Saarland ist die Beziehung eher gültig, denn hier ist der Nitratgehalt des
Grundwassers in der beobachteten Periode relativ gleich geblieben, während er für
die Oberflächengewässer eine leichte Abwärtstendenz aufweist. Letztendlich
vermuten die Autoren eine Zielharmonie zwischen der NO2-Konzentration der
Luft und der Siedlungs- und Verkehrsfläche. Geht letztere zurück, sinkt demnach
die NO2-Konzentration und umgekehrt. Für die vier Teilregionen (RheinlandPfalz, Saarland, Wallonien und Luxemburg), für welche Daten zur Siedlungs- und
Verkehrsfläche vorhanden sind, ist der vermutete Zusammenhang nicht gültig,
denn die NO2-Konzentration ist zurückgegangen oder zumindest gleich geblieben,
während die Siedlungs- und Verkehrsfläche zugenommen hat.
Insgesamt zeigt sich, dass eine Betrachtung nur zweier Faktoren bei der Analyse
der Wechselbeziehungen nicht ausreicht und zudem hierfür eine bessere
Abbildung ökosystemarer Zusammenhänge notwendig wäre.
110
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
6.2.5. Fazit: Die Entwicklung im Bereich des Naturkapitals
Die Entwicklung der einzelnen Komponenten des Naturkapitals ist nicht
einheitlich. Verbesserungen oder wenigstens einer Konstanz der Luftqualität in
allen Teilregionen stehen Zunahmen der Siedlungs- und Verkehrsfläche und
damit Abnahmen der Bodenqualität gegenüber. Bei den Ressourcen steht einer
tendenziell eher nicht nachhaltigen Entwicklung im Bereich der Wälder aufgrund
der zunehmenden Waldschäden bei annähernder Konstanz der Forstflächen eine
Zunahme der Naturschutzfläche in Rheinland-Pfalz sowie eine Konstanz der
Rebflächen in allen Teilregionen außer Rheinland-Pfalz gegenüber. Dort ist ein
Rückgang der Rebflächen zu verzeichnen. Insgesamt ist damit innerhalb dieser
Komponente eine leicht negative Tendenz erkennbar. Die Wasserqualität ist im
Bereich des Grundwassers im Durchschnitt konstant geblieben. Bei den
Oberflächengewässern ist eine positive Entwicklung zu konstatieren. Insofern ist
hier insgesamt eine leicht positive Entwicklung zu verzeichnen. An
Wechselwirkungen sind vor allem Harmoniebeziehungen vermutet worden, die
sich in Teilen bestätigt haben. Die Zielkonflikte im Bereich der Bodennutzung
fanden keine Bestätigung. Werden alle vier Komponenten gleich gewichtet, so ist
insgesamt eine neutrale Entwicklung festzustellen.
Allerdings ist eine solche generelle Aussage zur Nachhaltigkeit im Bereich des
Naturkapitals vor allem aufgrund des Datenmangels bzw. der eher geringen
Vergleichbarkeit der Indikatorenwerte zwischen den Teilregionen in einigen
Teilkomponenten mit Unsicherheiten behaftet. Gerade bei den Komponenten
Ressourcen und Wasser erscheinen konzeptionelle Überarbeitungen und
Erweiterungen möglich und ist zudem eine Verbesserung der Datenlage
notwendig, um mit hinreichender Sicherheit Aussagen zur Nachhaltigkeit treffen
zu können. Wünschenswert wäre insgesamt eine noch stärkere Integration
ökosystemarer Zusammenhänge in die Überlegungen, die jedoch Fortschritte in
der Erforschung der Wechselbeziehungen sowie Weiterentwicklungen von
methodischen Konzepten zur Aggregation voraussetzen, um eine Ausdehnung der
Anzahl der Indikatoren auf eine unübersichtliche und einem breiteren Publikum
schwer vermittelbare Fülle zu verhindern.
111
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Anhang: Datenlage und Erfahrungen bei der Datenrecherche
Im folgenden Abschnitt sollen die Erfahrungen bei der Datenrecherche dargestellt
werden. Grundsätzlich als problematisch hat es sich im Rahmen des
Forschungsprojektes erwiesen, dass es gerade im Bereich Natur und Umwelt
keine zentrale Institution in Saar-Lor-Lux gibt, die Daten aller Teilregionen
bündelt und veröffentlicht. So wurde zur Datenrecherche auf die Umweltbehörden
und zuständigen Ministerien, die einzelnen statistischen Ämter sowie Verbände
der einzelnen Teilregionen zurückgegriffen. Mit der Kooperation der statistischen
Ämter der Großregion und der entsprechenden Internetpräsenz wurde ein Anfang
gemacht. Allerdings sind die zur Verfügung gestellten Daten im Bereich Natur
und Umwelt rudimentär. Darüber hinaus werden dort auch keine Zeitreihen
veröffentlicht.284 Die gesuchten Umweltdaten konnten auch von Eurostat nicht zur
Verfügung gestellt werden. Also wurde seitens der Autoren z.B. für die
Komponente Boden auf Struktur- bzw. Flächendaten hilfsweise zurückgegriffen.
Die Verfügbarkeit von Flächendaten wie z.B. Siedlungs- und Verkehrsfläche und
Naturschutzfläche ist relativ gut. Allerdings hat sich gerade bei der Siedlungs- und
Verkehrsfläche das Problem divergierender Begriffsabgrenzungen und
Definitionen gezeigt, als versucht wurde, Daten verschiedener Quellen
miteinander zu vergleichen.285 Definitionen und Methodenerläuterungen werden
meist auch nicht bereitgestellt, was wiederum gewisse Interpretationsschwierigkeiten geschaffen hat.
Kaum Probleme gab es im Bereich Luftschadstoffe. Für den Indikator Stickstoffgehalt konnten vergleichbare Daten in allen Teilregionen gefunden werden.
Problematisch war insbesondere die Datensuche für die Komponenten Ressourcen
und Wasser. Hinsichtlich der Ressourcen liegen die Probleme vor allem in der
Tatsache begründet, dass hierzu kaum Bestands- oder Qualitätsdaten erfasst
werden. So wurden in Teilen hilfsweise wiederum Flächendaten zur Analyse
herangezogen. Hoffnung setzen die Autoren hier auf Bestrebungen hinsichtlich
der Entwicklung einer umweltökonmischen Gesamtrechnung, die auch
Materialströme und Input-/ Outputrechnungen beinhalten wird. Allerdings liegen
die Daten noch nicht regional vor, und es gibt auch Unterschiede in den Ansätzen
der einzelnen europäischen Länder.
Im Bereich Wasser zeigt sich wieder das grundsätzliche Problem, dass die Daten
nicht in einer zentralen Institution gebündelt werden. Bei der Recherche in den
Teilregionen konnten zumeist nur entsprechende Wassergüteberichte gefunden
werden. Diese Berichte enthalten allerdings ausgewertete und aufbereitete Daten
in Form von Grafiken. Datentabellen werden i.d.R. nicht mitgeliefert. Einzelne
explizite Anfragen, z.B. hinsichtlich des Nitratgehaltes des Grundwassers in
284
285
Vgl. Die statistischen Ämter der Großregion (2004)
Vgl. Kapitel Boden
112
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Rheinland-Pfalz und der Oberflächengewässer im Saarland, führten bei den
entsprechenden Wasserwirtschaftsbehörden zum Erfolg, so dass uns
Datentabellen, d.h. Messergebnisse zur Verfügung gestellt wurden, die dann
ausgewertet werden konnten. Die Anfrage bei der IKSMS, die Daten zur
Wasserqualität von Mosel und Saar zu allen Teilregionen mit Ausnahme von
Wallonien erfassen, führte leider bis zum Abschluss der Arbeit nicht zum Erfolg.
Hier kann aus Sicht der Autoren ein Anknüpfungspunkt für weitere
Forschungsprojekte sein. In den französischsprachigen Teilregionen konnte die in
Rheinland-Pfalz und Saarland erfolgreich eingesetzte Strategie der konkreten
telefonischen Ansprache bei den verschiedenen Umweltämtern aufgrund
sprachlicher Barrieren nicht umgesetzt werden. Einzelne Anfragen per E-Mail
z.B. an das französische Umweltamt IFEN blieben ohne Reaktion. Gerade in
Frankreich führte die Vielzahl möglicher teils regionaler, teils überregionaler
Institutionen zu Verwirrungen.
Abschließend kann festgestellt werden, dass aus Sicht der Autoren eine
Ausweitung der Kooperation der Statistischen Landesämter der Großregion
wünschenswert wäre. Die Autoren empfehlen die Aufnahme mehrerer
Umweltindikatoren in den Katalog der bereitgestellten Daten. Damit einher geht
die Fortführung der bereits angefangenen Vereinheitlichung von
Begriffsabgrenzungen und Messverfahren. Außerdem würde die zukünftige
Forschung erleichtert, wenn wie im Falle Walloniens zusätzlich zu den
entsprechenden
Entwicklungsund
Qualitätsberichten
für
einzelne
Umweltbereiche auch die zugrunde liegenden Datentabellen separat als Dateien
im Excel-Format von der Internetseite heruntergeladen werden könnten.
113
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Tabelle 2: Datenrecherche zur Ermittlung der Indikatoren im
Naturkapital
Bereiche &
Indikatoren
Allgemeines
Quellen
Großregion
Lothringen
Luxemburg
- Internetauftritt der
Großregion Saar-Lor Lux,
http://www.grossregion.lu
- Institut Français de
l'Environnement,
http://www.ifen.fr
mehrere Anfragen blieben
unbeantwortet
- IFEN: Ensemble Intégré
des Descripteurs de
l’Environnement Régional
(EIDER) – CD ROM 2002
konnte leider nicht
eingesehen werden
Saarland
- Statec,
http://statec.gouvernement.lu
- Statistisches Landesamt,
http://www.statistik.rlp.de
-Statistisches Landesamt,
http://www.statistik.saarland
.de
- L’état de l’environnement
Wallon,
http://environnement.Wallonie
n.be/eew
-Ministerium für Umwelt und
Forsten,
http://www.muf.rlp.de
Großregion
- Eurostat: Datenbank New
Chronos - Bodennutzung in
ha aus der Agrarstatistik der
Regionalstatistiken
(theme1/regio/agri-r/a2land)
Rheinland-Pfalz
- Statistisches Landesamt:
Statistisches Taschenbuch,
diverse Jahrgänge
Großregion
- Statistische Landesämter
für Saarland und RheinlandPfalz, Statec, INSEEDirection régionale de
Lorraine, Ministère de la
Région wallonne (2000):
- Statistisches Jahrbuch
"Saar-Lor-Lux-RheinlandPfalz-Wallonien 2000"
-Umweltministerium,
http://www.umwelt.saarland.
de
Lothringen
- Direction régionale de
l’environnement
http://www.lorraine.environn
ement.gouv.fr/
keine Daten veröffentlicht
Saarland
- Statistisches Landesamt:
Statistisches Jahrbuch,
diverse Jahrgänge
Lothringen
- L’Office nationale de forêts
http://www.onf.fr/actu/index.
htm
keine Daten veröffentlicht
- Direction régionale de
l’environnement
http://www.lorraine.environn
ement.gouv.fr/
keine Daten veröffentlicht
Rheinland-Pfalz
- Ministerium für Umwelt
und Forsten RheinlandPfalz (Hrsg.):
Waldzustandsbericht für
2003, Mainz,
http://www.waldrlp.de/download/wzb03vol.p
df
Saarland
- Statistisches Landesamt
Saarland:
Waldschadenbericht
Saarland 1999,
http://www.umweltserver.sa
arland.de/wse/wse1.html
Rheinland-Pfalz
Ressourcen
Forstfläche
Waldschäden
114
- Ministère de l’environnement
Luxembourg,
http://www.environnement.publ
ic.lu
Wallonien
Luxemburg
Wallonien
Luxemburg
- Ministère de l'environnement
Luxembourg (Hrsg.):
L'environnement en chiffres
1998,
http://www.environnement.publ
ic.lu/functions/apropos_du_site
/mev/publications_MEV/Public
ations_transversales_MEV/En
vironnement_en_Chiffres_199
8/Environnement_en_Chiffres
_1998_PDF.pdf
Wallonien
- Ministère de la Région
wallone: Rapport sur l’état
sanitaire des forêts en région
wallone en 1996,
http://mrw.wallonie.be/dgrne/d
nf/dagf/C3f_ra96.htm
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Bereiche &
Indikatoren
Holzbestände
Naturschutzfläche
Rebfläche
Kohle, Erze,
Rohstoffe
Quellen
Großregion
Rheinland-Pfalz
- Bundesforschungs-anstalt
für Holz- und Forstwirtschaft
/ Institut für Forstökologie
und Walderfassung
Fachgebiet Forstliche
Inventuren, Hr. Polley, Tel.:
03334/65-306, email:
[email protected]
http://www.bfafh.de,
http://www.bundeswaldinve
ntur.de
Letzte Bundeswaldinventur
wurde 1987 durchgeführt.
Die Daten der Inventur 2002
werden erst in diesem Jahr
veröffentlicht
Großregion
Lothringen
Saarland
- siehe Rheinland-Pfalz
Luxemburg
Wallonien
Lothringen
- Direction régionale de
l’environnement
http://www.lorraine.environn
ement.gouv.fr/
keine Daten veröffentlicht
- Réserves Naturelles,
http://www.reservesnaturelles.org
Daten nur für 2002
- Zone Naturelle d'Intérêt
Écologique Faunistique et
Floristique (ZNIEFF): IFEN,
Indikatorenkatalog EIDER
(FF05) keine Daten im
Internet veröffentlicht
Saarland
Luxemburg
Rheinland-Pfalz
- Statistisches Landesamt,
Statistisches Taschenbuch
Rheinland-Pfalz 1995 –
2003
Daten den Taschenbüchern
entnommen
Großregion
- Eurostat: Datenbank New
Chronos - Bodennutzung in
ha aus der Agrarstatistik der
Regionalstatistiken
(theme1/regio/agri-r/a2land)
Großregion
Lothringen
- Ministère de l’industrie,
http://www.industrie.gouv.fr/
statistiques-mp.htm
- Drire,
http://www.lorraine.drire.gou
v.fr
- Centre scientifique et
technique,
http://www.brgm.fr
nicht weiterverfolgt wegen
Zeitmangel
Rheinland-Pfalz
Saarland
- Bundesministerium für
- siehe Rheinland-Pfalz
Wirtschaft und Arbeit: Der
Bergbau in der
Bundesrepublik
Deutschland,
http://www.bmwa.bund.de/N
avigation/Service/bestellser
vice,did=28076.html
115
Wallonien
Luxemburg
Wallonien
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Bereiche &
Indikatoren
Quellen
Allgemein
- International Union for
Conservation of Nature and
Natural Resources,
http://www.redlist.org
nicht weiter verfolgt, da nur
Nationaldaten
Rheinland-Pfalz
Lothringen
- Diren,
http://www.lorraine.diren.go
uv.fr
keine Zeitreihen vorhanden
Luxemburg
Saarland
Wallonien
- Landesamt für
Umweltschutz und
Gewerbeaufsicht, Ludwig
Simon, 06133/933717,
[email protected]
keine Zeitreihen vorhanden
Wasser
Großregion (außer
Wallonienn)
Nitrat_Grundwa - Internationale Kommission
sser
zum Schutz der Mosel und
Nitrat_Oberfläc der Saar (IKSMS), Güterstr.
hen-wasser
29a, Trier, 0651-73147, Hr.
Chlorid
Assfeld, [email protected],
http://www.iksms-cipms.org
gewünschte Daten sind
vorhanden, konnten aber
vor Abgabe des
Endberichtes nicht zur
Verfügung gestellt werden
- Umweltministerium, Hr.
Köppen, 0681/501-4773,
http://www.umwelt.saarland.
de
- Umweltministerium des
Saarlandes, Hr. Gerstner,
0681/501-4746
keine Zeitreihen vorhanden
Rote Liste
bedrohter Arten
/ Flora und
Fauna
Rheinland-Pfalz
- Landesamt für
Wasserwirtschaft Mainz, Hr.
Wolfgang Plaul, 06131/630123
http://www.wasser.rlp.de
Boden
Großregion
Siedlungs- und - Statistische Landesämter
Verkehrs-fläche für Saarland und RheinlandPfalz, Statec, INSEEDirection régionale de
Lorraine, Ministère de la
Région wallonne (2000):
Statistisches Jahrbuch
"Saar-Lor-Lux-RheinlandPfalz-Wallonie 2000"
Lothringen
Luxemburg
- Direction régionale de
l’environnement
www.lorraine.environnemen
t.gouv.fr/
Eau_qualite/RNB99/rnb99.p
df
keine Datentabellen
vorhanden
- Ministre de l’Intérieur,
www.gouvernement.lu/publicat
ions/rapportsactivite/
rapports2002/2002ra_int/Int__r
ieur_2002.pdf
- Ministre de l’Intérieur,
http://www.gouvernement.lu/p
ublications/rapportsactivite/rap
ports2001/2001ra_int/interieur.
pdf
weder Nitrat- noch
Chloridgehalt veröffentlicht
- STATEC [Service central de
la statistique et des études
économiques]
http://www.statec.lu/html_de/st
atistiques/luxembourg_en_chif
fres/qualite_eau.html
Definition des Index unklar
Wallonien
- Ministère de la Région
wallonne – DGRNE [Direction
générale des Ressources
naturelles et de
l'Environnement] (Hrsg.)
(2003) : Rapport sur l’état de
l’environnement wallon –
Tableau de bord de
l’environnement wallon 2003 –
l’eau,
http://environnement.wallonie.
be/eew/files/tbe2003_EAU.pdf
Luxemburg
-Ministère de l’environnement
Luxembourg, l’environnement
en chiffres 1998,
http://www.environnement.publ
ic.lu/functions/apropos_du_site
/mev/publications_MEV/Public
ations_transversales_MEV/En
vironnement_en_Chiffres_199
8/Environnement_en_Chiffres
_1998_PDF.pdf
- STATEC [Service central de
la statistique et des études
économiques] (Hrsg.) (2003):
Utilisation des Sols,
http://statec.gouvernement.lu/h
tml_fr/statistiques/luxembourg
_en_chiffres/utilisation_des_so
ls.html
Saarland
- Landesamt für
Umweltschutz, Dr. Ludwig
Becker, 0681/8500219
www.lfu.saarland.de
Lothringen
- Institut Français de
l'Environnement,
http://www.ifen.fr/cahiers/pa
ge9et10.htm
keine Zeitreihen vorhanden
- Internetauftritt der
Großregion Saar-Lor-Lux Rheinland-Pfalz und
Wallonien,
http://www.grossregion.lu/ht
ml_de/grande_region/autres
_donnees_structurelles.html
116
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Bereiche &
Indikatoren
Schad-/
Nährstoffe
Luft
NO2
Quellen
Rheinland-Pfalz
- Statistisches Landesamt
Rheinland-Pfalz
- Statistisches Bundesamt
(2003): Land- und
Forstwirtschaft, Fischerei,
"Siedlungs- und
Verkehrsfläche nach art der
tatsächlichen Nutzung
2003",
http://www.destatis.de/down
load/d/ugr/suv2003.pdf
- Landwirtschafts-kammer,
http://www.lwk-rlp.de
Großregion
Saarland
- Statistisches Bundesamt
(2003): Land- und
Forstwirtschaft, Fischerei,
"Siedlungs- und
Verkehrsfläche nach art der
tatsächlichen Nutzung
2003",
http://www.destatis.de/down
load/d/ugr/suv2003.pdf
Wallonien
- Ministre de la Région
wallonne - Direction Générale
des Ressources Naturelles et
de l'Environnement,
http://environnement.wallonie.
be/eew/files/sources/TERRIT_
2_src2003.xls
Lothringen
Luxemburg
Allgemein: keine
flächendeckendes
Messsystem, keine
Zeitreihen vorhanden
Rheinland-Pfalz
- L’Institute National de la
Recherche Agronomique,
http://www.inra.fr/
Saarland
Großregion
Lothringen
- Die statistischen Ämter der - Web des Réseaux de
Großregion
Mesure de la Qualité de I’Air
en Lorraine,
http://www.atmolor.org
Rheinland-Pfalz
- Landesamt für
Umweltschutz und
Gewerbeaufsicht,
Rheinland-Pfalz, http://luftrlp.de/aktuell/jahresmittelwe
rte/5/messwertverlauf.php?k
id=5&getGraenze=2
Saarland
- Statistisches Landesamt
Saarland,
http://www.statistik.saarland
.de/medien/inhalt/stala_LUF
T(1).pdf
117
Wallonien
Luxemburg
- Ministère de l’environnement
Luxembourg (2003):
L’environnement en chiffres:
2002-2003;
http://www.environnement.publ
ic.lu/functions/apropos_du_site
/mev/publications_MEV/Public
ations_transversales_MEV/En
vironnement_en_Chiffres_200
2_2003/Environnement_en_C
hiffres_2002_2003_ PDF.pdf
Wallonien
- Direction Générale des
Ressources Naturelles et de
l’environnement,
http://www.environnement.wall
onie.be/eew
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
6.3 Sachkapital
6.3.1 Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes
Im Rahmen des Vier-Kapital-Modells zur Bewertung zur Bewertung der
nachhaltigen Entwicklung kommt dem Sachkapital die Aufgabe zu, die rein
ökonomische Komponente der Nachhaltigkeitsbewertung abzubilden. Das
Sachkapital, das sich aus der Summe aller nichtfinanziellen Vermögensgegenstände einer regionalen Volkswirtschaft zusammensetzt, ist die Grundlage
für materiellen Wohlstand.
Der Sachkapitalbestand wird als Basis für verschiedenste Produktionsprozesse,
von denen die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz einer Region abhängt,
gesehen. Auch Möglichkeiten zu wirtschaftlicher Entwicklung hängen von den
Potenzialen, die durch Struktur, Größe und Qualität des Sachkapitalbestandes
gegeben sind, ab. Szerenyi stellt in diesem Zusammenhang heraus: „Soll die
Ökonomie langfristig handlungs- und wettbewerbsfähig bleiben, so stellt die
Akkumulation von Sachkapital Bedingungen für weiteren technologischen
Fortschritt und für einen langfristigen Wachstumspfad dar“.286 Als nachhaltig lässt
sich ein Sachkapitalbestand dann beurteilen, wenn die Beschaffenheit des
Sachkapitals auch für die zukünftigen Generationen die Sicherung ihrer
wirtschaftlichen Existenz und die Erhaltung eines verglichen mit den heutigen
Verhältnissen mindestens geringfügig erhöhten Lebensstandards erlaubt.
6.3.2 Nachhaltigkeit
Es ergibt sich jedoch gerade für den Bereich des Sachkapitals folgende
Besonderheit bei der Beurteilung der Nachhaltigkeit: Anders als beispielsweise.
beim Naturkapital, ist nicht nur die Erhaltung des Kapitalbestands wünschenswert
und notwendig, sondern auch eine möglichst weitgehende Erhöhung des für
kommende Generationen zur Verfügung stehenden Bestands. Es geht bei
Nachhaltigkeit im Sachkapital eben nicht um die Begrenzung eines Abbauprozesses, sondern um die Beurteilung der Vermögensentwicklung einer
Volkswirtschaft, die grundsätzlich als ein Aufbauprozess verstanden werden kann.
Prinzipiell denkbar ist die Plünderung der Sachkapitalressourcen daher nur in
extremen wirtschaftlichen Katastrophensituationen. Keinesfalls dürfte unter
Normalbedingungen die heutige Generation ihre Produktion aus dem
Substanzverzehr des aktuellen Bestands bestreiten. Unter solchen Normalbedingungen kann von einer gut (d.h. nachhaltig) wirtschaftenden Volkswirtschaft
erwartet werden, dass sie durch ausreichende Investitionstätigkeit einen Aufbau
des Kapitalstocks erreicht. Die Forderung der Nachhaltigkeit bedeutet aus Sicht
des Sachkapitals also, so mit den Potenzialen das vorhandenen Sachkapital286
vgl. Szerenyi, T. (2001) S.141.
118
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
bestands umzugehen, dass zukünftige Generationen einen mindestens geringfügig
erhöhten Kapitalbestand als Set von Inputfaktoren für ihre Produktionsprozesse
und damit ihre wirtschaftliche Existenz zur Verfügung haben.
Wie schon an diesen Überlegungen zu erkennen ist, wird hier ausschließlich auf
intergenerationale Gerechtigkeit abgestellt. Für die Einbeziehung intragenerationaler Gerechtigkeit in die Nachhaltigkeitsbewertung müsste eine
verteilungstheoretische Fundierung möglich sein. Selbst wenn man sich in
Erweiterung des weiter unten entwickelten Potentialwachstumskonzepts auch
verteilungstheoretisch an Kaldor anlehnen würde, käme man zu keinem
brauchbaren Kriterium, denn Kaldors Verteilungstheorie kann nur Aussagen über
die funktionale Einkommensverteilung machen. Mit der funktionalen Einkommensverteilung lassen sich aber keine Rückschlüsse darauf ziehen, ob die für
intragenerationale Gerechtigkeit interessierende personelle Einkommensverteilung verteilungstheoretisch fundiert und damit wirklich gerecht ist. Die hier
vorgenommene Nachhaltigkeitsbetrachtung bleibt also auf intergenerationale
Gerechtigkeit beschränkt.
6.3.3 Deduktion der Nachhaltigkeitsindikatoren
Zur Deduktion der verwendeten Indikatoren soll der folgende gedankliche Bogen
geschlagen werden. Ausgehend von dem Vier- Kapital-Modell wird zunächst die
Ausrichtung der Betrachtung auf das Wachstum des Produktionspotenzials
begründet. Davon ausgehend wird genauer untersucht, wie sich das Produktionspotenzial und dessen Wachstum in einer regionalen Produktionsfunktion abbilden.
Für die drei Komponenten der Produktionsfunktion die Produktionsinputkomponente, die Produktionsprozesskomponente und die Komponenten des
technischen Fortschritts werden dann Ideal -und Realindikatoren gesucht. Zur
theoretischen Untermauerung werden Teile der Theorien von Kaldor und Keynes
zugrunde gelegt. Ergänzend hinzugenommen wird noch ein Indikator zur
Branchenstruktur.
6.3.3.1Verankerung im Vier- Kapital -Modell
Die Nachhaltigkeitsbewertung nach dem Vier-Kapital-Modell knüpft nicht an
Größen wie Wohlstand, Konsum und gutes Leben an. Das Nachhaltigkeitsverständnis, welches durch das Vier- Kapital- Modell impliziert wird, knüpft
vielmehr grundsätzlich an das Vorhandensein und die Veränderungen von
Potenzialen für die heutige und künftige Existenz des Menschen an. Grundsätzlich
gibt also das Vier- Kapital -Modell in der Nachhaltigkeitsbeurteilung eine
Beschränkung auf die Inputs vor, die für wirtschaftliche Aktivität zur Verfügung
stehen. Beim Sachkapital ist dementsprechend auf Bestand und Entwicklung des
regionalen Produktionspotenzials abzustellen. Als Nachhaltigkeitsziel formuliert,
119
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
ist beim Sachkapital die dauerhafte Sicherung der ökonomischen Existenz durch
nachhaltiges Wachstum anzustreben.
6.3.3.2 Wachstumsbegriff
Unter Wachstum wird hier ausdrücklich nicht die Veränderungsrate des
Bruttoinlandsprodukts verstanden. Vielmehr wird dem heute in der theoretischen
Diskussion üblichen Verständnis des Wachstumsbegriffs gefolgt, der sich auf die
Ausweitung des Produktionspotenzials bezieht. Dementsprechend ist Wachstum
(des Produktionspotenzials) eine eindeutig inputseitige Größe287. Das Wachstum
des Produktionspotenzials ist möglich durch Vergrößerung der Produktionsinputs
bei gegebenen Produktionsprozessen. Wachstum ist auch möglich durch
Verbesserungen/Veränderungen im Produktionsprozess, die als Realisation des
technischen Fortschritts angesehen werden. Eine gemeinsame Beschreibung der
Komponenten des Produktionspotentialwachstums ist am einfachsten möglich,
wenn eine Vorstellung über eine regionale Produktionsfunktion zugrunde gelegt
wird.
6.3.3.3 Die regionale Produktionsfunktion
Es soll hier keine konkrete Produktionsfunktion spezifiziert werden, sondern
lediglich konkretisiert werden, durch welche prinzipiellen Eigenschaften die
zugrunde liegende Produktionsfunktion gekennzeichnet sein sollte.
Grundsätzlich gilt, dass die Produktionsfunktion immer Aussagen über drei
Komponenten abbilden wird. Zunächst ist dies die Produktionsinputkomponente,
die die Einsatzmenge des Inputs zeigt. Durch die Konstellation von Koeffizienten
und Exponenten im Funktionsterm wird der Produktionsprozess in seinem
aktuellen Stand beschrieben und schließlich wird durch Veränderungen des
Funktionsterms der technische Fortschritt abgebildet.
Im Folgenden wird nun im Einzelnen auf Eigenschaften der gedachten
Produktionsfunktion eingegangen:
Aus Sicht des Sachkapitals wird eine Produktionsfunktion mit nur einem
Produktionsfaktor, nämlich dem Faktor Kapital zugrunde gelegt. Einfaktorielle
Produktionsfunktionen werden meist mit der Begründung auf den Faktor Kapital
beschränkt, dass Kapital in entwickelten Volkswirtschaften der einzige
begrenzende Faktor für Wachstum ist. Bedingt durch ihre Einbindung in das VierKapital-Modell, soll die Produktionsfunktion ohnehin nur die Entwicklung
innerhalb des Sachkapitalbestandes wiedergeben, so dass diese sonst übliche,
problematische Annahme hier modellbedingt nicht notwendig ist. Hierbei wird
lediglich für die Zwecke der Indikatordeduktion von einer einfaktoriellen
Produktionsfunktion ausgegangen. Für die spätere Interpretation der Indikatoren
287
Vgl. Kromphard, J. et.al. (1997) S.4262.
120
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
im Kontext der regionalen Nachhaltigkeit wird realistischerweise anerkannt, dass
für den Produktionsprozess auch Arbeit eingesetzt wird.
Die Produktionsfunktion sollte zudem durch einen variablen Kapitalkoeffizienten
und variable Kapitalproduktivität gekennzeichnet sein. Hierin kann eine implizite
Berücksichtigung der möglichen Veränderlichkeit der Grenzleistungsfähigkeit des
Kapitals gesehen werden. Die Grenzeleistungsfähigkeit des Kapitals verändert
sich zunächst deshalb, da für die regionale Produktionsfunktion ein
ertragsgesetzlicher Verlauf unterstellt wird, es also zu sinkender Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals mit steigender Ausbringungsmenge kommt. Eine steigende
Ausbringungsmenge ist bei einer auf die Veränderungen der Produktionsinputkomponente begrenzten Betrachtung nur durch Mehreinsatz des
Produktionsfaktors Sachkapital zu erreichen.
Nimmt man jedoch die Veränderungen der Produktionsprozesskomponente in
Form von technischem Fortschritt mit in die Betrachtung auf, so erreicht man eine
neue Produktionsfunktion und mit ihr einen höheren Wachstumspfad. Die neue
Produktionsfunktion hat auch wieder einen ertragsgesetzlichen Verlauf, weist
jedoch bei gleicher Ausbringungsmenge eine höhere Produktivität auf. Die
Forderung einer variablen Kapitalproduktivität ist also auch deshalb notwendig,
um technischen Fortschritt integrieren zu können288.
6.3.3.4 Technischer Fortschritt
Technischer Fortschritt wird nicht als eine Residualgröße neben dem
Produktionsfaktor Kapital aufgefasst, die alles erklären soll was nicht durch
Bewegung auf einer gegebenen Produktionsfunktionen erklärbar ist, sondern
technischer Fortschritt wird als ein Attribut des Produktionsfaktors Kapital aktiv
analytisch eingebunden. Kaldor folgend wird hier ein dem Produktionsprozess
vorgeschalteter Innovationsprozess angenommen, dessen Ergebnisse ganz
entscheidend Stärke und Intensität des Wachstums im Produktionsprozess
bestimmen.
Autonomer technischer Fortschritt wird per Annahme nur in begrenztem Ausmaß
zugelassen, da es nicht für denkbar gehalten wird, dass Invention und Innovation
nur durch die Inspiration aus dem Nichts entstandener Ideen entstehen können.
Dennoch spielt Inspiration eine Rolle im Innovationsprozess und soll hier nicht
ganz vernachlässigt werden. Grundsätzlich sind aber zielgerichtete Investitionen
die notwendige Voraussetzung für technischen Fortschritt.289 Es wird ebenfalls in
Anlehnung an Kaldor angenommen, dass erreichter technischer Fortschritt
insofern einen Kapazitätseffekt auf die Entstehung weiteren Fortschritts aufweist,
als durch die Kapitalsintensivierung der Produktion weiterer technischer
Fortschritt induziert wird. Der technische Fortschritt zieht aber nicht das
288
Vgl. Zimmermann, H. et. al. (1994) S.388.
121
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Produktionspotenzial immer schneller von einem Wachstumspfad auf einen noch
höheren. Dies ist ein Prozess, der wie angenommen wird, sich von selbst
abschwächt. Diese Abschwächung ist zum einen darin begründet, dass die
profitabelsten Innovation immer zuerst durchgeführt werden, und zum anderen
darin, dass Lerneffekte im Umgang mit neuen Maschinen mit der Zeit immer
mehr abnehmen290. Es soll, im Sinne Kaldors, angenommen werden, dass der
Effekt des Abschwächungsprozess stärker ist und den Selbstverstärkungseffekt
mit zunehmenden Fortschritt immer mehr dominiert und deshalb aktive
Innovationsanstrengung weiterhin nötig bleibt, um Innovationen zu
erreichen(technische Fortschrittsfunktion mit abnehmendem Grenzertrag). Die
Entscheidung für Investitionen im technischen Fortschritt in Form von F&EAusgaben liegt jedoch weiter bei den einzelnen Wirtschaftssubjekten.
Entscheidend dafür ist „die technischer Dynamik einer Volkswirtschaft d. h. ihre
Bereitschaft neue Techniken anzuwenden und deren Folgen zu akzeptieren“ 291.
Hier ergibt sich eine Öffnung in Richtung Human- und Sozialkapital. Den
Kaldor`schen Theorievorstellungen von der Bindung und Rückführung des
Wachstums auf ein Gleichgewichtswachstum wird nicht gefolgt, da solche
volkswirtschaftlichen Gleichgewichtskonzepte für ein regionalwirtschaftliches
Bewertungsprojekt nicht erforderlich sind. Technischer Fortschritt wird weiterhin
immer in der Form von faktorgebundenem technischem Fortschritt angenommen.
Hier wirkt sich der Fortschrittseffekt nur auf die neu geschaffenen Produktionsfaktoren aus. Die Produktivität schon im Einsatz befindlicher Kapitalgüter wird
davon nicht berührt.292 Um die Produktivitätseffekte des technischen Fortschritts
in den Sachkapitalbestand einzubinden, müssen daher die Produktionsfaktoren in
schneller Folge immer wieder durch Investitionen erneuert werden. Erreicht man
bereits einen hohes Produktionspotenzial aus dem vorhandenen Kapital, kann man
eher die Investitionen tätigen, die notwenig sind, um den technischen Fortschrittseffekt in den Bestand zu integrieren, was wiederum weitere, zusätzliche
Investitionen noch einfacher macht. Der hier beschriebene Kapazitätseffekt von
Anlageinvestitionen wirkt sich also in einem Selbstverstärkungseffekt des
Wachstums aus. Diese Aussage bezieht sich hier auf den Kreislaufzusammenhang
von Investition und Produktionsergebnis und nicht auf den Innovationsprozess,
für den eben ein Selbstverstärkungseffekt zumindest langfristig negiert wurde.
6.3.4 Idealindikatoren - abgeleitet auf Grundlage der Produktionsfunktion
Wenn die regionale Produktionsfunktion genau bekannt wäre, man also den
Funktionsterm en detail angeben könnte, wäre durch die Struktur des
Funktionsterms direkt die Struktur des Produktionsprozesses vollständig offen
289
Vgl. Kromphard, J. et.al. (1997) S.4267.
Vgl. Kromphard, J. et.al. (1997) S.4268.
291
Kromphard, J. et.al. (1997) S.4268.
292
Vgl. Kromphard, J. et.al. (1997) S.4272.
290
122
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
gelegt. Kennzahlen der Produktionsprozesskomponente, wie Kapitalproduktivität,
Kapitalkoeffizient aber auch Modernitätsgrad ließen sich dann direkt aus dem
Funktionsterm errechnen. Die Idealindikatoren wären dann also die direkt aus der
regionalen Produktionsfunktionen abgelesenen oder errechneten Kennzahlen des
Kapitalkoeffizienten, der Kapitalproduktivität oder des Modernitätsgrads. Für die
Komponente des Produktionsinputs ergibt sich der Idealindikator in ganz
ähnlicher Weise: aus der regionalen Produktionsfunktion könnte die dort offenliegende mengenmäßige Größe des Produktionsinputs Sachkapital direkt
abgelesen werden. Idealindikator wäre hier der direkt aus den Produktionsfunktionen erhaltene Wert für den Bestand an Sachkapital.
Die Auswirkungen des technischen Fortschritts liegen in einer deutlichen
Verbesserung der Produktivität der letzten eingesetzten Inputeinheit
(Grenzproduktivität) und einer etwas geringeren Verbesserung der Durchschnittsproduktivität. Diese beiden Kennzahlen könnten Idealindikatoren des technischen
Fortschritts sein. Bei bekannter Produktionsfunktion ließen sich diese Wirkungen
des technischen Fortschritts unmittelbar an Veränderungen des Funktionsterms
ablesen. Die Werte für die Idealindikatoren ließen sich dann unmittelbar
errechnen.
Sonderfall Branchenstruktur
Zusätzlich wird durch die Einbeziehung der Branchenstruktur einer langfristigen,
wettbewerbsorientierten Perspektive Rechung getragen, da der Kapitalstock nicht
erkennen lässt, in welchem Mischungsverhältnis die Branchen in der regionalen
Wirtschaft vertreten sind. Der Kapitalstock lässt nicht erkennen, ob eine
bestimmte Menge an Kapital in Beständen aus einer Altindustrie am Ende des
Produktlebenszyklus zusammengesetzt wird, oder ob es sich um zukunftsfähige
High-Tech-Industrie handelt, was für die Nachhaltigkeitsbewertung des
Sachkapitalbestandes ein wesentlicher Unterschied ist. Ein Idealindikator für die
Branchenstruktur lässt sich nicht aus der Produktionsfunktion deduzieren. Daher
wird diese Bewertungskategorie erst jetzt in die Ableitung des Indikatorensystems
hineingenommen. Branchenstruktur ist grundsätzlich nicht in eine regionale
Produktionsfunktion integrierbar, da alle hier vorkommenden Größen
volkswirtschaftliche Aggregate sind, die über alle Branchen hinweg aufsummierte
Zahlenwerte annehmen. Ein Idealindikator der Branchenstruktur müsste einerseits
die reine Zusammensetzung der Branchen in der Region kennzeichnen und
andererseits eine Aussage darüber machen können, wie wettbewerbsfähig eine
solche Branchenzusammensetzung künftig sein kann. Dabei geht es um die Frage,
ob ein hinreichend großer Anteil des Produktionspotentials einer Region von
hochproduktiven, wissens- und kapitalintensiver Produktion bestritten wird, was
auch unter den Hochlohnbedingungen der entwickelten Industrieländer dauerhafte
Wettbewerbsfähigkeit erhoffen lässt.
123
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
6.3.5 Realindikatoren
Es müssen nun im Folgenden Realindikatoren gefunden werden, die trotz der
unbekannten regionalen Produktionsfunktion eine Beurteilung erlauben, ob und
inwieweit bezüglich der Produktionsinputkomponente, der Produktionsprozesskomponente, des technischen Fortschritts und der Branchenstruktur zu einer
Entwicklung hin zu wirtschaftlicher Existenzverbesserung durch nachhaltiges
Produktionspotenzialwachstum beigetragen worden ist.
Im Folgenden werden nacheinander Realindikatoren für die drei Komponenten
der Produktionsfunktion sowie für die Branchenstruktur gesucht und ausführlich
besprochen.
6.3.5.1 Realindikator für die Produktionsinputkomponente
Hier liegt der Realindikator sehr nahe am Idealindikator. Es wird nur ein einzelner
Realindikator benötigt, da es in der Produktionsfunktion auch nur einen
Produktionsfaktor als Input gibt. Es handelt sich bei dem zur Verfügung
stehenden Realindikator um das Anlagevermögen. Dieses ist als Wert aller
Vermögensgegenstände einer Volkswirtschaft, die dauerhaft für den
Produktionsprozess eingesetzt werden, (inkl. immaterielle Vermögensgegenstände
und Infrastruktur) praktisch genauso definiert wie das Sachkapital. Es erscheint
also berechtigt, die beiden Begriffe Sachkapital und Anlagevermögen synonym zu
verwenden. Rein definitorisch hat man hier quasi den Idealindikator zur
Verfügung. Jedoch werden die Daten des Anlagevermögensbestands statistisch
errechnet und lassen sich nicht, wie es die Vorstellung des Idealindikators
„Sachkapital“ ist, explizit aus einer Produktionsfunktion ermitteln.
6.3.5.1.1 Anlagevermögensbestand durch regionale Inventur
Für eine methodisch und sachlich einwandfreie Bewertung des Anlagevermögensbestandes einer Region müsste zunächst eine Gesamtinventur der
Region durchgeführt werden, um somit die tatsächlich vorliegende Bestandsgröße
zu ermitteln. Die Gebäude, Anlagen und Infrastrukturteile müssten gezählt und
danach in Geldeinheiten bewertet werden, um eine Vergleichbarkeit zwischen
verschiedenen Regionen sicherzustellen. Diese Vorgehensweise ist aus verschiedenen Gründen real nicht durchführbar. Zunächst ist eine Inventur einer
regionalen Volkswirtschaft zwar nicht theoretisch unmöglich, aber mit enormen
Kosten verbunden. Der zweite Schritt, die Bewertung in Geldeinheiten ist, obwohl
auch prinzipiell durchführbar, mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, da eine
solche Bewertung notwendigerweise willkürlich sein müsste. Da aus den
geschilderten Gründen eine solche Herangehensweise nicht realistisch ist, muss
folglich ein möglichst gutes, näherungsweises Erfassungsverfahren gefunden
werden. Vorgeschlagen wird an dieser Stelle das Kumulationsverfahren.
124
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
6.3.5.1.2 Anlagevermögensbestand durch Kumulationsverfahren
Man versucht sich hier über die aufsummierten Anlageinvestitionen dem Problem
der Vermögensermittlung zu nähern. Eine Ermittelung des Bruttoanlagevermögens aus langen Reihen über viele Jahre aufsummierter Anlageinvestitionsdaten würde die Zugänge an neuem Sachkapital erfassen, und
gleichzeitig die Abgänge für nach Ende ihrer Lebensdauer verschrottete
Vermögensgegenstände periodengerecht berücksichtigen. Dies wird im
Kumulationsverfahren in einer Abgangsfunktion abgebildet. Da in dem hier
zugrunde gelegten Fall ein Bruttoanlagevermögen ermittelt werden soll, kommen
Abschreibungen nicht zum Ansatz. Wird dagegen ein Nettoanlagevermögen
ermittelt, findet statt einer Abgangsfunktion eine Abschreibungsfunktion
Verwendung, die die alten Vermögensgegenstände in Anlagevermögen langsam
bis auf Null abschreibt293.
6.3.5.1.3 Brutto- und Nettokonzept
Die Erfassung des Anlagevermögens ist nach dem Brutto oder dem
Nettokonzept294 möglich. Hier soll das Bruttoanlagevermögen Anwendung
finden, dass nach allgemein üblicher Konvention als Kapitalstock bezeichnet
wird295. Bei der Ermittelung des Bruttoanlagevermögens werden Abschreibungen
nicht berücksichtigt. Dies erscheint zunächst extrem kontrafaktisch, da Wertminderungen im Anlagevermögen immer real vorhanden sind, hier aber nicht
abgebildet werden. Auf den ersten Blick scheint hier das Nettoanlagevermögen
als Maß für den „Kapitalstock“ - also die Menge tatsächlich vorhandenen
Kapitals- besser geeignet, denn hier wird von den Kapitalbeständen eine
permanente Abschreibung abgezogen.
Dieser Abbildungsbias durch das Fehlen der Abschreibung wird jedoch beim
Bruttoanlagevermögen dadurch abgemildert, dass sog. Erhaltungsinvestitionen,
die dazu dienen, eine einmal geschaffene Substanz an Kapitalbestand mittels
Reparaturen in ihrem Wert und Funktion zu erhalten, ebenfalls nicht erfasst
werden. Es läuft also quasi ein nicht sichtbarer Erhaltungsmechanismus im
Hintergrund ab, angesichts dessen es nicht mehr ganz unberechtigt erscheint,
Anlageinvestitionen über ihre gesamte Lebensdauer mit dem Anschaffungspreis
zu bewerten. Weiterhin spricht für das Zugrundelegen eines Anlagevermögenskonzeptes ohne Abschreibungen, dass es zahlreiche bilanzielle und
steuerliche Abschreibungsmodelle gibt und nicht gesagt werden kann welches
realistisch den Werteverzehr abbildet. Auch findet sich real häufig der Fall, dass
bereits vollständig abgeschriebene Vermögensgegenstände noch immer
vorhanden und zur Leistungsabgabe in der Lage sind. Offensichtlich gehen
293
Vgl. Brümmerhoff, D. et. al. (1994) S.288ff.
Vgl. Brümmerhoff, D. et. al. (2002) S.17.
295
Vgl. Brümmerhoff, D. et. al. (1994) S.216.
294
125
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Abschreibungszeiträume grundsätzlich an den tatsächlichen Nutzungsdauern
vorbei. Die Auswirkungen einer solchen grundsätzlich nicht werteverzehrsgerechten Abschreibung werden in der betriebswirtschaftlichen Literatur auch als
Lohmann-Ruchti-Effekt beschrieben. Da sich die gesamtwirtschaftlichen
Abschreibungen als Summe der betriebswirtschaftlichen Abschreibungen
ergeben, scheint es durchaus berechtigt von überhöhten Abschreibungen auch auf
gesamtwirtschaftlicher Ebene auszugehen.
6.3.5.1.4 Einbezogene Vermögenskomponenten296
Grundsätzlich erfolgt die Erfassung des Anlagevermögens nach ESVG.
(Europäisches System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung).Auch die
Abgrenzung der einbezogenen Vermögenskomponenten erfolgt nach den
Vorgaben des ESVG.
Das Anlagevermögen ergibt sich, wie gesagt, aus den Anlageinvestitionen der
Vergangenheit. Strukturmerkmale, die die Anlageinvestitionen kennzeichnen,
wirken auch unmittelbar auf das Anlagevermögen durch. Deshalb scheint es
berechtigt, die beiden Größen bezüglich der Frage, welche Vermögenskomponenten einbezogen werden, gemeinsam abzuhandeln.
Der Bestand an Anlagevermögen umfasst den Wert aller Vermögensgegenstände,
die von der inländischen Wirtschaft, gebraucht oder neu, erworben werden oder
selbst erstellt wurden. Verkäufe von gebrauchten Anlagen an das Ausland werden
abgezogen. Eine grundsätzliche Aufgliederung des Anlagevermögens in der
volkswirtschaftlichen Vermögensrechnung ergibt sich durch die Unterscheidung
in Ausrüstungsvermögen und Bauvermögen. Die hier berücksichtigten
Vermögensgegenstände müssen dauerhaft oder wiederholt zum Produktionsprozess eingesetzt werden. Öffentliche Infrastrukturinvestitionen, die selbstverständlich auch eine Komponente des gesamtwirtschaftlichen Produktionsprozesses sind, werden ebenfalls berücksichtigt. Es werden auch nur solche
Anlagen berücksichtigt, die länger als ein Jahr im Produktionsprozess eingesetzt
werden. Ebenfalls unberücksichtigt bleiben langlebige Wirtschaftsgüter, die
ausschließlich dem Konsum dienen und die somit keine investive Bedeutung
haben.
Jedoch wird hier nicht davon ausgegangen, dass die privaten Haushalte per se nur
konsumieren und nicht investieren. Wohnbauten zählen zum Anlagevermögen, da
diese, wenn sie vermietet werden, kein Konsumgut mehr sind, sondern als
Produktionsfaktor in der quasi unternehmerischen Tätigkeit „Vermietung“
eingesetzt werden. Allerdings werden Wohnbauten auch ohne tatsächliche
Vermietung im Anlagevermögen zugerechnet. Unberücksichtigt bleiben auch
geringwertige Wirtschaftsgüter bis zu einer Grenze von 500 Euro bei
296
Vgl. Brümmerhoff, D. et.al. (2002) S.15f.
126
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Einzelanschaffung. Wird jedoch bei Erstausstattungen eine größere Menge
geringwertige Wirtschaftsgüter wirtschaftlich zusammengehörig beschafft, so
gelten diese als Anlageinvestitionen. Militärisch genutzte Güter gelten nicht als
Investition, da hier keine Aussicht einer künftigen, produzierenden Leistungsabgabe besteht. Militärkrankenhäuser, Flugplätze, Transportflugzeuge und LKWs,
die auch zivil nutzbar sind, werden allerdings zum Anlagevermögen gerechnet, da
diese durch Konversionsprozesse einen zivilen Produktionsprozess zugänglich
gemacht werden können. Erfasst werden als Teil des Anlagevermögens auch
landwirtschaftliche Werte wie Nutztiere und Pflanzen. Es sind also auch Teile des
Naturvermögens im Anlagevermögen enthalten. Auch immateriellen Vermögensgegenstände wie Computerprogramme und Datenbanken sind im Anlagevermögen enthalten. Dies ist auch sinnvoll, denn beispielsweise Computerprogramme bestimmen im allerhöchsten Maße wie gut Informationen für
grundsätzliche, planerische Entscheidungen zur Verfügung stehen und wie
effizient Organisationsprozesse gemacht werden können. Gut zur Definition des
Sachkapital im Konzept der vier Kapitalien, dass auf die Erfassung realer
Bestände abstellt, passt, dass bei der Berechnung des Anlagevermögens das
finanzielle Anlagevermögen einer Volkswirtschaft nicht einbezogen wird.
6.3.5.1.5 Falsches, nicht wünschbares Anlagevermögen
Die verschiedenen Anlagevermögensgegenstände werden keiner wertenden
Differenzierung unterworfen. Es wird also angenommen, dass es kein „nicht
wünschbares Anlagevermögen“ gibt, das aussortiert oder gegengerechnet werden
müsste. Darüber hinaus wird auch die Existenz von „wirtschaftlich falschem
Sachkapital“ annahmegemäß ausgeschlossen:
Die Tatsache, dass es konjunkturelle Schwächephasen mit unausgelasteten
Produktionspotentialen, hohen Lagerinvestitionen aufgrund eines plötzlichen
Auseinanderfallen zwischen Angebot und Nachfrage gibt, legt ja die Vermutung
nahe, dass es nicht nur auf mengenmäßige Aspekte bei der Beurteilung des
Anlagevermögens ankommt, sondern dass es auch das „falsche Anlagevermögen“
geben könnte. Dass über lange Zeiträume in volkswirtschaftlich nennenswertem
Umfang Fehlinvestitionen getätigt werden, ist in marktwirtschaftlich orientierten
Wirtschaftssystemen aufgrund des Anreiz- und Sanktionsmechanismus des
Marktes kaum denkbar. Ein extremes „am Markt Vorbeiplanen“ ist eher für
Zentralverwaltungswirtschaften typisch. Zusätzlich lässt sich der These vom
„falschen Sachkapital“ die Auffassung entgegensetzen, dass selbst das schon
bestehende Anlagevermögen häufig vielfältig einsetzbar ist und es deshalb nicht
das „falsche Anlagevermögen“ sondern nur „falsche Produktionspläne“ gibt.
127
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
6.3.5.1.6 Einzubeziehende Kostenkomponenten297
Bezogen auf die kostenmäßige Abgrenzung werden beim Anlagevermögen die
Herstellungskosten berücksichtigt und nicht die Marktpreise, da in diesen
Beträgen spezielle Verbrauchssteuern enthalten sind. Zudem werden bei
mehrstufigen Produktionsprozessen (bei vorsteuerabzugsfähigen Wirtschaftseinheiten) die Umsatzsteueranteile unberücksichtigt gelassen, um nur den
tatsächlichen Wertzuwachs bei der Ermittelung der Herstellungskosten zu
berücksichtigen. Dies entspricht dem grundsätzlichen Prinzip steuerliche
Einflüsse, die nichts mit der physischen Erstellung des eigentlichen Vermögensgegenstandes zu tun haben, aus der Wertermittlung herauszuhalten. Sinnvollerweise werden zu den Herstellungskosten auch die für den Produktionsprozess notwendigen Dienstleistungen (z.B. Kosten für Architekten, Rechtsanwälte usw.) mit einbezogen, denn diese sind ebenso essenziell wie Ausgaben
für Erstellung des Produktes.
6.3.5.1.7 Preisliche Basis298
Hinzu kommt neben der Frage der einzubeziehenden Kosten auch noch die
Problematik der Bewertung auf einer einheitlichen preislichen Basis, die aufgrund
des Phänomens der Inflation notwendig wird
Bei Bewertung zu Wiederbeschaffungspreisen wird der Wert abgebildet, den der
entsprechende Anlagevermögensbestand hätte, wenn er erst heute aus dem Nichts
geschaffen worden wäre. Hier zeigt sich deutlich, welchen Wert an das
Anlagevermögen heute hat.
Bei Bewertung in jeweiligen Preisen werden, entsprechend der Preisentwicklung,
die ältesten Vermögensgegenstände am geringsten gewichtet eingehen, während
die neusten Zugänge, ohne relativ im Vergleich mit Zugängen späterer Perioden
preislich „zurückgestuft“ zu werden, eingehen können. Hierin kann man eine
Berücksichtigung der schlechteren technischen Qualität alten Sachkapitals sehen.
Jedoch ist nicht erkennbar, warum gerade die Preissteigerung eine gute
Näherungsgröße für das technische Zurückbleiben alten Sachkapitals sein soll.
Durch konstante Preise auf der Basis des Preisniveaus eines Jahres lassen sich
Effekte der Inflation ausschalten. Durch die Preisbewertung auf Grundlage eines
Basisjahres wird versucht, den Preissteigerungseffekt vom Mengensteigerungseffekt zu trennen. Die auf ein Basisjahr bezogene Datenwerte werden
auch als Realwerte bezeichnet, da hier die nominalen – also rein zahlenmäßigen –
Effekte der Preisänderungen nicht enthalten sind, und allein auf Veränderungen
der Substanz der betrachteten Größe abgestellt wird299. Jedoch ergibt sich hier das
Problem, dass Preissteigerungen nicht immer in vollem Umfang Inflation
297
Vgl. Brümmerhoff, D. et.al. (2002) S.16f.
Vgl. Brümmerhoff, D. et.al. (2002) S.18 u. S.83f.
299
Vgl. Mankiw, N.G. (1999) S.527.
298
128
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
darstellen. Teile der Preissteigerungsraten sind durch Produktverbesserungen in
der Haltbarkeit, dem Funktionsumfang oder der Sicherheit substanziell
gerechtfertigt und stellen keinen Preisauftrieb im eigentlichen Sinne dar.300
Beachtet man dies nicht, so würden nach dem Basisjahr geschaffene
Komponenten des Anlagevermögens wertmäßig zu sehr abgewertet. Das neuere
Anlagevermögen wird also in seinem Wert unterschätzt. Gleichzeitig wird das alte
Anlagevermögen preislich zu stark aufgewertet und dadurch zu hoch angesetzt.
Welcher Anteil der Preissteigerungen substanziell gerechtfertigt ist, lässt sich
nicht genau sagen und somit die damit verbundene Problematik nie ganz
ausschalten. Ist man sich jedoch dieser Zusammenhänge grundsätzlich bewusst,
dann lässt sich eine Schätzung über eine um Produktverbesserungen bereinigte
Inflationsrate heranziehen und so das Problem reduzieren. Daten hierzu liegen
dem PbSf-Projekt allerdings nicht vor, so dass eine Produktverbesserungsbereinigung nicht vorgenommen werden kann. Dennoch ist die Bewertung in
konstanten Preisen noch immer die geeignete Preisbasis bei der Berechung des
Bruttoanlagevermögens, welche als einzige willkürliche Inflationsverzerrungen
(weitgehend) aus der Erfassung heraushalten kann. Daher entscheidet man sich im
Rahmen des PbSf-Projektes für das Arbeiten mit konstanten Preisen eines
Basisjahres. Das Bruttoanlagevermögen wird als inflationsbereinigter Wert, also
als Realwert betrachtet und behandelt.
6.3.5.1.8 Richtwert für Anlagevermögen und Anlageinvestition
Bezüglich des Anlagevermögens gilt als Richtwert und Zielwert, dass mehr
Anlagevermögen immer besser ist. Dies ist kohärent mit der oben genannten
Annahme, dass für ein als nachhaltig bezeichnetes Wirtschaften eine mindestens
geringfügige Steigerung des Anlagevermögens erforderlich ist. Dies erscheint
auch insofern sinnvoll, als dass aus mehr Kapitalbestand oder Anlagevermögen
als Input auch mehr Output in Form des Bruttoinlandsproduktes gemacht werden
kann. Diese Vorstellung ist aber nur solange konsistent, wie man davon
abstrahiert, dass für zusätzliche Einheiten an Anlagevermögen, wegen der
abnehmenden
Grenzleistungsfähigkeit
des
Kapitals,
immer
höhere
Anlageinvestitionen getätigt werden müssen, um noch gleiche jährliche
Kapazitätsausweitungen zu erreichen. Deshalb kann nur für das Anlagevermögen
„per se“ die Zielgröße „mehr ist besser“ gelten. Für die Anlageinvestitionen gilt
dies so nicht.
Wenn dies so ist, und wenn die Bedürfnisse der einzelnen Generation und auch
jeder folgenden Generation gleichwertig sind, dann muss es eine Untergrenze für
die Anlageinvestitionen geben, um die Qualität des Kapitalstocks zu erhalten.
Aber es muss auch eine Obergrenze für das Investitionsvolumen geben, denn
wenn eine Generation extrem investiert, muss dies nicht unmittelbar zu einem
300
Vgl. Brümmerhoff, D. et.al. (2002) S.86.
129
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
hervorragenden Kapitalstock künftiger Generationen führen. Es kann durch eine
über den Optimalpunkt hinausgehende Investitionstätigkeit zu Verschwendung
von Ressourcen aus dem aktuellen Produktionspotential kommen und so ein
effizienter Kapitalakkumulationsprozess verfehlt werden.
6.3.5.1.9 Optimale Investition für optimalen Kapitalstock
Besonders günstig wäre in diesem Zusammenhang, wenn es ein Kriterium für die
Bestimmung des optimalen Kapitalstocks sowie des dafür notwendigen optimalen
Investitionsvolumens gäbe. Auf Basis einer keynesianischen Konzeption ist die
Investitionen einerseits vom Zins andererseits von den zu erwartenden
Absatzmöglichkeiten bzw. Erträgen der Investitionsentscheidung abhängig. Ein
Kriterium für die optimalen Investition ist dann in Grenzertrag / Grenzkosten ≥ 1
gegeben. Man könnte auch formulieren, dass die zum optimalen Kapitalstock
noch fehlenden Investitionsausgaben immer die Differenz von erwünschtem und
vorhandenem Kapitalstock sind. Dementsprechend ergibt sich als Kriterium, dass
so lange weiter investiert werden sollte, wie Grenzproduktivität des Kapitals (als
Ertrag der letzten Einheit im Kapital) und Grenzkosten der Investition nicht genau
gleich groß sind. Der Kapitalstock ist in dieser Überlegung in dem Punkt optimal,
in dem weitere Investitionen unvorteilhaft werden. Der optimale Kapitalstock ist,
da er auf erwartete Erträge bezogen wird, immer nur relativ zu erwarteten
Outputniveau optimal301. Eine absolute Optimalbestimmung scheint aufgrund der
unsicheren Zukunftserwartung aber auch aufgrund des sich verändernden
Zinsniveaus nicht möglich. Da Grenzbegrifflichkeiten im allgemeinen theoretischökonomische Kriterien für die Grenzen der Vorteilhaftigkeit wirtschaftlicher
Aktivitäten liefern, aber operativ nicht zu berechnen sind, kann diese
Optimierungsüberlegung nicht als tatsächliches Kriterium im PbSf-Projekt
angewendet werden.
Die wachstumstheoretischen Vorstellungen von Keynes und Kaldor, die bei der
Analyse des Sachkapitals zugrunde gelegt wurden, gehen, anders als
neoklassische Konzeptionen, davon aus, dass die freie Investitionsentscheidung
des Unternehmers eine wichtige Rolle bei der Steuerung des Agglomerationsprozesses zum Kapitalstockaufbau hat. Im neoklassischen Modell sind solche
„Entscheidungen“ endogen durch die Faktorpreisverhältnisse vorherbestimmt. Die
freie Entscheidung schlägt sich bei Keynes und Kaldor in der Erwartungsbildung
über künftige Erträge im obigen Optimierungskalkül nieder302. Solche
Entscheidungen erfordern entsprechendes Wissen und Fähigkeiten, sowie
unternehmerischen Mut, was durch die Wertschätzung leistungsorientierter Werte
unterstützt wird. Diese Annahme bedeutet auch hier eine Öffnung hin zum
Humankapital und Sozialkapital.
301
302
Vgl. Woll, A. (2000) S.383f.
Vgl. Kromphard, D. et.al. (1997) S.4269.
130
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
6.3.5.1.10 Modernitätsgrad
Die rein mengenmäßige Betrachtung von Kapitalstockbestand -und Aufbau lässt
jedoch die unterschiedliche Alterszusammensetzung des Kapitalstocks außer
Acht. Dies erfordert den zusätzlichen Indikator Modernitätsgrad. Dieser bietet
eine wichtige Zusatzinformation, da in den Annahmen technischer Fortschritt als
faktorgebunden, also auf die neuen Vermögensgegenstände beschränkt, betrachtet
wurde.
Beim Modernitätsgrad handelt sich um das Verhältnis von Netto zu
Bruttoanlagevermögen und misst also, welcher Anteil des gesamten, vorhandenen
Bruttoanlagevermögens bei Nettobetrachtung schon abgeschrieben worden ist.
Der Modernitätsgrad gibt damit Auskunft über die Alterung des erfassten
Bruttoanlagevermögens. Bei einem Wertebereich von „theoretisch nahe Null“ bis
„1“ erreicht also ein insgesamt relativ junger Vermögensbestand die höchsten
Werte (nahe 1). Je höher der Modernitätsgrad, desto jünger also der
Kapitalbestand und desto mehr Produktivitätsfortschritt aus technischem
Fortschritt ist schon eingeflossen. Häufig stehen Brutto -und Nettoanlagevermögensdaten nicht im gewünschten Ausmaß zur Verfügung. Da dieses
Problem auch dieses PbSf- Projekt trifft, hat man sich von Seiten der Bearbeiter
eine Möglichkeit überlegt, eine Modernitätsbewertung auf Grundlage der eher
verfügbaren Netto- und Bruttoinvestitionsdaten vornehmen zu können. Der
Indikator Modernitätstendenz ist das Verhältnis von Netto zu Bruttoanlageinvestitionen. Die Bruttoinvestitionen sind Ausdruck für Alles, was durch
Investition neu zum Anlagevermögen hinzugekommen ist. Mit den Nettoinvestitionen, die sich von den Bruttoinvestitionen um die Abschreibungen der
Periode auf das gesamte Vermögen unterscheiden, enthält die Modernitätstendenz
dann alle Entwicklungen am aktuellen Rand. Insbesondere die Veränderungsraten
der Modernitätstendenz lassen interessante Interpretationen zu. Sinkt
beispielsweise der Quotient von Netto- und Bruttoinvestition, dann zeigt dies,
dass die Abschreibungen relativ stärker zugenommen haben als die
Neuinvestitionen, was den Rückschluss auf sinkende Modernität im
Anlagevermögen zulässt. Da leider auch festgestellt werden musste, dass keine
Daten für Nettoanlageinvestitionen zur Verfügung stehen, kann auch dieser
Ersatzindikator nicht verwendet werden. Allerdings für künftige Projekte könnte
die hier dargestellte Aussagekraft von „Modernitätstendenz“ ein Hinweis sein.
Es muss allerdings als Kritikpunkt an Modernitätsgrad- und Tendenz festgestellt
werden, dass hier wiederum der Abschreibungsverlauf als Näherungsgröße für die
tatsächliche Alterung benutzt wird, was schon bei der Argumentation für das
Bruttoanlagevermögen als etwas problematisch erkannt worden ist.
131
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
6.3.5.2 Realindikatoren für die Produktionsprozesskomponente
Es handelt sich auch hier um Größen der amtlichen Statistik, die alle nach der
Systematik des ESVG erfasst sind.
6.3.5.2.1 Kapitalproduktivität303
Die Kapitalproduktivität ist das Verhältnis aus BIP zum Kapitalstock. Es gibt also
an, wie viele in dem Jahr erwirtschaftete Einheiten BIP als Output des
gesamtwirtschaftlichen Produktionsprozesses auf eine Geldeinheit Kapitalstock
kommen. Es zeigt also als Ergiebigkeitsmaß, was outputbezogen an
Produktionsergebnis aus dem gegebenen Kapitalbestand gemacht wurde- dies
aber insgesamt und in Durchschnittsbetrachtung, was diese Kennzahl von der
Grenzproduktivität unterscheidet. Die Kapitalproduktivität macht keine Aussage
darüber, wie stark der Faktor Kapital zum Gesamtergebnis beigetragen hat
sondern, setzt nur unabhängig vom Beitrag anderer Faktoren den Kapitaleinsatz
zum Ergebnis ins Verhältnis.304 Eine steigende Kapitalproduktivität bedeutet
ergiebigere Produktion eine stärkere Wettbewerbsfähigkeit, somit bessere
künftige Investitionsfähigkeit und damit eine größere Nachhaltigkeit.
6.3.5.2.2 Kapitalkoeffizient305
Der Kapitalkoeffizient ist das Verhältnis aus Kapitalstock zu BIP. Es handelt sich
hier um den reziproken Wert der Kapitalproduktivität, was bedeutet, dass hier
sinkende Werte auf mehr Nachhaltigkeit hindeuten. Der Kapitalkoeffizient zeigt
in seiner Berechnung, wie viele Einheiten des Produktionsinputs Kapitalstock
notwendig sind um eine Einheit BIP als Output zu erzielen. Vor allem an der
Veränderung dieser Kennzahl lässt sich erkennen, wie auf Grundlage eines alten
Kapitalstocks ein BIP erwirtschaftet wurde, das (hoffentlich) investiv verwendet
wurde und dadurch zusätzlicher Kapitalbestand im Kapitalstock hervorgebracht
wurde.
6.3.5.2.3 Kapitalintensität306
Die Kapitalintensität ist das Verhältnis von Kapitalstock zu Erwerbtätigen in der
Region. Es handelt sich um eine Angabe wie groß der Wert der vorhandenen
Produktionsanlagen durchschnittlich pro Erwerbstätigen ist. Es gibt an, wie viel
Kapital pro Arbeitsplatz eingesetzt wird. Die Kapitalintensität zu
Wiederbeschaffungspreisen ermöglicht zusätzlich eine Aussage darüber, wie viel
Kapital heute aufgewendet werden müsste um einen genau durchschnittlichen
Arbeitsplatz neu einzurichten. Die entsprechenden Werte stehen allerdings nicht
zur Verfügung. In der hier vorgenommenen Bewertung in konstanten Preisen,
303
Vgl. Brümmerhoff, D. et.al. (2002) S.215.
Vgl. Brümmerhoff, D. et.al. (2002) S.306.
305
Vgl. Brümmerhoff, D. et.al. (2002) S.215.
304
132
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
lässt sich bei zum Beispiel steigender Kapitalintensität ableiten, dass der Einsatz
des Faktors Kapital relativ zum Faktor Arbeit an Bedeutung gewonnen hat, Arbeit
also durch Kapital substituiert wurde.
Geringfügig abweichend von der Norm, wird die Kapitalintensität hier nicht mit
den Erwerbstätigen berechnet, sondern mit den Beschäftigten. Es wird sich
vermutlich hieraus kein großer Fehler ergeben, denn es kann unterstellt werden
dass nur wenige Erwerbstätige zwei Beschäftigungen nachgehen. Die alternative
Berechnung mit den Daten der Erwerbspersonen hätte aufgrund der hohen
Arbeitslosigkeit einen noch wesentlich stärkeren Bias verursacht.
Bei der Kapitalintensität kann in einer Steigerung des Indikatorwertes ein
positiver Beitrag zur Nachhaltigkeit gesehen werden, denn wenn im Produktionsprozess eine höhere Kapitalausstattung je Beschäftigtem vorliegt, bedeutet auch
dies höhere Wettbewerbsfähigkeit, bessere Investitionsfähigkeit und damit eine
größere Nachhaltigkeit.
Enger Interpretationszusammenhang Kapitalintensität -Produktivität
Vor der grundsätzlichen Interpretation der Kapitalproduktivität als Ergiebigkeitsmaß macht es sicher zunächst Schwierigkeiten die Tatsache der in modernen
Industrieländern häufig sinkenden Kapitalproduktivitäten sinnvoll einzuordnen.
Ist in so einem Fall gleichzeitig die Kapitalintensität gestiegen, kann davon
ausgegangen werden, dass Hier ist Produktion nicht im Durchschnitt
unwirtschaftlicher geworden ist, sondern durch die Substitution von Arbeit durch
Kapital, also starkes investieren in Kapitalanlagevermögen der Kapitalstock
stärker gestiegen ist als die entsprechende Outputgröße (BIP).
Verzerrungseffekt bei Kapitalproduktivität --Das Phänomen der Konjunktur
Die Konjunktur stört die bisher verwendete Vorstellung von den volkswirtschaftlichen Produktionszusammenhängen auch insofern, als dass implizit
immer eine Normalauslastung des Produktionspotenzials (SVR 96,5%) unterstellt
wurde. Konjunkturelle Schwankungen im Auslastungsgrad wirken sich sowohl
auf das BIP als auch auf die Bruttowertschöpfung aus. Bei der Berechnung der
Kapitalproduktivität mit einer dieser beiden Größen ergibt sich nun das Problem,
dass man in der Kapitalproduktivität eine konjunkturzyklische Komponente
hat307. Dies ist nachteilig, da man mit der Kapitalproduktivität eine grundsätzliche
Aussage über den Produktionsprozess machen wollte und nun zyklische
Verzerrungseffekte beobachtet. Bei langen Zeitreihen stehen folgende
Bereinigungsmöglichkeiten des Kapitalkoeffizienten und Kapitalproduktivität um
Konjunktureffekte zur Verfügung. Man könnte die peaks der Hochkonjunktur in
einer peak-to-peak-Methode verbinden, um so den BIP- Verlauf der vollen
Produktionspotenzialauslastung zu erhalten. Jedoch ist nicht sichergestellt, ob
306
307
Vgl. Brümmerhoff, D. et.al. (2002) S.214.
Vgl. Clement, R. et.al. (2002) S.95.
133
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
nicht manche peaks „weak- peaks“ sind und ob nicht andere peaks nur durch
extreme Beanspruchung aller Faktoren an der äußersten Leistungsgrenze realisiert
werden, was eine langfristige Überlastung des Produktionspotenzials bedeutet308.
Sinnvoller wäre es eine Ausgleichsgerade durch den ganzen Konjunkturzyklus zu
legen und dann diese Gerade bis knapp unterhalb der peaks parallel nach oben zu
verschieben, um der angesprochenen Normalauslastungsvorstellung zu
entsprechen.
In diesem PbSf-Projekt werden die Kapitalproduktivität, der Kapitalkoeffizient
und die Kapitalintensität nur in einer kurzen Zeitreihe von sechs Jahren betrachtet,
so dass eine explizite Konjunkturbereinigung hier nicht möglich ist. Es können
nur im Einzelfall Mutmaßungen über konjunkturelle Einflüsse auf den Verlauf der
oben genannten Größen angestellt werden.
6.3.5.2.4 Bruttowertschöpfung
Die Bruttowertschöpfung ist die Differenz zwischen dem Wert sämtlicher
eingesetzter Vorleistungen und dem Verkaufswert der entstandenen
Fertigprodukte. Die Bruttowertschöpfung kann also als Maß für die im
Produktionsprozess
geschaffenen
Werte
angesehen
werden.
Die
Bruttowertschöpfung wird unter Verwendung einer doppelten Deflationierung
berechnet, wobei sowohl die Vorleistungen als auch die Fertigprodukte dabei auf
ein gleiches Basisjahr bezogen werden. Sowohl bei der Kapitalproduktivität als
auch beim Kapitalkoeffizienten kann die Bruttowertschöpfung als Ersatz für das
BIP eingesetzt werden. Die Bruttowertschöpfung ist kein eigenständiger Indikator
(der wäre auch nicht inputseitig), sondern nur Hilfsgröße bei der Bestimmung
weiterer, errechneter Kennzahlen.
6.3.5.3 Realindikator für den technischen Fortschritt
Die Realindikatoren für den Technischen Fortschritt sind relativ weit von ihrem
Idealindikator, der Veränderung der Produktionsfunktion für einen höheren
Wachstumspfad, entfernt.
Die Indikatoren entstammen der Überlegung, den Innovationsprozess als ein dem
Produktionsprozess vorgelagerten Vorgang zu betrachten. Der Indikator F&EAusgaben stellt den Input, Patente den Output des Innovationsprozesses dar.
Beide sind jedoch Inputs für den Produktionsprozess, an dem sich die
Nachhaltigkeitsbewertung festmacht. Patente werden hier nicht nach Produkt- und
Prozessinnovationen unterschieden, denn es wird angenommen, dass beides
gleichermaßen zur Erweiterung des Produktionspotentials beitragen kann. Man
muss sowohl Input als auch Output im Innovationsprozess betrachten, denn nicht
jede F&E- Ausgabe führt zu marktfähigen Produkten und umgekehrt wird nicht
308
Vgl. Brümmerhoff, D. et.al. (2002) S.306.
134
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
jede marktfähige Innovation zum Patent angemeldet309. Bei schnellen
Innovationszyklen unterlassen Unternehmen häufig die Patentanmeldung, da das
Anmeldeverfahren zu lange dauert und Geheimhaltungsrisiken ungern
eingegangen werden. Bei den angemeldeten Patenten kann aufgrund der hohen
Kosten der Patentanmeldung allerdings davon ausgegangen werden, dass es sich
um relativ marktnahe Entwicklungen handelt. Bezogen auf den Nachhaltigkeitsbeitrag von Patenten wird darauf verzichtet, einzelne Patente als „nicht
wünschbar“ negativ abzuqualifizieren. Es besteht allerdings die Möglichkeit über
den Indikator High-Tech Patentanmeldungen die Patente mit besonders positivem
Nachhaltigkeitsbeitrag weitergehend zu qualifizieren. Gleichermaßen gilt für
Patente wie auch für die F&E- Ausgaben, dass ein „Mehr“ im Zahlenwert des
Indikators als stärker nachhaltig angesehen wird. Bezüglich der Patente wird ein
positiver Nachhaltigkeitsbeitrag angenommen, obwohl die hier festgeschriebene,
vorübergehende Monopolposition zu suboptimaler Auslastung des Produktionspotentials führen kann. Dies wird aber überkompensiert durch die Tatsache, dass
ohne explizite Zuordnung von property-rights viel weniger Innovationen
entstünden und Patente zusätzlich die Funktion der kontrollierten Weiterverbreitung von Innovation erfüllen.310 In wechselseitiger Ergänzung ermöglichen
die beiden Indikatoren F&E- Ausgaben und Patente letztlich eine näherungsweise
zutreffende Beschreibung des Innovationsprozesses.
6.3.5.4 Realindikator Branchenstruktur
Einen einzigen Realindikator für die Beurteilung der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit einer Region durch die geeignete Zusammensetzung der regionalen
Branchenstruktur gibt es nicht. Als Realindikatoren müssen deshalb die
Beschäftigten in Hochtechnologiebereich herangezogen werden. Betrachtet
werden hier als Realindikator für die Branchenstruktur die Anteile der
Beschäftigung in den folgenden Branchen als Anteil an der Gesamtbeschäftigung.
Chemische Industrie, Spitzentechnologie im Verarbeitenden Gewerbe inklusive
High-Tech-Dienstleistungen im Verarbeitenden Gewerbe, Maschinen- und
Fahrzeugbau, Elektrotechnologie, Information und Kommunikation, Meß- Steuerund Regelungstechnik, medizinische High-Tech, Optikindustrie sowie Dienstleistungen mit umfassenden Kenntnissen als Voraussetzung. Bei diesen Branchen
handelt es sich um die nach der internationalen Branchenklassifikation NACE als
High-Tech-Branchen bezeichneten Wirtschaftsbereiche. Diese haben, wie vom
Idealindikator gefordert, eine hohe Produktivität und Kapitalintensität und lassen
so auch unter den Kostenbedingungen entwickelter Industrieländer erhöhte
Wettbewerbsfähigkeit erwarten. Zusätzlich sind diese High-Tech-Branchen durch
einen technologischen Wissensvorsprung gekennzeichnet, der einen gewissen
309
310
Vgl. Oppenländer, K.H. (1988) S.265f.
Vgl. Oppenländer, K.H. (1988) S.265f.
135
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Schutz vor Konkurrenz durch Nachahmerprodukte aus Schwellenländern sichert.
Die Messung des Anteils dieser Branchen an der Volkswirtschaft ist deshalb nur
über die Anteile an der Beschäftigung möglich, da Angaben über die
Umsatzanteile fehlen.
6.3.6 Analyse der Realindikatoren
6.3.6.1 Analyse des Kapitalstockes
Abbildung 30: Kapitalstock (Bruttoanlagevermögen in Mio. Euro)
600.000
500.000
400.000
300.000
200.000
100.000
0
1995
1996
1997
1998
Rheinland-Pfalz
Saarland
Lothringen
Wallonien
1999
2000
Luxemburg
Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg (2004). Daten teilweise geschätzt.
Großregion Saar-Lor-Lux:
Im Zeitraum zwischen 1995 bis 1997 liegt die Steigerung des Kapitalstocks in der
Großregion bei 1,5 %. Zwischen 1997 und 1999 steigert sich der jährliche
Zuwachs des Kapitalstocks auf bis zu 2,02 % pro Jahr. Ab 1999 beträgt die
Steigerung des Kapitalstockes 2.06 %. Die Zunahme der Steigerung ist zwar
rückläufig, aber es existieren dennoch jährliche Zuwächse des Kapitalstockes,
welche die Entwicklung der Großregion als nachhaltig kennzeichnen.
Datenlage:
Es stehen auf NUTS 2 - Ebene nur Daten für das Bruttoanlagevermögen in
Rheinland-Pfalz und Saarland zur Verfügung. Die Daten für die übrigen
Teilregionen sowie für die Großregion wurden durch Hochrechnung produziert.
(Methode siehe Anhang)
136
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Teilregionen:
Wallonie:
Im Zeitraum von 1995 bis 1999 steigert sich der jährliche Zuwachs des
Bruttoanlagevermögens von 1,21 % auf 2,06 % pro Jahr. 1998 liegt die jährliche
Steigerung erstmals über der durchschnittlichen Steigerung der Großregion. Ab
1999 verringert sich die Zunahme der Steigerung, so dass sie im Jahr 2000 bei
2,11 % liegt. Diese Steigerungsrate, die höher ist als der Durchschnittliche Wert
der Großregion zeigt, dass die Wallonie sich nachhaltig entwickelt.
Rheinland-Pfalz:
Von 1995 bis 1997 verringert sich die Steigerung des Bruttoanlagevermögens von
1,81 % auf 1,67 %. Ab 1997 zeigt sich eine konstante Steigerung der jährlichen
Zunahme, so dass dies im Jahr 2000 1,97 % beträgt. Ab 1997 liegen die
Steigerungsraten aller Teilregionen über der von Rheinland-Pfalz. Dies zeigt, dass
sich Rheinland-Pfalz zwar nachhaltig entwickelt, aber dies vergleichsweise
gering.
Saarland:
Die Zuwachsraten des Bruttoanlagevermögens im Saarland verringern sich
zwischen 1995 und 1997 von 1,55 5 auf 1,50 % pro Jahr. Im Zeitraum von 1997
bis 1999 steigert sich die Zunahme des jährlichen Wachstums, so dass im Jahr
1999 2,02 % Wachstum zu verzeichnen ist. Ab 1999 verringert sich die jährliche
Zunahme jedoch auf 1,97 % pro Jahr im Jahr 2000.
Auch die Entwicklung des Saarlandes ist als nachhaltig zu bezeichnen.
Lothringen:
Lothringen verzeichnet im Zeitraum von 1995 bis 1998 die geringsten
Wachstumsraten, jedoch steigen diese seit 1997 stark an. Das Wachstum reduziert
sich jedoch zwischen 1999 und 2000, so dass im Jahr 2000 nur noch eine jährliche
Steigerung des Bruttoanlagevermögens von 1,94 % zu verzeichnen ist. Die
Steigerungsraten Lothringens haben sich im Zeitverlauf an die der anderen
Teilregionen angeglichen, so dass nun von nachhaltigem Wachstum gesprochen
werden kann.
Luxemburg:
Die jährliche Steigerung des Bruttoanlagevermögens liegt im Luxemburg
während des gesamten Betrachtungszeitraumes über dem der anderen Teilregionen. Seit 1997 wachsen diese jährlichen Steigerungsraten zudem noch sehr
stark an, so dass im Jahr 2000 ein Wachstum von 3,44 % im Bruttoanlage-
137
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
vermögen erreicht wurde. Luxemburg entwickelt sich im Bereich des Bruttoanlagevermögens also in hervorragender Weise.
6.3.6.2 Analyse des Modernitätsgrades:
Abbildung 31: Modernitätsgrad (in %)
80
70
60
50
40
1995
1996
1997
Rheinland-Pfalz
1998
1999
2000
Saarland
Quelle: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen für Rheinland-Pfalz und das Saarland:
Datenlieferung des Statistischen Landesamtes des Saarlands. Errechnet aus Quotient Netto- zu
Bruttoanlagevermögen.
Großregion Saar-Lor-Lux :
Für die Großregion Saar-Lor-Lux kann keine Aussage getroffen werden, da die
benötigten Nettoanlagevermögen nur in Rheinland-Pfalz und dem Saarland
verfügbar sind.
Teilregionen:
Rheinland-Pfalz:
Der Modernitätsgrad des Anlagevermögens in Rheinland-Pfalz beträgt 1995 63,09
% und verringert sich stetig auf 61,86 % im Jahre 2000. Obwohl diese
Entwicklung nicht richtungsweisend ist für eine Nachhaltige Entwicklung, so lässt
sich Rheinland-Pfalz dennoch als nachhaltig beschreiben, da der Rückgang des
Modernitätsgrades nicht stark ausgeprägt ist und der Wert mit über 61 % noch
relativ hoch ist.
Saarland:
Der Modernitätsgrad des Saarlandes ist ebenfalls rückläufig, allerdings zeigt sich
der Abwärtstrend ab dem Jahr 1999 verlangsamt, so dass auch dass Saarland
138
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
aufgrund des noch sehr hohen Modernitätsgrades als nachhaltig beschrieben
werden kann.
6.3.6.3 Analyse der Kapitalproduktivität / Kapitalkoeffizienten
Abbildung 32: Kapitalproduktivität (Index Basis 1995)
135
130
125
120
115
110
105
100
95
90
1995
1996
1997
1998
1999
2000
Rheinland-Pfalz
Saarland
Luxemburg
Lothringen
Wallonien
Saar-Lor-Lux
Quelle: Errechnet aus BIP der Regionen Quelle: Eurostat Datenbank NewCronos:
theme1/regio/econ-r/esa95/gdp95/e2gdp95 und Kapitalstock wie erhalten und geschätzt (siehe
Quellen Kapitalstock).
Abbildung 33: Zusammenhang von Kapitalproduktivität,
Kapitalintensität und Kapitalstock in ausgewählten Regionen
(Lothringen)
110
105
100
95
1995
1996
1997
1998
1999
Kapitalintensität
Kapitalproduktivität
Kapitalkoeffizient
Kapitalstock
2000
Quelle: siehe Abbildungen Kapitalstock, Kapitalproduktivität und Kapitalintensität.
139
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Abbildung 34: Zusammenhang von Kapitalproduktivität,
Kapitalintensität und Kapitalstock in ausgewählten Regionen
(Saarland)
110
105
100
95
90
1995
1996
1997
1998
1999
Kapitalintensität
Kapitalproduktivität
Kapitalkoeffizient
Kapitalstock
2000
Quelle: siehe Abbildungen Kapitalstock, Kapitalproduktivität und Kapitalintensität.
Abbildung 35: Zusammenhang von Kapitalproduktivität,
Kapitalintensität und Kapitalstock in ausgewählten Regionen
(Luxemburg)
140
130
120
110
100
90
80
70
1995
1996
1997
1998
1999
Kapitalintensität
Kapitalproduktivität
Kapitalkoeffizient
Kapitalstock
2000
Quelle: siehe Abbildungen Kapitalstock, Kapitalproduktivität und Kapitalintensität.
Es sei als Vorbemerkung sei vorausgeschickt mit welchem Beitrag zur
Nachhaltigkeit die entsprechenden Veränderungen des Verlaufs der Kapitalproduktivität bewertet werden: eine steigende Kapitalproduktivität bedeutet
140
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
ergiebigere Produktion, eine stärkere Wettbewerbsfähigkeit, somit bessere
künftige Investitionsfähigkeit und damit auch eine größere Nachhaltigkeit.
Hier soll im Wesentlichen der Verlauf der Kapitalproduktivität betrachtet werden,
denn der Verlauf des Kapitalkoeffizienten würde jeweils nur spiegelbildliche
Verlaufsveränderungen aufweisen.
Saar-Lor-Lux
In der Gesamtregion lässt sich insgesamt eine zunächst leicht unter das
Ausgangsniveau von 1997 fallende Kapitalproduktivität feststellen, die nach einer
Trendumkehr in den beiden letzten Jahren des Betrachtungszeitraums noch
geringfügig über das Ausgangsniveau steigen kann.
Rheinland-Pfalz
Hier ergibt sich ein relativ zu den anderen Regionen vergleichsweise deutlich
fallender Verlauf der Kapitalproduktivität, der sich den letzten beiden Jahren des
Betrachtungszeitraums in einen steigenden Trend umgekehrt. Jedoch wird das
Ausgangsniveau des Jahres 1995 nicht wieder erreicht.
Saarland
Es ergibt sich hier ähnlich wie in Rheinland-Pfalz ein unter das Ausgangsniveau
fallender Verlauf, jedoch ist dieser Trend noch etwas stärker als in der deutschen
Nachbarregion und das Aufholen in den Jahren 1999 und 2000 fällt noch etwas
schwächer aus.
Luxemburg
Luxemburg zeigt einen kontinuierlichen und sich über die Zeit verstärkenden
Aufwärtstrend in der Entwicklung der Kapitalproduktivität und erreicht insgesamt
den enormen Zuwachs auf etwa 130 Prozent des Ursprungsniveaus über den
gesamten Zeitraum hinweg. Offensichtlich lassen sich bei der Wirtschaftsstruktur
Luxemburgs (hoher Anteil finanzieller Dienstleistungen und allgemein erhöhter
Dienstleistungsanteil) mit dem ohnehin schon relativ starken, investitionsbedingten Aufbau des Kapitalstocks noch wesentlich stärkere relative
Steigerungen des BIP erreichen. Nur so lässt sich angesichts der entsprechenden
Definitionsgleichung die dramatisch-positive Entwicklung der Kapitalproduktivität in Luxemburg erklären. Luxemburg erreicht mit der höchsten
Kapitalproduktivität die ergiebigste Produktion. So wird wiederum die stärkste
Wettbewerbsfähigkeit erreicht, die beste künftige Investitionsfähigkeit und damit
die größte Nachhaltigkeit.
141
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Lothringen und Wallonien
Lothringen und Wallonien zeigen in Niveau und Trendverlauf eine nahezu
gleichlaufende Entwicklung der Kapitalproduktivität, der zudem mit dem
durchschnittlichen Trendverlauf der Gesamtregion nahezu übereinstimmt. Dieser
Trendverlauf ist gekennzeichnet durch eine zunächst leicht unter das
Ausgangsniveau von 1997 fallende Kapitalproduktivität und ein Aufholen in den
letzten beiden Jahren, dass ein geringfügiges Übersteigen des Ursprungsniveaus
ermöglicht.
Bei diesen beiden Regionen zeigt sich mit geringeren Schwankungen und vor
Allem einem höheren erreichten Niveau, das das Ursprungsniveau übertrifft, zum
Ende des Betrachtungszeitraums eine positivere Entwicklung als beim Saarland
und Rheinland-Pfalz.
Insgesamt fällt auf, dass sich deutliche Verlaufsunterschiede in Abhängigkeit von
der nationalstaatlichen Zugehörigkeit der Teilregion feststellen lassen. Dies mag
sich durch teilweise deutliche Unterschiede in den Steuersystemen und bei der
angenommenen zinsabhängigen Investitionstätigkeit sich auch durch
unterschiedliche Zinssätze erklären. Nivellierende Einflüsse auf den Zins durch
die Euroeinführung dürften im Betrachtungszeitraum kaum eine Rolle spielen.
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Kapitalproduktivität mit Ausnahme von
Luxemburg in allen anderen Teilregionen und in der Großregion zunächst fällt
und dann seinen Trend nach oben zu einem leichten Steigen umkehrt.
Niveaufragen, also ob ein Ausgangsniveau wieder erreicht wird, spielen hier
momentan keine Rolle. Erklären lässt sich dies so, dass die kontinuierliche
Kapitalstocksteigerung nicht zu einer entsprechend starken Steigerung beim BIP
geführt hat. Dieser Effekt mag in geringerem Umfang dadurch erklärbar sein, dass
im Rahmen von Rationalisierungsinvestitionen Arbeit durch Kapital substituiert
worden ist und ein gering gestiegenes BIP nun mit viel mehr Kapitaleinsatz
hergestellt wird. In der Großregion insgesamt ist allerdings kein deutlicher
Beschäftigungsrückgang zu verzeichnen- eher und besonders ab 1997- werden
Beschäftigungszuwächse sichtbar. Es ist also zu vermuten, dass konjunkturelle
Einflüsse hier eine stärkere Rolle spielen. Diese haben es zunächst nicht erlaubt
ein hohes BIP aus dem eingesetzten Kapitalstock heraus zu erreichen. Erst die
anziehende Konjunktur hat die zu verzeichnende Trendumkehr durch ein schneller
als der Kapitalstock steigendes BIP ermöglicht.
6.3.6.4 Analyse mit Erweiterung um die Kapitalintensität
Bei der Kapitalintensität kann wiederum in einer Steigerung des Indikatorwertes
ein positiver Beitrag zur Nachhaltigkeit gesehen werden. Denn wenn im
Produktionsprozess eine höhere Kapitalausstattung je Beschäftigtem vorliegt,
bedeutet auch dies höhere Wettbewerbsfähigkeit, bessere Investitionsfähigkeit
142
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
und damit eine größere Nachhaltigkeit. Es lassen sich auch bei der
Kapitalintensität deutliche Verlaufsunterschiede in Abhängigkeit von der
nationalstaatlichen Zugehörigkeit der Teilregion feststellen.
Abbildung 36: Kapitalintensität (Index Basis 1995)
110
105
100
95
1995
1996
1997
1998
1999
2000
Rheinland-Pfalz
Saarland
Luxemburg
Lothringen
Wallonien
Saar-Lor-Lux
Quelle: errechnet aus Kapitalstock wie erhalten und geschätzt (siehe Quellen Kapitalstock) und
Beschäftigte Quelle: Eurostat-Datenbank New Cronos Regio. (REG_YBK/YB_RD/RD_T3)
Zeile: alle NACE- Bereiche.
Darstellung zum Zusammenhang Kapitalproduktivität, Kapitalintensität und Kapitalstock siehe
Abbildungen vorne.
Luxemburg
In Luxemburg zeigt sich eine nur geringfügig steigende Kapitalintensität bei
extrem steigender Produktivität und auch deutlich steigendem Kapitalstock.
Offensichtlich ist mit der hochproduktiven Kapitalstockerweiterung eine
überdurchschnittlich deutliche Steigerung der Beschäftigung einhergegangen.
Dies ist angesichts der dienstleistungsorientierten Wirtschaftsstruktur Luxemburgs
gut erklärbar.
Wallonie und Lothringen
Für diese Regionen (und insbesondere Lothringen) ist ein zunächst steigender,
dann aber schubartig fallender Verlauf der Kapitalintensität typisch. Die
Kapitalintensität liegt in beiden Regionen am Ende des Betrachtungszeitraums
unter dem Ursprungsniveau. Bei konstant steigendem Kapitalstock können die
Veränderungen der Kapitalintensität nur durch Beschäftigungseffekte erklärt
werden. Im Fall von Lothringen sinkt die Beschäftigung bis 1996 und steigt dann
143
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
schubweise wieder an. Dies drückt sich auch in dem Verlauf des schubweisen
Absinkens der Kapitalintensität aus. Diese Erklärung für das beschäftigungsgetriebene Ansteigen und dann Absinken der Kapitalintensität gilt in
abgeschwächter Form auch für die Wallonie. Es kommt in beiden Teilregionen zu
einem Schnittpunkt von Kapitalproduktivitäts- und Kapitalintensitätskurve. Der
Schnittpunkt wird möglich durch das, wie gesehen, konjunkturgetriebene Steigen
der Kapitalproduktivität und das von der Beschäftigungsentwicklung abhängige
Sinken der Kapitalintensität. Es ist interessant zu sehen, dass in der Wallonie und
Lothringen (und insbesondere Lothringen) der Arbeitsmarkt auf anziehende
Konjunktur mit einer Beschäftigungserhöhung, die relativ stärker ist als
Wachstum des Kapitalstocks (daher ja das Sinken der Kapitalintensität), reagiert.
Saarland und Rheinland-Pfalz
Man stellt in beiden Regionen fest, dass es ein gabelzinkenförmiges Auseinanderlaufen von Kapitalintensität und Kapitalproduktivität gibt. Das Absinken der
Kapitalproduktivität ist bereits oben ausführlich begründet worden. Das Ansteigen
der Kapitalintensität ist auch hier beschäftigungsgetrieben, also auf absolutes
(allerdings geringfügiges) Fallen der Beschäftigung, beziehungsweise einen
relativ zum Wachstum des Kapitalstocks nur geringen Beschäftigungszuwachs,
zurückzuführen.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass die beiden deutschen Regionen die in Belgien
und Frankreich sichtbar werdenden Reaktionen auf eine konjunkturelle Erholung
nur vergleichsweise rudimentär mitvollziehen können. Diese Unterschiede lassen
sich erstaunlicherweise feststellen, obwohl es bei allen Regionen (außer
Luxemburg) eine deutliche Übereinstimmung in der Entwicklung des Kapitalstocks, mit einem linearen Wachstum auf etwa 110% des Ursprungsniveaus, gibt.
144
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
6.3.6.5 Analyse der Forschungs-& Entwicklungsausgaben
Abbildung 37: Trendentwicklung der F&E-Ausgaben (in %)
136
116
96
76
56
36
16
-4
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
Rheinland-Pfalz
Saarland
Wallonien
Saar-Lor-Lux
1997
1998
1999
2000
Lothringen
Quelle: Eurostat-Datenbank New Cronos Regio. (RD/EXP_PERS/EXP2).
Großregion Saar-Lor-Lux:
Von 1991 bis 1999 zeichnet sich in der Großregion Saar-Lor-Lux ein sehr klarer
und stetiger Aufwärtstrend der Forschungs-& Entwicklungsausgaben ab. Es
kommt mit einem durchschnittlichen jährlichen Anstieg um 6% zu einer
Gesamterhöhung in diesem Zeitraum um über 50%, was den Rückschluss auf eine
nachhaltige Entwicklung zulässt.
Teilregionen:
Wallonie:
Die Entwicklung der Wallonie im Betrachtungszeitraum kennzeichnet sich durch
einen zunächst starken und dann abflachenden Anstieg der F&E Ausgaben bis
zum Jahr 1998; steigt dann aber wiederum stark an. Mit im Durchschnitt 9%
jährlichem Wachstum ist die Wallonie die Region mit dem schnellsten Wachstum
in den F&E Ausgaben und rechtfertigt mit diesen höchsten Zuwachsraten eine
stark positive Aussage hinsichtlich einer nachhaltigen Entwicklung.
Bezogen auf die pro Kopf Ausgaben liegt die Wallonie allerdings unter dem
Großregionsdurchschnitt. Im Jahr 1991 liegen die pro Kopf Ausgaben der
Wallonie noch um 28% niedriger als im Durchschnitt der Großregion 28% nähern
sich diesem allerdings stark bis sie im Jahr 1999 nur noch um 4% unter
Durchschnitt liegen.
145
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Rheinland- Pfalz:
In Rheinland- Pfalz stagnieren die Ausgaben für F&E zunächst, steigen dann aber
im zweiten Teil unseres Betrachtungszeitraums an. Mit durchschnittlichen
jährlichen Zuwächsen von 4% bildet es jedoch mit dem Saarland im Vergleich der
Teilregionen das Schlusslicht. Dennoch sind die Tendenzen hinsichtlich einer
nachhaltigen Entwicklung gegeben, zumal die pro Kopf Ausgaben für F&E 1991
um 94% über dem Großregionsdurchschnitt liegen, 1999 immerhin noch 66%
darüber, dies bedeutet den mit Abstand höchsten Wert im Saar-Lor-Lux Raum.
Saarland:
Nach einem zunächst relativ stark steigenden Verlauf der Ausgaben wird dieser
dann schwächer. Obwohl das Saarland, genau wie Rheinland- Pfalz, mit „nur“ 4%
jährlichem Wachstum im Großregionsdurchschnitt an letzter Stelle liegt, ist dieser
Wert dennoch positiv zu bewerten, da als Nachhaltigkeitskriterium zumindest eine
geringe Steigerung der F&E Ausgaben definiert wurde.
Allerdings liegen die pro Kopf Ausgaben unter dem Großregionsdurchschnitt und
sinken (im Vergleich zu ihm) zudem noch leicht ( 1991: -21%; 1999: -27%).
Lothringen:
In Lothringen fällt ein sehr sprunghafter Verlauf der Ausgaben auf, bei dem
besonders der auf eine Stagnation folgende steile Anstieg von 1996 auf 1997 ins
Auge fällt. Das jährliche Wachstum von durchschnittlich 8% drückt eine
nachhaltige Entwicklung aus.
Dem gegenüber stehen aber die pro Kopf Ausgaben, die sich deutlich unter dem
Großregionsdurchschnitt befinden (1991: -46%; 1999: -35%) und somit
Lothringen trotz des Annäherns an den Durchschnitt im Vergleich die niedrigsten
Ausgaben tätigt.
Luxemburg:
Leider stehen hier nur die Werte für das Jahr 2000 zur Verfügung, so dass keine
Angabe zur Entwicklung gemacht werden kann.
Dennoch lassen die pro Kopf Ausgaben, die mit ca. 250% über dem
Großregionsdurchschnitt liegen, auf eine sehr solide Basis schließen, von der
anzunehmen ist, dass sie dem Sachkapital hinsichtlich einer nachhaltigen
Entwicklung dienlich sein wird.
Hinweis: Werte in Klammern bezeichnen Abweichungen um den jeweiligen
Prozentwert vom Durchschnitt
146
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
6.3.6.6 Analyse der Patentneuanmeldungen
Abbildung 38: Anzahl der Patentneuanmeldungen
2.200.000
2.000.000
1.800.000
1.600.000
1.400.000
1.200.000
1.000.000
800.000
600.000
400.000
200.000
0
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000
Rheinland-Pfalz
Saarland
Luxemburg
Lothringen
Wallonien
Saar-Lor-Lux
Quelle: New Cronos Eurostat-Datenbank (RD/PATENT_R/PAT123).
Abbildung 39: Anteil der High-Tech-Patentneuanmeldungen zu
Gesamtpatentneuanmeldungen
20
15
10
5
0
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
Rheinland-Pfalz
Saarland
Luxemburg
Lothringen
Wallonien
Saar-Lor-Lux
2000
Quelle: Quelle: New Cronos Eurostat-Datenbank (RD/PATENT_R/PAT123). Patentneuanmeldungen
im
High-Tech-Bereich:
Quelle:
New
Cronos
Eurostat-Datenbank
(RD/PATENT_R/PAT HT123).
147
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Großregion Saar-Lor-Lux :
Im Beobachtungszeitraum fällt die Anzahl der Patentanmeldungen zunächst,
steigt dann aber konstant auf mittlerem Niveau an. Somit ergibt sich ein
durchschnittliches jährliches Wachstum von 4% was einen Nachhaltigkeitstrend
impliziert.
Hinzu kommt, dass sich der Anteil der High-Tech-Patente ständig vergrößert, was
auch auf eine qualitative Entwicklung in nachhaltigem Sinn deutet.
Teilregionen:
Wallonie:
Auch hier sinkt im Trend zunächst die Anzahl der Patenanmeldungen, wächst
zunächst langsam, dann von 1996 bis 1998 sehr deutlich. Im anschließenden von
uns betrachteten Entwicklungszeitraum ist kein klarer trendmäßiger Verlauf zu
erkennen. Es ergibt sich ein jährliches durchschnittliches Wachstum von 10% und
zeigt damit einen sehr positiven Wert hinsichtlich einer nachhaltigen
Entwicklung.
Es ist jedoch anzumerken, dass der Wert der Patentanmeldungen pro 100.000
Einwohner 1990 nur 34% des Großregionsdurchschnitts erreicht, sich jedoch im
Jahr 2000 auf 50% des Durchschnitts verbessern konnte.
Die qualitative Analyse der Patentanmeldungen zeigt, dass der Anteil der HighTech Patente ca. 30 % über dem Durchschnittswert der von uns betrachteten
Großregion liegt, somit ergibt sich auch hier ein Trend in Richtung
Nachhaltigkeit.
Rheinland- Pfalz:
Die Anmeldungen sinken zunächst, steigen dann langsam, aber relativ konstant
an. Im jährlichen Durchschnitt beläuft sich das Wachstum auf 2%. Das eher
verhaltene Wachstum (im Gegensatz zu den anderen Regionen) muss hier mit
dem bereits vorhandenem sehr hohem Niveau an jährlichen Neuanmeldungen
relativiert werden, führt man sich vor Augen, dass der Wert pro 100.000
Einwohner 1990 um 160% über dem Großregionsdurchschnitt liegt. Im Jahr 2000
liegt die Anzahl an Neuanmeldungen pro 100000 Einwohner immerhin noch um
90% darüber.
Die Anzahl der High-Tech-Anmeldungen liegt knapp unter dem entsprechenden
Durchschnitt des Saar-Lor-Lux Raumes aber verdreifacht den Wert binnen drei
Jahren.
Man kann insgesamt eine positive nachhaltige Entwicklung ablesen. (Angemerkt
seien hier die sehr ähnlichen Trend-Verläufe von Rheinland-Pfalz und der
Großregion. Als ein wichtiges erklärendes Element sei hier die Masse an
148
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Anmeldungen in Rheinland- Pfalz angemerkt, die sich natürlich auf den
Großregionstrend deutlich auswirkt).
Saarland:
Den anfänglichen Trend der meisten anderen Regionen der sich zu Beginn des
Beobachtungszeitraums verringernden Anzahl an Neuanmeldungen, ist im
Saarland besonders ausgeprägt. Dann folgt ein starkes Wachstum und somit
eindeutiger Trend in Richtung nachhaltiger Entwicklung, so dass am Ende ein
sehr hohes durchschnittliches Jahreswachstum von 10% zu verzeichnen ist.
Der Wert pro100.000 Einwohner liegt zwar zunächst mit -36% noch deutlich
unter dem Vergleichswert der Großregion, kann sich jedoch aufgrund des guten
Wachstums auf nur -6% Abweichung vom Durchschnitt verbessern.
Negativ seien die High-Tech Patente vermerkt, die 20% unter dem Durchschnitt
des Raumes Saar-Lor-Lux liegen. Die Entwicklung des Anteiles der High-TechPatente entwickelte sich bis 1998 in günstiger Weise, ging dann jedoch leicht
zurück.
Lothringen:
Lothringen ist die im regionalen Vergleich schwächste Region bei den
Patentneuanmeldungen. Einem durchschnittlichen Jahreswachstum von 3% steht
ein niedrigerer „Patente pro 100.000 Einwohner“-Wert der Neuanmeldungen
gegenüber (1990: -40%; 2000: -50% des Großregionsdurchschnitts). Da das
Wachstum aber dennoch positiv ist und zusätzlich Lothringen den höchsten Wert
der High-Tech-Patente in den Regionen (+75% des Großregionsvergleichwertes)
besitzt, kann der Gesamttrend dennoch als nachhaltig eingeordnet werden.
Luxemburg:
Hier sinkt die Anzahl der Patentanmeldungen nicht, wie bei allen anderen
Regionen zu Beginn des Beobachtungszeitraums, sondern man kann hier eine
direkt positive Entwicklung festzustellen, die sich zwar unregelmäßig, aber
insgesamt, trendmäßig sehr steil nach oben bewegt und so am Ende den
durchschnittlich höchsten Jahreswert im Vergleich der Einzelregionen von 11%
aufweist.
Bezogen auf die Anmeldungen pro 100.000 Einwohner folgt Luxemburg mit
steigender Tendenz dem Großregionsdurchschnitt.
Die High-Tech-Anmeldungen (+22%) können hier zusätzlich dem sehr hohen
Wachstum positiv bewertet werden. Der Anteil der High-Tech-Patente zeigt in
Luxemburg die beste Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit.
149
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
6.3.6.7 Analyse der Branchenstruktur:
Abbildung 40: Branchenstruktur – Anteil der Beschäftigten im HighTech-Bereich
20
16
12
8
4
0
1994
1995
1996
1997
1998
Rheinland-Pfalz
Saarland
Lothringen
Wallonien
1999
2000
2001
2002
Luxemburg
Quelle: errechnet aus Daten Beschäftigte (alle NACE- Bereiche) und High-Tech-Beschäftigte
Quelle: Eurostat-Datenbank New Cronos Regio. (REG_YBK/YB_RD/RD_T3).
Großregion Saar-Lor-Lux :
Als Branchenstruktur soll hier der Quotient von Beschäftigten in High-TechBranchen und den Beschäftigten aller Branchen bezeichnet werden.
Im Zeitraum von 1994 bis 2002 zeigt die Großregion Saar-Lor-Lux einen leichten
Trend in Richtung einer nachhaltigen Branchenstruktur, da der Anteil der HighTech-Branchen steigt. Bemerkenswert ist, dass in jedem zweiten Jahr der Anteil
etwas zurückgeht, um dann im Folgenden wieder stärker zu steigen. Diese
Entwicklung ist am ehesten durch sehr kurze Konjunkturzyklen zu erklären.
Teilregionen:
Wallonie:
Die Branchenstruktur der Wallonie zeigt sich in Zeitverlauf relativ stabil. Der
Verlauf zeigt jedoch leichte Zyklen, die sich durch ein leichtes Wachstum der
High-Tech-Branchen und einen anschließenden Rückgang auszeichnen. Die
Entwicklung ist zur Zeit leicht rückläufig, die beschriebenen Zyklen erschweren
jedoch die Interpretation.
150
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Rheinland- Pfalz:
Die Branchenstruktur in Rheinland-Pfalz zeigt sich fluktuierend aber leicht
steigend.
Saarland:
Auch im Saarland zeigen sich zyklische Prozesse, die Einfluss auf die
Entwicklung der Branchenstruktur nehmen. Im Saarland zeigt sich jedoch die
nachhaltigste Entwicklung im Vergleich zwischen den Teilregionen, da hier der
Anteil der Beschäftigten im High-Tech-Bereich über die gesamte Zeit betrachtet
am stärksten steigt.
Lothringen:
Lothringen zeigt ebenso wie die anderen Teilregionen einen uneinheitlichen
Verlauf der Branchenstruktur, lässt jedoch einen leichten Trend in Hinblick auf
eine nachhaltige Entwicklung vermuten.
Luxemburg:
Luxemburg zeigt im Vergleich der Teilregionen einen eher gleichmäßigen Verlauf
bezüglich seiner Branchenstruktur. Von 1994 bis 1998 schwankt der Wert kaum
und hält sich bei etwa 4 %. Von 1998 bis 1999 steigt der Anteil der Beschäftigten
im High-Tech-Bereich im Vergleich zu den übrigen Beschäftigten von 4,12 % auf
5,40 % stark an. Seit 1999 sinkt der Anteil jedoch stetig, so dass in 2002 nur noch
3,46 % der Beschäftigten im High-Tech-Bereich beschäftigt sind.
6.3.7 Wechselwirkungen innerhalb des Sachkapitals
Innerhalb eines Kapitals können Wechselwirkungen zwischen den Indikatoren
stattfinden. Denkbar sind grundsätzlich harmonische (win-win), neutrale und
konfliktäre Entwicklungen (trade-off).
Konfliktäre Entwicklungen kennzeichnen in diesem Zusammenhang eine
Beziehung, in der sich die beiden Indikatoren in ihrer Entwicklung stören,
harmonische Beziehungen sind solche, bei denen sie sich unterstützen und bei
neutralen Beziehungen tangieren sich die Entwicklungen der Indikatoren nicht..
Zunächst sollen die vermuteten Zusammenhänge der Indikatoren innerhalb des
Sachkapitals übersichtsartig zusammengestellt werden:
Tabelle 3: Wechselwirkungen der Indikatoren des Sachkapitals
151
F&E-Ausgaben Harmonie
Modernitätsgrad Harmonie
Branchenstruktur
Harmonie
Harmonie
Harmonie
Harmonie
Harmonie
Harmonie
Harmonie
Kapitalintensität
Harmonie
Bruttoanlagevermögen Harmonie
Bruttoanlagevermögen
Harmonie
Branchenstruktur
Harmonie
Kapitalintensität
Modernitätsgrad
Patente
F&E-Ausgaben
Patente
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Harmonie
Harmonie
Harmonie
Harmonie
Harmonie
Quelle: eigene Erstellung
Patente und Forschungs- und Entwicklungsausgaben (F&E)
Ganz eindeutig lässt sich ein Zusammenhang zwischen den Indikatoren Patenten
und Forschungs- und Entwicklungsausgaben herstellen. Sowohl Patente als auch
FuE-Ausgaben gelten als Zeichen von Innovation und Fortschritt. Sie stehen in
einem positiven Harmonie -Verhältnis zueinander. So lässt sich vermuten, dass
bei einem Anstieg für FuE-Ausgaben auch bei der Anzahl der Patentanmeldungen
ein Anstieg zu verzeichnen sein wird. Umgekehrt jedoch haben Patente keine
eindeutig zuordenbaren Einflüsse auf die FuE-Ausgaben. Patente stellen in diesem
Zusammenhang einerseits die Outputgröße des Innovationsprozesses, während
FuE-Ausgaben der zugehörige Input sind, dar, andererseits bilden sie den Teil der
Innovationen ab, der sonst nicht erfasst würde, nämlich solche Innovationen die
sich als Zufalls- und Nebenprodukt anderer Aktivitäten ergeben haben.
Patente und Modernitätsgrad
Patente sind gleichsam Mittel zum Anstoß von Erneuerungsprozessen. Indirekt
können Patente auf den Modernitätsgrad Einfluss nehmen, nämlich dann wenn
aufgrund von Modernisierungsprozessen neue Erfindungen voran gegangen sind,
und so eine Modernisierung überhaupt erst möglich gemacht wird.
Patente und Wirtschaftsstruktur
Eine günstige Branchenstruktur fördert die Patentanmeldungen im
Hochtechnologiebereich, weil der Vorgang der Patentanmeldung eine Investition
darstellt, die nur dann getätigt wird, wenn eine vernünftige Zukunftsperspektive
gegeben ist.
Patente und Bruttoanlagevermögen
Patente stehen in einem indirekten Beeinflussungsverhältnis zu dem
Bruttoanlagevermögen. So lässt sich annehmen, dass unter den neuen
Patentanmeldungen sich auch jene befinden können, die marktfähige
152
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Produktionsinnovationen für einzelne Unternehmungen darstellen könnten. Somit
können Unternehmen durch Patente zu neuen Investitionen angeregt werden,
wenn die Innovationen eine günstigere Produktion ermöglicht.
F&E -Ausgaben und Modernitätsgrad
Ähnlich wie die Patente wirken die F&E -Ausgaben gering auf den
Modernitätsgrad. Das bedeutet also, wenn die Höhe der Ausgaben für F&E
steigen, so kann angenommen werden, dass sich durch die Anwendung der
Forschungsergebnisse auch der Modernitätsgrad erhöhen wird, weil der durch
F&E -Ausgaben erhöhte Wissenstand in Maschinen umgesetzt wird. Deshalb
werden in verstärktem Maße Anlagevermögensgüter angeschafft.
F&E -Ausgaben und Bruttoanlagevermögen
Die Forschungsergebnisse der F&E -Ausgaben können einen indirekten Einfluss
auf das Bruttoanlagevermögen haben. Wenn demnach viel Geld in F&E investiert
wird, so ist die Wahrscheinlichkeit der Erhöhung des Bruttoanlagevermögens
umso höher, je mehr die Forschungsergebnisse in den einzelnen Unternehmungen
neue Anlagen erfordern.
Brachenstruktur und Modernitätsgrad
Die Branchenstruktur hat Einfluss auf den Modernitätsgrad, da einzelne Brachen
als vergleichsweise innovativer als andere betrachtet werden, und somit im
Bruttoanlagevermögen neuere Maschinen erfordern.
153
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Anhang I: Diskussion und weiterführende Überlegung zu Anlagevermögen als
Nachhaltigkeitsindikator
Offenbar knüpft „Nachhaltigkeit“ sehr stark an intergenerationale Gerechtigkeit,
im Sinne von Substanzerhaltung bei den künftig zur Verfügung stehenden
Inputfaktoren an. Daher stellt sich die Frage, ob die nächsten Generationen
tatsächlich den Kapitalstock oder das Bruttoanlagevermögen, so wie dieser erfasst
wurde, ohne Abstriche erben können. Das Problem ist hier zu diskutieren, da die
künftigen Generationen nicht nur die Bestände an Infrastruktur und
Produktionsanlagen erben werden, sondern demgegenüber auch eine größere
Menge öffentlicher Verschuldung weitergegeben wird. Die Frage ist, ob hier nicht
eine Verrechnung des Anlagevermögensbestandes mit der öffentlichen
Verschuldung erfolgen muss. Weiterhin stellt sich die Frage, ob alle
Schuldenpositionen oder nur jene, die über das Maß an getätigten Investitionen
hinausgehen gegengerechnet werden sollen. Auch Investitionen, die schuldenfinanziert sind, stehen bereits dem Produktionsprozess zur Verfügung und
erweitern schon das vorhandene Produktionspotenzial. Ist es dann gerechtfertigt
diese durch Gegenrechnung der Schulden so zu behandeln als gäbe es sie nicht?
Dazu folgende Überlegung: Folgt man einem keynesianischen makroökonomischen Konzept, so entsteht aus einer bestimmten Menge an
kreditfinanzierter öffentlicher Investitionen über den Multiplikatorprozess ein
Vielfaches an Einkommen. Dies sollte es eigentlich ermöglichen, die öffentliche
Verschuldung leicht wieder von selbst abzubauen. Da empirisch dies nicht
erkennbar ist, sondern vielmehr sich der Schuldenstand immer weiter erhöht, kann
davon ausgegangen werden, dass öffentliche Verschuldung nicht allein in
Leistungsabgaben produzierende Investitionen verwendet werden, sondern häufig
zur Finanzierung von Transfereinkommen (konsumtive Verwendung) gedient
haben. Insofern müssten auf jeden Fall die Bestände an Schulden mit den Bruttoanlagevermögensbeständen verrechnet werden.
Hinzu kommt auch, dass die jeweils arbeitende Generation während ihrer
Erwerbsphase durch produktive Tätigkeit zum Aufbau des Kapitalstocks
beigetragen hat, jedoch über diese Phase hinaus weiter vom künftigen
Kapitalstock konsumieren wird. Der von einer Generation zur Nächsten
weitergegebene Kapitalstock ist also mit den Rentenansprüchen der
vorhergehenden Generation belastet. So müssten prinzipiell die Rentenansprüche
auch vom Kapitalstock subtrahiert werden. Was aufgrund einer völlig
unübersichtlichen und zusätzlich auch unzugänglichen Datenlage grundsätzlich
nicht machbar erscheint.
Dem kann entgegengehalten werden, dass einer Verschuldung immer auch
entsprechende Ansprüche von Gläubigern gegenüberstehen. Was durch die
Bedienung von enorm hohen öffentlichen Schulddiensten der öffentlichen
154
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Investitionsfähigkeit fehlt, kommt Gläubigern als zusätzliches Kapitaleinkommen
zu gute und ermöglicht diesen einen um so höheren Konsum oder Investition. Die
Verschuldung hat also keine Bedeutung als Lastübertragung in die Zukunft,
sondern hat lediglich eine Umverteilungswirkung von den Schuldnern zu den
Gläubigern.
Argumentiert man jedoch nicht mehr bezogen auf die Last der Verschuldung
selber, sondern stellt man darauf ab, welche Anreizwirkungen von einer
Schuldenfinanzierung und andererseits von einer Steuerfinanzierung heute auf den
privaten Sektor ausgehen, kann man möglicherweise die Berücksichtigung der
öffentlichen Verschuldung trotz der oben genannten Einwende als berechtigt
nachweisen. Die Argumentation besagt, dass bei Steuerfinanzierung insbesondere
über spezielle Verbrauchssteuern der private Konsum zurückgedrängt wird, es zu
mehr privaten Investitionen kommt, die dann an die nächste Generation
weitergegeben werden. Bei Schuldenfinanzierung würden die Haushalte mit
ihrem privaten Mitteln relativ mehr konsumieren, da der selektive Negativanreiz
beim Konsum jetzt fehlt. Es käme also zu weniger privater Investitionstätigkeit
und einem geringeren vererbten Kapitalstock. Der zum Investieren notwenige
Konsumverzicht würde somit in die Zukunft verlagert werden311
311
Vgl. Zimmermann, H. et.al. (1994) S.407.
155
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Anhang II: Fehlerrechnung Bruttoanlagevermögen
Die Datenlage im Bereich des Bruttoanlagevermögens ist lückenhaft. Da nur das
Bruttoanlagevermögen für Rheinland-Pfalz und das Saarland bekannt sind, ist es
notwendig, die Daten für die anderen Teilregionen zu berechnen, um so eine
Aussage über den Verlauf der Großregion Saar-Lor-Lux treffen zu können. Für
diese Berechnung ergeben sich verschiedene Möglichkeiten. Zunächst sind nur
diejenigen Größen zur Berechnung geeignet, die in einem sachlichen
Zusammenhang mit der zu berechnenden Größe stehen. Weiterhin müssen die
Daten, die zur Berechnung herangezogen werden sollen, in originärer Form
vorliegen und nicht ihrerseits erst berechnet werden müssen, da eine sequenzielle
Berechnung unberechenbare Auswirkungen auf den Schätzfehler hätte. Für eine
solche Berechnung existieren im Wesentlichen zwei mögliche Schlüsselgrößen:
Das regionale Bruttoinlandsprodukt sowie die regionale Bevölkerungszahl.
Um die Qualität der Schätzer zu beurteilen, wird zunächst eine Schätzung
vorgenommen, bei der ausgehend von den Daten für das Saarland das
Bruttoanlagevermögen von Rheinland-Pfalz geschätzt wird. Dazu wird in jeder
Periode das Bruttoanlagevermögen des Saarlandes durch die regionale
Bevölkerung des Saarlandes zu diesem Zeitpunkt geteilt und mit der rheinlandpfälzischen Bevölkerung zu diesem Zeitpunkt multipliziert. Durch diesen
einfachen Dreisatz ist die Schätzung des Bruttoanlagevermögens in RheinlandPfalz möglich. Da das tatsächliche Bruttoanlagevermögen für Rheinland-Pfalz
bekannt ist, kann so die Differenz zwischen tatsächlichem Wert und dem
geschätzten Wert berechnet werden. Diese Abweichung wird relativiert als
prozentuale Abweichung. Für die Schätzung mittels Bruttoinlandsprodukt ergibt
sich bei dieser Schätzung ein durchschnittlicher Fehler von 3,50%. Benutzt man
die regionale Bevölkerung als Kategorie für die Schätzung, so ergibt sich ein
durchschnittlicher Fehler von 4,27%. Zwar ist der Fehler geringer, wenn das
Bruttoinlandsprodukt benutzt wird, aber da diese Größe für die weitere
Berechnung der Kapitalproduktivität und des Kapitalkoeffizienten benutzt werden
soll, kann sie nicht für die Berechnung des Bruttoanlagevermögens herangezogen
werden. Folglich wird mittels der regionalen Bevölkerung hochgerechnet.
Da für Belgien auch die Daten für das Bruttoanlagevermögen verfügbar sind und
auch die Bevölkerungszahlen für Gesamtbelgien und die Walloniens zur
Verfügung stehen, kann so eine weitere Einschätzung des Fehlers ermöglicht
werden.
156
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
6.4 Sozialkapital
6.4.1 Untersuchungsgegenstand: Sozialkapital
Eine weitere Ausprägung des Vier-Kapital-Modells stellt das Sozialkapital dar. Im
Folgenden soll nun dieses Kapital von den anderen bereits beschriebenen
Kapitalarten abgegrenzt werden, um die Bedeutung des Sozialkapitals für die
regionale Nachhaltigkeit herauszustellen.
Nach der Definition der OECD bezieht sich Sozialkapital “to networks, shared
normes, values and understandings that facilitate co-operation within and among
groups. Communities or societies with high social capital are thought to be
characterised by higher levels of mutual trust, reciprocity, unwritten and
unspoken agreement about societal rules, and social cohesion. Such societies may
also be more effective at achieving collective goal-including those of
environmental protection.“312 Es handelt sich beim Sozialkapital somit um die
Summe kollektiver Potenziale, die dazu beitragen können, Probleme der
Gesellschaft zu lösen, soziale Kohäsion herzustellen und nachhaltige Entwicklung
zu fördern.
Aus dieser Definition wird bereits ersichtlich, dass Sozialkapital auf allen
gesellschaftlichen Ebenen zu finden ist. D.h. sowohl zwischen nahen Verwandten,
sowie Freunden, als auch unter dem Stichwort “Solidarität“ zwischen
verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, die in keiner engen Beziehung
zueinander stehen. Überall dort tradieren sich Normen und Werte, die den
gemeinsamen Umgang bestimmen, wobei auf jeder dieser verschiedenen
gesellschaftlichen Ebenen, genauer der Makro-, Meso- und Mikroebene, das
Sozialkapital spezifische Aufgaben erfüllt.
Auf der Makroebene bezieht sich das Sozialkapital auf Beziehungen zwischen
verschiedenen sozialen Gruppen und Schichten in einer Hierarchie, in der die
verschiedenen Gruppen unterschiedlichen Zugang zu Macht, Status und
Wohlstand haben. In modernen arbeitsteiligen Gesellschaften werden
Sozialbeziehungen auf der Makroebene im Wesentlichen durch das offizielle
staatliche Institutionsgefüge koordiniert. Daher sind die organisatorische
Verfasstheit des Staates, seine institutionellen Rahmenbedingungen sowie der
Anschluss von Individuen und Gruppen an den Staat ein wichtiger Bestandteil des
Sozialkapitals. Diese Dimension des Sozialkapitals wird auch als “linking
dimension“313 bezeichnet.
Auf der Mesoebene bezeichnet das Sozialkapital Beziehungen zu entfernten
Freunden, Verbänden und Kollegen. Auf dieser Ebene hat das Sozialkapital
überbrückende Aufgaben. Es geht darum, Kontakte zwischen verschiedenen
312
313
OECD (2001b), S.18.
Wallacher, J. (2001), S.7f.
157
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
gesellschaftlichen Gruppen zu gewährleisten und den Zusammenhalt innerhalb
der Gesellschaft auch über bestehende gesellschaftliche Grenzen hinweg
sicherzustellen. Sozialkapital wird hier durch die Herstellung von
Rechtssicherheit garantiert. Darunter fällt der Schutz der Menschenrechte durch
Verfassung, Verwaltung und Rechtsprechung sowie alle politischen Strukturen,
die für die Entstehung von Normen und Vertrauen in einer Gesellschaft wichtig
sind.314
Auf der Mikroebene bezieht sich das Sozialkapital auf Beziehungen in Familien
und ethnischen Gruppen. Es hat eine gemeinschaftsbildende Funktion. Woolcock,
der sich mit der historischen Entwicklung des Sozialkapitals befasst, bezieht das
Sozialkapital auf dieser Ebene auf die Fähigkeit der Individuen und
Gemeinschaften, Ressourcen, Ideen und Informationen mit direktem Bezug zur
Gemeinschaft herauszubilden.315 Die Gruppen bringen ihre speziellen Interessen
innerhalb des politischen und sozialen Systems ein und versuchen sie
durchzusetzen. Es ist jedoch entscheidend, dass sich die Menschen einer
Gesellschaft nicht nur ihren Primärgruppen, sondern auch der Gesellschaft als
Ganzes zugehörig fühlen und aktiv in die gesamtgesellschaftlichen sozialen und
politischen Prozesse integriert werden.316
Es lassen sich aus diesen drei Ebenen grundlegende Funktionen des Sozialkapitals
ableiten, und zwar im politischen, sozialen und ökonomischen Bereich.
Im politischen Bereich besitzt das Sozialkapital eine elementare Funktion, da die
Integrationsfähigkeit eines politischen Systems, die Legitimität einer Regierung
und eine gute Regierungsführung wesentlich auf dem Vertrauen der Menschen in
die politischen Institutionen, sowie auf der Tragfähigkeit sozialer Beziehungen
beruhen.
Auch in sozialer Hinsicht hat das Sozialkapital fundierte Bedeutung, denn die
gegenseitige Solidarität zwischen den gesellschaftlichen Gruppen nimmt eine
wichtige stabilisierende Funktion ein.
In modernen arbeitsteiligen Gesellschaften ist Sozialkapital demnach eine
grundlegende Ressource. Gerade diese Gesellschaften sind darauf angewiesen,
dass sich ihre Akteure auf die Einhaltung getroffener Vereinbarungen verlassen
können. Aus ökonomischer Sicht werden dadurch Transaktionskosten gesenkt.
Damit erweist sich das Sozialkapital immer mehr als ein Standort- und
Wettbewerbsvorteil und als ein entscheidender Faktor für wirtschaftliche
Entwicklung.317
Die bereits oben erläuterten Sach-, Natur- und Humankapitale betrachtend, lassen
sich klar herausstellen, dass sich das Sozialkapital stark unterscheidet.
314
Vgl. Wallacher, J. (2001), S.8.
Vgl. OECD (2001a), S.42.
316
Vgl. Wallacher, J. (2001), S.8.
317
Vgl. Wallacher, J. (2001), S.9f.
315
158
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Das Sozialkapital ist relational zu verstehen, es kann nur dann entstehen, wenn
sich Menschen in Beziehungen zueinander befinden. Das bedeutet, dass sich
geteilte Normen, Werte und Verständnisse ebenso auf die menschlichen
Einstellungen und Verhaltensweisen von Gruppen und Individuen beziehen, wie
auf geteilte Normen und Rollen, die das Verhalten determinieren.
Darüber hinaus wird das Sozialkapital durch soziale Interaktionen mit großem
zeitlichen Aufwand aufgebaut. Denn um bei Menschen ein Bewusstsein aus zu
bilden, welches zur Herstellung des gemeinschaftlichen Zusammenhalts beiträgt,
müssen zwischen ihnen über einen längeren Zeitraum Interaktionen bestehen.
Ein weiterer grundlegender Unterschied, der das Sozialkapital von den anderen
Kapitalarten abgrenzt, ist die Tatsache, dass sich Sozialkapital nicht durch
Verbrauch aufzehrt. Vielmehr bedarf es ständiger Aktivierung und Pflege zu
dessen Aufrechterhaltung, da sonst in relativ kurzer Zeit seine Auflösung die
Folge wäre.318 Demzufolge kann Sozialkapital als Ziel und Mittel der
Entwicklung verstanden werden.319
Als letzter Unterschied wird angeführt, dass Sozialkapital sowohl als privates Gut,
als auch als öffentliches Gut begriffen werden muss.320 Es kann nicht als
Alternative zu den anderen Kapitalen, sondern muss als Ergänzung zu ihnen
betrachtet werden, sozusagen als “Kitt der Gesellschaft“, welcher das
gesellschaftliche Zusammenleben nicht nur ermöglicht, sondern langfristig
absichert.321
Zur Messmethode
Bei Bearbeitung der Frage nach der Operationalisierung des Sozialkapitals hat
sich immer deutlicher herausgestellt, dass es gerade in diesem Fall, aufgrund der
genannten Besonderheiten des Sozialkapitals, nicht ausreicht, nur Indikatoren
heranzuziehen, die die gesellschaftlichen Gegebenheiten formal abbilden. Es soll
explizit darum gehen, herauszustellen, wie stark der gesellschaftliche
Zusammenhalt in der Großregion Saar-Lor-Lux ist, und wie sich jene
gesellschaftlichen Gegebenheiten auf die Menschen auswirken. Das bedeutet, dass
es zwar möglich ist, bspw. Arbeitslosigkeit zu messen, jedoch sagt dies nicht
direkt etwas darüber aus, welche Wahrnehmungen in der Gesellschaft über
Arbeitslosigkeit existieren und welche Konsequenzen dies für den sozialen
Zusammenhalt tatsächlich hat. Nur wenn eine repräsentative Erhebung in der
Region vorgenommen wird, zeigt sich deutlich, welche Relevanz und Gewichtung
die einzelnen Komponenten des Sozialkapitals in der Region haben. Wird jedoch
keine direkte Messung bei der Bewertung des Sozialkapitals durchgeführt, dann
318
Vgl. Wallacher, J. (2001), S.5.
Vgl. OECD (2001a), S.43.
320
Vgl. OECD (2001a), S.39.
321
Vgl. Wallacher, J. (2001), S.5.
319
159
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
lassen sich nur Annahmen über den gesellschaftlichen Zusammenhalt anstellen
und auch nur ersichtliche Zusammenhänge ableiten. Die für die Gesellschaft
kritische Frage jedoch, wann Sozialkapital seine integrative Wirkung unter den
spezifischen Bedingungen der Gesellschaft verlieren könnte, lässt sich nicht
feststellen. Die Informationen darüber werden über die objektivierten Messgrößen
nicht ausreichend abgebildet. Um dies herauszufinden, wäre es ratsam, neben der
Abbildung des Sozialkapitals über bestimmte Realindikatoren, auch eine
Rückkopplung an die Bevölkerung in der Region vorzunehmen. Auf diesem
Wege wäre sichergestellt, dass das Sozialkapital sowohl über verschiedene
allgemeine Indikatoren, sozusagen „von außen“, als auch durch direkte Befragung
„von innen“ abgebildet wird. Im Rahmen dieser Forschungsarbeit ist aufgrund des
geringen Zeitrahmens und mangelnder finanzieller Ausstattung eine repräsentative
Befragung nicht möglich. Aus diesem Grunde beschränkt sich die Forschung auf
Messungen über Realindikatoren „von außen“, um sich so dem Sozialkapital zu
nähern.
6.4.2. Herleitung der Ideal- und Realindikatoren
Christian Suter schreibt in seiner Publikation über “Nachhaltigkeit und Soziale
Sicherheit“, dass unter dem Sozialkapital “im Wesentlichen bestimmte
Grundwerte verstanden [werden], nämlich: Gesundheit, soziale Sicherheit,
sozialer Zusammenhalt, Freiheit, Gerechtigkeit, Chancengleichheit, Frieden.“322
Für diese Forschungsarbeit zur “Nachhaltigen Regionalentwicklung“ in der SaarLor-Lux Region wurden von der Arbeitsgruppe zwei Idealindikatoren
herausgearbeitet, die in der Lage sind das Sozialkapital bestmöglich abzubilden.
Diese sind “Vertrauen in soziale Sicherheit“ sowie “politische und
gesellschaftliche Partizipation“.
Sie sollen im Folgenden kurz beschrieben werden, um im Anschluss daran
relevante Realindikatoren ableiten zu können.
6.4.2.1 Vertrauen in soziale Sicherheit
Der Auswahl dieses Indikators liegt die Annahme zugrunde, dass Menschen eher
in eine soziale Gemeinschaft investieren, in der sie sich sicher fühlen und ihre
Lebensbedingungen stabil sind. Ebenso ist es von Bedeutung, dass Vertrauen in
die Mitmenschen, sowie in die Übereinkünfte der Gemeinschaft und deren
Institutionen besteht. Menschen vertrauen gewöhnlich in soziale Sicherheit,
sobald ihre materiellen und immateriellen Grundbedürfnisse abgedeckt sind und
ein soziales Sicherungssystem vorhanden ist, dass sie in Notlagen aufzufangen
vermag. Vertrauen stellt unter anderem deshalb einen entscheidenden Indikator
322
Suter, C. (2002), S.7.
160
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
für Sozialkapital dar, da es wie zuvor erwähnt, positive Einflüsse auf die
ökonomischen Prozesse der Gesellschaft ausübt.
6.4.2.2 Politische und gesellschaftliche Partizipation
Als zweiter Idealindikator wird die aktive Einbindung in politische und
gesellschaftliche Prozesse gemessen. Denn nicht nur das Sicherheitsempfinden
der Menschen lässt das Zusammengehörigkeitsgefühl zu den Mitmenschen, also
innerhalb der Gesellschaft steigen, sondern auch die aktive politische und soziale
Einbindung. Hierdurch kann das Solidaritätsgefühl zwischen den Menschen und
die Identifikation mit Gesellschaft und Staat aufgezeigt werden. Die
Wahrnehmung des Rechts auf Mitbestimmung an gesellschaftlichen und
politischen Prozessen stabilisiert das politische System, legitimiert die Regierung
und/oder politische Praktiken.
Um das Vertrauen der Menschen in die soziale Sicherheit und die politische und
gesellschaftliche Partizipation bestmöglich abzubilden, basiert die Überlegung der
Forschungsgruppe darauf, das Leben jedes Menschen in verschiedene relevante
Bereiche aufzugliedern. Der Mensch möchte gesund, in einem Arbeitsverhältnis
stehend, sicher und aktiv tätig für sich oder für andere sein. Somit sind
Gesundheitsversorgung, Eingliederung in Arbeitsprozesse, Gewährleistung der
öffentlichen Sicherheit und gesellschaftliche sowie politische Partizipation die
wichtigsten Bereiche, welche sichergestellt werden müssen, damit Vertrauen im
gesellschaftlichen System bestehen kann.
6.4.2.2.1 Vertrauen in soziale Sicherheit
Da dieser Idealindikator nicht direkt messbar ist, sollen folgende Realindikatoren
herangezogen werden, die das Vertrauen in die soziale Sicherheit in drei
entscheidenden Sektoren abbilden.
Der Sektor „Öffentliche Sicherheit“ soll über die Kriminalitätsrate und den
Polizeibesatz abgebildet werden.
Die Arbeitslosen- und Erwerbstätigenquote sollen die Einbindung der Menschen
in den Arbeitsprozess abbilden.
Die Gesundheitsversorgung soll über die Anzahl von Krankenhausbetten und die
Anzahl der Ärzte gemessen werden.
6.4.2.2.2 Politische und gesellschaftliche Partizipation
Da auch dieser Idealindikator nicht direkt messbar ist, soll er über zwei
Realindikatoren abgebildet werden, und zwar über die Wahlbeteiligung auf
kommunaler Ebene und Landesebene und die Vereinstätigkeit. Damit soll
einerseits die formale Beteiligung der Bevölkerung am politischen Prozess,
161
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
andererseits die Integration der Menschen in zivilgesellschaftlichen Strukturen
zum Ausdruck gebracht werden.
Die Realindikatoren
Kriminalitätsrate/Polizeibesatz
Die Öffentliche Sicherheit soll anhand der Kriminalitätsrate und des
Polizeibesatzes gemessen werden. Diese Realindikatoren wurden ausgewählt, da
sie stellvertretend für das subjektive Sicherheitsgefühl innerhalb der betreffenden
Region stehen.
Die Kriminalitätsrate spiegelt das kriminelle Verhalten der Bewohner der Region
wieder. Anhand der einzelnen Straftat-Arten können Rückschlüsse auf die
Bevölkerungsstruktur und die besonderen Lebensumstände der dort lebenden
Menschen gezogen werden. In dieser Forschungsarbeit sollen verschiedene
Deliktarten, wie bspw. Eigentums-, Umwelt- oder Tötungsdelikte jedoch nicht
gesondert untersucht werden, da eine diesbezügliche Analyse in diesem Rahmen
zu tiefgreifend wäre und deren Messbarkeit stark schwankenden Einflüssen, wie
z.B. der Anzeigebereitschaft der Mitbürger, unterlegen ist.
Die polizeiliche Kriminalstatistik beinhaltet unter anderem je nach Länge der
Bearbeitungsdauer auch Straftaten zurückliegender Zeiträume. Delikte, zu denen
die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind, können dagegen fehlen. Zudem
muss berücksichtigt werden, dass stets eine Dunkelziffer unerkannter Verbrechen
existiert. Diese steht oft mit der Art des Deliktes im Zusammenhang, wird aber
auch durch andere variable Faktoren, wie z.B. die Anzeigebereitschaft der
Bevölkerung oder die Intensität der Verbrechenskontrolle (besonders bei
Ladendiebstahl), beeinflusst. „Es kann daher nicht von einer feststehenden
Relation zwischen begangenen und statistisch erfassten Straftaten ausgegangen
werden“.323
Insbesondere in einem Ländervergleich sind die jeweilige Gesetzeslage und
gegebenenfalls deren Veränderungen entscheidend. Der Unterschied zwischen
Ordnungswidrigkeit und Straftat, aber auch das Verhalten der Mitbürger im
Anzeigeverhalten oder präventivem Eingreifen spielen eine entscheidende Rolle.
Meist bildet eine Vielzahl von Ursachen den Nährboden für Kriminalität. Die
einzelnen Polizeibehörden versuchen mit verschiedenen Präventionsmaßnahmen
dagegen anzugehen. Direkte Rückschlüsse aus diesen einzelnen Aktionen zu
ziehen ist jedoch schwierig. Hinzu kommt die Tatsache einer unterschiedlichen,
sich stets verändernden Bevölkerungsstruktur, sowie agierende Banden
unterschiedlicher Herkunft. Diese sind oft nur für kurze Zeit für
323
Landeskriminalamt Saarland (Hrsg.) (2003), S.4., vom 07.12.03.
162
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Verbrechensserien verantwortlich und können damit zu einer Veränderung der
Statistik beitragen.
Eine aussagekräftige Messung der „sozialen Sicherheit“ ist also durch die
gewählten Realindikatoren nur unter der Annahme möglich, dass sämtliche
Einflussfaktoren in den betreffenden Regionen nicht stark voneinander
abweichen. Auch die aufgezeigte Tendenz unterliegt der Bedingung, dass sich
gegebene Rahmenbedingungen nicht grundlegend verändern.
Allgemein ist davon auszugehen, dass durch eine auf hohem Niveau stagnierende
oder stetig steigende Kriminalitätsrate, das Sicherheitsgefühl und somit die
Identifikation mit der Region nachhaltig geschädigt werden kann. In dessen Folge
kann es zu Abwanderungen kommen, die wiederum negative soziale und
wirtschaftliche Konsequenzen für die Region mit sich führen. Hohe Kriminalität
kann somit indirekt die Wahl des Standorts zur Planung und Gestaltung des
persönlichen Lebensmittelpunktes beeinflussen, da durch sie nicht nur materieller,
sondern auch immaterieller Schaden befürchtet werden.
Vertrauen in die eigene Sicherheit und die der Angehörigen und Freunde ist ein
Grundbedürfnis der Menschen. Ein Leben in Angst vor Übergriffen jeglicher Art,
insbesondere für Frauen, Familien und ältere Mitmenschen kann gegebenenfalls
zur Isolation und zu psychischen Schäden führen. Ein hoher Polizeibesatz ist
sicherlich nicht ausreichend, um Sicherheit allgemein gewährleisten zu können.
Regelmäßige Streifen können vorbeugend wirken und zu einer Steigerung des
Sicherheitsgefühls der Menschen beitragen. Es kann weiterhin zu einer
effektiveren Verhinderung von Straftaten und zum schnelleren Ergreifen der Täter
führen.
Ein zu niedriger Besatz kann schnell zu mangelnder Präsenz und damit auch zu
einer geringeren Vorbeugung von Straftaten führen. Fühlen sich Bürger zu wenig
geschützt, kann es im Extremfall sogar zur Bildung von Bürgerwehren und zu
Selbstjustiz kommen. Oder, es wird wie im aktuellen Fall von Trier, ein Ausweg
durch die Einrichtung privater Sicherheitskräfte gesucht.324
Je höher die Anzahl der Beschäftigten der Polizei ist, desto eher kommt es zu
einer Aufteilung in Spezialeinheiten, die besser für spezifische Aufgabengebiete
ausgebildet sind.
Arbeitslosenquote und Erwerbstätigenquote
Arbeitslosenquote und Erwerbstätigenquote, stellen die Einbindung der Menschen
in die Arbeitsprozesse dar. Der Bereich der Eingliederung in die Arbeitsprozesse
wurde auf zwei sich ergänzende, allseits gebräuchliche und bekannte Indikatoren
beschränkt.
324
Giarra, F. (2004), S.1.
163
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Die Erwerbsarbeit nimmt im Leben der Menschen eine essentielle Bedeutung ein.
Sie ermöglicht es, Einkommen zu erwirtschaften und so die eigene Existenz und
eventuell auch die der Familie zu sichern. Zumindest können durch sie in den
meisten Fällen die Grundbedürfnisse, wie z.B. eine Wohnung und Nahrung,
abgedeckt werden. Neben der rein finanziellen Seite, ist der soziale Aspekt der
Arbeit für den Menschen sehr wichtig. Durch das Innehaben eines Arbeitsplatzes
wird der soziale Status des Menschen und somit seine Integration in der
Gesellschaft festgelegt. Das positive Image einer Arbeit und einer Arbeitsstelle
kann dem Einzelnen im Hinblick auf andere Lebensbereiche Vorteile bringen z.B.
bei der Wohnungssuche. Unabhängig von der Art der zu verrichtenden Arbeit
jedoch, ist die Tatsache, dass der Einzelne durch sie an der Gesellschaft teilhaben
kann. Abhängig wiederum von dem Rang der Arbeitsstelle in der Ansehens- und
Bedeutungshierarchie ist, inwieweit eine direkte gesellschaftliche Mitwirkung
erfolgen kann. Aufgrund dieser relevanten Stellung der Erwerbstätigkeit wurde
die Erwerbstätigenquote als einer der Realindikatoren gewählt. Er bildet den
Anteil der Erwerbstätigen an der Gesamtbevölkerung ab. In dieser Quote sind im
Gegensatz zur Erwerbsquote die Arbeitslosen nicht erfasst. Dies erschien der
Arbeitsgruppe sinnvoll, da die Arbeitslosigkeit Erhebungsprobleme mit sich birgt.
Zudem wird durch die Wahl der ergänzenden Arbeitslosenquote dieser „Mangel“
wieder behoben. Die Arbeitslosenquote bildet den Anteil der Menschen, die
arbeitslos sind, in Relation zu den zivilen Erwerbstätigen gesetzt, ab. Es ist hierbei
zu beachten, dass die Arbeitslosenquote die Wirklichkeit nur verzerrt abbilden
kann, da unter Arbeitslosen Arbeitssuchende, die vorübergehend nicht in einem
Beschäftigungsverhältnis stehen, versicherungspflichtige Beschäftigung suchen
und sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet haben, verstanden werden. Die
Dunkelziffer derjenigen, die zwar über einen gewissen Zeitraum oder auch
längerfristig keine Arbeit besitzen, durch andere oder durch eigen Erspartes
finanziell „abgesichert“ leben, und somit die offizielle Registrierung aus
vielfältigen Gründen umgehen, ist kaum abzuschätzen. Im Gegenzug dazu werden
offiziell auch Fälle erfasst, die definitionsgetreu nicht in Frage kommen würden.
Dort gehen Menschen einer Arbeit „schwarz“ nach, sind reell also nicht
arbeitslos, aber als solche gemeldet und erhalten dafür die ihnen, die falsche
Annahme zugrunde legend, zustehenden Sozialleistungen. Dies sind Fälle des
Sozialbetruges, welche nicht vernachlässigt werden dürfen. Beide Konstellationen
führen ökonomisch, den Wohlstand betreffend, und sozial zu großen Problemen
und werden zu einer Belastung für Staat und Gesellschaft. Überdies ist zu
überprüfen, welche Arbeiten als relevant für die Quote definiert werden und wie
saisonale und politische Bedingungen einwirken.
Allgemein kann festgestellt werden, dass wenn Menschen sich um ihr finanzielles
Überleben sorgen müssen, ihr Vertrauen in die Politik und die Gesellschaft
geschädigt ist und dies die Umsetzung der Nachhaltigkeit im Bereich des
164
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Sozialkapitals negativ beeinflusst. Im Gegenzug dazu kann die
Erwerbstätigenquote aufzeigen, inwiefern sich diese Annahme bestätigt und das
Vertrauen der Menschen in die soziale Sicherheit durch einen gesicherten
Arbeitsplatz wächst. Es sollte ein Sinken der Arbeitslosenquote und ein Anstieg
der Erwerbstätigenquote angestrebt werden.
Anzahl der Ärzte und Anzahl der Krankenhausbetten
Über die Indikatoren, Anzahl der Ärzte und Anzahl der Krankenhausbetten, soll
die Gesundheitsversorgung messbar gemacht werden. Diese Realindikatoren
wurden ausgewählt, da sie die Grundbedürfnisse der Menschen an medizinischer
Versorgung abdecken. Die Gesundheitsversorgung ist ein Grundbedürfnis der
Bevölkerung und stellt zudem eine wichtige soziale Komponente der Gesellschaft
dar. Menschen setzen einen gewissen medizinischen und gesundheitlichen Schutz
voraus. Zur Messung des Sozialkapitals ist daher die Gesundheitsversorgung eine
wichtige Größe, denn nur mit einer entsprechend guten und medizinisch
ausreichenden Behandlung bzw. Vorsorge kann das Vertrauen der Bürger in das
Gesundheitswesen und somit in ihre eigene Zukunft gestärkt werden.
Da die Gesundheitsversorgung sich in viele Bereiche untergliedert, lässt sie sich
nicht pauschal messen. Um sie besser abbilden zu können, werden zwei wichtige
Bereiche hervorgehoben. Ersterer ist die Anzahl der Ärzte, die direkten Kontakt
zu den Menschen der Region und somit unmittelbaren Einfluss auf das
Wohlbefinden jedes Einzelnen haben. Sie sind häufig der erste Berührungspunkt
mit dem Gesundheitssystem. Ursprünglich wurde in der Arbeitsgruppe angedacht,
anstelle des Indikators „Anzahl Ärzte“ den allgemeineren Indikator „Beschäftigte
im Gesundheitswesen“ zu wählen. Jedoch würde aufgrund der Vielzahl der
Berufe in diesem Bereich, die jeweils unterschiedlichen Einfluss aufweisen, die
Übersichtlichkeit und Anschaulichkeit abhanden kommen. Daher fiel die Wahl
auf den wichtigsten Beruf, den der Ärzte.
Es muss darauf geachtet werden, dass ein ausgewogenes Verhältnis der Anzahl
der Ärzte zur Bevölkerungszahl besteht. Eine zu große Anzahl würde die Kosten
der Gesundheitsversorgung steigern und hätte somit höhere Beitragszahlungen für
die Patienten zur Folge. Außerdem würde eine Schädigung des Images entstehen,
da zu viele Ärzte bei der Bevölkerung den Eindruck der Überversorgung, die sich
letztendlich zu ihren Lasten auswirkt, erwecken. In den Medien war Mitte der
90er Jahre daher vom Begriff der „Ärzteschwemme“ die Rede. Jedoch muss, um
die Versorgung sicherzustellen, eine ausreichende Anzahl vorhanden sein. Denn
zu wenig Kapazität führt zwangsläufig zu einer Überlastung der Ärzte. Dies
erhöht die Gefahr der Fehldiagnosen bzw. der Fehlbehandlungen, welche einen
Verlust des Vertrauens in die medizinische Betreuung bewirken können.
Ärztemangel kann zudem z.B. an den Unikliniken eine reduzierende Wirkung auf
165
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Forschung und Entwicklung haben, da für das Vorantreiben medizinischtechnologischer Entwicklung genügend Freiräume benötigt werden.
Die Anzahl der Krankenhausbetten stellt den anderen Realindikator in diesem
Bereich dar. Der Krankenhausbereich ist der kostenintensivste im
Gesundheitswesen. Daher wurde zuerst der Realindikator „Ausgaben der
Krankenhäuser“ in Betracht gezogen, allerdings gibt es hierfür keine ausreichende
Datenbasis. So wurde der Bereich der Krankenhausbetten herausgegriffen, da
durch ihn, neben der Abbildung der ambulanten Versorgung über die Anzahl der
Ärzte, die stationäre Versorgung dargestellt wird. Ein ausgewogenes Verhältnis
der Anzahl der Krankenhausbetten in der Region ist erforderlich. Zu wenige
Betten führen zu einer Überlastung einzelner Krankenhäuser. Diese müssten
Patienten auf andere Krankenhäuser verweisen bzw. Krankentransporte
durchführen, was zusätzliche Kosten verursachen und negative psychologische
Auswirkungen auf die Bevölkerung haben würde. Die Tatsache, im Notfall
vielleicht medizinisch nicht ausreichend versorgt werden zu können, würde das
Vertrauen der Bevölkerung nachhaltig schädigen. Übereilte und frühzeitige
Entlassungen bzw. eine mangelnde Nachsorge könnten durch eine zu geringe
Anzahl an Krankenhausbetten ebenfalls verursacht werden, da die Betten für
dringendere medizinische Fälle benötigt werden würden. Zu viele
Krankenhausbetten wiederum müssten von den Versicherten der Krankenkassen
durch höhere Beiträge finanziert werden. Daher muss die Bettenanzahl ständig
den Bedürfnissen der Bevölkerung und dem technischen Stand, z.B. neuen
Operationsmethoden, angepasst werden.
Insgesamt ist der Gesundheitsbereich ein sehr sensibler Bereich, da sich
Veränderungen direkt bei den Menschen bemerkbar machen. Er ist somit ein
geeigneter Realindikator zur Messung des sozialen Vertrauens.
Wahlbeteiligung
Die Wahlbeteiligung auf kommunaler Ebene und Landesebene drückt die formale
Beteiligung der Bevölkerung am politischen Prozess und somit die Legitimierung
der Regierung aus. Sie ist eine Bestandsgröße und beschreibt, wie groß der Anteil
der Bevölkerung ist, der das Wahlrecht in Anspruch nimmt. Zur Messung des
Sozialkapitals ist die Wahlbeteiligung relevant, da es der Bevölkerung über die
Teilnahme an demokratischen Wahlen möglich ist, Einfluss auf die politische
Ausgestaltung in ihrer Gesellschaft zu nehmen und somit am politischen Prozess
zu partizipieren. Darüber hinaus wird durch den Urnengang die Regierung
legitimiert. Beteiligen sich die Menschen nicht mehr, oder nur zu einem geringen
Maße an den Wahlen, dann wird der demokratische Prozess an sich in Frage
gestellt.
Die Arbeitsgruppe hat sich dafür entschieden, dass im Rahmen dieser Arbeit die
Wahlbeteiligungen auf kommunaler Ebene sowie auf Landesebene gemessen
166
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
werden sollen, da sich die auf diesen gesellschaftlichen Ebenen gewählten
politischen Vertreter direkt mit regionalen und kommunalen Problemstellungen
befassen müssen. Die These der Arbeitsgruppe lautet hierbei, dass die
Wahlbeteiligung in einer Kommune dann steigt bzw. hoch ist, wenn sich die
Bevölkerung in das politische System integriert fühlt. D.h. die Wahlbeteiligung
entwickelt sich gleichgerichtet proportional zur politischen Integration.
Es muss allerdings bedacht werden, dass die Wahlbeteiligung keinen
ausreichenden Indikator darstellt, der in der Lage wäre, alleine die politische
Integration der Bevölkerung abzubilden. Den Menschen stehen heutzutage
vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung, um sich politisch zu äußern und in das
System zu integrieren. Sie können in politische Gruppierungen eintreten, sich in
Stadtteilbewegungen oder politischen Vereinen artikulieren oder sich in anderen
nichtstaatlichen Organisationen einbringen.
Des Weiteren ist anzumerken, dass jede Wahl auch einen sozialen Aspekt
aufweist. Menschen gehen zur Wahl nicht nur deshalb, weil sie rational eine
Entscheidung für eine bestimmte Partei getroffen haben, sondern auch, weil sie
häufig von außen suggeriert bekommen, dass sie wählen gehen müssen.325 Sie
stehen unter einem bestimmten Außendruck, und je kleiner die Gemeinschaft ist,
bzw. je enger die Verbindungen zu den Politikern, die zur Wahl antreten, ist,
umso stärker werden sie sich verpflichtet fühlen, zur Wahl zu gehen.
Mitglieder in Sportvereinen
Durch den zweiten Realindikator in diesem Bereich, die Vereinstätigkeit soll
versucht werden, den Bereich des sozialen und politischen Systems zu erfassen,
den die Wahlbeteiligung nicht in der Lage zu messen ist, nämlich die Integration
der Menschen in die Gesellschaft. Die Vereinstätigkeit bildet den Anteil der
Bevölkerung ab, welcher sich in zivilgesellschaftlichen Strukturen integriert hat.
Allgemein kann festgehalten werden, dass Vereinstätigkeit Engagement und
Teilnahme an der Gesellschaft widerspiegelt. Die Begrenzung auf Mitglieder in
Sportvereinen erfolgt deshalb, da die Aufzählung der Vielzahl aller Vereine der
Region zu umfangreich und unübersichtlich wäre. Die Datenbeschaffung im
Bereich aller politischen, gesellschaftlichen und sozialen Vereine, wie z.B.
Amnesty International oder der Aidshilfe, war im Rahmen dieser Arbeit nicht
möglich. Daher fiel die Entscheidung zur Messung der Partizipation, vor allem
der sozialen, auf den Realindikator „Vereine im Freizeit- und Sportbereich“.
Jugendliche bspw. werden durch die Mitgliedschaft in einem Verein in die
Gesellschaft eingebunden und gefördert. Sie können dort Toleranz gegenüber
Anderen und Übernahme von Verantwortung erlernen. Dies ist ganz essentiell für
325
Vgl. Benz, M. (o.A.), S.6ff, vom 30.06.2003.
167
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
die Entwicklung der Persönlichkeit. Einzelne sowie eher ausgegrenzte Gruppen
können dort integriert werden und der soziale Halt wird gefördert.
Probleme entstehen, wenn zu wenige Vereine bestehen. Denn dadurch kann vor
allem in ländlichen Gegenden ein ausreichendes Freizeitangebot nicht mehr
sichergestellt werden. Weiterhin ist darauf zu achten, dass genügend Hallen und
Plätze vorhanden sind, um die Möglichkeit zu schaffen, dass Sportvereine
überhaupt tätig werden können.
6.4.3. Analyse
Im Allgemeinen kann die Datensuche im Bereich des Sozialkapitals als nicht
einfach bezeichnet werden. Das hat zum Teil damit zu tun, dass sich die
Arbeitsgruppe nicht nur an den Statistischen Ämtern und Jahrbüchern orientieren
konnte, sondern bzgl. der Wahlbeteiligung oder dem Polizeibesatz an spezifische
Institutionen wenden musste. Dadurch verzögerte sich die Datensuche bzw. stellte
sich in einigen Bereichen sogar als nicht umsetzbar dar.
Weiterhin ergaben sich große Schwierigkeiten in den Regionen Wallonien und
Lothringen. In diesen Regionen war es schwer, in manchen Fällen sogar
unmöglich an Daten zu gelangen. Das liegt unter anderem auch daran, dass das
Statistische Jahrbuch von Frankreich nicht nach Regionen aufgeteilt ist und das
Statistische Jahrbuch Belgiens der Arbeitsgruppe im Forschungszeitraum nicht
zugänglich war.
Auch die Internetpräsenz der Regionen Wallonien und Lothringen, sowie die von
Luxemburg ist nur bruchstückhaft vorhanden, weshalb Daten auch nur begrenzt
vorhanden sind. An dieser Stelle soll kurz dargestellt werden, in welchen
Bereichen noch Daten fehlen:
Tabelle 4: Fehlende Daten für das Sozialkapital
RheinlandPfalz
Erwerbstätigenquote
Arbeitslosenquote
Polizeibesatz
Kriminalitätsrate
Anzahl der Ärzte
Saarland
Luxemburg
Wallonien
Lothringen
2001-2002
2002
1990, 2000
1990-1992,
2002
1990-92, 2002
2002
komplett
1990-1992
1990-1992,
2002
komplett
2002
komplett
komplett
1990-1992, 20012002
2002
2002
komplett
2002
komplett
komplett
1990-1992,
2001-2002
1990-1992,
1994-1995,
1997, 1999,
2001-2002
1990, 2002
2002
2001-2002
Anzahl der
Krankenhausbetten
1990-1992,
2001-2002
1990-1992,
2002
Wahlbeteiligung LTW
1990-1994
Wahlbeteiligung KW
Mitglieder in
Sportvereinen
1990-1992, 19941998, 2002
2002
2002
Quelle: eigene Erstellung
168
1990-1992,
1999-2003
komplett
komplett
2001-2002
komplett
komplett
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Analyse der Erwerbstätigenquote und der Arbeitslosenquote
Über die Erwerbstätigenquote in der Großregion kann nur in Verbindung mit der
Arbeitslosenquote eine sinnvolle Aussage formuliert werden.
Für die Regionen Wallonien und Lothringen liegen bezüglich
Erwerbstätigenquote im Rahmen dieses Projektes keine Daten vor.
der
Wallonien besitzt bezüglich statistischen Datenmaterials nicht genügend
Internetpräsenz. Statistische Jahrbücher über Wallonien wiederum, sind weder
Bestand der Bibliothek der Universität Trier noch waren diese über Fernleihe zu
beziehen. Da die finanziellen Mittel dieses Projektes nicht ausreichen, war auch
eine Bestellung dieser Daten über Datashop nicht möglich.
Die Datenlage Lothringens weist kein anderes Bild auf. Hier besteht ebenso, trotz
ausgebauter Internetpräsenz mit vielen Informationen, ein Datenloch. Eine
Anfrage an Verantwortliche wurde ebenfalls nicht erwidert. Die Jahrbücher
Frankreichs hingegen waren nicht genug aussagekräftig und die Daten von
Datashop wiederum zu kostspielig.
Abbildung 41: Erwerbstätigenquote (in %)
50
45
40
35
30
25
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001
Rheinland-Pfalz
Saarland
Luxemburg
Quelle: Statistisches Landesamt Rheinland – Pfalz (o.J.a), [Stand: 10.12.03]; Statistisches
Landesamt Saarland (2003a), [Stand: 27.11.03]; Statistisches Landesamt Saarland (2003b), [Stand:
27.11.03]; Service Central de la Statistique et des Etudes Economiques Luxembourg (o.A.a):
Annuaire statistique du Luxembourg (1990 - 2001).
Es ist schwierig, eine allgemeine Tendenz der Quote für die Großregion
festzulegen, da zu wenige aussagefähige Daten zur Verfügung standen. Denn auch
für die anderen drei Regionen liegen Daten nur bis 2000 bzw. 2001 vor, beim
Saarland beginnen sie sogar erst im Jahre 1993. Die Daten für Rheinland-Pfalz
und das Saarland stammen von den umfassenden Internetseiten der statistischen
169
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Landesämter. Für Luxemburg sind diese Daten den statistischen Jahrbüchern
entnommen.
Auf alle drei Regionen wurde die gleiche, allgemeingültige Formel zur Ermittlung
der Erwerbstätigenquote angewandt. Hierbei wurde pro Jahr die
Erwerbstätigenzahl durch die Bevölkerungszahl geteilt und dieser Wert mit 100
multipliziert.
Es wird sich im Folgenden darauf beschränkt, die verbleibenden drei Regionen
mit der jeweiligen Tendenz zu erläutern und erst mit Sicht auf die
Arbeitslosenquote einen allgemeinen Trend auszumachen.
Die Erwerbstätigenquote in Rheinland-Pfalz weist eine sinkende Tendenz mit
geringen Schwankungen, maximal ein bis zwei Prozent, im Zeitverlauf auf. 1991
hatte sie mit 44,5% ihren Höchststand, möglicherweise ausgelöst durch die
Wende 1989. Die Wirtschaft erfuhr zu dieser Zeit einen Aufschwung. Der
niedrigste Wert 41,7% ist hier im Jahre 1997 vorzufinden und könnte
möglicherweise auf die Weltwirtschaftskrise zu diesem Zeitpunkt zurückzuführen
sein. Insgesamt ist sie, das Jahr 1991 mit 44,5% betrachtend, im Zeitverlauf um
0,9% geringfügig gefallen, da sie 2001 43,6% hoch war.
Für das Saarland liegt nur Datenmaterial von 1993 bis 2001 vor. Daher kann keine
Aussage getroffen werden, ob auch im Saarland die Quote 1991 ihren höchsten
Wert hat. Aufgrund der Zahlenreihe ergibt sich hier das Bild, dass 2001 47,5% der
Bevölkerung erwerbstätig waren, 1994 jedoch nur 43,6%. Es ist anzunehmen,
dass diese Tendenz, 3,9% Steigerung, im Erwerbstätigenbereich auf den Wandel
des Arbeitssektors zurückzuführen ist. Als Folge neu entstehender
Dienstleistungen, im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie.
So werden bspw. im tertiären Bereich zunehmend Arbeitsplätze geschaffen,
besonders relevant für die Großregion und daher auch für das Saarland.
In Luxemburg, wie auch zuvor erwähnt in Rheinland-Pfalz, lässt sich 1991 mit
42,7% die höchste Quote verzeichnen und 1997 ebenfalls der niedrigste
Prozentsatz von 40,7% finden. Allerdings ist hier weniger eine sinkende Tendenz
festzustellen, sondern es kann eher von gleich bleibenden Werten gesprochen
werden, beginnend mit 42,7% 1990 und einen Wert von 42% im Jahre 2001
erreichend.
Über die Erwerbstätigenquote kann für die Regionen Wallonien und Lothringen
im Rahmen dieser Projektarbeit, aufgrund nicht zur Verfügung stehenden
Datenmaterials, keine Aussage getroffen werden. Über die Arbeitslosenquote
jener beiden Regionen im Vergleich mit den anderen kann jedoch gefolgert
werden, dass die Erwerbstätigenquote wohl nur um einige wenige Prozente
differieren kann und wahrscheinlich ungefähr das Niveau der anderen Regionen
besitzt.
170
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Bevor eine genaue Schlussfolgerung aufgrund dieser Werte getroffen werden
kann, ist es sinnvoll die Arbeitslosenquote der betreffenden Regionen ergänzend
zu betrachten, um ein Gesamtbild zu erhalten.
Die Arbeitslosenquote wird einheitlich erhoben und liegt für alle fünf Regionen
jedes zweite Vierteljahr auf der NUTS 3 Ebene von 1990 bis 2001 vor. Allerdings
existiert auch hier eine Datenlücke für die Erhebungsjahre 2002 und 2003. Die
harmonisierten Daten stammen aus New Cronos Regio und waren über Datashop
erhältlich.
Abbildung 42: Arbeitslosenquote (in %)
20
15
10
5
0
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001
Rheinland-Pfalz
Saarland
Lothringen
Wallonien
Luxemburg
Quelle: Eurostat (o.J.a): Datenbank NewCronos Regio - harmonisierte Arbeitslosenquote - NUTS
3 Ebene - Zweites Vierteljahr (theme1/regio/unemp-q2/rt_q2), [Stand: 22.12.03].
Die grenzüberschreitende Betrachtung der Erwerbstätigen- und der Arbeitslosenquote lässt zukunftsweisend, aufgrund nicht ausreichenden statistischen Materials,
nur vage Prognosen zu. Denn Veränderungen und potenzielles Wachstum auf dem
Arbeitsmarkt sind eng an die Bevölkerungsdynamik, die allgemeine
Weltwirtschaftslage
und
politische
Maßnahmen
gebunden.
Die
Arbeitslosenquoten der Regionen Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Luxemburg und
von Wallonien steigen tendenziell, was eine verschlechterte Wirtschaftslage und
fortschreitende Technologisierung vermuten lässt. Allein Lothringen weist eine
positive Tendenz in der Arbeitsmarktentwicklung und daher eine gesunkene
Quote auf. Somit kann in Bezug auf die Erwerbstätigkeit angenommen werden,
dass diese größtenteils konstant bleibt bzw. nicht steigen wird.
Rheinland-Pfalz besitzt 1991 mit 3,4% einen sehr geringen Prozentsatz an
Arbeitslosen, was durchaus auf die deutsche Wiedervereinigung und den
Aufschwung zu dieser Zeit zurückgeführt werden kann. 1997 gab es weltweit eine
171
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Wirtschaftskrise, welche sich mit dem höchsten Arbeitslosenwert von 7,1%, in
Rheinland-Pfalz widerspiegelt. Generell ist die Steigungsrate der Arbeitslosigkeit,
trotz zeitweilig größerer Schwankungen, aber durchaus nicht so hoch wie oft
angenommen. Das Jahr 1990 betrachtend, liegt der Wert bei 4,2%, 2001 bei 5,8%
angelangt, sozusagen geringfügige 1,6% Prozentpunkte Differenz im Laufe von
11 Jahren.
Auch im Saarland sind 1991 „nur“ 5,9% der Menschen ohne feste Arbeitsstelle,
1997 mit dem höchsten Wert jedoch 10,1%. Die Hintergründe für diese Werte
dürften dieselben wie in Rheinland-Pfalz sein. Schwankungen der Quote in dieser
Region variieren zwischen 7% und 10%, weichen aber jeweils auf das Vorjahr
bezogen höchstens um einen Prozentpunkt nach oben bzw. unten ab. Diese
Tendenz zeigen auch die Werte 1990 mit 7% und 2001 mit 7,9% auf.
Luxemburg hat, beeinflusst durch die wirtschaftliche Entwicklung, ebenfalls im
Jahre 1991 den tiefsten Stand mit 1,5%. Allerdings komplementiert es nicht die
Reihe, da sein höchster Wert 3,5% auf 1994 fällt. Im Rahmen dieser Arbeit kann
nicht geklärt werden, wieso dies der Fall ist. Jedoch zeigt auch Luxemburg in der
allgemeinen Tendenz keine größeren Schwankungen. Angefangen mit 1,6% 1990
und abschließend mit 2,4% in 2001 ergibt nur eine minimale Differenz von 0,8%.
Wallonien besitzt auch im Jahre 1991 ihren geringsten Arbeitslosenquotenwert
von 8,7%. Der Höchste ist, wahrscheinlich auch beeinflusst durch die
wirtschaftliche Weltsituation, 1998 mit 13,8%. Im Verlauf gesehen pendelt sich
der Wert, mit einigen Schwankungen von zwei bis drei Prozent, von 1990 9% auf
10,6% in 2001 ein und bleibt mit einer Steigungsrate von 1,6% im Rahmen des
Üblichen.
Lothringen weist einen sinkenden Trend der Arbeitslosenquote auf. Lag diese
1990 bei 7,9%, ist sie im Jahre 2001 bei 6,7% angelangt. Da keine vergleichbar
erhobenen Daten für 2002 und 2003 vorliegen, ist nicht abzusehen, ob z.B. der
elfte September spätere negative Auswirkungen auf die Quote dort hatte.
Analyse der Kriminalitätsrate und des Polizeibesatzes
Leider sind zu diesen Themen die Daten nicht in gewünschter Menge zugänglich.
Sie stammen für Rheinland-Pfalz vom statistischen Landesamt und werden durch
die Polizeistatistik des Landes ergänzt. Im Saarland und in Luxemburg bilden die
statistischen Jahrbücher die Grundlage, ergänzt werden auch sie durch die
jeweiligen polizeilichen Kriminalstatistiken. Die Daten vom Datashop wurden
nicht herangezogen, da sie sich jeweils auf den Stand vom 1. Januar beziehen,
wohingegen die anderen Quellen (Stand 31.12.) besser kompatibel sind. Für
Lothringen und Wallonien war es leider, aufgrund zuvor erläuterter Probleme,
nicht möglich Daten zu beschaffen.
172
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Insgesamt lassen sich keine großen Abweichungen der Kriminalitätsrate zwischen
den betreffenden Regionen feststellen. Sie bewegten sich alle in einem engen
Rahmen, innerhalb von 5% und 7%, wobei in Luxemburg die größten
Schwankungen bestehen. Allgemein ist allerdings eher ein Anstieg zu erkennen.
Abbildung 43: Kriminalitätsrate bezogen auf die Gesamtbevölkerung (in
%)
10
8
6
4
2
0
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002
Rheinland-Pfalz
Saarland
Luxemburg
Quelle: Statistisches Landesamt Saarland (2003b), [Stand: 27.11.03]; Statistisches Landesamt
Rheinland-Pfalz (o.J.c); Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz (2002), [Stand: 03.12.03];
Landeskriminalamt Saarland (2003) [Stand: 07.12.03]; Ministère d´Interieur(2002), S.5.
In der Region Rheinland-Pfalz sind keine besonderen Auffälligkeiten
auszumachen. Die Bevölkerung nimmt ebenso wie die Kriminalitätsrate stetig zu.
Ein Anstieg der Kriminalitätsrate von ca. 5,4% auf ca. 6,9% ist dort zu
verzeichnen. Im Jahr 2002 erreicht die Rate somit ihren Höchststand, sie ist
gegenüber dem Vorjahr um 17,1% gestiegen. Ein erheblicher Teil davon ist der
Wirtschaftskriminalität (+ 66,9%), der Computerkriminalität (+26,9%) und der
Straftaten gegen Bestimmungen zum Schutze der Jugend (+62,5%)
zuzurechnen.326 Dies liegt zum Teil in der einfachen Tatsache begründet, dass die
Erfassungen und Anzeigen in diesen Bereichen zugenommen haben.
Zwar nimmt auch die Zahl der Angestellten der Polizei im gleichen Zeitraum zu,
aber fast im selben Ausmaß wie die Bevölkerung, so dass der Besatz insgesamt
fällt, er beträgt durchschnittlich 2,6% auf die Gesamtbevölkerung bezogen.
Ursachen dafür liegen in der allgemeinen Finanzlage begründet. Aktuellen
Zeitungsmeldungen zufolge, liegt der Besatz in Rheinland-Pfalz weit unter dem
geforderten Mindestmaß, so dass die Beamten viele Überstunden leisten müssen
326
Vgl. Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz (Hrsg.) (2003), S.2., vom 03.12.03.
173
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
und ihre Präsenz darunter leidet. Auch für die Zukunft wird aufgrund einer
zunehmenden Anzahl weiblicher Beschäftigter mit höheren Dienstausfällen
wegen Mutterschaftsurlauben gerechnet. Ein Anstieg des Besatzes ist allerdings
für die nächsten Jahre in Planung.327
Abbildung 44: Polizeibesatz bezogen auf die Gesamtbevölkerung (in %)
0,40
0,30
0,20
0,10
0,00
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002
Rheinland-Pfalz
Luxemburg
Quelle: Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz (o.J.d); Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz
(2002); Ministère d´Interieur (Hrsg.) (2002), S.68.
Im Saarland hingegen sinkt allgemein die Bevölkerungszahl stetig, wobei die
Anzahl der Straftaten schwankt. Ein besonderer Sprung ist in den Jahren 2001 und
2002 zu erkennen. 2001 wurden mit großem Abstand die wenigsten Straftaten
gemeldet (60.651, dies entspricht ca. 5,7%), hingegen 2002 die meisten (72.601).
Dies spiegelt sich, wenn auch nicht so deutlich, in der Kriminalitätsrate mit einem
Anstieg von 19,87% auf insgesamt 6,8% wider. In den übrigen Jahren belief sie
sich auf ca. 6%. Ursächlich hierfür ist, ähnlich wie in Rheinland-Pfalz, ein
Anstieg der Wirtschaftskriminalität (Vermögens- und Fälschungsdelikte +54,7%),
Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (+48,4%), sowie Rauschgiftkriminalität (+28,1%). Anzumerken ist hierbei, dass in den genannten Bereichen
die Aufklärungsquoten besonders hoch sind (Vermögens- und Fälschungsdelikte:
77,2%). Hierunter fallen auch Waren- und Warenkreditbetrug (+88,8%),
Anlagebetrug und Betrug mittels rechtswidrig erlangten unbaren Zahlungsmitteln
(+101,5%).328
In Luxemburg wächst die Bevölkerung stetig, aber im Vergleich zu RheinlandPfalz ist die Kriminalitätsrate eher schwankend. Nach einem Höchststand von
327
328
Vgl. Winkler, J. (2004), S.6.
Vgl. Landeskriminalamt Saarland (Hrsg.) (2003), S.6ff., vom 07.12.03.
174
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
7,2% im Jahr 1994 ist sie im Jahr 2001 auf einen Wert von 5,1% gesunken. Dies
bedeutet einen deutlichen Rückgang von 40,7%. Leider ist sie im folgenden Jahr
jedoch wieder um 14.5% auf einen Wert von 5,8% gestiegen. Die
Hauptdeliktarten sind hier, anders als in den deutschen Regionen, Diebstähle und
Verkehrsdelikte. Zu bemerken ist auch hier der enge Zusammenhang mit den
verstärkten Kontrollen in Geschäften sowie allgemeine Verkehrskontrollen. Der
Polizeibesatz weist leichte Schwankungen von 0,2% auf und bewegt sich im
Rahmen von 2,8%.329 Es kann auch hier davon ausgegangen werden, dass ein
weiterer Anstieg des Besatzes wünschenswert wäre.
Analyse der Anzahl der Ärztinnen und Ärzte und der Krankenhausbetten
Datengrundlage für den Realindikator „Anzahl der Krankenhausbetten“ sind die
Statistischen Jahrbücher der Bundesrepublik Deutschland, sowie der Länder
Rheinland-Pfalz, Saarland und Luxemburg. Des Weiteren werden Werte von
Datashop verwendet. Da die Daten sich teilweise stark unterscheiden, so ist z.B.
für das Jahr 2000 im Statistischen Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland ein
Wert von 27.236 Krankenhausbetten vermerkt, während Datashop eine
Bettenanzahl von 35.693 angibt, hat sich die Forschungsgruppe für eine
einheitliche Datengrundlage entschieden. Dies hat zur Folge, dass fehlende
Zahlen nicht mit anderen Quellen ergänzt werden, da dies die Statistik falsch
wiedergeben würde. So werden die Zahlen von Rheinland-Pfalz weder von
Datashop verwendet, noch mit Daten aus den Statistischen Jahrbüchern
kombiniert. Gründe für die großen Differenzen können mitunter unterschiedliche
Zählweisen (z.B. eingelagerte Betten werden mit aufgeführt) sein oder die
Erhebungen erfolgen als Stichtagswert bzw. als Jahresdurchschnitt.
Daten über Wallonien und Lothringen liegen nur bei Datashop vor, die Werte für
Rheinland-Pfalz und dem Saarland sind dem Statistischen Jahrbuch des Bundes
entnommen und für Luxemburg ebenfalls dem entsprechenden Jahrbuch. Auf
diese Weise ist garantiert, dass die Datenreihen die geringsten Lücken aufweisen.
Insgesamt nimmt die Anzahl der Krankenhausbetten in der Saar-Lor-Lux-Region
langsam, aber stetig ab.
329
Vgl Police Grand-Ducale–Luxembourg (Hrsg.) (2003), S.5ff., vom 08.12.2003.
175
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Abbildung 45: Anzahl der Krankenhausbetten (je 1.000 Einwohner)
12
10
8
6
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001
Rheinland-Pfalz
Saarland
Lothringen
Wallonien
Luxemburg
Quelle: Statistisches Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland; Service Central de la Statistique et
des Etudes Economiques Luxembourg (o.A.a); Eurostat (o.J.c): Datenbank New Cronos Regio Gesundheitsstatistik (theme1/regio/health-r), [Stand: 22.12.03].
Wallonien hat einen Rückgang von 23.915 im Jahr 1993 (7,3 Betten pro 1000
Einwohner) auf 21.945 (6,6) im Jahr 2000 zu verzeichnen. Den stärksten
Rückgang hat Luxemburg zu vermelden, so beträgt die Bettenzahl 1993 noch
4560 (11,5 pro 1000 Einwohner) und sinkt auf 3035 im Jahr 2001 (dies entspricht
6,8 Betten pro 1000 Einwohner). Etwas moderater fällt der Rückgang in den
anderen Ländern aus. So sinkt der Durchschnittswert (immer auf 1000 Einwohner
bezogen) in Rheinland-Pfalz von 7,8 (1990) auf 6,6 (2001), im Saarland von 8,8
(1990) auf 7,1 (2001) und in Lothringen von 9,8 (1993) auf 8,5 im Jahr 2001.
Gründe hierfür können vor allem die Einsparungen im Gesundheitswesen und
fortschreitende technische Entwicklungen sein.
Der zweite Realindikator des Gesundheitswesens “Anzahl der Ärzte“ hat die
Werte von Datashop als Datengrundlage. Für diese Messgröße sind in der SaarLor-Lux-Region die Daten ab 1993 einheitlich und lückenlos erfasst. Die Werte
der Statistischen Jahrbücher weichen auch hier von diesen Daten ab. Gründe
können eine differenzierte Zählweise sein (z.B. Zahnärzte werden hinzu
gerechnet). Für die Jahre 1990 bis 1992 werden die Daten aufgrund dieser
unterschiedlichen Erhebungsart nicht ergänzt.
In der gesamten Region nimmt die Anzahl der Ärzte Jahr für Jahr zu. Vor allem
die demographische Entwicklung, immer mehr ältere Menschen müssen versorgt
werden, und die steigende Zahl an Medizinstudierenden kann hierfür
verantwortlich sein.
176
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Abbildung 46: Anzahl von Ärzten (je 1.000 Einwohner)
5
4
3
2
1
0
1993
1994
1995
1996
1997
1998
Rheinland-Pfalz
Saarland
Lothringen
Wallonien
Quelle: Eurostat: (o.J.b): Datenbank
(theme1/regio/health-r), [Stand: 22.12.03].
New
Cronos
1999
2000
2001
Luxemburg
Regio
-
Gesundheitsstatistik
Den stärksten Anstieg verzeichnen Wallonien und Luxemburg. In Wallonien
steigt die durchschnittliche Zahl (auf 1000 Einwohner bezogen) von 3,1 im Jahr
1993 auf 4,1 (2000), während in Luxemburg eine Zunahme von 2,1 (1993) auf 3,2
(2000) zu verzeichnen ist. In Lothringen steigt die Anzahl von 2,5 im Jahr 1993
auf 2,9 in 1994, danach stagniert der Durchschnittswert und ist mit 2,9 in 2000
weiterhin stabil. In den deutschen Ländern Rheinland-Pfalz und Saarland nimmt
die Zahl der Ärzte langsamer zu. Dies könnte an der Selbstverwaltung der
Kassenärztlichen Vereinigungen liegen, da diese darauf achten, dass keine
Überversorgung stattfindet und Budgetrestriktionen eingehalten werden. Die
deutsche Besonderheit, dass die Ärzte sich selbst organisieren und verwalten,
könnte für den langsameren Anstieg verantwortlich sein. So steigt die Zahl von
2,8 (1993) auf 3,0 (2001) in Rheinland-Pfalz und von 3,1 (1993) auf 3,6 (2001) im
Saarland.
Analyse der Wahlbeteiligung
Die Wahlbeteiligung soll wie bereits angesprochen auf zwei Ebenen gemessen
werden, auf der regionalen und der kommunalen, da sich die politischen Akteure
insbesondere dort mit Fragen der regionalen Entwicklung und der Nachhaltigkeit
befassen müssen. Auf der kommunalen Ebene sind nur Zahlen aus RheinlandPfalz und dem Saarland durch die Publikationen der Wahlleiter, den
Veröffentlichungen zu den Wahlen durch die Bundesländer vorhanden, des
Weiteren von einer Wahlperiode aus Luxemburg330, weshalb diese Wahlen
330
Die Daten über die Wahlen auf kommunaler Ebene in Luxemburg wurden durch die
Arbeitsgruppe selbst anhand der Wahlergebnisse der einzelnen Gemeinden berechnet.
177
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
lediglich ergänzend einbezogen werden können. Trotz des Versuches die
fehlenden Daten durch direktes Anschreiben des statistischen Amtes von
Lothringen, sowie der regionalen Regierung von Wallonien zu erhalten, konnten
die Daten nicht beschafft werden.331
Auf der Ebene der Landtags- und Regionalwahlen ist die Datenlage ergiebiger.
Hier sind die Daten für Rheinland-Pfalz, Saarland, Luxemburg und Lothringen
komplett vorhanden. Sie wurden aus den Statistischen Jahrbüchern, sowie durch
die Internetseiten der zuständigen Behörden in Lothringen, Wallonien und
Luxemburg gewonnen. Für Wallonien fehlen die Daten bis einschließlich 1994.
Zu den verwendeten Daten ist folgendes zu sagen: Für Rheinland-Pfalz und das
Saarland wurden Wahlergebnisse der Landtagswahlen herangezogen. In
Luxemburg, da es sich hierbei nicht um eine Region, sondern um einen Staat
handelt, der komplett abgebildet werden soll, wurden die Parlamentswahlen auf
nationaler Ebene einbezogen. In Lothringen und Wallonien beziehen sich die
Daten auf die Regionalwahlen, da diese über die Departement-Grenzen hinaus die
gesamte Region abbilden.
Abbildung 47: Wahlbeteiligung bei Landtags- bzw. Regionalwahlen (in %)
100
75
50
25
0
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003
Rheinland-Pfalz
Saarland
Lothringen
Wallonien
Luxemburg
Quelle: Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz (o.J.b), [Stand: 15.12.03]; Statistisches
Landesamt Saarland (o.J.), [Stand: 12.12.03]; Centre on Democratic Performance (Binghamton
University) (2001a), [Stand: 04.01.04]; Centre on Democratic Performance (Binghamton
University) (2001b) [Stand: 04.01.04]; Centre on Democratic Performance (Binghamton
University) (2001c),. [Stand: 04.01.04]; Observatoire Interrégional du Politique (2003), S.4.
[Stand: 17.12.03]; Lutte ouvrière (Hrsg.) (2002), [Stand: 13.12.03]; Centre de Calcul de
l´université libre de Brussel (o.J.), [Stand: 02.01.04].
331
Die Tabelle zu der Wahlbeteiligung auf kommunaler Ebene ist im Anhang zu finden.
178
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Allgemein lässt sich der Trend ablesen, dass im Zeitraum von 1990 bis 2003, in
dem in allen fünf Regionen jeweils zwei bis drei Wahlen verzeichnet sind, die
Wahlbeteiligung sinkt. In Rheinland-Pfalz sank die Wahlbeteiligung bei den
Landtagswahlen von 77,0 auf 62,1%, im Saarland von 83,2 auf 68,7%. In
Lothringen sank die Wahlbeteiligung bei den Regionalwahlen von 72,1 auf 54,7%
und in Luxemburg ging die Beteiligung an den Parlamentswahlen von 87,4 über
einen geringen Anstieg bei der Wahl von 1994 auf 88,3% auf 86,5% ab 1999
zurück. Auch in Wallonien ist ein Rückgang zu verzeichnen. Da jedoch keine
Daten über den Zeitraum 1990 bis 1994 zur Verfügung stehen, kann die
Wahlbeteiligung nur von 1995 bis 2003 angegeben werden. In diesem Zeitraum
sank die Wahlbeteiligung bei Regionalwahlen nur sehr gering von 90,5 auf
90,4%.
In Rheinland-Pfalz sinkt die Wahlbeteiligung im Zeitraum von 1990 bis 2003 auf
Landtagsebene um 14,9% von 77,0 auf 62,1%, auf kommunaler Ebene von 81,4
auf 69,2% um 12,2%. Ähnliche Entwicklungen sind auch anhand der
vorhandenen Wahlergebnisse des Saarlandes festzustellen. Dort sinkt die
Wahlbeteiligung auf Landesebene von 83,2 auf 68,7% um 14,5%, auf
kommunaler Ebene um 19,9% von 79,2 auf 59,3%. In Lothringen nimmt die
Wahlbeteiligung auf der Landesebene um 17,8% ab, und zwar von 72,1 auf
54,7%.
Allgemein lässt sich jedoch festhalten, dass sich die Abnahme der
Wahlbeteiligung zwischen 1990 und 1999 bzw. 2000 eher langsam vollzogen hat,
im Saarland stieg die Wahlbeteiligung von der Wahl 1990 zu der von 1994 um
0,3%, in Luxemburg von der Wahl 1989 zu der von 1994 um 0,9%. Erst mit den
letzten Wahlen, die in den einzelnen Gebietskörperschaften zwischen 1998 und
2001 stattgefunden haben, hat sich die Beteiligung insbesondere in RheinlandPfalz, dem Saarland und Lothringen drastisch reduziert. Auf Landtagsebene sank
sie in Rheinland-Pfalz um 8,7%, im Saarland um 14,8%, in Lothringen um 11,2%.
Über die Gründe für den massiven Rückgang der Wahlbeteiligung in den
Regionen Saarland, Rheinland-Pfalz und Lothringen kann angenommen werden,
dass die Unterschiede zwischen den wählbaren Parteien innerhalb des
Parteienspektrums hinsichtlich der für die Menschen relevanten Themen nicht
mehr klar ersichtlich ist, und deshalb die Wahl für sie keine tatsächliche Wahl
mehr darstellt und an Bedeutung verliert.
In Luxemburg sinkt die Wahlbeteiligung auf Landesebene zwischen 1990 und
2003 insgesamt um 0,9%. Auch in Wallonien besteht nur ein geringer Rückgang
von 2,2%. Die Wahlbeteiligung in Luxemburg und Wallonien sinkt darüber
hinaus nicht nur sehr viel langsamer, als in den anderen drei Regionen, sie ist auch
noch signifikant höher und beläuft sich in Luxemburg auf nationaler Ebene 2003
auf 86,5% und liegt in Wallonien sogar bei 90,4% auf regionaler Ebene. D.h. die
Wahlbeteiligung in Luxemburg und Wallonien liegt zu diesem Zeitpunkt um mehr
179
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
als 20% über der Beteiligung in den anderen drei Regionen. Dies erklärt sich
durch die einfache Tatsache, dass sowohl in Luxemburg, als auch in Belgien die
Wahlpflicht existiert. In Lothringen liegt die Wahlbeteiligung auf regionaler
Ebene momentan bei 54,7%. Dieser niedrige Wert kann anhand der starken
Zentralisierung des Landes begründet werden. Die allgemeine Wahlbeteiligung in
Frankreich liegt um ca. 10% über diesem Ergebnis, bei 64,42%. Es ist
anzunehmen, dass gerade in Frankreich die Relevanz der regionalen Instanzen von
geringerem Stellenwert ist als die der nationalen politischen Institutionen und
somit auch das Wahlrecht in kleineren Gebietskörperschaften weniger in
Anspruch genommen wird. Ähnliches lässt sich auch, wenn jedoch nur in
geringerem Maße in Deutschland verzeichnen. So liegt die Wahlbeteiligung bei
den letzten Bundestagswahlen bei 79,1%, bei den letzten Landtagswahlen in
Rheinland-Pfalz bei 62,1%, im Saarland bei 68,7%. Auch hier haben die
Bundestagswahlen einen höheren Stellenwert für die Menschen, als die Wahlen in
kleineren Gebietskörperschaften.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Wahlbeteiligung erst langsamer, dann
ab 1998 bzw. 1999 und 2000 wesentlich schneller sinkt. Die Relevanz des
Urnengangs für die Menschen ist rückläufig, weshalb es auch im politischen
Bereich wahrscheinlich immer schwieriger wird, Menschen zur Partizipation zu
bewegen. Auch für nachhaltige Entwicklung kann sich dieser Zustand negativ
auswirken, da sich die Menschen aus dem politischen Prozess, zumindest auf
dieser formalen Ebene, zu desintegrieren scheinen. Jedoch kann, so die Annahme
der Arbeitsgruppe, keinesfalls bereits davon gesprochen werden, dass die
Menschen nicht mehr am politischen Prozess beteiligt sind. Es wäre jedoch gerade
in Hinblick auf die Wahlbeteiligung sinnvoll, die zivilgesellschaftlichen
politischen Gruppierungen genauer zu betrachten, um die Konsequenzen der
Entwicklung abschätzen zu können. Eine der relevanten Fragen in diesem
Zusammenhang, ist, ob sich die Menschen vollständig aus dem politischen
Bereich zurückziehen oder nur die Wahlen als weniger relevant für ihr alltägliches
Leben betrachten. Allgemein lässt sich die Prognose aufstellen, dass eine
relevante Steigung der Wahlbeteiligung bei den nächsten Wahlen nicht
anzunehmen ist. Vielmehr ist davon auszugehen, dass diese stagniert oder noch
weiter sinkt.
Analyse der Mitglieder in Sportvereinen
Die Statistischen Jahrbücher der Bundesrepublik Deutschland und Luxemburgs
dienen als Datengrundlage dieses Realindikators. Hier sind die Daten vollständig
für 1990 bis 2001 (Rheinland-Pfalz, Saarland) bzw. für 1990 bis 2000
(Luxemburg) erfasst. Für Wallonien und Lothringen liegen keine Daten vor. Die
Werte werden auf die Gesamtbevölkerung der betreffenden Region umgerechnet.
180
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Für die Saar-Lor-Lux-Region, genauer für die drei betrachteten Regionen, ist ein
leichter Anstieg zu verzeichnen.
Abbildung 48: Anzahl der Mitglieder in Sportvereinen bezogen auf die
Gesamtbevölkerung %
50
40
30
20
10
0
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001
Rheinland-Pfalz
Saarland
Luxemburg
Quelle: Statistisches Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland; Service Central de la Statistique et
des Etudes Economiques Luxembourg (o.A.a); Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz
(Datenlieferung per Email); Statistisches Landesamt Saarland (2003b), [Stand: 27.11.03].
Ein Grund für diesen Anstieg könnte das steigende das steigende
Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung sein. So steigt die Zahl im Saarland von
38% der Bevölkerung, die in Sportvereinen organisiert sind, im Jahre 1990 auf
41% (absolut 447.446) in 2001. In Rheinland-Pfalz nimmt die Anzahl der
Menschen, die auf diese Weise an der Gesellschaft partizipieren von 34% (absolut
1.285.256 in 1990) auf 37% (absolut 1.497.354 in 2001) zu. In beiden
betrachteten deutschen Ländern ist demnach ein gleich großer Anstieg zu
verzeichnen, während in Luxemburg, die Anzahl der Mitglieder von 22% (absolut
85.884) im Jahr 1990 auf 23% (101.126) in 2000 zunimmt. In Luxemburg ist
nicht nur ein geringerer relativer Anstieg festzustellen, sondern auch, dass die
Bevölkerung insgesamt in geringeren Umfang Mitglied eines Sportvereines ist.
Unterschiedliche Erfassungsmethoden könnten für diese Diskrepanz
verantwortlich sein, denn es ist nicht davon auszugehen, dass die luxemburgische
Bevölkerung nicht so sportbegeistert ist. Genaue Erkenntnisse hat die
Forschungsgruppe allerdings nicht für den Unterschied zwischen der geringeren
Anzahl in Luxemburg und den Mitgliederzahlen in den deutschen Bundesländern.
181
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
6.4.4 Wechselwirkungen innerhalb des Sozialkapitals
Im Allgemeinen können, wie in der folgenden Tabelle dargestellt, verschiedene
Wechselwirkungen zwischen Realindikatoren angenommen werden.







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Krankenhausbetten
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
Ärzte
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











-
Arbeitslosenquote
-
Erwerbstätigenquote
+
+
-
Wahlbeteiligung
+
Mitglieder in Sportvereinen
 
Wahlbeteiligung
Erwerbstätigenquote
Polizeibesatz
Ärzte
Arbeitslosenquote
Kriminalitätsrate
Krankenhausbetten
Polizeibesatz


Kriminalitätsrate
Entwicklung
+
Mitglieder in Sportvereinen
Tabelle 5: Wechselwirkungen der Indikatoren des Sozialkapitals
Legende: : Wechselwirkung vorhanden
Quelle: eigene Erstellung.
Zwei der verschiedenen Wechselwirkungen sollen nun exemplarisch erläutert
werden.
Arbeitslosenquote
Zielharmonie innerhalb des Sozialkapitals
Wenn die Arbeitslosenquote sinkt, kann sich die Kriminalitätsrate verringern.
Denn arbeitslos gewordene Menschen sind in ihrem Grundbedürfnis nach
finanzieller Absicherung, Tagesstrukturierung und sozialem Status in der
Gesellschaft nicht mehr befriedigt und eher versucht andere Wege des
Einkommens bzw. der Tagesausfüllung einzuschlagen. Anzunehmen ist jedoch,
dass bei arbeitslos gewordenen Menschen vorwiegend Kleinkriminalität zunimmt.
Vereine im Freizeit- und Sportbereich
Zielharmonie innerhalb des Sozialkapitals
Eine gesteigerte Anzahl an Mitgliedern in Sportvereinen, kann eine Senkung der
Kriminalitätsrate bewirken. Vor allem Jugendliche werden durch die
Mitgliedschaft sinnvoll beschäftigt und widmen sich in dieser Zeit „sinnvollen“
Tätigkeiten. Durch das Engagement in Vereinen können sie von Straftaten
182
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
abgehalten werden. In Ballungsgebieten können so Delikte, die häufig von jungen
Menschen aus Langweile oder Desinteresse begangen werden, verhindert werden.
6.4.5 Fazit
Insgesamt ist es schwer eindeutige Aussagen über die nachhaltige Entwicklung
des Sozialkapitals zu tätigen. Die komplexe Definition mit ihren einzelnen
Ebenen trägt einen großen Teil dazu bei. Die Relevanz der einzelnen Indikatoren,
deren Gewichtung und demzufolge deren Aussagekraft sind ohne Rückkopplung,
d.h. ohne empirische Befragungen, kaum festzumachen. Zudem existieren keine
festgelegten Standard- oder Soll-Werte der EU, an denen die Orientierung des
Trends erfolgen könnte. Somit muss eine diesbezügliche Interpretation selbst
vorgenommen werden.
Richtwerte wären vor allem bei den Polizeibeamten und den Ärzten sinnvoll. Hier
kommt es auf ein ausgewogenes Verhältnis an. Steigende Zahlen können jedoch
noch keine Unterbesetzung ausschließen. Daher müssten, um dies zu ermitteln,
differenzierte Befragungen bei den einzelnen Ämtern und Kliniken durchgeführt
werden. Insgesamt werden Anstiege hier aber positiv bewertet.
Auch beim Indikator Krankenhausbetten wären Soll-Bestände hilfreich, da diese
aber aufgrund genannter besserer Vorsorge und ambulanter Behandlungen
rückläufig sind, könnte ein Sinken der Anzahl hier trotzdem auch als positiv
bewertet werden.
Die von der Arbeitsgruppe ausgewählten Indikatoren weisen zudem schon
aufgrund der ihnen innewohnenden verschiedenen Messmethoden erhebliche
Bewertungsprobleme auf. Ein Steigen der Kriminalitätsrate beispielsweise kann
als allgemein negativ bewertet werden. Die Gründe dafür, welche in der
Erfassung, wie z.B. höhere Aufklärungsquoten, verstärkte Kontrollen und die
Mitarbeit der Bevölkerung, jedoch nicht im Vorkommen an sich liegen, werden
eindeutig als positiv angesehen.
Was sagt also in diesem Fall ein Anstieg der Rate aus? Bei näherer Betrachtung
verlieren so die prozentualen Veränderungen in den einzelnen Jahren an
Bedeutung. Es handelt sich aber trotzdem um gemessene Straftaten, lediglich ein
Teil der Dunkelziffer erscheint nun in den erhobenen Daten. Ein Sinken der
Kriminalitätsrate wird also positiv bewertet.
Viele Gründe, dazu zählen allgemeine soziale Erwünschtheit, Beeinflussung
durch nahe stehende Personen oder mangelnde politische Kenntnisse, bringen
Menschen dazu oder halten sie davon ab zur Wahl zu gehen. Diese können nicht
für den Einzelfall erhoben werden. Es muss beachtet werden, dass ein Boykott der
Wahlen nicht gleichzeitig politisches Engagement ausschließen muss. Ein Steigen
der Wahlbeteiligung wird als positiv angesehen.
183
6. Analyse der vier Kapitalbereiche
Bei der Arbeitslosenquote ist zu berücksichtigen, dass eine Dunkelziffer existiert,
in Form arbeitsloser, jedoch nicht in der Quote erfasster Menschen. Im Gegenzug
zu diesen kann mit offiziell zwar arbeitslos gemeldeten, inoffiziell jedoch
„schwarz“ einer Tätigkeit nachgehenden Menschen gerechnet werden. Dies sind
Fälle des Sozialbetruges. Somit ist die Quote mit Vorsicht und nur in Verbindung
mit weiteren das Metier beschreibenden Quoten zu sehen und zu bewerten. Es
muss zudem genau darauf geachtet werden, ab wann jemand als arbeitslos
angesehen wird und wie saisonale Arbeitsmarktbedingungen und politische
Rahmenbedingungen einwirken. Werden diese Punkte vernachlässigt, ist eine
zutreffende Aussage kaum möglich. Insgesamt ist hier ein Sinken als positiv zu
bewerten.
Die Erwerbstätigenquote klammert die Arbeitslosen und somit einen schwer
unverzerrt darstellbaren Bereich aus. Sie zeigt den Anteil der erwerbstätigen
Bevölkerung auf und kann somit einen Hinweis auf Wohlstand und
Nachhaltigkeit einer Region liefern. Insgesamt ist ein Steigen hier positiv zu
bewerten.
Bei der Vereinstätigkeit liegt das Problem insbesondere in der Vielzahl
unterschiedlicher Vereine und damit in der unzulänglichen Bearbeitung der reinen
„Sport- und Freizeitvereine“ begründet. Kosten der Vereinszugehörigkeit oder
mangelnde Angebote, die in einzelnen Regionen sicher vorliegen und die Zahl der
Mitglieder mindern, können leider nicht erhoben werden. Ein Anstieg der
Vereinsmitglieder wird zweifelsfrei als positiv bewertet.
Überblick über die gewählten Realindikatoren und deren Ergebnisse:
Polizeibesatz:
positiv
Ärztedichte:
positiv
Krankenhausbetten:
positiv
Kriminalitätsrate:
negativ
Wahlbeteiligung:
negativ
Arbeitslosenquote:
negativ
Erwerbstätigenquote:
negativ
Vereinsmitgliedschaft:
positiv
Aufgrund dieser sehr vereinfachten Darstellung lässt sich keine Richtung ablesen.
Positive und negative Ergebnisse heben sich auf.
Zudem würde das Ergebnis zu stark von der reinen Anzahl der Indikatoren
abhängen. Da wie zuvor erwähnt eine Rückkopplung fehlt, kann keine
Gewichtung vorgenommen werden. Subjektiv betrachtet, kommt die Gruppe zu
dem Schluss, dass die Großregion Saar-Lor-Lux im Bereich des Sozialkapitals
Defizite aufweist, welche es zu beheben gilt.
184
7. Analyse der Indikatorbeziehungen zwischen den Kapitalen
7. Analyse der Indikatorbeziehungen zwischen den Kapitalen
7.1 Vorgehensweise
In der Tabelle 6 werden die verwendeten Indikatoren einander gegenüber gestellt.
Nicht miteinbezogen werden Indikatoren, für die Daten nur hinsichtlich einer
Teilregion vorhanden sind, sowie solche, die nicht mehr als zwei Werte in der
Zeitreihenbetrachtung aufweisen. Anschließend wird den Indikatoren ein Symbol
zugeordnet: Jenen Indikatoren, die sich betreffend ihres Beitrages zur
Nachhaltigkeit überwiegend positiv entwickelt haben, wird ein „+“ zugeordnet. Ist
ein negativer Beitrag zu erkennen, wird ein „-“ notiert. Entwickeln sich die
Indikatoren weder positiv noch negativ wird eine „0“ gesetzt. Nach dieser
Gegenüberstellung der Symbole können Zielharmonien und -konflikte
identifiziert werden. Dabei muss nicht jeder verzeichnete Zielkonflikt in der
Empirie einen kausalen Zusammenhang darstellen. Gleiches gilt für
Zielharmonien.
Bei der Analyse der Wechselwirkungen werden Vermutungen über die
wichtigsten Ursache-Wirkungsbeziehungen zwischen den Indikatoren angestellt.
Danach wird anhand der Tabelle untersucht, ob sich die vermuteten
Zusammenhänge bestätigen.
185
7. Analyse der Indikatorbeziehungen zwischen den Kapitalen
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Quelle: eigene Erstellung
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Anteil der Studierenden
an der Gesamtbevölkerung
Bruttovermögen
F&E-Ausgaben
Patente
Hochtechnologiepatente
Kapitalproduktivität
Kapitalkoeffizient
Modernitätsgrad
Kapitalintensität
Branchenstruktur
Forst
Schäden
Reb-Fläche
(Grundwasser)
(Oberflächenwasser)
Verkehrsfläche
NO2
Bevölkerung nach Bildungsstand
Anteil d. Studierenden an d. Gesamtbev.
Demografie der Erwerbspersonen
F&E- Ausgaben pro Person
Wahlbeteiligung
Arbeitslosenquote
Kriminalitätsrate
Ärzte
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Bildungsstand
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F&E-Ausgaben
Sachkapital
Naturkapital
Humankapital
Sozialkapital
Bruttovermögen
Tabelle 6: Wechselwirkungen zwischen den Indikatoren der vier Kapitale
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7. Analyse der Indikatorbeziehungen zwischen den Kapitalen
7.2 Analysen
7.2.1 Sachkapital – Naturkapital
Theoretisch werden Wechselbeziehungen zwischen Sach- und Naturkapital
vermutet. Insbesondere liegt die Vermutung nahe, dass ein hoher Modernitätsgrad
sich positiv auf die Schadstoffbelastung durch Maschinen und Anlagen auswirkt.
Neuere Maschinen und neuere Technik verfügen meist über bessere Filter und
erzeugen weniger Schadstoffe, so dass sich z.B. die Stickstoffbelastung der Luft
reduzieren sollte. Da die Datenverfügbarkeit hinsichtlich des Modernitätsgrades
nur für zwei Teilregionen gegeben ist, werden ersatzweise die Forschungs- und
Entwicklungsausgaben herangezogen. Dahinter steckt wiederum die Vorstellung,
dass eine positive Beziehung zwischen Modernitätsgrad und Forschungs- und
Entwicklungsausgaben existiert. Ausgaben für Forschung und Entwicklung
fördern die technologische Leistungsfähigkeit. Eine höhere technologische
Leistungsfähigkeit kann zu effizienten, umweltverträglicheren Maschinen und
Anlagen führen. So ist es denkbar, dass durch schadstoffärmere Maschinen und
Anlagen sowie durch bessere Filtersysteme die Stickstoffbelastung der Luft
reduziert werden kann. Diese vermutete Harmoniebeziehung wird durch die
Datenanalyse gestützt. In allen Teilregionen kommt es zu einer trendmäßigen
Erhöhung der Forschungs- und Entwicklungsausgaben im Beobachtungszeitraum.
Gleichzeitig kann auch eine deutliche Reduzierung des durchschnittlichen
Stickstoffgehaltes in der Luft festgestellt werden.
Ein möglicher Zielkonflikt besteht zwischen dem Bruttoanlagevermögen des
Sachkapitals und der Siedlungs- und Verkehrsfläche des Naturkapitals. Ersteres
enthält hinsichtlich des Bau- und Ausrüstungsvermögens u.a. Gebäude, Straßen,
Wasserwege und Maschinen.332 Letztere umfasst u.a. die Gebäude-, Betriebs- und
Verkehrsflächen, welche weitgehend die oben genannten Komponenten des
Anlagevermögens mit einschließen. Darüber hinaus kommen bei der Siedlungsund Verkehrsfläche jedoch noch Frei- und Erholungsflächen sowie Friedhöfe
dazu, die im Bruttoanlagevermögen nicht enthalten sind.333 Dennoch liegt die
Vermutung nahe, dass eine Zunahme des Bruttoanlagevermögens mit einem
Anstieg der Siedlungs- und Verkehrsfläche einhergeht. Die Daten bestätigen diese
Annahme: Beide Komponenten sind im relevanten Zeitraum in allen Teilregionen
deutlich und fortwährend gestiegen. Allein im Falle Lothringens ist eine
endgültige Aussage nicht möglich, denn hier fehlen die Daten für die Siedlungsund Verkehrsfläche.
332
333
Vgl. Frenkel, M. et al. (1999), S.219.
Vgl. Statistisches Bundesamt (2002), S.2, vom 30.11.2003.
187
7. Analyse der Indikatorbeziehungen zwischen den Kapitalen
7.2.2 Sachkapital – Humankapital
Da der weltweite wirtschaftliche Strukturwandel mit einer fortschreitenden
„Wissensintensivierung“ von Wirtschaft und Gesellschaft einhergeht und zugleich
„Wissen als Produktionsfaktor“ zunehmende Bedeutung erfährt, ist offensichtlich,
dass Produktion, Nutzung und Umsetzung von Wissen in einem engen
Zusammenhang von sowohl Humankapital als auch dem Sachkapital steht.
Es wird daher die Annahme getroffen, dass insbesondere zwischen dem Indikator
F&E- Ausgaben des Humankapitals und dem Indikator Bruttoanlagevermögen des
Sachkapitals eine Harmonie besteht, d.h. durch eine positive Trendentwicklung
der F&E- Ausgaben im Zeitablauf auch eine in nachhaltiger Sichtweise positive
Auswirkung auf das Bruttoanlagevermögen aufgezeigt werden kann. Denn
sowohl die F&E- Ausgaben im Hochschulsektor als auch jene im staatlichen
Sektor sind Ausgaben, die für die Grundlagenforschung aufgewendet werden und
die die Basis für weitere, im Unternehmenssektor angesiedelte F&E- Ausgaben
für speziellere und profitorientierte Forschungsprojekte darstellen. Durch die
konkrete Umsetzung der entsprechenden Forschungsergebnisse in wirtschaftliche,
gewinnbringende Handlungen wird genau dann das Bruttoanlagevermögen erhöht,
wenn neue Maschinen, Anlagen etc. beschafft werden.
Die Analyse der entsprechenden Daten stützt die Vermutung. Es kommt im
betrachteten Zeitraum zu einer stetigen und dauerhaften Erhöhung der F&E
Ausgaben in der Großregion und zugleich zu einem leichten Anstieg des
Bruttoanlagevermögens.
7.2.3 Sachkapital – Sozialkapital
Es liegt die Vermutung nahe, dass das Sachkapital in vielfältiger Weise
Auswirkungen auf das Sozialkapital hat. Die heutige Problematik ist ganz stark
fokussiert auf die Unvereinbarkeit zwischen einer billigeren Produktionsweise zur
Erreichung eines höheren Wohlstandsniveaus einerseits, und der Rationalisierung
von Arbeitskräften andererseits, um eben jene billigere Produktionsweise zu
ermöglichen.
Daher wird angenommen, dass zwischen dem Indikator Kapitalproduktivität des
Sachkapitals und dem Indikator Arbeitslosigkeit des Humankapitals ein
Zielkonflikt besteht. Dabei kommt es durch die in nachhaltiger Hinsicht positive
Steigerung der Kapitalproduktivität zu einer negativen Auswirkung auf die
Arbeitslosenquote.
Erklärt werden kann dieser Konflikt durch die genaue Analyse der Aussage der
Kapitalproduktivität. Sie stellt den Output aus Produktionsprozessen in Form des
Quotienten von BIP zum Kapitalstock dar, ist also eine Art Ergiebigkeitsmaß.
Es kann davon ausgegangen werden, dass eine Erhöhung der Kapitalproduktivität
nicht durch schnellere oder effizientere Arbeit der Beschäftigten entsprechender
188
7. Analyse der Indikatorbeziehungen zwischen den Kapitalen
Unternehmen zustande kommt, sondern durch bessere und in Anzahl gesteigerter
Produktionsanlagen. Es kommt daher durch Substitution von Arbeit durch Kapital
zu einer Erhöhung der freiwerdenden Arbeitsressourcen und somit zu einer
Erhöhung der Arbeitslosenquote.
Bei Betrachtung der entsprechenden Daten kann diese Annahme bestätigt werden.
Bei entsprechender Erhöhung der Kapitalproduktivität kommt es zu einer
Erhöhung der Arbeitslosigkeit, mit Ausnahme von Lothringen, wo diese sinkt.
7.2.4 Humankapital – Sozialkapital
Lange Zeit bot ein Studienabschluss hohe Sicherheit, eine Anstellung zu finden.
Inzwischen schützt ein abgeschlossenes Studium aber nicht mehr vor der
Arbeitslosigkeit.334 Dennoch verspricht es bessere Chancen als andere
Ausbildungsformen. Akademikern stehen zwar nicht mehr zwangsläufig alle
Türen "bis ganz oben" offen, aber sie sind wesentlich weniger von
Beschäftigungsrisiken und Arbeitslosigkeit bedroht.335 Bei hohem Niveau der
Arbeitslosigkeit zeigt sich, dass Hochschulabsolventen gegenüber anderen
Qualifikationsgruppen auf dem Arbeitsmarkt klar im Vorteil sind. Studien
belegen, dass in den 90-er Jahren die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland
zurückging. Anders stellte sich die Situation speziell bei den Akademikerinnen
und Akademikern dar. Sie bilden die einzige Qualifikationsgruppe, die
Arbeitsplätze hinzugewonnen hat.336 Zwar verzeichnen die Statistiker mit 253.000
arbeitslosen Akademikern zum September 2003 auch hier einen leichten Anstieg.
Jedoch liegt die Arbeitslosenquote der Akademiker in Deutschland mit 3,7% noch
immer deutlich unter der allgemeinen Arbeitslosenquote von 10%.337
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Bildung der Schlüssel zum
Arbeitsmarkt und noch immer die beste Prophylaxe gegen Arbeitslosigkeit ist.338
Bei der Betrachtung der Daten für die Großregion zeigt sich eine zunächst
steigende Arbeitslosenquote, die in den Jahren 1997 oder 1998 ihren Höhepunkt
erreicht und seitdem wieder kontinuierlich gefallen ist. Über den gesamten
Zeitverlauf muss die Entwicklung als nicht nachhaltig bewertet werden, da die
Quote 2001 höher ist als im Ausgangsjahr. Im Bezug zur Studierendenquote ist
allerdings besonders der Trend der letzten Jahre relevant, da nur Daten zu den
Studierendenzahlen von 1998 bis 2001 vorliegen. Dieser ist entgegen des
Gesamttrends durchaus nachhaltig. Die Studierendenzahlen für die Großregion
wurden dagegen als neutral bewertet, da ein Rückgang im Saarland durch einen
Anstieg in Wallonien ausgeglichen wurde. Die theoretisch begründeten
Wechselwirkungen zeigen sich für die Großregion also nur bedingt. Dies ist
334
Vgl. Zamorra, F. (2003), vom 07.02.2004.
Vgl. Disterer, G. (2004), vom 07.02.2004.
336
Vgl. Young Industries (2004), vom 07.02.2004.
337
Vgl. DGB-Jugend (2004), vom 07.02.2004.
338
Vgl. Herzog, R. (1997), S.1001ff.
335
189
7. Analyse der Indikatorbeziehungen zwischen den Kapitalen
darauf zurückzuführen, dass die Arbeitslosenquote von vielen komplexen
Faktoren beeinflusst wird, insbesondere auch von der Wirtschaftslage und dem
Konjunkturzyklus. Zudem werden die derzeitigen Studierenden erst in Zukunft,
also nach ihrem Abschluss, Einfluss auf den Arbeitsmarkt nehmen.
Es lässt sich generell ein Zusammenhang zwischen dem Bildungsstand der
Bevölkerung und der Anzahl der Ärzte feststellen. Je besser die
Ausbildung/Bildung der Menschen einer Region, desto höher ist die
Wahrscheinlichkeit, dass ein Studium begonnen wird. Die daraus folgende
Situation, dass mehr junge Menschen studieren, sorgt u.a. auch dafür, dass die
Anzahl derer steigt, die ein Medizinstudium ergreifen.
In der Saar-Lor-Lux-Region ist insgesamt ein leichter Anstieg des
Bildungsniveaus zu verzeichnen. So stieg bspw. der Anteil der Absolventen des
Tertiärbereiches (ISCED 5-6) in Lothringen von 9% in 1999 auf 10% im Jahre
2002 und in Wallonien von 13% (1999) der Gesamtbevölkerung, die den
Abschluss ISCED 5-6 erlangt haben, auf 14% (2002). Die Anzahl der Ärzte
nimmt im betrachteten Zeitraum für die gesamte Region ebenfalls kontinuierlich
zu. Als Beispiel lässt sich Wallonien mit einer Steigerung von 4 auf 4,1 Ärzte je
1000 Einwohner und Luxemburg (von 3,1 auf 3,2 Ärzte je 1000 Einwohner)
anführen.
Es gibt sicherlich auch andere Anreize ein Medizinstudium zu absolvieren (z.B.
Ansehen, späteres Einkommen), aber alleine die Tatsache, dass der Bildungsstand
der Bevölkerung steigt, führt dazu, dass die Anzahl der Medizinstudenten steigt
und somit auch die Anzahl der zukünftigen Ärzte. Investitionen in Bildung sollten
demnach dafür sorgen, dass genügend junge Menschen eine Ausbildung zum Arzt
ergreifen und somit eine ausreichende medizinische Versorgung der Gesellschaft
sicherstellen.
190
8. Fazit
8. Fazit
Ziel dieses Forschungsprojektes ist die Beurteilung der Region Saar-Lor-Lux im
Sinne einer nachhaltigen Entwicklung seit dem Jahr 1990. Die Frage, ob sich die
Großregion insgesamt nachhaltig entwickelt sollte im Idealfall mit „Ja“ oder mit
„Nein“ beantwortet werden können. Zur Abbildung der Nachhaltigkeit wurde ein
transparentes und nachvollziehbares indikatorengestütztes System auf der Basis
des Vier-Kapital-Modells erstellt.
Im Verlaufe der Forschungsarbeit stellte sich jedoch heraus, dass es schwierig ist,
eine solch ideale Aussage zu treffen. Es ergab sich ein uneinheitliches Bild. Zum
Einen aufgrund unterschiedlicher Entwicklungstendenzen der Indikatoren
innerhalb der verschiedenen Kapitalbereiche, zum Anderen wegen der
uneinheitlichen Entwicklung der vier Kapitale an sich.
Um klarere Aussagen zu ermöglichen bzw. um eine sinnvolle Aggregation aller
Indikatoren vornehmen zu können, fehlten dem Forschungsprojekt sowohl die
notwendige Zeit, also auch die finanziellen Mittel. Primärdatenerhebungen
wurden daher nicht vorgenommen. Jedoch auch der Rückgriff auf Sekundärdatenquellen erwies sich als relativ teuer oder ungenau bzw. lückenhaft. Es
mangelte im Bereich aller vier Kapitale an qualitativ hochwertigen und
regelmäßig aktualisierten Daten. Um mit hinreichender Sicherheit Aussagen zur
Nachhaltigkeit treffen zu können, wäre eine Verbesserung der Datenlage
zwingend notwendig. Trotz der nicht ausreichenden Datenlage wurde versucht
durch das Ausweichen von Ideal- auf Realindikatoren und durch das Schätzen von
Daten zur Lückenausbesserung Entwicklungstendenzen innerhalb der Kapitale zu
erkennen. Den gewählten Indikatoren liegen subjektive Werturteile der
Projektgruppe zu Grunde. Eine empirische Evaluation von Indikatoren wäre an
dieser Stelle hilfreich gewesen, um die Auswahl der Indikatoren besser
rechtfertigen zu können, jedoch war dies nicht zu Finanzieren. Bei der
Interpretation der Daten ergab sich ein weiteres Problem, welches vor allem die
Bereiche Sozial- und Humankapital betraf. Es fehlten, bspw. seitens der EU SollRichtwerte, die Vorgaben über den wünschenswerten Referenzzustand liefern.
Die Fragen, wie viele Ärzte, Polizeibeamte oder Lehrer ideal wären und ob mehr
immer besser oder auch unökonomischer bedeutet, sind schwer zu beantworten.
Eine Aggregation aller Daten zur Informationsverdichtung war nicht zu
realisieren. Einerseits wegen der bereits erläuterten Probleme, andererseits aber
auch wegen den fehlenden Gewichtungsfaktoren, die zu einer Aggregation
benötigt würden. Um die Relevanz einzelner Indikatoren festzulegen wären aus
Sicht der Projektgruppe umfassende Expertenbefragungen notwendig. Auch eine
Weiterentwicklung des methodischen Konzeptes müsste vorgenommen werden,
191
8. Fazit
um auch die vorhandenen Wechselbeziehungen und das Ausmaß der
Substituierbarkeit zwischen den Kapitalen ausreichend zu berücksichtigen.
Dennoch liefert der Forschungsbericht ein Bild der Entwicklung in der Region
Saar-Lor-Lux sowie eine konzeptionelle Grundlage für weitere Forschungen. Bei
der Erstellung der Indikatoren wurde besonderer Wert auf die Transparenz und
Begründetheit der Herleitung gelegt, so dass eine Weiterentwicklung des Systems
möglich ist. Außerdem sind, trotz der erläuterten Probleme, Entwicklungstendenzen zu erkennen, die bei der zukünftigen Weiterentwicklung nützlich sind:

Besonders eindeutig entwickelt sich die Region im Bereich des
Sachkapitals in Richtung Nachhaltigkeit. Keiner der gewählten
Indikatoren weist eine negative Entwicklung auf. Durch das Wachstum
des Bruttoanlagevermögens, die steigende Kapitalproduktivität und den
zunehmenden Anteil an High-Tech-Branchen wird für die Zukunft eine
Erweiterung des Produktionspotentials vor allem im Bereich
zukunftsträchtiger
Branchen
erwartet.
Dies
fördert
die
Wettbewerbsfähigkeit der Region und sichert somit deren wirtschaftliche
Existenz für die Zukunft ab. (+)

Auch das Humankapital entwickelt sich insgesamt schwach nachhaltig,
trotz der negativen Entwicklung der Demographie der Erwerbspersonen
aufgrund der zunehmenden Überalterung der Gesellschaft. Der nicht
nachhaltigen Altersstruktur der Bevölkerung stehen jedoch ein hohes
Bildungsniveau und hohe F&E-Ausgaben gegenüber. Die Region weist
somit einen soliden aktuellen Humankapitalbestand auf, jedoch werden
sich in diesem Bereich in Zukunft Problem ergeben, da durch die
Überalterung Humankapital verschwinden wird und durch Einsparungen
im Bildungssektor kein ausreichender Ersatz geschaffen wird. (+)

Beim Naturkapital sind die Entwicklungstendenzen jedoch weniger
deutlich. Einige Indikatoren weisen nachhaltige Entwicklung auf, andere
nicht. Verbesserungen der Luftqualität steht eine Abnahme der
Bodenqualität gegenüber. Es ergab sich bei der Analyse der Daten ein
uneinheitliches Bild. Auch die Wechselwirkungen lassen keine genauere
Aussage zu, denn einerseits werden zwar umweltfreundlicher
Technologien entwickelt um die Luftqualität zu verbessern, andererseits
nimmt jedoch die Bodenversiegelung zu. Insgesamt vertritt die
Projektgruppe daher die Ansicht, dass in diesem Bereichen der Status quo
gehalten wird. (0)

Die Auswertung der Daten im Bereich des Sozialkapitals ergab ebenfalls
keine eindeutig festzulegende Richtung. Eine gleiche Anzahl sich
nachhaltig entwickelnder Bereiche stand einer sich unnachhaltig
entwickelnden Indikatorenzahl gegenüber. Somit muss faktisch auf eine
192
8. Fazit
stagnierende Entwicklung geschlossen werden, jedoch kam die
Projektgruppe zu dem Schluss, dass dieser Bereich einige Defizite
aufweist, die es in Zukunft zu beheben gilt. Bspw. ist es fraglich, ob bei
einer stetig sinkenden Anzahl von Krankenhausbetten in Zukunft auch
noch eine ausreichende medizinische Versorgung gewährleistet werden
kann. Ebenfalls besonders kritisch müssen die steigende Arbeitslosenquote
und die sinkende Wahlbeteiligung betrachtet werden, denn diese
Entwicklungen deuten auf vielfältige Probleme in der Zukunft hin (Bpsw.
Unzufriedenheit der Bevölkerung). (0)
 Zusammenfassend kann, trotz des Verzichtes auf eine Aggregation der Daten,
eine schwach positive Entwicklung der Region Saar-Lor-Lux in Richtung
Nachhaltigkeit festgestellt werden. Dennoch gibt es in allen Kapitalbereichen
(Ausnahme: Sachkapital) Defizite. Es sollten daher von Politik, Wirtschaft und
auch Öffentlichkeit frühzeitig Maßnahmen ergriffen werden, um den negativen
Entwicklungstrends entgegenzuwirken.
Insgesamt liefert der Forschungsbericht eine gute Basis für zukünftige
Aufbauprojekte. Das Indikatorensystem kann modifiziert und zu synthetischen
Indikatoren verdichtet werden.
Eine zukünftige Verbesserung der Datenlage würde sicherere Aussagen
ermöglichen. Auch eine Expertenbefragung zur Gewichtung und Aggregation der
Daten kann zusätzlich durchgeführt werden. Weiterentwicklungen des Projektes
wären somit sowohl methodisch, als auch empirisch möglich und wünschenswert.
193
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