Radik_Konstruktivismus.

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Leo Hamminger 0222556, Maria Portenkirchner 0321493, Annette Resch 9821828,
Angelika Schaffer 9602610, Gabriele Schweiger 0321577
VP Theorienvergleiche SS 2004
LVL Prof. Forster
Aufgabe 4: Siegfried J. Schmidt und der Radikale Konstruktivismus
1. Einleitung
Passend zum Thema haben wir uns entschieden, der Arbeit keinen einheitlichen Schliff zu
verpassen, sondern die einzelnen Arbeitsaufträge mit dem jeweiligen Namen zu versehen.
2. Vorerfahrungen
Leo:
Ich will anfangs gleich eingestehen, dass sich meine Vorerfahrungen mit dem Radikalen
Konstruktivismus durch folgendes Gespräch (das stattgefunden hat) zusammenfassen lässt .
Leo: Sag, was stellst Du Dir unter dem Radikalen Konstruktivismus vor?
B: Naja, Konstruktivismus, das ist was Positives. Wenn ich bei einem Gespräch was
einbringe, dann ist das konstruktiv.
Leo: Und wie sieht dann ein Radikaler Konstruktivismus aus?
B: Das ist die Frage. Radikal ist für mich was Negatives.
Leo: Vielleicht nicht unbedingt negativ. Radikal könnte ja so was wie abrupt heißen, etwas
was plötzlich vor sich geht.
B: Ja, kann auch sein.
Wie man sieht habe ich den Vorteil, dass ich das Thema ohne jegliche Belastung angehen
kann. Zunächst habe ich festgestellt, dass Radikal mit „Wurzel“ (radix) zu tun hat, etwas was
auf den Grund geht. Vielleicht lässt sich „radikal“ in diesem Zusammenhang als
„fundamental“ verstehen.
Angelika:
Ad hoc habe ich keine Antwort darauf, was es mit dem Radikalen Konstruktivismus auf sich
hat in Bezug auf Erziehungswissenschaft.
Die Konstruktivisten im Bereich der Mathematik behaupten, dass Sätze nicht wahr oder falsch
sind, sondern entweder beweisbar oder widerlegbar.
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Auch in der Kunst gibt es einen Konstruktivismus! Darunter wird die Kunst nach dem Ersten
Weltkrieg verstanden, die durch die Ästhetik bestimmt wird und auf jeden Vergleich mit der
sichtbaren Welt verzichten. Sie soll harmonisch sein, um den Menschen selbst zu Harmonie
zu führen, und sie soll Eingang in den Alltag finden, um gesellschaftlich wirken zu können. In
der angewandten Kunst (Architektur und Produktdesign) ist der Konstruktivismus der
Funktionalismus.
Tja und radikal bedeutet für mich eine vollständige Änderung oder Verwandlung von Grund
auf. Mehr kommt mir dazu nicht in den Sinn, geschweige denn von Konstruktivismus als
Moderichtung zu sprechen. Also dann, ab an die Arbeit!!!!!
Maria:
Ich habe mit dem Thema „Konstruktivismus“ überhaupt keine Vorerfahrungen. Ich habe
versucht, mir das Wort näher anzuschauen. Dabei finde ich das Wort Konstrukt. In der
Vorlesung von Patry wurde das „theoretische Konstrukt“ behandelt. Da lernte ich: Ein
Konstrukt ist eine Denkhilfe, ein gedankliches Zusammenfassen von verschiedenen
Verhaltensmerkmalen. (vgl. Patry, 2003, S. 58) Um mich aber ein bisschen auf das Thema
einzustimmen, stellte ich Internetrecherchen an.
Gabi:
Ich konnte zur anfänglichen Diskussion gar nichts einbringen. Das Wort „Radikal“ war auch
für mich mit etwas Negativem behaftet. Anschließend habe ich im Wörterbuch nachgeschaut,
was mich nicht wirklich weitergebracht hat: Konstruktivismus ist eine Kunstrichtung, die sich
an modernen Zweckkonstruktionen orientiert (vgl. Deutsches Wörterbuch, 1997, S. 519)
„Radikaler Konstruktivismus“ wurde nicht erwähnt. Eine Internet-Recherche brachte mehr
Aufschluss:
Entgegen der Auffassung der traditionellen philosophischen Erkenntnistheorie, die den
Unterschied von Subjekt und Objekt als konstitutiv für die Philosophie ansieht, vertritt der
Radikale Konstruktivismus den Standpunkt, dass es keine vom Beobachter unabhängige
Wirklichkeit gibt und dass wir unsere Wirklichkeit selbst konstruieren. Danach ist das Objekt
immer nur Objekt eines Subjekts und der Anspruch ist, dass man mit dieser Alternative die
Komplexität der in den Wissenschaften untersuchten Prozesse und die Bedeutung der
einzelnen Elemente in diesen Prozessen angemessener erklären kann als mit anderen
Theorien.
(zit. http://www.uni-koblenz.de/~odsjgr.oe/kontruktivismus/index1.htm, 23.Mai 2004)
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Annette:
Bezogen auf meine Vorerfahrungen passt die Auseinandersetzug mit der Lektüre zum
Radikalen Konstruktivismus nahezu optimal zur Vertiefung mit diesem Thema.
Ich besuche in diesem Semester das Seminar Konstruktivistischen Lehr- und Lernmethoden
bei Frau Gastager.
Mich mit Konstruktivismus gerade im Lernbereich näher zu beschäftigen, machte mich
neugierig im Hinblick auf meine Erfahrungen aus dem Schulalltag. Ich unterrichte an einer
Hauptschule mit relativ hohem Anteil Schülerinnen und Schülern mit nichtdeutscher
Muttersprache. Die Beziehung zwischen den Theorien des Konstruktivismus und der Praxis
entstand wie von selbst.
Nahezu jede Definition von Konstruktivismus bezieht sich auf Wissenskonstruktion und nicht
auf Reproduktion.
Kriterien wie starke Lernumgebung, multiple Kontexte, genügend Spielraum für die eigenen
Wissenskonstruktionen sind in realistischen möglichst authentischen Situationen zu
berücksichtigen.
Das Wissen jeder Person hängt von seinen Erfahrungen ab, darauf aufbauend konstruiert ein
Individuum das Netzwerk seiner Kenntnisse, je nach Verwendungssituation ist ein anderes
Wissen nötig und passend.
Erkenntnis ist nach Ansicht der Konstruktivisten eher ein Erfinden als ein Entdecken.
Es gibt also nicht das objektive Wissen, sondern das Wissen einer Person hängt von
Erfahrungen ab.
Mit den Konstruktivistischen didaktischen Theorien konnte ich immer konkrete Situationen
verbinden.
In Abhängigkeit von ihrem Vorwissen werden wahrnehmungsbedingte Erfahrungen an
bestehende Wissensstrukturen angeknüpft und interpretiert.
Die Anwendbarkeit des Wissens wird gefördert.
Die Lernenden gewinnen ihr Wissen aus unterschiedlichen Lernumgebungen und das
Problem des „trägen Wissens“ wird gemindert.
Der Lernende wird veranlasst, seine Überlegungen und Vorgangsweisen bei der
Problembearbeitung mit anderen zu vergleichen.
Der Schlüsselbegriff für die Abgeschlossenheit und Selbstreflexivität ist die „Autopoiesis“.
Unser Erkenntnisapparat ist also ein abgeschlossenes System, das nicht eine äußere Welt
abbildet, sondern seine Wirklichkeit hervorbringt, sie ist konstruiert. Die Aufrechterhaltung
der Autopoiesie und die Erhaltung unserer Anpassung, d.h. unserer Lernfähigkeit sind
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notwendige Existenzbedingungen. Wenn wir das Prinzip der Selbstorganisation ernst nehmen
hat das weitreichende Konsequenzen für die Theorie und Praxis des Lehrens.
Der/die Lehrende schafft „lediglich“ die Bedingungen für die Selbstorganisation der
Lernenden.
Er ermöglicht Prozesse der selbsttätigen und selbständigen Wissenserschließung und
Wissensaneignung,
das
bedeutet
den
Übergang von
der
Belehrungsdidaktik
zur
Animationsdidaktik.
Konstruktivistisch gesehen ist deutlich zwischen Information und Wissen zu unterscheiden.
Wissen ist Bestandteil unserer Identität, unseres Selbst- und Weltbildes.
Lehrer sind gefordert Bedingungen zu schaffen, welche dieses Lernen ermöglichen.
Lehrer und Schüler übernehmen Verantwortung für das Lernen, Schüler als ein aktiver
Gestalter seines Lernprozesses.
3. Zusammenfassungen der Kapiteln 1 bis 7 und 12
Gabi:
1. Zur Entstehung des Radikalen Konstruktivismus aus dem Geiste der Kybernetik
Abb. 2. : aus Maturana / Varela, S. 144 (nach F. Kahn “El hombre”, Bd. II, Buenos Aires 1944, S. 235)
http://www.kunst.erzwiss.uni-hamburg.de/Meyer/Hypermed/xenia.htm#5
Siegfried J. Schmidt zitiert den Begriff „Cybernetics“ aus der 1983 formulierten Declaration
of the American Society for Cybernetics folgendermaßen: „Cyberntics is a way of thinking,
not a collection of facts.“ (S. 11) Diese Charakterisierung trifft für Schmidt auch auf den
“Radikalen Konstruktivismus” zu. Darüber hinaus stammen wesentliche Impulse zur
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Entwicklung des Konstruktivismus von den Vertretern des theoretischen Flügels der
Kybernetik;
sie
haben
wichtige
Anstöße
zur
Entwicklung
einer
biologischen
Kognitionstheorie durch H. R. Maturana und F. J. Varela geliefert und auch zum Entwurf
einer Theorie der Wissenskonstruktion durch H. von Foerster, W. McCulloch und E. von
Glaserfeld geführt. Es wurden Konzepte entwickelt, die seither von einer Fülle von
Wissenschaftlern in den verschiedensten Disziplinen übernommen worden sind und die
Kybernetik zu einem „metadisziplinären“ Forschungsbereich gemacht haben, zu dem System
und Modell, Steuerung, zirkuläre Kausalität, Feedback, Äquilibrium, Adaptation oder
Kontrolle gehören. Vor allem die Prozesse der Selbstreferenz und der Selbstorganisation
haben sich für die Entwicklung der konstruktivistischen Erkenntnistheorie als grundlegend
erwiesen. (vgl. S. 11 - 12)
2. Grundzüge einer radikal konstruktivistischen Kognitionstheorie
Die Erkenntnistheorie des Radikalen Konstruktivismus versteht sich als „Kognitionstheorie“,
d. h. sie setzt sich mit den Vorgängen bei der Wahrnehmung auseinander und ist „nichtreduktionistisch“, weil sie nicht auf fundamentale oder elementare Objekte oder Prozesse
fixiert ist. (S. 13)
2.1. Wahrnehmungs- und Erkenntnistheoretische Überlegungen
Schmidt bezieht sich auf die meisten Wahrnehmungstheoretiker, wenn er sagt, dass „die
Welt“ durch die Sinnesorgane aufgenommen wird, dann ins Gehirn gelangt und dort für uns
ein mehr oder weniger getreues Abbild dieser „Wirklichkeit“ entsteht. Die Sinne verfahren
dabei selektiv und unterliegen vielen Täuschungen, aber die grundsätzliche Erkennbarkeit der
Welt wird trotzdem nicht bezweifelt.
Vertreter des Radikalen Konstruktivismus gehen von einem anderen Standpunkt aus, und
zwar vom Gehirn: Die Wahrnehmung vollzieht sich „nicht“ in den Sinnesorganen, sondern in
spezifischen sensorischen Hirnregionen. Untersuchungen ergaben, dass die Nervenzellen nur
die Reizstärke in Form von Impulsfrequenzen codieren, nicht jedoch deren Ursachen. Daraus
folgern
konstruktivistische
Neurophysiologen
und
Kognitionstheoretiker,
dass
die
Wahrnehmungsinhalte erst durch das Gehirn geschaffen werden und dass die Umwelt keinen
direkten Einfluss darauf hat, was im Gehirn vor sich geht. Man kann sagen, dass jede unserer
Wahrnehmungen durch Interpretation neuronaler Prozesse entsteht und somit unsere
Wirklichkeit kein Abbild, sondern ein Konstrukt ist. (vgl. S. 15 und S. 77) „Bei der
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Bedeutungszuweisung operiert das Gehirn auf der Grundlage früherer interner Erfahrung […]
bewusst wird nur „das“, was „bereits gestaltet und geprägt“ ist. (zit. Schmidt, S. 15) Das
Gehirn ist aufgrund dieser Tatsache gar nicht in der Lage, Wirklichkeiten als solche
abzubilden oder zu repräsentieren, denn es gibt kein Urbild.
Der Neurophysiologe G. Roth sowie andere Kognitionsforscher nennen unser Gehirn
„selbstreferentiell und selbstexplikativ“, d. h. dass es alle Bewertungs- und Deutungskriterien
aus sich selbst entwickeln muss. (S. 15). Roth bezeichnet das Gedächtnis auch als „unser
wichtigstes Sinnesorgan“. Schmidt verweist auf die von Roth getroffene Unterscheidung
zwischen „realem Gehirn und kognitiver Welt“. Damit ist gemeint, dass Neurophysiologen
Gehirne als Bestandteil der kognitiven Welt untersuchen und nicht etwa als Objekt der realen
Welt. Wie bereits erwähnt können Wahrnehmungen nicht beobachtet werden; beobachtbar
sind nur neuronale Prozesse; das kognitive Gehirn als Resultat einer Selbstbeschreibung kann
sich nicht selbst beschreiben. (vgl. S. 15 und S. 77)
Mit den geschilderten neurophysiologischen Hypothesen ist auch ein von W. T. Powers
(1973) entworfenes kybernetisches Modell der Wahrnehmung voll vereinbar, das dann von J.
Richards (1973) und E. von Glaserfeld (1984) philosophisch erläutert wurde. Seine zentrale
Hypothese lautet: „Verhalten steuert Wahrnehmung“ (1973, X, in Schmidt, S. 17). Powers
versteht unter Wahrnehmung „nicht eine Aufnahme oder Wiedergabe von Information, die
von außen hereinkommt, sondern […] die Konstruktion von Invarianten, mit deren Hilfe der
Organismus seine Erfahrungen assimilieren und organisieren kann“. (Richards und von
Glaserfeld, 1984, S. 6, zit. in Schmidt, S. 18) Schmidt teilt die Ansicht von Powers: „Als
Organismus haben wir keinen kognitiven Zugang zu unserer Umwelt, sondern nur als
Beobachter“. Es gibt keine Trennung von Wahrnehmung und Interpretation, sondern der Akt
des Wahrnehmens ist der Akt der Interpretation: „Welt ist Welt, wie wir sie sehen, sie ist
Erfahrungswirklichkeit“. (Richards und von Glaserfeld, zit. in Schmidt, S. 18) gibt. Schmidt
erwähnt in diesem Zusammenhang das von Maturana eingeführte „Konzept des Beobachters“,
das eine wesentliche Rolle spielt: Jede Erklärung der Kognition muss eine Erklärung des
Beobachters und seiner Rolle enthalten, denn erst für den Beobachter wird etwas, das er
beschreiben kann, zu einem Gegenstand, den er von anderen unterscheiden kann. Schmidt
differenziert zwischen internenem und externem Beobachter: „Als interner Beobachter habe
ich unbezweifelbare Gewissheit darüber, dass ich existiere […] Ich stelle fest, dass es
außerhalb von mir eine Welt gibt […], die ich mit Hilfe meiner Sinnesorgane erfasse“. (G.
Roth, 1978, S. 66, zit. in Schmidt, S. 19) Dem äußeren Beobachter hingegen ist nur die
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Oberfläche des Verhaltens zugänglich, über „innere Zustände“ kann er nichts Verlässliches
sagen. Die Bereiche der beiden Formen sind völlig überschneidungsfrei; es gibt keine
Phänomene, die sich dem internen wie dem externen Beobachter in vergleichbarer Weise
darstellen. Schmidt argumentiert, dass viele der traditionellen philosophischen Probleme
durch eine unzulässige Vermischung aus den beiden unabhängigen Beobachterbereichen
entstehen. (vgl. S. 19)
2.2 Bewusstsein – Geist – Ich
Der Neurophysiologe G. Roth argumentiert, dass 4 funktionale Großbereiche des Gehirns an
der Konstitution dessen beteiligt sind, was wir als „Bewusstsein“ oder „Ich“ bezeichnen:
-
Hirnstamm oder Formatio reticularis: steuern Wachheit und Aufmerksamkeit
-
Thalamocorticales System des Zwischen- und Großhirns: steuert die Sensorik und
Sensomotorik der bewussten Wahrnehmung.
-
Limbisches System: wichtig für das Gedächtnis
-
Stirnbereich der Großhirnrinde: bildet ein System der Handlungskoordination und –
planung
Diese 4 Großbereiche sind untereinander „hochgradig reziprok verknüpft und bilden
mehrfach ineinandergeschachtelte Erregungskreise mit Milliarden von Nervenzellen“. (S. 20)
Roth vermutet, dass das „Ich“ wahrscheinlich keine eigene Instanz ist und verweist auf die
Annahme von der dynamisch-prozessualen „Natur“ des Bewusstseins: Das Bewusstsein wird
dabei immer gesehen als „Bewusstsein-von-etwas“, d. h. als eine Relation, die dadurch
hergestellt wird, dass das Nervensystem für seine eigenen Zustände sensibel ist und über
seinen eigenen Zuständen operieren kann. G. Rusch artikuliert, dass „Bewusstes Erleben“
eine Leistung des Gesamtorganismus darstellt, aber „es ist keine Operation, die über die
Aktivität des Nervensystems hinausginge oder diese überlagerte“. (zit. S. 20)
G. Rusch artikuliert die Überlegungen konstruktivistischer Forscher zum Selbstkonzept und
verweist dabei auf die Wichtigkeit, dass zum Aufbau eines Selbstkonzepts Erfahrungen nötig
sind, die das Individuum mit anderen Personen macht. Erst im Medium sozialer Erfahrung
einschließlich sprachlicher Artikulation „er-lebt man sich selbst gewissermaßen durch das
Erleben von anderen, durch die eigene Erfahrung mit anderen“. (Rusch S. 139, in Schmidt, S.
21) Für Rusch modelliert das konstruktivistische Modell das „Selbst“ als einen
organisationellen Kern von Konstruktionsprinzipien, mit dessen Hilfe eine Person Verhalten
als ihr Verhalten synthetisiert, beobachtet, identifiziert und bewertet. (Rusch S. 141, in
Schmidt, S. 21)
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Angelika:
3. Lebende Systeme als autopoietisch Systeme
Die neurophysiologischen Aspekte der konstruktivistischen Kognitionstheorie werden von
den chilenischen Biologen H. R. Maturana und F. J. Varela in die Theorie lebender Systeme,
autopoietisch Systeme, eingeordnet.
Der
Leitgedanke
dieser
Theorie
besagt,
dass
lebende
Systeme
selbsterzeugend,
selbstorganisiert, selbstreferentiell und selbsterhaltend sind. Jene Systeme sind autopoietisch
(vgl. Schmidt S. 22). Oder anders ausgedrückt, diese Systeme haben die Fähigkeit sich selbst
erhalten, wandeln und erneuern zu können.
Charakteristika autopoietischer Systeme:

Lebenden Organismen wird eine Autonomie zugeschrieben, welche über unsere
gängige Vorstellung von Selbständigkeit und Unabhängigkeit hinaus geht

Lebende Systeme sind materiell-energetisch offen; sie treten mit der Umwelt und mit
anderen lebenden Systemen in Kontakt.

Die Struktur lebender Systeme ist plastisch und kann sich laufend verändern

Autopoietische Systeme erzeugen eine eigene zirkuläre Organisation. Diese
Organisation ist ein Netzwerk zur Produktion eigener Bestandteile.

Durch die zirkuläre Organisation sind lebende Symptome selbstreferentielle,
homöostatische Systeme, die ihrer Umwelt gegenüber autonom sind.

Die Zirkularität der Organisation macht ein lebendes System zu einer inferentiell
arbeitenden Interaktionseinheit mit kognitiven Bereich. Darunter versteht man ein
induktives System, das prognostizierend funktioniert. Diese Organisation ist
konservativ und es wird nur das wiederholt, was funktioniert (vgl. Schmidt S. 23).

Lebende Systeme sind historische Systeme.

Eine spezifische Identität erhalten lebende Systeme durch die gleichbleibende
Organisation.

Lebende Systeme sind kognitive Systeme: Leben ist ein Prozess der Kognition.

Ein System, das mit einem Nervensystem ausgestattet ist, erzeugt durch
Selbstbeobachtung
Selbstbewusstsein.
Das
Nervensystem
erweitert
den
Kognitionsbereich, indem es Interaktionen erlaubt.

Die internen Zustände werden durch `reine Relationen` (Schmidt S. 23) abgeändert
bzw. verwandelt. Dadurch können die Systeme mit ihren eigenen internen Zuständen
unabhängig interagieren.
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
Lebende Systeme werden durch die Umwelt und durch sich selbst verformt.

Diese Systeme sind durch äußere Ereignisse nur modellierbar aber nicht steuerbar.

Lebende, selbstreferentielle geschlossene Systeme sind informationsdicht und
srtukturdeterminiert (autonom). Sie haben keinen informationellen Input und Output.
Das heißt, sie sind zwar energetisch offen, sind aber informationell geschlossen und
erzeugen selbst die Information, die sie verarbeiten.

Strukturdeterminierte Systeme sind durch strukturelle Koppelung (Koppelung
plastischer Systeme, durch sequentielle Veränderung, ohne die Identität des Systems
zu zerstören) mit interagierenden lebenden Systemen verbunden.
An diese Faktensammlung der beiden Biologen möchte ich abschließend den Satz Maturana´s
setzten: Wir erzeugen daher buchstäblich die Welt, in der wir leben, indem wir sie leben
(Schmidt S. 26)
Maria:
4. Sprache, Denken und Kommunikation im konstruktivistischen Modell
„Sprache dient, wie jedes andere Verhalten auch, basal der Aufrechterhaltung der
Autopoiese“ (SCHMIDT, S. 32). Um diesen Satz zu verstehen, habe ich folgende
Internetrecherche angestellt:
http://www.thur.de/philo/asap.htm:
„Spezielle Aussagen aus der neueren Erkenntnistheorie wurden im Konzept der Autopoiese
durch Varela und Maturana zusammengefasst. Dazu gehören:

Selbstreferentialität : die eigenen Zustände werden nur intern gesteuert.

operative Geschlossenheit : das Gehirn nimmt nur eigene Zustandsveränderungen
wahr, ein Reiz von außen kann nur Selbstveränderung initiieren, die dann
wahrgenommen wird.

strukturelle Kopplung zur Umwelt: das System wählt seine Außenkontakte selbst
aus.“
Maturanas nimmt an, dass die Grundlagen von Sprache und Denken zum einen auf seiner
Unterscheidung zwischen Beschreibungen erster und zweiter Ordnung, zum anderen auf
Konzepten wie ‚Beobachter’ und ‚Orientierungsverhalten’ basieren (Schmidt, S. 26). Wenn
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wir etwas beobachten, dann aktivieren wir oder aktualisieren wir eine Nische. Maturana
bezeichnet das als eine Umweltbeschreibung erster Ordnung. Nachdem Kommunikation ja
meisten aus 2 Organismen besteht, glaubt Maturana, dass eben der erste Organismus eine
seiner Nischen beschreibt, beim zweiten Organismus treten kognitive Prozesse auf, er
orientiert sein Verhalten auf eine Interaktion hin. (Schmidt, S. 26) Schmidt sagt auch:
„Orientierende Interaktion bezeichnet Maturana als kommunikativ und hält sie für die Basis
sprachlichen
Verhaltens.
Es
liegt
jedoch
ein
wesentlicher
Unterschied
im
Orientierungsverhalten des ersten und zweiten Organismus. Schmidt, S. 26: „Das
Orientierungsverhalten des ersten Organismus ist für den Beobachter eine Beschreibung
zweiter Ordnung (…), die das repräsentiert, was sie seiner Auffassung nach bezeichnet. Im
Gegensatz dazu ist das Orientierungsverhalten des ersten Organismus für den zweiten
konnotativ und impliziert für ihn eine Interaktion innerhalb seines kognitiven Bereiches (…).“
Weiters wird auch der Begriff des Selbstbewusstseins erläutert.
Maturana definiert den
Begriff so: Der Beobachter wird Beobachter seiner eigenen Beschreibungen, er beschreibt
seine Selbstorientierung. Folglich ist das Ichbewusstsein eine Begleiterscheinung der aus dem
selbstorientierten Verhalten entsteht. Diese Selbstorientierung muss jedoch als unabhängiger
Interaktionsbereich verstanden werden (Schmidt, S. 27)
Schmidt, S. 27: „Wenn die Interaktionsbereiche zweier Organismen in bestimmten Maße
miteinander vergleichbar sind, sind konsensuelle Orienterunksinteraktionen möglich.“
Ein auch wichtiger Punkt ist, dass Sprache für Sprecher konnotativ und nicht denotativ
funktioniert. Maturana meint damit, dass die Funktion der Sprache darin besteht, dass der
Organismus versucht, sich innerhalb seines kognitiven Bereiches zu orientieren. (Schmidt, S.
28).
Zwei Zitate von Schmidt (S. 29) sind auch sehr wesentlich:
„Wann immer wir mit Sprache interagieren, bleiben wir im Bereich von Beschreibungen
(zweiter Ordnung), (…) die denotative Funktion einer Botschaft liegt ausschließlich im
kognitiven Bereich des Beobachters.“
Annette:
5. Haben „Objektivität“ und „Empirie“ noch Sinn im konstruktivistischen Modell?
Die Begriffe „Intersubjektivität“ und „Empirie“ werden zur Erklärung der Tatsache
genommen, dass wir trotz Konstruktion von Wirklichkeitsmodellen und Subjektabhängigkeit
uns gut in unserer Umwelt orientieren und kommunizieren können.
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Kommunikation funktioniert durch Interaktion lebender Systeme untereinander.
Im Verlauf der kindlichen Entwicklung führen figurative („sinnliche“) und operative
(„abstrakte“) Erfahrungen zur kognitiven Konstruktion und zu deren Stabilisierung durch
Sozialisation.
Die eigenen empirischen Erfahrungen unterschieben wir erfolgreich anderen, sie werden als
wirklichkeitsadäquat interpretiert und wiederholt und erwartet.
Unsere Welt als konstruktive konzeptionelle Größe wird durch für unser soziales Leben,
Denken und Verhalten relevante Interaktionen erzeugt und ausprobiert.
E. von Glasersfeld erklärt das Wirklichkeitsbild als eine Konstruktion von Wirklichkeit,
basierend auf dem Passen der eigenen Annahmen. Der Radikale Konstruktivismus sagt, dass
alle Aussagen über Wirklichkeit zu hundert Prozent eigenes Erleben sind.
Menschen als lebende Systeme erfahren Wahrnehmungs- und Verhaltensbedingungen nicht
unmittelbar sondern nur im kognitiven Bereich.
Um Leben angenehmer, interessanter und lebenswerter zu machen werden ständig neue
Orientierungssysteme auf ihr Passen und ihre Nützlichkeit hin ausprobiert. Allein der
kognitive Bereich, der Nutzen unseres Wissens entscheidet über Erfolg und Misserfolg
hinsichtlich verfolgter Ziele.
Um empirisches Wissen sinnvoll in einer radikal konstruktivistischen Erkenntnistheorie
darzustellen, wird zwischen ontologischem und empirischen Wissen unterschieden.
Als ontologisches Wissen wird das Realitäts- oder Weltwissen verstanden, das wir nach
zeitlichen, räumlichen, konditionalen oder Aspekten organisiert haben.
Empirisches Wissen ist operationales an Tätigkeiten oder Handlungen gebundenes Wissen,
Erfahrungswissen, das an unsere kognitive Konstruktivität und nicht an die objektive Struktur
der Wirklichkeit gebunden ist.
Der wissenschaftliche Erwerb empirischen Wissens ist an folgende Bedingungen gebunden.
Die Ziele des Wissenserwerbes müssen explizit sein, ebenso müssen explizite Bedingungen
für die Zielerreichung angegeben werden. Die zielorientierten Strategien, Verfahren müssen
explizierbar und dokumentiert, sowie intersubjektiv lehr- und lernbar sein, außerdem müssen
sie in Hinblick auf die Erreichung der intendierten Ziele überprüfbar sein. Diese
Prüfverfahren müssen intersubjektiv ausführbar und zugänglich dokumentiert werden.
Die Idee der Erkennbarkeit einer absoluten Wirklichkeit, das Streben nach absoluter
Wahrheitserkenntnis dient als Legitimation wissenschaftlicher Tätigkeit.
Im Radikalen Konstruktivismus dient Wissenschaft der Sicherung der Autopoiese und der
Optimierung unserer Lebensbedingungen. Langfristig der Sicherung des Überlebens als
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„realistisches“ Ziel wissenschaftlicher Tätigkeit durch Erfahrung im systematischen Umgang
mit immer neuen Orientierungssystemen.
Die ontologische Ausrichtung wissenschaftlichen Denkens wird auf operationale Fragen
umorientiert, dadurch gewinnen sie als verhaltenssynthetisch relevante Größen neue
Bedeutung.
Eine weitere wichtige Charakteristik ist in ihren ethischen Konsequenzen zu sehen.
Da Wahrheit und Wirklichkeit im Radikalen Konstruktivismus von keinem Menschen
erkennbar oder besitzbar sind, muss jeder in eigener Person für seine Handlungen und
Kognitionen die Verantwortung übernehmen.
Aus radikal konstruktivistischer Perspektive verschieben sich die Bewertungsmaßstäbe
unseres Wissens von absolut auf die unmittelbare Qualität unseres Lebens, d.h. dass bloße
Machbarkeit, die Erreichung beliebiger Ziele als Selbstzweck nicht länger vor unseren
Mitmenschen vertretbar sind.
6. Ist der Radikale Konstruktivismus nicht eine selbstaufhebende Doktrin?
Die Verwechslung von epistemologischen mit ontologischem Solipsismus führt zu dem
Einwand, dass Umwelt nicht unsere Erfindung sein kann, Erfinden wird mit Phantasieren
verwechselt.
Ein weiterer Einwand, Radikaler Konstruktivismus sei selbstaufhebend, wird dadurch
begründet, dass auf naturwissenschaftlicher empirischer Grundlage behauptet wird, Menschen
seien autopoietische Systeme, die nur in ihrem Kognitionsbereich handeln und die
Wirklichkeit als solche nicht erkennen können.
Versteht man empirisches Wissen als „intersubjektiv geteiltes operationales Wissen in
unserem Kognitionsbereich“, dann wird dieser Einwand allerdings entkräftet.
Aus realistischen Theorien hervorgegangen und aus den konsequent zu Ende gedachten
realistischen Orientierungssystemen entsteht der Radikale Konstruktivismus als eine neue
Ordnung.
Auf die Frage, ob Konstruktivismus etwas Neues sei, verweisen die Konstruktivisten selbst
auf Vorläufer und Parallelen in der Gestaltpsychologie, in der kognitiven Psychologie bis zu
soziologischen Interaktionisten und Ethnomethodologen.
Der Radikale Konstruktivismus nimmt die Theorie autopoietischer Systeme zum
Ausgangspunkt weiteren Denkens. Neue, an kognitionstheoretischen Konstrukten orientierte
Konzepte von Wissen, Wirklichkeit und Erfahrung werden zu einer neuen Erkenntnistheorie
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zusammengefasst. Er orientiert empirische Forschung radikal um die Frage, wie nützlich die
neuen kognitiven Orientierungsrahmen sind und wie sie sich auf die Erreichbarkeit unserer
Ziele, die Erfüllbarkeit unserer Wünsche auswirken.
Leo:
7. Konsequenzen aus dem Radikalen Konstruktivismus
Zunächst ein Vergleich von realistischen Erkenntnistheorien und dem RK anhand der
Stellenwert der Sprache in der jeweiligen Theorie.
Der Realismus erkennt die Existenz einer objektiven Welt an, die empirisch erfassbar ist.
Durch Sprache lässt sich diese Welt abbilden: „Diese Wiese ist grün“. Nach realistischer
Auffassung ist dies eine objektive Beschreibung einer Realität die für jedermann zugänglich
ist.
Zur Beschreibung aus der Sicht des RK eine Zusammenfassung der vorangegangenen Kapitel:
P
P
P
Ein in sich geschlossenes System,
mit Prozessen, die auf sich selbst
verweisen und sich selbst
organisieren.
Alle Informationen, die das
System zu seiner Aufrechterhaltung braucht, liegen in
dieser Organisation selbst.
Solch ein Prozess könnte beispielsweise das Abrufen aus dem Gedächtnis von verschiedenen
Begriffen sein (wie Wiese, Farbe „grün“, etc.) und das Verknüpfen mit bekannten Wörtern;
der Anlass ist Information, die sich bereits innerhalb des Systems befindet und in ihm erzeugt
wird. Im menschlichen Nervensystem ermöglichen Neurotransmitter die Signalübertragungen,
und zwar innerhalb der Nervenzellen elektrisch und am Übergang zu anderen Nervenzellen
chemisch. Nach Schätzungen finden pro Minute zwischen 100.000 und 1 Million chemische
Reaktionen statt (ORF1 2004).
Die Verbindung zur Außenwelt:
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Leo Hamminger 0222556, Maria Portenkirchner 0321493, Annette Resch 9821828,
Angelika Schaffer 9602610, Gabriele Schweiger 0321577
Das System (der Organismus) ist
nach außen strukturell mit
anderen Systemen auf eine Art
und Weise verbunden, die eine
eigene Veränderung zulässt, ohne
die eigene Identität zu zerstören.
Beobachter können diese Identität
feststellen.
P
P
P
ext. S
ext. S
Schnittstelle zu externen Systemen (der
Außenwelt, die bestimmt, in welchem
Teil der Umwelt der Organismus
existieren kann.
ext. S
Strukturelle Verbindung bedeutet: informationell geschlossen, aber energetisch offen.
Die Schnittstelle zur Außenwelt kann man sich als definierte Mengen und Klassen von
Interaktionen zwischen dem Organismus und dem Teil seiner Umwelt, in dem es existieren
kann, vorstellen. Diese Interaktionen sind spezifisch für den Organismus und repräsentieren
seine vollständige kognitive Realität. Daraus folgt, dass Kognition ein Phänomen ist, das
prinzipiell vom Subjekt (dem Organismus) abhängt.
Nach der Theorie des RK kommen also Begriffe wie „Wiese“ und „grün“ nicht von außen,
sondern werden im eigenen Organismus auf seine ganz spezifische Weise durch externe
Energieimpulse erzeugt. Damit erzeugt jeder Organismus nicht nur seine eigene
„Wirklichkeit“ unterschiedlich von jedem anderen Organismus, sondern – durch die laufende
Veränderung der eigenen Prozesse – jedes Mal eine neue Wirklichkeit (anders gesagt: wir
lernen dazu).
Ein informationell geschlossenes System erzeugt durch seine Individualität einen ganz
bestimmten Verhaltensbereich. Es teilt mit anderen (Menschen) nur dann eine gemeinsame
Wirklichkeit, wenn diese sich einen Verhaltensbereich teilen, also im Verhalten
übereinstimmen. Werte (z.B. der Grad der Adäquatheit ihrer Interaktionen) können nur
innerhalb dieses Bereiches gemessen werden und sind nicht vergleichbar mit denjenigen
anderer Bereiche. Schmidt (S. 47): „Da Werte ausschließlich kulturspezifisch und historisch
sind, gibt es keinen Maßstab, um eine Kultur als adäquater als eine andere auszuzeichnen“.
Maturana ist überzeugt, dass kulturelle Unterschiede nicht dadurch entstehen, weil eine
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unabhängige Realität von verschiedenen Kulturen unterschiedlich bearbeitet wird. Vielmehr
leben kulturell unterschiedliche Menschen in unterschiedlichen kognitiven Wirklichkeiten, die
untereinander nicht gewertet werden können. Maturana’s Ziel ist eine Gesellschaft ohne
systematische Unterdrückung, die das Individuum nicht negiert. Er erachtet dafür als
notwendig die Auflösung aller Strukturen, die Menschen anderen Menschen unterordnen; die
Beziehung der Menschen zu ihrer ökologischen Umwelt zu fördern sowie die Einsicht der
Menschen zu erhöhen, dass sie nicht-hierarchische, verschiedene – aber gleichwertige –
Systeme darstellen.
Sowohl das Individuum als auch die Interaktionen zwischen Individuen sind unentbehrlich.
Es sind die Interaktionen die Gemeinsamkeiten erzeugen könne, sodass weiterführende
Konsensbildung höherer Ordnung, nämlich Liebe der Menschen untereinander, erreicht wird.
Angelika:
12. Der Radikale Konstruktivismus: Ein neues Paradigma im interdisziplinären Diskurs
In seinem zwölften Kapitel verweist Schmidt darauf, dass es etliche weitere Bereiche gibt,
die sich mit den konstruktivistischen Ansätzen auseinandersetzen: Historiographie,
Rechtstheorie, Evolutionstheorie u.a. Diese Disziplinen haben Gemeinsamkeiten, wie z.B.
dass sie wissenschaftliche Tätigkeiten sind, die sich auf den Menschen beziehen und
angewendet werden; dass die Aufmerksamkeit auf die Selbstorganisation und Eigentätigkeit
gelenkt ist; dass Prozesse und Systeme in „Wirkungsnetzen“ (Schmidt S. 72) gedacht werden
usw.
Für uns sehr spannend ist die abschließende Frage Schmidts, die sich mit der
Gesamteinschätzung des Radikalen Konstruktivismus beschäftigt. Dabei geht er gedanklich
zurück an die Entstehung des Radikalen Konstruktivismus, die dem Geiste der Kybernetik
entstand und einen wichtigen Ausgangspunkt in der Theorie der selbstorganisierten Systeme
nimmt. Dadurch gelang dem Radikalen Konstruktivismus die Überwindung der Einseitigkeit
der Kybernetik: nämlich die für die Beschreibung autopoietischer Systeme unproduktive Art,
sich auf das Modell der Informationsverarbeitung verbunden mit Input-Output-Vorstellungen
zu fixieren. Anders aber wurde die konzeptionelle Arbeit mit der Beschreibung der lebenden
Systeme bezeichnet, nämlich innovativ. Es galt als innovativ, von einer physikalischen zu
einer biologischen Weltsicht zu kommen, wodurch natürlich die Kybernetik erschüttert wurde
und damit ein Paradigmenwechsel vorbereitet wurde.
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Diese Entwicklung ist unter zwei Gesichtspunkten interessant:
1. Die konsequente Handhabung des physikalischen Weltbildes und die realistisch
erkenntnistheoretische Basis führen zur Erkenntnis und Relativierung des eigenen
Bezugs- und Wahrheitssystems.
2. Maturana weist nach, dass die Kontext- und Subjektabhängigkeit der Wahrnehmung
und Erkenntnis die Operationalisierung des Erkennens erklären. (vgl. Schmidt S. 73)
Somit darf der Radikale Konstruktivismus nicht verwechselt werden mit modischen 70er
Jahre Trends irrationaler Wissenschaft, Neo-Mythologie usw.. Sondern es ist vielmehr zu
bedenken, dass der Radikale Konstruktivismus Konsequenzen aus der abendländischen
Forschungsgeschichte zieht. Er liefert eine empirisch wissenschaftliche Theorie mit hohem
Innovationspotential.
Der Radikale Konstruktivismus ist vielen Missverständnissen ausgesetzt: Radikale Gegner
behaupten, dass er seine Entwicklung als die Wichtigste ansieht und wohlwollende Kritiker
setzen ihn als Pendant zum Konstruktivismus. Schmidt sagt klar, dass Radikaler
Konstruktivismus für ihn ein neues Paradigma ist.
Für das Alltagshandeln ist der Radikale Konstruktivismus irrelevant, denn dafür brauchen wir
einheitliche operationale Wirklichkeits- und Bezugssysteme sowie Werthierarchien. Trotzdem
wäre es für Schmidt wünschenswert, wenn über den Radikalen Konstruktivismus eine
öffentliche Diskussion entstehen würde, die uns hilft unsere Legitimationspraxis durch den
vermeintlichen
Wahrheitsbesitzes
zu
verändern.
Denn
so
könnte
der
Radikale
Konstruktivismus einen guten Beitrag zur humaneren, friedlicheren Welt leisten.
4. Kritische Auseinandersetzung
Leo:
Hier verkauft Schmidt den RK unter seinem Preis, indem er auf Glasersfeld (1984) verweist,
dass der RK für Alltagshandeln und –kommunizieren irrelevant ist (Schmidt, S. 75). Gewiss,
wenn ich mit meinem Auto zur Uni fahre, dann fahre ich in einem konkreten Gebilde aus
Blech und nicht (nur) in einem gedanklichen Modell. Ich glaube nicht, dass ich mein Leben
aufs Spiel setze wenn ich mit über 100km/h fahre, weil ich ein gültiges Pickerl habe, und dem
vertrau ich mehr als eine Theorie die mir sagt, dass ich mir die Realität meines Autos selber
geschaffen habe. Und wenn ich jemandes eMail Adresse lese, dann ist es (zunächst)
Informationsaufnahme und nicht ein Einengen von Unklarheiten.
Das sind aber nicht die Hauptaussagen „meines“ RK. „Mein“ RK“ taugt sowohl für die Praxis
als auch für den Alltag.
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Vielleicht hat mich die Darstellung des RK durch Schmidt deshalb so angesprochen, weil ich
in ihr Lösungen für Probleme finden, die mich schon lange beschäftigen (vielleicht daher zu
meinen Alltags-Problemen geworden sind). Eine der Schlüsselaussagen ist für mich, dass sich
Subjekte (Menschen) nur dann eine gemeinsame Wirklichkeit teilen, wenn sie einen
gemeinsamen Verhaltensbereich erzeugt haben. Da aber gemeinsames Verhalten in einer noch
so homogenen Gesellschaft wohl nie 100% erreicht werden wird, kann auch die Wirklichkeit
nie 100% gemeinsam sein. Ich sehe darin die theoretische Grundlage des Vier-Ohren Modells
der Kommunikation von S. von Thun zwischen Menschen. Auf der Makroebene kann man
sich statt Menschen Gesellschaften mit den vier Ohren vorstellen, die untereinander aus den
gleichen Gründen mehr schlecht als recht kommunizieren. Ein anderes Beispiel aus dem
Alltag: Für mich ist mein Auto eine konkrete Ansammlung von Blech und anderen Teilen, die
mich von A nach B bringt. Für den typischen Salzburger ist es ein Grund (wegen meiner GM
Nummer), mich auch an den unmöglichsten Stellen zu überholen. Andere werden wohl
aufgrund des (meist) ungepflegten Aussehens auf den Charakter des Besitzers schließen.
Das sind aber Nebensächlichkeiten gegenüber anderen Einsichten, die mir der RK gewährt.
„Der Wert einer Verhaltensweise in einem Konsensbereich wird mit Bezug auf die an diesem
Bereich Teilhabenden bestimmt, und seine Universalität beruht auf der Universalität dieser
Teilhaber“ und weiter „In dieser Hinsicht sind alle Menschen gleichwertig, auch wenn sie
aufgrund ihrer individuellen Existenzweise verschieden erscheinen“ (Maturana [1982], 29, S.
45). Jemand als gleichwertig anzuerkennen hat aber konsequenterweise zur Folge, dass ich
andere Werte zwar nicht übernehmen, jedoch aber zur Kenntnis nehmen muss. Demnach ist
es kein Widerspruch, wenn jemand nach meinen Werten „böse“ handelt, nach seinen eigenen
Werten jedoch „gut“. Eine „böse“ Handlung anderer gleichwertig mit meiner eigenen „guten“
zu bewerten, ist jedoch (nicht nur unter dem Eindruck eines 11.9.2001) eine Aufgabe, die
mich tagtäglich beschäftigt.
Eine ähnliche Hilfestellung leistet mir der RK wenn ich vor der Frage stehe, ob ich Bauwerke
wie das Schloss Schönbrunn oder die Pyramiden wegen ihrer Architektur bewundern soll,
oder ablehnen muss, da zu ihrer Entstehung Ausbeutung und Sklaverei notwendig waren.
Sind diese Gebäude also „gut“ oder „schlecht“? Die Antwort für mich ist nun, dass jeder
Organismus (Individuum, Familie, Gesellschaft) seine eigenen Bewertungen hat, dass es also
unendliche viele „gut“ und „schlecht“ gibt. Ich muss mit dem Paradox leben, dass etwas „gut“
und „schlecht“ gleichzeitig sein kann.
Während der Recherche bin ich auf verschiedene Kritiken am RK gestoßen. In Peter Möller’s
Philolex (URL; Sachregister „Konstruktivismus, radikal“), das auch eine der umfangreichsten
Linksammlungen zum Thema enthält, heißt es unter anderem: „Wieso ist die Welt unsere
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Erfindung? Wenn sie eine Erfindung ist, dann ist sie meine Erfindung… Wenn die Welt
meine Erfindung ist, dann bin ich der ‚Erfinder’, besser gesagt der Schöpfer der Zauberflöte,
in dem Moment, wo ich sie höre, dann bin ich der Schöpfer der Mona Lisa, in dem Moment,
wo ich sie sehe“. Und Peitz (URL) zitiert Moritz Schlick: „[man könnte dann] beliebig
erdichtete Märchen für ebenso wahr halten wie einen historischen Bericht oder die Sätze in
einem Lehrbuch der Chemie, wenn nur die Märchen so gut erfunden sind, dass nirgends ein
Widerspruch auftritt“.
Meine Überlegungen dazu: Der RK erfindet Objekte (Musikstück, Bild, Märchen) nicht neu,
indem er die reale Welt ersetzt. Die reale Welt, reale Objekte existieren in der Wirklichkeit.
Unsere Wahrnehmung dieser Wirklichkeit ist aber beeinflusst durch unser eigenes, ganz
spezifisches kognitives System (Roth [1986], S. 80, macht plausibel, dass es kein
autopoietisches System sein kann), das einen Verhaltensbereich erzeugt, der wiederum ganz
spezifisch für uns selber ist. Das heißt: wir komponieren nicht die Zauberflöte neu; indem wir
sie wahrnehmen schaffen wir unsere ganz persönliche Kopie von ihr, die ihren Platz in der
ganz persönlichen Kopie unseres gesamten Weltbildes einnimmt. Beim nächsten bewussten
Hören nehmen wir vielleicht neue Details wahr, die eine neue Kopie entstehen lassen. Auf
neurobiologischer Ebene: neue Synapsen entstehen, alte werden gelöscht. Je dichter die
Zauberflöte in unserer Welt verknüpft ist, umso mehr Verbindungen entstehen zu anderen
mentalen Modellen, die dadurch modifiziert werden. Sollten wir von einem ganz persönlichen
Detail aus Mozarts Leben erfahren während er die Zauberflöte komponierte, so werden neue
Verbindungen eine neue Zauberflöte – Wahrnehmung („- Wirklichkeit) entstehen lassen.
Gedanken in Whitehead’s „Process and Reality“ aus dem Jahr 1929 (4. Kapitel) scheinen in
dieselbe Richtung zu gehen, allerdings bewege ich mich da noch zu sehr auf dünnem Eis um
dies näher zu kommentieren.
Vergleich Radikaler Konstruktivismus mit Mollenhauer Texten. Auffällige
Gemeinsamkeiten und Differenzen? Wohin tendieren Sie selbst? Warum?
In „Erziehung und Emanzipation“ sagt Mollenhauer (1968b), „Erziehung heißt die Befreiung
der Subjekte .. aus Bedingungen, die ihre Rationalität beschränken“. Schmidt (1987):
„Absoluter Wahrheitsanspruch führt notwendig zur Unterdrückung“ (S. 47) und „[Maturana]
verwahrt sich dagegen, die Biologie dazu zu benutzen, um die Entbehrlichkeit des
Individuums zum Wohle der Gesellschaft oder der Menschheit zu legitimieren“ (S. 48). Hier
wird die Gemeinsamkeit deutlich, das Wohl des Einzelnen in den Vordergrund zu stellen,
wobei der RK dies vielleicht noch deutlicher ausdrückt.
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Während in der „Erziehungswirklichkeit“ Mollenhauer (1968a) seine Theorie durch Ethik
(Erziehungsziele) und Psychologie (Erziehungsmittel) begründet, erklärt der Biologie
Maturana ausgehend von einer allgemeinen Systemtheorie über „theoretische“ Kybernetik ein
kognitives System von lebenden Organismen. Für mich ist der RK das spannendere Konzept.
Angelika:
Ein Schlüsselbegriff des Radikalen Konstruktivismus ist die Autopoiesis. Ein Begriff, der für
die Abgeschlossenheit, Selbstreflexibilität und Selbstorganisation von Systemen steht. Jeder
Mensch, und das ist mir wichtig zu erwähnen – vor allem im Zusammenhang mit der
Erziehungswissenschaft, ist ein Unikat mit einem eigenem Universum. Und jedes Universum
hat seine eigenen Werte und Vorstellungen. Wir müssen uns immer vor Augen halten, dass
jeder Mensch anders wahrnimmt, denkt, fühlt, handelt und lernt. Wenn wir uns dessen
bewusst sind, kann der Radikale Konstruktivismus tatsächlich ein Beitrag zu einer
friedlicheren Welt sein.
Eine Parallele, die ich bezüglich den autopoietischen Systemen von Maturana und Varela bei
Schmidt und Mollenhauer entdecken, ist die `Wirklichkeit`.
Mollenhauer
reflektiert
über
den
Wirklichkeitsbegriff,
der
letztendlich
die
Erziehungswirklichkeit bestimmt.
Beim Radikalen Konstruktivismus geht man davon aus, dass unser Erkenntnisapparat ein
abgeschlossenes System darstellt, das eine eigene Wirklichkeit hervorbringt.
Maria:
Ich finde, dass die Vorerfahrungen überhaupt nicht zum Text passen. Ich habe diese Lektüre,
obwohl sie auch schwer zu lesen war, spannend empfunden. Die Vorstellung, dass jeder in
seiner Wirklichkeit lebt, finde ich unglaublich spannend. Spannend deshalb, weil jeder seine
Wirklichkeit durch seine Kognitionen aufrechterhält und so ihre Existenz sichert. Ich bin aber
aufgrund meiner Internetrecherchen noch auf eine sehr interessante Seite gestoßen, sie lautet:
http://www.philolex.de/konstrur.htm#ber. Dort schreibt Peter Möller folgende Zeilen, die ich
auch sehr faszinierend finde und den Konstruktivismus sehr kritisch betrachten: „Wenn die
Welt meine Erfindung ist, dann bin ich der "Erfinder", besser gesagt der Schöpfer der
Zauberflöte, in dem Moment, wo ich sie höre, dann bin ich der Schöpfer der Mona Lisa, in
dem Moment, wo ich sie sehe. Ich bin Beethoven, Einstein, Goethe etc. Ich habe den
Ottomotor erfunden, den Eifelturm erbaut usw. (…)Wenn die Welt meine Erfindung ist, dann
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Leo Hamminger 0222556, Maria Portenkirchner 0321493, Annette Resch 9821828,
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bin ich der "Erfinder" meiner Zahnschmerzen. Wenn Krieg oder Hungersnot herrscht, wenn
ich unterdrückt und gefoltert werde, dann ist das alles meine Erfindung. Wenn ich in einem
Slum lebe und nicht in einer Villa, dann habe ich mir dies selbst ausgesucht. Im Anbetracht
des Zustandes der Welt, also meiner von mir konstruierten Wirklichkeit, wäre ich ein
Masochist.“
Gabi:
Ich war anfangs ganz und gar nicht begeistert, diesen Text zu lesen, denn die ersten Kapitel
beschäftigten
sich
nur
mit
Neurophysiologischen
Fakten
über
unser
Gehirn.
Zugegebenermaßen habe ich den Text erst so halbwegs verstanden, als ich mir die
Zusammenfassungen meiner Kollegen, insbesondere von Leo, zu Gemüte geführt habe. Ich
muss Maria und Leo beipflichten: Die Zeilen von Peter Möller bringen einem wirklich zum
Nachdenken und zum Staunen!
Durch diesen Text ist mir erneut klar geworden, dass wir dauerhaft in dem Bewusstsein leben
sollten, dass jedes Individuum seine Welt anders wahrnimmt, anders fühlt, denkt, handelt und
lernt. Ich denke oft an meine Kindheit zurück und wünschte, wir Erwachsene wären nicht so
borniert und wären den Kindern ähnlich: Sie sind bessere Philosophen, da sie sich über vieles
wundern und nichts als selbstverständlich hinnehmen, sondern immer wieder fragen, warum
das so ist. Sie stecken noch nicht in diesen festgefahrenen Strukturen und können sich noch
über Dinge wundern. Zu sagen, "so habe ich das noch gar nicht gesehen" oder "das wusste ich
noch gar nicht" ist keine Schande, sondern ein Zeichen dafür, dass wir imstande sind, Neues
zu lernen und neuere Sichtweisen zu reflektieren. Es scheint mir wichtig, nicht in den
festgefahrenen und sicherlich verlässlichen Strukturen stecken zu bleiben, sondern für Neues
offen zu bleiben und es gegebenenfalls auch anzunehmen und nicht zu ignorieren. Dadurch
können wir unseren Horizont erweitern und vieles womöglich besser verstehen.
Für zwischenmenschliche Beziehungen bedeutet das, dass wir uns gegenseitig als
selbständige Individuen akzeptieren und wissen, dass jeder sich seine Wirklichkeit selbst
konstruiert. Dies bringt mit sich, dass wir auch wissen, dass jede Konstruktion „subjektiv“ ist.
Wenn jemand sich aus unserer Sicht "sonderbar" verhält oder anders denkt als wir, heißt es
nicht, dass sein Verhalten oder sein Denken richtig oder falsch ist. Wir können es lediglich
mit unseren Einstellungen vergleichen, aber nicht mit den "objektiven" Richtig- oder
Falschkategorien. Dies erfordert Toleranz, denn sein Verhalten ist lediglich für seine
Lebensführung von Bedeutung, und nicht richtiger oder falscher als unseres.
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Leo Hamminger 0222556, Maria Portenkirchner 0321493, Annette Resch 9821828,
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Annette:
Lehrende, die sich an konstruktivistischen Konzepten orientieren, berücksichtigen die
Gesamtpersönlichkeit der Lernenden, bei ihren subjektiven Theorien sowie beim Abholen bei
ihren Glaubenssystemen
Das bedingt eine Veränderung der Berufsrolle des Lehrers.
Im Zusammenleben der Menschen sehe ich in der Vorstellung, dass jeder nach „seiner
eigenen Landkarte“, seinem persönlichen Erfahrungen, Erlebnissen, Interpretationen und
Umsetzungen lebt, die Chance für gegenseitige Toleranz und Achtung im Umgang
miteinander.
Im Vergleich mit den Mollenhauer-Texten konnte ich in einigen Aussagen eine gemeinsame
„Basis“ erkennen.
Subjektive
Erlebnisse
und
Erfahrungen,
Bedürfnisse
bilden
die
Inhalte
der
Erziehungswirklichkeit. Unter dem Begriff der Erziehungswirklichkeit versteht man keine
normative Festsetzung, sondern eine Korrespondenz der einzelnen Elemente und deren
Bedingungen.
Die Differenz von Wirklichem und Möglichem jeder Erziehungswirklichkeit fordern die
Verantwortung der Erzieher.
Im Radikalen Konstruktivismus geht es ebenfalls um das Erforschen der subjektiven
Wirklichkeit und den Einfluss auf die Handlungen und moralischen Einstellungen der
Menschen. Erfahrungswissen wird hier allerdings als ein an unsere kognitive Konstruktivität
und nicht an die objektive Struktur der Wirklichkeit gesehenes Wissen beschrieben.
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Leo Hamminger 0222556, Maria Portenkirchner 0321493, Annette Resch 9821828,
Angelika Schaffer 9602610, Gabriele Schweiger 0321577
5. Literaturverzeichnis
Maturana, H.R. (1982). Erkennen: Die Organisation und Verkörperung von Wirklichkeit.
Ausgewählte Arbeiten zur biologischen Epistemologie, Braunschweig – Wiesbaden: Vieweg
(Wissenschaftstheorie. Wissenschaft und Philosophie Bd. 19, autorisierte deutsche Fassung
von W.K. Köck).
Mollenhauer, K. (1968b). Erziehung und Emanzipation. München: Juventa.
ORF1 (2004). Infomappe zur Sendung „Denken, Fühlen, Leben – Botenstoffe des Gehirns“
am 5.1.2004.
Peitz; H.-H. Wie radikal ist der Radikale Konstruktivismus?
http://www.learn-line.nrw.de/angebote/lernen/medio/htgrdmat03.pdf
zuletzt besucht 19.5.2004
Möller, P. Philosophisches Lexikon online.
http://www.p-moeller.de/philolex.htm
zuletzt besucht 19.5.2004
Roth, G. (1986). Autopoiese und Kognition: Die Theorie H.R. Maturanas und die
Notwendigkeit ihrer Weiterentwicklung (1), in: G. Schiepeck (Hrsg) (1986), Systemische
Diagnostik, Pro und Contra, Weinheim-Basel: Beltz (in diesem Band).
Schmidt, S.J. (1987). Der Radikale Konstruktivismus: Ein neues Paradigma im
interdisziplinären Diskurs. In: Ders. (Hrsg): Der Diskurs des Radikalen Konstruktivismus.
Frankfurt am Main: Suhrkamp 1987, S. 11- 88.
Jean-Luc Patry: Skript zur Vorlesung Theorien und Metatheorien der Erziehung. Salzburg:
Abteilung für Interaktionsforschung und Sozialerziehung 2003
Internetseiten:
-
http://www.thur.de/philo/asap.htm: (Einsichtnahme: 17. Mai 2004)
-
http://www.philolex.de/konstrur.htm#ber (Einsichtnahme: 20. Mai 2004)
-
http://www.uni-koblenz.de/~odsjgr.oe/kontruktivismus/index1.htm
(Einsichtnahme: 23. Mai 2004)
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