Bolivien, Republik in Südamerika, die im Norden und Osten an Brasilien, im Süden an Paraguay und Argentinien und im Westen an Chile und Peru grenzt. Bolivien ist neben Paraguay der einzige Binnenstaat Südamerikas. Das fünftgrößte Land Südamerikas (nach Brasilien, Argentinien, Peru und Kolumbien) erstreckt sich von Norden nach Süden über eine Länge von 1 530 Kilometern, von Osten nach Westen ist es 1 450 Kilometer lang. Die Fläche beträgt 1 098 581 Quadratkilometer. Die verfassungsmäßige Hauptstadt ist Sucre, der Regierungssitz liegt in La Paz. Land Bolivien ist ein Andenland, das Hochgebirge erstreckt sich von Norden nach Süden im westlichen Teil des Landes. Im Westen, an der Grenze zu Chile, liegt die Westkordillere (Cordillera Occidental), im Nordosten die Ostkordillere (Cordillera Real), das Kernstück der Anden. Beide umgrenzen das Bolivianische Hochland. In der Cordillera Real erreichen die Anden mit dem Illimani (6 882 Meter) und dem Illampu (6 550 Meter) ihre größten Höhen. Physische Geographie Bolivien setzt sich aus drei unterschiedlichen Regionen zusammen: dem Altiplano (Bolivianischen Hochland), den Yungas, einer stark bewaldeten Region des östlichen Bolivianischen Berglandes, sowie dem im Osten gelegenen Tiefland (Llanos). Der bolivianische Teil des auf 3 600 bis 4 000 Metern gelegenen Altiplano ist etwa 800 Kilometer lang und 130 Kilometer breit und liegt zwischen der Cordillera Occidental und der Cordillera Real. Im Norden, in dem ein Großteil der Bevölkerung und Industrie des Landes angesiedelt ist, befindet sich der Titicacasee, höchster schiffbarer See der Welt und größter See Südamerikas. Der südliche Teil des Hochplateaus ist trocken und unfruchtbar. An der Ostabdachung der Anden entfalten sich die tiefen Täler der Yungas. 1 Im Nordosten Boliviens erstrecken sich Ausläufer des AmazonasTieflands mit feuchtheißen Regenwäldern. In einem Großteil dieser Region bilden sich während der Regenzeit (Dezember, Januar und Februar) Sümpfe. Große Gebiete fruchtbarer Weiden liegen jedoch über der Hochwasserlinie. Im Südosten befinden sich, durch das Bergland von Chiquitos (1 070 Meter) getrennt, die trockenheißen Ebenen des Gran Chaco. Flüsse und Seen Die Täler und Ebenen im Norden und Nordosten des Landes werden durch den Rio Beni und seinen wichtigsten Nebenfluss, den Madre de Diós, sowie den Rio Guaporé, Grenzfluss zu Brasilien, und den Rio Mamoré entwässert. Der Rio Pilcomayo, der wichtigste Fluss im Südosten Boliviens, fließt durch die Chaco-Ebene in den Paraguay und mündet in den Río de la Plata. Der Rio Desaguadero, ein Ausfluss des Titicacasees, fließt im Südosten in den Poopósee. Klima Obwohl Bolivien in den Tropen liegt, bedingen die großen Höhenunterschiede des Landes ein unterschiedliches Klima. In den höher gelegenen Regionen ist das Klima kalt und trocken, im Altiplano und Tiefland herrscht ein feuchtheißes bis trockenes Klima. Die Durchschnittstemperaturen liegen zwischen 8,3 °C im Altiplano und 26,1 °C in den am höchsten gelegenen Tälern. Flora und Fauna Aufgrund der verschiedenen Höhenstufen kommen in Bolivien nahezu alle Vegetationszonen vor. Das baumlose, zentrale Hochbecken wird von Ichugräsern und Zwergsträuchern bewachsen. Gummibäume sowie über 2 000 Hartholzarten sind in den tropischen Wäldern im Osten des Landes zu finden. Das Lama, das hauptsächlich im Altiplano beheimatet ist, dient als Lasttier und Lieferant für Milch, Fleisch und Wolle. Alpakas, Vikunjas und Guanakos leben ebenfalls in der Hochebene. Affen, Pumas, Jaguare, Gürteltiere sowie eine Vielzahl von Reptilien-, Vogel- und Insektenarten sind hauptsächlich in den tropischen Regenwäldern beheimatet. In den Savannen leben Nandus, giftige Schlangen und Termiten. Der Kondor, größter flugfähiger Landvogel, ist in den Anden und dem Hochland zu Hause. Bevölkerung Bolivien hat etwa 7,2 Millionen Einwohner. Die Bevölkerungsdichte zählt mit sieben Einwohnern pro Quadratkilometer zu den niedrigsten Südamerikas. Die Lebenserwartung liegt für Männer bei 62 Jahren und für Frauen bei 67 Jahren. Etwa 55 Prozent der Bevölkerung zählen zu den Ketschua und Aimará, etwa 30 Prozent sind Mestizen. Die übrigen 2 Bewohner des Landes sind Weiße und Nachkommen der altspanischen Kolonisten. Etwa die Hälfte der Bevölkerung lebt in ländlichen Gebieten. Sprache und Religion Spanisch, Ketschua und Aimará sind die offiziellen Landessprachen. Über 90 Prozent der Bolivianer gehören der katholischen Kirche an. Wichtige Städte La Paz ist mit 1,2 Millionen Einwohnern die größte Stadt des Landes. Weitere bedeutende Städte sind Santa Cruz (700 000 Einwohner), wichtiges Handelszentrum; Cochabamba (410 000 Einwohner), das in einem fruchtbaren Anbaugebiet liegt, Oruro (180 000 Einwohner) und Potosí (120 000 Einwohner), die beide in einem Gebiet mit großem Erzvorkommen liegen. Soziales Das Gesundheitswesen Boliviens ist nur schwach entwickelt. Die Säuglingssterblichkeit des Landes ist eine der höchsten Südamerikas. Malaria, Ruhr und Tuberkulose sind weit verbreitet und stellen ein Problem für die Gesundheit der Bevölkerung dar. Die medizinische Versorgung ist besonders in ländlichen Gebieten unzureichend. Bolivien bietet ein umfassendes Sozialversicherungssystem, das jedoch weniger als die Hälfte der Bevölkerung erfasst. Bildung und Kultur Zwischen dem 6. und 14. Lebensjahr besteht eine Schulpflicht, die von 40 Prozent der Schulpflichtigen wahrgenommen wird. Die Analphabetenrate liegt bei 35 Prozent. An den Hochschulen sind etwa 100 000 Studenten eingeschrieben. Die überwiegende Mehrheit der Schulen befindet sich in Städten, die Landbevölkerung erhält eine geringe oder keine Schulbildung. Universitäten gibt es in Sucre und La Paz, Cochabamba, Llallagua, Oruro, Potosí, Santa Cruz. Tarija und Trinidad verfügen über Fachschulen. Die St.-Francis-Xavier-Universität (1624 gegründet) in Sucre ist eine der ältesten Universitäten Amerikas. Die Universität von San Andrés (1830) in La Paz ist mit 37 000 Studenten die größte Universität Boliviens. Die Spanisch sprechende Bevölkerung, die größtenteils europäischen Ursprungs ist, verfügt über eine höhere Bildung und ist wirtschaftlich besser gestellt als die einheimischen Ketschua und Aimará. Kunst und Musik 3 Die Kleidung, Sprache, Architektur und Lebensweise der einheimischen Bevölkerung hält an den Traditionen ihrer vorkolonialen Vorfahren fest, die sich jedoch teilweise mit spanischen Bräuchen vermischt hat. Die Kleidung ist bunt und den Anforderungen des Lebens in großen Höhen angepasst. Feiertage und religiöse Feste werden mit Tänzen und Feiern begangen. Siehe Indianer; lateinamerikanische Literatur; lateinamerikanische Musik. Verwaltung und Politik Bolivien ist nach der 1947 verfassten und mehrfach geänderten Verfassung eine Präsidialrepublik. Exekutive Die exekutive Gewalt liegt in den Händen des Präsidenten (Staatsoberhaupt) und des Vizepräsidenten, welche alle vier Jahre durch direkte Wahl gewählt werden. Wahlberechtigt sind verheiratete Bürger ab 18 Jahren und ledige Bürger über 21 Jahren. Weder der Präsident noch der Vizepräsident können für die unmittelbar anschließende Legislaturperiode wieder gewählt werden. Der Präsident bildet das Kabinett und kann bei Bedarf per Dekret regieren. Legislative Das Parlament ist ein Zweikammersystem, das sich aus dem Senat mit 27 Abgeordneten (drei aus jedem Regierungsbezirk oder Departamento) und einem Abgeordnetenhaus mit 130 Mitgliedern zusammensetzt. Beide werden auf vier Jahre gewählt. Judikative Die Rechtsprechung wird vom Obersten Gerichtshof in Sucre und durch die Distriktgerichte sowie Gerichte auf örtlicher Ebene ausgeübt. Der Oberste Gerichtshof besteht aus 12 Mitgliedern, die vom Parlament auf zehn Jahre gewählt werden. Kommunalverwaltung Bolivien ist in neun Verwaltungsbezirke (Departamentos) untergliedert, die von Präfekten (vom Päsidenten ernannt) verwaltet werden. Die einzelnen Verwaltungsbezirke sind: Santa Cruz, El Beni, Tarija, Potosi, La Paz, Chuquisaca, Pando, Cochabamba und Oruro. Jedes Departamento ist wiederum in Provinzen unterteilt, deren Verwaltung einem vom Präsidenten ernannten Unterpräfekten übertragen wird. Wichtige Städte haben einen direkt gewählten Stadtrat. Politik 4 Nach der Wahl vom 6. Juni 1993 sind die Nationalistische Revolutionsbewegung (MNR) und die Patriotische Übereinstimmung (AP) die stärksten Parteien Boliviens. Verteidigung Es besteht ein allgemeiner Wehrdienst, doch wird in der Praxis nur ein kleiner Prozentsatz der registrierten Wehrpflichtigen einberufen. Die Streitkräfte haben eine Stärke von 33 500 Mann. Wirtschaft Bolivien gehört trotz seines Reichtums an Bodenschätzen zu den am wenigsten entwickelten Ländern Südamerikas. Obwohl die größten Bergbauunternehmen in den fünfziger Jahren verstaatlicht wurden, hat die bolivianische Regierung die Entwicklung der privaten Industrie und Investitionen ausländischen Kapitals aktiv gefördert. Land- und Forstwirtschaft, Fischerei In der Landwirtschaft sind etwa die Hälfte der Erwerbstätigen des Landes beschäftigt, die 23 Prozent des Bruttosozialprodukts erwirtschaften. Die geringe Produktivität dieses Sektors ist auf veraltete Bewirtschaftungsmethoden, extreme Witterungsbedingungen und Bodenerosion sowie eine unzureichende Verkehrserschließung zurückzuführen. Obwohl Bolivien heute seinen Bedarf an den traditionellen Nahrungsmitteln (Kartoffeln, Maniok und Getreide) ohne fremde Hilfe decken kann, ist es immer noch auf die Einfuhr bestimmter Lebensmittel angewiesen. Die wichtigsten bolivianischen Agrarprodukte sind Kartoffeln, Zuckerrohr, Baumwolle, Kaffee, Mais, Reis und Weizen. Ein Großteil des landwirtschaftlichen Ertrags entstammt dem Anbau und der Verarbeitung des Kokastrauches. Die Fischerei ist ein relativ unbedeutender Wirtschaftszweig des Binnenlandes Bolivien. Die unzureichende Verkehrserschließung behindert die forstwirtschaftliche Nutzung der bolivianischen Wälder, die hauptsächlich im Osten über die Hälfte des Landes bedecken und reich an Edelhölzern sind. Bergbau Bolivien verfügt über reiche Erzvorkommen. In den zahlreichen Erzlagerstätten werden Zinn, Blei, Silber, Kupfer, Antimon, Zink, Schwefel, Wismut, Gold und Wolfram abgebaut. Der Bergbau, wichtigster Devisenbringer Boliviens, erlitt Ende der achtziger Jahre durch den Preisverfall an den Weltmärkten und die Erschöpfung der Minen einen Einbruch. Bolivien zählt weltweit zu den größten Zinn-, Wismut- und Antimonproduzenten. 1952 wurden die drei größten Zinnminen verstaatlicht und zur Corporación Minera de Bolivia (COMIBOL) zusammengefasst. Der Großteil der Zinnminen befindet 5 sich im Umland von Oruro. Die Öl- und Erdgasförderung gewann Anfang der siebziger Jahre an Bedeutung. Seit Ende der achtziger Jahre war Bolivien von der Einfuhr ausländischer Mineralölprodukte nahezu unabhängig. Industrie und Handel Das verarbeitende Gewerbe erwirtschaftet ungefähr 30 Prozent des Bruttosozialprodukts und beschäftigt 13 Prozent der Erwerbstätigen. Die wichtigsten Industriebetriebe sind im Ernährungs- und Textilgewerbe sowie in der Holzverarbeitung angesiedelt. Mehr als zwei Drittel der Industriebetriebe befinden sich in La Paz, dem wichtigsten Industriestandort. Etwa 53 Prozent der Exporteinnahmen entfallen auf den Verkauf von Erzen, 18 Prozent auf den Export von Erdöl und Erdgas. Importgüter sind Kapitalgüter, Konsumgüter und Zwischenprodukte. Die Handelsbilanz ist negativ Die wichtigsten Handelspartner Boliviens sind USA, Argentinien, Frankreich, Chile und Brasilien. Währung und Bankwesen Die Landeswährung ist der Boliviano (= 100 Centavos). Die Banco Central de Bolivia ist die alleinige Notenbank des Landes. Mehrere staatliche Banken zur Förderung kleiner Bergbaugesellschaften und landwirtschaftlicher Betriebe vergeben an diese Kredite. Ausländische und inländische Privatbanken operieren ebenfalls im Land. Verkehrswesen Bolivien verfügt über ein Eisenbahnnetz von etwa 3 700 Kilometer Länge, welches das Binnenland mit den Häfen am Atlantik und Pazifik verbindet. Die Hauptlinie führt von La Paz zu dem freien Handelshafen Antofagasta in Chile. Das Straßennetz umfasst etwa 40 990 Kilometer und beschränkt sich vor allem auf das Hochland und östliche Tiefland. Nur wenige Straßen sind asphaltiert, viele sind nur während der Trockenzeit befahrbar. Die Luftfahrtgesellschaft, Lloyd Aéreo Boliviano, unterhält einen regelmäßigen Flugverkehr zwischen den wichtigsten Landesstädten, den übrigen lateinamerikanischen Ländern und den Vereinigten Staaten. Die Wasserwege sind auf etwa 14 000 Kilometern schiffbar. Gewerkschaften Fast alle Arbeitnehmer, die nicht in landwirtschaftlichen Betrieben arbeiten, sind in den Gewerkschaften des COB (Central Obrera Boliviana: Bolivianische Arbeiterzentrale), dem zentralen Gewerkschaftsbund, organisiert. Nach der Revolution von 1952 wurde eine Gewerkschaft der Bauern gegründet. 6 Geschichte Archäologische Funde lassen darauf schließen, dass in den bolivianischen Anden vor etwa 21 000 Jahren die ersten Siedlungen gegründet wurden. In der vorkolonialen Zeit erreichte die kulturelle Entwicklung des Landes zwei Höhepunkte: Zwischen 600 und 1200 n. Chr. entstand im zentralen Andenland um den Titicacasee die Tiahuanacokultur, die später durch die Ausdehnung des Inkareiches im Gebiet des heutigen Boliviens überlagert wurde. An diese frühen Kulturen erinnern viele ihrer Gebäude sowie die Sprache der einheimischen Aimarás und Ketschuas. 1538 eroberten Spanier unter Francisco Pizarro das Hochland, nachdem das Inkareich zerstört worden war. In den folgenden Jahren gründeten die Spanier die Städte La Plata-Charcas (heute Sucre), Potosí, La Paz und Cochabamba und eröffneten eine Vielzahl von Silberminen, in denen die einheimische Bevölkerung zu Arbeitsdiensten gezwungen wurde. Über einen Zeitraum von etwa 200 Jahren war diese Region, Audiencia de Charcas genannt, eine der wohlhabendsten und am dichtesten besiedelten Kolonien Spaniens. Insbesondere Potosi war im 16. und 17. Jahrhundert eine der volkreichsten Siedlungen Amerikas. Soziale und wirtschaftliche Konflikte führten um 1809 zu Unruhen, die den Unabhängigkeitskrieg auslösten. Am 6. August 1825 wurde die Unabhängigkeit von Spanien ausgerufen und dem Land nach dem südamerikanischen Revolutionsführer Simón Bolívar der Name Bolivien gegeben. Die nach Bolívar entworfene Verfassung von 1826 räumte dem auf Lebenszeit gewählten Präsidenten höchste Regierungsgewalt und die Benennung von Nachfolgern ein. Seit seiner Unabhängigkeit befindet sich Bolivien fast ohne Unterbrechung in einem bürgerkriegsähnlichen Zustand. Der erste Präsident, General Antonio José de Sucre, wurde nach nur zweijähriger Amtszeit des Landes verwiesen. In den folgenden 50 Jahren kehrte in Bolivien nur für kurze Zeit und in unregelmäßigen Abständen politisch Ruhe ein. Bolivien ging von 1836 bis 1839 mit Peru eine Union ein, die durch eine Invasion Chiles beendet wurde und die Unruhe im Land verstärkte. Es folgten kurze Kriege und Auseinandersetzungen mit Peru und Chile. Grenzstreit Durch die Verträge von 1866 und 1874 über die Atacamawüste mit ihren reichen Salpeterlagern wurde der 24. Breitengrad als Grenze zwischen Chile und Bolivien bestimmt. Zusätzlich wurden an Chile verschiedene Zolleinnahmen und Minenkonzessionen in der 7 bolivianischen Atacama übertragen. 1879 kam es zum Salpeterkrieg (Pazifischen Krieg) zwischen Chile und Bolivien sowie dessen Bündnispartner Peru um die Salpetervorkommen im Grenzgebiet der Atacama. Bolivien erlitt eine Niederlage und musste die Küstenprovinz Antofagasta an Chile abtreten, wodurch es seinen einzigen Zugang zum Pazifischen Ozean verlor. Durch einen im Dezember 1904 ratifizierten Vertrag fiel das umstrittene Gebiet an Chile, gewährte Bolivien jedoch freien Zugang zum Meer. Gebietsstreitigkeiten mit Brasilien wurden 1903 mit der Abtretung des 180 000 Quadratkilometer großen, kautschukreichen Acregebiets gegen eine Abfindung beigelegt. Der Drang nach einem Zugang zum Meer führte zu Grenzstreitigkeiten zwischen Paraguay und Bolivien um den Chaco Boreal, einer Region nördlich des Rio Pilcomayo und westlich des Rio Paraguay. Im Juli 1932 kam es zum Ausbruch des Chacokrieges, der im Juli 1938 mit der Unterzeichnung eines Friedensvertrags endete. Bolivien musste das Chaco-Boreal-Gebiet an Paraguay abtreten, gewann jedoch einen schmalen Zugang zum Paraguay, der in den Atlantik fließt. Seit der Gründung der Vereinten Nationen (1945) hat Bolivien die Generalversammlung dazu aufgerufen, seine Petition auf die Rückerstattung eines Hafens am Pazifik anzunehmen. Chile, das sich den Bemühungen Boliviens widersetzte, erklärte 1953 Arica alternativ zum freien Hafen und garantierte Bolivien besondere Zölle und Lagerstätten. Politische Instabilität Die Jahre nach 1930 waren durch weitere innere Konflikte gekennzeichnet. 1930 wurde Präsident Hernando Siles, der zwei Jahre ohne die Einberufung des Nationalkongresses regiert hatte, durch eine Revolution gestürzt. Daniel Salamanca, 1931 zum Präsidenten gewählt, wurde 1934 unter Vizepräsident Tejada Sorzano entmachtet, der wiederum von einer Militärjunta unter Oberst David Toro aus dem Land vertrieben wurde. Unter der Herrschaft Toros erholte sich Bolivien von dem durch die Weltwirtschaftskrise und den Chacokrieg bedingten wirtschaftlichen Niedergang. Toro wurde 1937 durch einen Staatsstreich von Oberstleutnant Germán Busch Becerra, dem Vorsitzenden des Generalstabes, des Landes verwiesen. 1938 wurde während der zweiten Legislaturperiode Busch Becerras eine neue Verfassung verabschiedet. Busch Becerra wurde 1939 nach einem angeblichen Selbstmord erschossen aufgefunden. General Carlos Quintanilla, der anschließend die Präsidentschaft übernahm, setzte die Verfassung von 1938 wieder in Kraft und übergab der Armee bis zur Durchführung der Wahlen die Kontrolle. 8 1940 wurde General Enrique Peñaranda zum Präsidenten gewählt und erklärte den Achsenmächten am 7. April 1943 den Krieg. Im Dezember 1943 wurde Peñaranda durch einen Coup der Nationalistischen Revolutionsbewegung (Movimiento Nacionalista Revolucionario, oder MNR), einer reformistischen Partei, die mit den Achsenmächten sympathisierte, gestürzt. Die neue Regierung unter Oberstleutnant Gualberto Villarroel war jedoch gezwungen, zu den Alliierten gute Beziehungen zu unterhalten. Villarroel regierte ein totalitäres Regime, bis er im Juli 1946 gestürzt und ermordet wurde. Die Regierung sah sich ständig mit rechten und linken oppositionellen Kräften konfrontiert. Nach der Aufdeckung einer kommunistischen Verschwörung wurde die kommunistische Partei Anfang 1950 verboten. Das Regime Paz Estenssoro Im Mai 1951 gewann der im Exil lebende MNR-Führer Víctor Paz Estenssoro bei den Präsidentschaftswahlen fast die Hälfte der Stimmen. Die Amtseinführung von Paz Estenssoro wurde durch einen Militärputsch unter dem amtierenden Präsidenten Harriaque Urriolagoitia verhindert. General Hugo Ballivián wurde zum Präsidenten ernannt. Im April 1952 führte ein von der MNR geführter Umsturz zum Erfolg. Paz Estenssoro kehrte aus dem Exil zurück, um die Präsidentschaft zu übernehmen. Unter seiner Führung verabschiedete die Regierung ein arbeitnehmerfreundliches, antikommunistisches Programm. Die wichtigsten Bestandteile dieses Programms waren die Verstaatlichung der ausländischen Zinnminen, die Neuverteilung des enteigneten Landes, die Umstrukturierung der Wirtschaft, und die Ausweitung des Wahlrechtes auf die Hochlandindianer, wodurch diese zu einer der wichtigsten politischen Wählerschaften wurden. Während der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre litt die Wirtschaft Boliviens unter dem stetigen Fall der Zinnpreise, dem Produktionsrückgang in Landwirtschaft und Bergbau sowie der Inflation. Die Bemühungen der Regierung, die Anzahl der Minenarbeiter zu reduzieren und die Gehälter einzufrieren traf auf den Widerstand der Gewerkschaften. 1956 gewann Vizepräsident Hernán Siles Zuazo als Kandidat der MNR die Wahlen und setzte die Politik seines Vorgängers fort. Auch während der zweiten Amtsperiode von Paz Estenssoro, die 1960 begann, weiteten sich die sozialen Konflikte aufgrund der wirtschaftlichen Rezession aus und linksradikale Kräfte gewannen Zulauf. Nach der Wiederwahl von Paz Estenssoro (1964) wandten sich viele seiner einstigen Anhänger von ihm ab und beschuldigten die MNR, bei der Lösung der wirtschaftlichen Probleme Boliviens versagt zu haben. Im November 1964 wurde seine Regierung nach erneuten 9 Unruhen von einer Militärregierung unter der Führung des ehemaligen Vizepräsidenten, Generalleutnant René Barrientos Ortuño, abgelöst. Militärregierung In den nächsten zwei Jahren führte die Regierung gemäßigte Wirtschaftsreformen durch, darunter die Wiedereröffnung der Zinnindustrie für private und ausländische Investitionen. Als Präsident zerschlug Barrientos Ortuño 1967 eine regierungsfeindliche Guerillabewegung. Che Guevara, der Berater des kubanischen Premiers Fidel Castro, wurde bei dieser Begegnung gefangen genommen und unmittelbar danach hingerichtet. Barrientos Ortuño kam im April 1969 bei einem Hubschrauberunglück ums Leben. Nach seinem Tod folgten eine Reihe kurzlebiger Regierungen, die meist von Militärs geführt wurden. General Juan José Torres Gonzáles wurde im August 1971 von Oberst Hugo Banzer Suárez entmachtet. Banzer Suárez schlug zunächst einen gemäßigten Kurs in Anlehnung an den MNR ein, entwickelte jedoch zunehmend diktatorische Mittel. 1978 wurde er gestürzt, doch lösten die Wahlen von 1979 und 1980 erneut Militärputsche aus. Bolivien war durch das Fehlmanagement der unterschiedlichen Militärregierungen sowie durch zurückgehende Exporteinnahmen hoch verschuldet. Der illegale Export von Kokain war die Hauptdevisenquelle. Im Oktober 1982 wählte das Parlament Hernán Siles Zuazo zum Präsidenten, der bei seinen Versuchen, die wirtschaftlichen Probleme des Landes zu lösen, ebenfalls scheiterte. Bei den Wahlen von 1985 siegte Victor Paz Estenssoro. Seine streng durchgeführten Sparmaßnahmen stießen auf Widerstand in der Bevölkerung und lösten einen Generalstreik aus. Im Mai 1989 ging Jaime Paz Zamora als Sieger aus den Wahlen hervor. Die nächsten Präsidentschaftswahlen im Juni 1993 gewann der Minenunternehmer Gonzalo Sanchez de Lozada. Die Parlamentswahlen, die im gleichen Jahr abgehalten wurden, brachten die rechtsgerichtete MNR wieder an die Macht und verdrängten die linke Koalition. Lozada, vor seiner Wahl Planungsminister, beaufsichtigte die Einführung harter Wirtschaftsreformen, zu denen die umfassende Privatisierung staatlicher Betriebe, Kürzungen bei der Sozialhilfe und bei Erziehungsprogrammen sowie die Schließung vieler Minen zählen. Die strikte Kontrolle der Regierungsausgaben hat dazu beigetragen, die Inflation von 220 Prozent im Jahr 1985 bis auf 6,5 Prozent (1995) zu senken. Die Sozialausgaben sind jedoch sehr hoch, die Kindersterblichkeitsrate ist angestiegen und die Kluft zwischen Reichen und Armen hat sich weiter vergrößert. Im September 1996 kam es zu landesweiten Protesten der Kokabauern. Die 10 Regierung will die Kokaplantagen zerstören und die Landwirte zum Anbau anderer Produkte bewegen. 11