Universität Hamburg Fachbereich Mathematik Arbeitsbereich Stochastik Prof. Dr. Daduna Proseminararbeit „Konvexe Ordnungen“ Textgrundlage: A. Müller und D. Stoyan (2002). „Comparision methods for stochastik models and risks“ John Wiley & Sons Inc., New York. Seite 15 - 23 Nils Echterling Physik Diplom 1. Fachsemester Wolfshagen 7 20535 Hamburg Tel.: +49-(0)40 48 40 63 48 1 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 2 Einführung in konvexe Mengen und Funktionen 3 Definition der konvexen Ordnungen 4 Sätze über konvexe Ordnungen 5 Die integrierte Überlebensfunktion 6 Sätze über konvexe Ordnungen mit Hilfe der integrierten Überlebensfunktion Literaturverzeichnis 2 1 Einleitung Konvexe Ordnungen Im Gegensatz zu der stochastischen Standardordnung, der Hazard Rate Ordnung und der Likelihood Ordnung, liefern konvexe Ordnungen auch Aussagen über die Varianz zweier Verteilungen. Aus der Tatsache, dass eine Zufallsvariable konvex kleiner als eine andere ist, folgt, wie wir später sehen werden, sofort, dass die eine eine kleinere Varianz besitzt. Da konvexe Ordnungen auf konvexen Funktionen basieren, gehe ich zunächst kurz auf konvexe Mengen und Funktionen ein. Anschliessend werden die konvexen Ordnungsrelationen definiert und einige Sätze beweisen. Im weiteren Verlauf wende ich mich der „integrierten Überlebensfunktion“ zu und beweise einige mit ihr zusammenhängende Sätze. Dabei wird klar, dass sich nicht nur konvexe Ordnungen, sondern auch die stochastische Standardordnung mit Hilfe von integrierten Überlebensfunktionen charakterisieren lässt. Im folgenden wirds stets unterstellt, dass die Erwartungswerte der behandelten Zufallsvariablen endlich sind. 3 2 Einleitung in konvexe Mengen und Funktionen Konvexe Ordnungen basieren auf konvexen Funktionen. Daher ist eine kurze Einführung nötig. Das „Teubner-Taschenbuch der Mathematik“ Teil 1 schreibt über konvexe Funktionen auf seite 276: „Konvexität stellt die einfachste Form der Nichtlinearität dar.“ Definition: Konvexe Menge: Eine Menge M eines linearen Raumes heisst genau dann konvex, wenn gilt: x, y M 0,1 : x 1 y M Bemerkung: Anschaulich bedeutet dies, dass zwei Punkte der konvexen Menge M sich stets so mit einer Geraden verbinden lassen, dass diese Verbindungsgerade ebenfalls komplett in M liegt. Definition: Konvexe Funktionen: Eine Funktion f : M heisst genau dann konvex, wenn die Menge M konvex ist und zudem gilt: x, y M , 0,1 : f x 1 y f x 1 f y Bemerkung: Für lineare Funktionen gilt diese Ungleichung mit Gleichheit. Bemerkung: Anschaulich bedeutet die Konvexität einer Funktion, dass ihre Sekante für alle Punkte stets oberhalb ihres Graphen liegt. Definition: Eine Funktion f : M heisst genau dann konkav, wenn f konvex ist. Einige Eigenschaften von konvexen Funktionen (ohne Beweis): Sei J ein offenes Intervall, dan gelten für f : J folgende Aussagen: i) Ist f konvex, dann ist f auf J stetig. ii) Ist f konvex, dann existiert in jedem Punkt x J die rechtsseitige Ableitung f x und die linksseitige Ableitung f x . iii) iv) x J : f x f x Existiert die erste Ableitung f auf J , dann gilt: f ist konvex auf J f ist monoton steigend auf J . Existiert die zweite Ableitung f auf J , dann gilt: f x 0 f ist konvex auf J 4 3 Definition der konvexen Ordnungen Definition 1.5.1. Seien X , Y Zufallsvariablen mit endlichen Erwartungswerten. i) ii) iii) X cx Y : Ef X Ef Y für alle konvexen Funktionen f , so dass die Erwartungswerte existieren. Man sagt: X kleiner als Y gemäss der konvexen Ordnung. X icx Y : Ef X Ef Y für alle monoton steigenden, konvexen Funktionen f , so dass die Erwartungswerte existieren. Man sagt: X kleiner als Y gemäss der steigenden konvexen Ordnung. X icv Y : Ef X Ef Y für alle monoton steigenden, konkaven Funktionen f , so dass die Erwartungswerte existieren. Man sagt: X kleiner als Y gemäss der steigenden konkaven Ordnung. Folgerung: X icx Y Y icv X Somit ist es ausreichend sämtliche folgende Sätze für die steigend konvexe Ordnung zu formulieren. Die entsprechenden Sätze für die steigend konkave Ordnung folgen direkt. Bemerkung: In Satz 1.2.8. hatten wir eine Charakterisierung der stochastischen Standardordnung kennengelernt. Es gilt: X st Y Ef x Ef Y für alle monoton steigenden Funktionen f , so dass die Erwartungswerte existieren. Vorausgesetzt die Ableitung von f existiert, hat man mit der Definition der konvexen Ordnung eine ganz ähnliche Bedingung. Hier wird lediglich die steigende Monotonie nicht für f , sondern für f verlangt. Folgerung: Wenn die Erwartungswerte existieren, folgt aus der oben erwähnten Charakterisierung, dass die stochastische Standardordnung die steigend konvexe Ordnung impliziert. Denn aus Ef X Ef Y für alle monoton steigenden Funktionen f , folgt insbesondere Ef X Ef Y für alle konvexen und monotonen steigenden Funktionen f . Somit gilt: X st Y X icx Y 5 4 Sätze über konvexe Ordnungen Satz 1.5.3. Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der konvexen Ordnung und der steigenden konvexen Ordnung. Es sind äquivalent: i) X cx Y ii) X icx Y und EX EY Beweis: i) ii) Da X cx Y Ef X Ef Y für alle konvexen Funktionen f , gilt dies insbesondere für die steigend konvexen Funktionen f . Somit folgt: X icx Y . Aus X cx Y folgt insbesondere: Ef X Ef Y für f x x und f x x . Somit gilt: EX EY und zudem EX EY und damit: EX EY . ii) i) Die Rückrichtung ist etwas komplizierter. Sei f eine beliebige konvexe Funktion und insbesondere nicht notwendig monoton steigend. Des weiteren gebe es ein , so dass Bedingung 1.5.1. gilt: (1.5.1.) g : x f x x ist monoton steigend. Der Fall, dass ein solches nicht existiert, wird später auf den Fall, dass es existiert zurückgeführt. Da g nach Annahme monoton steigend ist, gilt somit: Eg X Eg Y . Dass g auch konvex ist, folgt aus der Tatsache, dass es aus der Summe zweier konvexer Funktionen zusammengesetzt ist. Es gilt für den Fall, dass Bedingung 1.5.1. erfüllt ist, also: Ef X E X Ef Y E Y EW linear Ef X E X Ef Y E Y EX=EY Ef X Ef Y Def. X cx Y 6 Für den Fall, dass kein existiert, so dass Bedungung 1.5.1. erfüllt ist, konstruiere die Funktionenfolge: für x n f x fn x f n f n x n sonst Dabei ist f die rechtsseitige Ableitung von f . Diese existiert, da f nach Voraussetzung konvex ist. Die Funktionenfolge f n konvergiert mit steigendem n punktweise gegen f , wie man leicht sieht, wenn man sich eine beliebige Stelle x festhält und dann n erhöht, bis n kleiner x ist. Jedes Glied dieser Funktionenfolge erfüllt Bedingung 1.5.1., denn für f n folgt: für x n fn x x gn : x f n n f n x n x sonst also f x f n x für x n n gn : x f n n f n x n f n x sonst und f x f n x für x n gn : x n sonst f n n f n n In allen Fällen in denen kein existiert mit dem Bedingung 1.5.1. erfüllt ist, ist f n für ausreichend grosses n negativ. Sollte die Steigung von f n x für x n negativ sein, dann hat sie dort eine grössere Steigung als f n x , weil f n konvex ist. Damit ist f n x f n x für x n monoton steigend. Damit ist g n konvex und monoton steigend für beliebiges n . Da f n gegen f konvergiert, und f n Bedingung 1.5.1. erfüllt, gilt: Ef X Ef Y auch für die f , die Bedingung 1.5.1. nicht erfüllen mit Hilfe des Satzes über die monotone Konvergenz. Also gilt Ef X Ef Y für alle konvexen Funktionen f und somit: X cx Y . 7 Folgerung 1.5.4. n n a) Aus X cx Y folgt EX n EY n und E X EX E Y EY für n 2, 4, 6... . b) Wenn X und Y nicht-negative Zufallsvariablen sind, dann gilt: EX n EY n für alle n . Beweis: a) f : x x n ist für n 2, 4, 6... eine konvexe Funktion. Somit gilt: EX n EY n per Definition. n f : x x a ist für n 2, 4, 6... und a EX EY ebenfalls eine konvexe Funktion. Also gilt auch hier: n n E X EX E Y EY b) Für nicht-negative Zufallsvariablen X , Y ist f : x x n für alle n konvexe Funktion. Somit gilt dann auch EX n EY n für alle n . eine Satz 1.5.5. a) Sei X cx Y und Z stochastisch unabhängig von X und Y . Dann gilt: X Z cx Y Z . b) Sei X icx Y und Z stochastisch unabhängig von X und Y . Dann gilt: X Z icx Y Z . Beweis: a) Sei f eine beliebige konvexe Funktion. Seien g z : Ef X z und h z : Ef Y z Funktionen in z . f x z ist eine Aus der Voraussetzung, dass f konvex ist, folgt: f : x Funktion in x und konvex für alle z . Aus X cx Y folgt dann g z h z für alle z . Also gilt: Ef X Z Eg Z Eh Z Ef Y Z . b) Durch Voraussetzen einer monoton steigenden konvexen Funktion f lässt sich der Beweis von a) auf b) übertragen. 8 5 Die integrierte Überlebensfunktion Definition: Im weiteren Verlauf wird eine besondere Klasse von Funktionen von Bedeutung sein. Die Funktionen der Form t x : x t : max x t ,0 bezeichnet man als wedge functions. Sie sind eine Teilmenge aller konvexen Funktionen. Bemerkung: Die wedge functions sind monoton steigend und konvex. Definition: Die Funktion X t : Et X E X t , t nennt man die integrierte Überlebensfunktion. Diese Funktion ist von essentieller Bedeutung im weiteren Verlauf des Proseminars und darüber hinaus. Die integrierte Überlebensfunktion ist auch unter dem Namen stop-loss transform bekannt. Mehr dazu in der Textgrundlage auf Seiten 278ff. Der folgende Satz zeigt, dass es genügt die Definition der steigenden konvexen Ordnung auf die Teilmenge der wedge functions anzuwenden, um zu überprüfen, ob zwei Verteilungen zueinander in einer steigenden konvexen Ordnung stehen. Satz 1.5.7. Es sind gleichbedeutend: X icx Y i) ii) Et X Et Y für alle t . Beweis: Die Hinrichtung ist trivial, denn aus der Definition der steigenden konvexen Ordnung folgt ja gerade, dass Ef X Ef Y für alle steigenden, konvexen Funktionen gilt. Die Rückrichtung kann man durch eine Fallunterscheidung zeigen. Sei f eine beliebige monoton steigende konvexe Funktion. Erste Fall ist: lim f t 0 und wird hier nicht bewiesen. t Der zweite Fall ist lim f t . Dieser Fall kann auf den ersten zurückgeführt t werden, indem man die Funktion f betrachtet. Der dritte Fall schliesslich ist lim f t . In diesem Fall erfüllt t f n x max f x , n die Annahme vom zweiten Fall und konvergiert monoton gegen f . Der Rest folgt aus dem Satz über die monotone Konvergenz. 9 6 Sätze über konvexe Ordnungen mit Hilfe der integrierten Überlebensfunktion. Satz: Es ist: X t Et X E X t FX z dz t Beispiel: Die steigend konvexe Ordnung ist nicht abgeschlossen bezüglich der schwachen Konvergenz. 1 Sei P X n 1 : 1 für alle n und P Yn n : 1 P Yn 0 : . n X n und Yn konvergieren nach Verteilung. X und Y seien verteilt gemäss der jeweiligen Grenzwerte. Dann gilt: P X 1 P Y 0 1. Zudem lässt sich zeigen: X n icx Yn : Es gelten für beliebiges konvexes f : f 1 f 1 P X 1 f x P X x Ef X x und auch: 1 1 1 Konvexität von f 1 f 1 f n 1 0 f 0 1 f n f y PY y Ef Y n n n y n Aus f 1 f 1 folgt also insbesondere Ef X Ef Y und somit X n cx Yn und auch X n icx Yn für alle n . X icx Y ist jedoch falsch! Es ist, im Gegenteil, X icx Y . Die genauere Untersuchung dieses Beispiels lässt vermuten, dass der Grund für die Nicht-Abgeschlossenheit der steigend konvexen Ordnung bezüglich der schwachen Konvergenz in der Tatsache liegt, dass Yn zwar nach Verteilung gegen Y konvergiert, aber die Erwartungswerte EYn gegen 1 und nicht gegen EY 0 konvergieren. Es lässt sich unter einer weiteren Einschränkung also ein Satz über die Abgeschlossenheit der steigend konvexen Ordnung bezüglich der schwachen Konvergenz angeben. 10 Satz 1.5.9. Seien X n und Yn Folgen von Zufallsvariablen mit X n icx Yn für alle n . Gelte zudem E X n EX und E Yn EY . Dann folgt aus X n X und Yn Y : X icx Y . Satz 1.5.10. a) Sei X eine reelle Zufallsvariable mit endlichem Erwartungswert und X die zugehörige integrierte Überlebensfunktion. Dann gelten: i) ii) X ist fallend und konvex. lim X t 0 und lim X t t EX . t t b) Zu jeder beliebigen Funktion , die die obigen Bedingungen i) und ii) erfüllt, gibt es eine Zufallsvariable X , so dass die integrierte Überlebensfunktion von X ist. Die Verteilungsfunktion von X ist gegeben durch FX t 1 t . Dabei ist die rechtsseitige Ableitung von . Beweis: X t E X t ist offensichtlich monoton fallend. Da F x monoton fallend ist, ist X t FX x dx konvex. Damit ist i) gezeigt. t Es gelten: lim X t lim E max X t ,0 0 und t t lim X t t lim E max X t ,0 t lim E max X , t EX t t t Damit ist a) gezeigt. Da konvex ist, existiert die rechtsseitige Ableitung, welche zudem rechtsseitig stetig und monoton steigend ist. Aus lim X t 0 folgt unmittelbar lim t 0 . t t Da der Grenzwert lim X t t existiert und endlich ist, muss lim t 1 sein. t t Also ist 1 eine Verteilungsfunktion und die zugehörige integrierte Überlebensfunktion. Damit ist b) gezeigt. 11 Satz 1.5.13. Seien X und Y beliebige relle Zufallsvariablen. a) X st Y ist gleichbedeutend mit t Y t X t ist monoton fallend. b) X icx Y ist gleichbedeutend mit X t Y t für alle t . c) X cx Y ist gleichbedeutend mit X t Y t für alle t , wenn zudem gilt: lim Y t X t 0 . t Beweis: a) Es ist: X st Y FY x FX x FY x FX x 0 FX x FY x 0 und zudem gilt: t t t t Y t X t FY x dx FX x dx FY x FX x dx FX x FY x dx Da der Integrand FX x FY x kleiner als 0 ist, ist Y t X t monoton fallend. Genauso die Rückrichtung. b) Dies ist genau die Aussage von Satz 1.5.7. und wird hier nur der Vollständigkeit halber nochmal angeführt. c) Unter zu Hilfenahme von Satz 1.5.3. bleibt zu zeigen: lim Y t X t 0 EX EY t Dies ist einfach zu zeigen mit Hilfe von Satz 1.5.10.a)ii) 0 lim Y t X t lim Y t t lim X t t EY EX EX EY t t t Genauso die Rückrichtung. 12 Satz 1.5.14. Seien X und Y Zufallsvariablen mit X icx Y . Dann gibt es eine Zufallsvariable Z mit X st Z cx Y . Beweis: Sei Z t : max X t , EY t . Im ersten Schritt wird mit Hilfe von Satz 1.5.10.a) gezeigt, dass dies eine integrierte Überlebensfunktion ist. i) Da Z das Maximum einer konvexen und einer linearen Funktion ist, ist Z ebenfalls konvex. Zudem ist es monoton fallend und es gilt: lim Z t 0 , weil t lim X t 0 aus Satz 1.5.10.a)ii) folgt und lim EY t ist. t Somit bleibt zu zeigen: lim Z t t EZ . t t lim Z t t t 1.5.10.a)ii) ii) Def. von Z lim max X t , EY t t lim max X t t , EY t max lim X t t , lim Y t t t t t lim Y t t EZ 1.5.13.b) t Also folgt: EY EZ . Somit ist Z nach Satz 1.5.10.a) eine integrierte Überlebensfunktion von der Zufallsvariablen Z . Im zweiten Schritt wird die erste Ungleichung gezeigt. Es gilt: Z t X t Def. von Z max X t , EY t X t Def. von X EY E X t EY E max X , t EY X t t Def. von max t EY t t X Def. von max EY max E X t , 0 t Somit ist t iii) Z t X t monoton fallend und Satz 1.5.13.a) impliziert X st Z . Im dritten Schritt wird schliesslich die zweite Ungleichung gezeigt. Wir wissen nach dem Beweis von 1.5.13.c), dass EY EZ lim Y t X t 0 . t Daher bleibt nach Satz 1.5.13.c) zu zeigen: Z t Y t . Jensen Es gilt: EY t EY t EY Et E Y t Y t Wegen X icx Y nach Voraussetzung und Satz 1.5.13.b) folgt damit: Z t max X t , EY t Y t . 13 Literaturverzeichnis A. Müller und D. Stoyan (2002). Comparision methods for stochastik models and risks. John Wiley & Sons Inc. New York. K. Behnen und G. Neuhaus (2003). Grundkurs Stochastik. PD-Verlag, Heidenau. W. Hackbusch, H. R. Schwarz, E. Zeidler (1996). Teubner – Tachenbuch der Mathematik Teil 1 B.G. Teubner Stuttgard Leibzig. 14