Prof. Dr. Dr. Stefan Grundmann BGB GK II SS 2007 Lehreinheiten Nr. 48 48. Lehreinheit: Die Nichtleistungskondiktion A. Nachrang zur Leistungskondiktion Gründe: Abwicklung, Einwendungen und Insolvenzrisiko im jeweiligen Vertragsverhältnis konzentrieren Inhalt: wo Leistungsbeziehung oder Leistungskondiktion besteht, kann der Schuldner derselben nicht Schuldner einer Nichtleistungskondiktio sein. Beispiele: aus dem Überweisungsrecht 1. KreditInstitut Fälschung: §§ 665, 669 Schuldner § 780 § 433 II Gläubiger In diesem Fall, wo (nur) die Anweisung im Verhältnis S – K unwirksam ist, bestehen keine Ansprüche aus Leistungskondiktion, so dass die Nichtleistungskondiktion nicht gesperrt ist (siehe 47. Lehreinheit zur Leistungskondiktion). 2. KI §§ 669, 665, Widerruf S § 780 § 433 II G S widerruft die Anweisung gegenüber K. K führt die Anweisung dennoch aus. S Leistungskondiktion G KI keine Leistungskondiktion G S KI § 812 I 1, 1. Alt BGB? die Leistung ist nicht ohne Rechtsgrund erfolgt! § 812 I 1, 2. Alt. BGB: Ist der Rechtsgrund nachträglich weggefallen? Nein. Der Rechtsgrund im Auftragsrecht entfällt nur dann, wenn die Aufwendung nicht getätigt wird, egal ob später eine andere Weisung erfolgt. -> Der Rechtsgrund fällt später dann nicht mehr weg, wenn die Aufwendung getätigt ist. Nichtleistungskondiktion: - nicht möglich gegen den Schuldner einer Leistungskondiktion oder einer bestehenden Leistungsbeziehung - Ausgeschlossen ist also hier eine Nichtleistungskondiktion zwischen KI und G (weil K an S geleistet hat). - Ausnahme: Wenn eine andere gesetzliche Wertung eingreift Z.B.: § 935 BGB (Jungbullen-Fall, BGZ 155, 176), näheres im Sachenrecht Ergebnis zu 2: S hat Kondiktionsanspruch gegen G, keine Kondiktionsansprüche in den anderen Rechtsverhältnissen (Sinn: G kann Einreden aus anderen Verträgen mit S diesem wirklich entgegenhalten). B. Tatbestandsmerkmale der Nichtleistungskondiktion Prof. Dr. Dr. Stefan Grundmann BGB GK II SS 2007 Lehreinheiten Nr. 48 I. etwas erlangt, vgl. Leistungskondiktion II. auf sonstige Weise = nicht auf Grund von einer Leistung (entweder liegt eine Bereicherung durch Leistung oder auf sonstige Weise vor, etwas anderes gibt es nicht) III. auf Kosten eines anderen (= des Anspruchstellers); es geht um den Zuweisungsgehalt eines Rechts: derjenige hat den Anspruch, in dessen Rechtsgüter eingegriffen wurde oder dann eine Position „zugewiesen“ ist. IV. ohne Rechtsgrund = ohne Behaltensgrund Behaltensgrund: § 937 BGB, Ersitzung § 946 BGB, Grundstückseigentümer wird Eigentümer von Aufbauten; beachte § 951 BGB (nicht bei § 937 BGB), wonach sich aus §§ 946 ff BGB kein Rechtsgrund ergibt, die Bereicherung muss herausgegeben werden. C. Fallgruppen I. Eingriffskondiktion Klassischer Fall: Diebstahl Bsp.: Herde des einen Bauern grast die Weide eines anderen Bauern ab. Bereicherung durch Bereicherungsschuldner II. Verwendungskondiktion Der Bereicherungsgläubiger entreichert sich freiwillig, indem er die Aufwendung macht, z.B. Streichen eines fremden Hauses Entreicherung durch Bereicherungsgläubiger Häufiges P: Schließt Sachenrecht (Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, §§ 997f. BGB) die Anwendbarkeit des Bereicherungsrechts aus? III. Rückgriffskondiktion Rückgriff für eine Erfüllungshandlung auf fremde Schuld Einige Sondernormen gehen vor. Bsp.: - Zwei deliktische Gläubiger -> § 840 I BGB -> § 426 BGB - § 268 III BGB § 433 II S G z.B: Pfandrecht § 268 III -> Dritter zahlt auf die Forderung und kann sie nun selbst gegen S geltend machen (Forderungsübergang). Dritter S § 433 II G Zahlt für S, § 267 I 2 Dritter (unbeschwert) Der Dritte hat einen Anspruch aus § 812 I 1 F.2 BGB (Rückgriffskondiktion) gegen S auf Zahlung des Kaufpreises (kein Forderungsübergang). Prof. Dr. Dr. Stefan Grundmann BGB GK II SS 2007 Lehreinheiten Nr. 48 D. Nichtleistungskondiktionen in Sondernormen (gehen dem allgemeinen Tatbestand aus § 812 I 1, 2. Alt. vor, daher vorher prüfen!) I. § 951 BGB Behandlung dieser Norm und der Konkurrenzprobleme im Sachenrecht. II. 1. 2. 3. 4. § 816 I 1 BGB Nichtberechtigter Verfügung über einen Gegenstand Wirksamkeit Rechtsfolge: Herausgabe des Erlangten (inkl. Gewinn, hM) Sonderform der Eingriffskondiktion III. 1. 2. 3. IV. § 816 II BGB Nichtberechtigter = anderer, als der Gläubiger (Dritter), es sei denn der Gläubiger genehmigt (§ 326 I und II BGB) Leistung bewirkt, Erfüllungshandlung Befreiung wirksam (vgl. z.B. § 370 BGB, bei Forderungen seltener der Fall als nach § 816 I 1 BGB bei Verfügungen über Sachen). § 816 I 2/ § 822 BGB Anspruch gegen einen Beschenkten Eigentümer1 Nichtberechtigter § 518 Eigentümer2 Anspruch des Eigentümer1 gegen Eigentümer2 aus § 816 I 2 BGB 1. 2. 3. Unentgeltliche Verfügung des Empfängers (Berechtigter). Fehlende Verpflichtung des Empfängers, weil nur das Erlangte (bei Verschenken = Nichts) herauszugeben ist. Hilfsweiser Anspruch Eigentümer1 gegen Eigentümer2. Eigentümer1 § 433 II (unwirksam) § 929 S. 1 Berechtigter § 518 Eigentümer2 Anspruch des Eigentümer1 gegen Eigentümer2 aus § 822 BGB. Voraussetzungen des § 822 BGB: 1. Unentgeltliche Verfügung des Empfängers (Berechtigter) 2. Fehlende Verpflichtung des Empfängers aufgrund dieser Verfügung, § 818 III 3. Hilfsweiser Anspruch Eigentümer1 gegen Eigentümer2. § 812 I 1, 1. Alt. gegen den Empfänger (berechtigt/nicht berechtigt) (-), wenn sich der Berechtigte auf §§ 818 III BGB berufen kann. Daher braucht es §§ 816 I 2, 822 BGB. Beachte: Hinter beiden Normen steht die Wertung, dass der unentgeltliche Erwerb weniger schützenswert ist als der entgeltliche!