Literaturgeschichte I Johann Sonnleitner 10.03.2009 Epochen allgemein Epochenbegriffe: über Problematik nachdenken woher kommen sie? Inwiefern helfen sie weiter? Inwiefern haben sie ihre Grenzen? Kulturelle Veränderungen: im Bereich der Mode, Unterhaltungsmusik einige Zeit lang ist das in, dann etw. anderes ähnlich in Literatur Jürgen Habermas Keine strikten Grenzen zw. Epochen Interessant, wenn man Autoren findet, die Epochen falsifizieren Naturalismus 1882(85: Deutschland)-… Gründung zweier Zeitschriften: München „Die Gesellschaft“, Berlin „Die kritischen Waffengänge“ (Konradi, Hardt (?)) – Formation einer neuen literarischen Strömung (Polemik zur Abgrenzung der literarischen Praxis: fast in allen Epochen) Nach Barock: deutsche Aufklärung (Kritik: Gottsched vom Spätbarock, Barock ist „schwulst“) Sturm und Drang: Abgrenzung gegen literarische Praxis der Aufklärung (zu sehr mit Herrschenden versöhnt), junge Autorengeneration (22-26): z.B. Goethe (Blütezeit Sturm und Drang 1774) Sturm und Drang Verdrängung: biographische Gründe Goethe reist nach Italien, wird moderater Klassiker (Minister in Weimar gefällt es nicht, dass Goethe Haschisch raucht); klassische Dämpfung; zuerst Lyrik: freie Rhythmen, dann Formen (z.B. Sonett); Dramatik: ungebundene Sprache wird abgelöst durch Blankvers Wann verschwindet dt. Klassik? „Schiller stirbt“ Um 1790: Romantiker Dreiecksverhältnis: Romantiker biedern sich beim einflussreichen Goethe an, polemisieren heftig gegen Spätaufklärer (im Sinne von Niklai (?)) Neue literarische Strömungen sind in Regel mit jungen Autoren verknüpft/von ihnen hervorgebracht Literarische Kritik am Bestehenden: spielt Rolle bei Übergang zu neuer literarischer Epoche Poetischer Realismus: Spätphase des poetischen Realismus und Naturalismus parallel (Naturalismus bringt poetischen Realismus nicht zum Verschwinden, sondern Übergang) Unterschiede: poetischer Realismus paradox, entweder ist Literatur realistisch oder poetisch („Die Steinklopfer“ – Ferdinand von Saar: Bau der Simmering-Bahn, Baustelle; ehemaliger kranker Militär kommt hin zum Steine klopfen, lernt unterdrückte Frau kennen, verliebt sich; leidet unter Ausbeutung des Stiefvaters; Streitereien zw. Männern, erschlägt Aufseher, kommt ins Gefängnis; aus Liebe wäre nichts geworden? Handlungslogik: deprimierend, trist; Figuren sterben bei Saar oft aus Kummer, Freitod) typisches Beispiel für poetischen Realismus; idyllisches Ende Militäroberst kümmert sich um armen Häftling, Prozess, kommt frei, kann Theresia heiraten, bekommt über Vermittlung Stelle eines Bahnwärters alles geht gut aus moderne Veränderungen in Gesellschaft: Industrialisierung, moderne Arbeitswelt (Arbeitermigration Ende 19. Jhdt.: außergewöhnlich) politisch gesehen: („bürgerlich“) z.B. „Gemeindekind“ - Ebner-Eschenbach: Erzählung zeigt allmählichen Aufstieg dieser aus Unterschicht kommenden Figur (Leser: Geschichte kann nicht gut ausgehen, aber am Ende doch) beide Erzählungen: in „Familienblättern“ politisch enthaltsames Bürgertum; „Realpolitik“: Bürgertum fügt sich in Machtverhältnisse nach 48: schwört politischen Tätigkeiten ab, zieht sich in NeoBiedermeier zurück; Freizeit wird mit Lektüre der Familienblätter bestritten Literatur: Reinhard Wittmann – „Geschichte des dt. Buchhandels“ Unterschied poet. Real. - Naturalismus: poetischer Realismus bürgerliche Beschwichtigungsliteratur unter dem Zeichen einer liberalen Anthropologie: („mehr privat, weniger Staat“) sozialer Aufstieg selbst aus schwierigsten Verhältnissen möglich: nicht Schule, Bildung, Materialisation verantwortlich, sondern Selbstverantwortlichkeit jedes einzelnen Naturalismus Herkunftsgeschichte: in europ. Literatur vorwiegend franz. Tradition Emile Zola – „Roman Experimental“, „Experimentalroman“ 1880 (Mensch „das menschliche Tier“) Schriftsteller: nicht mehr mit Phantasie und Invention Geschichte zurechtzimmern, sondern wird zum Beobachter des Bestehenden 20er-Jahre: breite Polemik der Autoren der Neuen Sachlichkeit neben Thomas Mann („Der Zauberberg“), positiver Bezugspunkt der Schriftsteller dieser Zeit: Emil Zola („Dichter der Lokomotive“) Autoren von Erkenntnissen usw. der Naturwissenschaften fasziniert: Zola Verwissenschaftlichung der „schönen“ Literatur; Zola: geistiges Umfeld, das ihn zu Veränderungen antreibt (des Naturalismus) Sekundärliteratur: Studie über merkwürdigen Fall der Physiologie; Gleichsetzung von Psychologie/Physiologie (Gerhardi: „Realismus und Naturalismus in Frankreich“) andere Überlegungen: Determinismus (in Naturalismus) liberaler Anthropologie entgegengesetzt Taine race (Biologie, Vererbung: Charles Darwin), moment/temps (historische Umstände/Gegebenheiten), milieu (umfassendes kulturelles Feld eines Individuums): das menschl. Individuum ist determiniert/abhängig durch diese 3 Momente ab 1880/90: methodischer Begriff des Positivismus (Auguste Compte) in Literaturwissenschaft wird mit Methode des Positivismus gearbeitet, es entstehen erste historisch-kritische Ausgaben: jede Detailinformation im Leben von Dichtern wird fixiert, festgehalten; so-sein, spezifische Form von Literatur schließen Josef Nadler: Literaturgeschichte der deutschen Stämme und Landschaften (Schüler von August Sauer; Grillparzer); österr. Literatur in deutschen Literaturgeschichten nicht vor (19. Jhdt.), z.B. Georg Gottfried Gervinus (auch Theaterstück über diesen Historiker); Literaturgeschichte soll nach regionalen Räumen differenziert werden; z.B. südbayerisch-katholischer Raum: eigenes Gericht; Kontinuität des Barocken in österr. Literatur; mit Hilfe von race, moment, milieu versucht er, Literatur in Bezug auf Region zu beschreiben (z.B. jem. kommt von dort und dort, Literatur muss diese und diese Form haben); jüdische Literatur: in ganz Deutschland, aber nicht lokalisierbar auf Gebiet; Nadler: Nazi (?) Gewisse Form von Determinismus im Bereich Literatur AudiMax Uni Wien: für Nadler gebaut worden AudiMax gerammelt voll Kritik, Polemik Naturalismus: wie sieht Literatur in Gründerzeit aus? (Gustav Freitag, Theodor Storm, usw. – Prosa; Grillparzer, Anzengruber – Dramatik; „Gott und die Welt“ – Anzengruber, Hg. Otto Rommel) Aphorismen bei Anzengruber: zahlreiche Einträge zu Zola „Das vierte Gebot“: 1878, 11 Jahre vor „Sonnenaufgang“ Problematik der Epochenzäsuren (?) Epigonale klassizistische Dramatik: Juliane Vogel – „Die Furie (?) und das Gesetz“ Behauptung: Deutsche Klassik: unüberbietbarer Höhepunkt dt. Literatur (Dramatik?) Verfassung: Blankversdramen (Iphigenie usw.) Nach 1848: Literatur es schaut nicht rosig aus Lyrik: Problem der Epigonalität z.B. waren Fontane/Konrad Ferdinand Meyer (?) wirklich große Lyriker? Heine Literatur Gründerkreis: Periode der ästhetischen Krise und Epigonalität beschönigende, unwahre … des poetischen Realismus 2. Hälfte 19. Jhdt.: 1866 Ö verliert Schlacht (Königgretz) – allmähliche Einigung des dt. Vielvölkerstaates Ökonomische Ressourcen: Modernisierung, Beschleunigung, Industrialisierung des 2. Dt. Kaiserreich Dt. Intellektuelle unterstützen Einigungsprozesse, Nationalisierung (z.B. Theodor Fontane ?); Gegner: Friedrich Nietzsche, Georg Gottfried Gervinus Naturalismus: kritische Distanzname zum dt. Kaiserreich – Nähe zu dt. Sozialdemokratie? Urbanisierung, Industrialisierung, neue Ballungszentren soziale/moralische Entwurzelung Laut Naturalisten: Alkoholismus usw. spielen große Rolle Stoff: Blick in proletarisches Milieu/Elend Großstadt Determinismus: „Vor Sonnenaufgang“ von Gerhart Hauptmann Gerhart Hauptmann –„Vor Sonnenaufgang“ Biographie Gerhart Hauptmann 15. Nov. 1862: geboren (Arthur Schnitzler 15. Mai1862) 1946: gestorben 1912: Nobelpreis wollte einmal Bildhauer werden zwiespältige Haltung im 3. Reich: kein Nationalsozialist, aber auch keine distanzierenden Äußerungen Untertitel: „Soziales Drama“ (Hg. Kurt Lothar Dank (?)) Was ist neu an Stück? Uraufführung und Aufführungen danach: konträre Reaktionen Alkoholismus spielt zentrale Rolle These/Behauptung: wenn Papa sauft, sauft Tochter auch die, die noch nicht abhängig vom Alkohol ist, wird’s auch noch erwischen Negatives Finale: Tochter eines reichgewordenen Bauern, Alfred Loth fühlt sich zu ihr hingezogen, verschwindet aber wieder aus Dorf „Generationskrankheiten“ Hauptfigur: Alfred Loth („Haupt’sches“ Sprachrohr in Text) Bedenklich (Naturalismus): Dichotomie von Gesundheit/Krankheit spielt unerbittliche/bedenkliche Rolle Kampf ums Dasein: pseudowissenschaftlicher Transfer der Darwin’schen Lehre auf humane Verhältnisse einer Rolle wird auf gesellschaftl. Verhältnisse übertragen: nur Gesunde/Tüchtige werden sich im Daseinskampf durchsetzen (nach wenigen Jahrzehnten: 3. Reich) Loth: als positiv besetzte Gegenfigur zu angepasstem Jugendfreund aber andere Komponenten dieser Figur nicht ausnehmen Hoffmann: typischer Repräsentant der Gründerzeit tüchtig, kommt schnell zu Reichtum, jugendliche revolutionäre Haltungen beiseite geschoben, an Umstände angepasst (Heinrich Mann – „Der Untertan“) Arthur Schnitzler – „Der Sohn. Aus den Papieren eines Arztes“ (Erzählung, ca. 1900) „Therese. Chronik eines Frauenlebens.“ (Roman: Alkohol, Elend, Vererbungskrankheiten spielen gewisse Rolle; man erfährt, dass Frau schwanger ist, bringt Kind zur Welt, das sie nicht möchte, Vater gibt es nicht; Tag nach Geburt: Frau versucht, Kind zu töten Sohn wird Hallodri, gewalttätiger Trinker, verlangt von Mutter immer wieder Geld; irgendwann kann sie sich das nicht mehr leisten, Sohn erschlägt Mutter mit Beil) Hermann Bahr – „Überwindung des Naturalismus“ (1891) genug vom naturalistischen „Zustand der Dinge“, Determinismen, soziale Gegebenheiten interessiert mehr der Zustand der Seele (Prozess der Verinnerlichung); beruft sich auf …; Bahr „der Herr aus Linz“ (Karl Kraus) Joris Carl – „Huysmans“: prominenteste Autor der literarischen Dekadenz, 2 berühmte Romane: „A rebours“ (nichts zu tun mit Naturalismusabrechnung), „Là-bas“ (Abrechnung mit Zola/Naturalismus: Naturalismus, Ästhetizismus, Katholik „Die Kathedrale“; von Avantgarde zu …) Symbolismus, Impressionismus, Dekadenz usw.: Sekundärliteratur (Bezeichnungen für Literatur um Jahrhundertwende, Sonnleitner: nicht gut) LITERATUR DER JAHRHUNDERTWENDE Literatur der Jahrhundertwende: Karl Kraus – „Frühe Schriften. Band 2“ Text „Die demolierte Literatur“ Dagmar Lorenz – „Wiener Moderne“ (Sammlung Metzler, Taschenbuch) Anthologie: Reclam „Die Wiener Moderne“ - Hg. Otmar Wunberg Hugo von Hofmannsthal – „Ein Brief“ Sprachskepsis, Sprachkrise fiktiver Brief an Francis Bacon: Zuverlässigkeit der Sprache/Vertrauen in Sprache kommt abhanden Imperio-Kritizismus? Nestroy, Wittgenstein Fritz Mauthner (Sprachphilosoph): 3-bändige Kritik der Sprache (1901-1913) Kritik: 1. Band für Hofmannsthal’schen Brief große Rolle gespielt Nächstes Mal: Hofmannsthal fertig, Robert Musil, Thomas Mann Übernächstes Mal: Robert Walser, Kafka