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Ulrich & Keckstein
Operative Therapie der Endometriose
Operative Therapie der Endometriose:
Empfehlungen nach der aktuellen Leitlinie der Deutschen
Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V.
U. Ulrich1, J. Keckstein2
1
Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Martin-Luther-Krankenhaus, Berlin
2
Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe, Landeskrankenhaus, Villach
Anschrift für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Uwe Ulrich
Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe
Endometriosezentrum Berlin Süd & West Stufe III
Martin-Luther-Krankenhaus
Caspar-Theyß-Str. 27-31
14193 Berlin
E-Mail: [email protected]
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Ulrich & Keckstein
Operative Therapie der Endometriose
Jedes Jahr erkranken etwa 40000 Frauen in Deutschland an Endometriose (16). Da
die Ätiologie und Pathogene noch immer ungeklärt sind, gibt es keine kausale
Therapie. Die betroffenen Patientinnen leiden unter Schmerzen, ungewollter
Kinderlosigkeit, und nicht selten ist die Funktion der pelvinen Organe durch die
Erkrankung kompromittiert. Zahlreiche Bemühungen in Klinik und Laboratorium
haben das "Problem Endometriose" nicht lösen aber die Folgen doch lindern können
(6). Derzeit gilt die operative Entfernung der Endometrioseherde als die günstigste
Option zur Kontrolle der Symptome und zur Wiederherstellung der gestörten
Organfunktion (1, 5). Im Folgenden werden Empfehlungen auf dem Boden der ersten
deutschsprachigen Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Endometriose gegeben
(Tab 1).
Allgemeines
Indikationen zur operativen bzw. diagnostischen Intervention durch Laparoskopie
sind Schmerzen, Organzerstörung und/oder ungewollte Kinderlosigkeit.
Ein Teil der Patientinnen ist völlig ohne Symptome. Interessanterweise korreliert das
Ausmaß der Endometriose praktisch nicht mit dem Grad der Beschwerden (7). Ob
eine Endometriose ohne Symptome bei einer Frau ohne Kinderwunsch eine Anzeige
für eine operative Intervention darstellt, wird kontrovers diskutiert. In der Regel ist
diese Situation keine Indikation für eine chirurgische Maßnahme. Eine wichtige
Ausnahme ist die Hydronephrose bei Endometriose-bedingter Harnleiterstenose dies ist eine absolute Operationsindikation. Die histologische Abklärung wird
prinzipiell empfohlen.
In der aktuellen Leitlinie sind keine Empfehlungen bezüglich eines zu bevorzugenden
operativen Weges bei der Therapie enthalten. Das Für und Wider verschiedener
operativer Zugängen haben die Autoren an anderer Stelle dargestellt (18, 21). Die
meisten Kliniker, die sich intensiv mit der chirurgischen Behandlung der
Endometriose beschäftigen, bevorzugen heute den laparoskopischen Zugang.
In der Leitlinie und in der vorliegenden Arbeit finden sich aus didaktischen Gründen
die Manifestationen der Endometriose im Peritoneum und Ovar, die tief infiltrierende
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Operative Therapie der Endometriose
Endometriose und die Adenomyose getrennt dargestellt, wobei vorauszusetzen ist,
dass sich die genannten Manifestationen oft komplex präsentieren. Zur Klinik und
Diagnostik verweisen die Autoren auf frühere Publikationen (18, 20).
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG)
Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Endoskopie e.V. (AGE)
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin e.V.
Kommission "Uterus" der Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie (AGO)
Stiftung Endometriose-Forschung e.V. (SEF)
Deutsche Gesellschaft für Viszeralchirurgie e.V.
Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V.
Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG)
Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V.
Tab. 1: Interdisziplinäre S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V.
zur Diagnostik und Therapie der Endometriose: Beteiligte Fachgesellschaften.
Operative Therapie der peritonealen Endometriose
Peritoneale Herde sollten komplett entfernt werden. Das kann durch Exzision,
LASER-Vaporisation oder auch andere thermische Verfahren geschehen. Eine
oberflächliche thermische Zerstörung erreicht allerdings tiefere, in das
Retroperitoneum reichende Absiedelungen nicht und ist oberhalb des Ureters
problematisch. Die Ureterolyse gehört daher bei Herden mit entsprechender
Lokalisation dazu.
Eine zusätzliche uterine Nervenablation (LUNA) führt bei Schmerzpatientinnen im
Gegensatz zu früheren Annahmen nicht zu verbesserten Ergebnissen (1).
Ovarielle Endometriome
Ovarielle Endometriome sollten laparoskopisch komplett ausgeschält werden. Lange
Zeit wurde die thermische Destruktion des Zystengrundes als ebenso effektiv
angesehen, und manche Operateure kombinieren beide Techniken. Nach einer
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aktuellen Cochrane-Analyse ist das Ausschälen des Zystenbalges der thermischen
Destruktion überlegen (8). Das alleinige Eröffnen und Spülen des
Endometriosezystenbalges ist hingegen mit einer Rezidivrate von bis zu 80%
belastet. Eine postoperative GnRH-Analoga-Gabe kann die unvollständige Resektion
des Endometriosezystenbalges nicht kompensieren.
Tiefe infiltrierende Endometriose
Unter tief infiltrierender Endometriose (TIE) versteht man die Manifestationen der
Erkrankung im Fornix vaginae posterior, im Septum rectovaginale, im
Retroperitoneum (Beckenwand, Parametrium) sowie im Darm, Harnleiter und der
Harnblase. Mehrfachbefall ist nicht selten.
Derzeit wird die Resektion im Gesunden als beste Therapie angesehen (11). Hierfür
sind mehrere operative Wege möglich. Bei Befall des Darmes (am häufigsten:
Rektosigmoid) und des Harnleiters bzw. der Harnblase ist eine gute Planung der
Operation mit den chirurgischen Nachbardisziplinen (Viszeralchirurgie, Urologie)
unabdingbar. Bei Kinderwunsch sind Kompromisse bei der Radikalität einzugehen.
Bei stenosierender, symptomatischer Darmendometriose ist die Segmentresektion
mit Schonung des Mesenteriums anzustreben. Bei oberflächlichen Herden ohne
Stenosierung bevorzugen einige Kliniker die mukosaschonende Resektion (15). Je
nach Ausprägung des Befundes betrachten manche Operateure die VollwandScheibenexzision ("disc excision") als Alternative zur Segmentresektion (Tab. 2).
Die potentiellen Folgen einer ausgedehnten radikalen Resektion tief im kleinen
Becken (z. B. sehr tiefe anteriore Rektumresektion) für die hypogastrischen
Innervation des Beckens (Miktion) sowie die möglichen ernsten Komplikationen gilt
es zu beachten. Es sei auf entsprechende Darstellungen in der Literatur hingewiesen
(2, 3, 4, 14, 21).
Adenomyosis uteri
Die effektivste Therapie bei Adenomyose ist die Hysterektomie. Dafür stehen, wie bei
den anderen benignen Indikationen, verschiedene Wege zur Verfügung. Auch die
laparoskopische suprazervikale Hysterektomie - sofern keine retrozervikale bzw.
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andere tief infiltrierende Endometriose vorliegt - ist für diese Indikation geeignet (9,
19).
Das Problem ist, dass sich die exakte Diagnose "Adenomyose" meistens erst am
Hysterektomiepräparat stellen läßt. So wünscheswert es wäre, gibt es für den
präoperativen histologischen Nachweis einer Adenomyose noch kein geeignetes
Routineverfahren (12).
Eine uteruserhaltende Resektion von Adenomyoseherden bei Patientinnen mit
Kinderwunsch oder Wunsch nach Uteruserhalt und Verdacht auf fokale Adenomyose
ist im Einzelfall eines Versuches wert (12, 13).
Endometriose aus reproduktionsmedizinischer Sicht
Die operative Entfernung der Implantate bei minimaler Endometriose verbessert die
Chancen einer spontanen Konzeption (10). Aber auch nach kompletter Resektion
einer tiefen, infiltrierenden Endometriose mit intakten tuboovariellen Strukturen wird
eine erhöhte Rate an spontanen Schwangerschaften beschrieben (11).
Die Entfernung ovarieller Endometriome vor einer in-vitro Fertilisation ist bei
kleineren Befunden nicht unbedingt erforderlich (17), doch halten die meisten Kliniker
dies, insbesondere bei größeren Befunden (> 4 cm) für sinnvoll.
Beim Rezidiv einer schweren Endometriose, die bereits operiert wurde, sind
Methoden der assistierten Reproduktion bezüglich der Schwangerschaftsrate einer
erneuten Operation überlegen.
Der volle Wortlaut der S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Endometriose
(Tab. 2) ist unter www.dggg.de, http://leitlinien.net und www.AGEndoskopie.de
einzusehen (22).
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Operative Therapie der Endometriose
Manifestation
Chirurgische Techniken
Vagina, Septum rectovaginale
vaginale oder laparoskopisch-assistierte vaginale Resektion;
bei alleiniger vaginaler Resektion Gefahr des Übersehens
intraabdominaler Herde
Rektum, Rektosigmoid
Scheibenexzision ("disc excision"), mukosaschonende Resektion (MSR);
bei Stenose tiefe anteriore Rektumresektion mit End-zu-EndAnastomose (z. B. laparoskopisch-assistiert mit Minilaparotomie), ggf.
protektives Schlingen-Ileostoma, größtmögliche Respektierung des
Mesenteriums
oberes Sigma, Dünndarm
Vollwandexzision, mukosaschonende Resektion, Segmentresektion
Appendix
Appendektomie (falls laparoskopisch: Endo-GIA)
Blase
Resektion (Vorsicht in Trigonumnähe)
Ureterummauerung
Dekompression, falls sicher kein Ureterwandbefall vorliegt
intrinsische Ureterendometriose
Resektion mit Psoas-hitch- oder Boari-Plastik; Anastomose
(Vorsicht Stenose)
Tab. 2: Operative Therapie bei tiefer infiltrierender Endometriose. Die aufgeführten Techniken werden in
der Literatur kontrovers diskutiert (nach [21])
Literatur
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