WIDER DIE ARMUT AN GEOMETRISCHEN FORMEN IM UNTERRICHT ZUR LINEAREN ALGEBRA/ANALYTISCHEN GEOMETRIE MICHAEL GIEDING GERADE, KREIS, KUGEL UND SONST NICHTS? „ Ich fordere also weniger Axiomatik, weniger Formalismus, weniger Struktur – dafür mehr Anschauung, mehr Substanz, mehr Anwendung. Geometrie soll dadurch wieder Leben bekommen, sie soll den Schülern wieder Freude bereiten. Denn die Freude an einer Sache ist fast schon die Sache selber. Geometrie muss für die Schüler ein Zaubergarten sein und nicht ein Exerzierplatz.“ /13, S. 11 In Übereinstimmung mit den allgemeinen Zielen des Geometrieunterrichts der oberen Klassen besteht die derzeitig noch gültige Hauptaufgabe des Geometrieunterrichts der Abiturstufe in den neuen Bundesländern darin, die Schüler mit bedeutenden Methoden der analytischen Geometrie vertraut zu machen. Insbesondere beinhaltet das die Vermittlung eines anwendungsbereiten Wissens und Könnens in Bezug auf das Arbeiten mit Koordinatensystemen und Vektoren und eine Vermittlung von Kenntnissen über eine hinreichende Vielfalt geometrischer Objekte /3, S. 156. Diesem Anliegen steht jedoch eine geradezu beschämende Formenarmut der im Unterricht zu behandelnden geometrischen Objekte gegenüber. Lediglich für die Punktmengen Gerade, Kreis und Kugel wird das Aufstellen einer Gleichung verlangt. Den Schülern müssen hierdurch die Tragweite des grundlegenden Prinzips der analytischen Geometrie so wie die weitreichende Anwendbarkeit der Vektorrechnung verborgen bleiben /3, S. 161; 10, S. IV. Eine derzeitig auf der Tagesordnung stehende Neugestaltung der Mathematikausbildung der Abiturstufe in den Länder auf dem Territorium der ehemaligen DDR müsste sich auch diesem Problem stellen. Diese Neugestaltung könnte in Anlehnung an die entsprechenden Lehrpläne der alten Bundesländer dahingehend erfolgen, dass die Intentionen des in diesem Mathematikunterricht eingebetteten Geometrielehrgangs stärker zur linearen Algebra verschoben werden. Für die Ausbildung in analytischer Geometrie hätte dieses zur Folge, dass man sich auch weiterhin vornehmlich auf lineare geometrische Objekte beziehen würde, wodurch zumindest die Gefahr bestände, dass das Problem der geringen Formenvielfalt der geometrischen Objekte, die in den Unterricht einbezogen werden, nicht beseitigt wäre. LINEARE ALGEBRA VERSUS FORMENVIELFALT? „Man erlaubt die Geometrie eben gerade so weit, wie die Methode der linearen Algebra reicht, und das bisschen wird bis zum Erbrechen ausgewalzt und ausgelaugt. ... Die Geometrie, die mit linearer Algebra auf der Schule möglich ist, ist ein trübes Abwasser.“ /4, S. 441 Es soll an dieser Stelle nicht darüber diskutiert werden, ob die Akzente der Ausbildung in analytischer Geometrie/linearer Algebra in höheren Klassenstufen stärker auf die lineare Algebra als auf die analytische Geometrie oder umgekehrt ausgerichtet sein sollten. Sicherlich kann diese Frage auch nicht allgemeingültig für alle Schüler der Sekundarstufe II, bzw. der Abiturstufe geklärt werden. Ferner ist ein gewisses Zeitproblem zu beachten: Auch, wenn man beabsichtigt, etwa auf ebene und räumliche Kurven einzugehen, ist es wohl unabdingbar, dass der Unterricht in analytischer Geometrie/linearer Algebra, Geraden, Ebenen, die analytische Beschreibung dieser Objekte und ihre Lageverhältnisse zum Gegenstand hat. Damit eng verbunden ist die Einführung von Elementen der Vektoralgebra, das Lösen von Gleichungssystemen, eventuell Elemente der Matrizenrechnung ... . Die Frage nach der zeitlichen Realisierbarkeit einer Einbeziehung weiterer, vor allem nichtlinearer geometrischer Objekte, in die Ausbildung in analytischer Geometrie/linearer Algebra scheint berechtigt. In den folgenden Ausführungen soll durch exemplarische Aufgabenvorschläge gezeigt werden, dass auch bei einer Konzentration auf die geometrischen Objekte Gerade, Ebene und Kreis im Unterricht zur analytischen Geometrie/linearen Algebra die Betrachtung weiterer, insbesondere nichtlinearer geometrischer Objekte diesem Unterricht nicht zwangsläufig versagt sein muss. Dem angesprochenen diesbezüglichen zeitlichen Problem lässt sich mit dem folgenden Vorgehen begegnen: Die für die Schüler neuen geometrischen Objekte werden nicht explizit und systematisch behandelt, sondern lediglich in Aufgaben und Übungen einbezogen. Sie sind dann vor allem Übungsgegenstand zur Anwendung mathematischen Wissens und Könnens, das ohnehin zu vermitteln ist. Für eine Einbeziehung in das Übungsmaterial des Unterrichts in analytischer Geometrie/linearer Algebra bieten sich besonders ebene (und eventuell räumliche) Kurven an. Hierzu bemerkt z. B. B. FRANK: „...sollte meine Erachtens durch die Aufnahme von Kurven wie Ellipse, Hyperbel und Parabel in das Übungsmaterial der einseitigen Auffassung von Kurve als Graph einer Funktion vorgebeugt werden, dem nachfolgenden Analysisunterricht werden Anwendungsbezüge erschlossen und der Physikunterricht (an Schule und Hochschule) erhält mit der Vermittlung von Bahnkurven diesbezüglich eine Abstraktionsbasis.“ /3, S. 157f. DER COMPUTER HILFT „Der Computer ist ein Maghellan’sches Schiff, das uns zu neuen mathematischen Welten trägt.“ /B Realisierbar wird eine Einbeziehung von Kurven in das Übungsmaterial des Unterrichts in analytischer Geometrie/linearer Algebra m. E. insbesondere durch die Nutzung von Computern. So kann der Computer als Werkzeug zur Berechnung von Stützpunktkoordinaten und zur schnellen Generierung von grafischen Darstellungen der Kurven genutzt werden. Hierdurch ist eine zeitliche Entlastung des Unterrichts möglich. Nutzung des Computers als Werkzeug im Mathematikunterricht bedeutet, dass im Vordergrund der Computernutzung die Bearbeitung mathematischer Probleme steht. Zur Gewährleistung einer solchen Konzentration auf die mathematischen Probleme bietet sich die Anwendung von spezieller für den Mathematikunterricht geschaffener Software an. Für die folgenden Ausführungen wurde das speziell für den Mathematikunterricht in der Sekundarstufe II geeignete Mathematikprogramm MathCAD gewählt. Es seien zunächst einige Bemerkungen zur Nutzung dieses Programms vorangestellt. MATHCAD: MATHEMATIK MIT DEM COMPUTER MathCAD setzt die Verfügbarkeit eine IBM-kompatiblen Rechners mit 512 K RAM und Grafikkarte (z. B. CGA, EGA, VGA, Hercules) voraus. Nach Aktivierung des Programms wird dem Nutzer ein „Rechenblatt“ zur Verfügung gestellt, welches in MathCAD Dokument genannt wird. Auf diesem Dokument kann der Nutzer ähnlich wie auf einem Blatt Papier arbeiten. Die eingegebenen Rechnungsschritte werden auf dem Bildschirm so dargestellt, wie es in der Mathematik üblich ist, und vom Computer Zeile für Zeile von links nach rechts abgearbeitet. Zur Ausführung von Berechnungen bietet MathCAD eine Reihe von mathematischen Konstanten, Operatoren und Funktionen an. Ferner kann der Nutzer selbst Funktionen, Konstanten und Variablen definieren. Ein relativ flexibel einsetzbares Mathematikprogramm wäre unvollständig, wenn es nicht über eine Möglichkeit, funktionale Zusammenhänge grafisch darzustellen, verfügen würde. Hierzu kann der Nutzer von MathCAD an beliebigen Stellen des Dokuments Grafikfenster eröffnen, denen ein kartesisches Koordinatensystem zugrunde liegt. Zum Einfügen von Erläuterungen, Bemerkungen etc. in das Dokument beinhaltet MathCAD einen Texteditor. Schließlich können MathCAD-Dokumente gespeichert und ausgedruckt werden. Den folgenden Aufgabenvorschlägen sind MathCAD-Dokumente beigefügt, die die Arbeit mit diesem Mathematikprogramm verdeutlichen werden. GERADEN GENERIEREN KEGELSCHNITTE „Alle Planeten bewegen sich auf kreisähnlichen Bahnen (Ellipsen) um die Sonne. Die Sonne steht annähernd im Mittelpunkt der Bahnen.“ /9, S. 7 „Aus den Motiven der oben angeführten Entscheidung des Ministeriums, durch welche Kegelschnitte vom Gymnasiallehrplan ausgeschlossen werden, erhellt, dass deren Verfasser schwerlich eine Vorstellung von der allgemeinen Bedeutung der von ihm mit dem Bann belegten Lehre hatte...“ /DU BOYSREYMOND, 1877, in: 11, S. 240-296 Obige Formulierung des ersten Keplerschen Gesetzes kann wohl als Höhepunkt der Verbannung der Kegelschnitte aus dem Unterricht der allgemeinbildenden Schulen in der ehemaligen DDR angesehen werden. Sicherlich können die Planetenbahnen in erster Näherung als Kreisbahnen angesehen werden. Ob es deshalb jedoch notwendig ist, den Begriff Ellipse nur noch verschämt in Klammern zu gebrauchen, erscheint zumindest fragwürdig. Die Philosophie, dass im mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterricht nur solche Begriffe angesprochen werden dürfen, die auch exakt behandelt wurden, ist m. E. überholt und letztlich auch nicht durchzuhalten. Mit der Intention, dass die Schüler ihr erworbenes Wissen in einen größeren Rahmen einordnen können, ist auch der Mathematikunterricht gezwungen, die Schüler mit Begriffen und Objekten zu konfrontieren, die nicht expliziter Gegenstand des Mathematikunterrichts sind. Hinsichtlich der geometrischen Objekte Parabel und Ellipse bietet sich diesbezüglich das folgende Vorgehen an: Parabeln und Ellipsen werden als Hüllkurven spezieller Geraden betrachtet. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass man sich vor allem mit der analytischen Beschreibung von Geraden zu beschäftigen hat. Durch die grafische Darstellung der beschriebenen Geraden mittels des Computers werden „praktisch nebenbei“ interessante Kurven generiert, d. h. durch die Computernutzung haben die Schüler ein für sie (mehr oder weniger) neues geometrisches Objekt entdeckt (s. Zitat eingangs des Abschnitts zur Computernutzung). Der Lehrer kann nun je nach der Unterrichtslage entscheiden, ob auf die generierten Objekte tiefer eingegangen wird oder nicht. In jedem Fall wurde zumindest angedeutet, dass die Methoden der analytischen Geometrie auch auf andere geometrische Objekte als nur auf Geraden anwendbar sind. Aufgabe 1 weicht von diesem Prinzip ab. Sie dient zur Wiederholung der analytischen Beschreibung einer Parabel in Scheitelpunktlage durch eine Gleichung der Form y(x)=ax² (a,xR, a). Gleichzeitig könnte bei der Bearbeitung dieser Aufgabe mit den Schülern die Art und Weise der Nutzung von MathCAD wiederholt werden. In die vorliegenden Ausführungen wurde Aufgabe 1 auch aus dem Grunde aufgenommen, um dem Leser die Arbeitsweise von MathCAD an einem relativ einfachen Beispiel zu illustrieren. Aufgabe 2 bezieht sich auf die Konstruktion einer Parabel als Hüllkurve ihrer Tangenten.1 Neben den beschriebenen Vorteilen dieser Betrachtung werden Beziehungen zum Analysisunterricht hergestellt. Aufgabe 3 lässt sich durch die Fragestellung motivieren, was passiert, wenn in Aufgabe 2 keine Leitgerade, sondern ein Leitkreis betrachtet wird (Ellipse als Hüllkurve).2 Aufgabe 1: (Parabel als Funktionsgraf) Stellen Sie verschiedene Parabeln in einem kartesischen x-y-Koordinatensystem mittels MathCAD grafisch dar. Der Scheitelpunkt der Parabel möge dabei jeweils mit dem Koordinatenursprung zusammenfallen. A) Normalparabel, b) gestauchte Normalparabel, c) gestreckte Normalparabel, d) nach unten geöffnete Normalparabel. Lösung und mögliche Bearbeitung der Aufgabe: Im Unterrichtsgespräch wir die Gleichung y(x)=ax² (a,xR, a) zur Beschreibung von Parabeln in Scheitelpunktlage wiederholt. Dann generieren die Schüler mittels MathCAD die geforderten grafischen Darstellungen. Ein mögliches MathCADDokument könnte wie folgt aussehen: Parabeln: X := -5 ..5 a) Normalparabel y1(x) := x² b) gestaucht y2(x) := 0,5x² c) gestreckt y3(x) := 2x² d) nach unten y4(x) := -x² y1(x), y2(x), y3(x), y4(x) 1 Man findet Aufgabe 2 in einer etwas anderen Bearbeitung auch in /5, S. 19ff., hier wird ein Pascal-Programm zur Bearbeitung der Aufgabe verwendet. 2 Aufgabe 3 ist eine überarbeitete Version eines entsprechenden Aufgabenvorschlags von BECK /1. Aufgabe 2 : (Parabel als Hüllkurve) Man führe die folgende Faltkonstruktion aus: Auf einem Blatt Papier seien eine Gerade 1 und ein nicht zu 1 gehörender Punkt F gegeben. Auf der Geraden 1 sind verschiedene Punkte zu wählen. Dann ist das Blatt so zu falten, dass die Punkte auf 1 jeweils mit dem Punkt F zur Deckung kommen. Was für eine Figur könnte durch diese Faltungen entstehen? Die Schüler führen zunächst die angegebene Konstruktion aus und beschreiben die durch die Faltungen entstehende Figur (s. Figur 1). - die entstehende Figur wird durch die Faltgeraden eingehüllt. Dabei gilt offenbar, dass die Faltgeraden Tangenten an die entstehende Figur sind. - Bei der entstehenden Figur könnte es sich um eine Parabel handeln. Um zu einem aussagekräftigen Ergebnis der angegebenen Konstruktion zu kommen, sind sehr viele Faltungen nötig, was manuell nur mit einem relativ hohen zeitlichen Aufwand zu bewerkstelligen ist. Es bietet sich deshalb an, die Konstruktion mit dem Computer zu simulieren. Verwendet man zur Realisierung dieser Simulation MathCAD, hat man gleichzeitig die Möglichkeit, der entstehenden Hüllkurve ein Koordinatenraster unterzulegen. Hierzu ist es nötig, die Faltkonstruktion analytisch zu beschreiben. Dieses Problem reduziert sich letztendlich darauf, eine Faltgerade analytisch zu beschreiben. Die Schüler werden aufgefordert, für dieses Problem eine Skizze anzufertigen. Je nach Leistungsstand entwickeln die Schüler dann in selbständiger Tätigkeit oder im Unterrichtsgespräch eine Gleichung zur Beschreibung einer Faltgeraden: Es sei L ein Punkt auf der Geraden 1. Die entsprechend dieses Punktes zu konstruierende Faltgerade t ist die Mittelsenkrechte der Strecke s(FL) (s. Figur 2). Zur analytischen Beschreibung von t ist ein geeignetes Koordinatensystem zu wählen. Hierzu nehmen wir an, dass durch die Faltgeraden wirklich eine Parabel eingehüllt wird. Die Faltgerade, die entsteht, wenn man auf 1 den Fußpunkt 0 des Lotes von F auf 1 wählt, könnte aus Symmetriegründen die Tangente an die eingehüllte Parabel im Scheitelpunkt dieser Parabel sein. In Anlehnung an Aufgabe 1 wird diese Faltgerade als x-Achse gewählt. Als y-Achse bietet sich die Senkrechte auf 1 durch F an. Mit p sei der Abstand von F zu 1 bezeichnet. Der Punkt F hat bezüglich dieses Koordinatensystems die Koordinaten xf=0 und yf=0, 5p. Ferner gilt für die Koordinaten eines Punktes F auf 1: x1R und y1= -Die Gerade FL hat den Anstieg yf – y1 m’ = ——— xf – x1 Da die Faltgerade t senkrecht auf FL steht, ist ihr Anstieg m das negative Teziproke von m’. Unter Berücksichtigung der Koordinaten der Punkte F und L ergibt sich für m die folgende Gleichung: x1 m= —. p Der entartete Fall p= (F liegt auf 1) ist entsprechend der Aufgabenstellung ausgeschlossen. Alle Faltgeraden lassen sich demnach durch eine Gleichung der Form y (x) = m . x + n beschreiben. Zur analytischen Beschreibung der Faltgeraden mittels einer solchen Gleichung ist noch der Ordinatenabschnitt n zu bestimmen: Da eine Faltgerade die Mittelsenkrechte auf der jeweiligen Strecke s (FL) ist, gehört der Mittelpunkt M dieser Strecke zur Faltgeraden. Für seine Koordinaten gilt: Xm= xf+x1 x1 —— = — 2 2 ym= yf+y1 —— = . 2 Damit lässt sich n berechnen : x1² N=- —. 2p Eine Faltgerade wird somit durch die folgende Gleichung beschrieben: (1) y (x) = x1 x1² —x-—. p 2p Nach diesen Überlegungen wird den Schülern ein MathCAD-Dokument zur Verfügung gestellt, das die angegebene Konstruktion auf der Grundlage der obigen Gleichung simuliert. Dazu erhalten sie die folgenden Aufträge: e) Überprüfen Sie, ob durch die Computersimulation der Faltkonstruktion die Hypothese, dass durch die Faltgeraden eine Parabel eingehüllt wird, unterstützt wird! f) Falls Aufgabe (e) positiv zu beantworten ist: Versuchen Sie unter der Voraussetzung, dass eine Parabel durch die Faltgeraden eingehüllt wird, durch gezieltes Experimentieren herauszufinden, welcher Zusammenhang zwischen dem Koeffizienten a in der Parabelgleichung y (x) = ax² und dem Abstand p des Punktes F zur Geraden 1 besteht. Ein entsprechend dieser Aufgabenstellungen bearbeitetes MathCAD-Dokument könnte wie folgt aussehen (hier nur teilweise wiedergegeben): X1 := -5,-4.8 ..5 x1 x1 Y (p,x1,x) := — x - — p 2p x := -5.2,-5.1 ..5.2 Zusammenfassend lässt sich konstatieren : Durch die Computersimulation wird die Vermutung gestützt, dass durch die Faltgeraden entsprechend des jeweils für p gewählten Wertes verschiedene Parabeln eingehüllt werden. Nehmen wir an, dass wirklich Parabeln eingehüllt werden, so liegt es nahe, entsprechend der grafischen Darstellungen dieser Parabeln auf den Zusammenhang a= (2p)-1 zu schließen. Die Normalparabel wird dementsprechend für p = generiert. An dieser Stelle ist en sicherlich angebracht, noch einmal explizit klar zu stellen, dass bisher nur Vermutungen aufgestellt wurden, die mehr oder weniger stark durch empirische Untersuchungen unterstützt wurden. Ein exakter Beweis, dass bei der angegebenen Faltkonstruktion Tangenten einer Parabel generiert werden, steht noch aus. Nach den bisherigen Überlegungen lässt sich die noch zu erfüllende Beweisaufgabe wie folgt formulieren: g) Es sei t eine Gerade, die durch die Gleichung (1) beschrieben wird. Ferner sei h eine Parabel, die durch die Gleichung (2) f (x) = (2p) –1x² beschrieben wird. Man beweise, dass t eine Tangente an h ist: Beweis: Der Beweis ist erbracht, wenn gezeigt wurde, dass t und h genau einen Punkt gemeinsam haben und alle anderen Punkte von h auf ein und derselben Seite von t liegen. Um dieses zu zeigen, wird t durch eine Gleichung der Form (*) ax+by+c= (a, b, c R, a²+b²) beschrieben. Alle Punkte von t erfüllen diese Gleichung. Setzt man auf der linken Seite von (*) die Koordinaten eines Punktes ein, der nicht auf t liegt, so erhält man auf der rechten Seite der Gleichung eine reelle Zahl d. Es seien P1 (x1, y1) und P2 (x2, y2) zwei Punkte und d1= ax1+by1+c und d2=ax2+by2+c. P1 und P2 liegen auf ein und derselben Seite von t genau dann, wenn d 1 und d2 dasselbe Vorzeichen haben. Durch elementare Umformungen erhält man aus Gleichung (1) eine Gleichung der Form (*) : (3) –x1x+py+,5x1²=. In der Tat gibt es genau einen Punkt B (xb, yb), dessen Koordinaten den Gleichungen (2) und (3) genügen. Es gilt: xb=x1 und yb=f (x1). Bei der Bearbeitung von Aufgabe 2 wurde die Parabel so betrachtet, wie die Schüler es aus dem Mathematikunterricht bis Klasse 10 gewohnt waren (Parabel als Funktionsgraf). Es bietet sich nun an, das Wissen der Schüler zur Parabel zu erweitern und die Ortsdefinition der Parabel zu entwickeln. Motivieren lässt sich dieses Vorhaben durch die folgenden Überlegungen: Die Wahl des Koordinatensystems bei der Bearbeitung von Aufgabe 2 war zweckmäßig, hätte prinzipiell aber auch anders erfolgen können. Bei der Wahl eines anderen Koordinatensystems würde die Parabel zwar durch eine andere Gleichung beschrieben werden, die Parabel selbst wäre jedoch dieselbe geblieben. Es liegt die Frage nahe, ob eine Parabel durch Eigenschaften beschrieben werden könnte, die sich nicht auf ein Koordinatensystem beziehen. Hierzu werden die Schüler aufgefordert, die Faltkonstruktion der Parabel noch einmal ohne Zugrundelegung eines Koordinatensystems zu betrachten und zu untersuchen, in welcher Beziehung die Parabelpunkte und die Gerade 1 bzw. der Punkt F stehen: Sei L ein Punkt auf der Geraden 1 und t die Mittelsenkrechte der Strecke s (LF) ist gilt: P hat zur Geraden 1 denselben Abstand wie zum Punkt F. Diese Eigenschaft gilt für alle Parabelpunkte. Somit kann definiert werden: Eine Parabel ist die Menge aller Punkte einer Ebene, die zu einer Geraden 1 dieser Ebene und einem nicht auf 1 liegenden Punkt dieser Ebene ein und denselben Abstand haben. Abschließend wird erwähnt, dass die Gerade 1 Leitgerade und der Punkt F Brennpunkt genannt werden. Natürlich assoziiert die Bezeichnung Brennpunkt neue Fragestellungen. Diesbezüglich sei auf die einschlägige Literatur zu den Kegelschnitten (z. B. /12/) verwiesen. Aufgabe 3: (Ellipse als Hüllkurve) Führen Sie die folgende Faltkonstruktion aus: Auf einem kreisförmigen Blatt Papier sei (im Innern) ein Punkt F festgelegt. P sei ein Punkt auf dem Rand des Blattes. Das Blatt ist jetzt so zu falten, dass P mit F zur Deckung kommt. Derartige Faltungen sind für verschiedene Punkte auf dem Rand des Blattes durchzuführen. Was für eine Figur könnte durch diese Faltungen entstehen? Lösung: Es bietet sich wiederum an, die Faltkonstruktion mittels MathCAD zu simulieren. Das Blatt Papier wird durch einen Kreis k mit dem Radius r modelliert. Zur analytischen Beschreibung der Konstruktion wird ein kartesisches Koordinatensystem eingeführt, dessen Ursprung mit dem Mittelpunkt von k zusammenfällt. Verschiedene Punkte P auf k lassen sich mittels der Parameterdarstellung x() = r.cos(); y()=r.sin() ( 2) generieren. Es sei P ein Punkt auf k. Die entsprechende Faltgerade t ist wiederum die Mittelsenkrechte der Strecke s(FP). Da t bei dieser Aufgabe auch senkrecht auf der x-Achse des zugrundegelegten Koordinatensystems stehen kann, ist es nicht möglich, alle Faltgeraden durch Gleichungen der Form y(x)=mx+n zu beschreiben. Zur grafischen Darstellung der Faltgeraden sind schließlich ihre Schnittpunkte mit dem Kreis k zu bestimmen. Ein mögliches MathCAD-Dokument zur Simulation der Faltkonstruktion ist im folgenden wiedergegeben. Man könnte sich mit der Erstellung eines solchen Dokuments bzw. der Herleitung der Mathematischen Zusammenhängen die ihm zugrunde liegen begnügen und die Schüler darauf hinweisen, dass durch die Faltgeraden Ellipsen eingehüllt werden. Es wäre aber auch möglich, durch gezieltes Experimentieren mit dem Dokument (Generierung des Spezialfalls Kreis) und weitere mathematische Betrachtungen die Ortsdefinition der Ellipse herzuleiten. Diesbezüglich sei auf /6, S 40 ff./ verwiesen. Bemerkung: Im folgenden MathCAD-Dokument wurden die mathematischen Sachverhalte in Vektorschreibweise formuliert, um dem Leser die Leistungsfähigkeit von MathCAD zu verdeutlichen. Prinzipiell hätte die Aufgabe natürlich auch wie Aufgabe 2 in vektorfreier Form bearbeitet werden können. Festlegung der Ausgangsbedingungen: Radius := 10 Punkt im Inneren von k: F := Punkt auf k: 8 -3 radius cos( P(radius sin ( Beschreibung der Faltgeraden: Richtungsvektor der Faltgeraden: - F - P( 1 1 r( F - P( 0 0 Punkt auf der Faltgeraden: F + P( 2 (F + P( 1 1 2 Berechnung der Schnittpunkte mit dem Kreis k: Bestimmung von p und q der resultierenden quadratischen Gleichung M(r( M( M( - radius² p(———— q( := ————————— r (r( r( r( Parameter t1 und t2, die die beiden Schnittpunkte beschreiben t1(:= -p( + p(² - q( t2( := -p( - p(² - q( Schnittpunkte der Faltgeraden mit dem Kreis k: S1( ;= M( + t1(r( S2(( + t2(r( Vorbereitung der grafischen Darstellung: Anzahl der Faltgeraden n := 100 Lege eine zu verbindende Folge von Punkten wie folgt fest: Schnittpunkt S1 der ersten Faltgerade, Schnittpunkt S2 der ersten Faltgerade, Punkt außerhalb der grafischen Darstellung, Schnittpunkt S1 der zweiten Faltgerade ... Der Punkt außerhalb der grafischen Darstellung ist nötig, damit die zu zeichnenden Sekanten nicht miteinander verbunden werden. Index für die Punktfolge I := 0 ..3 n Differenz des Parameters d := 2 — N GERADEN GENERIEREN EINE ZYKLOIDE „Wegen des direkten aber nicht so bekannten Bezuges zu Anwendungen (Bahnkurvenaspekt, Ausnutzung gewisser Eigenschaften beim Bau technischer Geräte) und der Möglichkeit, unter Verwendung von Kleincomputern durch den Lehrer und insbesondere durch die Schüler selbst die Vielfalt dieser Kurven zu erschließen, sind jedoch auch die Zykloiden als Beispiele für die analytische Beschreibung (und Untersuchung) von Kurven in Erwägung zu ziehen.“ /3, 1988, S158/ Die Verfügbarkeit von Computern und ihre Potenzen als schnelle Zeichner „schreien“ förmlich danach, insbesondere Kurventypen mit sehr hoher Formenvielfalt bei der Suche nach geeigneten Kurven für das Übungsmaterial des Unterrichts in analytischer Geometrie/linearer Algebra in Betracht zu ziehen. Kurven mit besonders hoher Formenvielfalt sind die Zykloiden /Rollkurven). Epizykloiden entstehen, wenn ein Kreis k2 mit dem Radius r2 auf einem Kreis k1 mit dem Radius r1 außerhalb abrollt. Ein mit dem Kreis k2 fest verbundener Punkt P bewegt sich dabei auf einer Epizykloide. Gilt r1=2r2 und befindet sich der Punkt P auf k2, so entsteht eine Nephroide (Nierenkurve). Figur 3 verdeutlicht die Vielfalt der Formen, die Epizykloiden annehmen können. Eine experimentelle Untersuchung dieser Formenvielfalt mittels des Computers ist eine lohnenswerte und interessante Aufgabe. Voraussetzung für die Generierung der in Figur 3 dargestellten Kurven mittels MathCAD ist allerdings das Aufstellen einer Parameterdarstellung zur Beschreibung von Epizykloiden. Will man im Unterricht zur linearen Algebra/analytischen Geometrie soweit nicht gehen, so muss diesem Unterricht eine Einbeziehung von speziellen Epizykloiden in sein Übungsmaterial nicht zwangsläufig versagt bleiben. Die folgende Aufgabe soll dieses verdeutlichen. Für interessierte Schüler könnte die Aufgab e eine Ausgangsbasis zur weiteren selbständigen Beschäftigung mit dem äußerst interessanten Kurventyp Zykloide sein. In die vorliegenden Ausführungen wurde Aufgabe 4 auch deshalb aufgenommen, um zu zeigen, dass bei der Nutzung von MathCAD zur Generierung der grafischen Darstellung von Hüllkurven mitunter die Anwendung von Geradengleichungen nicht zwingend notwendig ist. Aufgabe 4: (Nephroide als Hüllkurve) Man betrachte einen (kreisförmigen) Fingerring auf einer weißen Unterlage, auf den Sonnenlicht fällt. Es ist im Inneren des Rings eine eigentümliche Kurve zu beobachten. Man simuliere die Entstehung einer solchen Kurve mittels MathCAD! Lösung und mögliche Bearbeitung der Aufgabe: Die entstehende Kurve ist Teil einer Nephroide (Nierenkurve). In Aufgabe 4 wird die Nephroide jedoch nicht als Rollkurve, sondern als Hüllkurve betrachtet. Sie entsteht durch Reflexion parallelen Lichtes am Kreis, wobei innerhalb des Kreises reflektiert wird. Diese Entstehung sollten die Schüler selbst entdecken, wozu sich die Nutzung der experimentellen Mittel des Physikunterrichts anbietet. Auf der Grundlage dieser Untersuchungen lässt sich das Problem der Simulation der Entstehung einer Nephroide wie folgt mathematisch modellieren (s. Figur 4): Es sei k ein Einheitskreis mit dem Mittelpunkt M. K sei ein kartesisches Koordinatensystem mit dem Ursprung M. Mit s sei eine Sehne des Kreises k bezeichnet, die senkrecht auf der x-Achse von K steht. P sei der Entpunkt von s, der unterhalb der x-Achse von K liegt. Q sei der Endpunkt von s oberhalb der x-Achse. Für verschiedene solche Sehnen s ist das Bild bei einer Spiegelung an der jeweiligen Geraden MQ mittels MathCAD grafisch darzustellen. Lösung: Es sei die Größe des Winkels, der durch die positive x-Achse von K und den Strahl MQ+ gebildet wird. Aus Symmetriegründen ist die Größe des Winkels, der durch die positive x-Achse und den Strahl MP+ gebildet wird, ebenfalls . Der Punkt Q hat die Koordinaten xq=cosund yq=sin. Bei der Spiegelung an der Geraden MQ ist Q ein Fixpunkt. Das Bild der Sehne s bei dieser Spiegelung ist die Sehne s(QP ’) des Kreises k, wobei gilt: Der Winkel P’MQ ist kongruent zum Winkel QMP. Demzufolge gilt für die Koordinaten von P’: xp.=cos(3 und yp.=sin(3. Damit die zu zeichnenden Sehnen nicht miteinander verbunden werden, fügt man weitere Punkte so in die Folge ein, dass jeder dritte Punkt außerhalb des Grafikfensters liegt. Im folgenden ist ein entsprechendes MathCAD-Dokument wiedergegeben: Nephroide als Hüllkurve n := 40 d — n i := 0n ..3 n ... Anzahl der grafisch darzustellenden Sehnen ... Parameterdifferenz … Index für die Folge von Punkten: Interessierten Schülern wird abschließend die Lektüre von Fachliteratur zur Problematik der Entstehung von Nephroiden als Hüllkurven bei der Reflexion parallelen Lichtes an einem Kreis empfohlen. Es bietet sich z. B. das bekannte Physiklehrbuch von GRIMSEHL, Bank 3 an /7, S. 57f/. Hier wird auch der Zusammenhang zur Nephroide als Rollkurve erläutert. Literatur: /1/ /2/ /3/ /4/ /5/ /6/ Beck, Uwe: Graphische Computer im Geometrieunterricht. - In: Didaktik der Mathematik 8 (1980) 4. – S. 805-828. Frank, Brigitte: Das Arbeiten mit Koordinatensystemen und Vektoren im Mathematikunterricht – Eine Übersicht über historische Entwicklungen und gegenwärtige Tendenzen, so wie eine Argumentation zu seiner Weiterentwicklung an der Polytechnischen Oberschule der Deutschen Demokratischen Republik. Dissertation B. – Humboldt-Universität zu Berlin, Fachbereich Mathematik, 1983 Frank, Brigitte: Grundpositionen zur Weiterentwicklung des Geometrieunterrichts der Abiturstufe. - In: Preprint 172, Herausgeber: Humboldt-Universität zu Berlin, Fachbereich Mathematik, 1988 Freudenthal, H.: Mathematik als pädagogische Aufgabe (2 Bde.). - Stuttgart, 1973 Gieding, Annette: Vorschläge für komplexw Aufgaben zur Einbeziehung von ebenen Kurven in das Übungsmaterial des Geometrieunterrichts der Abiturstufe. - Diplomarbeit, Humboldt-Universität zu Berlin, Fachbereich Mathematik, 1990 Gieding, Michael: Möglichkeiten und Aspekte des Arbeitens mit Elementen der Computergrafik im Geometrieunterricht der Abiturstufe in der DDR. - Dissertation A, Humboldt-Universität zu Berlin, Fachbereich Mathematik, 1990 Von den anderen Punkten der Parabel h ist zu zeigen, dass sie auf ein und derselben Seite der Geraden t liegen. Hierzu wird die Gleichung (4) d= x1x+py+0,5x1² betrachtet. Setzt man in diese Gleichung die Koordinaten x und f (x) eines beliebigen Punktes von h ein, so vereinfacht sich Gleichung (4) zu (4’) d= (x-x1)². Aus (4’) folgt d0 für alle xx1. Damit liegen alle Punkte von h, die nicht zu t gehören, auf ein und derselben Seite von t. Abschließend zur Bearbeitung von Aufgabe 2 liegt die Frage nahe, ob man durch die angegebene Faltkonstruktion (theoretisch) alle Tangenten an die eingehüllte Parabel generieren kann, bzw. anders formuliert: h) Man beweise: Es sei h eine durch Gleichung (2) beschriebene Parabel und Dann ist eine Gerade t die Tangente an h im Punkt B genau dann, wenn t durch die Gleichung (1) beschrieben wird. Die Aussage wenn t Gleichung (1) genügt, so ist sie Tangente an h in B wurde bereits bewiesen. Es bleibt also zu zeigen: Wenn h eine durch Gleichung (2) beschriebene Parabel ist, so lässt sicht die Tangente an h in B durch Gleichung (1) beschreiben. Beweis: Die Tangente an h im Punkt B hat den Anstieg f ’ (x1)=p-1x1. Da p0 ist, lässt sich die Tangente durch eine Gleichung der Form y(x)=mx+n mit m=f’ (x1) beschreiben. Mittels der Koordinaten von B lässt sich n berechnen, wobei man x1² n = - — erhält 2p Damit ist gezeigt, dass jede Tangente an eine Parabel in Scheitelpunktlage der Gleichung (1) genügt.