Pressemitteilung - Patienteninformation-MKG

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Pressemitteilung
Medizin/Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie
Spektakuläre Gesichtstransplantationen in Cleveland und Amiens:
Deutsche MKG-Chirurgen für sichere Alternativmethoden.
Hofheim,
Mai
2009.
Letzte
Woche
hat
sie
sich
5
Monate
nach
der
Gesichtstransplantation von einer Toten erstmals der Öffentlichkeit gezeigt: Connie
Culp, die in einer 22-stündigen Operation in Cleveland/USA am 10. Dezember 2008 zu
etwa 80 Prozent ein neues Gesicht von einer Toten erhielt, mit Knochen, Muskeln,
Nerven, Haut und Blutgefäßen. Ihr Mann hatte ihr mit einer Schrotflinte ins Gesicht
geschossen und sie damit komplett entstellt. Die erste Gesichtstransplantation hatte
bereits im November 2005 das Team um den französischen MKG-Chirurgen Bernard
Devauchelle durchgeführt: Er transplantierte in Amiens der 38jährigen Isabelle Dinoire
als erstem Menschen erfolgreich Nase-, Mund- und Kinnpartie einer Hirntoten,
nachdem ihr Gesicht durch Hundebisse zerstört worden war. Noch nie zuvor haben
Mediziner diesen Schritt gewagt. Heute führt die Patientin wieder ein fast normales
Leben, doch es gab einige Komplikationen zu überwinden. Kann dies als Durchbruch
für standardisierte Gesichtstransplantationen weltweit gewertet werden, oder werden
diese
beiden
Erfolgsberichte
nach
derzeitigem
Stand
als
Einzelfall
in
die
Geschichtsbücher eingehen?
Zur Rekonstruktion eines großflächigen Gesichtsdefektes stehen der modernen MKGChirurgie grundsätzlich unterschiedliche Methoden zur Verfügung, diese mitunter auch in
Kombination: Eigenes Gewebe kann verschoben oder zur Gewebegewinnung gedehnt
werden, was in diesem Fall aufgrund des Ausmaßes des Defekts nicht in Betracht kam,
eigenes Gewebe kann an einer anderen Körperstelle entnommen (autologe Rekonstruktion)
oder im Reagenzglas gezüchtet und transplantiert werden. Oder der Chirurg nimmt eine
Fremdspende (allogene Transplantation). Im Fall der Isabelle Dinoire und Connie Culp
entschieden sich die Ärzte für die Transplantation von Fremdgewebe unter anderem
deshalb, weil für eine Gesichtsrekonstruktion mit Eigengewebe wesentlich mehr Operationen
zur Deckung der fehlenden anatomischen Einheiten notwendig gewesen wären, und dies mit
funktionell und ästhetisch voraussichtlich eher unbefriedigendem Ergebnis.
Das zweite Gesicht: Chance und Risiken abwägen
Um
sich
für
eine
Gesichtstransplantation
von
einem
Fremdspender
oder
für
Alternativmethoden zu entscheiden, gibt es für Arzt und Patient einige wichtige Aspekte
sorgfältig zu überdenken und wohlüberlegt zu entscheiden. „Mögliche Patienten sollten
immer über Zuverlässigkeit und eine stabile Psyche verfügen“, so die einhellige
Expertenmeinung.
Wird in Richtung einer allogenen Transplantation tendiert, ist zunächst die ethische Frage zu
klären. Für derartige Eingriffe muss die offizielle Erlaubnis vom jeweils zuständigen EthikKomitee vorliegen. Auch bei der Suche nach einem geeigneten Spender sind viele Dinge zu
beachten: gleiche Blutgruppe, Übereinstimmung der Antigene und für ein ästhetisch
ansprechendes Ergebnis ähnliche Gewebestruktur.
Der Eingriff selbst ist sehr aufwändig, der Patient muss überaus stabil sein – physisch und
psychisch: Die Operation in Cleveland dauerte 22 Stunden, der Eingriff in Amiens 21
Stunden und braucht ein großes, bis ins kleinste Detail eingespieltes Ärzteteam.
Speziell jedoch die Verwendung einer Fremdspende im Gegensatz zum eigenen Gewebe
birgt besondere Gefahren und lebenslange Konsequenzen. „Als besondere Problematik bei
Gewebetransplantationen von Fremdspendern gilt unter Fachleuten die Überwindung der
Antigenität, also zu befürchtende Abstoßeffekte“, sagt Prof. Dr. Dr. Elmar Esser,
Pressereferent der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
(DGMKG). Bei Isabelle Dinoire kam es nach zunächst erfolgreichem Heilungsverlauf am 18.
Tag nach der Operation genau zu diesen Komplikationen, obwohl sie bereits vorbeugend
gegen mögliche Abstoßungsreaktionen Medikamente zur Immun-Unterdrückung und
Infusionen mit aufbereiteten Knochenmark-Zellen der Spenderin erhielt: Rote Punkte an der
Unterlippe zeigten eine Abstoßung des neuen Gewebes an. Doch die Patientin hatte Glück:
eine zusätzliche medikamentöse Therapie konnte die Abstoßreaktion unterdrücken.
Zusätzliche Belastung: Die Medikamente zur Immununterdrückung müssen ein Leben lang
eingenommen werden, damit es auch nach Jahren nicht zu möglichen Abstoßreaktionen
kommt. Überdies ist von Patienten mit Fremdspende eine höhere Rate an Karzinombildung,
speziell im Hautbereich, bekannt.
Ein weiteres wichtiges Entscheidungskriterium ist die Entstehung des Gewebeverlustes im
Gesicht: Im Gegensatz zur Deckung von Gewebeverlusten durch beispielsweise Hundebiss
oder Unfall (Trauma), ist bei der Wiederherstellung des Gesichts nach Tumorentfernung eine
Fremdspende wie beispielsweise die Transplantation von Gesichtsteilen eines Toten
ausgeschlossen. „Die gegen mögliche Abstoßreaktionen notwendige Immununterdrückung
könnte eine Tumorneuentstehung bzw. Metastasenbildung begünstigen“, erläutert Prof.
Esser einen der Gründe. Daher werden zur Wiederherstellung bei Tumordefekten aber
primär auch zur grundsätzlichen Defektdeckung von deutschen MKG-Chirurgen andere
Verfahren erfolgreich eingesetzt. Denn weiterentwickelte Verfahren der Mikrochirurgie und
neue Forschungserfolge mit Tissue Engineering ermöglichen jetzt einen deutlich höheren
Sicherheitsfaktor und ästhetisch ansprechende Ergebnisse.
Mikrochirurgisch Gewebe einfach verpflanzen
Seit
ungefähr
30
Jahren
ermöglichen
mikrochirurgische
Techniken
den
freien
Gewebetransfer. Spezialisten des MKG-chirurgischen Fachgebietes haben kürzlich im
Deutschen Ärzteblatt (Heft 47/21. Nov. 2008) ausführlich über diese Möglichkeit berichtet.
Die benötigten Gewebeteile werden aus dem Spenderareal, beispielsweise aus der
Rückenmuskulatur,
Beckenkamm
oder
Wadenbein
des
Betroffenen,
vollständig
herausgetrennt und im Defektbereich mit mikrochiurgischen Techniken an die dortigen
Gefäße angeschlossen. „Techniken, Materialien und Gerätschaften wurden in den letzten
Jahren immer weiter optimiert, so dass der mikrochirurgische Gewebetransfer heute zu
einem sicheren Rekonstruktionsverfahren zählt und überdies auch bei Prof. Devauchelles
spektakulärer Gesichtstransplantation von einer Toten auf eine junge Frau erfolgreich zum
Einsatz kam“, bestätigt Prof. Esser die verbesserten Chancen durch Mikrochirurgie.
Tissue Engineering: mit Hightech Knochen- und Gewebeteile züchten
In einigen Fällen kann zu ersetzendes Gewebe oder selbst fehlender Knochen bereits mit
Stammzellen und Wachstumsfaktoren gezüchtet werden. Jüngster Erfolg eines Kieler MKGChirurgen-Teams: Es hat einen Teil des Unterkiefers eines Tumorgeschädigten in dessen
Rückenmuskulatur vorwachsen lassen und das „körpereigene Ersatzteil“ dann im
betroffenen Areal implantiert. Dazu sind jedoch vielfältige Voraussetzungen erforderlich: Von
der 3D-Animation mit CAD/CAM-Verfahren über aufwändige Labortechnik bis zur klinisch
sinnvollen Anwendung im Individualfall. Das Fachgebiet der MKG-Chirurgie sieht sich hier
mit der Kooperation von Forschung und Klinik als führend an.
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