Jahresbericht 2006 Praxis für Nierenerkrankungen und Diabetes Bochum Dr. Dirk Gäckler Dr. Sabine Jäkel Dr. Lutz Fricke 2006 war das Jahre der Ärzteproteste. Deutlich gemacht wurde, dass eine alternde Gesellschaft mit altersbedingt immer mehr Kranken die ständig wachsenden Möglichkeiten der Medizin nur nutzen kann, wenn sie entsprechende finanzielle Mittel bereitstellt. Mehr medizinische Leistung wird mehr Geld kosten oder ist nicht (für alle) zu haben. Für unsere Praxis standen 2006 zwei Arbeitsfelder im Zentrum: Im Bereich der Diabetesversorgung die Zertifizierung als Behandlungszentrum durch die Deutsche Diabetesgesellschaft und in der Dialyse die Einführung der Hämodiafiltration als Standardbehandlung für möglichst viele Patienten. Die Deutsche Diabetesgesellschaft hat unsere Praxis 2006 – nach entsprechenden Vorarbeiten und einem Zertifizierungsprozess - als Behandlungseinrichtung Stufe 2 für Typ 1 und Typ 2 Diabetiker anerkannt. Dies ist die höchste für ambulante Einrichtungen mögliche Anerkennungsstufe. Stufe 3 gilt für stationäre Diabetesschwerpunktzentren. Als konsiliarisch tätige Nephrologen sind wir über das Bergmannsheil aber auch in diese Anerkennungsstufe einbezogen. Nach Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen wurde 2006 die Anerkennung unserer diabetologischen Fußambulanz durch die Deutsche Diabetesgesellschaft erneuert. Unsere Praxis führt den Titel „Zertifizierte Fußbehandlungseinrichtung der Deutschen Diabetesgesellschaft“. Wir arbeiten in der Versorgung fußgeschädigter Diabetiker eng mit dem auf diese Patientengruppe spezialisierten Orthopädieschuhmachermeister Friedhelm Vogler zusammen, der uns jeden Mittwochmorgen in der Praxis unterstützt. Praxis und Dialyse wurden 2003 nach entsprechenden umfangreichen Vorbereitungen nach DIN ISO 9001:2000 zertifiziert. Damit wurde festgestellt, dass fest vorgegebene Abläufe eingerichtet wurden und eingehalten werden, mit denen Sicherheit und Qualität in der Patientenbehandlung garantiert werden. 2006 wurde die Zertifizierung erneuert. Kidney international 2006, 69, 2087-2093, 26. April 2006, Zeitschrift der „International Society of Nephrology“ Obwohl wir davon überzeugt sind, schon bislang unseren Patienten eine ausgezeichnete Dialysebehandlung zu bieten, haben wir uns 2006 zu einer grundsätzlichen Umstellung unserer Standardbehandlung entschlossen. Eine Auswertung der Behandlungsdaten europäischer Dialysepatienten (Zeitschriftentitel siehe Abbildung), die am 26.April 2006 veröffentlicht wurde, hatte ergeben, dass die mit hocheffektiver Hämodiafiltration behandelten Patienten 30% länger lebten als die mit klassischer Dialyse behandelten. Unsere Dialysemaschinen sind sämtlich für diese Behandlungsform geeignet. Wir haben mit unserem Lieferanten, der Firma Gambro, verhandelt und eine Preissenkung für die für die Hämofiltration erforderlichen Materialien erzielen können. Diese sind damit zwar immer noch teurer als das Material für die klassische Dialyse, aber die Sicherheit, unseren Patienten die nach dem heutigen Stand der Wissenschaft beste Behandlung zu bieten, ist uns diese Mehrkosten wert. Bis zum Jahresende 2006 haben wir über 70% unserer Patienten auf hoch-effektive Hämodialfiltration umgestellt. In der Umstellungszeit traten vermehrte Maschinenalarme auf. Es ist uns aber inzwischen gelungen, diese auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Wir dürften nach dieser Umstellung das bundesweit größte Zentrum sein, das in diesem Umfang seine Patienten mit Hämodialfiltration behandelt. Relatives Sterberisiko bei Behandlung mit Low-flux Hämodialyse, high-flux Hämodialyse, niedrig-effektiver Hämodialfiltration und hoch-effektiver Hämodialfiltration nach den DOPPSDaten. (Das Sterberisiko bei Low-flux Hämodialyse wurde auf 1,0 gesetzt, somit ist das Sterberisiko unter hocheffektiver Hämodialfiltration rund ein Drittel niedriger.) Daraufhin haben wir uns entschlossen, allen Patienten bei denen dies auf Grund des Gefäßzuganges möglich ist, eine Behandlung mit hoch-effizienter Hämodiafiltration zu bieten. Seit Einrichtung einer bundesweiten freiwilligen Erfassung von Dialysedaten 1998 nimmt unsere Praxis daran teil (Quasi Niere = Qualitätssicherung in der Nierenersatztherapie). Nach Zustimmung der einzelnen Patienten werden Daten an einen Treuhänder gegeben, der diese anonymisiert und anschließend zur Auswertung weiterleitet. Zusammengefasst werden diese Daten bundesweit in Jahresberichten publiziert (siehe auch www.quasi-niere.de). Ca. 5 Promille der von Quasi-Niere publizierten Daten stammen aus unserer Einrichtung. Da wir aber zusätzliche Qualitätsmerkmale der Dialysebehandlung erfassen und einen Vergleich mit anderen Behandlungseinrichtungen möglich machen wollten, haben wir uns 2003 dem EuClidProgramm angeschlossen (European Clinical database). Inzwischen nehmen auf freiwilliger Basis über 40 deutsche Dialysezentren mit 4255 Patienten daran teil. Wir gehen davon aus, dass es sich bei diesen Zentren um eine Auswahl derjenigen handelt, die besonders auf ihre Behandlungsqualität achten und möglichst „gut“ sein möchten. Weil es sich um ein europaweites Programm handelt, sind auch internationale Vergleiche möglich. Wieder nach Zustimmung jedes einzelnen Patienten geben wir anonymisiert Behandlungsdaten an eine zentrale Auswertungsstelle weiter und erhalten regelmäßig alle drei Monate einen Bericht, in dem die Ergebnisse unserer Dialysebehandlung im Vergleich zu den anderen deutschen Teilnehmern dargestellt werden. Ziel ist durch den Vergleich eigene Schwächen und Stärken kennen zu lernen und sich selber kontinuierlich im Vergleich mit anderen zu verbessern (so genanntes Benchmarking). Durch diese Auswertungen wissen wir (alle Zahlen aus dem letzten Report vom November 2006), dass unsere Dialysepatienten mit einem Durchschnittsalter von 70,1 Jahren mehr als vier Jahre älter sind als der Durchschnitt der anderen Zentren (65,8 Jahre). Sie sind trotzdem noch etwas schwerer (76,9 gegen 75,6 kg), befinden sich also in überdurchschnittlich gutem Ernährungszustand. Der Anteil der Diabetiker an unseren Dialysepatienten liegt auf Grund unserer Spezialisierung auch auf den Diabetes bei 46,9 % (Gesamtgruppe 39,6%), wir vermuten aber nur bei 21,1% der Dialysepatienten den Diabetes auch als Ursache des Nierenversagens (bundesweit 18,1%). Auch Gefäßveränderungen und Bluthochdruck sind bei unseren Patienten als Ursache des Nierenversagens häufiger (11,1 gegen 7,75%). Zystennieren, die häufigste erbliche Nierenerkrankung ist aber erstaunlich gleichmäßig verteilt (5,85 bzw. 5,63 %). Alle unsere Patienten werden mindestens vier Stunden dialysiert (bundesweit 91,3%) und bei 67,6% ist ein klassischer Dialyseshunt im Einsatz (bundesweit 55,9%) - sicher auch ein Verdienst unserer gefäßchirurgischen Kollegen um Prof. Dr. Mumme und seine Oberärztin Frau Dr. Marpe (Gefäßchirurgische Universitätsklinik im St. Josef Hospital), die einmal im Monat eine Shuntvisite in unserer Dialyse durchführt. Entsprechend liegt die durchschnittliche Dialyseleistung, die als Giftentfernung am Beispiel des Harnstoffs gemessen wird, bei unseren Patienten schon vor Umstellung auf die hoch-effektive Hämodialfiltration über dem bundesweit erfassten Durchschnitt (Kt/V 1,47, bundesweit 1,40). Die Ergebnisse aus der Qualitätssicherung unserer Praxis stellte Dr. Lutz Fricke während der Jahrestagung des Vereins deutsche Nierenzentren e.V. im November 2006 in Mannheim vor. Eine verpflichtende Erfassung von Dialysebehandlungsdaten ist deutschlandweit erst seit 2007 vorgesehen und deckt einen weit kleineren Ausschnitt ab. Schon jetzt zeigen die Auswertungen unserer EuClid-Daten, dass für alle geplanten Messwerte die Ergebnisse der von uns durchgeführten Behandlungen besser sind als die allgemeinen Anforderungen. Weitere Informationen auch europäische Vergleiche finden Sie im Internet unter www.dialysequalitaet.de. Das EuClid-Programm umfasst derzeit lediglich die Daten von Hämodialysepatienten. Wir haben dem Rechenzentrum mitgeteilt, dass wir unsererseits auch gerne Daten von Peritonealdialysepatienten und Nierentransplantierten vergleichen würden, um auch hier unsere Behandlungsqualität ständig zu prüfen und zu verbessern. Zum Jahreswechsel 2006/2007 betreuen wir sechs Patienten mit Bauchfelldialyse (Peritonealdialyse oder PD). Bei jedem für eine Transplantation geeigneten Patienten prüfen wir inzwischen schon vor Aufnahme der Dialysebehandlung, ob eine Lebendnierenspende möglich ist. Medizinische Voraussetzung war die Verträglichkeit der Blutgruppen. Bei Blutgruppenunverträglichkeit gibt es jedoch inzwischen Ausweichmöglichkeiten. So hat das Transplantationszentrum Essen ein Überkreuzspendeprogramm aufgebaut, in dem ein Spender nicht seinem Angehörigen spendet, sondern dem Angehörigen eines anderen Spenders, der dann seine Niere dem Angehörigen des ersten Spenders übertragen lässt. Erstmals wurde zum Jahresende durch das Transplantationszentrum Bochum ein Verfahren eingesetzt, bei dem die Blutgruppen-bezogenen Antikörper vor der geplanten Transplantation aus dem Blut des späteren Empfängers aufwendig entfernt werden. Derzeit sind aus unserem Zentrum 45 Patienten im Transplantationszentrum Bochum zur Nierentransplantation angemeldet. Wir betreuen nach Organtransplantation ständig rund 70 Patienten, vorwiegend natürlich Nierentransplantierte. Dazu kommen einzelne Herz-, Lungen- und Lebertransplantierte. Besonders stolz sind wir darauf, keinen einzigen insulinpflichtigen Typ-1-Diabetiker mehr an der Dialyse zu haben. Wir arbeiten eng mit dem Bochumer Transplantationszentrum im Knappschaftskrankenhaus unter Prof. R. Viebahn zusammen, dem wir sehr zu Dank verpflichtet sind. Dieses Transplantationszentrum mit dem größten Pankreastransplantationsprogramm in ganz Europa hat diese Patienten sämtlich Pankreas-Nieren-doppeltransplantiert, so dass wir zur Zeit sieben solchermaßen transplantierte Patienten betreuen dürfen. Von diesen sieben Typ-1-Diabetikern benötigt nur eine Patientin nach Abstoßung beider Organe und Nierenzweittransplantation Insulin, die anderen sechs haben einen normalen Zuckerstoffwechsel ohne die Notwendigkeit von Insulininjektionen. Ein Patient muss nach Verlust der Nierentransplantatfunktion wieder regelmäßig zur Dialyse kommen. Das Ärzteteam der Praxis ist 2006 unverändert geblieben – neben den o.a. Partnern gehören Frau Dr. Bernadette Reinsch und Frau Barbara Klärner dazu. Alle fünf in der Praxis tätigen Ärzte haben sich 2006 regelmäßig fortgebildet und besitzen das gültige Fortbildungszertifikat der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Seit 1998 wird von den Ärzten der Praxis ein Qualitätsforum Diabetes organisiert, dass sich fünf- bis sechsmal im Jahr im dann ausgeräumten Dialysezimmer 4 zu Fortbildungsveranstaltungen mit vielen hausärztlich tätigen Kollegen trifft. Das Standardlehrbuch „Diabetologie kompakt“ (Herausgeber Prof. Dr. Schatz) wurde 2006 erneut aufgelegt; Frau Dr. Reinsch ist eine der Mitautorinnen. Frau Daniela Zimmer ist als Diabetesberaterin bei uns beschäftigt, Frau Sandra Rattasepp und Frau Tanja Oppat als Diabetesassistentinnen. Beide streben die Weiterbildung zur Diabetesberaterin an, Frau Rattasepp wird damit 2007 und Frau Oppat 2008 beginnen. Das Arzthelferinnen/ Diabetesschulungsteam ergänzen Frau Gabriele Turnau als Arzthelferin, Frau Jutta Gäckler als Diabetesassistentin und Frau Olga Steisl als Auszubildende, seit August 2006 im 3. Lehrjahr. Seit Dezember 2006 ist vormittags Frau Martina Scholz – von ihrer Ausbildung her Sozialarbeiterin an der Anmeldung dazu gestoßen. Ihre Ausbildung zur „Kauffrau im Gesundheitswesen“ hat Frau Stefanie Jammer im Juni 2006 erfolgreich abgeschlossen. Sie und Ihre Ausbilderin Frau Doris Schmidt bilden unser Verwaltungsteam. Wir führen in unserer Praxis Patientenschulungen für Bluthochkranke, Diabetiker und Patienten mit Nierenschwäche durch. Das Schulungsprogramm für Nierenpatienten ist selbst entwickelt und wird von uns fortgeführt, auch wenn bislang keine Kostenerstattung durch die Krankenkassen erfolgt (siehe auch unsere homepage www.dialyse-bochum.de). Die anderen Schulungen sind vom Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung entwickelt worden. Schulungen in intensivierter Insulintherapie und Insulinpumpenbehandlung führen wir gemeinsam mit zwei anderen Schwerpunktpraxen (Gangolf Heußen und Babette Lorra/Stefan Bonnermann) und der diabetologischen Abteilung des Bergmannsheil über den von uns mit gegründeten Verein „Diabetesschulungszentrum Bochum e.V.“ in den Räumen des Bergmannsheil durch. 2006 haben wir in allen genannten Programmen insgesamt 391 Patienten geschult. Unsere Praxis ist Kooperationspartner der Weiterbildungsstätte nephrologischer Zentren Rhein-Ruhr an den Kruppschen Krankenanstalten in Essen. Dort werden in zweijährigen berufsbegleitenden Kursen Krankenschwestern und -pfleger zu Fachschwestern für Nephrologie und Dialyse ausgebildet. 2006 hat Frau Michaela Bojarski ihre Ausbildung abgeschlossen. Im zweiten Ausbildungsjahr befinden sich Thomas Plutka und Manuel Linmann. Birte Walter hat 2006 mit der Ausbildung begonnen. In unserer Dialyse arbeiten insgesamt 35 Krankenschwestern und –pfleger. Davon besitzen mit Frau Bojarski jetzt fünf Schwestern und ein Pfleger die Anerkennung als Fachschwester/-pfleger für Nephrologie und Dialyse. Unsere Pflegedienstleitung Frau Simone Wolters und unsere Praxisanleiterin Frau Claudia Grunwald verfügen neben der Fachausbildung über die Qualifikation als Mentorinnen und können daher den praktischen Teil der Fachweiterbildung bei uns im Zentrum übernehmen. Frau Grunwald hat 2006 erfolgreich eine Ausbildung zur Fachdozentin im Gesundheitswesen absolviert. Frau Grunwald und Dr. Lutz Fricke sind als Dozenten an der Weiterbildungsstätte in Essen an der Ausbildung von Fachschwestern und Fachpflegern beteiligt. Praxisintern finden regelmäßig Fortbildungen gemeinsam für alle Mitarbeiter statt. Pflegepersonal und Diabetesschulungskräfte bilden sich außerhalb der Praxis ebenfalls fort und haben 2006 u.a. den Kongress der Deutschen Diabetesgesellschaft in Leipzig und die Dialysefachtagung in Konstanz besucht. An Dialysetechnikkursen für Anwender in München und Hamburg nahmen Mitarbeiter der Praxis ebenfalls teil.